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alltag im rheinland - Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte

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allerheIlIgen doppelFeIertag<br />

Der Doppelfeiertag Allerheiligen <strong>und</strong><br />

Allerseelen: Privates Totengedenken<br />

<strong>und</strong> Erinnerungskultur am Kölner<br />

Südfriedhof<br />

Totengedenken als Familienritual<br />

Der katholische Feiertag Allerheiligen wird<br />

in der Brauchpraxis vom ebenfalls katholischen<br />

Feiertag Allerseelen überlagert, wie<br />

bereits Moser in seiner Analyse des christlichen<br />

Jahreslaufes konstatiert. 10 Die <strong>im</strong><br />

Rahmen einer empirischen Feldforschung<br />

durchgeführte Analyse der populären<br />

Brauchpraxis auf dem Kölner Südfriedhof,<br />

die an Allerheiligen <strong>im</strong> Jahr 2011 durchgeführt<br />

wurde, zeigt, dass die Überlagerung<br />

der Feiertage Allerheiligen <strong>und</strong> Allerseelen<br />

am 1. November <strong>im</strong> Jahreslauf <strong>für</strong> die Hervorhebung<br />

des privaten Totengedenkens<br />

steht. 11 In der Festkultur erhält dieser Feiertag<br />

eine erinnerungskulturelle Bedeutung,<br />

die zur Stabilisierung des subjektiven Identitätskonzeptes<br />

beiträgt. 12<br />

Das Gedenken an die verstorbenen Verwandten<br />

bildet den Fokus des Doppelfeiertages<br />

Allerheiligen <strong>und</strong> Allerseelen am<br />

1. November <strong>im</strong> Rheinland. Das private<br />

Totengedenken wird durch symbolische<br />

Brauchhandlungen, die einem persönlichen<br />

Familienritual entsprechen, öffentlich<br />

sichtbar gemacht. Der Friedhofsgang an Allerheiligen<br />

erhält sogar <strong>für</strong> mehrere Familiengenerationen<br />

Bedeutung, wie das Beispiel<br />

der interviewten Familie Jansen am Kölner<br />

Südfriedhof belegt. Hermann Jansen 13 (78),<br />

10 Vgl. Moser 1993, S. 258f.<br />

11 Vgl. Hänel 2010, S. 152f.<br />

12 Vgl. auch den Aufsatz von Peter in diesem Band.<br />

13 Die Namen aller Personen, die <strong>im</strong> Rahmen der<br />

Feldforschung interviewt worden sind, wurden in<br />

diesem Aufsatz geändert.<br />

40<br />

seine Tochter Ulrike (45) sowie seine Enkelin<br />

Melissa (15) besuchten an Allerheiligen<br />

das Grab eines nahen Familienmitgliedes.<br />

Diese Familie, die seit über vierzig Jahren<br />

nicht mehr in Köln ansässig ist, war eigens<br />

zu diesem Zweck aus Königswinter bei<br />

Bonn angereist. Insgesamt zwei St<strong>und</strong>en<br />

verbrachte die Familie am Grab. Besondere<br />

Relevanz erhielt dabei das gemeinsame Herrichten<br />

des Grabes: Ausgerüstet mit kleinerem<br />

Gartengerät, wie einer Gartenschere<br />

oder einem Grubber, wurde vor allem die<br />

Bepflanzung in Stand gebracht, d.h. die<br />

Hecke wurde gestutzt, Stiefmütterchen gepflanzt<br />

<strong>und</strong> Unkraut gejätet. Zudem wurde<br />

der Grabstein gereinigt sowie zum Schluss<br />

zusätzlich eine Kerze am Grab angezündet.<br />

Die Enkelin resümierte den Friedhofsgang<br />

folgendermaßen: „Joa, [der Friedhofsgang<br />

war] ganz schön eigentlich. Ja, wir haben<br />

uns Mühe gegeben <strong>und</strong> das Grab halt schön<br />

gemacht.“ 14 Es wird hierbei deutlich, dass<br />

der Friedhofsgang an Allerheiligen eng mit<br />

der Instandsetzung der Bepflanzung, die<br />

auch einer Ästhetisierung derselben entspricht,<br />

verb<strong>und</strong>en ist.<br />

Die Tatsache, dass die Pflege des Grabes<br />

an dem eigentlichen Termin des Feiertages<br />

vorgenommen wurde, scheint einem kulturellen<br />

Wandel zu unterliegen. Strukturelle<br />

Veränderungen des Arbeits<strong>alltag</strong>es, die mit<br />

der Zunahme der Mobilität sowie der veränderten<br />

Arbeitszeitstruktur zusammenhängen,<br />

führten zu einem Brauchwandel an<br />

Allerheiligen. Hermann Jansen <strong>und</strong> seine<br />

Tochter Ulrike erinnerten sich, dass man<br />

„früher“ die Gräber bereits vor dem Feiertagstermin<br />

zurecht gepflegt hatte <strong>und</strong> man<br />

sich am 1. November daher gänzlich dem<br />

stillen Gedenken der Toten gewidmet hat,<br />

indem man ein Gebet sprach, eine Schweigeminute<br />

hielt <strong>und</strong> eine Kerze <strong>für</strong> die Toten<br />

14 Interview Jansen 2011.

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