Teil 1
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Andere Begebenheiten und die Landesmeisterschaften<br />
EWU-LV Bremen/Niedersachsen 2011: Eine Reizwortgeschichte<br />
Kleid, Pferd, Dampfsauna im Grünen,<br />
Walnusseisbecher, qualmende<br />
Füße in Gummistiefeln, Nebel,<br />
azurblaue Schärpen ... und die Welt<br />
kann so ungerecht sein.<br />
Eigentlich fing es mit der Hochzeit<br />
von Ralf und Mella an, denn da<br />
wollte ich genauso wie viele andere<br />
Hochzeitsgäste bzw. das Brautpaar<br />
selbst in „Old Western-Style-Klamotten“<br />
erscheinen – aber<br />
das Kleid, welches aus mehreren<br />
Einzelteilen inklusive eines besonders<br />
aufgepeppten bzw. höhergelegten<br />
Popoaufbaus besteht, war<br />
doch aufwändiger beim Nähen als<br />
geplant – und eben nicht fertig geworden.<br />
Neues Zeitfenster:<br />
Auf den Landesmeisterschaften<br />
ziehen wir Vorstandsmitglieder die<br />
Sachen bei der Ehrung der Landesmeister<br />
an, das war eine gute Idee<br />
und Ansporn für das Weiternähen<br />
– aber wann?<br />
Da war doch noch was:<br />
Mein Pferd namens Tori hatte ihre<br />
wochenlange Lahmheit überwunden<br />
– und dank der herbstlich angehauchten<br />
Sommerferien war ein<br />
Trainieren plötzlich zu normalen<br />
Zeiten ohne Hitzekoller oder Fliegen-<br />
und Bremsenattacken zwischen,<br />
durch und gelegentlich auch<br />
ohne Pfützen möglich, was ich als<br />
glückliche Fügung sah, denn es<br />
eröffnete mir einen Turnierstart in<br />
Nienstedt, der eigentlich nicht geplant<br />
war; und als unglückliche Fügung,<br />
weil man keine Chance zum<br />
Heumachen bekam. Aber: Ich hatte<br />
eine Chance, sogar selbst bei den<br />
Landesmeisterschaften in Dönsel<br />
mitzureiten – im Zweifelsfall mit<br />
fliegendem Wechsel von der Hose<br />
ins Kleid und zurück – wegen der<br />
Ehrungen der Meister.<br />
Die Turniersachen von Nienstedt<br />
wurden also gar nicht richtig weggeräumt,<br />
sondern mehr oder weniger<br />
in den Weg gestellt, gewaschen<br />
und geputzt, weil sie ja bald wieder<br />
ins Auto bzw. den Pferdeanhänger<br />
sollten. Tori und ich mussten fleißig<br />
an unseren Schwachpunkten<br />
trainieren, ich musste zusätzlich<br />
auch wieder arbeiten und nachts<br />
noch am Kleid nähen – und dann<br />
das: Meine beiden Stuten quietschten<br />
sich mal wieder zickend an (sie<br />
leben seit 15 Jahren zusammen) –<br />
und Tori lief anschließend nur noch<br />
auf drei Beinen auf der Wiese herum<br />
– das vierte trug sie ohne Aufzusetzen<br />
– ich war geschockt! Man<br />
konnte die Verletzung nicht nähen,<br />
weil dafür zu viel Haut und Fell<br />
fehlten – und es war so heftig, dass<br />
an einen Start auf der LM nicht zu<br />
denken war ...<br />
Die Welt kann so ungerecht<br />
sein ...<br />
ich haderte mit meinem Schicksal.<br />
Zusammen sind wir 75, wobei das<br />
Pferd nicht 10, sondern 20 Jahre<br />
alt ist und ich den Rest übernehme<br />
– und wann kriegen wir mal wieder<br />
eine solche Chance unter den<br />
in diesem Jahr gegebenen Konstellationen?<br />
Nie wieder! „Dann hast<br />
du ja noch mehr Zeit zum Nähen,<br />
weil du ja nicht mehr trainieren<br />
kannst bzw. packen und vorbereiten<br />
musst ...“ Welch Motivation,<br />
ich war wütend und traurig zugleich<br />
und konnte mich überhaupt<br />
nicht wie eine erwachsene Person<br />
den Tatsachen stellen. Das Nähen<br />
ging weder mir noch dem Erbstück<br />
von meiner Oma (Tretnähmaschine<br />
aus dem Zeitalter des geplanten<br />
Kleides) gut von der Hand – und<br />
die Zeit rannte davon.<br />
Zwischen Regengüssen und Nebelbänken,<br />
Hitzegewittern und Windstille<br />
kam dann auch noch die Frage<br />
auf, wann ich denn mein Heu<br />
gemäht haben wollte, der Fluch auf<br />
den gruseligen und teilweise auch<br />
unzutreffenden Wetterbericht und<br />
dieses Hin- und Hergerissen Sein,<br />
weil ich allein die Entscheidung für<br />
das Winterfutter zu fällen hatte –<br />
da kam die Hiobsbotschaft, dass es<br />
mit dem Stroh auch schlecht aussieht,<br />
gerade richtig.<br />
Und noch ein Ding – musste ich mir<br />
doch auch noch das Versagen in<br />
Sachen „Kleid zur LM fertig“ eingestehen<br />
und mit „Alternativkleidung“<br />
(nicht Hippie-Flower-Power,<br />
sondern Rektorenblazer) zur LM<br />
und ohne Pferd antreten.<br />
Es ist doch schön, wenn man dann<br />
auf vertraute und freundliche Menschen<br />
trifft, die sich auf der LM eingefunden<br />
hatten – ob es nun die<br />
Reiter mit den Pferden, die Turnierveranstalter<br />
samt Richtergespann<br />
und Helfercrew oder die Zuschauer<br />
und Verkaufsstandbetreiber handelte<br />
– irgendwie waren alle „gut<br />
drauf“. Da machte es um so mehr<br />
Spaß, die Pferde der Landesmeister<br />
mit den wunderschönen Schärpen<br />
zu schmücken – und das bei 30 °C<br />
im Schatten und 50 °C im Blazer.<br />
Und unsere anderen Vorstandsmitglieder?<br />
Ralf, Elke, Moni und<br />
weitere mussten z.B. reiten, Karin<br />
die Turnierwartaufgaben wahrnehmen,<br />
Carmen als QTT fungieren<br />
und Ernst gegen Ende des Turniers<br />
den absoluten Spitzenjob übernehmen:<br />
Rinder sortieren – von Hand,<br />
also ohne Pferd unterm Hintern<br />
– denn es wurden zur Freude aller<br />
noch „Cutting“ und „ Working<br />
Cowhorse“ angeboten – aber dazu<br />
trug er nicht den Anzug mit passendem<br />
Hut aus dem 18. Jahrhundert.<br />
Ich konnte es mir ja nicht verkneifen,<br />
wenigstens unserer mutig im<br />
abgemachten Outfit angetretenen<br />
Pressewartin Ulli den Zwischenstand<br />
meiner Nähkünste zu zeigen<br />
(siehe Foto links):<br />
Das Bild vom Schnittmuster, wie<br />
es mal werden soll, den ersten<br />
von drei Röcken noch ohne Saum<br />
und das aus 1000 Einzelstückchen<br />
„auf Figur“ zusammengenähte<br />
Oberteil – vorne noch von Heftfäden<br />
gehalten – nein, offengestanden<br />
hätte man es so nicht tragen<br />
können, auch wenn das männliche<br />
WESTERNREITER – Oktober 2011<br />
ewu regio 49<br />
Pressewartin Ulrike erschien, bei<br />
Ehrung der Landesmeister auf<br />
der Landesmeisterschaft, mutig<br />
im abgemachten Outfit.<br />
Geschlecht dies sicher anders sieht<br />
– es fehlten eben auch noch die 21<br />
Knöpfe samt Knopflöchern.<br />
Neues Zeitfenster ist jetzt<br />
unsere Trophyparty – ihr<br />
werdet es erleben.<br />
Inzwischen kämpfe ich nicht nur<br />
mit der Dunkelheit, sondern auch<br />
mit Mücken und Co., überlege, wie<br />
gut es meinem mittlerweile gemähten<br />
Gras und somit zukünftigen<br />
Heu bekommt, dass es schon<br />
dreimal reingegossen hat und der<br />
Nebel wie an den schönsten Septembertagen<br />
einen dicken Mantel<br />
über alles ausgebreitet hat – die<br />
qualmenden Füße in Gummistiefeln,<br />
weil das Gras um meinen Gartentisch<br />
herum (an dem ich gerade<br />
sitze) wegen anhaltender Nässe<br />
hochgewachsen ist und eben nicht<br />
gemäht werden konnte, unterm<br />
Hintern eine dicke Schicht Handtücher,<br />
weil der Gartenstuhl irgendwie<br />
nachfeuchtet – fühlt sich an<br />
wie eine Dampfsauna im Grünen.<br />
Aber wir haben eine laue Hochsommernacht<br />
im August, in der ich<br />
mir einen Walnusseisbecher gönne<br />
und ein Bier gegen den anschließenden<br />
Durst trinke – und es soll<br />
keiner sagen, dass man da nicht<br />
draußen sitzen und einen Artikel<br />
für den „Westernreiter“ schreiben<br />
könnte ...<br />
Waltraud Giere