Lebensspuren hautnah Eine Kulturgeschichte der ... - akzept e.V.
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Männer tätowiert waren. Neben den mythischen Symbolen <strong>der</strong> Stammesgottheiten<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vorfahren beinhalteten die Tätowierungen auch einen<br />
amulettartigen, schützenden Charakter vor Dämonen und Krankheiten. Neben<br />
den thrakischen Völkern und den keltischen Stämmen waren auch die<br />
Teutonen, die Dänen, Sachsen und die Norweger tätowiert. In Großbritannien<br />
hatte das Tätowieren bis zur Invasion <strong>der</strong> Normannen 1066 eine lang<br />
weiterbestehende Tradition. So war <strong>der</strong> letzte angelsächsische König Harald<br />
II. mit dem Namen seiner Frau „Edith“ geziert.<br />
Unter den Römern und Griechen war die Tätowierung ein Ausdrucksmittel<br />
und ein Machtmittel des Souveräns gegenüber seinen Feinden und seinen<br />
Untertanen. Die Römer kennzeichneten Verbrecher und Kriegsgefangene<br />
mittels Tätowierungen, um die Bevölkerung vor diesen Menschen zu warnen<br />
und um potentielle Verbrecher abzuschrecken. Den Verurteilten wurden<br />
Symbole ihres begangenen Verbrechens auf die Stirn eingestochen. Dieser<br />
grausame Brauch wurde bis in das dritte Jahrhun<strong>der</strong>t nach Christus praktiziert.<br />
Die Regelung <strong>der</strong> Straf- und Zwangstätowierung wurde schließlich von<br />
Kaiser Constantin (306-337) modifiziert. Aus religiösen Gründen, da <strong>der</strong><br />
Mensch das Abbild Gottes sei, untersagte er es, <strong>der</strong>artige Tätowierungen im<br />
Gesicht anzubringen.<br />
Asien<br />
Meister <strong>der</strong> Tatauierkunst: Die Bewohner Ozeaniens<br />
Im April 1769 landete <strong>der</strong> Weltenumsegler James Cook auf Tahiti. Die (Wie<strong>der</strong>-)Entdecker<br />
<strong>der</strong> Neuen Welt wurden zum ersten Mal mit <strong>der</strong> Kunst <strong>der</strong><br />
Tätowierung bekannt. Die Ureinwohner Tahitis beherrschten wie viele Völker<br />
<strong>der</strong> polynesischen Inseln die Ganzkörper-Tätowierung. Das Tatau hat in<br />
Polynesien eine lange Tradition,war aber vorwiegend eine Domäne <strong>der</strong> Männer.Tatau<br />
(tahit.:Wunde schlagen) bezeichnet den traditionellen Akt <strong>der</strong><br />
Körperverzierung auf den verschiedenen Inselgruppen Polynesiens. Er wird<br />
mit dem Tatauierkamm,„Au“,<strong>der</strong> aus Knochen und Stoßzähnen besteht,vollzogen.<br />
Dieser wird auf einen Holzstab gesetzt, mit Tusche getränkt und mit<br />
einem Stock, dem „Iapalapa“, rhythmisch in die Haut geschlagen, wo er in das<br />
Unterhautgewebe eindringt und dort eine bleibende Verfärbung verursacht.<br />
Die Polynesier verwendeten als Farbstoff fettigen Ruß,<strong>der</strong> durch Verbrennen<br />
von Samenkernen gewonnen und mit Kokosöl zu einer feinen Paste angerührt<br />
wurde. Polynesischen Mythen zufolge erlernten die Menschen das Tätowieren<br />
von den Göttern.Die Verzierungen wurden deshalb von beson<strong>der</strong>s<br />
geehrten Meistern in einem rituellen und festlichen Rahmen angebracht.<br />
Polynesische Jungen erhielten ihren ersten Körperschmuck meist im Alter<br />
zwischen zwölf und achtzehn Jahren. Der Zeitpunkt richtete sich nach <strong>der</strong><br />
ersten Tätowierung des Häuptlingssohns, mit dem sich die gleichaltrigen<br />
Knaben gemeinsam <strong>der</strong> Prozedur unterziehen mussten.Wenn ein Samoaner<br />
nicht tätowiert war, wurde er nicht beerdigt, son<strong>der</strong>n seine Leiche einfach<br />
irgendwo im Dschungel abgeladen. Die Muster und Motive samoanischer Tätowierung<br />
reichen von den Knien bis zum Oberkörper und sind flächig pigmentiert.<br />
Diese werden ausschließlich bei Männern von den so genannten<br />
„Tufuga ta tatau“, den Tatauiermeistern, mit einem <strong>der</strong> Gartenhacke ähnlichen<br />
Gerät, das in die Haut gepresst wird, durchgeführt. Stets behandelte<br />
man nur kleine Hautpartien auf einmal, weitere Operationen erfolgten nach<br />
Tagen o<strong>der</strong> Wochen. Oft vergingen Jahrzehnte, ehe <strong>der</strong> ganze Körper mit<br />
Mustern versehen war. Auf Samoa wurden und werden auch Frauen tätowiert,<br />
mit einfachen o<strong>der</strong> doppelten Rauten in <strong>der</strong> Kniekehle, die „Malu“ genannt<br />
werden. Die Tätowierungen finden zumeist bei Eintritt <strong>der</strong> Geschlechtsreife<br />
zum ersten Mal statt.Allen Traditionen zum Trotz wird die samoanische<br />
Tätowierung heute, vor allem in den Ballungszentren, weniger aus<br />
Initiationsgründen, son<strong>der</strong>n mehr als Stolz auf und Verbundenheit mit <strong>der</strong><br />
Tradition und Kultur ausgeführt. Die autochthone Bevölkerung auf Hawaii<br />
ließ sich zusätzlich die Genitalien und die Zunge tätowieren, Letzteres meist<br />
als Zeichen <strong>der</strong> Trauer.Trauermuster wurden auch in Rarotonga (<strong>der</strong> Hauptinsel<br />
<strong>der</strong> Cook-Inseln) auf Nacken und Brust angebracht. Den Bewohnern<br />
<strong>der</strong> Salomon-Inseln im pazifischen Melanesien, war das Tätowieren ebenfalls<br />
bekannt.<br />
Zur höchsten Vollendung brachten die Bewohner <strong>der</strong> Marquesas-Inseln in<br />
Ostpolynesien die Tätowierkunst. Bereits <strong>der</strong> spanische Seefahrer Alvaro de<br />
Mendana de Neyra, <strong>der</strong> im Jahr 1595 als erster Europäer die Marquesas ansteuerte,<br />
erwähnte bei seiner Heimkehr die den ganzen Körper bedeckenden,<br />
häufig einem Schachbrett ähnelnden Tätowierungsmuster. Die Tätowierung<br />
war ein wichtiger Bestandteil <strong>der</strong> marquesanischen Kultur und eng mit<br />
ästhetischen, ökonomischen, sozialen und politischen Aspekten verbunden.<br />
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