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Lebensspuren hautnah Eine Kulturgeschichte der ... - akzept e.V.

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Gegenwart, Kunst, Fachbegriffe und weiterführende Literatur<br />

Bedeutung und Motive <strong>der</strong> heutigen Tätowier-Stile<br />

Heute, am Beginn des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts, gibt es eine Vielzahl an Gründen, sich<br />

eine Tätowierung stechen zu lassen. Darunter fallen beispielsweise: Nachahmung,<br />

Langeweile und Einsamkeit, Geltungsstreben, Erinnerung, Eitelkeit,<br />

Überredung und Betrug, Spaß, Mutprobe,Wunschdenken, Neugierde und<br />

Interesse, Liebe und Erotik, Gruppenzugehörigkeit, Alkoholrausch, Gedankenlosigkeit,<br />

Tradition, Verzweiflung, Zwang, Protest und Abschreckung,<br />

Wette, Stolz, Gefälligkeit, Kennzeichnung, Rache und Alibi, Glaube und Aberglaube,<br />

Mut und Männlichkeit, Imponiergehabe etc., um nur einige <strong>der</strong> wichtigsten<br />

Beweggründe zu nennen. Grundsätzlich lassen sich alle diese verschiedenen<br />

Beweggründe in einige wenige Grund-Motive zusammenfassen.<br />

Initiations- und Zugehörigkeitszeichen<br />

Nach wie vor dienen Tätowierungen als Initiations- und Zugehörigkeitszeichen,<br />

wie etwa als Zeichen <strong>der</strong> Zugehörigkeit zu einer Gruppe o<strong>der</strong> als Banden-Tätowierungen.<br />

Die Tätowierung ist ein sichtbarer Mitgliedsausweis. Sie<br />

definiert klar die Zugehörigkeit ihres Trägers zur „in-group“ und grenzt zur<br />

„out-group“,das heißt zu an<strong>der</strong>en Gruppierungen Jugendlicher o<strong>der</strong> zur Gesellschaft<br />

ab.<br />

Abgrenzung und Exklusivität<br />

Die Tätowierung in mo<strong>der</strong>nen Gesellschaften war immer ein Ausdruck des<br />

„An<strong>der</strong>sseins“ o<strong>der</strong> des „An<strong>der</strong>sseinwollens“. In den immer anonymer werdenden<br />

Gesellschaftskonstruktionen wird es für den Einzelnen immer<br />

schwieriger, sich von den an<strong>der</strong>en sichtbar und deutlich abzugrenzen. Die<br />

persönliche Identität wird immer mehr zurückgedrängt, sodass es sowohl<br />

für die Interaktionspartner als auch für das Individuum selbst zunehmend<br />

schwieriger wird, die Einzigartigkeit wahrzunehmen. Hier kann nun <strong>der</strong> Tätowierung<br />

die Aufgabe zukommen, die zerfallenen tradierten Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> Identifizierung zu ersetzen. Beson<strong>der</strong>s zur Zeit <strong>der</strong> industriellen Revolution,<br />

als die Dorf- und Familiengemeinschaften auseinan<strong>der</strong>gerissen wurden,<br />

und die Arbeiter in den Städten ein anonymes Leben führen mussten,<br />

erfuhr die Tätowierung einen enormen Aufschwung. Die gleichen Gründe<br />

sind es, die auch heute zahlreiche Menschen veranlassen, sich tätowieren zu<br />

lassen.<br />

Sexualität und Erotik<br />

Die erotische Komponente des Hautstichs scheint von jeher eine beson<strong>der</strong>e<br />

Faszination auf die Menschen ausgeübt zu haben.Tätowierungen wurden<br />

schon immer als ein Zeichen von Stärke, Männlichkeit, Mut und Unerschrockenheit<br />

gehandelt und folglich auch als erotisch und sexuell anziehend bewertet.Tätowierungen<br />

bei Frauen spiegeln aber auch diskriminierende Momente<br />

deutlich wi<strong>der</strong>. Diese Begründung liegt darin, dass in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

<strong>der</strong> weibliche Hautstich in <strong>der</strong> Regel mit Prostitution in Verbindung gebracht<br />

wurde.<br />

Politisch motivierte Tätowierungen<br />

Tätowierungen können auch als geeignetes Mittel zur Artikulation von politischer<br />

o<strong>der</strong> gesellschaftlicher Kritik angesehen werden.Vor allem dann,<br />

wenn eine extreme persönliche Betroffenheit o<strong>der</strong> Involvierung in die kritisierten<br />

politischen o<strong>der</strong> gesellschaftlichen Zustände vorliegt.<br />

So bietet sich ein breites Spektrum <strong>der</strong> unterschiedlichen Funktionen und<br />

Bedeutungen <strong>der</strong> gegenwärtigen Tätowierungen an. Beson<strong>der</strong>s deutlich tritt<br />

zutage, dass <strong>der</strong> Hautstich eine wichtige Rolle bei <strong>der</strong> Regulierung des sozialen<br />

Miteinan<strong>der</strong>s spielt. Egal ob es sich um die Stärkung des Gruppenzusammenhangs,<br />

die Hervorhebung <strong>der</strong> Abgrenzung von an<strong>der</strong>en Individuen<br />

o<strong>der</strong> die Artikulation von politischer Kritik handelt, wirkt das Hautbild als<br />

Vermittler zwischen verschiedenen Gruppen und/o<strong>der</strong> Individuen.<br />

Die zeitgenössische Tätowier-Szene in den so genannten westlich-orientierten<br />

Staaten ist nahezu unüberschaubar und durch eine Vielzahl von Motiven und<br />

Stilrichtungen gekennzeichnet, die selbst geprägt sind durch die jeweilige kulturelle<br />

Entwicklung eines Landes. Die wichtigsten Stilrichtungen heute sind:<br />

Tribal-Tattoos<br />

Die gegenwärtigen Tribal-Motive gehen auf die schwarzen, scherenschnittartigen<br />

bzw. geometrischen Tatau-Ornamente <strong>der</strong> Polynesier zurück. Es waren<br />

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