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Lebensspuren hautnah Eine Kulturgeschichte der ... - akzept e.V.

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Übergangsriten – „Rites de Passage“ – markieren somit den Wechsel von einem<br />

sozialen Status in einen neuen. Sie haben für den Einzelnen ebenso<br />

große Bedeutung wie für die Gesellschaft. Dabei spielt in vielen Kulturen die<br />

Tätowierung zur Markierung von Lebensabschnitten eine wichtige Rolle.Die<br />

tätowierte Person dokumentiert überall nach außen, dass sie einen bestimmten<br />

Lebensabschnitt abgeschlossen bzw. begonnen hat. Am herausragendsten<br />

sind hierbei die so genannten Pubertäts-Tätowierungen, die den<br />

Trägern nicht nur das heiratsfähige Alter bescheinigen, son<strong>der</strong>n ihnen häufig<br />

auch den Eintritt in die Gemeinschaft <strong>der</strong> Frauen o<strong>der</strong> Männer ermöglichen.<br />

Heirats-Tätowierung<br />

<strong>Eine</strong> weitere Form <strong>der</strong> „Markierungs-Tätowierung“ ist die Tätowierung bei<br />

<strong>der</strong> Verheiratung. So wurde bei den Korjaken (auf Siara im Pazifischen<br />

Ozean) die Frau sofort nach <strong>der</strong> Heirat im Gesicht tätowiert. Jedes Jahr kamen<br />

neue Zeichnungen dazu, sodass die Jahre <strong>der</strong> Verheiratung genau abgelesen<br />

werden konnten. Heirats-Tätowierung findet bzw. fand sich auch bei<br />

den Tupinambás in Südamerika.<br />

Tätowierungen bei Schwangerschaften<br />

Tätowierungen bei Schwangerschaften kamen eher selten vor. In einigen<br />

außereuropäischen Kulturen versuchte man jedoch, mit einem bestimmten<br />

Symbol das Geschlecht <strong>der</strong> noch ungeborenen Leibesfrucht zu beeinflussen<br />

o<strong>der</strong> aber sich eines gesunden Kindes zu versichern,das die Tätowierung vor<br />

Hexen und Dämonen schützen soll.<br />

Krieger-Tätowierung<br />

<strong>Eine</strong> weitere Markierung ist die Krieger-Tätowierung. Bei den nordamerikansichen<br />

Natchez (im Südosten, unteres Mississippi-Tal) etwa durften sich<br />

„Nichtkrieger“ vorerst nur die Nase tätowieren. Erst mit einer Trophäe eines<br />

getöteten Feindes erhielt <strong>der</strong> Krieger das Recht, sich auch an<strong>der</strong>e Körperstellen<br />

zu tätowieren.<br />

Trauer-Tätowierung<br />

Der Todesfall eines Angehörigen stellt einen ebenso wichtigen Lebensabschnitt<br />

für die Gesellschaft dar. So gibt es Trauer-Tätowierungen, die vom<br />

Zweck her am ehesten mit <strong>der</strong> im Westen verbreiteten schwarzen Trauer-<br />

kleidung verglichen werden können. Darunter fällt z. B. auch die Witwen-Tätowierung<br />

auf Hawaii. Starb <strong>der</strong> Ehemann, so war es Brauch, dass die Zunge<br />

<strong>der</strong> Witwe punktiert bzw. mit Stich-Tätowierung versehen wurde. Bei <strong>der</strong><br />

Trauer-Tätowierung spielt auch die Schmerzzufügung eine große Rolle, denn<br />

die Trauernden leiden zusätzlich mit, wenn sie sich selbst Narben beibringen<br />

o<strong>der</strong> tätowieren.In Indien ist ein Todesfall und die damit zusammenhängende<br />

Trauer häufiger Anlass für das Stechen einer Tätowierung. Auf diese Weise<br />

gedenkt man <strong>der</strong> Verstorbenen o<strong>der</strong> ehrt sie durch ein tätowiertes „in memoriam“.<br />

Tätowierung als Brandmarkung<br />

Im Normalfall geschieht die Tätowierung als Brandmarkung nicht freiwillig.<br />

Tätowierung als Brandmarkung war vor allem im Altertum üblich und erstreckte<br />

sich vorwiegend auf die Markierung von unterlegenen Feinden o<strong>der</strong><br />

Sklaven. Die Römer tätowierten z. B. nicht nur Kriegsgefangene und Sklaven,<br />

son<strong>der</strong>n auch ihre eigenen Rekruten. Mit diesem Zeichen auf <strong>der</strong> Haut war<br />

es beson<strong>der</strong>s schwer zu desertieren.Auch Platon hat die Zwangs-Tätowierung<br />

als Strafe für Tempelschändung vorgeschlagen. In China wurden aufständischen<br />

Gruppen Buchstaben bzw. Charaktere auf Stirn, Kinn und beide<br />

Backen tätowiert, um sie im Falle einer neuerlichen Rückkehr zum Feind sofort<br />

zu erkennen. Die wohl schlimmsten Fälle von Zwangs-Tätowierung fanden<br />

wohl im Holocaust statt. So wurde vielen Juden von den Nazis <strong>der</strong> Davidstern<br />

auf Stirn o<strong>der</strong> Arme tätowiert.Symbole wie <strong>der</strong> rosa Winkel für Homosexuelle,<br />

Zeichen für Roma und Sinti und Kommunisten sowie Registrierungsnummern<br />

auf <strong>der</strong> Haut von Kin<strong>der</strong>n und Greisen, Männern und Frauen<br />

sollten zur weiteren Dehumanisierung <strong>der</strong> KZ-Insassen beitragen. Die Registrierung<br />

eines ganzen Volkes durch Tätowierung war vor langer Zeit in<br />

Indochina üblich. Fälschungen <strong>der</strong> Tätowierungen, also <strong>der</strong> Daten, wurden in<br />

Thailand mit <strong>der</strong> Ausrottung ganzer Familien bestraft.<br />

Tätowierung als Stammeszeichen und Identitätszeichen<br />

Viele Tätowierungen o<strong>der</strong> Ziernarben sind auch als Abzeichen einer Ethnie<br />

zu verstehen. Diese Identitäts-Zeichen dokumentieren nach außen die Zugehörigkeit<br />

zu einer Gruppe.Als Zeichen von Geheimbünden war die Tätowierung<br />

ebenso weit verbreitet wie auch als persönliches Identitätszeichen.<br />

Individuelle Gesichts-Tätowierung wurde beson<strong>der</strong>s von neuseeländischen<br />

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