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Lebensspuren hautnah Eine Kulturgeschichte der ... - akzept e.V.

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Häuptlingen praktiziert. Sie benutzten ihre symmetrische, mit Schnörkeln<br />

versehene Gesichtszier auch als Unterschrift.Tätowierung als Identitätsunterschrift<br />

kam auch bei den Wogulen und Ostjaken vor, die in die Tributbücher<br />

jenes Zeichen malten, das ihnen auch auf dem Handgelenk eintätowiert<br />

war.<br />

Tätowierung als Rangabzeichen<br />

Die Tätowierung als Rangabzeichen kann man vor allem mit unseren Orden,<br />

Ehrennadeln o<strong>der</strong> Uniformen vergleichen. Bei dieser Art von Tätowierung<br />

lassen sich hauptsächlich drei Arten unterscheiden: Die reichen, vornehmen<br />

Leute, <strong>der</strong>en gesellschaftlichen Stand man schon an <strong>der</strong> Tätowierung ablesen<br />

kann, die tapferen Krieger, die mit ihren „Abzeichen“ auf ihre Heldentaten<br />

hinweisen sowie die etwas seltenere Tätowierung für soziale Verdienste. Die<br />

Kriegs-Tätowierung, die man durch beson<strong>der</strong>s tapfere Kriegstaten erhielt,<br />

fand vor allem bei einigen nordamerikanischen Indianern statt. Diese Auszeichnung<br />

stellte gleichzeitig die Markierung eines wichtigen Lebensabschnittes<br />

dar und erst mit ihr wurde <strong>der</strong> nun erprobte Krieger in die Gemeinschaft<br />

<strong>der</strong> Männer aufgenommen. Zu den Tätowierungen aufgrund von<br />

gesellschaftlichen Verdiensten zählt vor allem die Frauen-Tätowierung auf<br />

<strong>der</strong> Insel Palau in Mikronesien.Traditionell umfasste die palauanische Frauen-<br />

Tätowierung die Hände, die Arme, die Beine, die Schamgegend und den<br />

Unterbauch. Männer wurden vor allem auf den Handgelenken, <strong>der</strong> Brust und<br />

den Beinen tätowiert. Ob überhaupt und wie vollständig eine Person tätowiert<br />

war, hing vor allem von ihrem Reichtum und dem gesellschaftlichen<br />

Rang ab, den sie innerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft bekleidete.<br />

Tätowierung als „Kleidung“<br />

Für manche Ethnien stellt die Tätowierung auch eine Art „Kleidung“ dar. Beson<strong>der</strong>s<br />

großflächige, zusammenhängende Tätowiermuster können auf einige<br />

Entfernung eine „Kleidungsillusion“ hervorrufen. Ganzkörper-Tätowierungen<br />

waren vor allem in Japan bekannt. Aber auch bei den Rus bzw. den<br />

Normannen aus Schweden erstreckte sich die Tätowierung von den Händen<br />

über die Arme bis zum gesamten Oberkörper. Umgekehrt galten in Palau/Mikronesien<br />

Männer und Frauen, die keine Tätowierungen trugen, als<br />

nackt.<br />

Tätowierung als Amulett<br />

Der Glaube an die Wirksamkeit heiliger Tätowierungen manifestiert sich in<br />

Zeichen, Ornamenten, Symbolen, Szenen aus Legenden und Sagen sowie in<br />

Heiligen- und Heldendarstellungen.Der Glaube an die Wirkung brachte auch<br />

das so genannte „stop bullet-tattoo“ hervor, das Schutz gegen tödliche Kugeln<br />

bieten sollte. Es unterstützte z. B. die ethnische Min<strong>der</strong>heit <strong>der</strong> Karen<br />

(Südostasien) in seinem langjährigen Kampf gegen die birmanische Zentralarmee.<br />

Erst die Tätowierung sollte ihnen Kraft zur Todesverachtung geben.<br />

Ähnliche Tätowierungen spielten auch in <strong>der</strong> thailändischen Armee sowie bei<br />

den kambodschanischen Roten Khmer eine Rolle. In Afrika war es üblich,<br />

sich Bil<strong>der</strong> von gefährlichen Tieren auf den Körper tätowieren zu lassen, um<br />

sich dadurch gegen sie zu schützen. Die Abbildung des gefährlichen Tieres<br />

stellt sozusagen eine Waffe dar: Gleiches wird mit Gleichem bekämpft.Tätowierungen<br />

gibt es ebenso gegen an<strong>der</strong>e Gefahren wie Hunde- o<strong>der</strong> Schlangenbisse,Tod<br />

durch Ertrinken o<strong>der</strong> sogar gegen Autounfälle. In abgewandelter<br />

Form findet man <strong>der</strong>artige Schutz-Tätowierungen auch im Westen.Amerikanische<br />

Seeleute o<strong>der</strong> Marinesoldaten schützen sich mit einem Hahn auf<br />

dem einen und einem Schwein auf dem an<strong>der</strong>en Fuß vor dem Ertrinken. Ein<br />

Christusporträt auf dem Rücken schützte vor Geißelung, da kein Schin<strong>der</strong>,<br />

wie brutal er auch sein mochte, das Angesicht des Herrn mit einer Peitsche<br />

schlagen würde. Bei den Roma und Sinti und auf dem Balkan sind Tätowierungen<br />

zum Schutz vor Hexen und dem „bösen Blick“ immer schon sehr beliebt<br />

gewesen. Bei Feuerwehrmännern aus Edo, dem heutigen Tokio, sollte<br />

das Motiv des riesigen Wasserdrachen Verbrennungen verhin<strong>der</strong>n, und melanesische<br />

Fischer schützten sich mit Delphin-Tätowierungen vor Haien.<br />

Tätowierung als Ablenkung<br />

Ein viel einfacherer Grund für eine Tätowierung ist die Absicht, den Feind abzulenken<br />

o<strong>der</strong> ihn in Angst und Schrecken zu versetzen. Zu diesem Zweck<br />

werden oft wilde Botschaften und Schreckenssymbole wie Dolche,Totenköpfe,<br />

schwarze Panther und Ähnliches gut sichtbar auf den Körper tätowiert.<br />

Dieses Prinzip liegt beispielsweise den Tätowierungen <strong>der</strong> Bewohner<br />

<strong>der</strong> Marquesas-Inseln zugrunde, wo große, starr blickende Augen auf <strong>der</strong><br />

Innenseite des Armes den Gegner für den Bruchteil einer Sekunde verunsichern<br />

sollen. Die Gesichts-Tätowierung <strong>der</strong> Maori dient demselben Zweck.<br />

Im Westen sind solche Drohgebärden ebenfalls Bestandteil <strong>der</strong> Alltagskultur:<br />

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