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Lebensspuren hautnah Eine Kulturgeschichte der ... - akzept e.V.

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drucksfähigkeit eines Menschen. Die Ästhetik <strong>der</strong> Tätowierungen lässt sich<br />

jedoch erst in ihrer Gesamtheit erkennen, wenn man sie in ihrem Sinnzusammenhang<br />

erfasst, die die Träger und Trägerinnen einer Tätowierung in<br />

ihrer je eigenen Persönlichkeit mitberücksichtigt und ihre sozialen und kulturellen<br />

Hintergründe kennt. In vielen Kulturen und Gesellschaften wurde<br />

<strong>der</strong> Mensch (das Individuum) erst durch die Tätowierung zur sozialen Persönlichkeit<br />

und somit zu einem vollwertigen Mitglied <strong>der</strong> Gesellschaft. Die<br />

Zeichen auf <strong>der</strong> Haut geben Auskunft über den gesellschaftlichen Rang und<br />

die Geschichte eines Menschen, lassen erkennen, von wo er kommt und zu<br />

wem er gehört, wie er vielleicht denkt und wovon er sich abgrenzt. Durch<br />

diese Zeichen und Symbole bekennt er o<strong>der</strong> sie sich zu seiner o<strong>der</strong> ihrer<br />

(Sub-)Kultur,seinem o<strong>der</strong> ihrem Weltbild.Als Zeichensysteme zeigen die Tattoos<br />

die Werte und Ideale einer Geisteshaltung nicht nur einfach an,son<strong>der</strong>n<br />

vermitteln sie weiter und schreiben sie mehr o<strong>der</strong> weniger fest.Aber auch<br />

wenn die meisten <strong>der</strong> tätowierten Muster und Motive soziale und kulturelle<br />

Bedeutung besitzen, so sollen sie doch gleichfalls das Bedürfnis nach Ästhetik<br />

und vielleicht nach Erotik <strong>der</strong> Menschen befriedigen.<br />

Das vorliegende Büchlein ist ähnlich wie die Schau selbst strukturiert – mit<br />

einer ersten Annäherung an das Thema, über Technik und Methode, einem<br />

kurzen Abriss zur Geschichte und Herkunft des Phänomens, einem ethnografischen<br />

Überblick über die weltweite Verbreitung sowie über die soziale<br />

und kulturelle Bedeutung <strong>der</strong> Tätowierung in verschiedenen vergangenen<br />

und zeitgenössischen Kontexten. Abgeschlossen wird mit einer Art Bestandsaufnahme<br />

<strong>der</strong> gegenwärtigen Szene, ihren Motiven und unterschiedlichen<br />

Stilrichtungen.<br />

In <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit verwenden wir aus Gründen <strong>der</strong> Verständlichkeit<br />

den in <strong>der</strong> deutschen Sprache üblichen Ausdruck „Tätowierung“, <strong>der</strong> sich<br />

gegenüber dem Fachausdruck „Tatauierung“,jedenfalls im deutschsprachigen<br />

Raum, durchgesetzt hat. Außerdem wurde zugunsten <strong>der</strong> besseren Lesbarkeit<br />

darauf verzichtet, jeweils eine Formulierung zu wählen, die beide Geschlechter<br />

gleichermaßen berücksichtigt. Im Folgenden sind deswegen mit<br />

Begriffen wie Tätowierer,Träger usw. selbstverständlich immer auch Tätowiererinnen,Trägerinnen<br />

usw. gemeint.<br />

Einführung in das Thema<br />

Herkunft des Wortes „Tätowierung“<br />

Das Wort „Tätowierung“ bzw. „Tatauierung“ ist wesentlich jünger als seine<br />

Technik. Nachweisbar kennt <strong>der</strong> Mensch das Tätowieren seit <strong>der</strong> Frühzeit.<br />

Bis in das 18. Jahrhun<strong>der</strong>t existierte im europäischen Sprachbereich jedoch<br />

kein einheitliches Wort, das mit dem heute verwendeten „Tätowieren“ bzw.<br />

„Tatauieren“ in Zusammenhang stand. So benutzten die Griechen und Römer<br />

für den Vorgang des Tätowierens nicht eindeutige Umschreibungen wie<br />

„stigma“ (Brandmal), „signum“ (Zeichen, Merkmal), „pingere“ (bemalen,<br />

schmücken), „pangere“ (festschlagen, einschlagen) o<strong>der</strong> „compungere“ (zerstechen).<br />

Im deutschen Sprachgebrauch wurde <strong>der</strong> Begriff des Tätowierens<br />

mit „punktieren“, „bemalen“, „einstechen“ o<strong>der</strong> „prikschil<strong>der</strong>n“ bezeichnet.<br />

Das im Deutschen heute gebräuchliche Wort „Tätowieren“ leitet sich vom<br />

englischen Wort „tatow“ (sprich: tätow) her. Der englische Seefahrer und<br />

Entdeckungsreisende James Cook (1728-1779) beschrieb auf seiner ersten<br />

Reise in den südpazifischen Raum (1769) den Brauch <strong>der</strong> Tätowierung, den<br />

die indigene Bevölkerung Tahitis als „Ta-tatau“ („kunstgerecht schlagen“<br />

o<strong>der</strong> „eine Wunde schlagen“) bezeichnete. Cook ließ – höchstwahrscheinlich<br />

unabsichtlich – eine Silbe „ta“ weg, sodass nur noch „tatau“ bzw. englisch<br />

„tattow“ übrigblieb. Die rasche Verbreitung des Wortes erfolgte durch<br />

den tahitischen Prinzen Omai, den Cook von seiner Weltumsegelung im<br />

Jahre 1775 mit nach Europa brachte, um ihn hier als lebendes „Ausstellungsobjekt“<br />

zur Schau zu stellen. So wurde nicht nur sein nackter, farbiger<br />

und tätowierter Körper bestaunt, son<strong>der</strong>n auch das schöne, geheimnisvolle<br />

Wort „Tatau“„. Daraus entwickelte sich <strong>der</strong> Ausdruck „Tatauierung“ sowie<br />

„Tätowierung“ aufgrund <strong>der</strong> falschen Einbürgerung des Wortes in die deutsche<br />

Sprache.<br />

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