Lebensspuren hautnah Eine Kulturgeschichte der ... - akzept e.V.
Lebensspuren hautnah Eine Kulturgeschichte der ... - akzept e.V.
Lebensspuren hautnah Eine Kulturgeschichte der ... - akzept e.V.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Piercingstellen o<strong>der</strong> –materialien wie etwa Elfenbein, Gold, Jade, Diamanten<br />
und Smaragde, waren oftmals bestimmten Sippenmitglie<strong>der</strong>n als Zeichen ihres<br />
Status, Privilegs o<strong>der</strong> ihrer Gesundheit vorbehalten. In Europa wurden<br />
Piercings als abson<strong>der</strong>lich angesehen und galten lange Zeit als ein Aspekt für<br />
experimentierfreudigen Sex <strong>der</strong> schwulen o<strong>der</strong> heterosexuellen Sadomasochismus-Szene.Mit<br />
den „Hippies“ und später den „Bikern“ wurden Piercings,<br />
allen voran <strong>der</strong> Ohrring, als Provokation beliebt. Mitte <strong>der</strong> 1970er Jahre demonstrierten<br />
dann die „Punks“ mit Piercings durch Ohren, Nase und Lippen<br />
ihre Gruppenzugehörigkeit.Während noch vor Jahrhun<strong>der</strong>ten christliche<br />
Missionare versuchten, das „heidnische“ Ritual des Piercings bei indigenen<br />
Gesellschaften auszutreiben, sind Piercings heute ein Teil <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen,<br />
westlichen Welt geworden.<br />
Techniken <strong>der</strong> Tätowierungen<br />
Bei jedem Tätowiervorgang werden auf mechanische Weise Farbkörper in<br />
die Haut eingebracht, damit die gewünschten Motive und Bil<strong>der</strong> sichtbar<br />
werden können. Um diese dauerhafte Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Haut hervorzurufen,<br />
wird mit Hilfe eines spitzen Gegenstands die Oberhaut verletzt. Um die bleibenden<br />
Zeichen einzubringen, werden die Epi<strong>der</strong>mis und das Stratum spinosum<br />
(Stachelhautschicht) durchstoßen. Die Farbpartikel werden in die<br />
darunter liegende Le<strong>der</strong>haut (Cutis) und Unterhaut (Subcutis) eingebracht.<br />
Je nach Hauttyp und Lokalität <strong>der</strong> Tätowierung arbeitet <strong>der</strong> Tätowierer in<br />
unterschiedlicher Hauttiefe und mit entsprechenden Nadeltypen. Damit die<br />
Pigmente immer sichtbar bleiben, dürfen die Farbpartikel nicht zu tief in die<br />
Haut eingebracht werden,da die Farbpigmente sonst wegen den darüber liegenden<br />
Hautschichten nicht sichtbar sind. An<strong>der</strong>erseits dürfen die Farben<br />
aber auch nicht zu oberflächlich in die Haut eingebracht werden, da ansonsten<br />
die Farben mit den sich neu bildenden Zellen während des Heilungsprozesses<br />
<strong>der</strong> Tätowierung an die Oberfläche gelangen würden und mit <strong>der</strong><br />
Abschuppung <strong>der</strong> Haut abgestoßen werden könnten. Der ideale Ort für die<br />
Ablagerung <strong>der</strong> Farbpartikel ist deshalb das Unterhautgewebe. In dieser<br />
Hautschicht werden die Farben we<strong>der</strong> abgebaut noch weiter transportiert<br />
und sind klar und deutlich zu erkennen.<br />
Je nach geografischer Lage und ethnischer Zugehörigkeit existiert eine große<br />
Bandbreite an verschiedenen Tätowierinstrumenten sowie auch Tätowiertechniken<br />
mit jeweils spezifischen Charakteristiken. Die Inuit bearbeiteten<br />
ihre Haut beispielsweise mit rußigen Fäden, die narbenähnliche Markierungen<br />
hinterließen. Die Maori in Neuseeland schnitten mit meißelähnlichen<br />
Holzinstrumenten Farbe in die Gesichtshaut ein. Die Samoaner in Ozeanien<br />
verwendeten für ihre Tätowierungen ein <strong>der</strong> Gartenhacke ähnliches Gerät,<br />
das in die Haut gepresst wurde. Die Tahitianer tätowierten mit spitzen Knochen<br />
o<strong>der</strong> Haifischzähnen. In Japan wird noch heute die Farbe mit hölzernen<br />
Stecknadelstiften, dem „Hari“, in die Haut gezupft. Die Maya und Azteken in<br />
Mexiko benutzten frische Dornen und Kakteenstacheln. Die nordamerikanischen<br />
Indianer schließlich gravierten mit in Holzstäben gefassten Feuersteinspitzen.<br />
Unter diesen Tätowiertechniken ist die Stich-Tätowierung die<br />
verbreitetste Art, während die Näh-Tätowierung und die Tätowierung auf<br />
Ziernarben weniger häufig zu finden sind.<br />
Stich-Tätowierung<br />
Die Wundlinie wird bei <strong>der</strong> Stich-Tätowierung immer durch Punktierung,<br />
durch Einstechen, durch schabende Messerbewegung o<strong>der</strong> durch Einschlagen<br />
des Tatauierinstruments in die Haut erzeugt. Die Farbe wird entwe<strong>der</strong><br />
in die offenen Stellen hineingerieben o<strong>der</strong> gleich mit dem Tätowierinstrument<br />
– das in die Farbe getaucht wird – beim Öffnen <strong>der</strong> Haut mit hineingestoßen.<br />
Diese „Farbe“ besteht meistens aus Ruß, <strong>der</strong> etwa aus verbranntem<br />
Fett, Öl o<strong>der</strong> Harz gewonnen wird, o<strong>der</strong> aus mit Asche vermischten<br />
Holzkohlebestandteilen. Die mit schwarzer Farbe ausgeführte Tätowierung<br />
erscheint jedoch blau. Das für die Stich-Tätowierung verwendete „Schlaginstrument“<br />
besteht aus einem Hauptteil mit Nadeln, die nebeneinan<strong>der</strong> in<br />
einer Linie an <strong>der</strong> Spitze eines Stabes befestigt sind. Diese Nadeln wurden in<br />
den Ruß o<strong>der</strong> in die Tusche getaucht und auf die Haut aufgesetzt. Nun wird<br />
mit dem zweiten Tätowierinstrument, einem Schlegel, die Nadelspitze mit<br />
einem kurzen, kräftigen Schlag in die Haut getrieben. Ein zweites eingetauchtes<br />
Instrument kann nun seine „Zähne“ direkt neben die erste Einschlagstelle<br />
treiben. Je dichter die Schlagstellen aneinan<strong>der</strong> liegen, desto<br />
dunkler und glänzen<strong>der</strong> erscheint die Tätowierung.<br />
12 13