Leseprobe - Styria
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Eine Reise<br />
durch Asiens<br />
Küchen<br />
16<br />
den Blättern des Kaffirbaums, das die Grundlage der berühmten siamesischen Tom Yam<br />
Gung (Garnelensuppe mit Zitronengras) bildet, sind aus thailändischen Gerichten nicht<br />
wegzudenken. Ganz spezielle Aromaten verwendet man für die äußerst elaborierten<br />
Erzeugnisse der siamesischen Patisserie, die vor allem mit Blütenextrakten, mit Jasminblüten<br />
eingekochten Sirupen und sogar mit Räucherstäbchen oder aromatisierten Kerzen<br />
arbeitet. Zu den besonderen Kuriositäten der thailändischen Küche gehört auch die so<br />
genannte ESSBARE ERDE, eine teigige, aus Silizium, Aluminium und Wasser bestehende<br />
Masse, die durch Metalloxide bunt eingefärbt wird.<br />
Wie in China unterscheidet man auch in Thailand stark zwischen der Alltagsküche, wie<br />
sie in den Haushalten, auf den Straßen und vor allem auf den verschwenderisch bestückten<br />
Märkten praktiziert wird, und der von strengen Ritualen geprägten Luxusküche<br />
des siamesischen Königshauses, deren erklärtes Ziel es ist, möglichst viele verschiedene<br />
Geschmackskomponenten in einem einzigen Menü abzudecken. Die wichtigste Frage,<br />
die sich stellt, lautet daher nicht, welche Zutat mit welcher anderen optimal harmoniert,<br />
sondern wie man es schafft, den gesamten Geschmacks-Kosmos der thailändischen Küche<br />
auf einer einzigen Tafel unterzubringen.<br />
Ein vollendetes siamesisches Menü muss daher sowohl scharfe als auch sauer-pikante,<br />
stark gesalzene und süße Gerichte beinhalten. Auch Kombinationen wie gesalzene oder<br />
mit Sardellen servierte Durian- oder Langsat-Früchte, Mangos, Orangen und Papayas, aber<br />
auch Speisen, die sowohl scharf als auch sauer schmecken, sind nicht nur erlaubt, sondern<br />
sogar erwünscht. Je höher das Prestige, das ein Gastgeber oder eine Gastgeberin zu<br />
verlieren hat, desto mehr Gerichte müssen serviert werden. Weniger Bedeutung wird der<br />
Auswahl der Getränke beigemessen. Wie überall in Asien wird auch in Thailand Tee<br />
serviert. Angesichts der tropischen Temperaturen erfreut sich jedoch auch Nam Polaris<br />
(ozonbehandeltes Mineralwasser) größter Beliebtheit. Biere wie Singha, Kloster oder<br />
Amarit sind in Thailand sehr teuer und gelten daher als Luxus. Wie in China werden auch<br />
in Siam häufig hochprozentige Getränke wie Whisky oder Cognac bereits zum Essen und<br />
nicht erst als Digestif serviert. Das Weintrinken hingegen ist in Thailand nicht besonders<br />
populär, obwohl gerade westliche Gourmets immer häufiger erkennen, dass die aromatische<br />
Vielfalt der thailändischen Küche hervorragend mit vollmundigen New-World-<br />
Weinen, etwa aus Australien, Neuseeland oder Südamerika, harmoniert.<br />
Was die Abfolge der Gerichte betrifft, so hält man sich in Thailand an die auch in Europa<br />
bis ins 18. Jahrhundert übliche Sitte, alle Gerichte gemeinsam aufzutragen und dafür zu<br />
sorgen, dass möglichst kein Zentimeter der Tischfläche unter der Last der Teller, Töpfe<br />
und Schalen durchschimmert. Aus diesem Grund ist ein festliches Essen in Siam auch stets<br />
gemeinschaftliches Erleben. Tische, an denen weniger als sechs Personen Platz nehmen,<br />
wird man in Thailand kaum finden, auch wenn sich angesichts westlicher Touristenströme<br />
immer mehr Restaurants darauf einrichten, auch Zweier- und Vierertische zu bedienen.<br />
Die authentischsten sind das allerdings nicht.<br />
Touristen, die zu einem thailändischen Curry Stäbchen verlangen, müssen übrigens damit<br />
rechnen, für Aufsehen und möglicherweise sogar für Lächerlichkeit zu sorgen. Stäbchen<br />
werden in Thailand nämlich nahezu ausschließlich zu Nudelgerichten gereicht, während<br />
das klassische thailändische Mahl, das noch in vielen Gegenden wie in Indien mit den<br />
Händen gegessen wird, heute meistens mit Gabel und Löffel bewältigt wird. Das Messer<br />
indessen ist als Esswerkzeug absolut tabu. Wie in der gesamten buddhistischen<br />
Hemisphäre gilt es als zu brutal für ein friedliches Mahl. Es ist daher in die Küche verbannt<br />
und hat bei Tisch absolut nichts verloren.