Yin, Yang und die magische Fünf ZUR PHILOSOPHIE DER ASIATISCHEN KÜCHE
Kochen für Leib und Seele So maßgeblich Indochina und Japan an der Entstehung einer „Weltküche“ mit asiatischem Einschlag beteiligt sein mögen, so unangefochten steht am Beginn des Asia-Booms unserer Tage die chinesische Kochkunst. Die größte „Kochlandschaft“ der Welt hat die USA und Europa allerdings keineswegs mit ihrer Vorliebe für Exotika wie Schlangenfleisch, Bärentatzen, Affenhirn und Uhufleisch erobert, sondern vielmehr mit der ihr zugrunde liegenden Kochphilosophie. Die wirkliche Gemeinsamkeit so unterschiedlicher Küchenstile wie der eleganten Kanton- Küche, der scharfen Sichuan-Küche, der fettreichen und in Süßigkeiten verliebten Peking- Küche, der deftigen Shanghai-Küche oder der raffinierten Taiwan-Küche ist die Idee, dass man nicht nur für den Körper, sondern auch für die Seele isst. Nur ein Essverhalten, das beidem Rechnung trägt, führt zur Harmonie der beiden wesentlichen Seinsprinzipien – dem (weiblich-empfangenden) Yin, das auch für Dunkelheit und Kälte steht, und dem (männlich-schöpferischen) Yang, dem auch Licht und Hitze zugeordnet werden. Beide Prinzipien sind nicht wertend zu verstehen, sondern bedingen einander, um die menschliche Existenz zu vollendeter Harmonie zu führen. Ausgewogene Ernährung wird in China daher als Voraussetzung für körperliche und geistige Gesundheit betrachtet. Auf die konfuzianische Ernährungslehre umgelegt bedeutet das: Der tägliche Speiseplan lässt sich aus den „heißen” Elementen des Yang und den „kalten” Zutaten des Yin heraus entwickeln. Heiß und kalt bezieht sich dabei jedoch nicht auf die Temperatur, mit der die Gerichte serviert werden, sondern auf die innere Struktur der Speisen. Yang gilt – ohne moralische Wertung – als positiver, Yin als negativer Pol, und nur wenn beide miteinander im Einklang stehen, sind Harmonie und Gesundheit gewährleistet. Ansonsten droht nicht mehr und nicht weniger als das Chaos. Wer dem vorbeugen will, der halte sich getrost an ein paar Faustregeln: Kurz gebratenes rotes Fleisch, Chili, Ingwer, Zwiebel, Sojasauce, größere Bratenstücke, Huhn oder Erdnüsse werden dem heißen männlichen Bereich zugeordnet, während dem weiblichen Yin eher Gerichte wie Salat, Fisch, Haarkrebse, Wasserkastanien, Sellerie, Bambus, Tee, die meisten Früchte sowie alle gedünsteten, gedämpften und pochierten Speisen untertan sind. Da sich allerdings nicht alle Speisen direkt einem der beiden Pole zuordnen lassen, stehen zwischen dem Yin und Yang der Nahrung die so genannten „fünf Energien”: kalt, heiß, warm, kühl und neutral. Gewürze für die Seelenwanderung Kochen, Lebensweisheit und Religion stehen nicht nur in der chinesischen, sondern auch in der indischen Küche in engem Zusammenhang. „Prashad“ lautet daher auch der Titel eines der bekanntesten indischen Kochbücher und bedeutet soviel wie „Opfer“. Das Opfer, so lautet die allgemeine Überzeugung, das man den Göttern darbringt, erhält man als Speise wieder. Und in diesem Zusammenhang muss wohl auch betont werden, dass die unglaublich raffinierte, finessen- und facettenreiche sowie kochtechnisch oft extrem elaborierte Küche des indischen Subkontinents allen ökonomischen Fortschritten der indischen Technik-Industrie zum Trotz noch immer nur einer reichen Minderheit sowie interessierten Touristen aus aller Welt zugänglich ist. Wie alle Lebensmittel gelten in Indien auch die Gewürze – und diese sogar in besonderem Maße – als Geschenke der Götter. Bereits die 3.000 Jahre alten Sanskritschriften weisen auf eine hochstehende Gewürzkultur hin. Das „Ayurweda“, eine in Sanskrit verfasste indische Heilkunde, ordnete sogar jedem Gewürz eine heilende Funktion zu: dem Chilipfeffer beispielsweise seine verdauungsfördernde Wirkung, oder dem Kurkuma (Gelbwurz) seine hautschonenden und juckreizmildernden Kräfte. Im Zeitalter vertieften Ernährungsbewusstseins stehen heute vor allem auch wieder die Asiatische Küchenphilosophie 25