132. JAHRESBERICHT - Kollegium St. Fidelis
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ihr eben diesen Witz. Was ist das, wenn drei Lehrer…<br />
Sie schaute mich ernsthaft an. Drei Sekunden. Drei Sekunden können lange<br />
dauern. Dann sagte sie: Es müssten vier Lehrer auf der Bank sitzen. Nicht drei.<br />
Wir haben zwölf Wochen Ferien. Drei Mal zwölf gibt sechsunddreissig. Ein Jahr<br />
zählt aber zweiundfünfzig Wochen. Also müssten es vier sein.<br />
Sie hatte natürlich Recht. Rein mathematisch gesehen. Was tun? Ich antwortete<br />
ihr: Jawohl, es hätten eigentlich vier Lehrer dort sitzen müssen. Aber der vierte<br />
konnte nicht kommen. Er war gerade in den Ferien.<br />
Nein. So war es leider nicht. Wir kennen die Situation: Die schlagfertigsten Antworten<br />
kommen einem immer in den Sinn, wenn man schon zu Hause ist.<br />
Das Wort Witz übrigens hat eine interessante Herkunft. Wenn Sie einen Text aus<br />
dem 8. Jahrhundert lesen und dort von einem Mann die Rede ist, der Witz hat,<br />
so sprach man ihm einen besonders klugen Verstand zu. Witz = Verstand. Ganz<br />
ursprünglich leitet sich das Wort Witz sogar von „Wissen“ ab.<br />
Und damit sind wir schon beim zweiten w von www.kollegistans.ch. Das zweite<br />
w steht für Wissen. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Schule<br />
ist dazu da, Wissen zu vermitteln.<br />
Es gibt diesen immer wiederkehrenden Schülersatz: Warum müssen wir das<br />
lernen? Brauche ich je in meinem Leben, ein Reimschema zu bestimmen und<br />
fünffüssige Jamben zu erkennen? Ich gebe es zu: Eher nicht. Warum, fragen<br />
Schüler jedes Jahr neu, warum soll ich mich mit der mittelalterlichen Kirchengeschichte<br />
herumplagen? Was hilft mir das Wissen über die Klosterreform von<br />
Cluny? Das ist alles weit, weit weg, versunken und verloren. Solches Wissen<br />
bringt uns doch nichts im 2 . Jahrhundert.<br />
Wer weiss? Wie sollen wir wissen, was das Leben für uns bereithält? Wie sollen<br />
wir wissen, welches Wissen wir wissen sollten?<br />
Beste Absichten<br />
Ein Beispiel. 920 wird im heutigen Polen ein kleiner Junge geboren. Nach der<br />
Grundschule schicken ihn seine Eltern zu Verwandten nach Berlin. Er soll anständig<br />
Deutsch lernen und ans Gymnasium.<br />
Wir wissen nicht, was das Leben für uns bereithält.<br />
Der neunjährige Knabe, den seine Eltern mit den besten Absichten nach Deutschland<br />
schicken, ist Jude – und bald nach seiner Ankunft werden die Nationalsozialisten<br />
an die Macht kommen. Der jüdische Junge darf noch 938 – als letzter<br />
Jahrgang – die Abiturprüfungen ablegen. Er brilliert in seinem Lieblingsfach<br />
Deutsch und wird trotzdem nur eine Zwei erhalten. Begründung: Es kann nicht<br />
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