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Uni & Job - Stellenmarkt von sueddeutsche.de

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Die ersten Senioren schlurfen über das<br />

Pflaster, noch fällt die Sonne flach und nur<br />

auf die höchsten Häuser und Türmchen. Der<br />

Straßenzug liegt im Schatten, die Bänke am<br />

Ufer <strong>de</strong>s Kanals sind kalt. Gegenüber ein<br />

goldglänzen<strong>de</strong>s Türschild auf rein-weißer<br />

Fassa<strong>de</strong>, hohe Fenster, ein Balkon über <strong>de</strong>m<br />

Eingang, zwei Säulen rahmen die Glastüren<br />

ein: Dijver 11 – <strong>de</strong>r Eingang zur Ka<strong>de</strong>rschmie<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Europäischen <strong>Uni</strong>on.<br />

Europas beste Stu<strong>de</strong>nten und Dozenten<br />

kommen hierher. Das College of Europe in<br />

Brügge, eine Stun<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m Zug <strong>von</strong> Brüssel<br />

entfernt, bil<strong>de</strong>t Europas Manager <strong>von</strong> morgen<br />

aus, Topbeamte, die in ein paar Jahren die EU<br />

führen und gestalten wollen.<br />

Die Glastüren schieben sich auf, im Foyer<br />

<strong>de</strong>s Europacolleges lassen sich sieben Stu<strong>de</strong>nten<br />

in Le<strong>de</strong>rsessel fallen. Vor ein paar Wochen<br />

haben sie hier mit <strong>de</strong>m Studium begonnen,<br />

es gibt viel zu besprechen. Sie tauschen<br />

sich über das Essen in <strong>de</strong>r Mensa und die Einführungswoche<br />

aus – und darüber, wie es sich<br />

anfühlt, in einer <strong>de</strong>r schwersten Krisen an<br />

Europas Zukunft zu <strong>de</strong>nken. Die Frage ist,<br />

welche Perspektiven die künftigen Politiker,<br />

Manager und Diplomaten für die EU sehen<br />

– und für sich selbst. Und wie es ist, für ein<br />

Projekt zu arbeiten, das immer mehr Leute<br />

infrage stellen – und <strong>de</strong>ssen Zukunft so ungewiss<br />

ist wie nie zuvor.<br />

Es ist ein Sonntagmorgen im September,<br />

kurz nach neun. Emanuele Manigrassi, 25,<br />

Benjamin Dürr / text & eUDeS De SanTana / Fotos<br />

Die Retter.<br />

Die Krise versetzt Europa in Angst, die Zukunft<br />

<strong>de</strong>r Staatengemeinschaft ist ungewiss. Wo geht es hin<br />

mit Europa? Am drängendsten ist diese Frage für<br />

die Stu<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>s College of Europe.<br />

An dieser kleinen Elite-<strong>Uni</strong>versität in Brügge<br />

wer<strong>de</strong>n die zukünftigen Topbeamten, Diplomaten<br />

und Politiker <strong>de</strong>r EU ausgebil<strong>de</strong>t.<br />

aus Genua hat bis um vier Uhr früh gefeiert.<br />

Man <strong>de</strong>nkt nicht immer an die Krise. Und<br />

natürlich bleibt trotz <strong>de</strong>r vielen Kurse Zeit<br />

für Partys.<br />

Emanuele belegt Verhandlungsführung und<br />

Verfassungsrecht auf Französisch, Umweltpolitik<br />

und EU-Erweiterung auf Englisch,<br />

dazu Seminare über Interessenvertretung in<br />

Brüssel und Wirtschaftsbeziehungen mit <strong>de</strong>r<br />

Welt. Er macht <strong>de</strong>n Master in Politik und<br />

Verwaltung. Er ist erst seit Kurzem am College<br />

in Belgien – wie die meisten hat er im<br />

September angefangen.<br />

In zehn Monaten wer<strong>de</strong>n die Stu<strong>de</strong>nten einen<br />

Abschluss in Europäischem Recht, Wirtschaft,<br />

in Politik und Verwaltung o<strong>de</strong>r Diplomatie<br />

machen. Das Studium ist zweisprachig,<br />

auf Englisch und Französisch, die Kurse fin<strong>de</strong>n<br />

regelmäßig samstags statt, manchmal auch<br />

sonntags. Weil das College of Europe kaum<br />

eigene Professoren beschäftigt, kommen die<br />

160 Dozenten für die Vorlesungen aus ganz<br />

Europa eingeflogen. „Flying Faculty“, nannten<br />

das die Väter <strong>de</strong>s Europacolleges.<br />

Es wur<strong>de</strong> 1949 <strong>von</strong> einem spanischen<br />

Staatsmann gegrün<strong>de</strong>t, gleich nach<strong>de</strong>m die<br />

ersten I<strong>de</strong>en <strong>von</strong> einem vereinigten Europa<br />

entstan<strong>de</strong>n waren. Finanziert wird die Schule<br />

in großen Teilen <strong>von</strong> <strong>de</strong>r EU, mehreren Mitgliedslän<strong>de</strong>rn<br />

und <strong>de</strong>r Stadt Brügge. Der Gedanke<br />

war, eine Schule zu schaffen, an <strong>de</strong>r<br />

Professoren und Stu<strong>de</strong>nten aus ganz Europa<br />

zusammen arbeiten, lernen und leben.<br />

Emanuele Manigrassi wohnt in einer <strong>von</strong><br />

sieben Resi<strong>de</strong>nzen; die <strong>Uni</strong> serviert dort<br />

Frühstück, Mittag- und Aben<strong>de</strong>ssen, stellt<br />

Handtücher und Bettwäsche und beschäftigt<br />

Mitarbeiter für <strong>de</strong>n Haushalt.<br />

Manchmal kreuzen sich ihre Wege nach ein<br />

paar Jahren wie<strong>de</strong>r, in Brüssel, in Straßburg,<br />

vielleicht in Washington. Eine <strong>Job</strong>garantie<br />

gibt es zwar nicht, aber wer das College of<br />

Europe verlässt, hat sehr gute Chancen, bei<br />

<strong>de</strong>r Europäischen Kommission, <strong>de</strong>r Europäischen<br />

Zentralbank o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Gerichtshof unterzukommen.<br />

Helle Thorning-Schmidt, die<br />

Premierministerin Dänemarks, hat hier studiert,<br />

ebenso <strong>de</strong>r Vizepremier Großbritanniens,<br />

Nick Clegg, <strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Europäischen<br />

Gerichtshofs, <strong>de</strong>r polnische und <strong>de</strong>r<br />

luxemburgische Außenminister, ein Vizepräsi<strong>de</strong>nt<br />

<strong>de</strong>r Weltbank. Auf neun Seiten listet<br />

das Europacollege die Namen berühmter<br />

Absolventen auf.<br />

In Deutschland kennen diese <strong>Uni</strong> nur wenige,<br />

sagt Michèle Kiermeier aus Süd<strong>de</strong>utschland.<br />

In an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn hingegen habe das<br />

College einen Ruf wie Oxford und Cambridge.<br />

Emanueles Freun<strong>de</strong> reagierten mit<br />

drei Fragen, als sie hörten, dass er dort studieren<br />

wer<strong>de</strong>: was es koste, ob er jetzt zur<br />

Elite gehöre, warum er Bürokrat wer<strong>de</strong>. Er<br />

antwortete: 22 000 Euro Studiengebühr. Und<br />

versuchte dann, das Klischee <strong>de</strong>s steifen Beamten<br />

zurechtzurücken, die Vorstellung <strong>von</strong><br />

Brüssel als Hauptstadt <strong>von</strong> Bürokratie, Kra-<br />

jetzt uni&joB n o 05/12 27

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