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Das Magazin 3/2007 - Evangelische Heimstiftung

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Den blauen Himmel unverstellt<br />

Gedanken zu Eduard Mörikes Septembermorgen von Prälat i.R. Paul Dieterich<br />

Der Autor war von 1999 bis 2006 Prälat in Heilbronn. Zuvor wirkte er unter anderem als Dekan in<br />

Schwäbisch Hall und als Pfarrer am Ulmer Münster, in Aichtal und in Ravensburg.<br />

Wenn es September wird, wenn<br />

morgens ein feiner Nebel über den<br />

Wiesen liegt, der sich oft erst gegen<br />

Mittag lüftet, dann spricht mancher<br />

von uns leise vor sich hin, was einst<br />

in Schulen zum „eisernen Bestand“<br />

der zu lernenden Verse deutscher<br />

Literatur gehört hat: Eduard Mörikes<br />

„Septembermorgen“. Kennen Sie den<br />

Vers noch?<br />

Im Nebel ruhet noch die Welt,<br />

noch träumen Wald und Wiesen:<br />

bald siehst du, wenn der Schleier fällt,<br />

den blauen Himmel unverstellt,<br />

herbstkräftig die gedämpfte Welt<br />

in warmem Golde fließen.<br />

Man kann diesen Vers einfach so<br />

stehen lassen und feststellen, wie<br />

formvollendet er ist in seinen Bildern<br />

und seinem Sprachrhythmus.<br />

Könnte man ihn auch als schlichtes<br />

Glaubensbekenntnis des Menschen<br />

Eduard Mörike verstehen?<br />

Mörike als Pfarrer<br />

Da sagt gewiss mancher gleich:<br />

Mörike und Glauben? Womöglich<br />

Mörike und der christliche Glaube?<br />

Wir wissen doch, wie faul er als<br />

Theologiestudent war, wie ungern er<br />

als Vikar gepredigt hat, wie er immer<br />

neue Möglichkeiten gesucht hat, sich<br />

den Pfl ichten des geistlichen Amtes<br />

zu entziehen. „Ich kann und kann<br />

eben nicht predigen und wenn du<br />

mich auf die Folter spannst.“ Nach<br />

ein paar mühsam verbrachten Jahren<br />

als Pfarrer von Cleversulzbach lässt er<br />

sich mit 39 Jahren pensionieren.<br />

Ringen um Glauben<br />

So dachte ich lange Zeit. Bis ich den<br />

„Roman seines Lebens“<br />

las, den „Maler Nolten“.<br />

Selten habe ich ein tieferes<br />

Ringen um Glauben und<br />

Klarheit erlebt wie in<br />

diesem verschlungenen,<br />

abgründig zerklüfteten<br />

Romangebilde. Als Vikar<br />

hatte er ihn geschrieben.<br />

Verständlich, dass ein<br />

Mensch, der in den Nöten seiner<br />

verschlungenen Beziehungen so um<br />

seinen Glauben ringt, um die Gnade<br />

Gottes angesichts seiner persönlichen<br />

Schuld, um Klarheit über sein Leben<br />

im Licht Gottes, sonntags das Gefühl<br />

hat: Ich kann jetzt nicht auf die Kanzel.<br />

Jetzt nicht. Wer sagt denn, ein<br />

Mensch, der im Pfarrberuf scheitert,<br />

sei deshalb kein guter Christ? Seit ich<br />

diesen Roman, den einzigen großen,<br />

den er je geschrieben hat, gelesen<br />

habe, verstehe ich den Nebel, der die<br />

Septemberwelt bedeckt, nicht nur als<br />

jenes fein gesponnene Tuch, unter<br />

dem ein junger Mensch von Lust und<br />

Liebe träumt. Der dichte Nebel ist<br />

auch jenes trübe Gemisch, das uns<br />

nicht erkennen lässt, was in unserem<br />

Leben wirklich vor sich geht. Wie wir<br />

das, was geschieht, mit dem barmherzigen<br />

Vater im Himmel zusammenbringen<br />

sollen.<br />

Der Schleier wird fallen, bald sogar.<br />

Wir werden „den blauen Himmel<br />

unverstellt“ sehen. Der Himmel ist<br />

seit alter Zeit das Sinnbild Gottes.<br />

<strong>Das</strong> Himmelblau ist bei den alten<br />

Meistern das Symbol für Gottes<br />

Treue. Sie können wir oft genug<br />

„im Nebel“ in unserem Leben nicht<br />

erkennen. Aber „wir werden ihn<br />

sehen, wie er ist“ (1. Johannes 3,2).<br />

Den Gott, der die Liebe ist und der<br />

sich uns in Jesus Christus sichtbar<br />

und hörbar gemacht hat. Dann wird<br />

die chaotische Welt, die vielen von<br />

uns böse zugesetzt hat, „herbstkräftig<br />

im warmem Golde fl ießen“. Danach<br />

hat sich der hilfl ose Christ Eduard<br />

Mörike von Herzen gesehnt.<br />

<strong>Das</strong> Licht erkennen<br />

Ein anderer, Christian Fürchtegott<br />

Gellert (1715 – 1769), hat lange vor<br />

ihm schon gedichtet:<br />

Impuls<br />

Dann werd ich das Licht erkennen,<br />

Was ich auf Erden dunkel sah,<br />

<strong>Das</strong> wunderbar und herrlich nennen<br />

Was unerforschlich hier geschah.<br />

Dann schaut mein Geist mit Lob und Dank<br />

Die Schickung im Zusammenhang.<br />

„Aus der <strong>Heimstiftung</strong>“ 3/<strong>2007</strong> 11

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