Das Magazin 3/2007 - Evangelische Heimstiftung
Das Magazin 3/2007 - Evangelische Heimstiftung
Das Magazin 3/2007 - Evangelische Heimstiftung
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
erg/Hohenzollern in Gammertingen,<br />
wo es äußerst primitiv zuging: Strohsäcke<br />
mussten gefüllt und Schränke<br />
entwanzt werden, stark rationierte<br />
Lebensmittel erlaubten nur kleinste<br />
Teigmengen, und über alles musste<br />
penibel Buch geführt werden. Trotzdem<br />
genoss ich das Landleben. Doch<br />
dann kam die Währungsreform und<br />
mein ganzes Erspartes für die Schule<br />
war futsch. Zum Glück halfen mir da<br />
meine Geschwister aus der bitteren<br />
Not. Der berufl iche Ortswechsel war<br />
auch weiterhin mein ständiger Begleiter:<br />
ein Jahr Domäne Hege in Hohebuch<br />
als Gesellin, ein Jahr zu Hause mit Helfen<br />
im Laden und Garten.<br />
1951 konnte ich endlich die Meisterprüfung<br />
„Ländliche Hauswirtschaft“<br />
machen. Wechselhaft ging es weiter:<br />
ein Jahr Obst- und Hopfengut Kaltenberg<br />
bei Tettnang, ein Jahr in einer<br />
Gärtnerei, dann als Hauswirtschafterin<br />
in einem Altenheim im badischen<br />
Offenburg, wo ich auch einen großen<br />
Garten betreute, was mir viel Freude<br />
machte. Schließlich erfuhr ich von der<br />
Möglichkeit, in der Residenz des deutschen<br />
Botschafters in Afghanistan zu<br />
arbeiten und reiste dorthin. Ich musste<br />
viel schuften, hatte aber auch ein interessantes<br />
Leben und kam viel herum.<br />
Damals war es noch ein Königreich,<br />
500 Jahre zurückgeblieben, aber auch<br />
schon gefährlich: Wir sollten einige<br />
Zeit mit dem Revolver ins Bett gehen!<br />
Nach drei Jahren ging es dann wieder<br />
zurück ins „Ländle“, denn ich hatte<br />
körperlich stark abgebaut. <strong>Das</strong> war ein<br />
Kulturschock für mich – aber ich<br />
gewöhnte mich zu Hause und in der<br />
schwesterlichen Familie rasch wieder<br />
um. In Bad Münster fand ich eine<br />
Stelle als Hauswirtschaftsleiterin, später<br />
fi ng ich mir im Kinderkurheim Falkenberg<br />
Bad Herrenalb die Gelbsucht ein:<br />
Aus mit Kinderbetreuung! Schließlich<br />
landete ich im Kurhaus Reinerzau, das<br />
später von der <strong>Evangelische</strong>n Heim-<br />
stiftung übernommen wurde. Als 1975<br />
das Haus Zabergäu in Brackenheim<br />
gebaut wurde, übernahm ich dort die<br />
erste Heimleitung und den Aufbau<br />
des Heimbetriebs. Bis zu meinem<br />
Ruhestand 1988 eine anstrengende,<br />
aber gewinnbringende Zeit mit familiärem<br />
Charakter. Wenn nötig, habe ich<br />
auch mal die Toiletten geputzt, konnte<br />
gut mit den dementen Bewohnern und<br />
war bei fast allen Sterbenden dabei.<br />
Dann verstärkte sich mein Augenleiden,<br />
das mir bis heute sehr zu schaffen<br />
macht. Damals bedeutete es das Aus<br />
fürs Autofahren, das war dann sehr<br />
hart für mich. Im Ruhestand habe ich<br />
noch lange bei der Heilbronner Diakonie<br />
ehrenamtlich die Freizeiten mitgestaltet.<br />
Jetzt bin ich aber gerne im Haus am<br />
Staufenberg, wo ich unter anderem<br />
Kraft- und Balancetraining mache.<br />
Welches waren die schönsten<br />
Momente in Ihrem Leben?<br />
Als ich das Angebot bekam, die erste<br />
Heimleitungsstelle im Pfl egezentrum<br />
Haus Zabergäu in Brackenheim zu<br />
übernehmen und dann die Einrichtung<br />
des neuen Pfl egezentrums mitbestimmen<br />
durfte.<br />
An welche Erlebnisse denken<br />
Sie nur ungern zurück?<br />
<strong>Das</strong> war besonders meine Zeit auf dem<br />
Obst- und Hopfengut Kaltenberg bei<br />
Tettnang: Der Leiter dort war ein<br />
rechter Leuteschinder – das war eine<br />
schlimme Zeit für mich.<br />
Was hat Ihr Leben besonders<br />
geprägt?<br />
Orte, wo ich menschlich besonders<br />
geschult wurde: So etwa in Offenburg,<br />
wo ich in der Pfl ege mitgeholfen habe<br />
und einmal eine Mutter bis zum Tod<br />
pfl egen durfte. Besonders bedrückend<br />
war, dass keines ihrer fünf Kinder beim<br />
Sterben dabei war, aber gleich danach,<br />
als es ans Erben ging. <strong>Das</strong> hat mir doch<br />
sehr zu denken gegeben.<br />
Aus meinem Leben<br />
Was sind für Sie die wichtigsten<br />
Lebenserfahrungen, die Sie<br />
einem jungen Menschen mit<br />
auf den Weg geben würden?<br />
Nicht gerade alles mitmachen,<br />
was sich einem anbietet oder sogar<br />
aufdrängt. Oft ist es besser, einmal<br />
abzuwarten – oft kommt schon das<br />
Richtige. Sehr wichtig fi nde ich auch<br />
die Erkenntnis, dass ein Beruf kein<br />
„Job“ sein sollte, sondern etwas, hinter<br />
dem man selbst und die eigene Familie<br />
ein Leben lang mit Herz und Hand<br />
stehen kann.<br />
Christoph Ludwig<br />
Wir bedanken uns bei Gertrud Frey, die<br />
uns freundlicherweise Fotos aus ihrem<br />
privaten Fotoalbum zur Verfügung gestellt<br />
hat.<br />
1972: Gertrud Frey als Wirtschaftsleiterin im<br />
Altenheim Alpirsbach-Reinerzau<br />
1985: Im Pfl egezentrum Haus Zabergäu/Brackenheim erhält<br />
Gertrud Frey auf der Weihnachtsfeier einen Blumenstrauß<br />
„Aus der <strong>Heimstiftung</strong>“ 3/<strong>2007</strong> 15