Das Religionsrecht der Europäischen Union im ... - ra-arzthaftung.de

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I. Einführung in die Thematik (Gegenstand und Ziel der Untersuchung)
Nach dem erklärten Willen der Regierungen der Mitgliedstaaten ist ein Zusammenwachsen
der EU nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in politischer Hinsicht beabsichtigt.
Dadurch werden allerdings immer mehr Materien mit nicht-ökonomischem Bezug geregelt,
die bisher den Mitgliedstaaten vorbehalten waren. Dementsprechend existieren vor allem bei
Institutionen unterhalb der Ebene der Mitgliedstaaten, z.B. bei den deutschen Ländern, aber
auch bei Kirchen und Religionsgemeinschaften, begründete Befürchtungen, daß sich
hierdurch eine Eigendynamik entwickeln könnte, die spezifisch nationale Interessen in nur
ungenügender Weise berücksichtigt.
Abgesehen von dem in Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV geregelten Diskriminierungsverbot aus
religiösen Gründen und der dem Amsterdamer Vertrag beigefügten gemeinsamen Erklärung
Nr. 11 zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften bestehen nahezu keine
ausdrücklichen primärrechtlichen Regelungen zugunsten der Religionsfreiheit bzw. der
Kirchen und Religionsgemeinschaften.
Es wird daher zu klären sein, in welchem Umfang das mitgliedstaatliche Religionsrecht
bislang auf die EU übertragen worden ist, ob allgemeinere Vorschriften des EG-Vertrags und
EU-Vertrags, wie z.B. die Freizügigkeitsregeln, auf Kirchen und Religionsgemeinschaften
unmittelbar Anwendung finden können oder ob für diese eine Art „Bereichsausnahme“
existiert. Da ein geschriebener Grundrechtskatalog der EU bislang noch nicht verabschiedet
wurde, bleibt für die Entwicklung gemeinschaftsrechtlicher Religionsfreiheit ein Rückgriff
über die Vorschrift des Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV auf die mitgliedstaatlichen
Verfassungsbestimmungen sowie auf Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention und
dessen Auslegung durch die Straßburger Menschenrechtsorgane unumgänglich. Allerdings
liegt der Schwerpunkt dieser Abhandlung nicht etwa in der Rechtsvergleichung, 25
sondern bei
den religionsrechtlichen Anknüpfungspunkten im Gemeinschaftsrecht selbst.
Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, zu klären, in welchem Maße auf EU-Ebene schon
Ansätze zu einem eigenständigen Religionsrecht vorhanden sind. Hierzu sollen einerseits
verschiedene Kompetenzbestimmungen des Gemeinschaftsrechts einer näheren Betrachtung
25 So jüngst Conring, Korporative Religionsfreiheit in Europa. Eine rechtsvergleichende
Betrachtung – Zugleich ein Beitrag zu Artikel 9 EMRK, Frankfurt a.M. – Berlin – Bern u.a.
1998. Dieser setzt sich im wesentlichen mit dem Religionsrecht in Österreich, der
Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland auseinander, vgl.
Conring, a.a.O., S. 87 – 297.