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Das Religionsrecht der Europäischen Union im ... - ra-arzthaftung.de

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<strong>Das</strong> <strong>Religionsrecht</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong><br />

<strong>im</strong> Spannungsfeld<br />

zwischen mitgliedstaatlichen Kompetenzreservaten<br />

und Art. 9 EMRK<br />

Dissertation zur Erlangung <strong>de</strong>s aka<strong>de</strong>mischen G<strong>ra</strong><strong>de</strong>s<br />

eines Doktors <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtswissenschaft<br />

von <strong><strong>de</strong>r</strong> Juristischen Fakultät<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Passau<br />

vorgelegt von:<br />

Rechtsanwalt Marcel Vachek<br />

eingereicht bei:<br />

Prof. Dr. Michael Schweitzer<br />

Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht,<br />

Völkerrecht und Europarecht


Für Anja


„<strong>Das</strong> Irdische und das, was am konkreten Menschen diese Welt übersteigt, sind miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

eng verbun<strong>de</strong>n, und die Kirche selbst bedient sich <strong>de</strong>s Zeitlichen, soweit es ihre Sendung<br />

erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Doch setzt sie ihre Hoffnung nicht auf Privilegien, die ihr von <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen<br />

Autorität angeboten wer<strong>de</strong>n. Sie wird sogar auf die Ausübung von legit<strong>im</strong> erworbenen<br />

Rechten verzichten, wenn feststeht, daß durch <strong><strong>de</strong>r</strong>en Inanspruchnahme die Lauterkeit ihres<br />

Zeugnisses in F<strong>ra</strong>ge gestellt ist o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te Lebensverhältnisse eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

Regelung for<strong><strong>de</strong>r</strong>n.“<br />

Auszug aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Pasto<strong>ra</strong>lkonstitution gaudium et spes vom 7. Dezember 1965, abgedruckt bei<br />

Rahner/Vorgr<strong>im</strong>ler, Kleines Konzilskompendium – Sämtliche Texte <strong>de</strong>s Zweiten<br />

Vatikanums, 23. Aufl. 1991, Freiburg <strong>im</strong> Breisgau 1966, S. 449 ff., 535.<br />

„Ve<strong>ra</strong> autem iustitia non est nisi in ea re publica, cuius conditor rectorque Christus est“.<br />

(Aurelius Augustinus (354 – 430), De civitate Dei, Vol. I, Liber II, Caput XXI.)


Vorwort<br />

Die vorliegen<strong>de</strong> Arbeit wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> September 1999 abgeschlossen und <strong>im</strong> Wintersemester<br />

1999/2000 von <strong><strong>de</strong>r</strong> Juristischen Fakultät <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Passau als Dissertation angenommen.<br />

Aktuelle Entwicklungen in Rechtsprechung, Lite<strong>ra</strong>tur und Gesellschaft konnten bis Februar<br />

2000 berücksichtigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Michael Schweitzer, <strong><strong>de</strong>r</strong> mich<br />

während <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausarbeitung mit wertvollen Ratschlägen unterstützt und dazu ermutigt hat,<br />

einen eigenen inhaltlichen Standpunkt zu vertreten. Die zweieinhalbjährige Tätigkeit als<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl habe ich als wertvoll und<br />

horizonterweiternd erlebt. Herrn Privatdozent Dr. Werner Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, LL.M. danke ich für die<br />

zügige Erstellung <strong>de</strong>s Zweitgutachtens und Herrn Prof. Dr. Herbert Bethge für die Aufnahme<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Dissertation in die von ihm he<strong>ra</strong>usgegebene Reihe „Studien und Materialien zum<br />

Öffentlichen Recht“.<br />

Ich danke meinen ehemaligen Lehrstuhlkollegen für ihre Kommentare zu einzelnen<br />

F<strong>ra</strong>gestellungen, allen vo<strong>ra</strong>n Herrn Dr. Michael F<strong>ra</strong>as für <strong>de</strong>n Impuls in bezug auf die<br />

Themenwahl. Weiter danke ich <strong>de</strong>n Lektoren <strong>de</strong>s Sp<strong>ra</strong>chenzentrums <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Passau,<br />

Herrn Dr. Brian Fell und Herrn Ab<strong>de</strong>lhak Me<strong>ra</strong>bet, für ihre Übersetzungstätigkeit. F<strong>ra</strong>u<br />

Andrea Herbst bin ich zu beson<strong><strong>de</strong>r</strong>em Dank dafür verpflichtet, daß sie die große Mühe <strong>de</strong>s<br />

Korrekturlesens auf sich genommen hat. Außer<strong>de</strong>m danke ich <strong><strong>de</strong>r</strong> Kanzlei Wolter und Partner<br />

GbR für die Möglichkeit mehrfachen Ausdrucks <strong>de</strong>s langen Manuskripts.<br />

Meinen Eltern bin ich für ihre langjährige – nicht nur materielle – För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung dankbar. Der<br />

größte Dank gebührt meiner F<strong>ra</strong>u Anja, die mir in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrfachbelastung von<br />

Dissertation, Berufseinstieg und ehrenamtlicher Kirchengemein<strong>de</strong>arbeit stets zur Seite stand,<br />

mir <strong>de</strong>n nötigen Frei<strong>ra</strong>um verschafft und mich <strong>im</strong>mer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> liebevoll motiviert hat. Sie und<br />

unsere bei<strong>de</strong>n Töchter Lisa und Jana Nadine gaben mir bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit Rückhalt und erinnerten<br />

mich <strong>im</strong>mer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> an die wirklich wichtigen Dinge <strong>im</strong> Leben.<br />

Die Arbeit wur<strong>de</strong> freundlicherweise durch einen Druckkostenzuschuß <strong>de</strong>s Auswärtigen Amtes<br />

geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />

Passau, <strong>im</strong> Mai 2000 Marcel Vachek


Anmerkung zur Online-Version <strong>de</strong>s Autors:<br />

Die Arbeit wur<strong>de</strong> vom Erst- und Zweitkorrektor jeweils mit „summa cum lau<strong>de</strong>“ bewertet.<br />

Nach<strong>de</strong>m die 1. Druckauflage <strong>de</strong>s 2000 veröffentlichen Werkes (ISBN 3-631-36380-X)<br />

komplett verkauft wur<strong>de</strong> und keine Neuauflage in Sicht ist, wur<strong>de</strong> mir vom Verlag Peter Lang<br />

– Europäischer Verlag <strong><strong>de</strong>r</strong> Wissenschaften – gestattet, die Veröffentlichungsrechte selbständig<br />

wahrzunehmen.<br />

Es wird ausdrücklich da<strong>ra</strong>uf hingewiesen, daß die Seitenzahlen in <strong>de</strong>m hier vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Manuskript (T<strong>im</strong>es New Roman 12 Pt) mit <strong>de</strong>m Schrifttyp <strong><strong>de</strong>r</strong> Veröffentlichung <strong>im</strong> Peter<br />

Lang Verlag (T<strong>im</strong>es New Roman 14 Pt) nicht übereinst<strong>im</strong>mt.


Inhaltsverzeichnis<br />

GLIEDERUNG ....................................................................................................................... XI<br />

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS .................................................................................. XXXIII<br />

A. EINLEITUNG ................................................................................................................... 1<br />

I. EINFÜHRUNG IN DIE THEMATIK (GEGENSTAND UND ZIEL DER UNTER-<br />

SUCHUNG) ........................................................................................................................... 6<br />

II. BEGRIFFSBESTIMMUNGEN ................................................................................................... 9<br />

1. Der Begriff <strong>de</strong>s Europarechts ..................................................................................... 9<br />

a) Europarecht <strong>im</strong> engeren und <strong>im</strong> weiteren Sinne ......................................................... 9<br />

aa) „Europarecht“ i.S.d. OSZE................................................................................. 9<br />

bb) „Europarecht“ i.S.d. Europa<strong>ra</strong>ts ....................................................................... 12<br />

b) Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> ................................................................................. 13<br />

c) Gemeinschaftsrecht und <strong>Union</strong>srecht ....................................................................... 13<br />

2. Staatskirchenrecht – <strong>Religionsrecht</strong> – Kirchenrecht ................................................ 13<br />

a) „Staatskirchenrecht“ ................................................................................................. 13<br />

aa) Kirche ............................................................................................................... 13<br />

bb) Staatskirche ...................................................................................................... 14<br />

cc) Staatskirchenrecht ............................................................................................ 15<br />

b) „<strong>Religionsrecht</strong>“ ....................................................................................................... 17<br />

aa) Religion ............................................................................................................ 17<br />

bb) <strong>Religionsrecht</strong> ................................................................................................... 17<br />

c) Kirchenrecht ............................................................................................................. 19<br />

d) Zusammenfassung .................................................................................................... 20<br />

III. DIE FORTSCHREITENDE INTEGRATION VON DER REINEN WIRTSCHAFTS-<br />

GEMEINSCHAFT HIN ZUR EUROPÄISCHEN UNION .............................................................. 20<br />

1. Ausgangspunkt: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) .............................. 20<br />

a) T<strong>ra</strong>ditionelle Schwerpunkte <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts ............................................. 20<br />

b) Erste Ansätze <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s durch die Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH................ 21<br />

2. Wandlung zur umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>................................................. 21<br />

3. Zusammenfassung .................................................................................................... 23<br />

B. GRUNDTYPEN RELIGIONSRECHTLICHER SYSTEME IN DER<br />

EUROPÄISCHEN UNION ............................................................................................ 25<br />

I. GRUNDSÄTZLICHES ............................................................................................................ 25<br />

1. Katholizismus ........................................................................................................... 26<br />

2. Protestantismus ......................................................................................................... 27<br />

3. Orthodoxie ................................................................................................................ 28<br />

4. Ju<strong>de</strong>ntum .................................................................................................................. 29


5. Islam ......................................................................................................................... 29<br />

6. Atheismus ................................................................................................................. 31<br />

II. RELIGIONSRECHTLICHE SYSTEME DER EINZELNEN MITGLIEDSTAATEN ............................. 32<br />

1. Staatskirchentum ...................................................................................................... 32<br />

a) Dänemark ................................................................................................................. 33<br />

b) Vereinigtes Königreich ............................................................................................. 33<br />

c) Griechenland ............................................................................................................ 34<br />

d) Finnland .................................................................................................................... 36<br />

e) Schwe<strong>de</strong>n.................................................................................................................. 36<br />

2. Striktes Trennungssystem ......................................................................................... 37<br />

a) F<strong>ra</strong>nkreich ................................................................................................................. 37<br />

b) Irland ........................................................................................................................ 40<br />

c) Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> .............................................................................................................. 40<br />

3. Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll ................................................................................................. 41<br />

a) Deutschland .............................................................................................................. 42<br />

aa) Neut<strong>ra</strong>lität, Parität und Tole<strong>ra</strong>nz <strong>de</strong>s Staates in konfessioneller und<br />

religiöser Hinsicht ............................................................................................ 43<br />

bb) Elemente <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbindung und Trennung ......................................................... 44<br />

cc) Gemeinsame Aufgaben (res mixtae) ................................................................ 44<br />

b) Belgien ...................................................................................................................... 45<br />

c) Luxemburg ............................................................................................................... 46<br />

d) Portugal .................................................................................................................... 46<br />

e) Österreich ................................................................................................................. 47<br />

f) Italien ........................................................................................................................ 49<br />

g) Spanien ..................................................................................................................... 50<br />

4. Korrektur dieser Einteilung ...................................................................................... 51<br />

a) Unterschie<strong>de</strong> innerhalb eines Systems ..................................................................... 51<br />

b) Unterschie<strong>de</strong> innerhalb eines Mitgliedstaats ............................................................ 51<br />

c) Ständiger Wan<strong>de</strong>l in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten ................................................................ 51<br />

d) Neue Aspekte durch Osterweiterung ........................................................................ 52<br />

e) Religionsplu<strong>ra</strong>lismus ................................................................................................ 52<br />

f) Folgerungen .............................................................................................................. 52<br />

5. Zusammenfassung .................................................................................................... 53<br />

III. EINRICHTUNGEN DER ZUSAMMENARBEIT DER KIRCHEN AUF EUROPÄ-<br />

ISCHER EBENE ................................................................................................................. 53<br />

1. Römisch-Katholische Kirche ................................................................................... 54<br />

a) Heiliger Stuhl als Völkerrechtssubjekt ..................................................................... 54<br />

b) Katholisches Sekretariat für europäische F<strong>ra</strong>gen (OCIPE) ...................................... 55<br />

c) Rat <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Bischofskonferenzen (CCEE) ............................................... 55<br />

d) Kommission <strong><strong>de</strong>r</strong> Bischofskonferenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft<br />

(ComECE) ................................................................................................................ 56<br />

e) Caritas Europa .......................................................................................................... 57<br />

f) Europäisches Komitee für katholische Erziehung (CEEC) ...................................... 57<br />

2. Evangelische Kirche ................................................................................................. 57<br />

a) Verbindungsbüro <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD ....................................................................................... 57<br />

b) Europäische Ökumenische Kommission für Kirche und Gesellschaft


(EECCS) ................................................................................................................... 57<br />

c) Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) ................................................................. 58<br />

C. GEMEINSCHAFTSRECHTLICHE VERSUS MITGLIEDSTAAT-<br />

LICHE KOMPETENZEN IN BEZUG AUF DAS RELIGIONS-<br />

RECHT............................................................................................................................. 62<br />

I. RELIGIONSRECHTLICHE ANKNÜPFUNGSPUNKTE IM PRIMÄREN UND SEKUN-<br />

DÄREN GEMEINSCHAFTSRECHT ......................................................................................... 62<br />

1. Pr<strong>im</strong>ärrecht ............................................................................................................... 63<br />

a) Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 1 EUV n.F. .......................................................................... 63<br />

b) Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV .................................................................................. 63<br />

c) Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV ...................................................................... 64<br />

d) Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung, Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 1 EGV .................. 64<br />

e) Subsidiaritätsprinzip, Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 2 EGV ............................................. 64<br />

f) Verhältnismäßigkeitsprinzip, Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 3 EGV ................................ 64<br />

g) Spezielles Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot, Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV ................................ 65<br />

h) Kultur, Art. 151 (ex-Art. 128) EGV ......................................................................... 65<br />

i) Verhältnis <strong>de</strong>s EGV zum Kirchenvert<strong>ra</strong>gsrecht, Art. 307 (ex-Art. 234)<br />

EGV .......................................................................................................................... 65<br />

j) Protokoll Nr. 33 über <strong>de</strong>n Tierschutz und das Wohlergehen <strong><strong>de</strong>r</strong> Tiere .................... 66<br />

k) Erklärung Nr. 11 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften („Kirchenerklärung“) ................. 66<br />

l) Erklärung Nr. 38 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs zu freiwilligen<br />

Diensten .................................................................................................................... 66<br />

2. <strong>Das</strong> Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung ............................................................... 67<br />

a) Grundsätzliches ........................................................................................................ 67<br />

aa) Normierungen <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht .......................................................................... 67<br />

bb) Inhalt <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung ............................................ 67<br />

cc) Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Prinzips für die Mitgliedstaaten ............................................... 68<br />

b) Art. 6 Abs. 4 (ex-Art. F Abs. 3) EUV als Kompetenz-Kompetenz? ........................ 70<br />

c) Der EuGH als rechtsfortbil<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> „Motor <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion“ ..................................... 71<br />

d) <strong>Das</strong> „Vert<strong>ra</strong>gslückenschließungsverfahren“ nach Art. 308 (ex-Art. 235)<br />

EGV) ........................................................................................................................ 74<br />

e) Anwendung <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung auf das Religions-<br />

recht .......................................................................................................................... 75<br />

f) Zusammenfassung .................................................................................................... 77<br />

3. Sekundärrecht ........................................................................................................... 78<br />

a) Beamtenstatut <strong><strong>de</strong>r</strong> EG ............................................................................................... 79<br />

b) Europäische Schulen ................................................................................................ 79<br />

c) Richtlinie 76/207/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung von Männern und F<strong>ra</strong>uen hinsichtlich <strong>de</strong>s Zugangs<br />

zur Beschäftigung, zur Berufsausbildung und zum beruflichen Aufstieg so-<br />

wie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (Gleichbehandlungsrichtlinie) ............... 80<br />

d) Sechste Richtlinie 77/388/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmoni-<br />

sierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern<br />

(Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie) .......................................................................... 80<br />

e) Siebzehnte Richtlinie 85/362/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 16. Juli 1985 zur


Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten über die<br />

Umsatzsteuern – Mehrwertsteuerbefreiung <strong><strong>de</strong>r</strong> vorübergehen<strong>de</strong>n Einfuhr<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Gegenstän<strong>de</strong> als Beför<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsmittel (Siebzehnte Mehrwertsteuer-<br />

richtlinie) .................................................................................................................. 81<br />

f) Richtlinie 89/552/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung<br />

best<strong>im</strong>mter Rechts- und Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten über<br />

die Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Fernsehtätigkeit (Fernsehrichtlinie) ............................................ 81<br />

g) Richtlinie 93/37/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge ..................................................... 81<br />

h) Richtlinie 93/104/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 23. November 1993 über best<strong>im</strong>mte<br />

Aspekte <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) ........................................ 81<br />

i) Richtlinie 93/119/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 22. Dezember 1993 über <strong>de</strong>n Schutz<br />

von Tieren zum Zeitpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlachtung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Tötung ......................................... 81<br />

j) Richtlinie 95/46/EG <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom<br />

24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>rbeitung<br />

personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutzricht-<br />

linie) ......................................................................................................................... 82<br />

k) Richtlinie 98/33/EG <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom<br />

22. Juni 1998 zur Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Artikels 12 <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 77/780/EWG <strong>de</strong>s<br />

Rates über die Aufnahme und Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kreditinstitute,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Artikel 2, 5, 6, 7 und 8 sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Anhänge II und III <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie<br />

89/647/EWG <strong>de</strong>s Rates über einen Solvabilitätskoeffizienten für Kredit-<br />

institute und <strong>de</strong>s Artikels 2 sowie <strong>de</strong>s Anhangs II <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 93/6/EWG<br />

<strong>de</strong>s Rates über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapieren<br />

und Kreditinstituten .................................................................................................. 82<br />

l) Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 <strong>de</strong>s Rates vom 20. Dezember 1985 über<br />

die Harmonisierung best<strong>im</strong>mter Sozialvorschriften <strong>im</strong> St<strong>ra</strong>ßenverkehr .................. 84<br />

m) Verordnung (EG) Nr. 1659/98 <strong>de</strong>s Rates vom 17. Juli 1998 über die<br />

<strong>de</strong>zent<strong>ra</strong>lisierte Zusammenarbeit .............................................................................. 84<br />

n) Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 15/99 vom Rat festgelegt am<br />

25. Januar 1999 <strong>im</strong> Hinblick auf <strong>de</strong>n Erlaß <strong><strong>de</strong>r</strong> Verordnung (EG) Nr. ...<br />

/1999 <strong>de</strong>s Rates vom ... zur Festlegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bedingungen für die Durch-<br />

führung von Maßnahmen auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklungszusammen-<br />

arbeit, die zu <strong>de</strong>m allgemeinen Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Fortentwicklung und Festigung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Demok<strong>ra</strong>tie und <strong>de</strong>s Rechtsstaats sowie zur Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschen-<br />

rechte und Grundfreiheiten beit<strong>ra</strong>gen ....................................................................... 85<br />

o) Gemeinsame Maßnahme vom 15. Juli 1996 vom Rat aufgrund von<br />

Art. 31 (ex-Art. K.3) Abs. 2 lit. b EUV .................................................................... 85<br />

p) Äußerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission vom 3. Oktober 1997 auf die schriftliche An-<br />

f<strong>ra</strong>ge Nr. 2680/97 von María Sornosa Martínez und Angela Sier<strong>ra</strong> González<br />

vom 1. September 1997 betreffend einen Verstoß gegen das Gleichheits-<br />

prinzip in <strong><strong>de</strong>r</strong> Aula Dei-Kartause von Sa<strong>ra</strong>gossa ..................................................... 85<br />

q) Entschließungen <strong>de</strong>s EP ........................................................................................... 86<br />

4. Ergebnis .................................................................................................................... 89<br />

II. RECHTSPRECHUNG DES EUGH ZUM RELIGIONSRECHT ...................................................... 89<br />

1. Rs. 130/75 (Vivien P<strong>ra</strong>is/Rat) .................................................................................. 90


a) Sachverhalt ............................................................................................................... 90<br />

b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH ........................................................................................... 91<br />

c) Schlußanträge <strong>de</strong>s Gene<strong>ra</strong>lanwalts ........................................................................... 91<br />

d) Würdigung ................................................................................................................ 91<br />

aa) Abwägung von Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts mit <strong>de</strong>m Gleichheits-<br />

grundsatz .......................................................................................................... 92<br />

bb) Allgemeine Rechtsgrundsätze .......................................................................... 93<br />

(1) Art. 9 EMRK .................................................................................................. 93<br />

(2) Art. 25 lit. c IPbpR .......................................................................................... 93<br />

(3) ErklMR ........................................................................................................... 93<br />

2. Rs. 41/74 (Yvonne van Duyn/Home Office) – „Scientology“ ................................. 94<br />

a) Sachverhalt ............................................................................................................... 94<br />

b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH ........................................................................................... 94<br />

c) Würdigung ................................................................................................................ 94<br />

3. Rs. 300/84 (A.J.M. van Roosmalen/Bestuur van <strong>de</strong> Bedrijfsvereniging<br />

voor <strong>de</strong> Gezondheid) – „Priester-Missionar“ ........................................................... 95<br />

a) Sachverhalt ............................................................................................................... 95<br />

b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH ........................................................................................... 95<br />

c) Würdigung ................................................................................................................ 96<br />

4. Rs. 196/87 (Udo Steymann/Staatssecretaris van Justitie) –<br />

„Bhagwan-Urteil“ ..................................................................................................... 97<br />

a) Sachverhalt ............................................................................................................... 97<br />

b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH ........................................................................................... 98<br />

c) Schlußanträge <strong>de</strong>s Gene<strong>ra</strong>lanwalts ........................................................................... 98<br />

d) Würdigung ................................................................................................................ 98<br />

5. Rs. C-463/93 (Katholische Kirchengemein<strong>de</strong> St. Martinus Elten/<br />

Landwirtschaftskammer Rheinland) ........................................................................ 99<br />

a) Sachverhalt ............................................................................................................... 99<br />

b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH ......................................................................................... 100<br />

c) Würdigung .............................................................................................................. 100<br />

6. Ergebnis .................................................................................................................. 100<br />

III. ZULÄSSIGKEIT UND SCHRANKEN DER INTEGRATIONSERMÄCHTIGUNG<br />

(AM BEISPIEL DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND) .................................................. 101<br />

1. Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Allzuständigkeit ............................................... 101<br />

2. Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten auf die EU als<br />

internationale Organisation .................................................................................... 102<br />

3. Sch<strong>ra</strong>nken <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tionsermächtigung ............................................................... 102<br />

a) Art. 79 Abs. 3 GG als nationales „Reservat“ ......................................................... 102<br />

aa) Menschenwür<strong>de</strong>, Art. 1 Abs. 1 GG ................................................................ 103<br />

bb) Strukturprinzipien <strong>de</strong>s Art. 20 Abs. 1 GG, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e das Bun<strong>de</strong>s-<br />

staatsprinzip .................................................................................................... 103<br />

(1) <strong>Religionsrecht</strong> als Lan<strong>de</strong>sangelegenheit ....................................................... 103<br />

(2) Übert<strong>ra</strong>gung von Lan<strong>de</strong>skompetenzen durch <strong>de</strong>n Bund auf die<br />

Gemeinschaft ................................................................................................ 104<br />

(3) Fortbestand <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sstaats trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gung von Lan<strong>de</strong>s-<br />

zuständigkeiten auf die EU? ......................................................................... 105


) Cont<strong>ra</strong> legem-Erweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong>de</strong>s Art. 79 Abs. 3 GG durch<br />

das BVerfG? ........................................................................................................... 107<br />

aa) Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ................................................... 107<br />

bb) Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 u. 3 GG ............................................ 108<br />

cc) Art. 23 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 1 GG n.F. .............................................................. 108<br />

c) Kernbereiche <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit ......................................................................... 110<br />

IV. DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN GEMEINSCHAFTSRECHT UND NATIONALEM<br />

RECHT ........................................................................................................................... 112<br />

1. Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht ....................................................................... 112<br />

2. Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong>de</strong>s BVerfG ...................................................................................... 115<br />

a) Vor <strong>de</strong>m Solange I-Beschluß .................................................................................. 115<br />

b) Solange I-Beschluß ................................................................................................. 115<br />

c) Solange II-Beschluß ............................................................................................... 117<br />

d) Maastricht-Urteil .................................................................................................... 118<br />

e) Folgerungen für Kompetenzüberschreitungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft .......................... 119<br />

f) Zusammenfassung .................................................................................................. 121<br />

3. Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten ............................................................. 122<br />

V. ANWENDUNG AUF DAS RELIGIONSRECHT ....................................................................... 124<br />

D. DIE ERKLÄRUNG NR. 11 ZUM STATUS DER KIRCHEN UND<br />

WELTANSCHAULICHEN GEMEINSCHAFTEN .................................................. 127<br />

I. ANLAß FÜR DIE SCHAFFUNG EINES KIRCHENARTIKELS ..................................................... 127<br />

II. REFORMVORSCHLÄGE ..................................................................................................... 128<br />

1. Ant<strong>ra</strong>g <strong>de</strong>s Bayerischen Senats zur „Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Reli-<br />

gions- und Weltanschauungsgemeinschaften <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s Euro-<br />

päischen Gemeinschaftsrechts“ .............................................................................. 129<br />

2. Kirchliche Überlegungen <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD über „<strong>Das</strong> <strong>de</strong>utsche Staatskirchen-<br />

recht und die Entwicklung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrechts“ ..................... 129<br />

3. Die „Gemeinsame Stellungnahme zum Verhältnis von Staat und<br />

Kirche <strong>im</strong> Blick auf die Europäische <strong>Union</strong>“ ......................................................... 129<br />

4. <strong>Das</strong> „Memo<strong>ra</strong>ndum zur Rechtsstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religions-<br />

gemeinschaften <strong>im</strong> Vert<strong>ra</strong>gswerk <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>“ ................................. 130<br />

5. Verhandlungsvorschlag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>ts ................................................................. 131<br />

6. Vorschlag <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS und ComECE ..................................................................... 131<br />

III. DURCHSETZBARKEIT EINER VERBINDLICHEN VORSCHRIFT ............................................ 132<br />

IV. RECHTLICHE BEDEUTUNG VON ERKLÄRUNGEN ............................................................. 133<br />

1. Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH ..................................................................................... 133<br />

2. Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung............................................................................... 134<br />

3. Erklärungen innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Systematik <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts ........................... 135<br />

4. Einordnung gemeinsamer Erklärungen in völkerrechtliche Katego-<br />

rien .......................................................................................................................... 136<br />

a) Rechtswirkung völkerrechtlicher Verträge <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht ....................... 136


) Tatbestandsmerkmale eines völkerrechtlichen Vert<strong>ra</strong>gs ........................................ 137<br />

5. Politische Selbstbindung bei gemeinsamen Erklärungen ....................................... 137<br />

6. Gemeinschaftsgewohnheitsrecht ............................................................................ 139<br />

7. Beachtlichkeit einer Erklärung bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung durch <strong>de</strong>n EuGH ..................... 140<br />

8. Beachtlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung i.R.d. Richtlinienumsetzung<br />

durch <strong>de</strong>n nationalen Gesetzgeber .......................................................................... 141<br />

9. Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung als Vorbehalt ..................................................... 142<br />

10. Zusammenfassung .................................................................................................. 143<br />

V. WÜRDIGUNG DES INHALTS DER KIRCHENERKLÄRUNG .................................................... 144<br />

1. Schaffung eigener religionsrechtlicher Begriffe auf Gemeinschafts-<br />

ebene ....................................................................................................................... 144<br />

a) „Kirche“.................................................................................................................. 144<br />

b) „Religiöse Gemeinschaft“ ...................................................................................... 144<br />

c) „Religiöse Vereinigung“ ........................................................................................ 144<br />

d) „Weltanschauliche Organisation“ .......................................................................... 145<br />

e) „Nichtkonfessionelle Organisation“ ....................................................................... 145<br />

f) Folgerungen aus <strong>de</strong>n neuen Begrifflichkeiten ........................................................ 145<br />

2. Gleichstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> weltanschaulichen und nichtkonfessionellen<br />

Organisationen ........................................................................................................ 146<br />

3. Keine Verleihung neuer, originärer Rechte ............................................................ 146<br />

4. Kirchen und Religionsgemeinschaften als „legit<strong>im</strong>e Partner“<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EU? ................................................................................................................... 147<br />

5. Kirchen und Religionsgemeinschaften als „Teil <strong>de</strong>s gemeinsamen<br />

kulturellen Erbes“? ................................................................................................. 148<br />

6. <strong>Das</strong> „Unangetastetlassen“ <strong>de</strong>s rechtlichen Status von Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften ........................................................................................ 149<br />

7. Festschreibung <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n status quo als I<strong>de</strong>allösung? ................................. 151<br />

8. Zusammenfassung und Ausblick ............................................................................ 154<br />

E. RELIGIÖSE GRUNDRECHTE IM RECHT DER EU UNTER<br />

BERÜCKSICHTIGUNG DES ART. 9 EMRK .......................................................... 157<br />

I. ENTWICKLUNG DER GRUNDRECHTE IM GEMEINSCHAFTS- UND UNIONS-<br />

RECHT .............................................................................................................................. 157<br />

1. Bisherige Normierungen <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht ............................................................... 158<br />

a) Grundfreiheiten ...................................................................................................... 158<br />

b) Grundrechte in <strong>de</strong>n Gründungsverträgen ............................................................... 160<br />

c) Fortentwicklung <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes in Präambeln und sonstigem<br />

Pr<strong>im</strong>ärrecht ............................................................................................................. 161<br />

aa) Einheitliche Europäische Akte (EEA) ............................................................ 161<br />

bb) Vert<strong>ra</strong>g von Maastricht ................................................................................... 162<br />

cc) Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam ................................................................................. 164<br />

2. Findung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte durch <strong>de</strong>n EuGH ............................................................ 166<br />

3. Ansätze zur Entstehung eines geschriebenen Grundrechtskatalogs ....................... 168<br />

4. <strong>Das</strong> EuGH-Gutachten 2/94 über die Beitrittsmöglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemein-<br />

schaft zur EMRK .................................................................................................... 169<br />

5. Künftige Möglichkeiten zur Verbesserung <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes<br />

innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft .................................................................................... 171


a) Beitritt zur EMRK durch Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s EGV bzw. EUV...................................... 171<br />

aa) Nachteile eines Beitritts zur EMRK ............................................................... 171<br />

bb) Vorteile eines Beitritts zur EMRK ................................................................. 172<br />

cc) Eigene Stellungnahme .................................................................................... 172<br />

b) Schaffung einer eigenen EU-Grundrechtscharta <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>gsrevision ... 174<br />

aa) Nachteile eines gemeinschaftseigenen Grundrechtskatalogs ......................... 175<br />

bb) Vorteile eines gemeinschaftseigenen Grundrechtskatalogs ........................... 175<br />

cc) Eigene Stellungnahme .................................................................................... 176<br />

c) Ve<strong>ra</strong>bschiedung eines Grundrechtskatalogs durch alle Gemeinschafts-<br />

organe ..................................................................................................................... 177<br />

d) „Gemeinsame Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten“ i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234)<br />

Abs. 2 S. 2 EGV ..................................................................................................... 178<br />

aa) Kollektive Ve<strong>ra</strong>ntwortlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ........................................ 178<br />

bb) Eigene Stellungnahme .................................................................................... 178<br />

e) Gemeinschaftsrechtliche Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> ................................................. 179<br />

6. Zusammenfassung .................................................................................................. 179<br />

II. DIE „GEMEINSAMEN VERFASSUNGSÜBERLIEFERUNGEN DER MITGLIED-<br />

STAATEN“ ALS „ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE DES GEMEINSCHAFTSRECHTS“<br />

I.S.D. ART. 6 (EX-ART. F) ABS. 2 EUV ........................................................................... 180<br />

1. Rechtslage vor Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV ....................................................... 181<br />

2. Definition <strong><strong>de</strong>r</strong> „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen“ ................................. 182<br />

3. Welcher Standard gelangt zur Anwendung? .......................................................... 183<br />

a) Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Min<strong>im</strong>alstandards.............................................................................. 184<br />

b) Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Max<strong>im</strong>alstandards ............................................................................. 184<br />

c) Metho<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> werten<strong>de</strong>n Bet<strong>ra</strong>chtungsweise ........................................................... 186<br />

d) Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s relativierten Max<strong>im</strong>alstandards mit negativer Kontroll-<br />

funktion .................................................................................................................. 187<br />

e) Die EMRK als Min<strong>de</strong>ststandard............................................................................. 187<br />

4. „Gemeinsame Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten“<br />

i.R.d. <strong>Religionsrecht</strong>s ............................................................................................. 187<br />

5. Zusammenfassung .................................................................................................. 191<br />

III. ART. 9 EMRK UND SEINE STELLUNG IM GEMEINSCHAFTSRECHT ÜBER<br />

ART. 6 (EX-ART. F) ABS. 2 EUV ................................................................................... 192<br />

1. Unmittelbare Geltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK und ihrer Aus-<br />

legung durch EGMR und EKMR <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht? ................................... 192<br />

a) Reichweite <strong>de</strong>s Verweises in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV ................................. 192<br />

b) Bindung <strong>de</strong>s EuGH an die EMRK? ........................................................................ 193<br />

aa) Wortlautauslegung.......................................................................................... 193<br />

bb) Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> Funktionsnachfolge ..................................................................... 194<br />

cc) Bezugnahme <strong>de</strong>s EuGH auf die EMRK ......................................................... 195<br />

c) Bindung <strong>de</strong>s EuGH an die Auslegung durch EKMR und EGMR? ........................ 196<br />

d) Möglichkeit divergieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsentscheidungen zwischen EuGH<br />

und <strong>de</strong>n EMRK-Organen ........................................................................................ 198<br />

aa) EMRK als völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234)<br />

EGV ................................................................................................................ 198<br />

bb) Die Mitgliedstaaten als Vollzugsorgane <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts ................ 198


cc) Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten an die Auslegung von EGMR und<br />

EKMR? .......................................................................................................... 199<br />

dd) Dauerhafte Lösung möglicher Kollisionen .................................................... 200<br />

(1) Übernahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong>de</strong>s EGMR durch <strong>de</strong>n EuGH aufgrund<br />

<strong>de</strong>s Vor<strong>ra</strong>ngs <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK .............................................................................. 200<br />

(2) Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Solange-Rechtsprechung für EMRK-Organe gegen-<br />

über <strong>de</strong>m EuGH ............................................................................................ 202<br />

e) Zusammenfassung .................................................................................................. 206<br />

2. Der Grundrechtsgehalt <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK .............................................................. 206<br />

a) Individuelle Religionsfreiheit ................................................................................. 206<br />

aa) Individuelle Religionsfreiheit als Abwehrrecht .............................................. 206<br />

(1) Glaubensfreiheit ............................................................................................ 207<br />

(2) Bekenntnisfreiheit ......................................................................................... 208<br />

(3) Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsausübung .................................................................... 208<br />

(i) Gottesdienst ............................................................................................. 209<br />

(ii) Unterricht ................................................................................................. 209<br />

(iii) Ausübung religiöser Gebräuche ............................................................. 210<br />

(iv) Beachtung religiöser Gebräuche ............................................................. 211<br />

bb) Individuelle Religionsfreiheit als staatliche Schutzpflicht ............................. 211<br />

b) Kollektive Religionsfreiheit ................................................................................... 211<br />

aa) Anwendbarkeit ............................................................................................... 211<br />

bb) Umfang ........................................................................................................... 213<br />

c) Sch<strong>ra</strong>nken <strong>de</strong>s Art. 9 Abs. 2 EMRK ...................................................................... 215<br />

aa) Gesetzliche Grundlage ................................................................................... 216<br />

bb) Zulässige Eingriffszwecke.............................................................................. 216<br />

(1) Öffentliche Sicherheit und Ordnung ............................................................. 216<br />

(2) Gesundheit und Mo<strong>ra</strong>l .................................................................................. 216<br />

(3) Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte und Freiheiten an<strong><strong>de</strong>r</strong>er .................................................... 217<br />

(i) Religionsfreiheit einzelner gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsgemeinschaft ............................................................................ 217<br />

(ii) Religionsfreiheit einzelner gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften ......................................................................... 218<br />

d) Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken ............................................................................................. 218<br />

e) Zusammenfassung .................................................................................................. 218<br />

IV. REICHWEITE DER RELIGIONSFREIHEIT IM GEMEINSCHAFTSRECHT ................................. 219<br />

1. Schutzbereich ......................................................................................................... 219<br />

a) Persönlicher Schutzbereich (Grundrechtsträgerschaft und Grundrechts-<br />

adressaten) .............................................................................................................. 219<br />

aa) Grundrechtsträgerschaft ausländischer Religionsgemeinschaften ................. 219<br />

(1) Religionsgemeinschaften aus einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaat ......................... 219<br />

(2) Religionsgemeinschaften aus Nicht-EU-Staaten .......................................... 219<br />

bb) Grundrechtsträgerschaft von Religionsgemeinschaften mit öffentlich-<br />

rechtlichem Status .......................................................................................... 219<br />

(1) Im <strong>de</strong>utschen Recht ....................................................................................... 220<br />

(2) Im Gemeinschaftsrecht ................................................................................. 221<br />

cc) Grundrechtsverpflichtete <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte .............................. 222<br />

(1) Gemeinschaftsorgane als pr<strong>im</strong>ärer Adressat <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschafts-<br />

grundrechte ................................................................................................... 222


(2) Mitgliedstaaten als Adressaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte ................... 222<br />

(i) Rein nationales Tätigwer<strong>de</strong>n ohne gemeinschaftsrechtlichen<br />

Bezug ....................................................................................................... 222<br />

(ii) Vollzug von Gemeinschaftsrecht durch die Mitgliedstaaten ................... 223<br />

(iii) Sonstige mitgliedstaatliche Rechtshandlungen mit Gemein-<br />

schaftsbezug, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ausnahmeregelungen zu <strong>de</strong>n Grund-<br />

freiheiten ................................................................................................. 225<br />

(3) Private als Adressaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte ................................. 229<br />

(i) Unmittelbare Drittwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte? ................... 229<br />

(ii) Unmittelbare Drittwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten...................................... 230<br />

(iii) Anwendbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Einschränkung von dritt-<br />

wirken<strong>de</strong>n Grundfreiheiten ..................................................................... 230<br />

dd) Zusammenfassung .......................................................................................... 231<br />

b) Sachlicher Schutzbereich ....................................................................................... 231<br />

aa) Individuelle Religionsfreiheit ......................................................................... 231<br />

bb) Kollektive Religionsfreiheit ........................................................................... 231<br />

(1) Entwicklung aus Struktur und Zielen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft? ............................ 231<br />

(2) Der korpo<strong>ra</strong>tive Status über Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV ......................... 232<br />

(3) Die Religionsfreiheit als Teilhaberecht ........................................................ 232<br />

2. Sch<strong>ra</strong>nken ............................................................................................................... 233<br />

a) Gemeinschaftsvorbehalt ......................................................................................... 233<br />

b) Grundrechte an<strong><strong>de</strong>r</strong>er ............................................................................................... 234<br />

3. Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken ............................................................................................. 234<br />

a) Wesensgehaltsga<strong>ra</strong>ntie ........................................................................................... 235<br />

b) Verhältnismäßigkeitsprinzip .................................................................................. 235<br />

aa) Legit<strong>im</strong>es Ziel ................................................................................................. 235<br />

bb) Legit<strong>im</strong>es Mittel ............................................................................................. 235<br />

(1) Geeignetheit .................................................................................................. 236<br />

(2) Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit ............................................................................................. 236<br />

(3) Angemessenheit ............................................................................................ 236<br />

(i) Abwägung <strong>im</strong> Einzelfall .......................................................................... 236<br />

(ii) Grundrechtskollision ............................................................................... 237<br />

c) Zusammenfassung .................................................................................................. 238<br />

4. Rang <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht ................................................ 238<br />

a) Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV i.V.m. <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen<br />

bzw. Art. 9 EMRK ..................................................................................................... 238<br />

aa) Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV als Pr<strong>im</strong>ärrecht .............................................. 238<br />

(1) Verhältnis zum Sekundärrecht ...................................................................... 238<br />

(2) Verhältnis zum Pr<strong>im</strong>ärrecht .......................................................................... 239<br />

bb) Unbest<strong>im</strong>mtheit <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV <strong>im</strong> Hinblick auf<br />

<strong>de</strong>n konkreten Gehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit .......... 240<br />

b) Die EMRK als völkerrechtlicher Altvert<strong>ra</strong>g i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234)<br />

EGV ........................................................................................................................ 241<br />

V. REICHWEITE DER RELIGIONSFREIHEIT IM UNIONSRECHT ................................................. 242<br />

1. Grundrechtsbindung durch Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV .................................... 242<br />

2. Eingeschränkte Kontrollkompetenz <strong>de</strong>s EuGH ...................................................... 243<br />

3. Reichweite <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes <strong>im</strong> <strong>Union</strong>srecht ............................................ 243<br />

4. Grundrechtsrelevanz <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>srechts .................................................................. 243


5. Überprüfung abgeleiteten Sekundärrechts durch mitgliedstaatliche<br />

Verfassungsgerichte bzw. EMRK-Organe? ................................................................... 244<br />

a) Mitgliedstaatliche Verfassungsgerichte .................................................................. 244<br />

b) EMRK-Organe ....................................................................................................... 244<br />

VI. DAS SPEZIELLE DISKRIMINIERUNGSVERBOT DES ART. 13 (EX-ART. 6A)<br />

EGV ............................................................................................................................. 245<br />

1. Regelungsinhalt ...................................................................................................... 245<br />

2. Unmittelbare Anwendbarkeit? ............................................................................... 246<br />

3. Mögliche Auswirkungen auf das <strong>Religionsrecht</strong> ................................................... 247<br />

4. Zusammenfassung .................................................................................................. 250<br />

F. RELIGIONSRECHT ALS „KULTUR“ I.S.D. ART. 151<br />

(EX-ART. 128) EGV? ................................................................................................... 251<br />

I. DER GEMEINSCHAFTSRECHTLICHE KULTUR(GUT)BEGRIFF ................................................ 251<br />

II. DER BEGRIFF DES „KULTURELLEN ERBES“ ...................................................................... 253<br />

III. UNTERSCHIEDE ZWISCHEN RELIGIONSRECHT UND „KULTURELLEM ERBE“ .................... 254<br />

IV. ZUSAMMENFASSUNG ..................................................................................................... 255<br />

G. DER SUBSIDIARITÄTS- UND VERHÄLTNISMÄßIGKEITS-<br />

GRUNDSATZ IM GEMEINSCHAFTSRECHT ....................................................... 257<br />

I. DAS SUBSIDIARITÄTSPRINZIP ........................................................................................... 257<br />

1. Historische Herkunft und Einführung ins Gemeinschaftsrecht .............................. 257<br />

a) Ursprünge <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips ..................................................................... 257<br />

b) Ve<strong>ra</strong>nkerung <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Maastricht .............. 260<br />

c) Erste Konkretisierungen ......................................................................................... 260<br />

d) Weitere Präzisierungen durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam .................................. 261<br />

aa) Protokoll Nr. 30 über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidia-<br />

rität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit ................................................................... 262<br />

bb) Erklärungen .................................................................................................... 263<br />

(1) Erklärung Nr. 43 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte zum Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g zum<br />

Protokoll über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit ............................................................................... 264<br />

(2) Erklärung Deutschlands, Österreichs und Belgiens zur Subsidiarität .......... 264<br />

2. Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips ..................................................................... 264<br />

3. Justitiabilität ........................................................................................................... 266<br />

II. DAS VERHÄLTNISMÄßIGKEITSPRINZIP ............................................................................. 268<br />

III. KONKRETISIERUNG BEIDER PRINZIPIEN IM RAHMEN DES RELIGIONS-<br />

RECHTS ......................................................................................................................... 270<br />

IV. ZUSAMMENFASSUNG ..................................................................................................... 272


H. DER SCHUTZ DER „NATIONALEN IDENTITÄT“ GEMÄß<br />

ART. 6 ABS. 3 (EX-ART. F ABS. 1) EUV .................................................................. 273<br />

I. BEDEUTUNG DES PRINZIPS ............................................................................................... 273<br />

1. Definition <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“ ...................................................................... 273<br />

2. Facetten <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“ ......................................................................... 274<br />

3. Sicherstellung <strong>de</strong>s Prinzips ..................................................................................... 274<br />

II. KONKRETISIERUNG DER „NATIONALEN IDENTITÄT“ I.R.D. RELIGIONS-<br />

RECHTS ........................................................................................................................... 275<br />

III. ZUSAMMENFASSUNG ...................................................................................................... 277<br />

I. ART. 307 (EX-ART. 234) EGV UND DAS KONKORDATS- BZW.<br />

VERTRAGSRECHT DER KIRCHEN ....................................................................... 279<br />

I. BEDEUTUNG DES ART. 307 (EX-ART. 234) EGV .............................................................. 279<br />

1. Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV ........................................................................ 280<br />

a) Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV gegenüber Konkordaten ............ 280<br />

aa) Begriff <strong>de</strong>s „Konkordats“ ............................................................................... 280<br />

bb) Vatikan als „Drittland“ ................................................................................... 282<br />

cc) Konkordat als „Altvert<strong>ra</strong>g“ ............................................................................ 282<br />

dd) Verpflichtung gegenüber <strong>de</strong>m Hl. Stuhl ......................................................... 283<br />

b) Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV gegenüber Abkommen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> .................................................................................................... 283<br />

c) Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV auf sog. Kirchenverträge ........... 284<br />

2. Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV ........................................................................ 286<br />

a) Anpassungsverpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ....................................................... 286<br />

b) Anpassungsverpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft .......................................................... 287<br />

II. ABKOMMEN DER GEMEINSCHAFT MIT RELIGIONSGEMEINSCHAFTEN ............................... 287<br />

III. ZUSAMMENFASSUNG ...................................................................................................... 290<br />

J. KIRCHE ALS TEIL DES MITGLIEDSTAATS DURCH VERLEI-<br />

HUNG DES STATUS EINER K.D.Ö.R.? ................................................................... 291<br />

I. GRUNDSATZ: GRUNDRECHTSBINDUNG NUR DER GEMEINSCHAFT SOWIE DER<br />

MITGLIEDSTAATEN BEIM VOLLZUG DES GEMEINSCHAFTSRECHTS .................................... 291<br />

II. AUSNAHME: BINDUNG AUCH PRIVATER .......................................................................... 291<br />

III. ZWISCHENPOSITION ÖFFENTLICH-RECHTLICHER KIRCHEN UND RELIGIONS-<br />

GEMEINSCHAFTEN .......................................................................................................... 293<br />

1. Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus ........................................................................ 293<br />

2. Die <strong>de</strong>utsche Sichtweise ......................................................................................... 293<br />

3. Die gemeinschaftsrechtliche Sichtweise ................................................................ 295


IV. GEWINNUNG EINES UNTERSCHEIDUNGSKRITERIUMS ANHAND DER KLAGE-<br />

BEFUGNIS? .................................................................................................................... 295<br />

V. KIRCHEN UND RELIGIONSGEMEINSCHAFTEN ALS TEIL STAATLICHER<br />

VERWALTUNG?............................................................................................................... 296<br />

VI. ÖFFENTLICHES AUFTRAGSWESEN .................................................................................. 298<br />

1. Gemeinschaftsrechtliche Definition eines öffentlichen Auft<strong>ra</strong>g-<br />

gebers ...................................................................................................................... 298<br />

a) Erfüllung <strong>im</strong> Allgemeininteresse liegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgaben ........................................... 299<br />

b) Eigene Rechtspersönlichkeit .................................................................................. 300<br />

c) Enge Anbindung an <strong>de</strong>n Staat ................................................................................ 300<br />

aa) Überwiegen<strong>de</strong> staatliche Zuwendungen ......................................................... 300<br />

bb) Staatsaufsicht .................................................................................................. 301<br />

2. Konstitutive Wirkung <strong>de</strong>s Anhangs I <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/37/EWG ..................................... 301<br />

VII. ZUSAMMENFASSUNG .................................................................................................... 302<br />

K. EINZELNE INTEGRATIONSBEREICHE ............................................................... 303<br />

I. EUROPÄISCHE INTEGRATION UND KIRCHLICHES ARBEITSRECHT ...................................... 303<br />

1. In Deutschland ........................................................................................................ 303<br />

a) Individualarbeitsrecht ............................................................................................. 303<br />

b) Kollektives Arbeitsrecht ......................................................................................... 303<br />

2. Auf EU-Ebene ........................................................................................................ 304<br />

a) Individualarbeitsrecht ............................................................................................. 304<br />

aa) Freizügigkeit, Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV ............................................... 304<br />

(1) Grundsatz ...................................................................................................... 304<br />

(2) Ausnahmen ................................................................................................... 307<br />

(i) Keine Arbeitnehmereigenschaft .............................................................. 307<br />

(ii) Teilnahme am Wirtschaftsleben .............................................................. 308<br />

(iii) Der Vorbehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesund-<br />

heit, Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 3 EGV .................................................... 309<br />

(iv) Der Vorbehalt zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Verwaltung, Art. 39<br />

(ex-Art. 48) Abs. 4 EGV ........................................................................ 310<br />

(v) Leitungsaufgaben innerhalb <strong>de</strong>s kirchlichen Dienstes i.e.S. ................... 312<br />

(vi) Kirchliches Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht ..................................................... 313<br />

bb) Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung von Mann und F<strong>ra</strong>u auf <strong>de</strong>m Gebiet<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Lohngleichheit, Art. 141 (ex-Art. 119) EGV ........................................... 313<br />

cc) Gleichbehandlungsrichtlinie ........................................................................... 315<br />

dd) Zusammenfassung .......................................................................................... 318<br />

b) Kollektives Arbeitsrecht ......................................................................................... 318<br />

aa) Europäischer Betriebs<strong>ra</strong>t ................................................................................ 318<br />

bb) Gemeinschaftscharta <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />

vom 3. Dezember 1989 .................................................................................. 320<br />

cc) Sozialvorschriften <strong>im</strong> Titel XI <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs ............................................ 320<br />

(1) Anwendbarkeit gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften


sowie kirchlicher Unternehmen .................................................................... 321<br />

(2) Fortbestand <strong>de</strong>s „Dritten Weges“?................................................................ 322<br />

(3) Kirchen als „Sozialpartner“ i.S.d. Gemeinschaftsrechts? ............................. 323<br />

(4) Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen an Vereinbarungen zwischen <strong>de</strong>n Sozial-<br />

partnern? ....................................................................................................... 323<br />

dd) Zusammenfassung .......................................................................................... 324<br />

II. EUROPÄISCHE INTEGRATION UND KIRCHLICHES WOHLFAHRTSWESEN ............................ 324<br />

1. Kirchliches Wohlfahrtswesen in Deutschland ....................................................... 324<br />

2. Kommissionsentwurf einer „économie sociale“ .................................................... 325<br />

3. Der Europäische Verein ......................................................................................... 326<br />

4. „Gemeinnützigkeit“ ................................................................................................ 328<br />

5. <strong>Das</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungsrecht <strong>de</strong>s Art. 43 ff. (ex-Art. 52 ff.) EGV ............................... 329<br />

6. Zusammenfassung .................................................................................................. 329<br />

III. EUROPÄISCHE INTEGRATION UND KIRCHENFINANZIERUNG ............................................ 329<br />

1. In Deutschland ........................................................................................................ 329<br />

2. In an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten ..................................................................................... 334<br />

3. Ergebnis und Folgerung ......................................................................................... 340<br />

4. Auf EU-Ebene ........................................................................................................ 346<br />

a) Indirekte Steuerharmonisierung ............................................................................. 346<br />

b) Direkte Steuerharmonisierung ................................................................................ 346<br />

aa) Definition ....................................................................................................... 346<br />

bb) Gemeinschaftskompetenz zum Erlaß von Rechtsvorschriften <strong>im</strong><br />

Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuern .......................................................................... 347<br />

cc) Harmonisierungsmaßnahmen bei Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Gemeinsamen<br />

Marktes ........................................................................................................... 348<br />

(1) Unternehmenssteuern ................................................................................... 349<br />

(2) Einkommensteuer ......................................................................................... 349<br />

(3) Kirchensteuer ................................................................................................ 350<br />

c) Vereinbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung von Arbeitgebern zur KiSt-Abführung<br />

mit <strong>de</strong>m gemeinschaftsrechtlichen Diskr<strong>im</strong>inierungs- und Beschränkungs-<br />

verbot ...................................................................................................................... 350<br />

aa) Tatbestandsvo<strong>ra</strong>ussetzungen einer Diskr<strong>im</strong>inierung ...................................... 351<br />

bb) Subsumtion ..................................................................................................... 352<br />

cc) Allgemeines Beschränkungsverbot ................................................................ 352<br />

(1) Zwingen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Allgemeinwohls ...................................................... 353<br />

(2) Verhältnismäßigkeit ...................................................................................... 354<br />

(i) Geeignetheit ............................................................................................. 354<br />

(ii) Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit........................................................................................ 354<br />

(iii) Angemessenheit...................................................................................... 355<br />

d) Vereinbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Abzugsfähigkeit von Spen<strong>de</strong>n und Kirchensteuer mit<br />

<strong>de</strong>m allgemeinen Beschränkungsverbot ................................................................. 355<br />

aa) Abzugsfähigkeit von Spen<strong>de</strong>n ........................................................................ 355<br />

bb) Abzugsfähigkeit von Kirchensteuer ............................................................... 356<br />

5. Kirchensteuer und Datenschutz .............................................................................. 356<br />

a) In Deutschland ........................................................................................................ 356<br />

b) In an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten ..................................................................................... 358


c) Auf EU-Ebene ........................................................................................................ 358<br />

d) Exkurs: Datenschutz und kirchliches Mel<strong>de</strong>wesen ................................................ 365<br />

e) Exkurs: Art. 286 (ex-Art. 213b) EGV .................................................................... 366<br />

6. Staatliche Beihilfen ................................................................................................ 367<br />

a) Ursprünge und Wesen <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsleistungen an die Großkirchen in Deutsch-<br />

land ......................................................................................................................... 367<br />

b) Pflicht zur Ablösung von Staatsleistungen ............................................................. 368<br />

c) Staatliche Beihilfe i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) EGV ............................................... 370<br />

aa) Definition einer staatlichen Beihilfe ............................................................... 370<br />

bb) Grundsätzliches Verbot staatlicher Beihilfen ................................................. 372<br />

cc) Erlaubte staatliche Beihilfen .......................................................................... 372<br />

(1) Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 2 EGV .................................................................. 372<br />

(2) Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 3 EGV .................................................................. 372<br />

(i) Kirchen und Religionsgemeinschaften .................................................... 373<br />

(ii) Freie Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege .......................................................... 373<br />

dd) Bereichsausnahme nach Art. 86 (ex-Art. 90) Abs. 2 EGV ............................ 374<br />

ee) Vorliegen einer Beihilfe ................................................................................. 374<br />

ff) Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> Quantifizierung .......................................................................... 376<br />

7. Zusammenfassung .................................................................................................. 377<br />

IV. EUROPÄISCHE INTEGRATION UND KIRCHLICHES BILDUNGSWESEN ................................ 378<br />

1. Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft <strong>im</strong> Bildungswesen .............................................. 378<br />

2. Rechtsverhältnisse an Theologischen Fakultäten ................................................... 379<br />

a) Stu<strong>de</strong>nten ................................................................................................................ 379<br />

b) Lehrstuhlmitarbeiter ............................................................................................... 379<br />

c) Hochschullehrer; insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Problematik <strong><strong>de</strong>r</strong> Konkordatslehrstühle ........... 379<br />

V. EUROPÄISCHE INTEGRATION UND SONN- UND FEIERTAGSSCHUTZ .................................. 380<br />

1. In Deutschland ........................................................................................................ 380<br />

2. Auf EU-Ebene ........................................................................................................ 382<br />

a) Richtlinie 93/104/EG über die Arbeitszeitgestaltung ............................................. 382<br />

aa) Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG ......................................................................... 382<br />

bb) Art. 17 Abs. 1 lit. c <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG .......................................................... 384<br />

b) Sonntagsverkaufsverbot ......................................................................................... 385<br />

3. Zusammenfassung .................................................................................................. 388<br />

VI. EUROPÄISCHE INTEGRATION UND SOZIALE KOMMUNIKATION/MEDIEN-<br />

WESEN ........................................................................................................................... 388<br />

1. In Deutschland ........................................................................................................ 388<br />

2. Auf EU-Ebene ........................................................................................................ 389<br />

a) Allgemeines ............................................................................................................ 389<br />

b) Fernsehwerbung ..................................................................................................... 389<br />

c) Prog<strong>ra</strong>mmauswahl .................................................................................................. 390<br />

3. Zusammenfassung .................................................................................................. 391<br />

VII. EUROPÄISCHE INTEGRATION UND RELIGIÖS-WELTANSCHAULICHER<br />

MEINUNGSPLURALISMUS ..................................................................................................... 392<br />

1. In Deutschland ........................................................................................................ 392<br />

2. Auf EU-Ebene ........................................................................................................ 392


a) Neut<strong>ra</strong>lität <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft gegenüber Kirchen und Religionsgemein-<br />

schaften ................................................................................................................... 393<br />

b) Einflußnahmemöglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ..................................................... 393<br />

aa) Warn- bzw. Einschreitpflicht ......................................................................... 393<br />

bb) Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Einflußnahme ............................................................................. 394<br />

3. Zusammenfassung .................................................................................................. 394<br />

L. GEMEINSCHAFTSRECHTLICHE SONDERSTELLUNG FÜR<br />

KIRCHEN UND RELIGIONSGEMEINSCHAFTEN .............................................. 396<br />

I. EXEMTION FÜR DAS RELIGIONSRECHT .............................................................................. 396<br />

1. Bereichsausnahme aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s ...................... 396<br />

2. Bereichsausnahme für das <strong>Religionsrecht</strong> <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht ........................ 397<br />

a) Kirchenerklärung .................................................................................................... 397<br />

b) Sonstiges Gemeinschaftsrecht ................................................................................ 397<br />

II. BERÜCKSICHTIGUNG RELIGIONSRECHTLICHER BELANGE DURCH ANER-<br />

KENNUNG EINES SELBSTBESTIMMUNGSRECHTS DER KIRCHEN UND RELI-<br />

GIONSGEMEINSCHAFTEN ................................................................................................. 397<br />

1. Ansätze eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaf-<br />

ten <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht ..................................................................................... 398<br />

a) Pr<strong>im</strong>äres Gemeinschaftsrecht ................................................................................. 398<br />

b) Sekundäres Gemeinschaftsrecht ............................................................................. 398<br />

2. Gemeinsame Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

gemäß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV .................................................................... 399<br />

a) Bereich <strong>de</strong>s Kultus bzw. innerkirchlicher Angelegenheiten .................................. 399<br />

aa) Rechtsvergleichen<strong>de</strong> Untersuchung ............................................................... 399<br />

bb) Ergebnis .......................................................................................................... 401<br />

b) Allgemeineres Dienst- und Arbeitsrecht ................................................................ 403<br />

aa) Rechtsvergleichen<strong>de</strong> Untersuchung ............................................................... 403<br />

bb) Ergebnis .......................................................................................................... 407<br />

3. Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV i.V.m. Art. 9 EMRK .............................................. 410<br />

a) Bleckmanns Theorie vom Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen durch<br />

Rechtsvergleichung i.R.d. Art. 9 EMRK ................................................................ 410<br />

b) Würdigung und Kritik ............................................................................................ 411<br />

III. UMFANG DES SELBSTBESTIMMUNGSRECHTS DER RELIGIONSGEMEIN-<br />

SCHAFTEN ..................................................................................................................... 413<br />

1. <strong>Religionsrecht</strong>liche Strukturen i.e.S. ...................................................................... 413<br />

2. <strong>Religionsrecht</strong>liche Strukturen i.w.S. ..................................................................... 413<br />

IV. ZUSAMMENFASSUNG ..................................................................................................... 414<br />

M. RECHTSSCHUTZMÖGLICHKEITEN FÜR RELIGIONSGEMEIN-<br />

SCHAFTEN UND INDIVIDUEN ................................................................................ 415<br />

I. RECHTSSCHUTZ I.R.D. GEMEINSCHAFTSRECHTS ............................................................... 415<br />

1. Rechtsschutz gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane .................................... 415<br />

a) Verfahren vor <strong>de</strong>m EuGH ...................................................................................... 415


aa) Nichtigkeitsklage ............................................................................................ 415<br />

(1) Nichtigkeitsgrün<strong>de</strong> ........................................................................................ 415<br />

(i) „Unzuständigkeit“ ................................................................................... 415<br />

(a) Äußere Unzuständigkeit ...................................................................... 415<br />

(b) Innere Unzuständigkeit ....................................................................... 416<br />

(ii) „Verletzung dieses Vert<strong>ra</strong>gs o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer bei seiner Durchführung<br />

anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Rechtsnorm“ ................................................................. 416<br />

(2) Klagelegit<strong>im</strong>ation ......................................................................................... 416<br />

(3) Klagegegenstand ........................................................................................... 417<br />

(4) Klagebefugnis ............................................................................................... 417<br />

(i) Klagebefugnis bei einer an <strong>de</strong>n Kläger gerichteten Entscheidung .......... 417<br />

(ii) Klagebefugnis bei einer an eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Person gerichteten Ent-<br />

scheidung, die <strong>de</strong>n Kläger unmittelbar und individuell betrifft .............. 417<br />

(iii) Den Kläger unmittelbar und individuell betreffen<strong>de</strong> Verord-<br />

nungen .................................................................................................... 418<br />

(iv) Klagebefugnis gegen Richtlinien? .......................................................... 419<br />

(5) Klagefrist ...................................................................................................... 419<br />

bb) Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahren ........................................................................ 419<br />

(1) Regelungszweck ........................................................................................... 419<br />

(2) Vorlageberechtigung und Vorlageverpflichtung .......................................... 420<br />

(3) Ausnahmen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorlagepflicht .............................................................. 420<br />

(4) Möglichkeiten bei Nichtvorlage ................................................................... 420<br />

(5) Gerichtsbegriff i.S.d. Art. 234 (ex-Art. 177) EGV ....................................... 420<br />

cc) Rechtsfolgen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit ........................................ 422<br />

(1) Vor<strong>ra</strong>ng <strong><strong>de</strong>r</strong> grundrechtskonformen Auslegung ........................................... 422<br />

(2) Nichtigkeit bzw. Ungültigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsnorm ............................... 422<br />

(3) Scha<strong>de</strong>nsersatzanspruch gegen die Gemeinschaft ........................................ 422<br />

b) Verfahren vor <strong>de</strong>m BVerfG .................................................................................... 423<br />

aa) Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> ................................................................................. 423<br />

bb) Konkrete Normenkontrolle............................................................................. 423<br />

c) Verfahren vor <strong>de</strong>m EGMR ..................................................................................... 424<br />

2. Rechtsschutz gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten .............................................. 424<br />

a) Verfahren vor <strong>de</strong>m EuGH ...................................................................................... 424<br />

aa) Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahren ........................................................................ 424<br />

(1) Vo<strong>ra</strong>ussetzungen ........................................................................................... 424<br />

(2) Rechtsfolgen ................................................................................................. 424<br />

bb) Ant<strong>ra</strong>g bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission auf Einleitung eines Vert<strong>ra</strong>gsverletzungs-<br />

verfahrens ....................................................................................................... 425<br />

b) Verfahren vor <strong>de</strong>m BVerfG .................................................................................... 425<br />

aa) Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> ................................................................................. 425<br />

bb) Konkrete Normenkontrolle............................................................................. 425<br />

c) Verfahren vor <strong>de</strong>m EGMR ..................................................................................... 426<br />

aa) Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Rechtsschutzsystems <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK ............................................ 426<br />

bb) Statthafter Rechtsbehelf ................................................................................. 426<br />

cc) Beschwer<strong>de</strong>befugnis ....................................................................................... 426<br />

dd) Weiteres Verfahren ......................................................................................... 426<br />

ee) <strong>Das</strong> Verhältnis von Art. 9 EMRK zu abgeleitetem Gemeinschafts-<br />

recht ................................................................................................................ 427<br />

d) Verfahren vor <strong>de</strong>m IGH .......................................................................................... 427


3. Rechtsschutz von Individuen gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften ........................................................................................ 428<br />

a) Innerkirchliche Gerichtsbarkeit .............................................................................. 428<br />

b) Verwaltungsgerichtsbarkeit/Or<strong>de</strong>ntliche Gerichtsbarkeit ...................................... 428<br />

c) Verfahren vor <strong>de</strong>m EGMR ..................................................................................... 429<br />

II. RECHTSSCHUTZ I.R.D. UNIONSRECHTS ............................................................................ 429<br />

1. Mitgliedstaatliche Verfassungsgerichte .................................................................. 430<br />

2. EMRK-Organe ....................................................................................................... 430<br />

III. ZUSAMMENFASSUNG ...................................................................................................... 430<br />

N. SCHAFFUNG EINES EINHEITLICHEN STATUS FÜR KIRCHEN<br />

UND RELIGIONSGEMEINSCHAFTEN AUF EU-EBENE ................................... 433<br />

O. ANHANG ....................................................................................................................... 439<br />

I. AUSGEWÄHLTE BESTIMMUNGEN AUS DEM EUV .............................................................. 439<br />

1. Art. 6 (ex-Art. F) EUV ........................................................................................... 439<br />

2. Art. 7 (ex-Art. F.1) EUV ........................................................................................ 439<br />

3. Art. 46 (ex-Art. L) EUV ......................................................................................... 440<br />

4. Art. 49 (ex-Art. O) Abs. 1 EUV ............................................................................. 441<br />

II. AUSGEWÄHLTE BESTIMMUNGEN AUS DEM EGV ............................................................. 441<br />

1. Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV ......................................................................................... 441<br />

2. Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV ........................................................................................ 441<br />

3. Art. 151 (ex-Art. 128) EGV ................................................................................... 441<br />

4. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV ................................................................................... 442<br />

5. Protokoll Nr. 30 über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsi-<br />

diarität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit ...................................................................... 443<br />

6. Protokoll Nr. 33 über <strong>de</strong>n Tierschutz und das Wohlergehen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Tiere........................................................................................................................ 446<br />

III. AUSGEWÄHLTE ERKLÄRUNGEN DER SCHLUßAKTE ZUM AMSTERDAMER VERTRAG ....... 447<br />

1. Erklärung Nr. 11 zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und weltanschaulichen<br />

Gemeinschaften ...................................................................................................... 447<br />

2. Erklärung Nr. 38 zu freiwilligen Diensten ............................................................. 447<br />

IV. AUSGEWÄHLTE ERKLÄRUNGEN DER SCHLUßAKTE ZUM VERTRAG VON MAASTRICHT .. 447<br />

Erklärung Nr. 23 zur Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>n .......................... 447<br />

V. AUSGEWÄHLTE BESTIMMUNGEN AUS EMRK, IPBPR UND ERKLMR .............................. 448<br />

1. Art. 9 EMRK .......................................................................................................... 448<br />

2. Art. 14 EMRK ........................................................................................................ 449<br />

3. Art. 18 IPbpR ......................................................................................................... 449<br />

4. Art. 26 IPbpR ......................................................................................................... 449


5. Art. 27 IPbpR ......................................................................................................... 449<br />

6. Art. 2 Abs. 1 ErklMR ............................................................................................. 450<br />

7. Art. 18 ErklMR ...................................................................................................... 450<br />

ZUSAMMENFASSUNG ...................................................................................................... 387<br />

RÉSUMÉ ............................................................................................................................... 390<br />

LITERATURVERZEICHNIS ............................................................................................ 393


Abkürzungsverzeichnis<br />

a.A . an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Ansicht<br />

a.a.O. am angegebenen Ort<br />

a.E. am En<strong>de</strong><br />

a.F. alte Fassung; <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>de</strong>n Gründungsver-trägen EUV,<br />

EGV, EGKSV und EAGV sind die Text-fassungen vor <strong>de</strong>m<br />

Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g gemeint.<br />

AAS Acta Apostolicae Sedis<br />

abl. ablehnend(e, er, es)<br />

ABl. Amtsblatt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften<br />

Abh. Abhandlung<br />

Abs. Absatz<br />

AG Amtsgericht; Aktiengesellschaft<br />

AJDA Actualité Juridique/Droit Administ<strong>ra</strong>tif<br />

alemann. alemannisch(e, er, es)<br />

allg. allgemein(e, er, es)<br />

Alt. Alternative<br />

AnerkG (österr.) Gesetz betreffend die gesetzliche Anerkennung von<br />

Religionsgemeinschaften vom 20.5.1874<br />

Anm. Anmerkung(en)<br />

Annuaire Annuaire <strong>de</strong> la Convention Européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme –<br />

Commission et Cour Européennes <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme = Yearbook<br />

of the European Convention on Human Rights – The European<br />

Commission and European Court of Human Rights, Den Haag 1959<br />

ff.<br />

AnwBl Anwaltsblatt<br />

AO Abgabenordnung vom 16.3.1976 (AO 1977)<br />

AöR Archiv <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts<br />

ArbVG (österr.) Bun<strong>de</strong>sgesetz vom 14.12.1973 betreffend die<br />

Arbeitsverfassung (Arbeitsverfassungsgesetz)<br />

ArchevKR Archiv für evangelisches Kirchenrecht<br />

ArchKathKR Archiv für katholisches Kirchenrecht<br />

Art. Artikel<br />

Aufl. Auflage<br />

AV Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam vom 2.10.1997<br />

AWD Außenwirtschaftsdienst <strong>de</strong>s Betriebs-Be<strong>ra</strong>ters<br />

Az. Aktenzeichen<br />

Bad. Badisch(e, er, es)<br />

BAG Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht<br />

Bay. Bayerisch(e, er, es)<br />

BayGO Bayerische Gemein<strong>de</strong>ordnung i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek. vom 6.1.1993<br />

BayMel<strong>de</strong>G Bayerisches Gesetz über das Mel<strong>de</strong>wesen vom 24.3.1983<br />

BayObLG Bayerisches Oberstes Lan<strong>de</strong>sgericht<br />

BaySen-Drucks. Drucksache(n) <strong>de</strong>s Bayerischen Senats


BayVBl Bayerische Verwaltungsblätter<br />

BayVGH Bayerischer Verwaltungsgerichtshof<br />

BayVerfGH Bayerischer Verfassungsgerichtshof<br />

BB Betriebsbe<strong>ra</strong>ter<br />

Bd(e). Band, Bän<strong>de</strong><br />

BDSG Bun<strong>de</strong>sdatenschutzgesetz vom 20.12.1990 i.d.F. vom 27.12.1993<br />

Bek. Bekanntmachung<br />

Belg.Verf. Belgische Verfassung vom 7.2.1831 i.d.F. von 1970<br />

Beschl. Beschluß<br />

Bespr. Besprechung<br />

betr. betreffend<br />

BetrVG Betriebsverfassungsgesetz in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek. vom 23.12.1988<br />

BewG Bewertungsgesetz<br />

bez. bezüglich<br />

Bf. Beschwer<strong>de</strong>führer<br />

BFH Bun<strong>de</strong>sfinanzhof<br />

BGB Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8.1896<br />

BGB-AT Bürgerliches Gesetzbuch – Allgemeiner Teil<br />

BGBl. Bun<strong>de</strong>sgesetzblatt<br />

BGH Bun<strong>de</strong>sgerichtshof<br />

BGHZ Entscheidungen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofes in Zivilsachen<br />

BNr. Beschwer<strong>de</strong>nummer<br />

BR-Drucks. Drucksache(n) <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>tes<br />

BReg. Bun<strong>de</strong>sregierung<br />

BStBl. Bun<strong>de</strong>ssteuerblatt<br />

BT Deutscher Bun<strong>de</strong>stag<br />

BT-Drucks. Drucksache(n) <strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>stages<br />

BullBReg Bulletin <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sregierung<br />

BullEG Bulletin <strong><strong>de</strong>r</strong> EG<br />

BullEU Bulletin <strong><strong>de</strong>r</strong> EU<br />

BV Verfassung <strong>de</strong>s Freistaates Bayern<br />

BVerfG Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht<br />

BVerfGE Entscheidungen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts<br />

BVerfGG Gesetz über das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht<br />

BVerwG Bun<strong>de</strong>sverwaltungsgericht<br />

BVerwGE Entscheidungen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverwaltungsgerichts<br />

bzw. beziehungsweise<br />

ca. circa<br />

can. canon<br />

cc. canones<br />

CC. Codice Civile (ital. Zivilgesetzbuch)<br />

CCEE Consilium Conferentiarum Episcopalium Europae<br />

(Rat <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Bischofskonferenzen)<br />

CEEC Comité européen pour l’enseignement catholique (Europäisches<br />

Komitee für Katholische Erziehung)<br />

CIC/1917 Co<strong>de</strong>x Iuris Canonici vom 27.5.1917<br />

CIC/1983 Co<strong>de</strong>x Iuris Canonici vom 25.1.1983


C.M.L.R. Common Market Law Reports<br />

Cod. Co<strong>de</strong>x<br />

ComECE Commissio Episcopatuum Communitatis Europaeensis<br />

(Kommission <strong><strong>de</strong>r</strong> Bischofskonferenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Gemeinschaft)<br />

COMECON Council of Mutual Economic Assistance<br />

(Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe)<br />

Dän.Verf. Dänische Verfassung vom 5.6.1953<br />

DB Der Betrieb<br />

d.h. das heißt<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>s. <strong><strong>de</strong>r</strong>selbe<br />

dies. dieselbe(n)<br />

Diss. Dissertation<br />

DM Deutsche Mark<br />

DÖV Die Öffentliche Verwaltung<br />

DR Decisions and Reports/Décisions et Rapports (Sammlung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Entscheidungen und Berichte <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR)<br />

DSG-EKD Datenschutzgesetz <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD vom 12.11.1993<br />

DSO-EmK Datenschutzordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelisch-methodistischen Kirche vom<br />

25.10.1980<br />

DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt<br />

DZWir Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht<br />

E. Entscheidung(en)<br />

e.V. einget<strong>ra</strong>gener Verein<br />

E.L.Rev. European Law Review<br />

E.L.Rev.HR European Law Review – Human Rights Survey issue<br />

EA Europa-Archiv<br />

EAG Europäische Atomgemeinschaft (Eu<strong>ra</strong>tom)<br />

EAGV Vert<strong>ra</strong>g über die Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> EAG vom 25.3.1957<br />

EBRG Gesetz über europäische Betriebsräte vom 28.10.1996<br />

ECCSEC Ecumenical Commission for Church and Society in the European<br />

Community (Ökumenische Kommission für Kirche und Gesellschaft<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft)<br />

ECHR European Convention on Human Rights<br />

EEA Einheitliche Europäische Akte vom 28.2.1986<br />

EECCS European Ecumenical Commission for Church and Society<br />

(Europäische Ökumenische Kommission für Kirche und Gesellschaft)<br />

EFTA European Free T<strong>ra</strong><strong>de</strong> Association (Europäische Freihan<strong>de</strong>lszone)<br />

EG Europäische Gemeinschaft<br />

EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl<br />

EGKSV Vert<strong>ra</strong>g über die Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> EGKS vom 18.4.1951<br />

EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte<br />

EGV Vert<strong>ra</strong>g zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft vom 25.3.1957<br />

EI EUROPE-INFOS. Hrsg. von <strong><strong>de</strong>r</strong> ComECE.<br />

Einl. Einleitung


EKD Evangelische Kirche in Deutschland<br />

EKMR Europäische Kommission für Menschenrechte<br />

EMRK Europäische Konvention zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und<br />

Grundfreiheiten vom 4.11.1950<br />

endg. endgültig<br />

engl. englisch(e, er, es)<br />

entspr. entsprechend(e, er, es)<br />

EP Europäisches Parlament<br />

EPZ Europäische Politische Zusammenarbeit<br />

ErklMR Allgemeine Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte vom 10.12.1948<br />

ERÜ Europäisches Übereinkommen über das grenzüberschreiten<strong>de</strong><br />

Fernsehen vom 5.5.1989<br />

EssGespr. Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche. Begr. von<br />

J. K<strong>ra</strong>utscheidt u. H. Marré, Münster/Westf. 1969 ff.<br />

EStG Einkommensteuergesetz vom 7.9.1990<br />

etc. et cete<strong>ra</strong><br />

EU Europäische <strong>Union</strong><br />

EuG Gericht erster Instanz <strong><strong>de</strong>r</strong> EG<br />

EUGEN Europäische Genossenschaft<br />

EuGH Gerichtshof <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften<br />

EuGRZ Europäische Grundrechte-Zeitschrift<br />

EuGVÜ Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die<br />

Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und<br />

Han<strong>de</strong>lssachen vom 27.9.1968<br />

EuR Europarecht<br />

EUV Vert<strong>ra</strong>g über die Europäische <strong>Union</strong>; Europäischer Verein<br />

EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht<br />

ev. evangelisch(e, er, es)<br />

ev.-luth. evangelisch-lutherisch(e, er, es)<br />

EVG Europäische Verteidigungsgemeinschaft<br />

EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft<br />

EWGV Vert<strong>ra</strong>g zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.3.1957<br />

EWIV Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung<br />

EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht<br />

ex-Art. ex-Artikel (= Artikelbezeichnung <strong>im</strong> EUV und EGV vor <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g<br />

von Amsterdam)<br />

EZB Europäische Zent<strong>ra</strong>lbank<br />

f. folgen<strong>de</strong> (Seite)<br />

FAZ F<strong>ra</strong>nkfurter Allgemeine Zeitung<br />

ff. folgen<strong>de</strong> (Seiten)<br />

Finn.Verf. Finnische Verfassung vom 17.7.1919<br />

f<strong>ra</strong>nz. f<strong>ra</strong>nzösisch(e, er, es)<br />

F<strong>ra</strong>nz.Verf. F<strong>ra</strong>nzösische Verfassung vom 4.10.1958<br />

Fn. Fußnote(n)<br />

Frhr. Freiherr


FS Festschrift<br />

GA Gene<strong>ra</strong>lanwalt<br />

GASP Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />

GewO Gewerbeordnung i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek. vom 1.1.1987<br />

GG Grundgesetz für die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />

vom 23.5.1949<br />

ggf. gegebenenfalls<br />

ggü . gegenüber<br />

GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />

grds. grundsätzlich<br />

Griech.Verf. Griechische Verfassung vom 11.6.1975<br />

GrO Grundordnung <strong>de</strong>s kirchlichen Dienstes <strong>im</strong> Rahmen kirchlicher<br />

Arbeitsverhältnisse vom 22.9.1993 (kath.)<br />

GS Gedächtnisschrift<br />

GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek.<br />

vom 20.2.1990<br />

h.L. herrschen<strong>de</strong> Lehre<br />

h.M . herrschen<strong>de</strong> Meinung<br />

Handkom. Handkommentar zum Vert<strong>ra</strong>g über die Europäische <strong>Union</strong><br />

EUV/EGV (EUV/EGV). Hrsg. von K. Hailbronner, E. Klein, S. Magie<strong>ra</strong> u. P.-C.<br />

Müller-G<strong>ra</strong>ff, 2 B<strong>de</strong>., Loseblatt-sammlung, Köln – Berlin – Bonn –<br />

München 1991 ff.<br />

Hbbd. Halbband<br />

HdbBayStKirchR Handbuch <strong>de</strong>s Bayerischen Staatskirchenrechts. Hrsg. von O. J. Voll<br />

unter Mitwirkung von J. Störle, München 1985<br />

Hdb.EU-Wirt- Handbuch <strong>de</strong>s EU-Wirtschaftsrechts. Hrsg. von M.A.<br />

schaftsR Dauses, 2 B<strong>de</strong>., Loseblattsammlung, München 1993 ff.<br />

HdbStKirchR Handbuch <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland,<br />

hrsg. von J. Listl u. D. Pirson, 2. Aufl., 2 B<strong>de</strong>, Berlin 1994 – 1995.<br />

HK Her<strong><strong>de</strong>r</strong>-Korrespon<strong>de</strong>nz<br />

Hl. Stuhl Heiliger Stuhl<br />

HRG Handbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte<br />

Hrsg., hrsg. He<strong>ra</strong>usgeber, he<strong>ra</strong>usgegeben<br />

HS Halbsatz<br />

HStR Handbuch <strong>de</strong>s Staatsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland.<br />

Hrsg. von J. Isensee u. P. Kirchhof, Hei<strong>de</strong>lberg 1987 ff.<br />

ICL International and Compa<strong>ra</strong>tive Law<br />

i.d.F in <strong><strong>de</strong>r</strong> Fassung<br />

i.d.R. in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel<br />

i.e.S. <strong>im</strong> engeren Sinne<br />

IGH Internationaler Gerichtshof<br />

Irl.Verf. Verfassung Irlands vom 1.7.1937<br />

i.R.d. <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s (<strong><strong>de</strong>r</strong>)


i.S.d. <strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>s (<strong><strong>de</strong>r</strong>)<br />

i.S.v. <strong>im</strong> Sinne von<br />

ital. italienisch(e, es, er)<br />

Ital.Verf. Italienische Verfassung vom 22.12.1947<br />

i.V.m. in Verbindung mit<br />

i.w.S. <strong>im</strong> weiteren Sinne<br />

IPbpR Internationaler Pakt über bürgerliche und politische<br />

Rechte vom 19.12.1966<br />

IRPEF <strong>im</strong>posta sul reddito <strong>de</strong>lle persone fisiche<br />

(ital. Einkommensteuer)<br />

ISDN Integ<strong>ra</strong>ted Services Digital Network<br />

JA Juristische Arbeitsblätter<br />

Jg. Jahrgang<br />

Jh. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

Joh. Johannesevangelium<br />

Ju<strong>ra</strong> Juristische Ausbildung<br />

JuS Juristische Schulung<br />

JW Juristische Wochenschrift (1872 – 1939)<br />

JZ Juristenzeitung<br />

K.d.ö.R. Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts<br />

kath. katholisch(e, er, es)<br />

KDO Anordnung über <strong>de</strong>n kirchlichen Datenschutz<br />

vom 22.11.1993 (kath. Datenschutzgesetz)<br />

KEK Konferenz Europäischer Kirchen<br />

KG Kommanditgesellschaft<br />

KiDSG Kirchengesetz über <strong>de</strong>n Datenschutz <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD<br />

vom 10.11.1977 (evangelisches Datenschutzgesetz)<br />

kirchl. kirchlich(e, er, es)<br />

KiSt Kirchensteuer<br />

KOM Dokumente <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften<br />

Kor. Korintherbrief<br />

KSchG Kündigungsschutzgesetz i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek.<br />

vom 25.8.1969<br />

KStG Körperschaftsteuergesetz i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek. vom 11.3.1991<br />

KSZE Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa;<br />

Schlußakte vom 1.8.1975<br />

KultgutSiG Kulturgutsicherungsgesetz vom 25.9.1998<br />

KultgSchG Gesetz zum Schutz <strong>de</strong>utschen Kulturgutes gegen<br />

Abwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ung vom 6.8.1995 i.d.F. vom 23.9.1990<br />

KuR Kirche und Recht<br />

LG Landgericht<br />

lit. lite<strong>ra</strong>


LS Leitsatz<br />

lt. laut<br />

Lux.Verf. Luxemburgische Verfassung vom 17.10.1868<br />

LThK<br />

Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Aufl., Freiburg i. Br.<br />

1993 ff.<br />

m.E. meines E<strong>ra</strong>chtens<br />

m.w.N. mit weiteren Nachweisen<br />

MAVO Mitarbeitervertretungsordnung vom 25.11.1985 (kath.)<br />

MD Materialdienst <strong>de</strong>s Konfessionskundlichen Instituts<br />

Benshe<strong>im</strong><br />

Mio. Million(en)<br />

MitbestG Mitbest<strong>im</strong>mungsgesetz vom 4.5.1976<br />

mittelhochdt. mittelhoch<strong>de</strong>utsch(e, er, es)<br />

Mk. Markusevangelium<br />

Mrd. Milliar<strong>de</strong>(n)<br />

MRRG Mel<strong><strong>de</strong>r</strong>echts<strong>ra</strong>hmengesetz i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek. vom 24.6.1994<br />

Mt. Matthäusevangelium<br />

MVG Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Evangelischen Kirche in Deutschland vom 6.11.1992<br />

(Mitarbeitervertretungsgesetz; MVG)<br />

MwSt Mehrwertsteuer<br />

n.Chr. nach Christus<br />

n.F. neue Fassung; <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>de</strong>n Gründungsverträgen<br />

EUV, EGV, EGKSV und EAGV sind die Neufassungen<br />

aufgrund <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>ges gemeint<br />

NATO North Atlantic Treaty Organization; Nordatlantikpakt<br />

NGO non-governmental organization<br />

Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>l.Verf. Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländische Verfassung vom 17.2.1983<br />

NJ Neue Justiz<br />

NJW Neue Juristische Wochenschrift<br />

NJW-CoR Neue Juristische Wochenschrift Computer-Report<br />

NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report<br />

Nr(n). Nummer(n)<br />

NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht<br />

NVwZ-RR Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht –<br />

Rechtsprechungsreport<br />

NWVBl. Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter<br />

o.ä. o<strong><strong>de</strong>r</strong> ähnlich(e, er, es)<br />

o.g. oben genannt(e, er, es)<br />

ÖAKR Österreichisches Archiv für Kirchenrecht<br />

OCIPE Office catholique d’Information sur les Problèmes<br />

Européens


OECD Organization for Economic Co-ope<strong>ra</strong>tion and Development<br />

(Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />

Entwicklung)<br />

OHG Offene Han<strong>de</strong>lsgesellschaft<br />

OLG Oberlan<strong>de</strong>sgericht<br />

ÖRK Ökumenischer Rat <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />

österr. österreichisch(e, er, es)<br />

Österr.Verf. Österreichische Verfassung vom 1.10.1920 i.d.F. von 1929<br />

OSZE Organisation über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (seit<br />

1.1.1995)<br />

OVG Oberverwaltungsgericht<br />

PNP Passauer Neue Presse<br />

Port.Verf. Portugiesische Verfassung vom 2.4.1976<br />

Preuß. Preußisch(e, er, es)<br />

Rdnr(n). Randnummer(n)<br />

RGBl. Reichsgesetzblatt<br />

RIW Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> internationalen Wirtschaft<br />

RelG Bun<strong>de</strong>sgesetz <strong><strong>de</strong>r</strong> Russischen Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ation „über die Freiheit<br />

<strong>de</strong>s Gewissens und religiösen Vereinigungen“<br />

vom 19.9.1997 (Religionsgesetz)<br />

RelUG (österr.) Bun<strong>de</strong>sgesetz vom 13.7.1949 betreffend <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule (Religionsunterrichtsgesetz)<br />

RGG Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch<br />

für Theologie und Religionswissenschaft (RGG), hrsg.<br />

von Hans Freiherr v. Campenhausen, Erich Dinkler,<br />

Gerhard Gloege, Knut E. Løgstrup, B<strong>de</strong>. 3 u. 6, Tübingen<br />

1959/1962.<br />

RL Richtlinie(n)<br />

RM Rheinischer Merkur<br />

röm.-kath. römisch-katholisch(e, er, es)<br />

Rs. Rechtssache<br />

Rspr. Rechtsprechung<br />

Rz. Randziffer<br />

S. Satz, Sätze; Seite(n)<br />

s.o. siehe oben<br />

s.u. siehe unten<br />

schwed. schwedisch(e, er, es)<br />

Schwed.Verf. Schwedische Verfassung vom 1.1.1975<br />

SdZ St<strong>im</strong>men <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit<br />

SEK Dokumente <strong>de</strong>s Gene<strong>ra</strong>lsekretariats <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften<br />

SGB IV Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialversicherung –<br />

vom 23.12.1976


SIS Schengener Informations-System<br />

Slg. Sammlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH<br />

sog. sogenannt(e, er, es)<br />

Sp. Spalte<br />

span. spanisch(e, er, es)<br />

Span.Verf. Spanische Verfassung vom 27.12.1978, i.d.F.<br />

vom 27.8.1992<br />

st. Rspr. ständige Rechtsprechung<br />

StGG (österr.) Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte<br />

StL<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsbürger vom 21.12.1867<br />

Staatslexikon. Recht, Wirtschaft, Gesellschaft. Hrsg. von <strong><strong>de</strong>r</strong> Görres-<br />

Gesellschaft. 7. Aufl., 7 B<strong>de</strong>., Freiburg i. Br., Basel, Wien 1985-1993<br />

StPO St<strong>ra</strong>fprozeßordnung i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek. vom 7.4.1987<br />

str. streitig<br />

Teilbd(e) Teilband, Teilbän<strong>de</strong><br />

TierSchG Tierschutzgesetz i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek. vom 17.2.1993<br />

u. und<br />

u.a. unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em<br />

UAbs. Unte<strong>ra</strong>bsatz<br />

u.U. unter Umstän<strong>de</strong>n<br />

UNO United Nations Organization<br />

Urt. Urteil<br />

USA United States of America<br />

usw. und so weiter<br />

v. vom, von<br />

v.a. vor allem<br />

VEF Vereinigung Evangelischer Freikirchen<br />

verb. Rs. verbun<strong>de</strong>ne Rechtssachen<br />

Verf. Verfassung<br />

VG Verwaltungsgericht<br />

VGH Verwaltungsgerichtshof<br />

vgl. vergleiche<br />

VO Verordnung<br />

Vol. Volume(n)<br />

VR Volksrepublik<br />

VVDStRL Veröffentlichungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Staatsrechtslehrer<br />

VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25.5.1976<br />

WEU Westeuropäische <strong>Union</strong><br />

WiB Wirtschaftsrechtliche Be<strong>ra</strong>tung<br />

WiRO Wirtschaft und Recht in Osteuropa


WRV Verfassung <strong>de</strong>s Deutschen Reichs vom 11.8.1919 (We<strong>im</strong>arer<br />

Reichsverfassung)<br />

z.B. zum Beispiel<br />

z.T. zum Teil<br />

ZaöRV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht<br />

ZBJI Zusammenarbeit in <strong>de</strong>n Bereichen Justiz und Inneres<br />

ZEuS Zeitschrift für Europarechtliche Studien<br />

ZevKR Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht<br />

ZfRV (österr.) Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht<br />

und Europarecht<br />

ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht<br />

ZHR Zeitschrift für das gesamte Han<strong>de</strong>ls- und Wirtschaftsrecht<br />

Ziff. Ziffer(n)<br />

ZÖR (österr.) Zeitschrift für öffentliches Recht<br />

ZP Zusatzprotokoll<br />

ZPO Zivilprozeßordnung<br />

ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik<br />

ZThG Zeitschrift für Theologie und Gemein<strong>de</strong><br />

zust. zust<strong>im</strong>mend(e, er, es)<br />

zutr. zutreffend(e, er, es)


A. Einleitung<br />

Nahezu unbemerkt von <strong><strong>de</strong>r</strong> Weltöffentlichkeit hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Übergang in das neue Jahrtausend ein<br />

großes Jubiläum mit sich geb<strong>ra</strong>cht: 2000 Jahre Christentum. In dieser Ä<strong>ra</strong>, die astrologisch<br />

unter <strong>de</strong>m Aszen<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>s Fisches 1 stand, haben christlicher Glaube und christliche Kirchen<br />

– neben wichtigen Einflüssen <strong>de</strong>s Islam und <strong>de</strong>s Ju<strong>de</strong>ntums – Europa nach <strong><strong>de</strong>r</strong> „konstantinischen<br />

Wen<strong>de</strong>“ 2 sein spezifisches Gepräge gegeben; 3 zu Recht konnte man ab dieser Zeit<br />

vom „christlichen Abendland“ sprechen, obschon <strong>im</strong> Namen <strong>de</strong>s Kreuzes bisweilen auch<br />

abscheuliche Verbrechen begangen wur<strong>de</strong>n, die mitunter auf eine unheilige Allianz zwischen<br />

christlicher Kirche und weltlicher Macht zurückgeführt wer<strong>de</strong>n können. 4 Gleichwohl ist mit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Geschichte untrennbar die Vorstellung verbun<strong>de</strong>n, daß je<strong>de</strong> Person einen ihr<br />

innewohnen<strong>de</strong>n Wert und unveräußerliche Rechte besitzt, die Menschenrechte. 5<br />

1<br />

Dies ist insofern bemerkenswert, als das christliche Erkennungszeichen <strong>de</strong>s Fisches (griech.<br />

ICHTHUS) auf ein Akrostichon aus <strong>de</strong>n ersten Buchstaben <strong><strong>de</strong>r</strong> griechischen Wörter Iesous<br />

CHristos THeou Uios Soter (Jesus Christus Gottes Sohn, Retter) zurückgeht, vgl. Handbuch/Hemer,<br />

Archäologische Erhellung <strong>de</strong>s frühen Christentums, Wuppertal 1979, S. 57.<br />

1<br />

Während<br />

sowohl das antike griechische als auch das römische Recht einer Person als solcher noch<br />

keinen Wert be<strong>im</strong>aßen, ist die Anerkennung einer je<strong>de</strong>m Menschen inhärenten<br />

2 Vgl. hierzu Zippelius, Staat und Kirche – Eine Geschichte von <strong><strong>de</strong>r</strong> Antike bis zur Gegen-<br />

wart, München 1997, S. 20 ff.<br />

3 Vgl. z.B. Göbel, Der Beit<strong>ra</strong>g <strong>de</strong>s kanonischen Rechts zur europäischen Rechtskultur,<br />

ArchkathKR (159) 1990, S. 19 ff.; Landau, Der Einfluß <strong>de</strong>s kanonischen Rechts auf die<br />

europäische Rechtskultur, in: Schulze (Hrsg.), Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte<br />

– Ergebnisse und Perspektiven <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung, Berlin 1991, S. 39 ff.; Leisching,<br />

Neuzeitliche Strukturen <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehungen zwischen Staat und Kirche in Europa, in: Puza/<br />

Kustermann (Hrsg.), Staatliches <strong>Religionsrecht</strong> <strong>im</strong> europäischen Vergleich, Freiburg<br />

(Schweiz) 1993, S. 19 ff.; Rodé, Kirche und Staat in <strong>de</strong>n ersten christlichen Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ten,<br />

in: Weiler/Laun (Hrsg.), Die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehung zwischen Kirche und Staat <strong>im</strong><br />

Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Kultur und ihre Be<strong>de</strong>utung für die rechtliche und<br />

politische Kultur in Vergangenheit und Zukunft, Wien 1991, S. 4 ff., 7 ff.<br />

4 <strong>Das</strong> mutige „Mea Culpa“ <strong>de</strong>s Papstes Johannes Paul II vom 12.3.2000, abgedruckt <strong>im</strong><br />

vollen Wortlaut in: PNP Nr. 60 vom 13. März 2000, S. 2, spricht einige Verfehlungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

katholischen Kirche in ihrer 2000-jährigen Geschichte offen an.<br />

5 Ce<strong>de</strong>, Grundrechte und Europa, in: Österreichische Juristenkommission (Hrsg.), S. 153 ff.;<br />

dieser <strong>de</strong>finiert Grundrechte generell als diejenigen Menschenrechte, die in nationalen<br />

Verfassungen enthalten und mit einem effektiven Rechtsschutzsystem ausgestattet sind, vgl.<br />

Ce<strong>de</strong>, a.a.O., S. 154.


2<br />

Menschenwür<strong>de</strong> vor allem Errungenschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> christlich-abendländischen Kultur, namentlich<br />

<strong>de</strong>s Dominikaners F<strong>ra</strong>ncisco <strong>de</strong> Vitoria (1492 – 1546), <strong><strong>de</strong>r</strong> sie aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Gottesebenbildlichkeit<br />

<strong>de</strong>s Menschen ableitete. 6 Die Abschaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sklaverei 7 beruht <strong>im</strong> übrigen ebenso wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schutz je<strong>de</strong>n menschlichen Lebens 8<br />

auf wichtigen Grundsätzen christlicher Soziallehre. Auch<br />

6 Hattenhauer, Europäische Rechtsgeschichte, 2. Aufl., Hei<strong>de</strong>lberg 1994, S. 353 f. Philosophisch-humanistische<br />

Einflüsse waren an <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte<br />

gleichfalls in maßgeblichem Umfang beteiligt, vgl. Honecker, Kirchen und Menschenrechte,<br />

MD 1998, S. 103 ff., 104. So seien an dieser Stelle nur das Wirken <strong>de</strong>s Christian<br />

Thomasius (1655 – 1728) gegen Folter und Hexenprozesse sowie die frühen Menschenrechtserklärungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> ehemals aufgrund ihres Glaubens verfolgten Auswan<strong><strong>de</strong>r</strong>er in<br />

Nordamerika erwähnt, vgl. Erwin Fischer, Trennung von Staat und Kirche – Die<br />

Gefährdung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religions- und Weltanschauungsfreiheit in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik, 3. Aufl.,<br />

F<strong>ra</strong>nkfurt a. M. 1984, S. 24 f. In zeitlicher Abfolge bet<strong>ra</strong>chtet muß als Wiege <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Menschenrechtsdiskussion als historisch gesicherter Befund das christliche Gedankengut<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong>ago <strong>de</strong>i angesehen wer<strong>de</strong>n, wobei die Menschenrechtsi<strong>de</strong>e dann aber in einem<br />

Säkularisierungsprozeß vom Humanismus und <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufklärung weiterentwickelt wur<strong>de</strong>, vgl.<br />

K<strong>im</strong>minich, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. (27) 1993, S. 30 f.; Kirchhof, Die Ga<strong>ra</strong>ntie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Menschenwür<strong>de</strong> als Ausdruck gegenwärtiger Rechtskultur, KuR 110, S. 53 ff., 54; Starck,<br />

Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. (27) 1993, S. 24 f.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., <strong>Das</strong> Christentum und die Kirchen<br />

in ihrer Be<strong>de</strong>utung für die I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> und ihrer Mitgliedstaaten,<br />

EssGespr. (31) 1997, S. 5 ff., 16 ff. m.w.N.<br />

Nicht verschweigen darf man jedoch, daß die offizielle Lehrmeinung <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen<br />

Kirche noch bis Anfang <strong>de</strong>s 20. Jh. Menschenrechte als „zügellose Freiheitslehren“<br />

verwarf, ehe sie – angesichts <strong>de</strong>s staatlichen Totalitarismus – die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Menschenrechte und <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit für sich selbst ent<strong>de</strong>ckte, vgl. Rüthers,<br />

Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. (27) 1993, S. 26, sowie die Nachweise bei Honecker,<br />

a.a.O., S. 104 f.; Brieskorn, Menschenrechte und Kirche, SdZ 1999, S. 3 ff., 7 ff.<br />

Äußerungen wie von Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch am 2.5.1987 in<br />

Deutschland: „Gottesrechte und Menschenrechte stehen und fallen miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong>.“, vgl.<br />

Klecatsky, Die Kirche und <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechtsstaat, in: Weiler/Laun (Hrsg.), Fn. 3, S. 23<br />

ff., 25, fußen daher nicht auf langwähren<strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlicher T<strong>ra</strong>dition. Erst die Erklärung über<br />

die Religionsfreiheit dignitatis humanae, die auf <strong>de</strong>m Zweiten Vatikanum am 7. Dezember<br />

1965 verkün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, legte dogmatisch das Fundament für die heutige Sichtweise <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche. Die Erklärung ist abgedruckt bei<br />

Rahner/Vorgr<strong>im</strong>ler, Kleines Konzilskompendium – Sämtliche Texte <strong>de</strong>s Zweiten<br />

Vatikanums, 23. Aufl. 1991, Freiburg <strong>im</strong> Breisgau 1966, S. 661 – 675.<br />

7<br />

Vgl. nur Lean, Wilberforce – Lehrstück christlich-sozialer Reform, Gießen – Basel 1974,<br />

S. 17 ff.<br />

8<br />

Hattenhauer, Fn. 6, S. 696.


war das Christentum maßgeblich an <strong><strong>de</strong>r</strong> He<strong>ra</strong>usbildung eines europäischen Bewußtseins<br />

beteiligt: So bezeichneten sich die christlichen Völkerschaften erstmals in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlacht von<br />

Tours und Poitiers <strong>im</strong> Jahre 732 n.Chr. <strong>im</strong> Kampf gegen die islamischen A<strong>ra</strong>ber als<br />

„Europäer“. 9<br />

Wen<strong>de</strong>t man <strong>de</strong>n Blick von dieser Vergangenheit, in welcher je<strong><strong>de</strong>r</strong> europäische Territorialstaat<br />

mit einer o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehreren christlichen Kirchen eng, oftmals untrennbar miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> verwoben<br />

war, hin zur Gegenwart, so ist einerseits – und dies nicht erst mit <strong>de</strong>m Eintritt in die 3. Stufe<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschafts- und Währungsunion – die wachsen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> mit<br />

ihren sup<strong>ra</strong>nationalen 10 Elementen offenkundig. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits besitzen christliche Kirchen in<br />

Europa als „Werteproduzent“ 11 längst keine Monopolstellung mehr; die Entwicklung zu einer<br />

multireligiösen Gesellschaft scheint unumkehrbar. Haben christliche Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

auch <strong>im</strong> fortwähren<strong>de</strong>n „Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung einer <strong>im</strong>mer engeren <strong>Union</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Völker Europas“ 12 noch Zukunft? 13<br />

Die Beantwortung dieser F<strong>ra</strong>ge hängt <strong>im</strong> wesentlichen von zwei Faktoren ab: In erster Linie<br />

ist innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> zunehmend individualistischen und gleichzeitig plu<strong>ra</strong>listischen europäischen<br />

Gesellschaft eine künftige positive Akzeptanz <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und <strong>de</strong>s christlichen Glaubens von<br />

entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung. Die Augen dürfen nicht davor verschlossen wer<strong>de</strong>n, daß in<br />

Gesamteuropa 14 seit mehreren Jahrzehnten eine schleichen<strong>de</strong>, aber kontinuierliche Entchristianisierung<br />

um sich greift, die sich in leeren Gotteshäusern, Kirchenaustritten sowie <strong>de</strong>m<br />

Verlust christlich-ethischer Werte innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft manifestiert. 15<br />

<strong>Das</strong> Menetekel<br />

9<br />

Vgl. K<strong>im</strong>minich, Europa als (geistes-)geschichtliche Erscheinung und politische Aufgabe,<br />

in: EssGespr. (27) 1993, S. 6 ff., 12 f.<br />

10<br />

F<strong>ra</strong>nz.: überstaatlich; vgl. zum Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Sup<strong>ra</strong>nationalität: Breitenmoser, Die Europäische<br />

<strong>Union</strong> zwischen Völkerrecht und Staatsrecht, ZaöRV 55 (1995), S. 951 ff., 972 ff.<br />

11<br />

Riedlaicher, PNP Nr. 260 vom 11.11.1996, S. 3.<br />

12<br />

Präambel <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>gs, 12. Erwägungsgrund.<br />

13<br />

Kissling, in: Loretan (Hrsg.), Kirche – Staat <strong>im</strong> Umbruch. Neuere Entwicklungen <strong>im</strong><br />

Verhältnis von Kirchen und an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften zum Staat, Zürich 1995,<br />

S. 141 ff., geht <strong><strong>de</strong>r</strong> hypothetischen, gleichwohl aber provokativen F<strong>ra</strong>ge nach: „Was wäre,<br />

wenn es die Kirchen nicht mehr gäbe?“; ähnlich: Lübbe, <strong>Das</strong> Christentum, die Kirchen und<br />

die europäische Einigung, EssGespr. (31) 1997, S. 107.<br />

14<br />

Ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch in <strong>de</strong>n osteuropäischen Staaten, die als Beitrittskandidaten vor <strong>de</strong>n Türen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EU stehen, herrscht ein virulenter Werteverfall und eine damit einhergehen<strong>de</strong> Sinnkrise,<br />

vgl. Boda, Die Kirche in Mittelosteuropa und die Zukunft Europas, in: Weiler/Laun (Hrsg.),<br />

Fn. 3, S. 93 ff., 95 f.<br />

15<br />

Vgl. SPIEGEL-Umf<strong>ra</strong>ge: Was glauben die Deutschen, in: Abschied von Gott. DER<br />

SPIEGEL Nr. 25/1992, S. 36 ff.<br />

3


4<br />

<strong>de</strong>s 1984 verstorbenen katholischen Theologen Karl Rahner vom künftigen Deutschland als<br />

einem „heidnischen Land mit christlicher Vergangenheit und christlichen Restbestän<strong>de</strong>n“ 16<br />

kann ohne große Abstriche auf die meisten <strong><strong>de</strong>r</strong> übrigen Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

<strong>Union</strong> übert<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n. Ein Grund hierfür mag in einer je<strong>de</strong> Fremdbest<strong>im</strong>mung durch<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Autoritäten ablehnen<strong>de</strong>n Zeitströmung liegen; mit Sicherheit können als Ursachen<br />

auch eine interne Reformscheu entgegen <strong>de</strong>m reformatorischen Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> ecclesia semper<br />

reformanda sowie ein unatt<strong>ra</strong>ktiv vorgelebtes Christsein seitens vieler aktiver Kirchgänger<br />

lokalisiert wer<strong>de</strong>n.<br />

In zweiter Linie wird für die Zukunft christlicher Kirchen und Religionsgemeinschaften von<br />

Be<strong>de</strong>utung sein, welcher Rahmen ihnen durch die Europäische <strong>Union</strong> gesteckt wird.<br />

Maßgeblich ist hier <strong><strong>de</strong>r</strong> Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen Religionsfreiheit in gleicher Weise wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schutz eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts kirchlicher Institutionen durch <strong>de</strong>n Staatenverbund. 17<br />

Der <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> stün<strong>de</strong> es nicht gut zu Gesicht, die „über<strong>ra</strong>gen<strong>de</strong> Prägek<strong>ra</strong>ft“ 18 <strong>de</strong>s<br />

Christentums als antiquierte Belanglosigkeit beiseite zu schieben, um sich vermeintlich<br />

vordringlicheren Themen besser widmen zu können. Eine nur durch eine gemeinsame Politik,<br />

Währung und Wirtschaft zusammengehaltene <strong>Union</strong> wiese eine <strong>de</strong>utliche Schieflage auf. Die<br />

in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten weitverbreitete Ablehnung <strong><strong>de</strong>r</strong> „Brüsseler Bürok<strong>ra</strong>tie“, die durch<br />

jüngsten Rücktritt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Kommission infolge „Vetternwirtschaft“ nur geschürt<br />

wur<strong>de</strong>, hat mehr als <strong>de</strong>utlich gemacht, daß es unumgänglich ist, „Europa so etwas wie eine<br />

Seele zu geben“. 19<br />

16 Auch Bleistein, Deutschland – Missionsland? Reflexionen zur religiösen Situation,<br />

SdZ 1998, S. 399 ff., sowie Fietz, Bericht über die 30. „Essener Gespräche zum Thema<br />

Staat und Kirche“, KuR 980, S. 11, gestehen nüchtern ein, daß Deutschland wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

„Missionsland“ gewor<strong>de</strong>n sei.<br />

17 Schon früh hat Pernice, <strong>Religionsrecht</strong>liche Aspekte <strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrecht,<br />

JZ 1977, S. 777 ff., 780, die F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong> „Fortschreibung innerstaatlich gewährter<br />

,Privilegien‘ für Religionsgemeinschaften auf europäischer Ebene“ aufgeworfen. Nach<br />

längerem Stillschweigen wur<strong>de</strong> die F<strong>ra</strong>ge von Hollerbach, Europa und das Staatskirchenrecht,<br />

ZevKR 35 (1990), S. 250 ff., neu aufgegriffen und erfuhr ab Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre eine<br />

verstärkte Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung in <strong><strong>de</strong>r</strong> religionsrechtlichen Lite<strong>ra</strong>tur.<br />

18 Diese Terminologie wählte das BVerfG <strong>im</strong> „Kruzifix-Urteil“, BVerfGE 93, S. 1 ff., 22.<br />

Auch Kirchhof, Die Gewaltenbalance zwischen staatlichen und europäischen Organen,<br />

JZ 1998, S. 965, mahnt eine Rückbesinnung auf die Quellen <strong>de</strong>s Europarechts an, die aus<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen T<strong>ra</strong>dition nicht nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufklärung, <strong>de</strong>s Humanismus und <strong>de</strong>s Wirtschaftslibe<strong>ra</strong>lismus,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch <strong>de</strong>s Christentums flössen. Ähnlich: Folkers, Grundwerte<br />

in unserer Verfassung – ihr religiöser Ursprung und Gehalt, KuR 110, S. 73 ff., 74.<br />

19 Delors, Zitat bei Göckenjan, Europäische Ökumenische Kommission für Kirche und<br />

Gesellschaft (EECCS), MD 1996, S. 28 ff., 30.


Ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften können dazu beit<strong>ra</strong>gen, dieses – <strong>de</strong>m<br />

ehemaligen Kommissionspräsi<strong>de</strong>nten Jacques Delors zugeschriebene – Bonmot umzusetzen.<br />

<strong>Das</strong> Entstehen neuer Religionen, Sekten und <strong><strong>de</strong>r</strong> New-Age-Bewegung ist ein hinreichen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Beleg dafür, daß das Bedürfnis <strong>de</strong>s Menschen nach Klärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sinnf<strong>ra</strong>ge und nach<br />

T<strong>ra</strong>nszen<strong>de</strong>nz nicht nur in Westeuropa, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch in <strong>de</strong>m von I<strong>de</strong>ologien und totalitären<br />

Strukturen befreiten Mittel- und Osteuropa nach <strong>de</strong>m Zusammenbruch <strong><strong>de</strong>r</strong> atheistischen<br />

Reg<strong>im</strong>e ungebrochen ist. 20 Der von kirchlicher Seite geäußerte Ausspruch, es seien ge<strong>ra</strong><strong>de</strong><br />

„die Kirchen, <strong>de</strong>nen die schwierige Aufgabe zukomme, die Einheit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Gemeinschaft unter Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterschiedlichkeit bzw. I<strong>de</strong>ntität eines je<strong>de</strong>n nationalen<br />

Gebil<strong>de</strong>s anzukurbeln“, 21 scheint nun vielleicht doch allzu selbstbewußt; treffend ist<br />

gleichwohl geäußert wor<strong>de</strong>n: „Ohne christliche Kirchen wäre Europa ärmer“ 22 , weil dieses –<br />

mehr <strong>de</strong>nn je – glaubhaften Vermittlern <strong><strong>de</strong>r</strong> christlich-ethischen Werte bedarf. 23<br />

Ungeachtet jeglicher Präferenz für eine best<strong>im</strong>mte Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft<br />

gebietet es <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtliche Gleichheitssatz – sofern man nicht analog <strong>de</strong>n<br />

Grundprinzipien <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen <strong>Religionsrecht</strong>s eine Verpflichtung <strong>de</strong>s Gemeinwesens zur<br />

Neut<strong>ra</strong>lität, Parität und Tole<strong>ra</strong>nz statuieren will – je<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft die<br />

notwendigen Ga<strong>ra</strong>ntien zuzugestehen, damit diese in gleicher Weise wie die etablierten<br />

Kirchen von ihrer Religionsfreiheit Geb<strong>ra</strong>uch machen kann.<br />

Der Säkularisierungsprozeß, wie er sich in d<strong>ra</strong>stischer Weise nicht nur in <strong>de</strong>n neuen<br />

Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n dokumentiert, macht <strong>de</strong>utlich, daß die <strong>de</strong>utschen Großkirchen ihrem Anspruch<br />

als „Volkskirche“ schon jetzt nicht mehr gerecht wer<strong>de</strong>n. Im multikulturellen und damit auch<br />

multikonfessionellen Europa heißt es, „endgültig Abschied zu nehmen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstellung, es<br />

gebe nur die bei<strong>de</strong>n Großkirchen und einige kleine, zahlenmäßig unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Sekten“. 24<br />

20 Hafner, Kirchen <strong>im</strong> Kontext <strong><strong>de</strong>r</strong> Grund- und Menschenrechte, S. 99 ff., 106.<br />

21 Dalla Torre, Situation et auto-compréhension <strong>de</strong>s églises et <strong>de</strong>s religions en Europe, S. 4:<br />

„C’est donc aux Églises que revient la tâche difficile, mais pas <strong>im</strong>possible, <strong>de</strong> favoriser<br />

l’unité <strong>de</strong> la communauté politique européenne tout en préservant la diversité – ou plus<br />

exactement, l’i<strong>de</strong>ntité – <strong>de</strong> chacune <strong>de</strong>s entités nationales.“ Ähnlich Hafner, Fn. 20, S. 107,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Standpunkt vertritt, daß „ein wirtschaftlicher und politischer Zusammenschluß<br />

Europas nur dann gelingen kann, wenn darin das religiöse und namentlich das christliche<br />

Element als sinnstiften<strong>de</strong> und Geborgenheit vermitteln<strong>de</strong> K<strong>ra</strong>ft gebührend berücksichtigt<br />

wird.“<br />

22 Zulehner, PNP Nr. 258 vom 8.11.1996, S. 8.<br />

23 Ähnlich Rauch, Der Heilige Stuhl und die Europäische <strong>Union</strong>, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995, S. 109.<br />

24 So Müller-Volbehr, Staatskirchenrecht <strong>im</strong> Umbruch, ZRP 1991, S. 345 ff., 346.<br />

5


6<br />

I. Einführung in die Thematik (Gegenstand und Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Untersuchung)<br />

Nach <strong>de</strong>m erklärten Willen <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ist ein Zusammenwachsen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EU nicht nur in wirtschaftlicher, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch in politischer Hinsicht beabsichtigt.<br />

Dadurch wer<strong>de</strong>n allerdings <strong>im</strong>mer mehr Materien mit nicht-ökonomischem Bezug geregelt,<br />

die bisher <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten vorbehalten waren. Dementsprechend existieren vor allem bei<br />

Institutionen unterhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, z.B. bei <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n, aber<br />

auch bei Kirchen und Religionsgemeinschaften, begrün<strong>de</strong>te Befürchtungen, daß sich<br />

hierdurch eine Eigendynamik entwickeln könnte, die spezifisch nationale Interessen in nur<br />

ungenügen<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise berücksichtigt.<br />

Abgesehen von <strong>de</strong>m in Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV geregelten Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus<br />

religiösen Grün<strong>de</strong>n und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g beigefügten gemeinsamen Erklärung<br />

Nr. 11 zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften bestehen nahezu keine<br />

ausdrücklichen pr<strong>im</strong>ärrechtlichen Regelungen zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften.<br />

Es wird daher zu klären sein, in welchem Umfang das mitgliedstaatliche <strong>Religionsrecht</strong><br />

bislang auf die EU übert<strong>ra</strong>gen wor<strong>de</strong>n ist, ob allgemeinere Vorschriften <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs und<br />

EU-Vert<strong>ra</strong>gs, wie z.B. die Freizügigkeitsregeln, auf Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

unmittelbar Anwendung fin<strong>de</strong>n können o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob für diese eine Art „Bereichsausnahme“<br />

existiert. Da ein geschriebener Grundrechtskatalog <strong><strong>de</strong>r</strong> EU bislang noch nicht ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t<br />

wur<strong>de</strong>, bleibt für die Entwicklung gemeinschaftsrechtlicher Religionsfreiheit ein Rückgriff<br />

über die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV auf die mitgliedstaatlichen<br />

Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen sowie auf Art. 9 <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Menschenrechtskonvention und<br />

<strong>de</strong>ssen Auslegung durch die St<strong>ra</strong>ßburger Menschenrechtsorgane unumgänglich. Allerdings<br />

liegt <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwerpunkt dieser Abhandlung nicht etwa in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsvergleichung, 25<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n bei<br />

<strong>de</strong>n religionsrechtlichen Anknüpfungspunkten <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht selbst.<br />

Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Untersuchung ist es, zu klären, in welchem Maße auf EU-Ebene schon<br />

Ansätze zu einem eigenständigen <strong>Religionsrecht</strong> vorhan<strong>de</strong>n sind. Hierzu sollen einerseits<br />

verschie<strong>de</strong>ne Kompetenzbest<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts einer näheren Bet<strong>ra</strong>chtung<br />

25 So jüngst Conring, Korpo<strong>ra</strong>tive Religionsfreiheit in Europa. Eine rechtsvergleichen<strong>de</strong><br />

Bet<strong>ra</strong>chtung – Zugleich ein Beit<strong>ra</strong>g zu Artikel 9 EMRK, F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. – Berlin – Bern u.a.<br />

1998. Dieser setzt sich <strong>im</strong> wesentlichen mit <strong>de</strong>m <strong>Religionsrecht</strong> in Österreich, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schweizerischen Eidgenossenschaft und <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>, vgl.<br />

Conring, a.a.O., S. 87 – 297.


unterzogen, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits thematisch einzelne Integ<strong>ra</strong>tionsfel<strong><strong>de</strong>r</strong> beleuchtet wer<strong>de</strong>n. Der Reiz –<br />

und gleichzeitig auch Schwierigkeit – dieser Untersuchung besteht darin, daß sich vielerorts<br />

<strong>im</strong> pr<strong>im</strong>ären und sekundären Gemeinschaftsrecht Vorschriften fin<strong>de</strong>n, welche die<br />

Religionsfreiheit bzw. kirchliche Belange zum Teil peripher, zum Teil in hohem Maße,<br />

berühren. Auch wenn in einigen Bereichen die Konturen noch recht schemenhaft ausgeprägt<br />

sein mögen, lassen sich aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenschau <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Best<strong>im</strong>mungen<br />

bereits erste Ansätze eines <strong>Europäischen</strong> <strong>Religionsrecht</strong>s aufzeigen.<br />

Gerhard Robbers, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich wie kaum ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er mit <strong><strong>de</strong>r</strong> hier behan<strong>de</strong>lten Materie<br />

auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>gesetzt hat, 26 spricht zu Recht davon, daß sich – auch wenn dies öffentlich kaum<br />

wahrgenommen wer<strong>de</strong> – in <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Rechtsetzung, Rechtsprechung und Rechtswirklichkeit<br />

ein faktisches Recht über Kirchen und Religion etabliert habe. 27 Gemeinschaftsrecht<br />

und <strong>Religionsrecht</strong> stehen damit nicht als zwei streng zu trennen<strong>de</strong> Materien<br />

nebeneinan<strong><strong>de</strong>r</strong>, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sind mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger stark verzahnt, so wie dies mittlerweile selbst<br />

für das St<strong>ra</strong>frecht, 28 das Zivilprozeßrecht 29 o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Sport 30<br />

angenommen wer<strong>de</strong>n muß. Selbst<br />

wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g eine mitgliedstaatliche Materie „unberührt“ läßt, wie dies für die<br />

Eigentumsordnung in Art. 295 (ex-Art. 222) EGV ausdrücklich normiert wird, ist es durchaus<br />

<strong>de</strong>nkbar, daß durch das Gemeinschaftsrecht massive Eingriffe in eigentumsrelevante<br />

Positionen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten erfolgen können, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Streit um die Bananenmarktordnung<br />

in jüngster Vergangenheit <strong>de</strong>utlich vor Augen geführt hat. Ähnliches muß man auch <strong>im</strong><br />

Hinblick auf die durch <strong>de</strong>n Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>te „Kirchenerklärung“<br />

befürchten. Hierdurch wird <strong>de</strong>utlich, daß das zent<strong>ra</strong>le Anliegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften<br />

die Anerkennung eines eigenen Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts auf EU-Ebene sein muß.<br />

Trotz <strong>de</strong>s Ringens um Objektivität wird die Argumentation i.R.d. religionsrechtlichen<br />

Lite<strong>ra</strong>tur weitgehend vom persönlichen Standort <strong>de</strong>s Verfassers best<strong>im</strong>mt. Nebenprodukt<br />

dieser Untersuchung ist die Erkenntnis, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Dienste einer <strong>de</strong>utschen Großkirche<br />

stehen<strong>de</strong> Amtsträger in aller Regel eine vom säkularen Europarechtler o<strong><strong>de</strong>r</strong> Vertreter einer<br />

26 Vgl. nur die Ausführungen von Böttcher, Kirche und Staat in Europa, ZevKR 42 (1997),<br />

S. 116 ff., 119.<br />

27 Robbers, Europa und die Kirchen – Die Kirchenerklärung von Amsterdam, SdZ 216 (1998),<br />

S. 147 ff., 150.<br />

28 Vgl. Dannecker, Die Entwicklung <strong>de</strong>s St<strong>ra</strong>frechts unter <strong>de</strong>m Einfluß <strong>de</strong>s Gemeinschafts-<br />

rechts, Ju<strong>ra</strong> 1998, S. 79 ff.<br />

29 Vgl. Basedow, Die Harmonisierung <strong>de</strong>s Kollisionsrechts nach <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam,<br />

EuZW 1997, S. 609; Knütel, Ius commune und Römisches Recht vor Gerichten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, JuS 1996, S. 768 ff.; Schlosser, Europarecht und Zivilprozeßrecht,<br />

Ju<strong>ra</strong> 1998, S. 65 ff.<br />

30 Vgl. schon Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Sport und europäische Integ<strong>ra</strong>tion, München 1989, S. 33 ff.<br />

7


8<br />

kleineren Religionsgemeinschaft differieren<strong>de</strong> Position einn<strong>im</strong>mt. Darüber hinaus kann<br />

maßgeblich sein, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweilige Autor einem Mitgliedstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> EU angehört, <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />

und Religionsgemeinschaften bereits weitgehen<strong>de</strong> Rechte eingeräumt hat, o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht.<br />

Während ersterer angesichts <strong>de</strong>s drohen<strong>de</strong>n Rechtsverlusts zumeist auf die Erhaltung <strong>de</strong>s<br />

mitgliedstaatlichen status quo pochen wird, strebt sein Kollege aus <strong>de</strong>m Mitgliedstaat, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n<br />

Religionsgemeinschaften nur geringe Individual- und Körperschaftsrechte zugesteht,<br />

ten<strong>de</strong>nziell eher eine Verbesserung <strong>de</strong>s bisherigen Status auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />

an. 31 Wie das gesamte Thema Glaube und Religion schlechthin, so ist auch das<br />

<strong>Religionsrecht</strong> ein mit starken Emotionen bef<strong>ra</strong>chtetes Ter<strong>ra</strong>in; leicht können die unterschiedlichen<br />

Auffassungen zu Verletzlichkeiten, diese wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um zu Spaltungen führen. 32 Auch <strong>de</strong>m<br />

vorliegen<strong>de</strong>n Beit<strong>ra</strong>g mag aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> freikirchlichen Prägung <strong>de</strong>s Verfassers eine gewisse<br />

Ten<strong>de</strong>nzhaftigkeit zugrun<strong>de</strong> liegen, die u.a. bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchensteuerproblematik zutage tritt. Dies geschieht jedoch nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Absicht, begrün<strong>de</strong>te<br />

Meinungen an<strong><strong>de</strong>r</strong>er abzuqualifizieren o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar zu polemisieren; 33<br />

vielmehr erhofft sich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verfasser einen gegenseitig befruchten<strong>de</strong>n Dialog.<br />

Mehr Licht auf dieses „klan<strong>de</strong>stine <strong>Religionsrecht</strong>“ 34<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> zu werfen und<br />

die Implikationen he<strong>ra</strong>uszuarbeiten, welche die fortschreiten<strong>de</strong> Integ<strong>ra</strong>tion auf das<br />

<strong>Religionsrecht</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten hat, sind die vor<strong>ra</strong>ngigen Ziele, <strong>de</strong>nen diese Abhandlung<br />

gerecht wer<strong>de</strong>n soll.<br />

31<br />

Vgl. Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len, Towards a common legal concept for the relation between churches and state<br />

with respect to the European <strong>Union</strong>, in: Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/Tempel/Torfs (Hrsg.), Which relationships<br />

between churches and the European <strong>Union</strong>? – Quelles relations entre les églises et l’<strong>Union</strong><br />

Européenne, Leuven 1995, S. 7: „When officials of the established German churches,<br />

protestant as well as roman-catholic, think of the European <strong>Union</strong>, they do this with some<br />

anxiety. They feel concerned regarding the future of church-state law in Germany coming<br />

un<strong><strong>de</strong>r</strong> increasing pressure from European legal <strong>de</strong>velopments. When a representative of<br />

French churches, catholics inclu<strong>de</strong>d, thinks of the EU, he or she might feel much concerned<br />

about the preeminence of economic consi<strong><strong>de</strong>r</strong>ations in the construction of Europe, but there<br />

will be little complaints about non-existant legal relations between the churches and the<br />

Community.“<br />

32<br />

Insoweit st<strong>im</strong>me ich Robbers, <strong>Das</strong> Verhältnis von Staat und Kirche in Europa, ZevKR 42<br />

(1997), S. 122 ff., 122, voll zu.<br />

33<br />

Teilweise – auf Namensnennungen soll hier verzichtet wer<strong>de</strong>n – wird auch begrün<strong>de</strong>te<br />

Kritik am status quo <strong>de</strong>utscher Großkirchen leichtfertig als „Polemik“, „Einfalt“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong><br />

Hinblick auf eine „i<strong>de</strong>ologische Herkunft“ abgetan.<br />

34<br />

Robbers, Fn. 27, S. 150.


1. Der Begriff <strong>de</strong>s Europarechts 35<br />

II. Begriffsbest<strong>im</strong>mungen<br />

a) Europarecht <strong>im</strong> engeren und <strong>im</strong> weiteren Sinne<br />

Als Europarecht i.w.S. bezeichnet man das Recht aller europäischen internationalen<br />

Organisationen, gleich ob diese west- 36 , gesamteuropäische 37 o<strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistische 38<br />

Ausrichtung haben. 39<br />

Vom Europarecht i.e.S. spricht man dagegen, wenn das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> in Re<strong>de</strong> steht. Wird nachfolgend <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>de</strong>s Europarechts verwandt,<br />

so ist hiermit ausschließlich das Europarecht i.e.S. gemeint.<br />

Um eine bessere Einordnung i.R.d. <strong>Religionsrecht</strong>s zu ermöglichen, soll an dieser Stelle kurz<br />

auf das Recht an<strong><strong>de</strong>r</strong>er europäischer internationaler Organisationen eingegangen wer<strong>de</strong>n,<br />

soweit sich dort religionsrechtliche Anknüpfungspunkte fin<strong>de</strong>n.<br />

aa) „Europarecht“ i.S.d. OSZE 40<br />

Die am 1. August 1975 in Helsinki von 33 Staaten Europas, <strong>de</strong>n USA und Kanada<br />

41<br />

unterzeichnete Schlußakte <strong><strong>de</strong>r</strong> „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“<br />

(KSZE) stellt zwar keinen völkerrechtlichen Vert<strong>ra</strong>g, jedoch eine be<strong>de</strong>utsame politische<br />

Absichtserklärung (sog. soft law) dar. In ihr wird u.a. die Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und<br />

Grundfreiheiten – die „Gegenleistung“ <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemaligen Ostblockstaaten für <strong>de</strong>n Import<br />

westlicher Industrieprodukte 42<br />

– als t<strong>ra</strong>gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz he<strong>ra</strong>usgestellt. Diese in „Korb I“ <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schlußakte erwähnten Menschenrechte und Grundfreiheiten umfassen unter Ziff. VII<br />

35<br />

Vgl. zu <strong>de</strong>n Begrifflichkeiten: Schweitzer/Hummer, Europarecht, 5. Aufl., Rdnrn. 7 – 9; 20.<br />

36<br />

Z.B. NATO, WEU, OECD, EFTA, EWG, EAG und EGKS.<br />

37<br />

Z.B. Europa<strong>ra</strong>t, OSZE.<br />

38<br />

Z.B. COMECON, Warschauer Pakt.<br />

39<br />

Eine ausführliche Übersicht über die wichtigsten internationalen europäischen Organisationen<br />

fin<strong>de</strong>t sich bei Schweitzer, Staatsrecht III, 6. Aufl. 1997, Rdnr. 15.<br />

40<br />

Allgemein hierzu Her<strong>de</strong>gen, Europarecht, 2. Aufl., München 1999, § 33 = Rdnrn. 478 ff.<br />

41<br />

BullBReg 1975, S. 968.<br />

42<br />

So Hafner, Fn. 20, S. 105.<br />

9


10<br />

ausdrücklich die „Gedanken-, Gewissens-, Religions- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Überzeugungsfreiheit für alle ohne<br />

Unterschied <strong><strong>de</strong>r</strong> Rasse <strong>de</strong>s Geschlechts, <strong><strong>de</strong>r</strong> Sp<strong>ra</strong>che o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion“. 43 Die wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holte<br />

Berufung auf die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte enthaltenen Prinzipien einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />

trug – ungeachtet <strong><strong>de</strong>r</strong> nur politischen Verbindlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte – maßgeblich zur<br />

Erosion <strong>de</strong>s Kommunismus in Osteuropa bei. 44<br />

Mit <strong>de</strong>m Zusammenbruch <strong>de</strong>s Ostblocks hat<br />

die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> KSZE allerdings gleichsam abgenommen.<br />

Auf <strong>de</strong>m dritten Folgetreffen vom 4. November 1986 bis 19. Januar 1989 in Wien<br />

verpflichteten sich die Teilnehmerstaaten <strong>im</strong> Abschließen<strong>de</strong>n Dokument <strong>de</strong>s Wiener KSZE-<br />

Folgetreffens vom 15. Januar 1989 zur Gewährung umfangreicher religiöser Freiheitsrechte.<br />

So wur<strong>de</strong> u.a. die Achtung <strong>de</strong>s Rechts religiöser Gemeinschaften <strong>im</strong> Hinblick auf ihre<br />

Selbstorganisation anerkannt, sofern diese <strong>im</strong> verfassungsmäßigen Rahmen ihres Staates zu<br />

wirken bereit sind. 45 Dieses Abschlußdokument ist vor allem auf die Diplomatie <strong>de</strong>s Heiligen<br />

Stuhls zurückzuführen, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n KSZE-Prozeß als eine <strong><strong>de</strong>r</strong> treiben<strong>de</strong>n Kräfte mitbegleitet<br />

hat. 46<br />

Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> KSZE ist Anfang 1995 die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in<br />

Europa (OSZE) hervorgegangen, welcher am 1. Januar 1997 neben <strong><strong>de</strong>r</strong> USA und Kanada alle<br />

53 europäischen Staaten mit Ausnahme <strong>de</strong>s Staates <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikanstadt – an seiner Stelle ist<br />

43<br />

Vgl. genauen Wortlaut bei Schweitzer/Rudolf, Frie<strong>de</strong>nsvölkerrecht, 2. Aufl., Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n<br />

1979, S. 478.<br />

44<br />

Ce<strong>de</strong>, Fn. 5, S. 155 f.<br />

45<br />

Der vollständige Text <strong>de</strong>s Wiener Abschlußdokuments ist abgedruckt unter EuGRZ 1989,<br />

S. 85 ff., 88 f., wobei Ziff. 16 die Religionsfreiheit in weitem Umfang gewährleistet.<br />

Be<strong>de</strong>utsam ist u.a. das in Ziff. 16.4 genannte Prinzip:<br />

„16. Um die Freiheit <strong>de</strong>s einzelnen zu gewährleisten, sich zu seiner Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Überzeugung<br />

zu bekennen und diese auszuüben, wer<strong>de</strong>n die Teilnehmerstaaten unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em<br />

[...]<br />

16.4. das Recht dieser religiösen Gemeinschaften achten,<br />

- frei zugängliche Andachts- und Versammlungsorte einzurichten und zu erhalten,<br />

- sich nach ihrer eigenen hie<strong>ra</strong>rchischen und institutionellen Struktur zu organisieren,<br />

- ihr Personal in Übereinst<strong>im</strong>mung mit ihren jeweiligen Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen und Normen sowie<br />

mit etwaigen zwischen ihnen und ihrem Staat freiwillig vereinbarten Regelungen<br />

auszuwählen, zu ernennen und auszutauschen [...].“<br />

Allerdings stehen diese Gewährungen unter einem Gesetzesvorbehalt (Ziff. 17), vgl. hierzu<br />

Tretter, Die Menschenrechte <strong>im</strong> Abschließen<strong>de</strong>n Dokument <strong>de</strong>s Wiener KSZE-Folgetreffens<br />

vom 15. Januar 1989, EuGRZ 1989, S. 79 ff., 82.<br />

46<br />

HdbStKirchR/K<strong>im</strong>minich, Die internationalen Beziehungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und das Recht auf<br />

freien Verkehr, § 47, S. 217 ff., 235.


jedoch <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl Mitglied – angehörten, 47 wobei dieser Namenswechsel we<strong><strong>de</strong>r</strong> an <strong>de</strong>n<br />

bisherigen KSZE-Verpflichtungen noch am Status <strong><strong>de</strong>r</strong> KSZE etwas geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t hat. 48<br />

Aus diesem Grund ist z.B. das am 19. September 1997 von <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsduma ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>te<br />

und am 1. Oktober 1997 in K<strong>ra</strong>ft getretene Bun<strong>de</strong>sgesetz <strong><strong>de</strong>r</strong> Russischen Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ation „über die<br />

Freiheit <strong>de</strong>s Gewissens und religiösen Vereinigungen“ (RelG) 49 <strong>im</strong> Hinblick auf die von<br />

Rußland eingegangenen KSZE-Verpflichtungen als sehr be<strong>de</strong>nklich einzustufen, zumal nur<br />

registrierten religiösen Organisationen i.S.d. Art. 8 RelG elementare Rechte nach<br />

Art. 15 ff. RelG (z.B. Verlagsrechte 50 ; Recht zur Einrichtung von Ausbildungsstätten 51 )<br />

gewährt wer<strong>de</strong>n. <strong>Das</strong> offizielle Wirken <strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Organisationen in Rußland muß gemäß<br />

Art. 9 RelG durch eine jährliche Registrierung über einen Zeit<strong>ra</strong>um von min<strong>de</strong>stens 15 Jahren<br />

belegt sein. Dies ist für viele protestantische und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e christliche Glaubensgemeinschaften<br />

nahezu unmöglich, da jegliches Glaubensbekenntnis <strong>im</strong> sozialistischen Reg<strong>im</strong>e nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Orthodoxen<br />

Kirche gestattet war, so daß alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Untergrund<br />

arbeiten mußten. Dies än<strong><strong>de</strong>r</strong>te sich erst mit <strong>de</strong>m libe<strong>ra</strong>len Gesetz <strong><strong>de</strong>r</strong> Russischen Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ation<br />

„über die Gewissensfreiheit und die religiösen Organisationen“ vom Oktober 1990. 52<br />

Abgesehen davon steht das neue Religionsgesetz m.E. ein<strong>de</strong>utig <strong>im</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zu Art. 14<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Russischen Verfassung von 1993, wonach alle Religionsgemeinschaften unabhängig vom<br />

Staat und gleich vor <strong>de</strong>m Gesetz sind, 53<br />

und ist überdies mit Art. 9 <strong><strong>de</strong>r</strong> Konvention zum<br />

Schutze <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (Europäische<br />

47<br />

Schweitzer, Fn. 39, Rdnr. 15.<br />

48<br />

So auch Her<strong>de</strong>gen, Fn. 40, Rdnr. 485.<br />

49<br />

EuGRZ 1997, S. 527 ff.; vgl. hierzu u.a. Hämmerle, Gewissensfreiheit in Rußland – Zum<br />

neuen Gesetz über Gewissensfreiheit und religiöse Vereinigungen, MD 1998, S. 28 ff.<br />

50<br />

Vgl. <strong>im</strong> Gegensatz hierzu das Wiener Abschlußdokument: „[...]<br />

16.10. religiösen Bekenntnissen, Institutionen und Organisationen die Herstellung, Einfuhr<br />

und Verbreitung religiöser Veröffentlichungen und Materialien gestatten“. Sofern hier und<br />

<strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>n einzelne Wörter in Zitaten kursiv gedruckt sind, han<strong>de</strong>lt es sich ausnahmslos<br />

um Hervorhebungen durch <strong>de</strong>n Verfasser.<br />

51<br />

Vgl. hierzu das Wiener Abschlußdokument: „[...]<br />

16.8. die Ausbildung von Personal religiöser Gemeinschaften in geeigneten Institutionen<br />

gestatten“.<br />

52<br />

Vgl. Neubert, SZ Nr. 143 vom 25.7.1997, S. 7; WiRO 1998, S. 30; vgl. zum russischen<br />

Religionsgesetz von 1990: Kowalskij, Die geistigen Grundlagen Europas in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zukunft –<br />

Kirche und Staat <strong>im</strong> Lichte <strong>de</strong>s europäischen Prozesses, in: Weiler/Laun (Hrsg.), Wien<br />

1991, S. 66 ff., 71.<br />

53<br />

Neubert, SZ Nr. 208 vom 10.9.1997, S. 13, spricht zu Recht von einer religiösen „Zwei-<br />

Klassen-Gesellschaft“ infolge <strong>de</strong>s neuen Religionsgesetzes.<br />

11


12<br />

Menschenrechtskonvention, EMRK), welche Rußland am 5. Mai 1998 <strong>ra</strong>tifiziert hat, 54<br />

unvereinbar. 55<br />

bb) „Europarecht“ i.S.d. Europa<strong>ra</strong>ts<br />

Am 5. Mai 1949 wur<strong>de</strong> in London <strong><strong>de</strong>r</strong> Europa<strong>ra</strong>t gegrün<strong>de</strong>t, <strong><strong>de</strong>r</strong> eine „engere Verbindung<br />

zwischen seinen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n zum Schutze und zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>ale und Grundsätze, die<br />

ihr gemeinsames Erbe bil<strong>de</strong>n“ durch <strong>de</strong>n Abschluß von Abkommen sowie „durch <strong>de</strong>n Schutz<br />

und die Fortentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten“ schaffen sollte. 56<br />

Mittlerweile umfaßt <strong><strong>de</strong>r</strong> Europa<strong>ra</strong>t 41 Vert<strong>ra</strong>gsstaaten, die zugleich alle auch Vert<strong>ra</strong>gsstaaten<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK sind. 57 Die EMRK stellt das wichtigste Dokument <strong><strong>de</strong>r</strong> über 150 Konventionen <strong>de</strong>s<br />

Europa<strong>ra</strong>tes dar. 58 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit ist die EMRK um ein Zusatzprotokoll 59 sowie um weitere<br />

10 Protokolle ergänzt wor<strong>de</strong>n, 60 wobei das am 1. November 1998 in K<strong>ra</strong>ft getretene Protokoll<br />

Nr. 11 zu einer be<strong>de</strong>utsamen Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Rechtsschutzsystems <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK geführt hat. 61<br />

Die EMRK enthält die klassischen Individualgrundrechte, aber keine sozialen Grundrechte, da<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Europa<strong>ra</strong>t hierfür speziell die Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 62<br />

geschaffen hat. Letztgenannte Konvention ist zwar 1965 in K<strong>ra</strong>ft getreten, kennt allerdings<br />

54<br />

Vgl. EuGRZ 1998, S. 308.<br />

55<br />

Dies räumte selbst <strong><strong>de</strong>r</strong> russische Präsi<strong>de</strong>nt Boris Jelzin ein, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich zunächst weigerte, das<br />

RelG zu unterzeichnen und dies so begrün<strong>de</strong>te: „Viele Passagen <strong>de</strong>s Gesetzes schränken die<br />

Verfassungsrechte und -freiheiten <strong>de</strong>s Bürgers ein, schaffen ein Ungleichgewicht zwischen<br />

<strong>de</strong>n Konfessionen und wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen internationalen Grundsätzen, zu <strong>de</strong>nen sich Rußland<br />

verpflichtet hat.“, vgl. SZ Nr. 142 vom 24.7.1997, S. 6.<br />

56<br />

Vgl. Art. 1 lit. a, b <strong><strong>de</strong>r</strong> Satzung <strong>de</strong>s Europa<strong>ra</strong>tes; abgedruckt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Textsammlung<br />

Sartorius II, Nr. 110; BGBl. 1950 II, S. 263; 1953 II, S. 558.<br />

57<br />

EuGRZ 1999, S. 436.<br />

58<br />

Abgedruckt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Textsammlung Sartorius II, Nr. 130; BGBl. 1954 II, S. 14; vgl. zur<br />

Entstehung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK Conring, Fn. 25, S. 298 ff.<br />

59<br />

Abgedruckt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Textsammlung Sartorius II, Nr. 131; BGBl. 1957 II, S. 226.<br />

60<br />

Abgedruckt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Textsammlung Sartorius II, Nr. 132 ff. Die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />

hat die EMRK selbst sowie die Protokolle Nr. 2-6 und 8-11 <strong>ra</strong>tifiziert. Obwohl die EMRK<br />

in Deutschland nur <strong>de</strong>n Rang eines einfachen Gesetzes besitzt, müssen Grundrechte <strong>de</strong>s<br />

Grundgesetzes <strong>im</strong> Einklang mit Text <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK sowie Auslegung durch <strong>de</strong>n EGMR<br />

stehen; vgl. BVerfGE 74, S. 358 ff., 370, sowie Schweitzer, Fn. 39, Rdnrn. 707 ff.; vgl. zur<br />

innerstaatlichen Geltung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK in verschie<strong>de</strong>nen Mitgliedstaaten Conring, Fn. 25,<br />

S. 307 ff.<br />

61<br />

Vgl. hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>s alten zum neuen Verfahren die Ausführungen unten<br />

M.I.2.c).<br />

62<br />

Abgedruckt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Textsammlung Sartorius II, Nr. 115; BGBl. 1964 II, S. 1261; BGBl.<br />

1965 II, S. 1122.


kein eigenes Rechtsschutzsystem zur Geltendmachung ihrer Rechte (z.B. Recht auf Arbeit;<br />

Recht auf Fürsorge). Obwohl alle Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft an die EMRK gebun<strong>de</strong>n<br />

sind, ist es in Irland und <strong>de</strong>m Vereinigten Königreich nicht möglich, sich vor nationalen<br />

Gerichten auf die EMRK zu berufen. 63<br />

b) Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong><br />

Gegenstand dieser Untersuchung wird schwerpunktmäßig das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong><br />

sein. Hierunter ist, wie es <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>g in Art. 1 (ex-Art. A) Abs. 3 EUV ausdrückt, das<br />

Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> drei sup<strong>ra</strong>nationalen <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften EG (vormals EWG), EGKS und<br />

EAG als Grundlage <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>, ergänzt durch die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />

(GASP) sowie die Zusammenarbeit in <strong>de</strong>n Bereichen Justiz und Inneres (ZBJI) zu verstehen.<br />

c) Gemeinschaftsrecht und <strong>Union</strong>srecht 64<br />

<strong>Das</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> drei <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften („Erste Säule“) wird dabei auch als<br />

Gemeinschaftsrecht bezeichnet, um es vom <strong>Union</strong>srecht, also <strong>de</strong>m Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> „Zweiten“<br />

(GASP) und „Dritten Säule“ (ZBJI) abzugrenzen.<br />

2. Staatskirchenrecht – <strong>Religionsrecht</strong> – Kirchenrecht<br />

a) „Staatskirchenrecht“<br />

aa) Kirche<br />

Der Begriff „Kirche“ bezeichnet die <strong>im</strong> christlichen Bekenntnis vereinigte Gemein<strong>de</strong> und<br />

Glaubensgemeinschaft, die <strong>im</strong> Anschluß an das Leben <strong>de</strong>s Religionsstifters Jesus Christus <strong>im</strong><br />

1. Jh. entstan<strong>de</strong>n ist. 65 Dies ergibt sich schon aus <strong><strong>de</strong>r</strong> griechischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Wortes<br />

Kirche Kyriake (Κψριακε = <strong>de</strong>m Herrn gehörig) 66<br />

. In allen christlichen Kirchen wird die<br />

Zugehörigkeit zum Herrn Jesus Christus durch die Taufe begrün<strong>de</strong>t bzw. symbolisiert. Die<br />

63 Vgl. Gaja, La Convention Européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme dans les ordres juridiques<br />

<strong>de</strong>s États membres <strong>de</strong> la Communauté Européenne, in: Iliopoulos-St<strong>ra</strong>ngas (Hrsg.), Grund-<br />

rechtsschutz <strong>im</strong> europäischen Raum, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1993, S. 131 ff., 133, dort Fn. 6.<br />

64 Ausführlich zum Verhältnis zwischen EU und <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften:<br />

Pechstein/Koenig, Die Europäische <strong>Union</strong>, Rdnrn. 93 ff.<br />

65 Köbler, Lexikon <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Rechtsgeschichte, Stichwort: Kirche.<br />

66 Alemann.: kilche; mittelhochdt.: kirche; engl.: church; schwed.: kyrka.<br />

13


14<br />

romanischen Sp<strong>ra</strong>chen geb<strong>ra</strong>uchen eher Ableitungen <strong>de</strong>s griechischen Ausdrucks Ecclesia<br />

(εχχλεσια = Versammlung bzw. durch Christus aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt He<strong>ra</strong>usgerufene). 67<br />

Nichtchristliche Religionsgemeinschaften kennen diese Verbun<strong>de</strong>nheit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Person Jesu<br />

Christi verständlicherweise nicht und können schon aus diesem Grun<strong>de</strong> per <strong>de</strong>finitionem nicht<br />

als Kirchen bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Es scheint daher sinnvoller, gemeinschaftsrechtlich von einem<br />

Begriff auszugehen, <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht nur christliche Glaubensgemeinschaften einbezieht – auch wenn<br />

christlicher Glaube und christliche Kirchen Europa in seiner heutigen Form nachhaltig geprägt<br />

haben.<br />

Eine Differenzierung dahingehend, ob eine „Kirche“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber eine sonstige „Religionsgemeinschaft“<br />

vorliegt, 68 b<strong>ra</strong>ucht <strong>im</strong> Hinblick auf die gewählte Themenstellung nicht<br />

getroffen wer<strong>de</strong>n, da das Gemeinschaftsrecht an <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche keine Rechtsfolge<br />

knüpft, die sich von einer Religionsgemeinschaft unterschei<strong>de</strong>t. Etwas an<strong><strong>de</strong>r</strong>es kann nur dort<br />

gelten, wo einer Organisation – etwa <strong><strong>de</strong>r</strong> „Church of Scientology“ 69 – die Anerkennung als<br />

Kirche versagt wird, weil es sich hierbei in erster Linie um ein Wirtschaftsunternehmen<br />

han<strong>de</strong>lt. Die Berufung auf die Religionsfreiheit, die für „Kirchen“ und<br />

„Religionsgemeinschaften“ unabhängig von ihrer Bezeichnung gleichermaßen zur<br />

Anwendung gelangen wür<strong>de</strong>, setzt vo<strong>ra</strong>us, daß es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong>n Organisation nicht<br />

nur ihrem äußeren Erscheinungsbild, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch ihrem geistigen Gehalt nach um eine<br />

solche han<strong>de</strong>lt. 70<br />

bb) Staatskirche<br />

Nach anfänglicher Verfolgung erlangte die christliche Kirche <strong>im</strong> Mailän<strong><strong>de</strong>r</strong> Tole<strong>ra</strong>nzedikt 71<br />

von 313 n.Chr. durch Kaiser Konstantin staatliche Anerkennung und <strong>im</strong> Jahre 391 n.Chr. <strong>de</strong>n<br />

Status einer Staatskirche. Diese enge Verbindung zwischen Staat und Kirche dokumentiert<br />

sich insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e darin, daß weltliches und geistliches Oberhaupt eines Territoriums<br />

zusammenfallen und überdies eine staatliche Aufsicht in kirchlichen Angelegenheiten besteht.<br />

67<br />

Span.: iglesia; f<strong>ra</strong>nz.: église; ital.: chiesa.<br />

68<br />

Vgl. hierzu Solte, Aktuelle F<strong>ra</strong>gen <strong>de</strong>s Schutzes <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen I<strong>de</strong>ntität, KuR 110,<br />

S. 85 ff., 92.<br />

69<br />

So das BAG, NJW 1996, S. 143.<br />

70<br />

Vgl. BVerfGE 88, S. 341 ff., 353.<br />

71<br />

Dieses ve<strong>ra</strong>nkerte schon zu einem frühen Zeitpunkt drei wichtige religionsrechtliche<br />

Grundsätze: Die Religionsfreiheit, die Gleichheit aller Religionen sowie die Rechtssicherheit<br />

vor Repressalien aufgrund einer best<strong>im</strong>mten Glaubensüberzeugung, vgl. hierzu Holze,<br />

Zur Erinnerung: <strong>Das</strong> Mailän<strong><strong>de</strong>r</strong> Edikt von 313 – Christentum in <strong><strong>de</strong>r</strong> Plu<strong>ra</strong>lität <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionen, in: Greive (Hrsg.), „Gott <strong>im</strong> Grundgesetz?“, Loccumer Protokolle 14/1993,<br />

Rehburg-Loccum 1994, S. 88 ff., 89.


Im Mittelalter war <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „Staatskirche“ noch nicht geläufig, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Corpus<br />

Christianum sowohl <strong>de</strong>n geistlichen als auch weltlichen Bereich umfaßte. Erst infolge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

reformatorischen Zwei-Reiche-Lehre 72<br />

spalteten sich kirchliche und staatliche Ordnung in<br />

zwei voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> unabhängige Bereiche auf. Im Laufe <strong>de</strong>s 16. bis 18. Jh. verbreitete sich in<br />

Deutschland schließlich die Auffassung, daß nur eine Religion <strong>im</strong> Staate zu dul<strong>de</strong>n sei; dies<br />

zog zumeist eine sehr enge Verbindung zwischen dieser Kirche und <strong>de</strong>m Staat nach sich.<br />

Cha<strong>ra</strong>kteristikum solcher Staatskirchen ist <strong><strong>de</strong>r</strong>en Alleinherrschaft o<strong><strong>de</strong>r</strong> zumin<strong>de</strong>st <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Dominanz über die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kirchen k<strong>ra</strong>ft staatlicher Anordnung, die Besteuerung aller<br />

Untertanen für diese Staatskirche sowie eine Besetzung leiten<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenämter von Staats<br />

wegen.<br />

cc) Staatskirchenrecht<br />

Obwohl das gelten<strong>de</strong> <strong>de</strong>utsche Recht durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV<br />

festlegt: „Es besteht keine Staatskirche“ 73<br />

, hat sich <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschsp<strong>ra</strong>chigen Raum für das<br />

staatliche Recht zwischen Staat und Religionsgemeinschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>de</strong>s<br />

Staatskirchenrechts durchgesetzt. Die zitierte Verfassungsbest<strong>im</strong>mung bringt hingegen<br />

<strong>de</strong>utlich zum Ausdruck, daß ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> kein lan<strong>de</strong>sherrliches Kirchenreg<strong>im</strong>ent besteht und daß<br />

das Kultusministerium nicht mehr Aufsichtsbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>skirchenamtes ist, wie dies <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechtslage <strong>im</strong> Hinblick auf die Evangelische Lan<strong>de</strong>skirche bis 1918 entsp<strong>ra</strong>ch und selbst in<br />

72 Martin Luther, Von weltlicher Obrigkeit – Schriften zur Bewährung <strong>de</strong>s Christen in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Welt (1523), 3. Aufl. Gütersloh 1978, S. 15 ff., 18 ff.; vgl. kritisch hierzu Fikentscher, Zwei<br />

Wertebenen, nicht zwei Reiche: Gedanken zu einer christlich-säkularen Wertontologie, in:<br />

Resch (Hrsg.), Wertewan<strong>de</strong>l – Rechtswan<strong>de</strong>l. Perspektiven auf die gefähr<strong>de</strong>ten Vo<strong>ra</strong>us-<br />

setzungen unserer Demok<strong>ra</strong>tie, Gräfelfing 1997, S. 121 ff. m.w.N.<br />

73 <strong>Das</strong> BVerfG hat ebenfalls mehrfach bestätigt, daß Kirchen und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Religionsgesellschaften<br />

eigenständige, vom Staat unabhängige Organisationen mit eigenem Wesen und<br />

Aufgabenbereich sind, vgl. BVerfGE 42, S. 312 ff., 321, 332; 55, S. 230 ff.<br />

Aus diesem Grun<strong>de</strong> vermag die Suche Hollerbachs, Staatskirchenrecht o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Religionsrecht</strong>?,<br />

KuR 110, S. 49 ff., 50 f., nach frühen Belegen <strong>de</strong>s Begriffs „Staatskirchenrechts“<br />

nicht überzeugen, da sich die heutige religionsrechtliche Situation nicht mehr mit <strong><strong>de</strong>r</strong> vor<br />

Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong><strong>de</strong>r</strong> WRV vergleichen läßt. Zu<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> 19. Jh. hauptsächlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff<br />

<strong>de</strong>s „Kirchenstaatsrechts“ verwandt. Daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff „<strong>Religionsrecht</strong>“ erstmals in <strong>de</strong>m 1938<br />

gegrün<strong>de</strong>ten „Ausschuß für <strong>Religionsrecht</strong>“ Erwähnung fand, gibt diesem m.E. ebensowenig<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> ebensoviel einen schalen Beigeschmack wie das Faktum, daß das heute noch<br />

gültige Reichskonkordat vom 20.7.1933 (RGBl. 1933 II, S. 679), in K<strong>ra</strong>ft getreten am<br />

10.9.1993, sowie das Gesetz zu <strong>de</strong>ssen Durchführung vom 12.9.1933 (RGBl. 1933 I,<br />

S. 625) vom damaligen Reichskanzler Adolf Hitler unterzeichnet wur<strong>de</strong>.<br />

15


16<br />

<strong>de</strong>n ersten Jahren <strong><strong>de</strong>r</strong> We<strong>im</strong>arer Republik durch die sog. „Korrelatentheorie“ 74<br />

vertreten<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Aus diesem Grun<strong>de</strong> wäre es sogar für das staatliche <strong>de</strong>utsche Recht, welches die Beziehungen<br />

zwischen Staat und Kirchen regelt, angeb<strong>ra</strong>cht, von „<strong>Religionsrecht</strong>“ zu sprechen, 75 zumal<br />

auch die <strong>de</strong>utschen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>verfassungen nicht nur Kirchen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n explizit „Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften 76 “ bzw. nur „Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften“<br />

erwähnen. 77 Der namhafte Kirchenjurist und Präsi<strong>de</strong>nt <strong><strong>de</strong>r</strong> Görres-Gesellschaft Paul Mikat<br />

<strong>de</strong>finierte <strong>Religionsrecht</strong> als die „Gesamtheit <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Rechtsnormen, die <strong>de</strong>n religiösen<br />

Interessen Rechnung t<strong>ra</strong>gen“ 78 , wobei die Religionsfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> „unaufgebbare Kern <strong>de</strong>s<br />

staatlichen <strong>Religionsrecht</strong>s“ 79 sei. Im Gegensatz zum „Staatskirchenrecht“ hat die Verwendung<br />

<strong>de</strong>s Begriffs „<strong>Religionsrecht</strong>“ <strong>de</strong>n Vorteil, nicht nur Rechtspositionen von Kirchen,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch die individuelle Religionsfreiheit ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu umfassen. 80<br />

74<br />

Vgl. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl., München 1996, S. 38, 41 f.<br />

75<br />

Dies vertreten selbst für das <strong>de</strong>utsche „Staatskirchenrecht“ Czermak, „Religions-<br />

(verfassungs)recht“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Staatskirchenrecht“?, NVwZ 1999, S. 743 f.; Häberle,<br />

„Staatskirchenrecht“ als <strong>Religionsrecht</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> verfaßten Gesellschaft, DÖV 1976, S. 73 ff.,<br />

79 f., wobei dieser hierfür das Selbstverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik als eines<br />

„weltanschaulich-religiös-konfessionell neut<strong>ra</strong>len Staates“ zugrun<strong>de</strong>legt, vgl. zu letzterem<br />

z.B. BVerfGE 10, S. 59 ff., 85; 19, S. 206 ff., 216; 30, S. 415 ff., 421, 424; 32, S. 98 ff.,<br />

106; ebenso: Mikat, <strong>Religionsrecht</strong>liche Schriften, Abhandlungen zum Staatskirchenrecht<br />

und Eherecht, Bd. 1, Berlin – München 1974, S. 306, Anm. 9, S. 377, Anm. 1; in Ansätzen<br />

auch Korioth, Islamischer Religionsunterricht und Art. 7 III GG – Zu <strong>de</strong>n Vo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />

religiöser Vielfalt in <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Pflichtschule, NVwZ 1997, S. 1041 ff., 1048. Auch<br />

Conring, Fn. 25, S. 9 ff., bricht mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s „Staatskirchenrechts“ und verwen<strong>de</strong>t<br />

statt <strong>de</strong>ssen <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s „Religionsverfassungsrechts“ – ein Begriff, <strong><strong>de</strong>r</strong> i.R.d. Rechtsvergleichung<br />

durchaus angeb<strong>ra</strong>cht ist, jedoch nicht i.R.d. Gemeinschaftsrechts eingeführt<br />

wer<strong>de</strong>n sollte, da es sich bei <strong>de</strong>n Gründungsverträgen <strong>de</strong>s EGV und EUV um „Verfassungsrecht“<br />

i.e.S. han<strong>de</strong>lt.<br />

76<br />

Der Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „Religionsgemeinschaft“ entspricht dabei <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> „Religionsgesellschaft“,<br />

wie er noch in Art. 137 WRV verwandt wur<strong>de</strong>, drückt allerdings treffen<strong><strong>de</strong>r</strong> aus, daß es sich<br />

hierbei um eine Art Lebensgemeinschaft han<strong>de</strong>lt, vgl. v. Campenhausen, Fn. 74, S. 425.<br />

77<br />

Vgl. einen Überblick über die Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong>verfassungen bei Streinz,<br />

Auswirkungen <strong>de</strong>s Europarechts auf das <strong>de</strong>utsche Staatskirchenrecht, EssGespr. (31) 1997,<br />

S. 53 ff., 59, dort Fn. 33.<br />

78<br />

Mikat, Fn. 75, S. 306, Anm. 9 bzw. S. 377, Anm. 1.<br />

79<br />

Mikat, Fn. 75, S. 309.<br />

80<br />

So auch Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>berger, Staatskirchenrecht in Europa, in: Loretan (Hrsg.), Fn. 13, S. 291.


Auf EU-Ebene sollte <strong><strong>de</strong>r</strong> überkommene Begriff <strong>de</strong>s „Staatskirchenrechts“ erst recht nicht<br />

verwandt wer<strong>de</strong>n. Statt <strong>de</strong>ssen sollte von vornherein von „<strong>Religionsrecht</strong>“ gesprochen<br />

wer<strong>de</strong>n, da es Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU gibt, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Position von einem Staatskirchenrecht sehr<br />

viel weiter entfernt ist, als die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland. Abgesehen davon ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff<br />

<strong>de</strong>s „Staatskirchenrechts“ in Mitgliedstaaten wie F<strong>ra</strong>nkreich selbst in Fachkreisen unbekannt 81<br />

und zu<strong>de</strong>m irreführend, strenggenommen sogar terminologisch unkorrekt. 82<br />

b) „<strong>Religionsrecht</strong>“<br />

aa) Religion<br />

Religion, von Gerhard Köbler <strong>de</strong>finiert als das „Ergriffensein vom Göttlichen“ 83 , ist nicht eng<br />

auf <strong>de</strong>n christlichen Glauben an einen persönlichen Gott fixiert, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n umfaßt auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

monotheistische (z.B. Ju<strong>de</strong>ntum, Islam) o<strong><strong>de</strong>r</strong> polytheistische (z.B. Hinduismus)<br />

Glaubensrichtungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weisheitslehren (z.B. Buddhismus). Im Gegensatz zur<br />

Weltanschauung ist Religion allerdings <strong>im</strong>mer auf einen „Urgrund allen Seins“ ausgerichtet,<br />

während erstere eine allgemeinere Gesamtauffassung von Sinn und Ziel, Be<strong>de</strong>utung allen<br />

<strong>Das</strong>eins sowie von menschlichem Erkennen und Han<strong>de</strong>ln darstellt. 84<br />

bb) <strong>Religionsrecht</strong><br />

Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV verweist auf die Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK und damit auf<br />

Art. 9 EMRK, <strong>de</strong>ssen Absatz 2 nur allgemein von <strong><strong>de</strong>r</strong> Religions- und Bekenntnisfreiheit<br />

spricht. Auch die in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV genannten gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten setzen keinesfalls begrifflich eine o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehrere<br />

Staatskirchen in einem Mitgliedstaat vo<strong>ra</strong>us. Aus diesem Grun<strong>de</strong> wird nachfolgend <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong><br />

Gegensatz zum „Staatskirchenrecht“ weitere und neut<strong>ra</strong>lere Begriff <strong>de</strong>s „<strong>Religionsrecht</strong>s“<br />

81 So Grote, Religionsgemeinschaften und Europäische <strong>Union</strong>, MD 1996, S. 32 f., 33; hier<br />

geb<strong>ra</strong>ucht man <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „droits <strong>de</strong>s religions“.<br />

82 Aus diesem Grun<strong>de</strong> ist Hollerbach, Fn. 17, S. 49, mit Nachdruck zu wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

dafür plädiert, <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s „Staatskirchenrechts“ als „sachgerechte Ausgleichslösung<br />

[...] in das europäische Konzert“ einzubringen.<br />

83 Köbler, Fn. 65, Stichwort: Religion.<br />

84 So Peter Fischer/Köck, Europarecht, 2. Aufl., Wien 1995, S. 185. Je<strong>de</strong> Religion fällt damit<br />

<strong>im</strong>mer auch unter <strong>de</strong>n Oberbegriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung, vgl. Peter Fischer/Köck, a.a.O,<br />

S. 185; vgl. zur Abgrenzung zwischen Religion und Weltanschauung <strong>im</strong> übrigen auch<br />

Erwin Fischer, Fn. 6, S. 27 ff., mit weiteren Definitionsansätzen von Anschütz, Listl,<br />

Maunz, Obermayer und Jaspers.<br />

17


18<br />

geb<strong>ra</strong>ucht, <strong><strong>de</strong>r</strong> neben <strong>de</strong>n Großkirchen auch kleinere christliche, aber auch nichtchristliche<br />

Religionsgemeinschaften einschließt.<br />

Der Begriff <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s, <strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong> neueren europäischen Lite<strong>ra</strong>tur zu diesem Thema<br />

eine zunehmen<strong>de</strong> Präferenz erfährt, 85<br />

umfaßt damit die Gesamtheit aller staatlichen bzw.<br />

sup<strong>ra</strong>nationalen Normen, die religiösen Interessen – sowohl <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen<br />

Religionsfreiheit als auch <strong>de</strong>m institutionellen Verhältnis zwischen Staat und Kirche, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

kollektiven Religionsfreiheit – Rechnung t<strong>ra</strong>gen.<br />

Im übrigen ist in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung Nr. 11 zum Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam sowohl von „Kirchen“ als<br />

auch von „religiösen Vereinigungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaften“ die Re<strong>de</strong>. Schon diese<br />

Gleichstellung verschie<strong>de</strong>ner religiöser Gruppierungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t es, sich bei<br />

einer umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en Bet<strong>ra</strong>chtung nicht eines von vornherein zu engen Begriffes zu bedienen,<br />

mit <strong>de</strong>m sich nichtchristliche Religionsgemeinschaften (z.B. Ju<strong>de</strong>ntum, Islam) nicht<br />

86<br />

i<strong>de</strong>ntifizieren können. Dabei wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>de</strong>s „<strong>Europäischen</strong> <strong>Religionsrecht</strong>s“ völlig<br />

wertfrei, „ohne kämpferische Note“ und nicht <strong>im</strong> Sinne einer „Trennungsi<strong>de</strong>ologie“<br />

da er die Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU zur Neut<strong>ra</strong>lität und Parität <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />

verwandt, 87<br />

85<br />

Vgl. z.B. Kustermann/Puza, Europa und das nationalstaatliche <strong>Religionsrecht</strong>, in: Puza/<br />

Kustermann, Fn. 3, S. 7 ff., 9; Puza, Europa ohne Grenzen – und die Kirche? Europäische<br />

D<strong>im</strong>ensionen <strong>de</strong>s Verhältnisses von Kirche und Staat, Theologische Quartalschrift 173<br />

(1993), S. 9 ff., 15; Streinz, Fn. 77, S. 59 f. Pernice, Fn. 17, S. 781, benutzte schon vor über<br />

20 Jahren mit großer Selbstverständlichkeit <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s.<br />

86<br />

Ebenso: Robbers, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 120.<br />

87<br />

Diese Gefahren sieht Hollerbach, Staatskirchenrecht o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Religionsrecht</strong> – Begriffs- und<br />

problemgeschichtliche Notizen, in: Aymans/Geringer (Hrsg.), Iuri Canonico Promovendo,<br />

FS für Heribert Schmitz zum 65. Geburtstag, Regensburg 1990, S. 869 ff., 886, <strong><strong>de</strong>r</strong> hier<br />

ausführlich zu <strong>de</strong>n geschichtlichen Wurzeln <strong>de</strong>s Begriffes „Staatskirchenrecht“ Stellung<br />

n<strong>im</strong>mt. Zu erwähnen ist beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s das Zitat von Hans Barion bei Hollerbach, a.a.O.,<br />

S. 880: „Neben <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Großkirchen gibt es noch eine Reihe von kleineren Kirchen (die<br />

altkatholische Kirche und die evangelischen Freikirchen) sowie christliche Gemeinschaften,<br />

die keine Kirchen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n Sekten sind. Ferner gibt es auch nichtchristliche religiöse<br />

Gemeinschaften, die mit <strong>de</strong>n christlichen Kirchen und Sekten vom Standpunkt <strong>de</strong>s<br />

mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen, konfessionell neut<strong>ra</strong>len Staates aus formal auf gleicher Stufe stehen. Für ihn sind<br />

alle rechtlich gleichwertige Religionsgemeinschaften. Seine ihnen gewidmete Gesetzgebung<br />

ist daher mit <strong>de</strong>m hergeb<strong>ra</strong>chten Ausdruck Staatskirchenrecht nicht vollständig bezeichnet;<br />

richtiger wür<strong>de</strong> man von staatlichem Religionsgesellschaftsrecht o<strong><strong>de</strong>r</strong> kurz von<br />

<strong>Religionsrecht</strong> sprechen“.


gegenüber allen Religionen wesentlich besser he<strong>ra</strong>usstellt, als dies bei <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s<br />

„<strong>Europäischen</strong> Staatskirchenrechts“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall wäre. 88<br />

Durch <strong>de</strong>n Absatz 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> „Kirchenerklärung“ wer<strong>de</strong>n weltanschauliche und nichtkonfessionelle<br />

Organisationen <strong>de</strong>n erstgenannten Gruppierungen gleichgestellt, was <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtslage in<br />

Deutschland (vgl. Art. 4 Abs. 1 GG; Art. 140 i.V.m. Art. 137 Abs. 7 WRV) entspricht. Da<br />

letztgenannte Gruppierungen nicht <strong>de</strong>n Gegenstand <strong><strong>de</strong>r</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Untersuchung bil<strong>de</strong>n,<br />

wird an dieser Stelle jedoch auf eine unnötig weite Begriffsbest<strong>im</strong>mung verzichtet.<br />

Ebensowenig kann hier nicht vertieft auf die Gewissensfreiheit 89<br />

eingegangen wer<strong>de</strong>n.<br />

c) Kirchenrecht<br />

Im Gegensatz zum staatlichen <strong>Religionsrecht</strong> („Staatskirchenrecht“) versteht man unter <strong>de</strong>m<br />

Kirchenrecht <strong>de</strong>n Oberbegriff für das kirchliche Recht einer Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsgemeinschaft. 90<br />

Durch das Kirchenrecht wird neben <strong><strong>de</strong>r</strong> inneren auch die äußere<br />

Ordnung einer Glaubensgemeinschaft zur Gesellschaft bzw. <strong>de</strong>m Staatswesen geregelt. Oft<br />

wird als Synonym hierfür <strong><strong>de</strong>r</strong> verkürzte Begriff <strong>de</strong>s kanonischen Rechts (von „Kanon“ =<br />

Richtschnur, kirchlicher Rechtssatz) geb<strong>ra</strong>ucht, <strong><strong>de</strong>r</strong> genaugenommen aber nur eine<br />

geschichtliche Perio<strong>de</strong> kirchlicher Rechtswissenschaft <strong>im</strong> Hochmittelalter bezeichnet, die mit<br />

<strong>de</strong>m Reichskonzil von Nicäa aus <strong>de</strong>m Jahre 325 n.Chr. seinen Anfang nahm. Durch ein<br />

88 Hollerbach, Grundlagen <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch<br />

<strong>de</strong>s Staatsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Bd. VI, Hei<strong>de</strong>lberg 1989, § 138, Rdnr. 5,<br />

scheint <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts vor allem <strong>de</strong>swegen <strong>de</strong>n Vorzug geben zu<br />

wollen, um schon begrifflich keine Einebnung zwischen <strong>de</strong>n vorherrschen<strong>de</strong>n christlichen<br />

Großkirchen und <strong>de</strong>n übrigen Religionsgemeinschaften zu schaffen.<br />

89 Vgl. hierzu z.B. Bethge, Gewissensfreiheit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch <strong>de</strong>s<br />

Staatsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Bd. VI, Hei<strong>de</strong>lberg 1989, § 137 = S. 435 ff.<br />

Zur Abgrenzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewissensfreiheit vgl. Kardinal F<strong>ra</strong>nz<br />

König, Religionsbekenntnis und Gewissensfreiheit, in: Matscher (Hrsg.), Folterverbot<br />

sowie Religions- und Gewissensfreiheit <strong>im</strong> Rechtsvergleich, Kehl am Rhein – St<strong>ra</strong>ßburg –<br />

Arlington 1990, S. 15 ff., 17.<br />

90 Herrmann, Wörterbuch Kirchenrecht, Stichwort: Kirchenrecht; vgl. ausführlich hierzu<br />

Dreier, Der Rechtsbegriff <strong>de</strong>s Kirchenrechts in juristisch-rechtstheoretischer Sicht, in:<br />

Rau/Reuter/Schlaich (Hrsg.), S. 171 ff. Teilweise (Creifelds, Stichwort: Kirchenrecht;<br />

Köbler, Fn. 65, Stichwort: Kirchenrecht) wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>de</strong>s Kirchenrechts auch als<br />

Oberbegriff angesehen und in zweifacher Weise verwandt: Einerseits für die Gesamtheit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechtsnormen, die das Verhältnis eines Staates zu Religion und Religionsgemeinschaften<br />

(äußeres Kirchenrecht = <strong>Religionsrecht</strong> bzw. „Staatskirchenrecht“); an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits für<br />

diejenigen Rechtsnormen, welche die inneren Verhältnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen regeln (inneres<br />

Kirchenrecht, i.R.d. katholischen Kirche z.T. als kanonisches Recht bezeichnet).<br />

19


20<br />

gemeinsames „ökumenisches“ (allgemeines) Glaubensbekenntnis, das noch heute in<br />

christlichen Kirchen gesprochen wird, sollte das gesamte Imperium in Glaubensf<strong>ra</strong>gen eine<br />

einheitliche Auffassung entwickeln bzw. bewahren. 91<br />

d) Zusammenfassung<br />

Es ist angeb<strong>ra</strong>cht, für die Gesamtheit aller staatlichen bzw. sup<strong>ra</strong>nationalen Normen, die<br />

religiösen Interessen Rechnung t<strong>ra</strong>gen, <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s „<strong>Religionsrecht</strong>s“ zu verwen<strong>de</strong>n, da es<br />

Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU gibt, die ein System <strong><strong>de</strong>r</strong> strikten Trennung zwischen Staat und Kirche<br />

kennen, welches mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s „Staatskirchenrechts“ nur in irreführen<strong><strong>de</strong>r</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar<br />

unzutreffen<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gegeben wer<strong>de</strong>n kann. Zu<strong>de</strong>m hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>de</strong>s<br />

„<strong>Religionsrecht</strong>s“ <strong>de</strong>n Vorteil, daß er neben <strong>de</strong>n Großkirchen alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en – christlichen und<br />

nichtchristlichen – Religionsgemeinschaften einschließt und überdies neben <strong>de</strong>m<br />

institutionellen Verhältnis zwischen Staat und Kirche auch die individuelle Religionsfreiheit<br />

erfaßt.<br />

III. Die fortschreiten<strong>de</strong> Integ<strong>ra</strong>tion von <strong><strong>de</strong>r</strong> reinen Wirtschaftsgemeinschaft hin zur<br />

<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong><br />

1. Ausgangspunkt: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)<br />

a) T<strong>ra</strong>ditionelle Schwerpunkte <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />

Klassische wirtschaftspolitische Materien, wie z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> freie Warenverkehr, die Abschaffung<br />

von Zöllen und Maßnahmen gleicher Wirkung, die Arbeitnehmerfreizügigkeit und<br />

insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Landwirtschaft, prägten über mehrere Jahrzehnte hinweg das Gesicht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft. Der EWG-Vert<strong>ra</strong>g selbst enthielt kaum Bezüge zum kulturellen und sozialen<br />

Leben <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsbürger. Von daher waren Kirche und Religion erst recht nicht von<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> wirtschaftspolitischen Zielrichtung dieser sup<strong>ra</strong>nationalen Organisation erfaßt. 92<br />

91<br />

Je<strong>de</strong>s Staatsorgan und je<strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger mußte das nicaenische Glaubensbekenntnis auswendig<br />

kennen und bejahen können. So wur<strong>de</strong>n diejenigen, die es – mit Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Ju<strong>de</strong>n als<br />

„Altes Gottesvolk“ – nicht bejahen konnten, als ketzerische Staatsfein<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n rechtgläubigen<br />

Bürgern getrennt, vgl. Hattenhauer, Fn. 6, S. 3 f.<br />

92<br />

So auch Stotz, Europa und die Kirchen, EuZW 1998, S. 737; Hirsch, Gemeinschaftsgrundrechte<br />

als Gestaltungsaufgabe, S. 9 ff., 13, dagegen sieht die Gemeinschaft von Anfang an<br />

weiter angelegt und begrün<strong>de</strong>t dies mit <strong>de</strong>m 1. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong>de</strong>s EWGV,<br />

welcher die „Grundlagen für einen <strong>im</strong>mer engeren Zusammenschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen<br />

Völker“ geschaffen habe.


Symptomatisch für diese nahezu reine Wirtschaftsgemeinschaft war es, daß das Europäische<br />

Parlament (EP) anfangs eine schwache Position innehatte, was sich auf gesellschaftliche<br />

Gruppen und Verbän<strong>de</strong> – unter ihnen auch die Kirchen – übertrug. 93<br />

b) Erste Ansätze <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s durch die Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH<br />

Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre zeigte sich jedoch, daß auch bei einer Wirtschaftsorganisation<br />

Berührungspunkte zur Religion aufkommen können. 94<br />

Daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH erst verhältnismäßig<br />

spät mit religionsrechtlichen F<strong>ra</strong>gen konfrontiert wur<strong>de</strong>, hat seinen Grund in erster Linie<br />

darin, daß allen drei <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Gedanke einer sektoriellen Integ<strong>ra</strong>tion<br />

zugrun<strong>de</strong> lag: Durch die Vertiefung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit auf einem best<strong>im</strong>mten Sektor<br />

vormals mitgliedstaatlicher Politik sollte die politische Einigung Europas vo<strong>ra</strong>ngetrieben<br />

wer<strong>de</strong>n. Der so gewählte Ansatz schloß von vornherein weitestgehend Themenbereiche wie<br />

Kirche und Religion aus; erst Kollisionen mit dieser Materie erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten eine inhaltliche<br />

Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane hiermit, allen vo<strong>ra</strong>n <strong>de</strong>s EuGH.<br />

2. Wandlung zur umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> 95<br />

Durch die Verwirklichung <strong>de</strong>s Binnenmarktes zum 31. Dezember 1992 als „Raum ohne<br />

Binnengrenzen, in <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> freie Verkehr von Waren, Personen und Dienstleistungen und<br />

Kapital“ gemäß <strong>de</strong>n Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs gewährleistet ist, vgl.<br />

Art. 14 (ex-Art. 7a) EGV, sowie die Schaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschafts- und Währungsunion zum<br />

1. Januar 1999, vgl. Art. 123 (ex-Art. 109l) EGV, wur<strong>de</strong>n zwei lang gehegte<br />

wirtschaftspolitische Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft verwirklicht.<br />

Jedoch verfolgt die durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Maastricht vom 7. Februar 1992 geschaffene<br />

Europäische <strong>Union</strong> (EU) 96<br />

nicht nur wirtschaftspolitische Zielsetzungen, wie dies noch für<br />

<strong>de</strong>n EWG angenommen wer<strong>de</strong>n konnte. Schon <strong><strong>de</strong>r</strong> durch Maastricht in Wegfall geb<strong>ra</strong>chte<br />

Buchstabe <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG hin zur EG kann als Beleg dafür dienen, daß von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nicht<br />

93<br />

Vgl. Bernd-Otto Kuper, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. (27) 1993, S. 102.<br />

94<br />

Vgl. EuGH, Rs. 130/75 (P<strong>ra</strong>is/Rat), Slg. 1976, S. 1589 ff.<br />

95<br />

Vgl. allgemein zum Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion: Hummer, Die Weiterentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

<strong>Union</strong> <strong>im</strong> Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungskonferenz ’96, in: Hummer (Hrsg.), Die Europäische<br />

<strong>Union</strong> nach <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam, Wien 1998, S. 3 ff., 7 – 14.<br />

96<br />

BGBl. 1992 II, S. 1253 ff.; in K<strong>ra</strong>ft getreten am 1. November 1993, BGBl. 1993 II, S. 1947.<br />

21


22<br />

länger eine Beschränkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion auf wirtschaftliche Teilbereiche angestrebt wird. 97<br />

Die Tätigkeitsfel<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> EG, wie sie in Art. 3 (ex-Art. 3) EGV zum Ausdruck kommen, haben<br />

sich nunmehr auch auf Materien (z.B. Umweltpolitik, Gesundheitswesen, Bildung und Kultur)<br />

erstreckt, die mit <strong><strong>de</strong>r</strong> ursprünglichen Wirtschaftsgemeinschaft nur noch wenig gemein haben.<br />

Diese Entwicklung wur<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n am 2. Oktober 1997 unterzeichneten Vert<strong>ra</strong>g von<br />

Amsterdam (AV) 98 , durch welchen – zum Leidwesen eines je<strong>de</strong>n Europarechtlers – en<br />

passant sämtliche Artikel, Titel und Abschnitte <strong>de</strong>s EGV und EUV umnumeriert wur<strong>de</strong>n, 99<br />

weiter fortgesetzt. Nach<strong>de</strong>m mit F<strong>ra</strong>nkreich <strong><strong>de</strong>r</strong> letzte Mitgliedstaat <strong>de</strong>n Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g<br />

nach seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften <strong>ra</strong>tifiziert hatte, konnte dieser gemäß Art. 14<br />

AV am 1. Mai 1999 in K<strong>ra</strong>ft treten, wodurch u.a. die Weichen für die Osterweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU<br />

gestellt sind.<br />

Die Ausweitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftskompetenzen hat zur Folge, daß religionsrechtliche<br />

Materien nicht mehr wie bisher nur peripher tangiert, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n teilweise durch verbindliche<br />

Vorgaben in Form von Richtlinien und Verordnungen mitgeregelt wer<strong>de</strong>n. Als Beispiele seien<br />

an dieser Stelle <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchliche Datenschutz, das kirchliche Arbeitsrecht sowie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Feiertagsschutz aufgezählt. Für die großen Kirchen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, <strong><strong>de</strong>r</strong>en anfängliche<br />

Aufbruchsst<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Hinblick auf die europäische Einigungsbewegung einer gewissen<br />

Ernüchterung Platz machte, 100<br />

97 Vgl. nur <strong>de</strong>n Titel <strong>de</strong>s Aufsatzes von Wägenbaur: „Auf <strong>de</strong>m Wege zur Bildungs- und<br />

Kulturgemeinschaft“, in: Ran<strong>de</strong>lzhofer/Scholz/Wilke (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Eberhard<br />

G<strong>ra</strong>bitz, München 1995, S. 851 ff. Dabei mußte <strong><strong>de</strong>r</strong> EWGV <strong>im</strong> Gegensatz zum EGKSV<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m EAGV vom Ansatz her <strong>im</strong>mer schon als ein ausfüllungsfähiger Rahmenvert<strong>ra</strong>g<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

war dies Anlaß für erste konkrete Vorstöße, um auf<br />

Gemeinschaftsebene die Sicherung bisheriger Rechtspositionen zu erreichen, die schließlich<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> schon erwähnten Erklärung Nr. 11 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs ihren<br />

Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag fan<strong>de</strong>n. Prinzipiell sind <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Bemühungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften zu begrüßen, <strong>de</strong>nn <strong>im</strong> Gegensatz zu <strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen<br />

98<br />

ABl. 1997, Nr. C 340, S. 1 ff.; vgl. hierzu Hummer (Hrsg.), Die Europäische <strong>Union</strong> nach<br />

<strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam, Wien 1998; Nanz/Silberberg, St<strong>ra</strong>tegien für das Europa von<br />

morgen – EG-Vert<strong>ra</strong>g und EU-Vert<strong>ra</strong>g in <strong><strong>de</strong>r</strong> Fassung <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Amsterdam – Texte<br />

und Kurzkommentar, Starnberg 1998; Streinz, Der Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam, EuZW 1998,<br />

S. 137 ff.; Thun-Hohenstein, Der Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam, Wien 1997.<br />

99<br />

Vgl. Art. 12 AV bzw. die bei<strong>de</strong>n Übereinst<strong>im</strong>mungstabellen für EGV und EUV <strong>im</strong> Anhang<br />

<strong>de</strong>s AV sowie hierzu Streinz, Aufbau, Struktur und Inhalt <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Amsterdam, in:<br />

Hummer (Hrsg.), S. 47 ff., 50 f.<br />

100<br />

Vgl. Link, Staat und Kirche <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s europäischen Einigungsprozesses, ZevKR 42<br />

(1997), S. 130 f.


Rechtsordnungen han<strong>de</strong>lt es sich be<strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht um eine vergleichsweise junge und<br />

sich weiterhin dynamisch entwickeln<strong>de</strong> Materie, die zu Beginn völlig „religionsblind“ war<br />

und für <strong><strong>de</strong>r</strong>en weitere Entwicklung noch Gestaltungsspiel<strong>ra</strong>um besteht.<br />

Während von alters her bei Staatsgründungen <strong>im</strong> europäischen Raum religionsrechtliche<br />

F<strong>ra</strong>gen eine nicht unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle spielten, war dies bei <strong>de</strong>n sektoriellen<br />

Integ<strong>ra</strong>tionsbestrebungen <strong><strong>de</strong>r</strong> drei Gemeinschaften an<strong><strong>de</strong>r</strong>s. So enthält die Präambel <strong>de</strong>s EGV<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s EUV – vergleichbar mit <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n iberischen Verfassungen – keinen<br />

Erwägungsgrund, in <strong>de</strong>m etwa die Ve<strong>ra</strong>ntwortung gegenüber „Gott“ ausgedrückt wird, wie<br />

dies in vielen Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist; ganz zu schweigen von einer invocatio <strong>de</strong>i wie in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> Irischen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Griechischen Verfassung. 101 Selbst wenn sich die EU, ähnlich<br />

einem freiheitlich-<strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen Staat, zur Neut<strong>ra</strong>lität in konfessioneller bzw. religiöser<br />

Hinsicht bis hin zum Weltbild verpflichten wür<strong>de</strong> – dies <strong>im</strong>pliziert, daß keine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Weltanschauung privilegiert o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar als ausschließlich zulässig vorgeschrieben wer<strong>de</strong>n darf –<br />

bräuchte sie ihren Ursprung als „christliches Abendland“ keinesfalls zu verleugnen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

könnte sich zu ihrer Recht, Kultur und Gesellschaft prägen<strong>de</strong>n christlichen T<strong>ra</strong>dition stellen,<br />

wie es auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong>de</strong>s Grundgesetzes geschehen ist. 102<br />

An dieser Stelle kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, daß aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Wandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> reinen<br />

Wirtschaftsgemeinschaft hin zu einem staatsähnliche Züge aufweisen<strong>de</strong>n Gemeinwesen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EU auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Berücksichtigung geistig-kultureller Elemente verstärkt Rechnung get<strong>ra</strong>gen<br />

wer<strong>de</strong>n sollte.<br />

3. Zusammenfassung<br />

Der Übergang von einer reinen Wirtschaftsgemeinschaft hin zur <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> verstärkt<br />

Kollisionen <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts mit religionsrechtlichen Angelegenheiten und erklärt<br />

<strong>de</strong>n Wunsch <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften nach einer gesicherten<br />

gemeinschaftsrechtlichen Rechtsposition.<br />

101 Vgl. hierzu Häberle, „Gott“ <strong>im</strong> Verfassungsstaat?, in: Fürst/Herzog/Umbach (Hrsg.), FS<br />

für Wolfgang Zeidler, Bd. 1, Berlin – New York 1987, S. 3 ff., 4 ff.<br />

102 Ebenso Herms, „Gott <strong>im</strong> Grundgesetz“ – aus evangelischer Sicht, in: Greive (Hrsg.), „Gott<br />

<strong>im</strong> Grundgesetz?“, Rehburg-Loccum 1994, S. 20 ff.; Steiger, Die Ga<strong>ra</strong>ntie <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />

in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten – P<strong>ra</strong>xis und Theorie, in: Köbler/Heinze/Schapp<br />

(Hrsg.), Gießen 1990, S. 525 ff., 549; a.A. Czermak, „Gott“ <strong>im</strong> Grundgesetz?, NJW 1999,<br />

S. 1300 ff.<br />

23


B. Grundtypen religionsrechtlicher Systeme in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong><br />

I. Grundsätzliches<br />

Beschäftigt man sich mit <strong>de</strong>n Ansätzen zu einem <strong>Europäischen</strong> <strong>Religionsrecht</strong>, so kommt man<br />

nicht umhin, sich gleich zu Beginn einen rechtsvergleichen<strong>de</strong>n Überblick über das<br />

<strong>Religionsrecht</strong> in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> zu verschaffen.<br />

Auch wenn alle europäischen Völker durch Geschehnisse wie die Christianisierung, die<br />

Reformation und Gegenreformation, verschie<strong>de</strong>ne Säkularisationen und Revolutionen geprägt<br />

wur<strong>de</strong>n, variieren die bestehen<strong>de</strong>n religiösen Systeme in Europa erheblich, da ebendiese<br />

Erfahrungen von <strong>de</strong>n europäischen Nationen unterschiedlich bewertet wur<strong>de</strong>n. 103<br />

Trotz<strong>de</strong>m ist die kirchliche Landschaft in Europa seit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 17 Jh. weitgehend<br />

konstant geblieben: So umfaßt Gesamteuropa 104 , d.h. das Europa von Portugal bis zum U<strong>ra</strong>l,<br />

von Island bis Malta ca. 520 Mio. Menschen, von <strong>de</strong>nen ca. 99 Mio. (= 19 %) Menschen –<br />

überwiegend aus <strong>de</strong>m Osten und Südosten Europas – orthodoxen Bekenntnisses sind;<br />

ca. 225 Mio. (= 43 %) <strong><strong>de</strong>r</strong> Einwohner vor allem Süd-, West- u. Mitteleuropas sind <strong>de</strong>m<br />

Katholizismus zugehörig. Ferner gehören ca. 83 Mio. Menschen (= 16 %) aus <strong>de</strong>m Nor<strong>de</strong>n<br />

Europas und aus Zent<strong>ra</strong>leuropa <strong>de</strong>m Protestantismus an; die gleiche Anzahl ist entwe<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

freikirchlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> konfessionslos. 105 Schließlich leben ca. 12 Mio. (= 2,3 %) Moslems<br />

überwiegend in Spanien, F<strong>ra</strong>nkreich und <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik und ca. 2 Mio. (= 0,38 %)<br />

Ju<strong>de</strong>n 106 in Europa. 107<br />

103<br />

Robbers, Partner für die Einigung, HK 1997, S. 622 ff., 624.<br />

104<br />

Die Röm.-Kath. Kirche hat von ihrem Selbstverständnis her Schwierigkeiten mit einem<br />

„Europa <strong><strong>de</strong>r</strong> EG“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> einem „Europa <strong>de</strong>s Europa<strong>ra</strong>ts“, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n meint mit Europa in erster<br />

Linie das durch die christliche Missionierung eine geistige Einheit bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Gesamteuropa,<br />

zu <strong>de</strong>m die byzantinische Ostkirche ebenso wie die römische Westkirche gehört, vgl.<br />

Kowalskij, Fn. 52, S. 66, 74; ebenso: Minne<strong>ra</strong>th, Die Kirche und die <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften,<br />

in: Puza/Kustermann (Hrsg.), Fn. 3, S. 115 ff., 124 f.<br />

105<br />

Zahlen bei Hans Maier, LThK, 3. Bd., Freiburg i. Br. 1993, Stichwort: Europa, Sp. 994 f.,<br />

998.<br />

106<br />

American Jewish Yearbook 1994: 1.924.800.<br />

25


26<br />

In diesem Zusammenhang ist es aufschlußreich, sich die drei in Europa vorherrschen<strong>de</strong>n<br />

Sp<strong>ra</strong>chkreise (angelsächsisch-germanisch, romanisch, slawisch) vor Augen zu führen, die<br />

weitgehend mit <strong>de</strong>n drei fundamentalen religiösen Religionssystemen in Europa (<strong>de</strong>m<br />

Protestantismus <strong>im</strong> Nor<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m Katholizismus <strong>im</strong> Südwesten 108 und <strong>de</strong>m orthodoxen<br />

Christentum <strong>im</strong> Osten) korrespondieren und <strong>de</strong>nen – trotz ihrer Zugehörigkeit zum<br />

übergeordneten Christentum – sehr unterschiedliche Menschen-, Gesellschafts- und<br />

Weltbil<strong><strong>de</strong>r</strong> zugrun<strong>de</strong> liegen. 109 Max Haller führt überzeugend an, daß das Konfliktpotential<br />

zwischen einem zent<strong>ra</strong>listisch-bürok<strong>ra</strong>tischen Mo<strong>de</strong>ll <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> mit einer<br />

starken Rolle <strong>de</strong>s sup<strong>ra</strong>nationalen Zent<strong>ra</strong>lorgans <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission, wie es von F<strong>ra</strong>nkreich<br />

angestrebt wird, und <strong>de</strong>m wi<strong><strong>de</strong>r</strong>steiten<strong>de</strong>n germanisch-angelsächsischen Mo<strong>de</strong>ll eines<br />

fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ativen Europas, seine tiefere Ursache <strong>im</strong> Gegensatz zwischen <strong>de</strong>m globaler<br />

ausgerichteten Katholizismus zum stärker individualistischen Protestantismus habe. 110<br />

Wenn<br />

das religiöse Denkmuster tatsächlich die Vorstellungen über die Verfassung Europas<br />

mitprägen sollte, so ist mit einer weitgehen<strong>de</strong>n künftigen Osterweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU vermutlich<br />

eine Übert<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s <strong>im</strong> orthodoxen Gedankengut verbreiteten Territorialitätsanspruchs auf<br />

Gemeinschaftsebene zu erwarten.<br />

Im folgen<strong>de</strong>n sollen die genannten religiösen Strömungen innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong><br />

etwas genauer beleuchtet wer<strong>de</strong>n.<br />

1. Katholizismus<br />

Bei allen bestehen<strong>de</strong>n nationalen und regionalen Unterschie<strong>de</strong>n, wie z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> starken<br />

Intellektualität in F<strong>ra</strong>nkreich, ist für die Röm.-Kath. Kirche vor allem die Tatsache prägend,<br />

107 Bet<strong>ra</strong>chtet man ausschließlich die Statistik <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU, so sind die Zahlen zu Lasten <strong><strong>de</strong>r</strong> Orthodoxen Kirche wie folgt zu<br />

korrigieren: Katholiken: 58,40 %; Protestanten: 18,40 %; Anglikaner: 11,00 %; Moslems:<br />

2,00 %; Ju<strong>de</strong>n: 0,04 %; Griechisch Orthodoxe: 2,70 %; an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Konfessionen und<br />

Konfessionslose: 7,50 %, vgl. Robbers, Staat und Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, in:<br />

Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995,<br />

S. 351 ff., 352. Allerdings kann es sich hier nur um eine Schätzung han<strong>de</strong>ln, die erneut<br />

aktualisiert wer<strong>de</strong>n müßte.<br />

108 Ausnahmen bestehen insofern für das katholische Irland sowie für Polen und Tschechien.<br />

109 Haller, Ethisch-nationale I<strong>de</strong>ntitäten und Beziehungen <strong>im</strong> neuen Europa, S. 77 ff., 85 f.;<br />

vgl. auch Rendtorff, Wie christlich wird Europa sein?, Zeitschrift für Evangelische Ethik<br />

(36) 1992, S. 99 ff., 100.<br />

110 Haller, Fn. 109, S. 86.


daß es sich bei ihr um eine von Rom zent<strong>ra</strong>l geführte Weltkirche han<strong>de</strong>lt, <strong><strong>de</strong>r</strong> keine nur<br />

europäische Ausrichtung zukommt. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Völkerrechtssubjektivität <strong>de</strong>s Hl. Stuhls, 111<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche, unterschei<strong>de</strong>t sich die Röm.-Kath. Kirche vor allem durch<br />

die Möglichkeit <strong>de</strong>s Abschlusses von Konkordaten von <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kirchen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

<strong>Union</strong>.<br />

Seit <strong>de</strong>m 27. November 1983 ist die Neufassung <strong>de</strong>s katholischen Gesetzbuches, <strong><strong>de</strong>r</strong> Co<strong>de</strong>x<br />

Iuris Canonici (CIC/1983) in K<strong>ra</strong>ft getreten, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Co<strong>de</strong>x Iuris Canonici vom 27. Mai 1917<br />

(CIC/1917) ersetzt und vor allem die Neuerungen <strong>de</strong>s Zweiten Vatikanischen Konzils<br />

(11. Oktober 1962 bis 8. Dezember 1965) 112 berücksichtigt. Der CIC ist das weltweit gelten<strong>de</strong><br />

Gesetzbuch <strong><strong>de</strong>r</strong> lateinischen Kirche <strong>im</strong> Hinblick auf die individuelle und korpo<strong>ra</strong>tive<br />

Religionsfreiheit, unabhängig vom jeweils herrschen<strong>de</strong>n politischen System. In ihm wer<strong>de</strong>n<br />

darüber hinaus das Selbstverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche <strong>im</strong> Hinblick auf ihren Auft<strong>ra</strong>g in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Welt sowie innere und äußere Strukturen festgelegt. 113<br />

2. Protestantismus<br />

Im Gegensatz zur römisch-katholischen Weltkirche herrscht <strong>im</strong> Protestantismus t<strong>ra</strong>ditionell<br />

ein regionaler Aufbau vor. So bestehen in Deutschland Lan<strong>de</strong>skirchen, in Skandinavien eine<br />

lutherische Kirche, in England dagegen die Anglikanische Kirche. Zwar ist <strong>im</strong> Protestantismus<br />

das volkskirchliche Element nicht so stark ausgeprägt wie <strong>im</strong> Katholizismus; doch<br />

begünstigt dieser ten<strong>de</strong>nziell das Entstehen <strong>de</strong>s Staatskirchentums. Ausnahmen bil<strong>de</strong>n<br />

insoweit Deutschland und die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>, da hier neben <strong>de</strong>m Protestantismus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Katholizismus als gleichwertiger Gegenpart <strong>im</strong>mer bestehen blieb. 114<br />

Außer<strong>de</strong>m existieren in <strong>de</strong>n protestantisch geprägten Mitgliedstaaten kleinere protestantische<br />

Kirchen, die für eine Trennung von Staat und Kirche eintreten, die sog. Freikirchen, die in<br />

111 Vgl. hierzu die Ausführungen unten B.III.1.a) sowie I.I.1.a).<br />

112 Vgl. hierzu z.B. Listl, Staat und Kirche in <strong>de</strong>n Aussagen <strong>de</strong>s Zweiten Vatikanischen<br />

Konzils, in: Isensee/Rüfner/Rees (Hrsg.), Kirche <strong>im</strong> freiheitlichen Staat – Schriften zum<br />

Staatskirchenrecht und Kirchenrecht, Zweiter Hbbd., Berlin 1996, S. 968 ff.; Loretan, <strong>Das</strong><br />

Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> römisch-katholischen Kirche zum Staat <strong>im</strong> Kontext <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte, in:<br />

Loretan (Hrsg.), Fn. 13, S. 100 ff.<br />

113 Vgl. hierzu Listl, Die Aussagen <strong>de</strong>s Co<strong>de</strong>x Iuris Canonici vom 25. Januar 1983 zum<br />

Verhältnis von Kirche und Staat, in: Isensee/Rüfner/Rees (Hrsg.), Fn. 112 , S. 1032 ff.,<br />

1034, 1036 ff.<br />

114 Vgl. Robbers, Fn. 107, S. 352.<br />

27


28<br />

Deutschland 300.000 Gemein<strong>de</strong>glie<strong><strong>de</strong>r</strong> zählen (z.B. Baptisten, Methodisten, Mennoniten). 115<br />

Der Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Freikirche entstand bereits <strong>im</strong> Verlauf <strong>de</strong>s 17. Jh. mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Free Church of<br />

Scotland als Gegenbewegung zur Anglikanischen Staatskirche. 116 Zum Selbstverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Freikirchen gehört die Ablehnung von verpflichten<strong>de</strong>n Bindungen an <strong>de</strong>n Staat o<strong><strong>de</strong>r</strong> an Teile<br />

eines staatlichen Appa<strong>ra</strong>ts; 117 die t<strong>ra</strong>ditionelle Ablehnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuer hat seinen Grund<br />

jedoch pr<strong>im</strong>är darin, daß die Freiwilligkeit <strong>de</strong>s Gebens durch die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> gewährleistet<br />

wer<strong>de</strong>n soll. 118<br />

3. Orthodoxie<br />

Die Orthodoxe Kirche in Griechenland, <strong><strong>de</strong>r</strong> weitreichen<strong>de</strong> Privilegien eingeräumt wer<strong>de</strong>n, gilt<br />

dort als „vorherrschen<strong>de</strong> Religion“. Mission durch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Religionsgemeinschaften wur<strong>de</strong> in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit oftmals als „Proselytenmacherei“ scharf kritisiert und von Staats wegen<br />

sanktioniert. Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e bei <strong>de</strong>n osteuropäischen Russisch-Orthodoxen Kirchen wer<strong>de</strong>n<br />

westliche Werte <strong>im</strong> allgemeinen abgelehnt. Derzeit haben in <strong><strong>de</strong>r</strong> EU jedoch die „lateinischen<br />

Kirchen“ das Sagen, was sich erst durch eine ausge<strong>de</strong>hnte Osterweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU – z.B. bei<br />

einem Beitritt von Bulgarien, Rumänien, Uk<strong>ra</strong>ine – ein wenig zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Orthodoxen<br />

Kirchen verschieben könnte, zumal es sich bei <strong>de</strong>n vor<strong>ra</strong>ngigen Beitrittskandidaten mit<br />

westlicherem Wirtschaftssystem (Polen, Tschechien, Slowenien, Ungarn) überwiegend um<br />

vom Katholizismus geprägte Län<strong><strong>de</strong>r</strong> han<strong>de</strong>lt.<br />

115 Vgl. hierzu: Burkart, Die Freikirchen <strong>im</strong> ökumenischen Dialog, MD 1996, S. 54.; Klaiber,<br />

Die Unkenntnis über<strong>ra</strong>scht – Vom Methodisten bis Baptisten: <strong>Das</strong> evangelische Spektrum<br />

umfaßt mehr als nur die Lan<strong>de</strong>skirchen, RM Nr. 25 vom 20.6.1997, S. 24.<br />

116 Weiterführen<strong>de</strong> Hinweise in: Freikirchenforschung, MD 1998, S. 40.<br />

117 Motel in: Gasper/Müller/Valentin (Hrsg.), Lexikon, Stichwort: Freikirchen.<br />

118 Vgl. 2. Kor. 9, 7; aus diesem Grun<strong>de</strong> zeugt es von geringer Kenntnis <strong>de</strong>s freikirchlichen<br />

Systems, wenn v. Campenhausen, Fn. 74, S. 281, ausführt: „Wer die tarifmäßigen Beiträge<br />

[Anm. <strong>de</strong>s Verfassers: Solche existieren gar nicht] in Freikirchen [...] nicht erbringt, wird in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Regel alsbald nicht mehr als Mitglied geführt.“ Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> von Freikirchen geben in<br />

aller Regel ganz freiwillig und ohne Steuerpflicht oft buchstäblich <strong>de</strong>n Zehnten ihres<br />

Einkommens, vgl. auch P<strong>ra</strong>ntl, Der Staat – weltlicher Arm <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche?, in: Fahr (Hrsg.),<br />

Kirchensteuer – Notwendigkeit und Problematik, Regensburg 1996, S. 83 ff., 84.


4. Ju<strong>de</strong>ntum<br />

<strong>Das</strong> Ju<strong>de</strong>ntum spielt heutzutage in Europa als Religionsgemeinschaft nur mehr eine<br />

untergeordnete Rolle. Trotz<strong>de</strong>m ist die jüdische Religion – aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Erkenntnis, daß<br />

dieser in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit mitunter religiöse Verfolgung zuteil gewor<strong>de</strong>n ist, die von<br />

vielfältigen Diffamierungen und Diskr<strong>im</strong>inierungen über verschie<strong>de</strong>ne Pogrome bis hin zum<br />

Holocaust reichte – in <strong>de</strong>n meisten Mitgliedstaaten trotz ihrer geringen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl als<br />

Religionsgemeinschaft offiziell anerkannt. Im Gegensatz zu christlichen Feiertagen, die über<br />

Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV als gesetzliche und damit weltliche Feiertage Schutz<br />

genießen, ist dies selbst bei hohen jüdischen Feiertagen, wie z.B. <strong>de</strong>m Jom Kippur, nicht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Fall. Dies hat zur Folge, daß sich jüdische Schulkin<strong><strong>de</strong>r</strong> an diesen Tagen schulfrei nehmen<br />

müssen, wobei das Fehlen z.B. bei Klassenarbeiten sehr schnell zu neuerlichen Vorurteilen<br />

führen kann und die Integ<strong>ra</strong>tion von Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong> jüdischen Religion weiterhin<br />

behin<strong><strong>de</strong>r</strong>t. 119<br />

5. Islam<br />

Infolge <strong>de</strong>s Zuzugs von Gastarbeitern, vor allem aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Türkei, aber auch aus Pakistan sowie<br />

von Kriegsflüchtlingen, z.B. aus Bosnien o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Kosovo, gewinnen die Einflüsse islamischer<br />

Kultur und Religion in Europa, namentlich in Deutschland, <strong>im</strong>mer mehr an Be<strong>de</strong>utung:<br />

Während die bei<strong>de</strong>n Volkskirchen beständig schrumpfen, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Islam mit ca. 2,5 Mio.<br />

Anhängern zur drittstärksten Religionsgemeinschaft in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik avanciert. 120 <strong>Das</strong><br />

Vordringen <strong>de</strong>s Islams in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU läßt sich beispielsweise an <strong>de</strong>n<br />

rechtlichen Problemfel<strong><strong>de</strong>r</strong>n um <strong>de</strong>n Muezzin-Ruf 121 , das Schächten von Tieren 122<br />

, das<br />

119<br />

Friedman, Die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Glaubensfreiheit aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> jüdischen Religion, in:<br />

Deutsche Sektion <strong><strong>de</strong>r</strong> Internationalen Juristen-Kommission (Hrsg.), Religionsfreiheit,<br />

Hei<strong>de</strong>lberg 1996, S. 81 f.; aus diesem Grund ist gemeinschaftsrechtlich von großer<br />

Be<strong>de</strong>utung, daß Schulen und sonstige staatliche Behör<strong>de</strong>n diesen Feiertagen an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />

Religionsgemeinschaften gebührend Rechnung t<strong>ra</strong>gen, vgl. hierzu das Urteil <strong>de</strong>s EuGH in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. P<strong>ra</strong>is, s.u. C.II.1, wonach das Europarecht die religiösen Wurzeln von Feiertagen<br />

beachten muß.<br />

120<br />

Dies stellte schon 1990 Hollerbach, Entwicklungen <strong>im</strong> Verhältnis von Staat und Kirche, in:<br />

Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong>/Steinberg (Hrsg.), Hei<strong>de</strong>lberg 1990, S. 71 ff., 75, fest. Aktuell hierzu Hillgruber,<br />

Der <strong>de</strong>utsche Kulturstaat und <strong><strong>de</strong>r</strong> musl<strong>im</strong>ische Kultur<strong>im</strong>port, JZ 1999, S. 538 ff.<br />

121<br />

Vgl. hierzu Guntau, Der Ruf <strong>de</strong>s Muezzin in Deutschland – Ausdruck <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit?,<br />

ZevKR 43 (1998), S. 369 ff.; Muckel, Streit um <strong>de</strong>n musl<strong>im</strong>ischen Gebetsruf –<br />

29


30<br />

Kopftucht<strong>ra</strong>gen <strong>im</strong> Schulunterricht 123 sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nach einem eigenen islamischen<br />

Religionsunterricht 124<br />

festmachen.<br />

Auf Bun<strong>de</strong>sebene existieren zwei islamische Organe: Der multikulturelle „Zent<strong>ra</strong>l<strong>ra</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Musl<strong>im</strong>e“ – eine Pa<strong>ra</strong>llele zum „Zent<strong>ra</strong>l<strong>ra</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> Ju<strong>de</strong>n“ – sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> überwiegend Türken<br />

vertreten<strong>de</strong> „Islam<strong>ra</strong>t“. Gleichwohl nehmen bei<strong>de</strong> Organe für sich in Anspruch, in<br />

125<br />

Deutschland das Vertretungsorgan aller Musl<strong>im</strong>e zu sein. Zweck solcher Vereinigungen ist<br />

vor allem die Einflußnahme in aktuellen politischen und gesellschaftlichen F<strong>ra</strong>gen, wie z.B.<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Ausgestaltung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Staatsangehörigkeitsrechts <strong>im</strong> Hinblick auf eine doppelte<br />

Staatsangehörigkeit. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als das Ju<strong>de</strong>ntum hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Islam als Religionsgemeinschaft in<br />

Deutschland keine offizielle Anerkennung durch Verleihung eines öffentlich-rechtlichen<br />

Körperschaftsstatus gefun<strong>de</strong>n. 126<br />

Der Ruf <strong>de</strong>s Muezzin <strong>im</strong> Spannungsfeld von Religionsfreiheit und einfachem Recht,<br />

NWVBl. 1998, S. 1 ff.<br />

122 Vgl. hierzu z.B. Müller-Volbehr, Religionsfreiheit und Tierschutz: Zur Zulässigkeit religiös<br />

motivierten Schächtens – BVerwG, NVwZ 1996, 61, JuS 1997, S. 223 ff.; Trute, <strong>Das</strong><br />

Schächten von Tieren <strong>im</strong> Spannungsfeld von Tierschutz und Religionsausübungsfreiheit –<br />

BVerwG – NVwZ 1996, 61 ff –, Ju<strong>ra</strong> 1996, S. 462 ff.<br />

123 Vgl. hierzu die Ausführungen unten B.II.2.a); E.VI.3.<br />

124 Auch wenn die F<strong>ra</strong>ge <strong>de</strong>s islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen in<br />

letzter Zeit wie<strong><strong>de</strong>r</strong> verstärkt diskutiert wird, vgl. z.B. Korioth, Fn. 75, S. 1041 ff.; Schuck,<br />

Islamischer Religionsunterricht?, MD 1999, S. 21 f., ist die Problematik nicht neu, vgl.<br />

Füssel/Nagel, Islamischer Religionsunterricht und Grundgesetz, EuGRZ 1985, S. 497 ff.<br />

Allerdings hat die bislang eher theoretische F<strong>ra</strong>ge durch ein Urteil <strong>de</strong>s OVG Berlin,<br />

NVwZ 1999, S. 786 ff., in <strong>de</strong>m dieses <strong><strong>de</strong>r</strong> türkisch-musl<strong>im</strong>ischen Organisation „Islamische<br />

Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ation“ das Recht zuerkannt hat, an staatlichen Schulen einen – finanziell durch das<br />

Land Berlin unterstützten – Religionsunterricht zu erteilen, neu an Be<strong>de</strong>utung gewonnen,<br />

vgl. Fechner, Islamischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, NVwZ 1999,<br />

S. 735 ff.; Schuck, a.a.O., S. 21.<br />

125 Vgl. Stahr, Fn. 179, S. 3.<br />

126 Begrün<strong>de</strong>t wird dies damit, daß es <strong>im</strong> Islam verschie<strong>de</strong>ne Strömungen gebe, die eine<br />

einheitliche Anerkennung verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n wür<strong>de</strong>n. So sei die Konkurrenz dieser islamischen<br />

Vereinigungen unter <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>s Rechtsfrie<strong>de</strong>ns als ein Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nis für die Verleihung<br />

eines Status als K.d.ö.R. zu werten, vgl. Albrecht, Die Verleihung <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperschaftsrechte<br />

an islamische Vereinigungen, KuR 210, S. 1 ff. Friedman, Fn. 119, S. 85, sowie Müller-<br />

Volbehr, Fn. 122, S. 226, weisen zutreffend da<strong>ra</strong>uf hin, daß es solcherlei Strömungen auch<br />

<strong>im</strong> Christentum gebe, was freilich die Anerkennung <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen christlichen<br />

Religionsgemeinschaften nicht hin<strong><strong>de</strong>r</strong>e. Rechtlich haltbar erscheint eine Ablehnung <strong>de</strong>s<br />

öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus für islamische Religionsgemeinschaften einzig<br />

und allein bei nachweislicher Demok<strong>ra</strong>tiefeindlichkeit, soweit die sonstigen Vo<strong>ra</strong>ussetz-


Eine Osterweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU um die Türkei, welcher auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Tagung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Rats<br />

am 10./11. Dezember 1999 in Helsinki <strong><strong>de</strong>r</strong> Status eines Beitrittskandidaten eingeräumt<br />

wur<strong>de</strong>, 127 hätte eine verstärkte Zunahme orientalischer und moslemischer<br />

Wertvorstellungen 128<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> EU zur Folge.<br />

6. Atheismus<br />

Im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m <strong>Religionsrecht</strong> muß auch eine weitere, ten<strong>de</strong>nziell stark<br />

wachsen<strong>de</strong> Gruppe genannt wer<strong>de</strong>n – diejenige <strong><strong>de</strong>r</strong> Atheisten und Agnostiker. So gehörten<br />

beispielsweise schon <strong>im</strong> Jahre 1990 in Belgien 45 %, in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n 61 %, in<br />

ungen für die Erteilung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus nachgewiesen wer<strong>de</strong>n können. In diese<br />

Richtung Hillgruber, Fn. 120, S. 546; vgl. auch die Ausführungen unten J.III.2. Von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Erteilung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus hängen in<strong>de</strong>s weitere Rechte ab: Korioth, Fn. 75,<br />

S. 1046 ff., kommt zum Schluß, daß die Vo<strong>ra</strong>ussetzungen für die Erteilung islamischen<br />

Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen erst eröffnet seien, wenn musl<strong>im</strong>ische<br />

Gemeinschaften ebendiesen Status erlangt hätten.<br />

127 SZ Nr. 287 vom 11./12.12.1999, S. 1.<br />

128 Zwar soll das islamische Rechtssystem, die Schari c ah, keinen Zwang in<br />

Glaubensangelegenheiten kennen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n Anhängern <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen Religionen das<br />

Recht einräumen, ihren eigenen Glauben zu verkün<strong>de</strong>n und ihre Gotteshäuser zu errichten,<br />

so Razvi, Die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Glaubensfreiheit aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong>de</strong>s Islam, in: Deutsche Sektion<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Internationalen Juristen-Kommission (Hrsg.), Religionsfreiheit, Hei<strong>de</strong>lberg 1996,<br />

S. 35 ff. Die P<strong>ra</strong>xis in islamisch-fundamentalistischen Staaten differiert hiervon allerdings<br />

erheblich. So steht auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Apostasie t<strong>ra</strong>ditionell die To<strong>de</strong>sst<strong>ra</strong>fe. Ein Aus- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Übertritt zu<br />

einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaft ist <strong>de</strong>mnach nicht möglich, so auch Müller-Volbehr,<br />

Fn. 24, S. 347. Grund hierfür ist, daß die Kairoer Islamische Menschenrechtserklärung aus<br />

<strong>de</strong>m Jahre 1990 zwar grds. die Religionsfreiheit gewährleistet, in Art. 24 aber bekräftigt,<br />

daß alle in dieser Erklärung nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegten Rechte und Freiheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Islamischen Schari c ah<br />

unterstellt sind, vgl. Fer<strong>ra</strong>ri, Church and state in Europe. Common pattern and challenges,<br />

in: Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/Tempel/Torfs (Hrsg.), Fn. 31, S. 33 ff., 40.<br />

31


32<br />

Großbritannien 59 % und in F<strong>ra</strong>nkreich 60 % aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Altersgruppe <strong><strong>de</strong>r</strong> 18 – 24jährigen keiner<br />

Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft an. 129<br />

Infolge <strong><strong>de</strong>r</strong> gelockerten Anbindung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>sbürger an <strong>de</strong>n christlichen Glauben wer<strong>de</strong>n die<br />

Versuche von wettbewerbsorientierten Unternehmen <strong>im</strong>mer erfolgreicher, <strong>de</strong>n Sonntag als<br />

„normalen freien Tag“ in die Arbeitswoche einzubeziehen, was jedoch zu einer sukzessiven<br />

Aushöhlung <strong><strong>de</strong>r</strong> verfassungsrechtlich geschützten Sonntagsruhe (vgl. Art. 140 GG i.V.m.<br />

Art. 139 WRV) führt. 130<br />

Auch hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR zur Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland <strong>de</strong>n Atheismus innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EU geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t. So wur<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> atheistischen sozialistischen Gesellschaftsordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR<br />

<strong>de</strong>m marxistisch-leninistischen Weltbild zuwi<strong><strong>de</strong>r</strong>laufen<strong>de</strong> religiöse Überzeugungen<br />

größtenteils als Fremdkörper abgetan und durch areligiöse Formen, z.B. die „Jugendweihe“,<br />

ersetzt. 131<br />

Der beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s von christlichen Kirchen erhoffte Weltbild- und Wertewan<strong>de</strong>l in <strong>de</strong>n<br />

neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach <strong>de</strong>m Zusammenbruch <strong>de</strong>s DDR-Reg<strong>im</strong>es blieb weitgehend aus.<br />

II. <strong>Religionsrecht</strong>liche Systeme <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Mitgliedstaaten<br />

Die religionsrechtlichen Systeme innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten variieren mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger<br />

stark voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong>. Trotz<strong>de</strong>m lassen sich drei Hauptströmungen dieser Systeme ausmachen,<br />

die t<strong>ra</strong>ditionell <strong>de</strong>n Begriffen <strong>de</strong>s Staatskirchentums einerseits, <strong><strong>de</strong>r</strong> strengen Trennung von<br />

Staat und Kirche i.S.d. laïcité an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits sowie <strong>de</strong>m Mittelweg einer Koope<strong>ra</strong>tion von Staat<br />

und Kirche trotz grundsätzlicher Trennung zugeordnet wer<strong>de</strong>n. 132<br />

1. Staatskirchentum<br />

129 Vgl. die Statistik bei Kerkhofs, Der Priestermangel in Europa, in: Kerkhofs/Zulehner<br />

(Hrsg.), Europa ohne Priester, Düsseldorf 1995, S. 11 ff., 21.<br />

130 Vgl. Steiger, Fn. 102, S. 528, 548.<br />

131 Vgl. hierzu Steiger, Fn. 102, S. 529 f., sowie Bleistein, Fn. 16, S. 403.<br />

132 Kustermann/Puza, Fn. 85, S. 11, gelangt aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenfassung bei<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Trennungssysteme (Laizität und Koope<strong>ra</strong>tion) zu einer Zweiteilung.


<strong>Das</strong> System <strong>de</strong>s Staatskirchentums, wie es in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten Dänemark, England,<br />

Griechenland, Finnland und (bis En<strong>de</strong> 1999) Schwe<strong>de</strong>n behe<strong>im</strong>atet ist, ist gekennzeichnet<br />

durch eine enge Verbindung zwischen <strong>de</strong>m Staat und zumeist einer Kirche, welcher zwar<br />

beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e staatliche Privilegien zuteil wer<strong>de</strong>n, die sich jedoch eine staatliche<br />

Lenkungsbefugnis hinsichtlich innerer Entscheidungsprozesse, wie z.B. bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ernennung<br />

kirchlicher Wür<strong>de</strong>nträger, gefallen lassen muß.<br />

a) Dänemark 133<br />

Art. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> Dänischen Verfassung (Dän.Verf.) anerkennt ausdrücklich die Ev.-Luth. Kirche als<br />

dänische Volkskirche; nach Art. 6 Dän.Verf. soll auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Monarch ein Mitglied dieser Kirche<br />

sein. Als Volkskirche wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Ev.-Luth. Kirche <strong>im</strong> Gegensatz zu <strong>de</strong>n gemäß<br />

Art. 69 Dän.Verf. anerkannten sonstigen Religionsgemeinschaften (die von <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath.<br />

Kirche bis zur Bahá’i-Religion reichen) staatliche Unterstützung zugesichert. Alle<br />

Kirchenentscheidungen wer<strong>de</strong>n vom staatlichen Parlament, nicht etwa von einem kirchlichen<br />

Vertretungsorgan, etwa einer Syno<strong>de</strong>, gefaßt. Überdies ist die Volkskirche <strong>de</strong>m Minister für<br />

Kirchenangelegenheiten unterstellt. Die Geistlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Volkskirche und <strong><strong>de</strong>r</strong> bisher<br />

anerkannten Religionsgemeinschaften haben trotz ihrer Qualifikation als Religionsgemeinschaft<br />

z.T. staatliche Verwaltungsaufgaben, wie z.B. die Führung <strong><strong>de</strong>r</strong> amtlichen Bücher<br />

134<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> öffentliche Beglaubigungen, durchzuführen. In Dänemark wird Kirchensteuer<br />

erhoben. 135<br />

b) Vereinigtes Königreich 136<br />

Im Vereinigten Königreich, das sich aus drei unterschiedlichen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n (England mit Wales,<br />

Schottland und Nordirland) mit jeweils eigenem Rechtssystem zusammensetzt, existieren<br />

unterschiedliche religionsrechtliche Systeme.<br />

133<br />

Vgl. hierzu Bleckmann, Staat und Kirche in <strong>de</strong>n nordischen Staaten, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e in<br />

Dänemark, in: Von <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen Religionsfreiheit <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK zum Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen – Ansätze zu einem ”<strong>Europäischen</strong> Staatskirchenrecht”, Köln –<br />

Berlin – Bonn – München 1995, S. 77 ff.; Dübeck, Staat und Kirche in Dänemark, in:<br />

Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995, S. 39 ff.<br />

134<br />

Dübeck, Fn. 133, S. 43 ff.<br />

135<br />

Vgl. Dübeck, Fn. 133, S. 48, 56.<br />

136<br />

Vgl. hierzu Bleckmann, <strong>Das</strong> Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Church of England zum britischen Staat,<br />

Fn. 133, S. 123 ff.; McClean, Staat und Kirche <strong>im</strong> Vereinigten Königreich, in: Robbers<br />

(Hrsg.), Fn. 133, S. 333 ff.<br />

33


34<br />

In England manifestiert sich das Staatskirchentum augenscheinlich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

englische Monarch zugleich auch das Oberhaupt <strong><strong>de</strong>r</strong> anglikanischen Church of England ist,<br />

daß 26 anglikanische Bischöfe, die vom Monarchen ernannt wer<strong>de</strong>n, Sitz und St<strong>im</strong>me <strong>im</strong><br />

House of Lords hatten 137 und daß kirchliche Gerichte gewissermaßen staatliche Gerichte<br />

sind. 138 Außer<strong>de</strong>m bedürfen Kirchengesetze <strong><strong>de</strong>r</strong> Gene<strong>ra</strong>l Synod, <strong>de</strong>nen dieselbe Wirkung wie<br />

einem Parlamentsgesetz zukommt, aufgrund <strong>de</strong>s Enabling Act von 1919 <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen<br />

Bestätigung durch das Parlament. 139<br />

In Wales dagegen ist die Anglikanische Kirche ebenso wie in Nordirland entstaatlicht, wobei<br />

letztere Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Anglikanischen Kirche von Irland ist, welche ganz Irland einschließlich<br />

Nordirland umfaßt. Ob die jüngst gestärkte politische Autonomie Nordirlands auch<br />

kirchenverwaltungsmäßige Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen nach sich zieht, bleibt abzuwarten.<br />

In Schottland dagegen dominiert die presbyterianisch verfaßte Kirk of Scotland als<br />

Staatskirche; <strong>im</strong> Vergleich mit dieser führt die Anglikanische Kirche in Schottland ein<br />

Schattendasein. Da mehrere Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>te lang kein eigenes schottisches Parlament existieren<br />

durfte, ist die jährliche Gene<strong>ra</strong>lversammlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche von Schottland mitunter Ausdruck<br />

schottischen Nationalgefühls. 140<br />

c) Griechenland 141<br />

Die auf <strong>de</strong>n Cäsaropapismus zurückgehen<strong>de</strong> enge Verbindung zwischen Staat und Kirche in<br />

Griechenland dokumentiert sich darin, daß das orthodoxe Bekenntnis gemäß Art. 3 § 1 <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

142<br />

Griechischen Verfassung (Griech.Verf.) von 1975 als „vorherrschen<strong>de</strong> Religion“<br />

137<br />

Vgl. McClean, Fn. 136, S. 337; gegen die St<strong>im</strong>men einiger Peers st<strong>im</strong>mte das House of<br />

Lords jedoch am 27.10.1999 seiner weitgehen<strong>de</strong>n Auflösung zu, vgl. SZ Nr. 250 vom<br />

28.10.1999, S. 1.<br />

138<br />

Doe, Churches in the United Kingdom and the Law of Data Protection, in: Robbers (Hrsg.),<br />

Europäisches Datenschutzrecht und die Kirchen, S. 167 ff., 169.<br />

139<br />

McClean, Fn. 136, S. 338; 340 f.; Pearce, in: Christoph, 3. Tagung über „Europäisches<br />

Gemeinschaftsrecht – kirchliches Dienst- und Arbeitsrecht“, ZevKR 37 (1992), S. 415 ff.,<br />

420.<br />

140<br />

McClean, Fn. 136, S. 337.<br />

141<br />

Vgl. hierzu Bleckmann, Die Rechtsstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen nach griechischem Recht, Fn. 133,<br />

S. 131 ff.; Papastathis, Staat und Kirche in Griechenland, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133,<br />

S. 79 ff.<br />

142<br />

Hierunter versteht man, daß das orthodoxe Dogma offizielle Religion <strong>im</strong> griechischen Staat<br />

ist, wodurch <strong><strong>de</strong>r</strong> Orthodoxen Kirche ein öffentlich-rechtlicher Körperschaftsstatus sowie<br />

weitere Son<strong><strong>de</strong>r</strong>behandlungen zuteil wer<strong>de</strong>n, vgl. Papastathis, Fn. 141, S. 82.


ezeichnet wird. Die Verfassung von 1952 hatte sogar noch einen Eid <strong>de</strong>s Monarchen zur<br />

Verteidigung <strong>de</strong>s orthodoxen Bekenntnisses vorgesehen. Staatliche Festlichkeiten wer<strong>de</strong>n<br />

nach wie vor in <strong>de</strong>n gottesdienstlichen Gebräuchen <strong><strong>de</strong>r</strong> Orthodoxen Kirche begangen; <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Staat übern<strong>im</strong>mt die Besoldung (nur) <strong>de</strong>s orthodoxen Klerus.<br />

<strong>Das</strong> Erzbistum Griechenland ist autokephal, d.h. innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> orthodoxen Kirchen mit<br />

eigenem Oberhaupt und eigenständiger Verwaltung versehen, wobei jedoch eine enge<br />

Verbindung mit <strong>de</strong>m ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel und je<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

orthodoxen Kirche besteht. 143 Allerdings wird diese Grundordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Griechisch-<br />

Orthodoxen Kirche vom staatlichen Gesetzgeber vorgegeben 144 und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Einhaltung durch<br />

<strong>de</strong>n Staats<strong>ra</strong>t, das oberste Verwaltungsgericht, überprüft. 145<br />

Eine weitgehen<strong>de</strong><br />

Selbstverwaltung genießt nach Art. 105 Griech.Verf. <strong><strong>de</strong>r</strong> Berg Athos.<br />

Auch wenn Art. 13 Griech.Verf. die Religionsfreiheit an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Bekenntnisse grds. achtet,<br />

verbietet Art. 13 § 2 S. 3 Griech.Verf. ausdrücklich je<strong>de</strong> Art von Proselytismus. 146<br />

143 Vgl. Art. 3 § 1 Griech.Verf. sowie Papastathis, Fn. 141, S. 83 f.<br />

144 Vgl. nur Spyropoulos, Datenschutz und Kirchen in Griechenland, in: Robbers (Hrsg.),<br />

Europäisches Datenschutzrecht und die Kirchen, S. 45 f.<br />

145 Papastathis, Fn. 141, S. 86.<br />

146 Hierunter versteht man die systematische Abwerbung von einer bestehen<strong>de</strong>n religiösen<br />

Überzeugung, vgl. Papastathis, Fn. 141, S. 90. Nicht ohne Grund hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR Gesetze<br />

aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Metaxas-Diktatur, welche die Ahndung von Proselytismus mit<br />

Gefängnisst<strong>ra</strong>fe vorsahen, als mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit nach Art. 9 EMRK für unvereinbar<br />

erklärt, s.u. E.III.2.a). Ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es Gesetz aus dieser Zeit, das vom griechischen Gesetzgeber<br />

noch nicht aufgehoben wur<strong>de</strong>, macht die Einrichtung von Kirchen und Gebetshäusern von<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Erlaubnis <strong>de</strong>s örtlichen orthodoxen Metropoliten (Verwalter einer <strong><strong>de</strong>r</strong> 80 griechischen<br />

Kirchenprovinzen) abhängig, die i.d.R. verweigert wird, was für kleinere<br />

Religionsgemeinschaften regelmäßig das Beschreiten <strong>de</strong>s Rechtswegs bis zum Staats<strong>ra</strong>t<br />

notwendig macht, vgl. Papastathis, Fn. 141, S. 90. In seiner Entscheidung vom 26.9.1996,<br />

BNr. 18748/91 (Manoussakis/Griechenland), hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR einen Verstoß gegen<br />

Art. 9 EMRK festgestellt, nach<strong>de</strong>m infolge mehrjähriger Untätigkeit <strong>de</strong>s Metropoliten ein<br />

Kirchengebäu<strong>de</strong> ohne Genehmigung in Betrieb genommen wor<strong>de</strong>n war, was prompt zur<br />

Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens sowie einer Verurteilung<br />

führte. Vgl. <strong>im</strong> übrigen die Ausführungen unten E.VI.3.<br />

35


36<br />

d) Finnland 147<br />

In Finnland existieren aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> historischen Zugehörigkeit zu Schwe<strong>de</strong>n bzw. Rußland<br />

zwei Staatskirchen: die Ev.-Luth. Kirche, welcher <strong><strong>de</strong>r</strong> überwiegen<strong>de</strong> Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> finnischen<br />

Gesamtbevölkerung angehört, und die Griechisch-Orthodoxe Kirche. Die Organisation und<br />

Verwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ev.-Luth. Kirche wird gemäß Art. 83 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> Finnischen Verfassung<br />

(Finn.Verf.), die <strong><strong>de</strong>r</strong> Orthodoxen Kirche gemäß Art. 83 Abs. 2, Art. 90 Finn.Verf. jeweils<br />

durch ein vom Parlament erlassenes Kirchengesetz geregelt, wobei allerdings <strong><strong>de</strong>r</strong> Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchengesetze von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gene<strong>ra</strong>lversammlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen vorgegeben ist und nur letztere<br />

Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchengesetze vorschlagen können.<br />

148<br />

Die Rahmenbest<strong>im</strong>mungen für die<br />

Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> übrigen Religionsgemeinschaften (Zeugen Jehovas u.a.) wer<strong>de</strong>n durch das<br />

aufgrund Art. 83 Abs. 3 Finn.Verf. erlassene Gesetz über die Religionsfreiheit konkretisiert.<br />

Allerdings ist das Staatskirchentum in Finnland nicht dominanter Natur, wofür die Möglichkeit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Einflußnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatskirchen auf das Kirchengesetz ein Beleg sind mag. Immerhin<br />

aber wer<strong>de</strong>n die Bischöfe bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Besoldung <strong><strong>de</strong>r</strong> finnische Staat übern<strong>im</strong>mt,<br />

vom Staatspräsi<strong>de</strong>nten ernannt. Im übrigen gestaltet die Ev.-Luth. Kirche, die – ebenso wie<br />

die Orthodoxe Kirche – zum staatlichen Kirchensteuereinzugsverfahren berechtigt ist,<br />

Gottesdienste anläßlich beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Staatsfeierlichkeiten.<br />

e) Schwe<strong>de</strong>n 149<br />

Ca. 88 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwe<strong>de</strong>n gehören nominell <strong><strong>de</strong>r</strong> Ev.-Luth. Kirche von Schwe<strong>de</strong>n an. Trotz<strong>de</strong>m<br />

ist religiöses Leben in Schwe<strong>de</strong>n nicht sehr stark ausgeprägt, was sich darin dokumentiert, daß<br />

nur ca. 2 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung <strong>de</strong>n sonntäglichen Gottesdienst besuchen; einen be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n<br />

Anteil hie<strong>ra</strong>n haben überdies Gottesdienstbesucher <strong><strong>de</strong>r</strong> aus <strong>de</strong>n<br />

Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>erweckungsbewegungen <strong>de</strong>s 19. Jh. hervorgegangenen Freikirchen, wie z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

„Mission Bun<strong>de</strong>skirche von Schwe<strong>de</strong>n“. Schwe<strong>de</strong>n verband in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit ein<br />

t<strong>ra</strong>ditionelles Staatskirchentum; dies läßt sich vor allem da<strong>ra</strong>n festmachen, daß erstens <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Monarch <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche von Schwe<strong>de</strong>n zugehören mußte, zweitens das schwedische Parlament<br />

die Kirchengesetze für die Kirche von Schwe<strong>de</strong>n erließ, wobei die kirchliche Gene<strong>ra</strong>lsyno<strong>de</strong><br />

bis 1982 nur teilweise ein Mitsp<strong>ra</strong>cherecht hatte, und drittens vor 1994 geborene Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> grds.<br />

schon dann automatisch Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche von Schwe<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n, wenn ein Elternteil<br />

150<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitglied war.<br />

147<br />

Vgl. Heikkilä/Knuutila/Scheinin, Staat und Kirche in Finnland, in: Robbers (Hrsg.),<br />

Fn. 133, S. 303 ff.<br />

148<br />

Heikkilä/Knuutila/Scheinin, Fn. 147, S. 308 ff.<br />

149<br />

Schött, Staat und Kirche in Schwe<strong>de</strong>n, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133, S. 319 ff.<br />

150<br />

Vgl. zum bisherigen <strong>Religionsrecht</strong>: Schött, Fn. 149, S. 322 ff.


Jüngst haben sich diese engen Verflechtungen zwischen Staat und Kirche gelockert: So hat<br />

1994 eine Parlamentskommission eine Neuordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> zukünftigen Staat-Kirche-<br />

Beziehungen ausgearbeitet, wonach die Kirche von Schwe<strong>de</strong>n insofern entstaatlicht wird, als<br />

ihr ein eigener, staatsunabhängiger Rechtsstatus zuerkannt wird, <strong>de</strong>n auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

Konfessionen erlangen können sollen. Kirchliche Gemein<strong>de</strong>n und Pfarrvereinigungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirche von Schwe<strong>de</strong>n sollen ihren eigenen Rechtsstatus behalten, fortan aber keine<br />

kirchlichen lokalen Behör<strong>de</strong>n mehr sein. 151<br />

37<br />

Inzwischen hat <strong><strong>de</strong>r</strong> schwedische Reichstag mit<br />

Zust<strong>im</strong>mung <strong><strong>de</strong>r</strong> Syno<strong>de</strong>, <strong>de</strong>m obersten Beschlußorgan <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwedischen Staatskirche, ein<br />

entsprechen<strong>de</strong>s Gesetz ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t, das zum 1. Januar 2000 in K<strong>ra</strong>ft getreten ist.<br />

2. Striktes Trennungssystem<br />

Typisches Merkmal eines strikten Trennungssystems, wie es F<strong>ra</strong>nkreich, Irland und die<br />

Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> kennen, ist es, daß Kirchen und Religionsgemeinschaften als Organisationen in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung keine Erwähnung mehr fin<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ihnen nur noch <strong><strong>de</strong>r</strong> Status einer<br />

juristischen Person <strong>de</strong>s Zivilrechts zuerkannt wird.<br />

a) F<strong>ra</strong>nkreich 152<br />

F<strong>ra</strong>nkreich ist ein überwiegend katholischer Mitgliedstaat mit nur etwa 750.000 Protestanten.<br />

Neben diesen christlichen Kirchen gibt es ca. 650.000 Ju<strong>de</strong>n, 3.000.000 Moslems sowie<br />

153<br />

ungefähr 600.000 Orthodoxe und Buddhisten.<br />

Im Hexagon gilt seit <strong>de</strong>m Trennungsgesetz vom 9. Dezember 1905 154<br />

, durch welches <strong>de</strong>m –<br />

seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Machtübernahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Republikaner 1879/1880 schwelen<strong>de</strong>n – Kulturkampf in<br />

151<br />

Vgl. zu <strong>de</strong>n Reformbestrebungen Schött, Fn. 149, S. 324 ff.<br />

152<br />

Vgl. hierzu Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Staat und Kirche in F<strong>ra</strong>nkreich, in: Robbers (Hrsg.),<br />

Fn. 133, S. 127 ff.; Bleckmann, Grundzüge <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts in F<strong>ra</strong>nkreich, Fn. 133,<br />

S. 95 ff.; v. Campenhausen, Staat und Kirche in F<strong>ra</strong>nkreich, Göttingen 1962; Grewe,<br />

Religionsfreiheit in <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>nzösischen Rechtsp<strong>ra</strong>xis, in: Deutsche Sektion <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Internationalen Juristen-Kommission (Hrsg.), Religionsfreiheit, Hei<strong>de</strong>lberg 1996, S. 17 ff.;<br />

Messner, Le droit f<strong>ra</strong>nçais <strong>de</strong>s religions, in: Puza/Kustermann (Hrsg.), Fn. 3, S. 33 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />

Le droit appliqué aux églises et religions en F<strong>ra</strong>nce et en RFA, Approche compa<strong>ra</strong>tive <strong>de</strong><br />

certains éléments, in: Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/Tempel/Torfs (Hrsg.), Fn. 31, S. 45 ff.<br />

153<br />

Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 127 f.


38<br />

F<strong>ra</strong>nkreich ein En<strong>de</strong> bereitet wer<strong>de</strong>n sollte, <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> strikten Trennung zwischen<br />

Staat und Kirche. Trotz ausdrücklicher Anerkennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Freiheit <strong>de</strong>s Gewissens und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kultusausübung erhält keine Religionsgesellschaft staatliche Subventionen, Gehaltszahlungen<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> Privilegien. Während <strong>de</strong>m aufklärerischen Trennungsgedanken ursprünglich eine<br />

kirchenfeindliche Ten<strong>de</strong>nz i.S.d. Laizismus (laïcisme o<strong><strong>de</strong>r</strong> laïcité <strong>de</strong> combat) zugrun<strong>de</strong> lag,<br />

wan<strong>de</strong>lte sich dieser schon bald zur Laizität (laïcité intég<strong>ra</strong>trice bzw. laïcité tolé<strong>ra</strong>nte).<br />

Hierunter versteht man die „Zusicherung <strong>de</strong>s Staates, <strong>de</strong>n sogenannten religiösen Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Privatsphäre <strong>de</strong>s einzelnen zu überlassen und sich je<strong><strong>de</strong>r</strong> weltanschaulichen Stellungnahme für<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> gegen die Religion zu enthalten“ 155 . Diese Entwicklung, die schon 1923 durch eine<br />

gegenüber <strong>de</strong>n Kirchen loyale Rechtsprechung vor allem <strong>de</strong>s Conseil d’Etat 156 einsetzte und<br />

bis heute andauert, wird mit <strong>de</strong>m Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „neut<strong>ra</strong>lité positive“ 157 bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> „sépa<strong>ra</strong>tion<br />

amenagée“ 158 umschrieben. Die Folge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichheit zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Religionen<br />

ist, daß es keine bevorzugte Religion gibt; darüber hinaus besitzt keine Religion einen<br />

öffentlichen Status. 159<br />

Während die laïcité formell in die Verfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Fünften Republik vom 4. Oktober 1958<br />

(F<strong>ra</strong>nz.Verf.) 160<br />

ebenso wie schon zuvor in die Verfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vierten Republik vom<br />

154<br />

Artikel 2 <strong>de</strong>s Gesetzes lautet: „La République ne reconnaît, ne salarie, ni ne subventionne<br />

aucun culte.“ Vgl. hierzu Duffar, La protection <strong>de</strong>s données et les Églises en F<strong>ra</strong>nce, in:<br />

Robbers, (Hrsg.), Europäisches Datenschutzrecht und die Kirchen, S. 81 ff., 82. <strong>Das</strong> Gesetz<br />

wur<strong>de</strong> durch das Gesetz vom 2.1.1907 nachgebessert, weil die Katholiken aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Befürchtung he<strong>ra</strong>us, ihre hie<strong>ra</strong>rchische Struktur zu verlieren, keine sog. Kultvereine<br />

grün<strong>de</strong>ten; diesen allein durfte durch das Gesetz vom 9.12.1905 das frühere Kirchenvermögen<br />

übert<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als <strong>de</strong>n Kultvereine war es Diözesanvereinen nicht<br />

gestattet, das frühere Eigentum zu übernehmen. Aus diesem Grund fiel dieses an <strong>de</strong>n Staat,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> sich jedoch <strong>im</strong> Gegenzug an <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gebäu<strong>de</strong> beteiligte. Außer<strong>de</strong>m<br />

existieren in F<strong>ra</strong>nkreich aufgrund <strong>de</strong>s Gesetzes von 1901 über die Vereinsfreiheit sog.<br />

kulturelle Vereinigungen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Vereinszweck – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als bei Kultvereinen – nicht auf die<br />

Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion beschränkt ist, vgl. Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 133 ff.<br />

155<br />

So v. Campenhausen, Fn. 152, S. 158.<br />

156<br />

Vgl. hierzu Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 135; Gromitsaris, Laizität und Neut<strong>ra</strong>lität in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Schule – Ein Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtslage in F<strong>ra</strong>nkreich und Deutschland, AöR 121 (1996),<br />

S. 359 ff., 369.<br />

157<br />

Vgl. v. Campenhausen, Fn. 152, S. 156; Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 131.<br />

158<br />

Huot-Pleuroux, in: Christoph, Fn. 139, S. 418.<br />

159<br />

Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 132.<br />

160<br />

Art. 1 F<strong>ra</strong>nz.Verf. lautet: „ La F<strong>ra</strong>nce est une République indivisible, laïque, démoc<strong>ra</strong>tique<br />

et sociale. Elle assure l’égalité <strong>de</strong>vant la loi <strong>de</strong> tous les citoyens sans distinction d’origine,<br />

<strong>de</strong> <strong>ra</strong>ce ou <strong>de</strong> religion. Elle respecte toutes les croyances.“


27. Oktober 1946 übernommen wur<strong>de</strong>, existieren seit 1959 in F<strong>ra</strong>nkreich eine staatlich<br />

organisierte Militär- und Anstaltsseelsorge; außer<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n kirchliche Privatschulen<br />

staatlich mitfinanziert. 161 Religionsgemeinschaften erfahren außer<strong>de</strong>m insofern eine<br />

finanzielle För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung durch <strong>de</strong>n Staat, als die seit <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>nzösischen Revolution <strong>im</strong><br />

Staatseigentum stehen<strong>de</strong>n Kirchengebäu<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Diözesanvereine vom Staat<br />

unterhalten wer<strong>de</strong>n, obwohl die Kirchen ein Benutzungsrecht haben. 162 In <strong>de</strong>m sog.<br />

„Tschador-Gutachten“ 163 ging <strong><strong>de</strong>r</strong> Conseil d’Etat ausführlich auf die Problematik <strong>de</strong>s<br />

Kopftucht<strong>ra</strong>gens an öffentlichen Schulen ein. <strong>Das</strong> Gutachten stellt in gewisser Weise eine<br />

Abkehr <strong>de</strong>s f<strong>ra</strong>nzösischen Staates von <strong><strong>de</strong>r</strong> bisher in religiösen F<strong>ra</strong>gen vorherrschen<strong>de</strong>n<br />

„distanzieren<strong>de</strong>n Neut<strong>ra</strong>lität“ 164<br />

dar.<br />

In <strong>de</strong>n drei östlichen Départements (Haut-Rhin, Bas-Rhin, Moselle) gilt hingegen nach wie<br />

vor das am 15. Juli 1801 unterzeichnete Napoleonische Konkordat, welches die Röm.-Kath.<br />

Kirche begünstigt. Dies hat zur Folge, daß Geistliche dieser Départements unmittelbar vom<br />

Staat besol<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Der Grund für die Fortgeltung <strong>de</strong>s Konkordats muß darin gesehen<br />

wer<strong>de</strong>n, daß die erwähnten Départements während <strong>de</strong>s Erlasses <strong>de</strong>s Trennungsgesetzes noch<br />

unter <strong>de</strong>utscher Herrschaft stan<strong>de</strong>n; 1871 war vereinbart wor<strong>de</strong>n, das Napoleonische<br />

Konkordat trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Annexion in K<strong>ra</strong>ft zu lassen. 165<br />

161<br />

Huot-Pleuroux, in: Christoph, Fn. 139, S. 418.<br />

162<br />

HdbStKirchR/v. Campenhausen, Der heutige Verfassungsstaat und die Religion, Erster Bd.,<br />

§ 2, S. 47 ff., 66 ff.<br />

163<br />

Gutachten vom 27.11.1989, AJDA 1990, S. 42; vgl. hierzu Gromitsaris, Fn. 156, S. 360,<br />

381 ff.; Grewe, Die islamischen Kopftücher o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Reinterpretation <strong><strong>de</strong>r</strong> f<strong>ra</strong>nzösischen<br />

Laizität, KuR 140, S. 27 ff.; dies., Fn. 152, S. 27 ff. Der Conseil d’Etat hat in <strong>de</strong>m<br />

Gutachten festgestellt, daß es verboten ist, religiöse Zeichen, wie z.B. die islamischen<br />

Kopftücher allgemein zu verbieten, es sei <strong>de</strong>nn <strong>im</strong> Schulunterricht wür<strong>de</strong>n diese Zeichen<br />

„wegen ihres <strong>de</strong>monst<strong>ra</strong>tiven o<strong><strong>de</strong>r</strong> appellativen Cha<strong>ra</strong>kters“ get<strong>ra</strong>gen und wür<strong>de</strong>n „einen<br />

Druck, eine Provozierung, Prosyletismus o<strong><strong>de</strong>r</strong> Propaganda darstellen“, wobei eine<br />

Entscheidung <strong>im</strong> Einzelfall durch die Schulbehör<strong>de</strong> und nicht mittels genereller Verwaltungsanordnung<br />

erfolgen dürfe.<br />

164<br />

Gromitsaris, Fn. 156, S. 363 m.w.N.<br />

165<br />

Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 131. Vgl. ausführlich zur Rechtslage in diesen Départements:<br />

Leisching, Kirche und Staat in <strong>de</strong>n Rechtsordnungen Europas, Freiburg 1973,<br />

S. 102 ff.<br />

39


40<br />

b) Irland 166<br />

Obwohl die Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> Irischen Verfassung (Irl.Verf.) von 1937 noch die t<strong>ra</strong>ditionelle<br />

167<br />

Invocatio Dei, d.h. die Anrufung <strong>de</strong>s dreieinigen Gottes durch das irische Volk vorsieht,<br />

sind Staat und Kirche seit <strong>de</strong>m Irish Church Act von 1869 getrennt. Vor 1869 war die<br />

anglikanische Kirche von Irland Staatskirche, und dies ungeachtet <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, daß bis heute<br />

noch über 95 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung Anhänger römisch-katholischen Glaubens sind. Allerdings<br />

wur<strong>de</strong> erst durch die 1937 weitgehend übe<strong>ra</strong>rbeitete Verfassung <strong>de</strong>s unabhängigen irischen<br />

Freistaates aus <strong>de</strong>m Jahre 1922 <strong>de</strong>n Gewährleistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit in vollem Umfang<br />

Rechnung get<strong>ra</strong>gen. Während Art. 44 Abs. 1 Nr. 2 Irl.Verf. ursprünglich die „beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Heiligen Katholischen Apostolischen und Römischen Kirche als <strong><strong>de</strong>r</strong> Hüterin <strong>de</strong>s<br />

von <strong><strong>de</strong>r</strong> großen Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger bekannten Glaubens“ anerkannte, wur<strong>de</strong> diese<br />

Best<strong>im</strong>mung durch Verfassungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>im</strong> Jahre 1972 aufgehoben; nunmehr darf <strong><strong>de</strong>r</strong> irische<br />

Staat „nieman<strong>de</strong>n aufgrund <strong>de</strong>s religiösen Bekenntnisses, Glaubens o<strong><strong>de</strong>r</strong> Stan<strong>de</strong>s<br />

benachteiligen noch ihm eine sonstige unterschiedliche Behandlung auferlegen“. 168<br />

Gemäß Art. 44 Abs. 2 Ziff. 2 Irl.Verf. ist die finanzielle Unterstützung je<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion durch<br />

<strong>de</strong>n Staat verboten. Da auch eine Kirchensteuer nicht existiert, müssen die Großkirchen<br />

größtenteils auf Laienmitarbeiter zurückgreifen. Eine Ausnahme stellt lediglich die mittelbar<br />

durch Art. 44 Abs. 2 Ziff. 4 Irl.Verf. vorgesehene Subventionierung kirchlicher Schulen<br />

dar. 169<br />

c) Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> 170<br />

Während <strong><strong>de</strong>r</strong> Sü<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> t<strong>ra</strong>ditionell katholisch ist, hält sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Nor<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Lan<strong>de</strong>s mehr zu <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen protestantischen Religionen, die – neben <strong>de</strong>n Freikirchen,<br />

wie z.B. <strong>de</strong>n Methodisten und Pfingstlern – aus <strong><strong>de</strong>r</strong> früheren calvinistischen Staatskirche, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Ne<strong><strong>de</strong>r</strong>landse Hervorm<strong>de</strong> Kerk, hervorgegangen sind. Im Gegensatz zum Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Katholiken, <strong><strong>de</strong>r</strong> relativ konstant bei ca. 1/3 <strong><strong>de</strong>r</strong> nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen Gesamtbevölkerung liegt, hat<br />

sich <strong><strong>de</strong>r</strong> ursprünglich freisinnige Flügel <strong><strong>de</strong>r</strong> Hervorm<strong>de</strong> Kerk seit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jh. stark<br />

166<br />

Vgl. Bleckmann, Die Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen in Irland, Fn. 133, S. 101 ff.; Casey, Staat und<br />

Kirche in Irland, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133, S. 159 ff.<br />

167<br />

Der Text <strong><strong>de</strong>r</strong> Invocatio Dei fin<strong>de</strong>t sich z.B. bei Casey, Fn. 166, S. 161.<br />

168<br />

Vgl. Casey, Fn. 166, S. 161 ff.<br />

169<br />

Treanor, in: Christoph, Fn. 139, S. 422.<br />

170<br />

Vgl. van Bijsterveld, Staat und Kirche in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133,<br />

S. 229 ff.; Bleckmann, Grundzüge <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n, Fn. 133,<br />

S. 113 f.; Walf, Staat und Kirche in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n, in: Puza/Kustermann (Hrsg.), Fn. 3,<br />

S. 85 ff.


säkularisiert, was dazu geführt hat, daß die frühere Staatskirche, <strong><strong>de</strong>r</strong> gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jh.<br />

noch knapp 2/3 <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamtbevölkerung angehörten, seit diesem Zeitpunkt über die Hälfte<br />

ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> verloren hat. 171 Manche Statistiken sehen mittlerweile sogar 45 % <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bevölkerung we<strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlich noch religiös als gebun<strong>de</strong>n an. Nichts<strong>de</strong>stotrotz besitzen die<br />

nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen Kirchen durch eigene Medien und Hochschulen bislang einen starken<br />

gesellschaftlichen Einfluß. 172<br />

In <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n besteht <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Trennung von Staat und Kirche erst seit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Novellierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen Verfassung von 1983 (Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>l.Verf.) und macht sich u.a.<br />

darin fest, daß das kirchliche Personal nicht mehr vom Staat finanziert wird. Kirchen können<br />

nur noch <strong>de</strong>n Status einer juristischen Person <strong>de</strong>s Zivilrechts erlangen; hierzu bedarf es keiner<br />

vorherigen Anerkennung.<br />

3. Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll<br />

<strong>Das</strong> Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll 173 , das mit Deutschland, Belgien, Luxemburg, Portugal, Österreich,<br />

Italien und Spanien die meisten Vertreter innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU hat, sieht als Mittelweg zwar eine<br />

grundsätzliche Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften vor, diese wird jedoch nicht<br />

strikt durchgehalten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n enthält zugleich Elemente <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbindung und Zusammenarbeit<br />

zwischen bei<strong>de</strong>n Institutionen. 174 Auf Ulrich Stutz geht daher <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff einer „hinken<strong>de</strong>n<br />

Trennung“ von Staat und Kirche zurück. 175 Z.T. wird aber auch von „pays concordataires“<br />

gesprochen, da für diese Staaten <strong>im</strong> Regelfall vert<strong>ra</strong>glich eingeräumte Rechte zwischen Kirche<br />

und Staat cha<strong>ra</strong>kteristisch sind. 176<br />

171 Van Bijsterveld, Fn. 170, S. 229 f.; Walf, Fn. 170, S. 89 f.<br />

172 Van Bijsterveld, Fn. 170, S. 241; Walf, Fn. 170, S. 91.<br />

173 In BVerfGE 42, S. 312 ff., 330, wird das Verhältnis zwischen Staat und Kirche nach<br />

jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>telanger enger Verbindung und zunehmen<strong><strong>de</strong>r</strong> Lockerung nicht als System „feindschaftlicher<br />

Trennung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wechselseitiger Zugewandtheit und Koope<strong>ra</strong>tion“<br />

beschrieben.<br />

174 Vgl. nur B<strong>ra</strong>uburger, „Trennung von Staat und Kirche“, KuR 110, S. 1 ff.<br />

175 Stutz, Die päpstliche Diplomatie unter Leo XIII. nach <strong>de</strong>n Denkwürdigkeiten <strong>de</strong>s Kardinals<br />

Domenico Fer<strong>ra</strong>ta, Abh. Preuß. Aka<strong>de</strong>mie d. Wiss., Jg. 25, 1926, S. 54, Anm. 2.; zitiert u.a.<br />

in BVerfGE 42, S. 312 ff., 331.<br />

176 Vgl. Dalla Torre, Fn. 21, S. 4.<br />

41


42<br />

a) Deutschland 177<br />

In Deutschland stehen sich die Röm.-Kath. Kirche mit 7 Erzbistümern und 20 Bistümern und<br />

die Evangelische Kirche mit 24 Gliedkirchen mit nahezu i<strong>de</strong>ntischer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl<br />

178<br />

(27,66 Mio. bzw. 27,53 Mio. Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>) als mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>stärkste Kirchen gegenüber. Neben<br />

<strong>de</strong>n einzelnen Evangelischen Lan<strong>de</strong>skirchen, die zusammen die EKD bil<strong>de</strong>n, existieren einige<br />

kleinere protestantische Freikirchen (z.B. Methodisten, Baptisten, Mennoniten, Herrnhuter<br />

Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>gemeine, Pfingstgemein<strong>de</strong>n), die sich <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD nicht angeschlossen haben. Inzwischen<br />

leben in Deutschland außer<strong>de</strong>m ca. drei Mio. Musl<strong>im</strong>e (davon 2, 3 Mio. Türken), was einem<br />

Anteil von über 3 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamtbevölkerung entspricht. Insgesamt gibt es etwa<br />

30 musl<strong>im</strong>ische Gotteshäuser in Deutschland, wobei allein die Mannhe<strong>im</strong>er Moschee Yavuz<br />

Sultan Sel<strong>im</strong> Platz 2500 Menschen faßt. 179 Die 73 is<strong>ra</strong>elitischen Kultusgemein<strong>de</strong>n zählten<br />

1997 ca. 67.500 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. 180<br />

Über 18 Mio. Menschen in Deutschland gehören überhaupt<br />

keiner Religionsgemeinschaft an, wobei dies neben <strong>de</strong>n großen Austrittswellen Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

90er Jahre vor allem auf die Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung Deutschlands mit <strong>de</strong>n z.T. nahezu<br />

„entchristianisierten“ neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n zurückzuführen ist.<br />

Die Religionsfreiheit wird in Deutschland nicht nur als Individual-, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch als<br />

kollektives Grundrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften anerkannt; nach Art. 137 Abs. 3 WRV<br />

von 1919 – dieser ist gemäß Art. 140 GG Bestandteil <strong>de</strong>s Grundgesetzes – haben die<br />

Religionsgesellschaften das Recht, ihre Angelegenheiten innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Sch<strong>ra</strong>nken <strong>de</strong>s „für<br />

alle gelten<strong>de</strong>n Gesetzes“ selbst zu ordnen und zu verwalten. Als Sch<strong>ra</strong>nke <strong>de</strong>s „für alle<br />

gelten<strong>de</strong>n Gesetzes“ sind nicht nur die nationalen Rechtsnormen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch das<br />

181<br />

Gemeinschaftsrecht anerkannt. Vo<strong>ra</strong>ussetzung ist jedoch weiter, daß es sich um solche<br />

177<br />

Zum <strong>de</strong>utschen <strong>Religionsrecht</strong> vgl. z.B. Bleckmann, Grundzüge <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts in<br />

Deutschland, Fn. 133, S. 83 ff.; v. Campenhausen, Zum Stand <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts in<br />

Deutschland, BayVBl. 1999, S. 65 ff.; Conring, Fn. 25, S. 214 ff.; Robbers, Staat und<br />

Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133, S. 61 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />

<strong>Das</strong> Verhältnis von Staat und Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, in: Zieger (Hrsg.),<br />

Die Rechtsstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen <strong>im</strong> geteilten Deutschland, Köln – Berlin – Bonn – München<br />

1989, S. 7 ff.; Marré, <strong>Das</strong> staatliche <strong>Religionsrecht</strong> in Deutschland, in: Puza/Kustermann<br />

(Hrsg.), Fn. 3, S. 99 ff.; Mikat, Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: Listl/Pirson<br />

(Hrsg.), Handbuch <strong>de</strong>s Verfassungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Teil 2, 2. Aufl.,<br />

Berlin – New York 1995, S. 1425 ff.; Weber, Die rechtliche Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> christlichen<br />

Kirchen <strong>im</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen Staat, ZevKR (36) 1991, S. 253 ff.<br />

178<br />

Quelle: Statistisches Jahrbuch 1998, S. 96.<br />

179<br />

Stahr, Eine He<strong>im</strong>at in <strong><strong>de</strong>r</strong> Frem<strong>de</strong>, PNP Nr. 10 vom 14.1.1999, S. 3.<br />

180<br />

Quelle: Statistisches Jahrbuch 1998, S. 98.<br />

181<br />

Robbers, Die Fortentwicklung <strong>de</strong>s Europarechts und seine Auswirkungen auf die<br />

Beziehungen zwischen Staat und Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, EssGespr (27)<br />

1993, S. 81 ff., 82.


Gesetze han<strong>de</strong>lt, „die für die Kirche dieselbe Be<strong>de</strong>utung haben wie für <strong>de</strong>n Je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann. Trifft<br />

das Gesetz die Kirche dagegen [...] in ihrer Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit als Kirche härter [...], bil<strong>de</strong>t es<br />

insoweit keine Sch<strong>ra</strong>nke.“ 182<br />

aa) Neut<strong>ra</strong>lität, Parität und Tole<strong>ra</strong>nz <strong>de</strong>s Staates in konfessioneller und religiöser Hinsicht<br />

Gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV existiert in Deutschland keine Staatskirche<br />

mehr. Im Staat-Kirche-Verhältnis gilt vielmehr das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen und<br />

weltanschaulichen Neut<strong>ra</strong>lität <strong>de</strong>s Staates, die das BVerfG aus <strong>de</strong>m Gleichheitssatz<br />

(Art. 3 Abs. 1 u. Abs. 3, Art. 33 Abs. 3 GG), <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit (Art. 4, Art. 140 GG i.V.m.<br />

Art. 136 Abs. 1 u. Abs. 4 WRV) und <strong>de</strong>m Verbot <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatskirche (Art. 140 i.V.m.<br />

Art. 137 Abs. 1 WRV) hergeleitet hat. 183 Überdies kommt <strong>de</strong>n Prinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gleichbehandlung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (Parität) 184 und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Tole<strong>ra</strong>nz 185<br />

Be<strong>de</strong>utung zu.<br />

182<br />

BVerfGE 42, S. 312 ff., 334 (st. Rspr.); vgl. BVerfGE 53, S. 366 ff., 399 ff.; 66, S. 1 ff.,<br />

20 f.; 70, S. 138 ff., 164; vgl. hierzu Robbers, Fn. 177, S. 66 f.<br />

183<br />

Vgl. z.B. BVerfGE 19, S. 206 ff., 216; 24, S. 236 ff., 246; 33, S. 23 ff., 28; 93, S. 1 ff., 16 f.<br />

Der Staat darf sich somit nicht mit einer Religion, Konfession o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung<br />

i<strong>de</strong>ntifizieren und Partei ergreifen – sog. „Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Nicht-I<strong>de</strong>ntifikation“ (Herbert<br />

Krüger) – , wohl aber mit Religionsgemeinschaften kooperieren o<strong><strong>de</strong>r</strong> sie för<strong><strong>de</strong>r</strong>n, vgl. z.B.<br />

BVerfGE 93, S. 1 ff., 16 f.; v. Campenhausen, Zur Kruzifix-Entscheidung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts,<br />

AöR 121 (1996), S. 448 ff., 458, 460; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 162, S. 77 ff.;<br />

Schlaich, Neut<strong>ra</strong>lität als verfassungsrechtliches Prinzip – vornehmlich <strong>im</strong> Kulturverfassungs-<br />

und Staatskirchenrecht, Tübingen 1972, S. 129 ff., 187, 236 ff.<br />

184<br />

Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Parität, welche eine Gleichbehandlung religiöser Bekenntnisse und Religionsgemeinschaften<br />

auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage ihrer Gleichwertigkeit i.R.d. Verfassungsordnung<br />

for<strong><strong>de</strong>r</strong>t, folgt das Verbot rechtlicher Bevorzugung best<strong>im</strong>mter Bekenntnisse bzw. Religionsgemeinschaften,<br />

vgl. v. Campenhausen, Fn. 162, S. 75 f. Jedoch darf es hierbei nicht zu<br />

einer nach Größe <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft „gestuften Parität“ kommen, vgl. Czermak,<br />

Bewegung ins Staatskirchenrecht!, ZRP 1990, S. 475 ff., 476 und BVerfGE 93, S. 1 ff., 17:<br />

„Sie [d.h. die oben zitierten Grundgesetznormen] verwehren die Einführung<br />

staatskirchenrechtlicher Rechtsformen und untersagen die Privilegierung best<strong>im</strong>mter<br />

Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung An<strong><strong>de</strong>r</strong>sgläubiger. Auf die zahlenmäßige Stärke<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> die soziale Relevanz kommt es dabei nicht an.“ Nach Carl Schmitt, Der Begriff <strong>de</strong>s<br />

Politischen, Berlin 1963, S. 99, be<strong>de</strong>utet Neut<strong>ra</strong>lität i.S.v. Parität die „gleiche Zulassung<br />

aller in Bet<strong>ra</strong>cht kommen<strong>de</strong>n Gruppen und Richtungen unter gleichen Bedingungen und mit<br />

gleicher Berücksichtigung bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuwendung von Vorteilen o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen staatlichen<br />

Leistungen“, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat mit einer Mehrzahl bestehen<strong><strong>de</strong>r</strong> religiöser und ähnlicher Gruppen<br />

verbun<strong>de</strong>n bleibt. <strong>Das</strong> be<strong>de</strong>utet, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat gleichermaßen mit Großkirchen und kleineren<br />

43


44<br />

bb) Elemente <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbindung und Trennung<br />

In erster Linie ist die Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuerkennung eines öffentlich-rechtlichen<br />

Körperschaftsstatus als Element <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbindung von Staat und Kirche zu erwähnen. Auch<br />

können durch <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sgesetzgeber christliche Gemeinschaftsschulen 186 – <strong>im</strong> Gegensatz zu<br />

<strong>de</strong>n nur einer christlichen Konfession verpflichteten Bekenntnisschulen – sowie das Schulgebet<br />

187 eingerichtet wer<strong>de</strong>n, sofern obengenannte Schulen für Schüler aller Bekenntnisse<br />

offenstehen bzw. keine Teilnahme am Schulgebet verlangt wird und jeweils sichergestellt ist,<br />

daß keine Diskr<strong>im</strong>inierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtpartizipieren<strong>de</strong>n erfolgt. <strong>Das</strong> BVerfG hat in<br />

Gerichtssälen 188 und – sehr umstritten – in öffentlichen Grundschulen 189 die Anbringung von<br />

Kruzifixen für unzulässig erklärt, weil hierdurch ein „unausweichlicher Zwang“ entstehen<br />

könne, entgegen eigenen religiösen o<strong><strong>de</strong>r</strong> weltanschaulichen Überzeugungen ohne<br />

Ausweichmöglichkeiten „unter <strong>de</strong>m Kreuz“ einen Rechtsstreit führen bzw. lernen zu müssen.<br />

Soweit hier von <strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit mehr Tole<strong>ra</strong>nz abverlangt wird, 190 muß man sie umgekehrt<br />

auch von <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit gegenüber Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten (z.B. in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kopftuchproblematik) einfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />

Im staatlichen Gerichtsverfahren wird schließlich die Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Beteuerung<br />

von Ei<strong>de</strong>sformeln eröffnet. 191<br />

cc) Gemeinsame Aufgaben (res mixtae)<br />

Religionsgemeinschaften kooperiert, soweit diese ihrerseits die Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>s<br />

staatlichen Koope<strong>ra</strong>tionsangebots erfüllen, was sich in Deutschland in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuerkennung <strong>de</strong>s<br />

öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus ausdrückt; in diese Richtung auch Erwin Fischer,<br />

Fn. 6, S. 207 ff., 210; an<strong><strong>de</strong>r</strong>s z.B. Robbers, Fn. 177, S. 64.<br />

185<br />

Unter <strong>de</strong>m vom Staat zu schützen<strong>de</strong>n Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Tole<strong>ra</strong>nz versteht man eine Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Offenheit und Achtung gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en, gleichberechtigten religiösen Positionen, vgl.<br />

v. Campenhausen, Fn. 162, S. 62.<br />

186<br />

BVerfGE 41, S. 29 ff.; 41, S. 65 ff.; 41, S. 88 ff.<br />

187<br />

BVerfGE 52, S. 233 ff.<br />

188<br />

BVerfGE 35, S. 366 ff., 373 ff.<br />

189<br />

BVerfGE 93, S. 1 ff., 16; vgl. hierzu u.a. Badu<strong>ra</strong>, <strong>Das</strong> Kreuz <strong>im</strong> Schulz<strong>im</strong>mer – Inhalt und<br />

rechtliche T<strong>ra</strong>gweite <strong>de</strong>s Beschlusses <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts vom 16.5.1995,<br />

BayVBl. 1996, S. 33 ff. u. 71 ff.; Geldbach, Von Elefanten und Ameisen. <strong>Das</strong> Kruzifix-<br />

Urteil aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Perspektive einer Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit o<strong><strong>de</strong>r</strong>: Warum das Urteil nicht in F<strong>ra</strong>ge gestellt<br />

wer<strong>de</strong>n darf, ZThG 1996, S. 7 ff.; Heckmann, Eingriff durch Symbole? – Zur Reichweite<br />

grundrechtlichen Schutzes vor geistiger Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung, JZ 1996, S. 880 ff., dort Fn. 5<br />

m.w.N.<br />

190<br />

Z.B. Gromitsaris, Fn. 156, S. 366.<br />

191<br />

Vgl. nur Art. 56 S. 1 GG; § 481 Abs. 1 ZPO; § 66c Abs. 1 StPO.


Die Koope<strong>ra</strong>tion zwischen <strong>de</strong>m Staat und <strong>de</strong>n Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften durch<br />

gemeinsame Angelegenheiten schlägt sich in zahlreichen Bereichen nie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Die Militär- und<br />

Anstaltsseelsorge (Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 WRV) ist ebenso zu erwähnen wie das<br />

Friedhofswesen; die Kirchensteuer (Art. 140 i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV) 192 muß hier in<br />

gleicher Weise genannt wer<strong>de</strong>n wie die Erteilung <strong>de</strong>s Religionsunterrichts als or<strong>de</strong>ntliches<br />

Lehrfach (Art. 7 Abs. 2, 3 GG) 193 o<strong><strong>de</strong>r</strong> das kirchliche Mel<strong>de</strong>wesen 194<br />

.<br />

b) Belgien 195<br />

Belgien gilt als ein in weitem Umfang säkularisierter Mitgliedstaat, wobei allerdings ¾ <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bevölkerung nominell <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche angehört. Die Moslems stellen mit einem<br />

Anteil von 1,5 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung ebenso viele Anhänger wie Protestanten (1,0 %), Ju<strong>de</strong>n<br />

196<br />

(0,3 %) und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Religionsgemeinschaften (0,2 %) gemeinsam. Während Art. 19 <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Belgischen Verfassung (Belg.Verf.) die individuelle und kollektive positive Religionsfreiheit<br />

statuiert, wird durch Art. 20 Belg.Verf. zusätzlich die individuelle negative Religionsfreiheit<br />

gewährleistet. Art. 21 Belg.Verf. enthält überdies ein Verbot staatlicher Einmischung in<br />

innerkirchliche Angelegenheiten. Ähnlich wie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik besteht auch für <strong>de</strong>n<br />

belgischen Staat die Verpflichtung zur Neut<strong>ra</strong>lität aufgrund <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n<br />

Religionsplu<strong>ra</strong>lismus. Allerdings darf <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat offiziell anerkannte<br />

Religionsgemeinschaften 197 gemäß Art. 181 Belg.Verf. durch Besoldung <strong><strong>de</strong>r</strong> Geistlichen<br />

finanziell för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Auch ist er verpflichtet, Defizite kirchlicher Verwaltung weltlicher Güter<br />

zu t<strong>ra</strong>gen, so daß man insoweit von einer „positiven Neut<strong>ra</strong>lität“ sprechen kann. 198<br />

192 Vgl. hierzu die Ausführungen unten K.III.1.<br />

193 Vgl. hierzu Oebbecke, Reichweite und Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> grundgesetzlichen Ga<strong>ra</strong>ntie <strong>de</strong>s<br />

Religionsunterrichts, DVBl. 1996, S. 336 ff.<br />

194 Vgl. hierzu die Ausführungen unten K.III.5.c).<br />

195 Bleckmann, Grundzüge <strong>de</strong>s belgischen Staatskirchenrechts, Fn. 133, S. 73 ff.; Torfs, Staat<br />

und Kirche in Belgien, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133, S. 15 ff.<br />

196 Torfs, Fn. 195, S. 15.<br />

197 Vor kurzem wur<strong>de</strong> in Belgien neben <strong>de</strong>n bisher anerkannten Konfessionen <strong>de</strong>s Katholizismus,<br />

Protestantismus, Ju<strong>de</strong>ntums, Anglikanismus, Islams und <strong><strong>de</strong>r</strong> griechisch und russisch<br />

orthodoxen Kirche auch die Freikirche <strong><strong>de</strong>r</strong> Baptisten anerkannt, vgl. KuR 980, S. 131. Die<br />

nicht anerkannten Religionsgemeinschaften sind dagegen weitgehend schutzlos, vgl. Torfs,<br />

Fn. 195, S. 20 f.<br />

198 Torfs, Fn. 195, S. 18.<br />

45


46<br />

c) Luxemburg 199<br />

Der Auslän<strong><strong>de</strong>r</strong>anteil in <strong>de</strong>m kleinsten Mitgliedstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft mit nur 400.000<br />

Einwohnern beträgt rund ein Drittel. Dies erschwert Schätzungen <strong>im</strong> Hinblick auf die<br />

Religionszugehörigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einwohner Luxemburgs, zumal von Gesetzes wegen ein<br />

Erhebungsverbot über die Konfessions- und Religionszugehörigkeit besteht. Allerdings sollen<br />

neben einer kleinen Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit von Luthe<strong>ra</strong>nern, Calvinisten und Ju<strong>de</strong>n ca. 90 % <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

200<br />

Bevölkerung Katholiken sein. Für <strong>de</strong>n größten Teil Luxemburgs wirkt das Napoleonische<br />

Konkordat aus <strong>de</strong>m Jahre 1801 – ebenso wie in Belgien und <strong>de</strong>n drei östlichen Départements<br />

F<strong>ra</strong>nkreichs – mangels formaler Beendigung fort, da Luxemburg zum Zeitpunkt <strong>de</strong>ssen<br />

Abschlusses zur Diözese Metz gehörte. 201<br />

Dies hat u.a. zur Folge, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat die Besoldung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Geistlichen anerkannter Religionsgemeinschaften, <strong>de</strong>nen ein öffentlich-rechtlicher<br />

Rechtsstatus verliehen wur<strong>de</strong>, übern<strong>im</strong>mt.<br />

d) Portugal 202<br />

Während die Röm.-Kath. Kirche bis zum Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> Neuzeit mit <strong>de</strong>m Portugiesischen Staat<br />

203<br />

sehr eng verknüpft war, bet<strong>ra</strong>chten sich heutzutage nur noch 65 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Portugiesen als<br />

katholisch. Vor allem in <strong>de</strong>n Städten erhalten <strong>im</strong> Gegenzug Religionsgemeinschaften wie z.B.<br />

protestantische Kirchen, die Zeugen Jehovas o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch die Maná Kirche und die Universale<br />

Kirche starken Zulauf. 204 Die neue Verfassung Portugals von 1976 (Port.Verf.) enthält in<br />

Art. 41 Abs. 4 Port.Verf. einen klaren Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Trennung zwischen Staat und Kirche und<br />

stellt in Art. 41 Abs. 2 Port.Verf. <strong>de</strong>n Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichheit <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen Konfessionen<br />

auf. In <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis wird diese Gleichbehandlung und Trennung von Staats wegen jedoch<br />

nicht konsequent aufrechterhalten: So gewährt das Konkordat von 1940, das 1975 bestätigt<br />

wur<strong>de</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechte, die keiner an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaft<br />

zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n und somit <strong>im</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zur Verfassung von 1976 stehen. 205<br />

199<br />

Vgl. Bleckmann, Staat und Kirche in Luxemburg, Fn. 133, S. 109 ff.; Pauly, Staat und<br />

Kirche in Luxemburg, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133, S. 211 ff.<br />

200<br />

So Pauly, Fn. 199, S. 211.<br />

201<br />

Pauly, Fn. 199, S. 212, 215.<br />

202<br />

Vgl. Bleckmann, Grundzüge <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts in Portugal, Fn. 133, S. 115 ff.; Canas,<br />

Staat und Kirche in Portugal, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133, S. 281 ff.<br />

203<br />

Dies spiegelt Art. 25 <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten portugiesischen Verfassung von 1822 wi<strong><strong>de</strong>r</strong>: „Die Religion<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> portugiesischen Nation ist <strong><strong>de</strong>r</strong> römische Katholizismus“.<br />

204<br />

Canas, Fn. 202, S. 281 f.<br />

205<br />

Vgl. Canas, Fn. 202, S. 286, 288 f., 292, 298; bezüglich Einzelheiten <strong>de</strong>s Konkordats vgl.<br />

Canas, a.a.O., S. 290 f.


e) Österreich 206<br />

In Österreich gehören knapp über ¾ <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung <strong><strong>de</strong>r</strong> römisch-katholischen Religion an;<br />

ca. 5 % sind evangelischen, 2 % islamischen und 1,5 % orthodoxen Bekenntnisses. <strong>Das</strong><br />

<strong>Religionsrecht</strong> Österreichs stellt sich nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Überwindung <strong>de</strong>s Josephinismus als<br />

Trennungssystem mit koope<strong>ra</strong>tiven Elementen ähnlich <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />

dar. Die religionsrechtlichen Vorschriften sind allerdings über viele Gesetze, die teilweise<br />

207<br />

noch aus <strong>de</strong>m 19. Jh stammen, verstreut. Außer<strong>de</strong>m kommt <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK, <strong>de</strong>ssen Art. 9 die<br />

Religionsfreiheit gewährleistet, in Österreich Verfassungs<strong>ra</strong>ng zu. 208<br />

§ 1 AnerkG unterschei<strong>de</strong>t zwischen „historisch anerkannten“ Kirchen und<br />

Religionsgesellschaften, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechtsstellung durch eigene Gesetze fortgebil<strong>de</strong>t wird 209 und<br />

solchen, die bisher nicht anerkannt waren, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Anerkennung aber unter best<strong>im</strong>mten<br />

Vo<strong>ra</strong>ussetzungen – diese ähneln <strong>de</strong>n Erteilungsvo<strong>ra</strong>ussetzungen für <strong>de</strong>n Körperschaftsstatus in<br />

Deutschland – erfolgen wer<strong>de</strong>n kann 210<br />

, wobei die Anerkennung für diese zweite Gruppe von<br />

206<br />

Vgl. hierzu Conring, Fn. 25, S. 88 ff.; Potz, Staat und Kirche in Österreich, in: Robbers<br />

(Hrsg.), Fn. 133, S. 251 ff.; Pree, Österreichisches Staatskirchenrecht, Wien – New York<br />

1984.<br />

207<br />

So z.B. das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsbürger (StGG) vom<br />

21.12.1867, <strong>de</strong>m gemäß Art. 149 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> Öster.Verf. vom 1.10.1920 Verfassungs<strong>ra</strong>ng<br />

zuerkannt wur<strong>de</strong>. Nach <strong>de</strong>ssen Art. 15 besitzt je<strong>de</strong> gesetzlich anerkannte Kirche und<br />

Religionsgemeinschaft das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen öffentlichen Religionsausübung und<br />

kann ihre inneren Angelegenheiten selbständig verwalten. Zu erwähnen ist hier auch das<br />

Gesetz betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften vom<br />

20.5.1874 (AnerkG).<br />

208<br />

Vgl. Österr. BGBl. 1964, Nr. 59; Einzelheiten zu Art. 9 EMRK s.u. E.III.2.<br />

209<br />

Für die Röm.-Kath. Kirche ist hier das Konkordat vom 5.6.1933, österr. BGBl. II 1934,<br />

Nr. 2 zu nennen, durch welches Österreich dieser Kirche weitgehen<strong>de</strong> Rechte einräumt, vgl.<br />

Potz, Fn. 206, S. 253; für die Evangelische Kirche, die Griechisch-Orientalische Kirche, die<br />

Is<strong>ra</strong>elitische Religionsgesellschaft sowie die Anhänger <strong>de</strong>s Islam wur<strong>de</strong>n zwischen 1890<br />

und 1967 einzelne Bun<strong>de</strong>sgesetze mit speziellen Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechten abgeschlossen, vgl. Potz,<br />

Fn. 206, S. 256 f.<br />

210<br />

Selbst wenn die Erteilungsvo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Anerkennung erfüllt sind, besteht kein<br />

Rechtsanspruch hie<strong>ra</strong>uf. Auch ist kein Rechtsmittel vorgesehen, um gegen eine Ablehnung<br />

vorzugehen. Dies läßt sich mit <strong>de</strong>m gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz und<br />

<strong>de</strong>m Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbaren. Zu Recht kritisiert daher<br />

Honegger, Trennung von Staat und Kirche: Ein Schritt zum Ausbau <strong>de</strong>s Rechtsstaates, in:<br />

Carlen (Hrsg.), Trennung von Kirche und Staat – Sépa<strong>ra</strong>tion <strong>de</strong> l’église et <strong>de</strong> l’état,<br />

Freiburg (Schweiz) 1994, S. 37 ff., 43, daß die so oft beschworene Koope<strong>ra</strong>tion zwischen<br />

Staat und Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis meist da<strong>ra</strong>n scheitert, weil es mehr als eine Kirche gibt.<br />

47


48<br />

Religionsgemeinschaften durch Verordnung ausgesprochen wird. 211 Nur anerkannte Kirchen<br />

und Religionsgesellschaften erhalten allerdings vollen Zugang zu <strong>de</strong>n religiösen<br />

Grundrechten. Religionsgesellschaften, <strong>de</strong>nen dieser gesetzliche Status nicht verliehen wur<strong>de</strong>,<br />

konnten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit keinerlei Rechtsfähigkeit erlangen, da § 3a <strong>de</strong>s österreichischen<br />

Vereinsgesetzes von 1951 diese sogar vom Vereinsrecht ausschloß. 212 Inzwischen kann<br />

infolge <strong>de</strong>s österr. Bun<strong>de</strong>sgesetzes vom 10. Dezember 1997 213 die Zwischenstufe einer<br />

„religiösen Bekenntnisgemeinschaft“ erworben wer<strong>de</strong>n, die zwar mehr als ein bloßer<br />

Vereinsstatus, jedoch weniger als eine volle staatliche Anerkennung als Körperschaft <strong>de</strong>s<br />

öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.) be<strong>de</strong>utet; ihr Erwerb setzt eine Min<strong>de</strong>stgröße von 2 ‰ <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

österreichischen Gesamtbevölkerung (ca. 16.000 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>) sowie ein 20-jähriges Bestehen,<br />

davon zehn Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft, vo<strong>ra</strong>us. 214<br />

Österreich macht Geb<strong>ra</strong>uch von einem Kirchenfinanzierungssystem durch Erhebung eines<br />

obligatorischen Kirchenbeit<strong>ra</strong>gs, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Zivilrechtsweg eingeklagt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> das Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht, welches <strong>im</strong> Regelfall eine öffentlich-rechtliche Anerkennung<br />

vo<strong>ra</strong>ussetzt, bringt, wie Honegger, a.a.O., S. 43, es ausdrückt, eine „unakzeptable<br />

Diskr<strong>im</strong>inierung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Konfessionen mit sich. Die Angehörigen verschie<strong>de</strong>ner Konfessionen<br />

wer<strong>de</strong>n nicht gleich behan<strong>de</strong>lt, wenn man <strong><strong>de</strong>r</strong>en Konfessionen nicht gleich<br />

behan<strong>de</strong>lt. Damit ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsgleichheit verletzt, aber auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit [...].“ 211 Vgl. die Übersicht über die durch VO<br />

anerkannten Gemeinschaften bei Potz, Fn. 206, S. 261.<br />

211<br />

Vgl. die Übersicht über die durch VO anerkannten Gemeinschaften bei Potz, Fn. 206,<br />

S. 261.<br />

212<br />

Vgl. Helmut Schnizer, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 114. Mittlerweile wird<br />

diesen Religionsgemeinschaften aufgrund von Art. 11 i.V.m. Art. 14 EMRK zumin<strong>de</strong>st die<br />

Bildung von Vereinen mit religiösem Teilzweck gestattet, vgl. Potz, Fn. 206, S. 261, 263.<br />

213<br />

Österr. BGBl. 1998, S. 485.<br />

214<br />

Vgl. hierzu KuR 980, S. 130 f., Abel, „Die aktuelle Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung zu<br />

neueren Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften“, NJW 1999, S. 331 ff., 336. Die<br />

Vo<strong>ra</strong>ussetzung einer Min<strong>de</strong>stgröße ist kritisch zu bewerten, da diese für nicht „historisch<br />

anerkannte“ Religionsgemeinschaften eine große Hür<strong>de</strong> darstellen kann. So stellt die<br />

Is<strong>ra</strong>elitische Glaubensgemeinschaft – die allerdings unter die erstgenannte Gruppe fällt –<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit nur 0,9 ‰ <strong><strong>de</strong>r</strong> österr. Gesamtbevölkerung.


f) Italien 215<br />

Umf<strong>ra</strong>gen zufolge halten sich 88,1 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Italiener <strong>de</strong>m römisch-katholischen Glauben<br />

zugehörig, 9,9 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Italiener sind ungläubig. Die Evangelischen Kirchen unterglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich<br />

in Luthe<strong>ra</strong>ner (12.000 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>), Baptisten (7.500 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>), Adventisten (7.500<br />

Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>) und weitere evangelische Freikirchen, von <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenschluß zwischen<br />

216<br />

Wal<strong>de</strong>nsern und Methodisten mit ca. 31.000 Gläubigen am einflußreichsten ist. Außer<strong>de</strong>m<br />

zählen sich ca. 30.000 Gläubige zur Hebräischen Gemeinschaft. 217<br />

Die Italienische Verfassung vom 22. Dezember 1947 (Ital.Verf.) versteht sich als<br />

weltanschaulich neut<strong>ra</strong>l, hebt jedoch die Röm.-Kath. Kirche in Art. 7 Ital.Verf. gegenüber <strong>de</strong>n<br />

übrigen Konfessionen (Art. 8 Ital.Verf.) beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s hervor. Dies erklärt sich z.T. durch<br />

räumliche Nähe <strong>de</strong>s Papsttums zu Italien; einige Liegenschaften <strong>de</strong>s Hl. Stuhls befin<strong>de</strong>n sich<br />

sogar auf italienischem Territorium. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Ermächtigung in Art. 7 Abs. 2 Ital.Verf.<br />

wur<strong>de</strong> 1984 zwischen <strong>de</strong>m Hl. Stuhl und <strong><strong>de</strong>r</strong> Italienischen Regierung das Rahmenkonkordat<br />

von Villa Madama abgeschlossen, welches das bisherige Late<strong>ra</strong>nkonkordat von 1929 ablöst<br />

und <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche weitreichen<strong>de</strong> Privilegien zugesteht.<br />

Daneben ermöglicht Art. 8 Abs. 3 Ital.Verf. nichtkatholischen Konfessionen <strong>de</strong>n Abschluß<br />

von Vereinbarungen mit <strong>de</strong>m italienischen Staat; Abkommen dieser Art sind mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ev.-<br />

Luth. Kirche, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> jüdischen Gemein<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Wal<strong>de</strong>nsern sowie drei Freikirchen<br />

(Baptisten, Pfingstler, Adventisten) abgeschlossen wor<strong>de</strong>n. Zwar ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> in diesen<br />

Vereinbarungen eingeräumten Rechte nicht so weitgehend, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Abkommens von Villa<br />

Madama; trotz<strong>de</strong>m ist die Rechtsstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Konfessionen, die bisher nach Art. 8 Abs. 3 Ital.<br />

Verf. Vereinbarungen mit <strong>de</strong>m Italienischen Staat abgeschlossen haben, gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> zweit-<br />

und drittgrößten Konfession, <strong>de</strong>n Moslems bzw. Zeugen Jehovas, <strong>de</strong>utlich verbessert.<br />

Die mit <strong>de</strong>m österreichischen Religionssystem vergleichbare Koppelung einzelner kirchlicher<br />

Rechtspositionen (Finanzierung, Seelsorge und Unterricht) an eine staatliche Vereinbarung<br />

mit <strong>de</strong>n Religionsgemeinschaften ist für diese Religionsgesellschaften verständlicherweise<br />

höchst unbefriedigend und <strong>im</strong> Hinblick auf die in Art. 8 Ital.Verf. postulierte Gleichheit aller<br />

Religionsgemeinschaften schon verfassungsrechtlich sehr be<strong>de</strong>nklich. Ein allgemeines Gesetz<br />

für Religionsgemeinschaften, welches die grundsätzlichen Rechtspositionen einheitlich regelt<br />

215<br />

Vgl. hierzu Bleckmann, Grundzüge <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts in Italien, Fn. 133, S. 105 ff.;<br />

Fer<strong>ra</strong>ri, Staat und Kirche in Italien, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133, S. 185 ff.; Musselli,<br />

Hauptprobleme <strong>im</strong> Verhältnis von Staat und religiösen Konfessionen in Italien heute, in:<br />

Puza/Kustermann (Hrsg.), Fn. 3, S. 79 ff.; Puza, <strong>Das</strong> staatliche <strong>Religionsrecht</strong> in Italien, in:<br />

Puza/Kustermann (Hrsg.), Fn. 3, S. 59 ff.<br />

216<br />

Vgl. hierzu Schuck, Evangelische Kirchen in Europa, MD 1999, S. 74.<br />

217<br />

Quelle: Puza, Fn. 215, S. 63 f.<br />

49


50<br />

und nur die konfessionellen Spezifika (z.B. Schächten; Sabbatruhe) geson<strong><strong>de</strong>r</strong>ten<br />

Vereinbarungen vorbehält, könnte diesen Diskr<strong>im</strong>inierungen wirksam begegnen. 218<br />

Italien kennt kein Kirchensteuersystem. Allerdings können seit <strong>de</strong>m 1. Januar 1990 <strong>im</strong><br />

Rahmen einer sog. Kultussteuer 0,8 ‰ <strong><strong>de</strong>r</strong> Einkommensteuerschuld <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

zweckgebun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Staat für humanitäre und soziale Zwecke zugewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. 219<br />

g) Spanien 220<br />

Ebenso wie in Italien wird durch Art. 16 Abs. 3 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> Spanischen Verfassung (Span.Verf.)<br />

die beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche, <strong><strong>de</strong>r</strong> ca. 90 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung angehören,<br />

hervorgehoben. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> knapp 450 Jahre engen Verflechtung politischer und religiöser<br />

Herrschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Befreiung Spaniens von <strong><strong>de</strong>r</strong> musl<strong>im</strong>ischen<br />

Herrschaft kam es in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweiten Republik von 1931 zu einem vollständigen<br />

Bruch mit <strong>de</strong>m Katholizismus. Gene<strong>ra</strong>l F. Bahamon<strong>de</strong> F<strong>ra</strong>nco, <strong><strong>de</strong>r</strong> als Sieger <strong>de</strong>s Spanischen<br />

Bürgerkriegs (1936 – 1939) hervorging, erhob die Röm.-Kath. Kirche wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n Rang <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Staatskirche, erklärte je<strong>de</strong> Rechtsnorm, die mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehre <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche unvereinbar<br />

war, für nichtig und schloß <strong>im</strong> Jahre 1953 ein extrem prokirchliches Konkordat ab. Nach<br />

seinem To<strong>de</strong> 1975 mußte daher fast zwangsläufig eine erneute Entflechtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehungen<br />

zwischen Staat und Kirche erfolgen, wobei diesmal allerdings behutsamer vorgegangen<br />

221<br />

wur<strong>de</strong>, als dies <strong>im</strong> Jahre 1931 <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall war. Gemäß Art. 16 Abs. 3 S. 1 Span.Verf. von 1978<br />

besteht keine Staatskirche mehr; nach Art. 16 Abs. 3 S. 2 Span.Verf. i.V.m. Art. 7 Abs. 1 <strong>de</strong>s<br />

Ausführungsgesetzes über die Religionsfreiheit von 1980 haben jetzt auch<br />

Religionsgemeinschaften neben <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche die Möglichkeit, Verträge mit <strong>de</strong>m<br />

Staat abzuschließen. Dabei bieten die Verträge, die für alle diese Religionsgemeinschaften<br />

nahezu i<strong>de</strong>ntisch sind, kaum Vorteile <strong>im</strong> Vergleich zu <strong>de</strong>n Gewährleistungen <strong>de</strong>s Art. 16<br />

Span.Verf. 222<br />

218<br />

So zu Recht auch Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 190.<br />

219<br />

Michaeler, in: Christoph, Fn. 139, S. 420; Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 200 f.; s.u. K.III.2.<br />

220<br />

Vgl. Bleckmann, Die Grundlagen <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts in Spanien, Fn. 133, S. 119 ff.;<br />

Ibán, Staat und Kirche in Spanien, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133, S. 99 ff.<br />

221<br />

Vgl. hierzu Ibán, Fn. 220, S. 100 – 103.<br />

222<br />

Vgl. Ibán, Fn. 220, S. 106 f.


4. Korrektur dieser Einteilung<br />

a) Unterschie<strong>de</strong> innerhalb eines Systems<br />

Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Trennung zwischen Staat und Kirche läßt sich die laïcité F<strong>ra</strong>nkreichs nur kaum mit<br />

<strong>de</strong>m t<strong>ra</strong>ditionellen Katholizismus in Irland vergleichen, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich über die unmittelbaren<br />

Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen zum <strong>Religionsrecht</strong> hinaus mitunter <strong>im</strong> irischen<br />

Abtreibungsverbot manifestiert. 223 Auch weist das Staatskirchentum in Griechenland an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

Züge als dasjenige Dänemarks auf. G<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong> Unterschie<strong>de</strong> bestehen auch innerhalb <strong>de</strong>s<br />

Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>lls. So ist z.B. die Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche in Belgien <strong>de</strong>utlich<br />

besser, obwohl hier kein Konkordat mit <strong>de</strong>m Hl. Stuhl besteht, als in vielen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Mitgliedstaaten, in <strong>de</strong>nen das Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht stärker ausgeprägt ist. 224<br />

b) Unterschie<strong>de</strong> innerhalb eines Mitgliedstaats<br />

Neben <strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong>n innerhalb eines Systems bestehen sogar Unterschie<strong>de</strong> innerhalb<br />

eines Mitgliedstaats. So besteht unter <strong>de</strong>m Dach <strong>de</strong>s Vereinigten Königreiches eine Art<br />

Cohabitation durch die Anglikanische Staatskirche in England, die entstaatlichte<br />

Anglikanische Kirche in Wales und Nordirland sowie die presbyterianisch verfaßte Kirk of<br />

Scotland. Ähnliches gilt in F<strong>ra</strong>nkreich aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> östlichen<br />

Départements infolge <strong>de</strong>s Napoleonischen Konkordats.<br />

c) Ständiger Wan<strong>de</strong>l in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />

Darüber hinaus unterliegt das religionsrechtliche System eines Mitgliedstaats <strong><strong>de</strong>r</strong> ständigen<br />

Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung. Einerseits lassen sich Entwicklungen vom Staatskirchentum hin zum<br />

Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll am jüngsten Beispiel Schwe<strong>de</strong>n, aber auch anhand <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Iberischen Halbinsel vor einigen Jahren, festmachen. In F<strong>ra</strong>nkreich war dagegen<br />

schon früh eine stetige Entwicklung weg vom kirchenfeindlichen Laizismus hin zur positiven<br />

Neut<strong>ra</strong>lität <strong>de</strong>s Staates erkennbar. Ob man aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung in F<strong>ra</strong>nkreich rechtsvergleichend<br />

schon von einer Konvergenz von extremeren religionsrechtlichen Positionen hin zu<br />

einem Mo<strong>de</strong>ll <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitte wie in Deutschland sprechen kann, 225<br />

223<br />

Vgl. hierzu die Rs. Grogan, s.u. Fn. 918.<br />

224<br />

So z.B. Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 128, S. 34.<br />

225<br />

So z.B. Robbers, Fn. 32, S. 127; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 107, S. 353; Turowski, Staatskirchenrecht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>? – Überlegungen zu einer nicht nur für die Kirchen wichtigen<br />

Diskussion, KuR 140, S. 1 ff., 5.<br />

51<br />

scheint jedoch f<strong>ra</strong>glich.<br />

Vielmehr macht die Entwicklung in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n zur strikten Trennung von Staat und<br />

Kirche <strong>de</strong>utlich, daß <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit eine allgemeine Ten<strong>de</strong>nz hin zur Entflechtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat-Kirche-


52<br />

Beziehungen und zur stärkeren Neut<strong>ra</strong>lität <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten in religionsrechtlichen<br />

Angelegenheiten zu verzeichnen ist.<br />

d) Neue Aspekte durch Osterweiterung<br />

Die osteuropäischen Län<strong><strong>de</strong>r</strong> kennen aufgrund <strong>de</strong>s atheistischen, kommunistischen Reg<strong>im</strong>es<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um an<strong><strong>de</strong>r</strong>e religionsrechtliche Strukturen, die <strong>im</strong> Falle einer<br />

Osterweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU ebenfalls Berücksichtigung fin<strong>de</strong>n müßten.<br />

e) Religionsplu<strong>ra</strong>lismus<br />

Schließlich verschw<strong>im</strong>mt die t<strong>ra</strong>ditionelle Dreiteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> religionsrechtlichen Systeme<br />

angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> sich <strong>im</strong>mer mehr auffächern<strong>de</strong>n Religiosität in Europa, bedingt durch <strong>de</strong>n<br />

Zuzug von Flüchtlingen und Gastarbeitern oftmals islamischen Bekenntnisses, die<br />

wirtschaftliche Globalisierung, aber auch durch das Aufkommen neuer religiöser und<br />

weltanschaulicher Strömungen (Zeugen Jehovas, Mormonen, Anthroposophie, Scientology,<br />

New Age u.a.), <strong>im</strong>mer mehr. Guiseppe Dalla Torre hält die althergeb<strong>ra</strong>chte Dreiteilung in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

société polythéiste, wie sie <strong>im</strong> künftigen Europa mehr und mehr vorherrschen wird, zu Recht<br />

für unzureichend bzw. überholt. 226<br />

f) Folgerungen<br />

Als angemessen kann daher alleine diejenige religionsrechtliche Struktur angesehen wer<strong>de</strong>n,<br />

die das gesamte religiöse Leben in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU, also sowohl <strong>de</strong>n Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Großkirchen als auch <strong>de</strong>njenigen kleinerer Religionsgemeinschaften in zufrie<strong>de</strong>nstellen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Weise gerecht wird. 227 Schwerpunkt in dieser Arbeit soll jedoch nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> rechtsvergleichen<strong>de</strong><br />

Überblick sein; zur besseren Einordnung <strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen <strong>Religionsrecht</strong>s wird<br />

daher weiter an die klassische Dreiteilung angeknüpft. 228<br />

226<br />

Dalla Torre, Fn. 21, S. 4; ähnlich Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 128, S. 33; Robbers, Fn. 32, S. 127.<br />

227<br />

Ähnlich Robbers, Fn. 32, S. 125.<br />

228<br />

Vgl. zu dieser Problematik weiterführend z.B. Torfs, Which relationships between churches<br />

and the European <strong>Union</strong>? in: Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/Tempel/Torfs (Hrsg.), Fn. 31, S. 77 ff., 78 f.


5. Zusammenfassung<br />

<strong>Das</strong> <strong>Religionsrecht</strong> in <strong>de</strong>n einzelnen Mitgliedstaaten ist sehr unterschiedlich ausgeprägt:<br />

Neben <strong>de</strong>n Extrempositionen einer strikten Trennung von Staat und Kirche einerseits und <strong>de</strong>m<br />

Staatskirchentum an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits bestehen Formen <strong><strong>de</strong>r</strong> Koope<strong>ra</strong>tion zwischen Staat und Kirche<br />

trotz grundsätzlicher Trennung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtskreise. Die übliche Dreiteilung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

religionsrechtlichen Systeme trägt allerdings <strong>de</strong>n tatsächlichen Gegebenheiten <strong>de</strong>s<br />

<strong>Religionsrecht</strong>s innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Mitgliedstaaten nur in unzureichen<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise<br />

Rechnung. Insgesamt kann rechtsvergleichend eine Entflechtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat-Kirche-<br />

Beziehungen festgestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

III. Einrichtungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen auf europäischer Ebene<br />

Die Kirchen schenken <strong>de</strong>m <strong>Europäischen</strong> Integ<strong>ra</strong>tionsprozeß, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich längst nicht mehr auf<br />

rein wirtschaftliche Aspekte beschränkt, nach jahrzehntelanger Igno<strong>ra</strong>nz und z.T. starker<br />

Skepsis inzwischen große Aufmerksamkeit. Dies dokumentiert sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung diverser<br />

Organisationen, die in Brüssel ein eigenes Büro unterhalten. Durch die sog.<br />

Verbindungsstellen wollen die Kirchen einerseits ihren Öffentlichkeitsauft<strong>ra</strong>g besser<br />

wahrnehmen, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits aber vor allem in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage sein, zu Gesetzesvorhaben <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft, die sich in irgen<strong>de</strong>iner Weise auf die Rechtsstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> von ihnen vertretenen<br />

Denomination bzw. Institution auswirken könnten, <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s informellen Gesprächs ihre<br />

Position darlegen zu können. Auch die Gemeinschaft selbst schätzt <strong>de</strong>n Dialog mit <strong>de</strong>n<br />

Kirchen und erhofft sich von ihm einen Beit<strong>ra</strong>g für <strong>de</strong>n ethnischen, kulturellen und religiösen<br />

Einigungsprozeß Europas. 229<br />

53<br />

So könnten die Kirchen und Religionsgemeinschaften in <strong>de</strong>n<br />

Bereichen Kultur und Bildung, aber auch zu ethischen F<strong>ra</strong>gen (z.B. Gentechnik) ihre Wertvorstellungen<br />

und Erfahrungen in <strong>de</strong>n europäischen Dialog einbringen. Allerdings wirkt es sich<br />

für die Geltendmachung religionsrechtlicher Positionen negativ aus, daß noch nicht einmal<br />

das Christentum gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> EU eine einheitliche St<strong>im</strong>me besitzt.<br />

229 Schmoll, Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission gef<strong>ra</strong>gt – Die Kirchen und ihr Beit<strong>ra</strong>g zur europäischen<br />

Einigung, FAZ Nr. 234 vom 9.10.1998, S. 16.


54<br />

1. Römisch-Katholische Kirche<br />

a) Heiliger Stuhl als Völkerrechtssubjekt<br />

Im Gegensatz zu allen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en christlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften ist <strong>de</strong>m<br />

Papstamt <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche – unabhängig von einer konkreten Besetzung – als „Heiliger<br />

Stuhl“ (Sancta Se<strong>de</strong>s) bzw. „Apostolischer Stuhl“ (Apostolica Se<strong>de</strong>s), vgl. can. 361<br />

CIC/1983 230 , seit <strong>de</strong>m frühen Mittelalter das Privileg einer eigenen Völkerrechtssubjektivität<br />

als Nicht-Staat 231 zuerkannt wor<strong>de</strong>n. Der „Staat <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikanstadt“ (Stato <strong>de</strong>lla Città <strong>de</strong>l<br />

Vaticano) als dauernd neut<strong>ra</strong>ler Staat 232 ist als weiteres Völkerrechtssubjekt anzusehen. 233<br />

Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Völkerrechtssubjektivität <strong>de</strong>s Hl. Stuhls hat die Röm.-Kath. Kirche die<br />

Möglichkeit, in internationalen Organisationen neben an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Staaten vertreten zu sein, wobei<br />

die Völkerrechtsfähigkeit sich allerdings nicht auf die Röm.-Kath. Kirche als solche bezieht;<br />

diese ist nach can. 113 § 1 CIC/1983 lediglich persona mo<strong>ra</strong>lis.<br />

Seit <strong>de</strong>m 24. November 1970 ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl über <strong>de</strong>n Apostolischen Nuntius von Belgien<br />

bei <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften akkreditiert, <strong><strong>de</strong>r</strong> „gute Beziehungen“ zwischen Rom<br />

und Brüssel aufrechterhalten und v.a. auch zum Fortschritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklungslän<strong><strong>de</strong>r</strong> beit<strong>ra</strong>gen<br />

soll. 234<br />

Darüber hinaus kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl Konkordate 235<br />

, d.h. völkerrechtliche Verträge mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Staaten und nach Art. 300 (ex-Art. 228) EGV theoretisch auch mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />

abschließen. Am 10. Dezember 1962 hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl seine Beitrittsurkun<strong>de</strong> zum<br />

Kultu<strong>ra</strong>bkommen <strong>de</strong>s Europa<strong>ra</strong>ts vom 19. Dezember 1954 hinterlegt und konnte damit zum<br />

230 Der am 25. Januar 1983 promulgierte CIC/1983 ist das offizielle Gesetzbuch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

lateinischen Kirche und löst frühere Rechtsquellen, unter ihnen <strong>de</strong>n CIC/1917, ab; vgl.<br />

AAS 75 (1983), pars II, S. 1 ff.<br />

231 Vgl. Köck, Die völkerrechtliche Stellung <strong>de</strong>s Heiligen Stuhls – Dargestellt an seinen<br />

Beziehungen zu Staaten und internationalen Organisationen, Berlin 1975, S. 18.<br />

232 Vgl. hierzu K<strong>im</strong>minich, Kirchen und Menschenrechte, in: Leibholz/Faller/Mikat/Reis<br />

(Hrsg.), Menschenwür<strong>de</strong> und freiheitliche Rechtsordnung, FS für Willi Geiger zum<br />

65. Geburtstag, Tübingen 1974, S. 499 ff., 510; Köck, Fn. 231, S. 148 ff., 150.<br />

233 Vgl. hierzu HdbStKirchR/K<strong>im</strong>minich, Fn. 46, S. 226 ff.; Listl, Konkordate und Kirchenverträge,<br />

in: Isensee/Rüfner/Rees (Hrsg.), Kirche <strong>im</strong> freiheitlichen Staat – Schriften zum<br />

Staatskirchenrecht und Kirchenrecht, Erster Hbbd., Berlin 1996, S. 469 ff., 473.<br />

234 Vgl. Köck, Fn. 231, S. 743, dort Fn. 12, S. 747 f.; Rauch, Fn. 23, S. 43 ff. Außer<strong>de</strong>m<br />

unterhält <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl eine Son<strong><strong>de</strong>r</strong>gesandtschaft be<strong>im</strong> Europa<strong>ra</strong>t in <strong><strong>de</strong>r</strong> Stellung eines<br />

Ständigen Beobachters, vgl. Hafner, Fn. 20, S. 108; Minne<strong>ra</strong>th, Fn. 104, S. 120.<br />

235 Vgl. hierzu die Ausführungen unten I.I.1.a).


Vollmitglied dieses Abkommens wer<strong>de</strong>n, da dieses in Art. 9 Ziff. 4 eine Beitrittsmöglichkeit<br />

auch für Nichtmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Europa<strong>ra</strong>ts, wie <strong>de</strong>n Hl. Stuhl, eröffnet. 236 Nach<strong>de</strong>nklich st<strong>im</strong>mt<br />

jedoch, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikanstadt als europäischer Staat <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK bisher nicht<br />

beigetreten ist, wo doch <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl <strong>im</strong>mer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte<br />

betont hat. 237<br />

b) Katholisches Sekretariat für europäische F<strong>ra</strong>gen (OCIPE)<br />

<strong>Das</strong> 1956 nach f<strong>ra</strong>nzösischem Vereinsrecht gegrün<strong>de</strong>te OCIPE mit Sitz in St<strong>ra</strong>ßburg und<br />

Büros u.a. in Brüssel stellt eine mehr nach innen gerichtete Einrichtung dar, die innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Röm.-Kath. Kirche über die Vorgänge in Europa informieren und entsprechen<strong>de</strong> Maßnahmen<br />

einleiten soll. Bestrebungen, die OCIPE <strong>im</strong> Jahre 1982 <strong><strong>de</strong>r</strong> ComECE einzuglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n, wur<strong>de</strong>n<br />

jedoch wie<strong><strong>de</strong>r</strong> fallengelassen. 238<br />

c) Rat <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Bischofskonferenzen (CCEE) 239<br />

Dem am 23./24. März 1971 aufgrund <strong>de</strong>s Zweiten Vatikanums gegrün<strong>de</strong>ten Rat <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> Bischofskonferenzen mit seinem Gene<strong>ra</strong>lsekretariat in St. Gallen gehören<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit (Stand: Juni 1999) 34 nationale Bischofskonferenzen aus Gesamteuropa an. Der CCEE<br />

<strong>de</strong>finiert sich selbst als „ein Instrument <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft unter <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Bischofskonferenzen“<br />

und ist eine <strong><strong>de</strong>r</strong> vier internationalen Vereinigungen von Bischofskonferenzen<br />

240<br />

i.S.d. can. 459 CIC/1983.<br />

Die Ziele <strong>de</strong>s CCEE sind gemäß Art. 1 seiner Statuten v.a. eine engere Gemeinschaft und<br />

Zusammenarbeit unter <strong>de</strong>n Bischöfen und Bischofskonferenzen Europas, um die<br />

Neuevangelisierung in Europa zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n, sowie die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> ökumenischen<br />

Zusammenarbeit in Europa zur Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>herstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Christen.<br />

236<br />

Vgl. Köck, Fn. 231, S. 742; Minne<strong>ra</strong>th, Fn. 104, S. 119. Gleichwohl besteht ein ständiger<br />

Beobachterstatus (Osservatore Permanente) be<strong>im</strong> Europa<strong>ra</strong>t.<br />

237<br />

Vgl. hierzu die Diskussionsbeiträge von Frowein, Hollerbach sowie Rüfner in: EssGespr.<br />

27 (1993), S. 64.<br />

238<br />

So Minne<strong>ra</strong>th, Fn. 104, S. 121; vgl. auch HdbStKirchR/Turowski, Verbindungsstellen<br />

zwischen Staat und Kirchen <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche, Zweiter Bd., § 46,<br />

S. 197 ff., 216.<br />

239<br />

Vgl. hierzu ausführlich Rauch, Fn. 23, S. 62 ff.<br />

240<br />

Näheres bei Puza, Fn. 85, S. 10.<br />

55


56<br />

Zur Verwirklichung dieser Ziele arbeiten die einzelnen Bischofskonferenzen gemäß Art. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Statuten zusammen und pflegen neben einem internen Informationsaustausch <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Ökumene auch Kontakte zur Konferenz <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Kirchen (KEK). 241<br />

Außer<strong>de</strong>m soll <strong><strong>de</strong>r</strong> CCEE seinen Auft<strong>ra</strong>g in <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Gesellschaft gegenwärtig<br />

halten. 242 In Erfüllung dieses Öffentlichkeitsauft<strong>ra</strong>gs unterstützte <strong><strong>de</strong>r</strong> CCEE in einer<br />

gemeinsamen Erklärung beispielsweise die Osterweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU <strong>Union</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Begründung, es sei eine „gefährliche Illusion“, zu glauben, „Stabilität und Frie<strong>de</strong>n in einer<br />

westeuropäischen Zita<strong>de</strong>lle bewahren“ zu können, „ohne die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Län<strong><strong>de</strong>r</strong> Europas in die<br />

<strong>Union</strong> zu integrieren.“ Dabei gelte es, nicht nur die institutionellen und materiellen<br />

Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Osterweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU zu schaffen; vielmehr müsse auch eine geistige<br />

Brücke <strong><strong>de</strong>r</strong> Einigung zwischen <strong>de</strong>n Völkern geschaffen wer<strong>de</strong>n. 243<br />

d) Kommission <strong><strong>de</strong>r</strong> Bischofskonferenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft (ComECE)<br />

Eine wichtige Einrichtung in bezug auf die EU stellt die 1980 gegrün<strong>de</strong>te ComECE 244<br />

mit<br />

seinem Gene<strong>ra</strong>lsekretariat in Brüssel und einem weiteren Büro in St<strong>ra</strong>ßburg dar. Die ComECE<br />

setzt sich aus je einem beauft<strong>ra</strong>gten Bischof aus <strong>de</strong>n 14 (Stand: Juni 1999) Episkopaten<br />

zusammen. Seit 1998 entsen<strong>de</strong>t die polnische Bischofskonferenz als Beitrittskandidat<br />

zusätzlich einen Beobachter zu <strong>de</strong>n Vollversammlungen.<br />

Die ComECE verfolgt Ten<strong>de</strong>nzen und Entwicklungen <strong>im</strong> EU-Bereich und informiert die<br />

nationalen Bischofskonferenzen hierüber. Darüber hinaus soll die ComECE die<br />

Zusammenarbeit zwischen einzelnen Episkopaten und Hl. Stuhl in <strong>de</strong>n die EU betreffen<strong>de</strong>n<br />

F<strong>ra</strong>gen för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Sofern ein gemeinsamer Standpunkt in Übereinst<strong>im</strong>mung mit <strong>de</strong>m<br />

Apostolischen Nuntius bei <strong><strong>de</strong>r</strong> EG gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>, wird dieser in einer öffentlichen<br />

Stellungnahme gegenüber <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen zum Ausdruck geb<strong>ra</strong>cht. 245<br />

241<br />

An dieser Stelle ist die europäische ökumenische Versammlung „Frie<strong>de</strong>n in Gerechtigkeit“<br />

<strong>im</strong> Jahre 1989 in Basel ebenso zu erwähnen wie <strong><strong>de</strong>r</strong> für 2006 geplante erste ökumenische<br />

Kirchentag.<br />

242<br />

Quelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Statuten <strong><strong>de</strong>r</strong> CCEE: Amtsblatt <strong><strong>de</strong>r</strong> Österreichischen Bischofskonferenz Nr. 19<br />

vom 20.12.1996.<br />

243<br />

FAZ Nr. 107 vom 10.5.1997, S. 8; s. auch das „Wort zu Europa“ <strong><strong>de</strong>r</strong> CCEE, in HK 31<br />

(1977), S. 405 ff.<br />

244<br />

Vgl. hierzu ausführlich Rauch, Fn. 23, S. 65 ff.<br />

245<br />

Weitere Einzelheiten bei Turowski, Fn. 238, S. 214 f.


e) Caritas Europa<br />

Caritas Europa mit Sitz in Brüssel ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Caritasverbän<strong>de</strong> in<br />

Europa und zugleich <strong><strong>de</strong>r</strong> regionale Zusammenschluß von Caritas Internationalis in Rom. <strong>Das</strong><br />

Büro in Brüssel dient u.a. als Kontaktstelle zu <strong>de</strong>n EU-Organen. 246<br />

f) Europäisches Komitee für katholische Erziehung (CEEC)<br />

Dieser Zusammenschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Koordination <strong>de</strong>s katholischen Erziehungswesens auf<br />

nationaler Ebene beauft<strong>ra</strong>gten Einrichtungen besteht seit 1974 und hat die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Interessen <strong>de</strong>s katholischen Erziehungswesens bei <strong>de</strong>n europäischen Institutionen zum Ziel.<br />

Der Sitz <strong>de</strong>s CEEC ist ebenfalls in Brüssel.<br />

2. Evangelische Kirche<br />

a) Verbindungsbüro <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD<br />

Seit September 1990 unterhält die EKD ein Verbindungsbüro in Brüssel, das <strong>de</strong>m<br />

„Bevollmächtigten <strong>de</strong>s Rates <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft“ untersteht.<br />

Hierdurch sollen Rat und Dienststellen <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD über die Entwicklung <strong>de</strong>s EG-Rechts und<br />

umgekehrt die europäischen Dienststellen über Stellungnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD zu ethischen und<br />

gesellschaftlichen F<strong>ra</strong>gen informiert wer<strong>de</strong>n. 247 Außer<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n Angelegenheiten mit<br />

europarechtlichem Belang vom „Bevollmächtigten <strong>de</strong>s Rates <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD be<strong>im</strong> Bun<strong>de</strong>stag und<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sregierung“ wahrgenommen. 248<br />

b) Europäische Ökumenische Kommission für Kirche und Gesellschaft (EECCS)<br />

Als Gegenstück <strong><strong>de</strong>r</strong> ComECE hatte sich auf protestantischer Seite die EECCS, eine<br />

internationale gemeinnützige und kulturelle Vereinigung nach belgischem Recht mit Sitz in<br />

Brüssel gebil<strong>de</strong>t, wobei Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS nicht nur die Evangelische Kirche, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e protestantische Freikirchen waren. Geschichtlich ging diese aus <strong><strong>de</strong>r</strong> 1964<br />

gegrün<strong>de</strong>ten „Ökumenischen Vereinigung für Kirche und Gesellschaft“ hervor, die 1975 zur<br />

„Kommission von Kirchen bei <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften in Brüssel“ wur<strong>de</strong> und sich<br />

1980 als „Ökumenische Kommission für Kirche und Gesellschaft in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

246 Vgl. auch Turowski, Fn. 238, S. 216.<br />

247 Vgl. hierzu HdbStKirchR/Kalinna, Verbindungsstellen zwischen Staat und Kirchen <strong>im</strong><br />

Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen Kirche, Zweiter Bd., § 45, S. 181 ff., 193.<br />

248 Ehnes, Zum Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen zur <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, KuR 140, S. 47 ff., 52.<br />

57


58<br />

Gemeinschaft“ (ECCSEC) neu konstituierte. Da <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchliche Auft<strong>ra</strong>g nicht nur <strong>im</strong> Bereich<br />

<strong>de</strong>s EG-Rechts, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch gegenüber <strong>de</strong>m Europa<strong>ra</strong>t gesehen wur<strong>de</strong>, 249 erfolgte 1982 eine<br />

weitere Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Namens <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission in „Europäische Ökumenische Kommission<br />

für Kirche und Gesellschaft“. Als jedoch – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als erwartet – außer <strong>de</strong>m Schweizerischen<br />

Kirchenbund keine weiteren Kirchen aus Vert<strong>ra</strong>gsstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK beit<strong>ra</strong>ten 250 , wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Name nochmals geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t in „Ökumenische Kommission für Kirche und Gesellschaft in<br />

Westeuropa“, bis endlich <strong><strong>de</strong>r</strong> heutige Name „Europäische Ökumenische Kommission für<br />

Kirche und Gesellschaft“ (EECCS) gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>. 251<br />

Die EECCS wur<strong>de</strong> jedoch am<br />

1. Januar 1999 in die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) – s. sogleich B.III.2.c) –<br />

integriert und bil<strong>de</strong>t dort eine spezielle Abteilung für die kirchlichen Angelegenheiten i.R.d.<br />

<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>. 252<br />

Zuletzt gehörten 14 verschie<strong>de</strong>ne nichtkatholische Kirchen aus allen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> EU und (seit<br />

1982) auch <strong>de</strong>s Europa<strong>ra</strong>ts <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS an. Deutsche Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS sind die EKD<br />

sowie die Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF). Um be<strong>im</strong> Europa<strong>ra</strong>t präsent zu sein,<br />

eröffnete die EECCS in <strong>de</strong>n achtziger Jahren ein eigenes St<strong>ra</strong>ßburger Büro, das von dieser bis<br />

zu ihrer Zusammenführung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> KEK unterhalten wur<strong>de</strong>.<br />

Aufgaben und Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS waren bisher:<br />

• die Mitgliedskirchen über Entwicklungen in <strong>de</strong>n europäischen Institutionen<br />

in F<strong>ra</strong>gen von beson<strong><strong>de</strong>r</strong>em kirchlichen Interesse zu informieren;<br />

• in <strong>de</strong>n europäischen Institutionen Aufmerksamkeit für Anliegen von<br />

Mitgliedskirchen <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS zu wecken; dies geschieht durch halbjährlich<br />

stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Treffen mit Vertretern <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Kommission;<br />

• die ökumenische Zusammenarbeit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> ComECE sowie zwischen <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedskirchen <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 253<br />

c) Konferenz Europäischer Kirchen (KEK)<br />

Der 1959 gegrün<strong>de</strong>ten KEK kommt in erster Linie Brückenfunktion zwischen <strong>de</strong>n<br />

protestantischen und orthodoxen Kirchen in Gesamteuropa zu. Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> KEK als<br />

249 Schmoll, Fn. 229, S. 16.<br />

250 So Hollerbach, Fn. 17, S. 262.<br />

251 Göckenjan, Fn. 19, S. 28; Kalinna, Fn. 247, S. 192 f.<br />

252 Vgl. Ehnes, Fn. 248, S. 52 f.<br />

253 Göckenjan, Fn. 19, S. 29; vgl. auch Kalinna, Fn. 247, S. 193.


europäischem Pendant <strong>de</strong>s Ökumenischen Rates sind 125 protestantische, orthodoxe,<br />

anglikanische und altkatholische Kirchen sowie zahlreiche Freikirchen (z.B. Evangelisch-<br />

Methodistische Kirche; Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemein<strong>de</strong>n; Pfingstgemein<strong>de</strong>n) aus<br />

ganz Europa. Aus diesem Grun<strong>de</strong> stand die KEK, die eine ihrer Hauptaufgaben in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

gesamteuropäischen Menschenrechtspolitik sieht, <strong>im</strong>mer schon in einem gewissen<br />

Spannungsverhältnis zur EECCS, <strong><strong>de</strong>r</strong> überwiegend westeuropäische Kirchen angehörten und<br />

die ihren Auft<strong>ra</strong>g vor allem auf westeuropäische Institutionen, namentlich die EU,<br />

ausgerichtet verstand. Da das St<strong>ra</strong>ßburger Büro <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS auch Aufgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> KEK<br />

gegenüber <strong>de</strong>m Europa<strong>ra</strong>t wahrnahm, bestan<strong>de</strong>n schon seit Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre<br />

Überlegungen einer Zusammenführung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Organisationen. 254<br />

Mit Wirkung zum 1. Januar 1999 ist die EECCS in die KEK eingeglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t wor<strong>de</strong>n. Zusammen<br />

mit <strong>de</strong>m bisherigen KEK-Sekretariat „Zeugnis in Kirche und Gesellschaft“ wur<strong>de</strong> aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EECCS die neu gebil<strong>de</strong>te „KEK-Kommission für Kirche und Gesellschaft“ gegrün<strong>de</strong>t. 255<br />

Diese vertritt die Mitgliedskirchen <strong><strong>de</strong>r</strong> KEK nicht nur gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> EU, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n darüber<br />

hinaus auch bei gesamteuropäischen Institutionen wie <strong>de</strong>m Europa<strong>ra</strong>t o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> OSZE und<br />

verfolgt insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Auswirkungen <strong><strong>de</strong>r</strong> EU-Osterweiterung 256 auf Menschen und<br />

Kirchen in <strong>de</strong>n Nicht-EU-Staaten. Ihren Aufgaben entsprechend 257<br />

verfügt die Kommission<br />

über jeweils ein Büro in Genf, Brüssel und St<strong>ra</strong>ßburg.<br />

254<br />

Göckenjan, Fn. 19, S. 30.<br />

255<br />

Brenner, Die neue KEK-Kommission Kirche und Gesellschaft, MD 1998, S. 111; Schmoll,<br />

Fn. 229, S. 16.<br />

256<br />

Der ehemalige Präsi<strong>de</strong>nt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Kommission Jacques Santer stellte <strong>im</strong> Blick auf<br />

diese Aufgabe in seiner Re<strong>de</strong> vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Gene<strong>ra</strong>lversammlung <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS am 12.9.1998 in<br />

Vaalbeek fest: „Damit antizipieren Sie in gewisser Weise die Erweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> und<br />

helfen dadurch, <strong>de</strong>n schwierigen Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion zwischen Ost und West zu<br />

gestalten. Die Konferenz Europäischer Kirchen ist dafür in beson<strong><strong>de</strong>r</strong>em Maße geeignet und<br />

ein Forum für Gespräche und Zusammenarbeit zwischen <strong>de</strong>n christlichen T<strong>ra</strong>ditionen <strong>de</strong>s<br />

Westens und <strong>de</strong>s Ostens.“; Zitat bei Brenner, Fn. 255, S. 111. Dies unterstreicht die<br />

eingangs getroffene Aussage, daß Kirchen und Religionsgemeinschaften zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s<br />

Integ<strong>ra</strong>tionsprozesses i.S.d. Jacques Delors zugeschriebenen Bonmots beit<strong>ra</strong>gen können.<br />

De<strong>ra</strong>rtige Treffen zwischen Vertretern <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und <strong><strong>de</strong>r</strong> EG-Kommission wie in<br />

Vaalbeek fin<strong>de</strong>n seit <strong>de</strong>m 5.11.1990 halbjährlich kurz vor <strong>de</strong>n Sitzungen <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong><br />

Rates <strong><strong>de</strong>r</strong> Staats- und Regierungschefs statt, vgl. Gaertner, Europa: He<strong>ra</strong>usfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an<br />

die Evangelische Kirche, Zeitschrift für Evangelische Ethik, (36) 1992, S. 87 ff., 95.<br />

257<br />

Vgl. zu <strong>de</strong>m offiziell angenommenen Arbeitsprog<strong>ra</strong>mm vom 30.9.1998: Brenner, Fn. 255,<br />

S. 111.<br />

59


60<br />

Im Gegensatz zur hie<strong>ra</strong>rchisch geführten Röm.-Kath. Kirche, <strong><strong>de</strong>r</strong> über <strong>de</strong>n Hl. Stuhl<br />

Völkerrechtssubjektivität zukommt, genießen die protestantischen Vereinigungen nicht<br />

<strong>de</strong>nselben formellen Rang und haben überdies eher mit Partikularinteressen einzelner<br />

Mitgliedskirchen zu kämpfen, was ihre gemeinsame Interessenvertretung gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> erschwert. 258<br />

Neben <strong>de</strong>n hier aufgezählten kirchlichen Einrichtungen existieren weitere kirchliche o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

kirchennahe Büros, z.B. die Vertretung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sarbeitsgemeinschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Freien<br />

Wohlfahrtspflege. 259<br />

258<br />

So auch Hafner, Fn. 20, S. 109. Dies mag dazu beiget<strong>ra</strong>gen haben, daß die EKD trotz ihrer<br />

Mitgliedschaft in <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS ein eigenes Brüsseler Büro eingerichtet hat.<br />

259<br />

Einen Überblick über diese Einrichtungen bieten Albert, LThK, 3. Bd., Stichwort: Europa,<br />

Sp. 994 f., 1001; Hollerbach, Fn. 17, S. 263; Strohm/von Schubert, Le cadre social. Les<br />

églises et l’état dans leurs <strong>ra</strong>pports vis-à-vis <strong>de</strong>s problèmes sociaux actuels, in: Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/<br />

Tempel/Torfs (Hrsg.), Fn. 31, S. 55 ff., 63.


62<br />

C. Gemeinschaftsrechtliche versus mitgliedstaatliche<br />

Kompetenzen in bezug auf das <strong>Religionsrecht</strong><br />

In diesem Kapitel wird zunächst da<strong>ra</strong>uf eingegangen, inwieweit durch Vorschriften <strong>de</strong>s<br />

gemeinschaftlichen Pr<strong>im</strong>är- und Sekundärrechts bzw. aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH<br />

bereits Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> EU <strong>im</strong> Hinblick auf die Rechtsstellung von Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften sowie die individuelle Religionsfreiheit begrün<strong>de</strong>t sind.<br />

Anschließend soll beleuchtet wer<strong>de</strong>n, in welchem Verhältnis diese gemeinschaftsrechtlichen<br />

Kompetenzen zu nationalen Kompetenzen auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s stehen und<br />

welche Inter<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nzen zwischen nationaler und sup<strong>ra</strong>nationaler Rechtsordnung bestehen.<br />

I. <strong>Religionsrecht</strong>liche Anknüpfungspunkte <strong>im</strong> pr<strong>im</strong>ären und sekundären<br />

Gemeinschaftsrecht<br />

Bis Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft seitens kirchennaher Vertreter z.T.<br />

vehement eine Kompetenz in religionsrechtlicher Hinsicht abgesprochen: <strong>Das</strong><br />

Gemeinschaftsrecht schließe keine kompetenzrechtliche Vorschrift zur Regelung kirchlicher<br />

Belange ein; aus diesem Grun<strong>de</strong> könne von einem <strong>Religionsrecht</strong> („Staatskirchenrecht“) <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch nur von religionsrechtlichen („staatskirchenrechtlichen“)<br />

Kompetenzen <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts nicht gesprochen wer<strong>de</strong>n. 260 Aber auch in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> neueren Lite<strong>ra</strong>tur <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s, das sich <strong>de</strong>zidierter mit <strong>de</strong>m <strong>Religionsrecht</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> EU<br />

auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzt, wird betont, das <strong>Religionsrecht</strong> („Staatskirchenrecht“) sei nie ausdrücklich<br />

auf die EG bzw. EU übert<strong>ra</strong>gen wor<strong>de</strong>n und das Pr<strong>im</strong>ärrecht enthalte keine direkten<br />

Regelungsbefugnisse für religionsrechtliche Materien. 261<br />

Durch die mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger pauschale Negierung gemeinschaftsrechtlicher Kompetenzen<br />

wird man jedoch <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache nicht gerecht, daß die Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EG schon vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Maastrichter Regierungskonferenz in verschie<strong>de</strong>nsten Bereichen – z.B. <strong>im</strong> Arbeits- und<br />

260 Z.B. Joseph H. Kaiser, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 105 f.; ähnlich<br />

Richardi, Verfassungsrechtliche Grundlagen <strong>de</strong>s kirchlichen Arbeitsrechts, in: Richardi/<br />

Wlotzke (Hrsg.), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 2, München 1993, § 185 =<br />

S. 1133 ff., Rdnrn. 8, 11.<br />

261 Z.B. v. Campenhausen, Fn. 74, S. 409 f.


Sozialrecht, Steuer- und Bildungsrecht – Kompetenzen übert<strong>ra</strong>gen hatten, in <strong>de</strong>nen nicht<br />

danach differenziert wur<strong>de</strong>, ob sich die betreffen<strong>de</strong> Materie nur auf säkulare o<strong><strong>de</strong>r</strong> darüber<br />

hinaus auch auf kirchliche Belange erstrecken sollte. 262 Aus diesem Grun<strong>de</strong> darf man sehr<br />

wohl davon sprechen, daß sich <strong>im</strong> gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrecht und <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung<br />

<strong>de</strong>s EuGH inzwischen ein „gewisses <strong>Religionsrecht</strong>“ 263<br />

entwickelt hat, auch wenn<br />

dieses zunächst <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht keinen Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag gefun<strong>de</strong>n hat.<br />

Im folgen<strong>de</strong>n sollen diejenigen pr<strong>im</strong>ärrechtlichen Best<strong>im</strong>mungen <strong>im</strong> Gemeinschafts- und<br />

<strong>Union</strong>srecht angesprochen wer<strong>de</strong>n, die zur individualrechtlichen Religionsfreiheit sowie zur<br />

institutionellen Stellung von Kirchen und Religionsgemeinschaften unmittelbar o<strong><strong>de</strong>r</strong> mittelbar<br />

Ausführungen machen. Der genaue Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Vorschriften <strong>de</strong>s Pr<strong>im</strong>ärrechts, die<br />

größtenteils an späterer Stelle (vgl. Fußnotenquerverweis) ausführlicher kommentiert wer<strong>de</strong>n,<br />

ist <strong>im</strong> Anhang abgedruckt.<br />

1. Pr<strong>im</strong>ärrecht<br />

a) Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 1 EUV n.F. 264<br />

Nach dieser Vorschrift achtet die EU neben an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Fundamentalprinzipien die<br />

Menschenrechte, zu welchen auch die Religionsfreiheit zählt. Diese Vorschrift ist be<strong>de</strong>utsam,<br />

weil sich an ihre Nichtbeachtung empfindliche Rechtsfolgen knüpfen: Der Rat kann gegen<br />

einen Mitgliedstaat, <strong><strong>de</strong>r</strong> anhaltend und schwerwiegend die Religionsfreiheit verletzt, sich<br />

ansonsten aber vert<strong>ra</strong>gskonform verhält, die Aussetzung von Vert<strong>ra</strong>gsrechten nach<br />

Art. 7 (ex-Art. F.1) EUV beschließen bzw. <strong>de</strong>n Beitrittsant<strong>ra</strong>g eines aufnahmewilligen Staates<br />

gemäß Art. 49 (ex-Art. O) EUV ablehnen.<br />

b) Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV 265<br />

Gemäß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV achtet die <strong>Union</strong> die Grundrechte – und damit auch die<br />

Religionsfreiheit –, wie sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK gewährleistet sind und wie sie sich aus <strong>de</strong>n<br />

gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ergeben. Art. 46 (ex-Art. L)<br />

lit. d EUV unterstellt die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV nunmehr ausdrücklich<br />

262<br />

So auch Robbers, Fn. 181, S. 82.<br />

263<br />

So Ehnes, Fn. 248, S. 50; dieser geb<strong>ra</strong>ucht hier übrigens ebenfalls nicht <strong>de</strong>n überkommenen<br />

Begriff <strong>de</strong>s „Staatskirchenrechts“.<br />

264<br />

Einzelheiten s.u. E.I.1.c)cc).<br />

265<br />

Einzelheiten s.u. H.<br />

63


64<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH in bezug auf Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane, allerdings<br />

nur soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> Gemeinschafts- und <strong>Union</strong>srecht überhaupt zuständig ist; letzteres<br />

ergibt sich wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um aus <strong>de</strong>m Katalog <strong>de</strong>s Art. 46 (ex-Art. L) EUV.<br />

c) Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV 266<br />

Zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Staatlichkeit und ihrer cha<strong>ra</strong>kteristischen nationalen Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten<br />

achtet die <strong>Union</strong> die nationale I<strong>de</strong>ntität ihrer Mitgliedstaaten. Es wird zu klären sein, ob das<br />

jeweilige <strong>Religionsrecht</strong> zum Kern <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten gehört.<br />

d) Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung, Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 1 EGV 267<br />

Die Gemeinschaft darf nur innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> ihr <strong>im</strong> EGV zugewiesenen Befugnisse<br />

und gesetzten Ziele tätig wer<strong>de</strong>n. Der Erlaß von Richtlinien und Verordnungen auf <strong>de</strong>m<br />

Gebiet <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s ist <strong>de</strong>mnach nur gestattet, soweit sich die Gemeinschaftsorgane<br />

hierfür auf eine ausdrückliche Befugnisnorm bzw. Zielbest<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> EGV stützen können.<br />

e) Subsidiaritätsprinzip, Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 2 EGV 268<br />

Dieses Prinzip besagt, daß die Gemeinschaft in <strong>de</strong>n Bereichen, die nicht in ihre<br />

ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig wer<strong>de</strong>n darf, sofern die gemeinschaftsrechtlichen<br />

Ziele durch mitgliedstaatliche Maßnahmen nicht ausreichend und daher<br />

besser auf Gemeinschaftsebene erreicht wer<strong>de</strong>n können. <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip wird durch<br />

das Protokoll Nr. 30 über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verhältnismäßigkeit<br />

269<br />

näher ausgestaltet. Ob <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Soziallehre entlehnte<br />

Grundsatz sich tatsächlich als „Bollwerk“ gegenüber gemeinschaftsrechtlichen Maßnahmen<br />

auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s erweist, erscheint f<strong>ra</strong>glich.<br />

f) Verhältnismäßigkeitsprinzip, Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 3 EGV 270<br />

Soweit die Gemeinschaft eine entsprechen<strong>de</strong> Befugnis durch <strong>de</strong>n EG-Vert<strong>ra</strong>g zum Erlaß eines<br />

Rechtsaktes i.R.d. <strong>Religionsrecht</strong>s hätte, vgl. Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 1 EGV, und nicht<br />

aufgrund <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips am Tätigwer<strong>de</strong>n gehin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wäre, vgl. Art. 5 (ex-Art. 3b)<br />

266 Einzelheiten s.u. G.III.<br />

267 Einzelheiten s.u. C.I.2.<br />

268 Einzelheiten s.u. G.I.<br />

269 Einzelheiten s.u. G.I.1.d)aa).<br />

270 Einzelheiten s.u. G.II.


Abs. 2 EGV, dürfte sie <strong>de</strong>nnoch nicht über das für die Erreichung <strong>de</strong>s Zieles erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche<br />

Maß hinausgehen.<br />

g) Spezielles Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot, Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV 271<br />

Die durch <strong>de</strong>n Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g neu eingefügte Vorschrift ermächtigt <strong>de</strong>n Rat, i.R. seiner<br />

Zuständigkeiten nach <strong>de</strong>m EG-Vert<strong>ra</strong>g einst<strong>im</strong>mig geeignete Vorkehrungen zu treffen, um<br />

Diskr<strong>im</strong>inierungen u.a. aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Geschlechts, <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion, <strong>de</strong>s Glaubens o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.<br />

Während die Beseitigung von Diskr<strong>im</strong>inierungen aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s<br />

Glaubens – v.a. für Angehörige von Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Religionsgemeinschaften<br />

– Vorteile bringt, könnte das Verbot von Diskr<strong>im</strong>inierungen aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Geschlechts <strong>de</strong>n<br />

Belangen von Kirchen und Religionsgemeinschaften zuwi<strong><strong>de</strong>r</strong> laufen, die nur die<br />

Priesterordination von Männern kennen. Eine Gleichstellung hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> sexuellen<br />

Ausrichtung dürfte wohl eher religiös-ethische Grundwerte als religionsrechtliche Aspekte<br />

tangieren.<br />

h) Kultur, Art. 151 (ex-Art. 128) EGV 272<br />

Eine weitere Grundf<strong>ra</strong>ge wird es sein, inwieweit das <strong>Religionsrecht</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Mitgliedstaaten<br />

unter <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Kultur zu subsumieren ist. Für letztere besitzt<br />

die Gemeinschaft bereits eine eigene, wenn auch nicht sehr weitreichen<strong>de</strong> Kompetenz.<br />

i) Verhältnis <strong>de</strong>s EGV zum Kirchenvert<strong>ra</strong>gsrecht, Art. 307 (ex-Art. 234) EGV 273<br />

Konkordate <strong>de</strong>s Heiligen Stuhls mit einzelnen Mitgliedstaaten bzw. Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor<br />

Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs bzw. <strong>de</strong>m Beitritt dieser Mitgliedstaaten zur EU, könnten <strong>de</strong>m<br />

Gemeinschaftsrecht ebenfalls Grenzen setzen. Allerdings besteht eine Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten, Unvereinbarkeiten mit <strong>de</strong>m EG-Vert<strong>ra</strong>g schnellstmöglich zu beheben.<br />

271 Einzelheiten s.u. E.IV.4.<br />

272 Einzelheiten s.u. F<br />

273 Einzelheiten s.u. I.<br />

65


66<br />

j) Protokoll Nr. 33 über <strong>de</strong>n Tierschutz und das Wohlergehen <strong><strong>de</strong>r</strong> Tiere 274<br />

<strong>Das</strong> vor allem gegen tierquälen<strong>de</strong> Vieht<strong>ra</strong>nsporte erlassene Protokoll berücksichtigt <strong>de</strong>nnoch<br />

religiöse Riten, wie das Schächten von Tieren; hierunter ist eine aufgrund religiöser<br />

275<br />

Überzeugungen gebotene Art <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlachtung ohne Betäubung zu verstehen.<br />

k) Erklärung Nr. 11 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />

weltanschaulichen Gemeinschaften („Kirchenerklärung“) 276<br />

Einer <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwerpunkte <strong>im</strong> Rahmen dieser Untersuchung wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung<br />

gewidmet wer<strong>de</strong>n, zumal sie die erste offizielle Erklärung auf Gemeinschaftsebene darstellt,<br />

welche die Kirchen, religiösen Vereinigungen und Gemeinschaften explizit erwähnt und eine<br />

Aussage über <strong><strong>de</strong>r</strong>en Status trifft.<br />

l) Erklärung Nr. 38 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs zu freiwilligen Diensten<br />

Erwähnung fin<strong>de</strong>n soll überdies die Erklärung über <strong>de</strong>n für Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

ebenfalls be<strong>de</strong>utsamen Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> freiwilligen Dienste. Die Erklärung Nr. 38<br />

erschöpft sich allerdings in <strong><strong>de</strong>r</strong> Aussage, daß die Konferenz <strong>de</strong>n „wichtigen Beit<strong>ra</strong>g“ <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

freiwilligen Dienste „zur Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Solidarität“ anerkenne und daß die<br />

Gemeinschaft die „europäische D<strong>im</strong>ension“ freiwilliger Vereinigungen för<strong><strong>de</strong>r</strong>n wolle. Direkte<br />

finanzielle Unterstützung dürfen freiwillige Vereinigungen seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> EU durch diese<br />

Erklärung jedoch kaum erwarten, da die Erklärung hierzu – einmal ganz abgesehen von ihrem<br />

rechtlichen Gehalt 277<br />

– zu unverbindlich ist und sich die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsabsicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />

eher da<strong>ra</strong>uf erstreckt, freiwilligen Vereinigungen innerhalb <strong>de</strong>s gesamten EU-Gebiets durch<br />

erleichterte Gründungsvorschriften und steuerliche Begünstigungen zu größerer Verbreitung<br />

(„europäische D<strong>im</strong>ension“) zu verhelfen.<br />

274<br />

Vgl. auch die Richtlinie 93/119/EWG, s.u. C.I.3.i).<br />

275<br />

In Deutschland konnten Behör<strong>de</strong>n eine solche Ausnahmegenehmigung, durch welche die<br />

Religionsfreiheit gegenüber <strong>de</strong>m Tierschutz als höher<strong>ra</strong>ngig eingestuft wur<strong>de</strong>, schon seit<br />

längerer Zeit erteilen, vgl. schon § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> ursprünglichen<br />

Bekanntmachung vom 18.8.1986; das TierSchG in seiner jetzigen Fassung ist abgedruckt in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Textsammlung Sartorius II, Nr. 873.<br />

276<br />

Einzelheiten s.u. D.<br />

277<br />

Vgl. zum Rang einer „gemeinsamen Erklärung“ <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht die Ausführungen<br />

zur „Kirchenerklärung“, unten D.IV.


2. <strong>Das</strong> Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung<br />

a) Grundsätzliches<br />

aa) Normierungen <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht<br />

<strong>Das</strong> Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten (Einzel-)Ermächtigung (compétence d’attribution) ist<br />

ausdrücklich in Art. 5 (ex-Art. E) EUV für die EU festgelegt. Art. 7 (ex-Art. 4) Abs. 1 Satz 2<br />

EGV greift es für <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs nochmals auf. Versteckter kommt<br />

das Prinzip außer<strong>de</strong>m in Art. 8 (ex-Art. 4a) und 9 (ex-Art. 4b) EGV für die Europäische<br />

Zent<strong>ra</strong>lbank (EZB) und die Europäische Investitionsbank sowie in Art. 249 (ex-Art. 189)<br />

Abs. 1 EGV i.R.d. Vorschriften zum Erlaß von Sekundärrecht zum Ausdruck.<br />

bb) Inhalt <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung<br />

Die Verträge kennen keine generelle Ermächtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane zum Erlaß von<br />

Rechtshandlungen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur Einzelermächtigungen. Daher können die<br />

Gemeinschaftsorgane – unter ihnen insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat i.R.d. Rechtsetzung – nur tätig<br />

wer<strong>de</strong>n, soweit sie ein Vert<strong>ra</strong>gsziel i.S.d. Art. 2 f. (ex-Art. 2 f.) EGV verfolgen und überdies<br />

eine Ermächtigung zum Tätigwer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Gründungsverträgen vorgesehen ist.<br />

Dies <strong>im</strong>pliziert, daß – ähnlich wie bei <strong>de</strong>n Art. 30, 70 GG – die Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Regelfall, eine Befugnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zum Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Ausnahmefall ist. 278<br />

Wo eine Ermächtigung in <strong>de</strong>n Verträgen nicht geregelt – z.B. fin<strong>de</strong>t das<br />

Staatsangehörigkeitsrecht keine Erwähnung – o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar ausdrücklich ausgeschlossen ist – wie<br />

z.B. die mitgliedstaatlichen Eigentumsordnungen aufgrund Art. 295 (ex-Art. 222) EGV –,<br />

dürfen die Gemeinschaftsorgane keine Rechtsakte erlassen.<br />

Eine restriktiv auszulegen<strong>de</strong> Ausnahme hiervon wird in Anlehnung an die <strong>im</strong> amerikanischen<br />

Verfassungsrecht entwickelte <strong>im</strong>plied powers-Lehre 279<br />

lediglich i.R.d. ungeschriebenen<br />

Gemeinschaftskompetenzen gemacht. Diese Lehre besagt, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft neben <strong>de</strong>n<br />

geschriebenen auch alle jene Kompetenzen zustehen müssen, die sie zur Erfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> ihr<br />

gestellten Aufgaben benötigt bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong>en Inanspruchnahme von <strong>de</strong>n geschriebenen<br />

Befugnissen folgerichtig mitumfaßt sein muß, selbst wenn diese Kompetenzen nicht<br />

278<br />

Käppler, Zu <strong>de</strong>n Kompetenzen <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gerichtshofs bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsangleichung<br />

auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s Arbeitsrechts, S. 129 ff., 131.<br />

279<br />

Vgl. hierzu Stadlmeier, Die „Implied Powers“ <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften, ZÖR 52<br />

(1997), S. 353 ff.<br />

67


68<br />

ausdrücklich in Verträgen enthalten sind; es han<strong>de</strong>lt sich damit um eine Variante <strong><strong>de</strong>r</strong> – <strong>im</strong><br />

<strong>de</strong>utschen Recht ebenfalls anerkannten – Annexkompetenz. 280<br />

Um sich das Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis einer ermächtigen<strong>de</strong>n Rechtsgrundlage allgegenwärtig vor Augen zu<br />

führen, muß das han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Organ für beabsichtigte Rechtshandlungen überdies das<br />

Zitiergebot einhalten. 281<br />

cc) Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Prinzips für die Mitgliedstaaten<br />

Durch das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung wird die Hoheitsgewalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaften<br />

„thematisch begrenzt“. 282 Dies ist von entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung, da bei Nichteinhaltung <strong>de</strong>s<br />

Prinzips seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane für die Mitgliedstaaten ansonsten die konkrete<br />

Gefahr bestün<strong>de</strong>, sich aufgrund ihres unumkehrbaren Beitritts zur Gemeinschaft nach und<br />

nach ihrer wichtigsten Kompetenzen zu entledigen, was zu einer schleichen<strong>de</strong>n Preisgabe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Staatlichkeit führte. 283 <strong>Das</strong> Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung ist damit eines <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

wesentlichen Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschafts- und <strong>Union</strong>srechts, um eine Aus<strong>de</strong>hnung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> EU außerhalb <strong>de</strong>s durch die Mitgliedstaaten festgelegten<br />

Integ<strong>ra</strong>tionsprog<strong>ra</strong>mmes und somit die Aushöhlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten zu<br />

Wird das Prinzip dagegen konsequent eingehalten, so ist ein „Umschlag <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 284<br />

280<br />

Z.B. wer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft Außenkompetenzen in <strong>de</strong>n Bereichen zugestan<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen<br />

sie nach innen eine ausdrücklich übert<strong>ra</strong>gene Zuständigkeit besitzt, vgl. EuGH, Rs. 22/70<br />

(AETR), Slg. 1971, S. 263 ff., Rz. 15 ff.; vgl. hierzu auch die Ausführungen unten I.II.<br />

281<br />

Wird die Rechtsgrundlage, auf welche ein Sekundärrechtsakt gestützt wird, nicht<br />

angegeben, so kann insoweit aufgrund mangeln<strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mbarkeit ein Verstoß gegen die<br />

Begründungspflicht für Rechtsakte gemäß Art. 253 (ex-Art. 190) EGV vorliegen; vgl.<br />

hierzu Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 396.<br />

282<br />

Kirchhof, Deutsches Verfassungsrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, EuR-Beiheft<br />

1/1991, S. 11 ff., 12.<br />

283<br />

Ebenso Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Alles unter Karlsruher Kontrolle? – Die Souveränitätsf<strong>ra</strong>ge <strong>im</strong><br />

Maastricht-Urteil <strong>de</strong>s BVerfG, ZfRV 1994, S. 143 ff., 151.<br />

284<br />

Keinesfalls kann daher Kuhn, Die soziale D<strong>im</strong>ension <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft,<br />

Berlin 1995, S. 313, zugest<strong>im</strong>mt wer<strong>de</strong>n, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung ist, aus <strong>de</strong>m Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

begrenzten Ermächtigung könnten keine rechtlichen Folgerungen abgeleitet wer<strong>de</strong>n, und<br />

ihm komme keine materielle Wirkung zu. Die Nichtbeachtung <strong>de</strong>s Prinzips durch die<br />

gesetzgeben<strong>de</strong>n Gemeinschaftsorgane stellt vielmehr einen be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Nichtigkeitsgrund<br />

nach Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 1 EGV wegen äußerer Unzuständigkeit dar; vgl. hierzu die<br />

Ausführungen unten M.I.1.a)aa)(1)(i)(a).


Staatengemeinschaft in einen Staat <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s gleiten<strong>de</strong>n Übergangs kaum <strong>de</strong>nkbar“ 285 , es<br />

sei <strong>de</strong>nn, die Mitgliedstaaten könnten dies aufgrund ihrer nationalen Verfassungsbindungen 286<br />

und wollten diesen Weg über die „große Vert<strong>ra</strong>gsrevision“ nach Art. 48 (ex-Art. N) EUV auch<br />

tatsächlich beschreiten, was zumin<strong>de</strong>st zum jetzigen Zeitpunkt <strong>de</strong>finitiv ausgeschlossen<br />

wer<strong>de</strong>n kann.<br />

<strong>Das</strong> Prinzip stellt klar, daß eine weitere Vertiefung <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion bei <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten als<br />

„Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“ liegen muß und kein „Selbstläufer“ einer integ<strong>ra</strong>tionsfreudigen<br />

Gemeinschaft wer<strong>de</strong>n darf. 287<br />

Be<strong>de</strong>nken hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> strikten Einhaltung <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung sind<br />

nur allzu berechtigt, wenn sogar <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>zeitige Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s EuGH eingeräumt hat, daß es auf<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Hand läge, „daß die Verhältnisse zwischen <strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zuerkannten<br />

Kompetenzen und <strong>de</strong>njenigen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten heute ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>s aussehen wür<strong>de</strong>n, gäbe<br />

es die Rechtsprechung <strong>de</strong>s Gerichtshofs nicht.“ 288<br />

<strong>Das</strong> Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung kann auf verschie<strong>de</strong>ne Art und Weise verletzt sein.<br />

Die erste große Gefahr sind Kompetenz-Kompetenzen. Diese wür<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> die<br />

Möglichkeit zur selbständigen Erweiterung ihrer Kompetenzen ohne vorherige Ermächtigung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten verschaffen. Zum zweiten kann das Prinzip durch die rechtsfortbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

285<br />

Blanke, Der <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>g von Maastricht – Ein Schritt auf <strong>de</strong>m Weg zu einem<br />

europäischen Bun<strong>de</strong>sstaat?, DÖV 1993, S. 412 ff., 418; ausführlich hierzu: K<strong>ra</strong>ußer, <strong>Das</strong><br />

Prinzip begrenzter Ermächtigung <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip <strong>de</strong>s EWG-<br />

Vert<strong>ra</strong>gs, Berlin 1991.<br />

286<br />

Dabei muß unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n zwischen <strong>de</strong>m Integ<strong>ra</strong>tionsziel einer Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> unter Aufgabe bzw. unter Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten.<br />

Während ersteres Ziel von vornherein ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n muß, vgl. hierzu die<br />

Ausführungen unten Fn. 409, wäre ein europäischer Bun<strong>de</strong>sstaat, <strong><strong>de</strong>r</strong> eine Staatlichkeit<br />

sowohl <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> als auch <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Mitgliedstaaten vorsieht, grundsätzlich zulässig,<br />

da er keine Preisgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> unteren Ebene zur Folge hätte. Sichergestellt<br />

wer<strong>de</strong>n müßte aber weiterhin über das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung, daß die EU<br />

keine Kompetenz-Kompetenz erlangt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n daß je<strong>de</strong> Erweiterung ihrer Kompetenzen<br />

nur durch Billigung seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten erfolgt, vgl. Tomuschat, <strong>Das</strong> Endziel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

europäischen Integ<strong>ra</strong>tion – Maastricht ad infinitum?, in: Netteshe<strong>im</strong>/Schie<strong>ra</strong> (Hrsg.), Der<br />

integrierte Staat, Berlin 1999, S. 155 ff., 160 = DVBl. 1996, S. 1073 ff.<br />

287<br />

So auch Peter M. Huber, Der Staatenverbund <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, in: Jörn Ipsen u.a.,<br />

S. 349 ff., 354.<br />

288<br />

Rodríguez Iglesias, Der Gerichtshof <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften als Verfassungsgericht,<br />

EuR 1992, S. 225 ff., 233.<br />

69


70<br />

Weiterbildung von Kompetenznormen durch <strong>de</strong>n EuGH Scha<strong>de</strong>n nehmen. Schließlich stehen<br />

gene<strong>ra</strong>lklauselartige Ermächtigungen <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht, wie z.B. Art. 95 (ex-Art. 100 a) EGV<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 175 (ex-Art. 130s) EGV <strong>de</strong>m Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung entgegen. Diese<br />

Ermächtigungen machen es für <strong>de</strong>n Rat entbehrlich, auf die „Vert<strong>ra</strong>gsabrundungskompetenz“<br />

<strong>de</strong>s Art. 308 (ex-Art. 235) EGV zurückzugreifen, die das BVerfG <strong>im</strong> Maastricht-Urteil scharf<br />

kritisiert hat. 289<br />

b) Art. 6 Abs. 4 (ex-Art. F Abs. 3) EUV als Kompetenz-Kompetenz?<br />

Art. 6 Abs. 4 (ex-Art. F Abs. 3) EUV besagt, daß die <strong>Union</strong> sich mit <strong>de</strong>n Mitteln ausstattet,<br />

die zum Erreichen ihrer Ziele und zur Durchführung ihrer Politiken erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sind. <strong>Das</strong><br />

BVerfG verwen<strong>de</strong>t <strong>im</strong> Maastricht-Urteil große Mühen da<strong>ra</strong>uf, zu begrün<strong>de</strong>n, daß es sich<br />

hierbei nicht etwa um eine „Kompetenz-Kompetenz“ 290 , son<strong><strong>de</strong>r</strong>n um eine prog<strong>ra</strong>mmatische<br />

Aussage han<strong>de</strong>le. 291 Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e sprächen das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelermächtigung sowie das<br />

Fehlen einer verfahrensrechtlichen Ergänzung – so v.a. eine Best<strong>im</strong>mung <strong><strong>de</strong>r</strong> beschließen<strong>de</strong>n<br />

Organe und Mehrheiten – gegen eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Auslegung. 292<br />

Eine Kompetenz-Kompetenz wür<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> die selbständige Erweiterungsmöglichkeit ihrer<br />

Kompetenzen einräumen, was in direktem Gegensatz zu <strong>de</strong>m Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten<br />

Ermächtigung stün<strong>de</strong>, 293<br />

das – wie oben ausgeführt – ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> die Gewähr dafür gibt, daß das<br />

Maß <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tionsdichte <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten nicht aus <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n gleitet, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n diese<br />

hierüber die Kontrolle behalten.<br />

Hans Peter Ipsen 294 ist darin zuzust<strong>im</strong>men, daß Art. 6 Abs. 4 (ex-Art. F Abs. 3) EUV in<br />

räumlichem Zusammenhang mit Art. 5 (ex-Art. E) EUV steht, in <strong>de</strong>m von „Befugnissen“<br />

gesprochen wird, ein Ausdruck, <strong><strong>de</strong>r</strong> in Art. 6 Abs. 4 (ex-Art. F Abs. 3) EUV hingegen fehlt.<br />

Da<strong>ra</strong>us kann man schließen, daß sich Art. 6 Abs. 4 (ex-Art. F Abs. 3) EUV nicht auf<br />

Befugnisse bezieht; somit muß unter <strong><strong>de</strong>r</strong> „Ausstattung mit Mitteln“ etwas an<strong><strong>de</strong>r</strong>es verstan<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n als eine konkrete Handlungsermächtigung. 295<br />

289<br />

BVerfGE 89, S. 155 ff., 210.<br />

290<br />

Unter einer „Kompetenz-Kompetenz“ wird die Befugnis verstan<strong>de</strong>n, die Kompetenzverteilung<br />

zwischen mehreren Trägern öffentlicher Gewalt, <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Fall zwischen<br />

EU und Mitgliedstaaten, zu regeln, vgl. Peter M. Huber, Fn. 287, S. 354.<br />

291<br />

BVerfGE 89, S. 155 ff., 194 f.<br />

292<br />

BVerfGE 89, S. 155 ff., 195; 196 f.; 199.<br />

293<br />

Her<strong>de</strong>gen, Fn. 40, Rdnr. 189, spricht vom „begrifflichen Gegenstück.“<br />

294<br />

Ipsen, Zehn Glossen zum Maastricht-Urteil, EuR 1994, S. 1 ff., 4.<br />

295<br />

Schweitzer, Europäische <strong>Union</strong>: Gefahr o<strong><strong>de</strong>r</strong> Chance für <strong>de</strong>n Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alismus, VVDStRL (53)<br />

1994, S. 48 ff., 55; 97 f., weist allerdings auf die latente Gefahr hin, daß die genannte


c) Der EuGH als rechtsfortbil<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> „Motor <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion“<br />

Nach Art. 220 (ex-Art. 164) EGV kommt <strong>de</strong>m EuGH die Aufgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicherung und<br />

Wahrung <strong>de</strong>s Rechts bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung und Anwendung dieses Vert<strong>ra</strong>gs zu. Ähnlich wie<br />

Art. 20 Abs. 3 GG <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht zwischen Gesetz und Recht differenziert, soll<br />

Art. 220 (ex-Art. 164) EGV auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zwischen Vert<strong>ra</strong>g und<br />

Recht unterschei<strong>de</strong>n; ebenso wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>de</strong>s Rechts hier mehr umfasse als das Gesetz,<br />

solle es dort mehr beinhalten als die Verträge. 296<br />

Zwar besteht für die <strong>de</strong>utschen Rechtsprechungsorgane nicht nur das Recht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n zugleich<br />

die Pflicht, vgl. Art. 19 Abs. 4 GG, selbst <strong>im</strong> Falle einer gesetzlichen Regelungslücke zum<br />

Wohle seiner Bürger Recht zu schaffen; dabei darf die Dritte Gewalt aber nicht in originäre<br />

Gesetzgebungszuständigkeiten eingreifen. Aus diesem Grun<strong>de</strong> haben <strong>de</strong>utsche Zivilgerichte<br />

beispielsweise die Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s § 253 BGB grundsätzlich zu achten, welche eine<br />

Gel<strong>de</strong>ntschädigung für <strong>im</strong>materielle Schä<strong>de</strong>n nur in <strong>de</strong>n gesetzlich best<strong>im</strong>mten Fällen kennt.<br />

Auch wenn durch richterliche Rechtsfortbildung bei schweren Verletzungen <strong>de</strong>s allgemeinen<br />

Persönlichkeitsrechts ein Scha<strong>de</strong>nsersatzanspruch anerkannt ist, 297 müßte <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>stag als<br />

nationaler Gesetzgeber eine Entschädigungspflicht bei leichteren Persönlichkeitsverletzungen<br />

selbst beschließen. Für <strong>de</strong>n Gerichtshof einer zwischenstaatlichen Einrichtung, welcher nur<br />

nach Maßgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründungsverträge Rechte zuerkannt wor<strong>de</strong>n sind, besteht <strong>de</strong>mzufolge<br />

eine stillschweigen<strong>de</strong> Handlungsermächtigung ebenfalls nur <strong>im</strong> Hinblick auf solche – in <strong>de</strong>n<br />

Gründungsverträgen nicht vorgesehene – Schutzpositionen, die absolut unerläßlich sind, um<br />

die Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> einzelner sicherzustellen. Als vom<br />

Vert<strong>ra</strong>g nicht vorgesehene, gleichwohl aber notwendige Schutzpositionen können die vom<br />

EuGH entwickelten Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> unmittelbaren Wirkung von Richtlinien 298<br />

sowie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vorschrift vom EuGH irgendwann als Kompetenzvorschrift interpretiert wer<strong>de</strong>n könnte,<br />

zumal es sich hierbei selbst nach Ansicht <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Rates um einen „Grundsatz“<br />

und nicht nur um eine Zielvorgabe han<strong>de</strong>le; auch sei eine Beschränkung auf „finanzielle<br />

Mittel“ nicht zwingend.<br />

296 Zuleeg, Die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> rechtsprechen<strong>de</strong>n Gewalt in <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Integ<strong>ra</strong>tion, JZ 1994,<br />

S. 1 ff., 6.<br />

297 Vgl. Palandt/Heinrichs, § 253, Rdnr. 1 sowie Palandt/Thomas, § 823, Rdnr. 200.<br />

298 Der EuGH anerkennt die unmittelbare Wirkung einer nicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> fehlerhaft umgesetzten<br />

Richtlinie <strong>im</strong> vertikalen Bereich gegenüber <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten, vgl. EuGH, Rs. 26/62 (van<br />

Gend & Loos/Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländische Finanzverwaltung), Slg. 1963, S. 1 ff., 25; Rs. 57/65 (Alfons<br />

Lütticke/Hauptzollamt Saarlouis), Slg. 1966, S. 257 ff., 266, nicht dagegen <strong>im</strong> horizontalen<br />

Bereich zwischen Gemeinschaftsbürgern, vgl. EuGH, Rs. 152/84 (Marshall/Southhampton<br />

Area Health Authority), Slg. 1986, S. 723 ff.; Rs. C-91/92 (Paola Faccini Dori/Recreb Srl.),<br />

Slg. 1994, S. I-3325 ff., 3355 ff.; a.A. Gene<strong>ra</strong>lanwalt Carl Otto Lenz in seinen Schlußanträgen,<br />

a.a.O., S. I-3328 ff., 3338 ff. Im Kloppenburg-Beschluß hatte das BVerfG die<br />

71


72<br />

gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch sui generis 299<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n. In allen<br />

übrigen Fällen ist <strong><strong>de</strong>r</strong> „Gesetzgeber <strong>de</strong>s Pr<strong>im</strong>ärrechts“ – d.h. die Mitgliedstaaten als „Herren<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“ – zum Tätigwer<strong>de</strong>n i.R.d. Vert<strong>ra</strong>gsrevision nach Art. 48 (ex-Art. N) EUV<br />

gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />

Die Verpflichtung <strong>de</strong>s EuGH zur Wahrung <strong>de</strong>s Rechts, Art. 220 (ex-Art. 164) EGV, schafft<br />

in<strong>de</strong>s – sieht man von <strong>de</strong>n genannten zwingen<strong>de</strong>n Schutzpositionen einmal ab – keinesfalls<br />

eine Befugnis, die bestehen<strong>de</strong>n Verträge um nicht vorhan<strong>de</strong>ne Regelungsbereiche zu<br />

erweitern; dies wäre als eklatanter Verstoß gegen das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung zu<br />

werten. Wenn das <strong>Religionsrecht</strong> bzw. einzelne Materien hiervon <strong><strong>de</strong>r</strong> EU seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

nicht übert<strong>ra</strong>gen wor<strong>de</strong>n wären, was noch zu klären ist, müßte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH<br />

Sekundärrechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane, die diesbezüglich eine Regelung treffen, nach<br />

Art. 231 (ex-Art. 174) EGV für nichtig erklären.<br />

Ungeachtet <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung zeigte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit<br />

wenig Skrupel, unvollständige Normen <strong>de</strong>s EWG-Vert<strong>ra</strong>gs, die rein äußerlich <strong>de</strong>n Cha<strong>ra</strong>kter<br />

von unverbindlichen Rechtssätzen aufwiesen (wie z.B. Art. 128 EWGV a.F. 300<br />

), als rechtlich<br />

Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichweite <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgewalt wegen dieser Rechtsfortbildung noch<br />

nicht als überschritten angesehen, vgl. BVerfGE 75, S. 223 ff., 242 f.<br />

299<br />

Vgl. z.B. EuGH, verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Andrea F<strong>ra</strong>ncovich, Danila Bonifaci u.a./<br />

Italienische Republik), Slg. 1991, S. I-5357 ff. (bei Nichtumsetzung von Richtlinien);<br />

Rs. C-392/93 (The Queen/H.M. Treasury, ex parte: British Telecommunications), Slg.1996,<br />

S. I-1631 ff. (bei fehlerhafter Umsetzung von Richtlinien); verb. Rs. C-46/93 u. 48/93<br />

(B<strong>ra</strong>sserie du pêcheur/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland u.a.), Slg. 1996, S. I-1029 ff. =<br />

EuZW 1996, S. 205 ff. (bei Verstoß gegen Pr<strong>im</strong>ärrecht). Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Fülle <strong><strong>de</strong>r</strong> Lite<strong>ra</strong>tur zum<br />

gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch vgl. nur Böhm, Vo<strong>ra</strong>ussetzungen einer<br />

Staatshaftung bei Verstößen gegen pr<strong>im</strong>äres Gemeinschaftsrecht, JZ 1997, S. 53 ff.;<br />

Bröhmer, Die Weiterentwicklung <strong>de</strong>s europäischen Staatshaftungsrechts – EuGH,<br />

EuGRZ 1996, 144, JuS 1997, S. 117 ff.; v. Danwitz, Die gemeinschaftsrechtliche<br />

Staatshaftung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten – Entwicklung, Stand und Perspektiven <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Haftung aus Richterhand, DVBl. 1997, S. 1 ff.; Finke, Die Haftung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten für<br />

die Verletzung von Gemeinschaftsrecht – Zugleich eine Besprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> Urteile <strong>de</strong>s EuGH<br />

„B<strong>ra</strong>sserie du pêcheur u. Factortame“ und „El Corte Inglés“, DZWir 1996, S. 361 ff.;<br />

Saenger, Staatshaftung wegen Verletzung europäischen Gemeinschaftsrechts, JuS 1997,<br />

S. 865 ff.; Streinz, Anmerkungen zu <strong>de</strong>m EuGH-Urteil in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache B<strong>ra</strong>sserie du<br />

Pêcheur und Factortame, EuZW 1996, S. 201 ff.<br />

300<br />

Vgl. i.R.d. Bildungspolitik nur EuGH, Rs. 9/74 (Casag<strong>ra</strong>n<strong>de</strong>/Lan<strong>de</strong>shauptstadt München),<br />

Slg. 1974, S. 773 ff.; Rs. 293/83 (G<strong>ra</strong>vier/Stadt Lüttich), Slg. 1985, S. 593 ff.; Rs. 242/87<br />

(Kommission/Rat), Slg. 1989, S. 1425 ff.


in<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Normen einzustufen und begrün<strong>de</strong>te dies mit integ<strong>ra</strong>tionspolitischen Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen,<br />

wie <strong>de</strong>m effet utile o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n <strong>im</strong>plied powers <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft. So ist das Urteil <strong>de</strong>s EuGH zur<br />

Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ungspolitik 301 , in <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> kulturellen Einglie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> aus Drittlän<strong><strong>de</strong>r</strong>n eingewan<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Bevölkerungsgruppen als Überschreitung <strong>de</strong>s<br />

Zuständigkeitsbereichs <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft wertete, entgegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Äußerung<br />

Rodríguez Iglesias’ 302 als seltene Ausnahme zu verstehen. Von <strong>de</strong>n bis Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre<br />

knapp 500 Urteilen <strong>de</strong>s EuGH und <strong>de</strong>s Gerichts 1. Instanz, in <strong>de</strong>nen Gemeinschaftsrechtsakte<br />

wegen Komptenzabgrenzung verworfen wur<strong>de</strong>n, 303 han<strong>de</strong>lte es sich fast ausschließlich um<br />

solche <strong><strong>de</strong>r</strong> horizontalen Kompetenzabgrenzung zwischen <strong>de</strong>n Organen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft; nur<br />

sehr selten wur<strong>de</strong>n Gemeinschaftsrechtsakte wegen ihres Eindringens in das mitgliedstaatliche<br />

Kompetenzgefüge verworfen. 304<br />

Aus diesem Grun<strong>de</strong> lag es durchaus nicht fernab je<strong><strong>de</strong>r</strong> Realität, zu befürchten, <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH<br />

könne die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 6 Abs. 4 (ex-Art. F Abs. 3) EUV als „Art. 308 (ex-Art. 235)<br />

EGV <strong>im</strong> Großformat“ 305<br />

auslegen – einer Interpretation, welcher das BVerfG jedoch a priori<br />

durch das Maastricht-Urteil <strong>de</strong>n Riegel vorgeschoben hat.<br />

Ein erst kürzlich ergangenes Urteil, in <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die <strong>Union</strong>sbürgerschaft als<br />

Auffangtatbestand <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten versteht und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Regelungsgehalt auch außerhalb<br />

ihres persönlichen Anwendungsbereichs auf <strong>Union</strong>sbürger bezieht, 306 stellt einen weiteren<br />

Markstein in <strong><strong>de</strong>r</strong> rechtsfortbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Geschichte <strong>de</strong>s EuGH dar, <strong><strong>de</strong>r</strong> in dieser Weise von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Maastrichter Regierungskonferenz mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung von Art. 17 (ex-Art. 8) Abs. 2 EGV<br />

gewiß nicht beabsichtigt war. 307<br />

301<br />

EuGH, verb. Rs. 281, 283, 284, 285 u. 287/85 (Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland u.a./<br />

Kommission), Slg. 1987, S. 3203 ff.<br />

302<br />

Rodríguez Iglesias, Fn. 288, S. 235.<br />

303<br />

So Zuleeg, Fn. 296, S. 4.<br />

304<br />

Ebenso Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 283, S. 155.<br />

305<br />

Schweitzer, Fn. 295, S. 55.<br />

306<br />

EuGH, Rs. C-85/96 (María Martínez Sala/Freistaat Bayern), Slg. 1998, S. I-2691 ff., 2726,<br />

Rz. 62 – 64; Einzelheiten s.u. Fn. 623. Vgl. auch Füßer, Grundrecht auf wirtschaftliche<br />

Freizügigkeit und Art. 8a EGV als Auffangbeschränkungsverbot <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts,<br />

DÖV 1999, S. 96 ff., 101 ff.<br />

307<br />

In Anlehnung an Hiob 41, 25 und Thomas Hobbes wird daher von Bohnet-Joschko,<br />

Leviathan Europa? – Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alistische und institutionelle Aspekte <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatswerdung<br />

Europas, Marburg 1996, ein Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong> EU mit <strong>de</strong>m alles verschlingen<strong>de</strong>n Seeungeheuer<br />

bemüht.<br />

73


74<br />

d) <strong>Das</strong> „Vert<strong>ra</strong>gslückenschließungsverfahren“ nach Art. 308 (ex-Art. 235) EGV<br />

In diesem Zusammenhang muß auf die vor <strong>de</strong>m Maastricht-Urteil <strong>de</strong>s BVerfG ebenfalls<br />

großzügige Handhabung <strong>de</strong>s Art. 308 (ex-Art. 235) EGV als „Vert<strong>ra</strong>gsabrundungskompetenz“<br />

eingegangen wer<strong>de</strong>n. Diese beruht gleichsam auf <strong>de</strong>m Gedanken <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong>plied powers bzw. <strong>de</strong>s<br />

effet utile, wonach <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft auch nicht ein<strong>de</strong>utig eingeräumte Kompetenzen zustehen<br />

sollen, um <strong><strong>de</strong>r</strong>en Funktionsfähigkeit zu gewährleisten bzw. zu verbessern. Sofern die<br />

Kompetenzergänzungsbest<strong>im</strong>mung zum einen lediglich restriktiv dahingehend verstan<strong>de</strong>n<br />

wird, <strong>de</strong>m Rat nur dort <strong>de</strong>n Erlaß von Rechtsakten zu gestatten, sofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>g hierfür<br />

keine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e konkrete Ermächtigungsnorm enthält, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en ein Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft zwingend erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist, um i.R.d. Gemeinsamen Marktes eines ihrer Ziele zu<br />

verwirklichen, kann auf Art. 308 (ex-Art. 235) EGV zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n. Eine Auslegung<br />

aber, welche <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft das Recht zuspricht, sich beliebig neue Rechtssetzungsbefugnisse<br />

zu verschaffen, dul<strong>de</strong>t das BVerfG nicht; vielmehr unterschei<strong>de</strong>t es strikt<br />

zwischen begrenzt eingeräumter Hoheitsbefugnis einerseits und <strong>de</strong>m<br />

Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsverfahren an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits. Ein Verstoß <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft hiergegen hätte als<br />

ult<strong>ra</strong> vires-Rechtsakt die rechtliche Unverbindlichkeit in Deutschland zur Folge. 308<br />

Wesentliche Erweiterungen <strong>de</strong>s Integ<strong>ra</strong>tionsprog<strong>ra</strong>mmes bedürfen einer Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

durch die Mitgliedstaaten als „Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“. Ten<strong>de</strong>nzen <strong>de</strong>s EuGH, dieses Prinzip zu<br />

unterlaufen, dürfen nicht hingenommen wer<strong>de</strong>n. 309 Für je<strong>de</strong> materielle Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung ist<br />

die erneute Befassung <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Parlamente erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, da eine solche nicht mehr von<br />

<strong>de</strong>m ursprünglichen Zust<strong>im</strong>mungsgesetz nach Art. 23 GG n.F. ge<strong>de</strong>ckt wäre. 310 Die<br />

Auffassung <strong>de</strong>s BVerfG ist nicht neu, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> schon <strong>im</strong> Eurocontrol-Beschluß i.R.d.<br />

Art. 24 GG angewandt. 311<br />

Dem Rechtsgedanken <strong><strong>de</strong>r</strong> „Wesentlichkeitstheorie“ – dieser besagt,<br />

daß das Parlament grundlegen<strong>de</strong> Wertentscheidungen selbst treffen muß und diese nicht<br />

einfach <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung überlassen darf – kommt auch i.R.d. Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten<br />

auf zwischenstaatliche Einrichtungen Be<strong>de</strong>utung zu: Zwar wird die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

„Wesentlichkeitstheorie“ bei Art. 23 GG n.F. kritisiert, weil es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> EU – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als<br />

bei <strong><strong>de</strong>r</strong> reinen Regierungsorganisation ohne <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tische Legit<strong>im</strong>ation Eurocontrol – um<br />

308<br />

Vgl. BVerfGE 89, S. 155 ff., 210 sowie die Ausführungen unten C.IV.2.d).<br />

309<br />

Ebenso Schweitzer, Fn. 295, S. 51.<br />

310<br />

Vgl. BVerfGE 89, S. 155 ff., 181. Auch bestün<strong>de</strong> ansonsten die Gefahr, daß national zu<br />

regeln<strong>de</strong> Materien teilweise nur <strong>de</strong>swegen zur Entscheidung auf die europäische Ebene<br />

gehoben wer<strong>de</strong>n, weil sich dort ein Konsens eher abzeichnet als <strong>im</strong> nationalen Gesetzgebungsverfahren<br />

– man <strong>de</strong>nke nur an <strong>de</strong>n Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>tes bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuer- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rentenreform vor und nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>stagswahl vom 27.9.1998; so auch schon Bleckmann,<br />

<strong>Das</strong> Europäische Parlament nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Direktwahl, in: Listl/Schlick (Hrsg.), Wahlen zum<br />

<strong>Europäischen</strong> Parlament, Stellungnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Christen, Kehl am Rhein u.a.<br />

1982, S. 3 ff., 22.<br />

311<br />

BVerfGE 58, S. 1 ff., 37.


eine Einrichtung mit parlamentarischem Organ han<strong>de</strong>le. 312<br />

Da das EP trotz Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>s<br />

Mitentscheidungsverfahrens durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam an <strong><strong>de</strong>r</strong> Entstehung vieler<br />

Rechtsakte nach wie vor nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong>selben Weise beteiligt ist, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat, ist gegen die<br />

analoge Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> „Wesentlichkeitstheorie“ <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Fall jedoch nichts<br />

einzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Der EuGH hat zu <strong><strong>de</strong>r</strong> umstrittenen Rechtsetzungsbefugnis nach Art. 308 (ex-Art. 235) EGV in<br />

seinem EMRK-Gutachten zu Recht folgen<strong>de</strong> Klarstellung getroffen, die das bisher Gesagte<br />

unterstreicht:<br />

„Als integrieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Bestandteil einer auf <strong>de</strong>m Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung<br />

beruhen<strong>de</strong>n institutionellen Ordnung kann diese Best<strong>im</strong>mung keine Grundlage dafür bieten,<br />

<strong>de</strong>n Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsbefugnisse über <strong>de</strong>n allgemeinen Rahmen hinaus auszu<strong>de</strong>hnen,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> sich aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamtheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>gsbest<strong>im</strong>mungen und insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>njenigen ergibt,<br />

die die Aufgaben und Tätigkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft festlegen. Sie kann je<strong>de</strong>nfalls nicht als<br />

Rechtsgrundlage für <strong>de</strong>n Erlaß von Best<strong>im</strong>mungen dienen, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache nach, gemessen an<br />

ihren Folgen, auf eine Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung ohne Einhaltung <strong>de</strong>s hierfür vom Vert<strong>ra</strong>g<br />

vorgesehenen Verfahrens hinausliefen.“ 313<br />

Es stün<strong>de</strong> <strong>de</strong>m EuGH, will er sich in seiner Auslegung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts einer<br />

größeren Anerkennung bei <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten erfreuen, gut an, nicht einseitig als „Motor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Integ<strong>ra</strong>tion“ zu fungieren, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich die Rolle als Interpret <strong>de</strong>s status quo auszufüllen,<br />

wie es Art. 220 (ex-Art. 164) EGV vorsieht. Je<strong>de</strong> weitere Vertiefung <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion muß von<br />

<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten als „Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>“ ausgehen, vgl. Art. 48 (ex-Art. N) EUV.<br />

e) Anwendung <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung auf das <strong>Religionsrecht</strong><br />

Relativ einfach läßt sich eine Regelungsbefugnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur Regelung<br />

innerkirchlicher Angelegenheiten schon <strong>de</strong>swegen verneinen, weil <strong>de</strong>n meisten<br />

Mitgliedstaaten nach ihrem Verfassungsrecht nicht die Kompetenz zur Regelung dieses<br />

Bereichs zugestan<strong>de</strong>n wird. Fehlt eine solche Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, kann sie<br />

logischerweise nicht auf die Gemeinschaft übert<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n. Vielmehr kann letztere nur dort<br />

Befugnisse erhalten, wo zuvor Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten bestan<strong>de</strong>n haben. 314 Dies ist<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundgedanke <strong><strong>de</strong>r</strong> ult<strong>ra</strong> vires-Rechtsprechung. 315<br />

312<br />

Meessen, Maastricht nach Karlsruhe, NJW 1994, S. 549 ff., 551.<br />

313<br />

Gutachten 2/94 (EMRK), Slg. 1996, S. I-1759 ff., 1783 ff., 1788, Rz. 30 = EuGRZ 1996,<br />

S. 197 ff., 199 = EuR 1996, S. 302 ff.<br />

314<br />

So auch Bleckmann, Fn. 133, S. 7.<br />

315<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen unten C.IV.2.d).<br />

75


76<br />

Schwieriger stellt sich die Kompetenzf<strong>ra</strong>ge auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s staatlichen <strong>Religionsrecht</strong>s<br />

dar. Sieht man einmal von <strong>de</strong>n marginalen Vorschriften, wie z.B. Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> „Kirchenerklärung“, die explizit auf diese Thematik eingehen, ab, scheint es so, als<br />

fehle es an einer Einzelermächtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft <strong>im</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> <strong>im</strong><br />

EU-Vert<strong>ra</strong>g. 316 Daher wird teilweise vertreten, daß die ausschließliche Zuständigkeit zur<br />

Regelung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s bei <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten verbleibe, soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft eine<br />

diesbezügliche volle Sachkompetenz nicht übert<strong>ra</strong>gen wor<strong>de</strong>n sei. 317<br />

Schon das frühe Urteil <strong>de</strong>s EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Wal<strong>ra</strong>ve u. Koch 318 , durch welches dieser <strong>de</strong>n<br />

Profi<strong>ra</strong>dsport in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s E(W)G-Vert<strong>ra</strong>gs einbezogen hatte, obwohl jener<br />

in keiner Vorschrift <strong>de</strong>n Sport erwähnte, läßt Zweifel an <strong><strong>de</strong>r</strong> Haltbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> eben erwähnten<br />

Auffassung aufkommen. Urteilsgrundlage ist die Erkenntnis <strong>de</strong>s EuGH, daß aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Begrenzung <strong>de</strong>s gemeinschaftlichen Tätigwer<strong>de</strong>ns je<strong><strong>de</strong>r</strong> Lebens- bzw. Rechtsbereich<br />

funktionalisiert – d.h. in seine einzelnen Funktionen und Erscheinungsformen aufgeglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

und sodann <strong>de</strong>n Einzelbest<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs zugeordnet – wer<strong>de</strong>n muß. 319<br />

So bet<strong>ra</strong>chtet sind <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft kompetenzrechtlich sehr wohl Ziele und Befugnisse in<br />

einzelnen Tätigkeitsfel<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften zugewiesen. Da<br />

Gemeinschaftskompetenzen grundsätzlich in vollem Umfange realisiert wer<strong>de</strong>n können, trifft<br />

dies prinzipiell auch auf Bereiche wie das <strong>Religionsrecht</strong> zu, selbst wenn die Mitgliedstaaten<br />

hier nach wie vor rechtssetzungsbefugt sind. 320<br />

316<br />

Dieser Ansicht ist z.B. Hollerbach, Fn. 17, S. 268; nach diesem komme <strong><strong>de</strong>r</strong> EG nicht die<br />

Aufgabe zu, „einen gemeinsamen Religions- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenmarkt herzustellen o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine<br />

religiös-kirchliche <strong>Union</strong> mit einheitlichen staatskirchenrechtlichen Strukturen ins Werk zu<br />

setzen“; ähnlich Kruttschnitt, Europa: Christentum <strong>im</strong> Vollzug – Eine theologische Analyse<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen Kirche in Deutschland <strong>im</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Gemeinschaft, München 1993, S. 132, 134 f.<br />

317<br />

So z.B. Link, Fn. 100, S. 134; Turowski, Fn. 225, S. 6.<br />

318<br />

EuGH, Rs. 36/74 (Wal<strong>ra</strong>ve u. Koch/Association <strong>Union</strong> Cycliste Internationale), Slg. 1974,<br />

S. 1405 ff.<br />

319<br />

Vgl. Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Sport und europäische Integ<strong>ra</strong>tion – Die Diskr<strong>im</strong>inierung von Sportlern in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft, München 1989, S. 34.<br />

320<br />

So auch Streinz, Fn. 77, S. 69 f. Der EuGH hat z.B. i.R.d. Bildungspolitik, für die vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Ratifizierung <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Maastricht keine ausdrückliche Gemeinschaftskompetenz<br />

bestand, entschie<strong>de</strong>n, daß diese zwar nicht zu <strong>de</strong>n Bereichen gehöre, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>g <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane unterworfen habe. Hie<strong>ra</strong>us folge jedoch nicht, daß<br />

die Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft übert<strong>ra</strong>genen Befugnisse irgendwie eingeschränkt<br />

wäre, wenn sie sich auf Maßnahmen auswirken könne, die zur Durchführung dieser


Neben <strong>de</strong>n oben aufgeführten Vorschriften sind für Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong>en soziale Einrichtungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> wirtschaftliche Unternehmen daher auch allgemeinere<br />

Regelungen <strong>im</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g von Be<strong>de</strong>utung, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e in folgen<strong>de</strong>n Bereichen:<br />

- Warenverkehrsfreiheit, Art. 28 (ex-Art. 30), Art. 29 (ex-Art. 34),<br />

Art. 30 (ex-Art. 36) EGV; 321<br />

-<br />

322<br />

Landwirtschaft, Art. 33 (ex-Art. 39), Art. 34 (ex-Art. 40) EGV;<br />

-<br />

323<br />

Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 39 (ex-Art. 48) EGV;<br />

-<br />

324<br />

Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungsfreiheit, Art. 43 (ex-Art. 52), Art. 45 (ex-Art. 55) EGV;<br />

-<br />

325<br />

Dienstleistungsfreiheit, Art. 49 (ex-Art. 59), Art. 50 (ex-Art. 60) EGV;<br />

-<br />

326<br />

Aufenthaltsrecht, Art. 18 (ex-Art. 8a) EGV;<br />

-<br />

327<br />

Beihilfenrecht, Art. 87 (ex-Art. 92), Art. 88 (ex-Art. 93) EGV;<br />

-<br />

328<br />

Steuerrecht, Art. 94 (ex-Art. 100) EGV;<br />

-<br />

329<br />

Rechtsangleichung, Art. 95 (ex-Art. 100a) EGV;<br />

-<br />

330<br />

Arbeits- und Sozialrecht, Art. 136 (ex-Art. 117) ff. EGV.<br />

Eine explizite Bereichsausnahme, durch welche das <strong>Religionsrecht</strong> von <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n<br />

Regelungsbefugnissen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ausgenommen wür<strong>de</strong>, besteht <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht – sieht<br />

man einmal von <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung ab, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Status noch zu klären ist 331<br />

– nicht.<br />

f) Zusammenfassung<br />

<strong>Das</strong> Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung legt das Ausmaß, in welchem religionsrechtliche<br />

Kompetenzen auf die Gemeinschaft übergehen, in die Hand <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten als „Herren<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“. Der EuGH darf daher nur äußerstenfalls rechtsfortbil<strong>de</strong>nd tätig wer<strong>de</strong>n. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schaffung von Pr<strong>im</strong>ärrecht ist jedoch zu berücksichtigen, daß dieses grds. funktional in alle<br />

nichtgeregelten Materie ergriffen wor<strong>de</strong>n seien, vgl. EuGH, Rs. 9/74 (Casag<strong>ra</strong>n<strong>de</strong>/<br />

Lan<strong>de</strong>shauptstadt München), Slg. 1974, S. 773 ff., 779, Rz. 5 f.<br />

321<br />

S.u. J.II sowie K.V.2.b).<br />

322<br />

S.u. C.II.5.<br />

323<br />

S.u. K.I.2.a)aa).<br />

324<br />

S.u. K.II.5.<br />

325<br />

S.u. K.VI.2.<br />

326<br />

S.u. Fn. 623.<br />

327<br />

S.u. K.III.6.<br />

328<br />

S.u. K.III.4.b).<br />

329<br />

S.u. K.II.2.<br />

330<br />

S.u. K.I.2.a)bb).<br />

331<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen unten D.IV.<br />

77


78<br />

Lebens- bzw. Rechtsbereiche hineinwirkt. Als typische Querschnittsmaterie weist das<br />

<strong>Religionsrecht</strong> somit vielfach Berührungspunkte zu Materien auf, in <strong>de</strong>nen die Gemeinschaft<br />

Regelungskompetenzen innehat.<br />

3. Sekundärrecht<br />

Im Sekundärrecht fin<strong>de</strong>t sich eine Fülle von Rechtsvorschriften, die für Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften von Be<strong>de</strong>utung sind, auch wenn man dies nicht <strong>im</strong>mer auf <strong>de</strong>n<br />

ersten Anschein vermuten wür<strong>de</strong>. <strong>Das</strong> Sekundärrecht, als das von <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen<br />

nach Maßgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründungsverträge geschaffene Recht, 332<br />

kann von diesen je<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n, ohne daß es hierzu – <strong>im</strong> Gegensatz zum Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsverfahren nach<br />

Art. 48 f. (ex-Art. N, O) EUV zur Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung von Pr<strong>im</strong>ärrecht – <strong><strong>de</strong>r</strong> Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen<br />

Mitgliedstaaten bedarf. Aus diesem Grun<strong>de</strong> können die <strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>n aufgeführten<br />

Best<strong>im</strong>mungen <strong>im</strong> Sekundärrecht nur als eine „Momentaufnahme“ verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Da das<br />

Sekundärrecht jedoch nicht <strong>im</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zu Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Pr<strong>im</strong>ärrechts stehen darf,<br />

da es ansonsten für nichtig erklärt wer<strong>de</strong>n muß, vgl. Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 2 EGV,<br />

unterstreicht dies für die Kirchen und Religionsgemeinschaften die Wichtigkeit, eine<br />

Ve<strong>ra</strong>nkerung ihrer Rechtspositionen auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s verbindlichen Pr<strong>im</strong>ärrechts durch<br />

Best<strong>im</strong>mungen in <strong>de</strong>n Gründungsverträgen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Protokollen von Schlußakten zu Verträgen zu<br />

erreichen.<br />

Sekundäres Gemeinschaftsrecht kann eine unterschiedliche Regelungsintensität haben. Am<br />

wenigsten einschnei<strong>de</strong>nd sind Best<strong>im</strong>mungen, durch welche lediglich eine Koordinierung <strong>de</strong>s<br />

nationalen Rechts innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft mittels Abst<strong>im</strong>mung aufeinan<strong><strong>de</strong>r</strong> erreicht und<br />

Anwendungskonflikte vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Intensiver ist <strong>de</strong>mgegenüber eine Harmonisierung<br />

unterschiedlicher nationaler Rechtsordnungen <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsangleichung mittels Richtlinienbest<strong>im</strong>mungen.<br />

Den intensivsten Eingriff in das nationale Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

stellt die Rechtsvereinheitlichung durch Verordnung dar; hier wird das nationale Recht<br />

vollkommen verdrängt. 333<br />

332 Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 18.<br />

333 Vgl. ausführlicher Birk, <strong>Das</strong> Arbeitsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft, in: Richardi/<br />

Wlotzke (Hrsg.), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 1, München 1992, § 18,<br />

Rdnrn. 20 – 25.


a) Beamtenstatut <strong><strong>de</strong>r</strong> EG 334<br />

<strong>Das</strong> Beamtenstatut <strong><strong>de</strong>r</strong> EG enthält zwei Vorschriften mit religionsrechtlicher Be<strong>de</strong>utung.<br />

Obwohl es formal-rechtlich nur auf EG-Bedienstete anwendbar ist, machen die Rezensionen<br />

<strong>de</strong>s Urteils <strong>de</strong>s EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. P<strong>ra</strong>is<br />

335<br />

79<br />

zu Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts <strong>de</strong>utlich, daß<br />

<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Beamtenstatut enthaltenen Grundsätzen sogar i.R.d. allgemeinen Rechtsgrundsätze für<br />

die Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit Be<strong>de</strong>utung zukommt.<br />

Art. 26 Abs. 4 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts lautet:<br />

„Die Personalakte darf keinerlei Angaben über die politischen, weltanschaulichen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

religiösen Überzeugungen <strong>de</strong>s Beamten enthalten.“ 336<br />

Nach Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts gilt:<br />

„Die Beamten wer<strong>de</strong>n ohne Rücksicht auf Rasse, Glauben o<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschlecht ausgewählt.“ 337<br />

b) Europäische Schulen<br />

In <strong>de</strong>n – aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Satzung vom 12. April 1957 338 und <strong>de</strong>s Protokolls vom<br />

13. April 1962 339 über die Gründung Europäischer Schulen – eröffneten <strong>Europäischen</strong><br />

Schulen für Bedienstete <strong><strong>de</strong>r</strong> EG 340 gehört <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsunterricht, vergleichbar mit Art. 7 Abs.<br />

2 u. 3 GG, zu <strong>de</strong>n or<strong>de</strong>ntlichen Lehrfächern und wird nach <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n<br />

Religionsgemeinschaften aufgestellten Grundsätzen als Pflichtfach erteilt. Allerdings besteht<br />

die alternative Teilnahmemöglichkeit am Ethik-Unterricht. 341<br />

Die neue Satzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> Schulen sieht in Art. 4 Ziff. 6 hingegen nur noch vor, daß bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Erziehung und<br />

<strong>im</strong> Unterricht „Gewissen und Überzeugung“ <strong>de</strong>s einzelnen geachtet wer<strong>de</strong>n, während<br />

Art. 4 Ziff. 5 <strong><strong>de</strong>r</strong> Satzung vom 12. April 1957 noch die Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Berücksichtigung<br />

334 Verordnung Nr. 31 (EWG)/Nr. 11 (EAG) über das Statut <strong><strong>de</strong>r</strong> Beamten und über die<br />

Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Wirtschafts-<br />

gemeinschaft und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Atomgemeinschaft, ABl. 1962, S. 1385 ff., 1393 f.<br />

335<br />

EuGH, Rs. 130/75 (P<strong>ra</strong>is/Rat), Slg. 1976, S. 1589 ff., s.u. C.II.1.<br />

336<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen unten K.III.5.c).<br />

337<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen s.u. C.II.1.<br />

338<br />

BGBl. 1965 II, S. 1041 ff.<br />

339<br />

BGBl. 1969 II, S. 1302 ff.<br />

340<br />

Vgl. v. Münch/Kunig/Rojahn, GG, Bd. 2, 3. Aufl., München 1995, Art. 24, Rdnr. 40.<br />

341<br />

HdbStKirchR/Robbers, Europarecht und Kirchen, Erster Bd., § 9, S. 315 ff., 324.


80<br />

von „Gewissen und Glaube“ ausgesprochen hatte. 342<br />

Säkularisationsprozeß innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft erkennbar.<br />

Insofern ist ein gewisser<br />

c) Richtlinie 76/207/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gleichbehandlung von Männern und F<strong>ra</strong>uen hinsichtlich <strong>de</strong>s Zugangs zur Beschäftigung, zur<br />

Berufsausbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen<br />

(Gleichbehandlungsrichtlinie) 343<br />

Einzelheiten s.u. K.I.2.a)cc).<br />

d) Sechste Richtlinie 77/388/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechtsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Sechste<br />

Mehrwertsteuerrichtlinie) 344<br />

Die RL 77/388/EWG gibt <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten u.a. auf, best<strong>im</strong>mte, <strong>de</strong>m Gemeinwohl<br />

dienen<strong>de</strong> Tätigkeiten, von <strong><strong>de</strong>r</strong> Umsatzsteuer zu befreien. Für das <strong>Religionsrecht</strong> sind insofern<br />

die Befreiungstatbestän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Art. 13 Abs. 1 lit. k u. lit. l <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 77/388/EWG von Relevanz:<br />

„k) die Gestellung von Personal durch religiöse und weltanschauliche Einrichtungen für die<br />

unter <strong>de</strong>n Buchstaben b) [K<strong>ra</strong>nkenhaus- und ärztliche Heilbehandlung], g) [Sozialfürsorge], h)<br />

[Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Jugendbetreuung] und i) [Unterricht, Ausbildung, Umschulung] genannten<br />

Tätigkeiten und für Zwecke geistigen Beistan<strong>de</strong>s;<br />

l) die Dienstleistungen und eng damit verbun<strong>de</strong>ne Lieferungen von Gegenstän<strong>de</strong>n, die<br />

Einrichtungen ohne Gewinnstreben, welche [...] religiöse [...] Ziele verfolgen, ihren Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong>en gemeinsamem Interesse gegen einen satzungsgemäß festgelegten Beit<strong>ra</strong>g<br />

erbringen, vo<strong>ra</strong>usgesetzt, daß diese Befreiung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt“.<br />

342 Sowohl die Satzung vom 12.4.1957 also auch das Protokoll vom 13.4.1962 wur<strong>de</strong>n durch<br />

<strong>de</strong>n Beschluß <strong>de</strong>s Rates vom 17.6.1994 betreffend die Vereinbarung über die Satzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> Schulen, ABl. 1994, Nr. L 212, S. 1 ff. (vgl. Art. 34 <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinbarung) ersetzt<br />

und durch die Entscheidung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission vom 17.6.1994, ABl. 1994, Nr. L 212, S. 15,<br />

genehmigt.<br />

343 ABl. 1976, Nr. L 39, S. 40 ff.; vgl. hierzu u.a. Vachek, Gemeinschaftsrechtliche<br />

Zulässigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>uenför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung durch Quotenregelungen?, JuS 1997, S. 410 ff.<br />

344 ABl. 1977, Nr. L 145, S. 1 ff.


e) Siebzehnte Richtlinie 85/362/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 16. Juli 1985 zur Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechtsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Mehrwertsteuerbefreiung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> vorübergehen<strong>de</strong>n Einfuhr an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Gegenstän<strong>de</strong> als Beför<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsmittel (Siebzehnte<br />

Mehrwertsteuerrichtlinie) 345<br />

Art. 13 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 85/362/EWG gewährt eine Mehrwertsteuerbefreiung bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

vorübergehen<strong>de</strong>n Einfuhr für Gegenstän<strong>de</strong>, die auf einer Ve<strong>ra</strong>nstaltung ausgestellt o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

vorgeführt wer<strong>de</strong>n sollen, wobei als Ve<strong>ra</strong>nstaltung u.a. eine Ausstellung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>nstaltung<br />

gilt, die hauptsächlich <strong><strong>de</strong>r</strong> För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion dienen soll.<br />

f) Richtlinie 89/552/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung best<strong>im</strong>mter<br />

Rechts- und Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten über die Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Fernsehtätigkeit (Fernsehrichtlinie) 346<br />

Einzelheiten s.u.<br />

K.VI.2.<br />

g) Richtlinie 93/37/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfahren zur<br />

Vergabe öffentlicher Bauaufträge 347<br />

Einzelheiten s.u. J.VI.1.<br />

h) Richtlinie 93/104/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 23. November 1993 über best<strong>im</strong>mte Aspekte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) 348<br />

Einzelheiten s.u. K.V.2.<br />

i) Richtlinie 93/119/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 22. Dezember 1993 über <strong>de</strong>n Schutz von Tieren<br />

zum Zeitpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlachtung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Tötung 349<br />

Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/119/EWG ist es vor allem, Tieren vermeidbare Schmerzen und Lei<strong>de</strong>n zu<br />

ersparen. Laut ihrer Präambel wer<strong>de</strong>n allerdings beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse religiöser Riten<br />

350<br />

berücksichtigt. Für die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Best<strong>im</strong>mungen bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

345<br />

ABl. 1985, Nr. L 192, S. 20 ff.<br />

346<br />

ABl. 1989, Nr. L 298, S. 23 ff.<br />

347<br />

ABl. 1993, Nr. L 199, S. 54 ff.<br />

348<br />

ABl. 1993, Nr. L 307, S. 18 ff.<br />

349<br />

ABl. 1993, Nr. L 340, S. 21 ff.<br />

350<br />

Dem hat auch die EKMR in einem Urteil vom April 1997 ebenfalls Rechnung get<strong>ra</strong>gen,<br />

EKMR, BNr. 2741/95 (Cha’are Shalom Ve Tse<strong>de</strong>k/F<strong>ra</strong>nkreich), vgl. Sherlock, Commission<br />

81


82<br />

Schlachtung nach best<strong>im</strong>mten religiösen Riten und für die Überwachung dieser<br />

Best<strong>im</strong>mungen erklärt Art. 2 Ziff. 8 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/119/EWG die betreffen<strong>de</strong><br />

Religionsgemeinschaft in <strong>de</strong>m jeweiligen Mitgliedstaat für zuständig, in <strong><strong>de</strong>r</strong>en Auft<strong>ra</strong>g die<br />

Schlachtung erfolgt.<br />

Die RL 93/119/EWG greift insoweit <strong>de</strong>m Protokoll Nr. 33 über <strong>de</strong>n Tierschutz und das<br />

Wohlergehen <strong><strong>de</strong>r</strong> Tiere 351<br />

vor.<br />

j) Richtlinie 95/46/EG <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom 24. Oktober 1995<br />

zum Schutz natürlicher Personen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>rbeitung personenbezogener Daten und zum<br />

freien Datenverkehr (Datenschutzrichtlinie) 352<br />

Einzelheiten s.u. K.III.5.c).<br />

k) Richtlinie 98/33/EG <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom 22. Juni 1998 zur<br />

Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Artikels 12 <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 77/780/EWG <strong>de</strong>s Rates über die Aufnahme und<br />

Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kreditinstitute, <strong><strong>de</strong>r</strong> Artikel 2, 5, 6, 7 und 8 sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Anhänge II<br />

und III <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 89/647/EWG <strong>de</strong>s Rates über einen Solvabilitätskoeffizienten für<br />

Kreditinstitute und <strong>de</strong>s Artikels 2 sowie <strong>de</strong>s Anhangs II <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 93/6/EWG <strong>de</strong>s Rates<br />

über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapieren und Kreditinstituten 353<br />

Zur Vereinheitlichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bankenaufsicht erließ die Gemeinschaft die sog.<br />

Solvabilitätsrichtlinie 89/647/EWG, nach welcher das Eigenkapital <strong><strong>de</strong>r</strong> Banken zu <strong>de</strong>n nach<br />

Risikogruppen geordneten Aktiva ins Verhältnis gesetzt wur<strong>de</strong>, wobei die Kommission von<br />

einer Eigenkapitalquote von 8 % ausging; dies be<strong>de</strong>utet, daß die nach Risiko gewichteten<br />

Aktiva min<strong>de</strong>stens von 8 % Eigenkapital ge<strong>de</strong>ckt sein müssen. Hierbei wur<strong>de</strong>n fünf<br />

Risikogruppen (0 %, 10 %, 20 %, 50 % und 100 %) gebil<strong>de</strong>t, wobei nur Verbindlichkeiten<br />

gegenüber <strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen Regierungen sowie mitgliedstaatlichen Zent<strong>ra</strong>lbanken in<br />

die niedrigste Risikoklasse eingereiht wur<strong>de</strong>n. Im Gegensatz zur nationalen Rechtslage vor<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Harmonisierung b<strong>ra</strong>chte dies für die kirchlichen Kreditanstalten in Deutschland, die bisher<br />

aufgrund <strong>de</strong>s öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus ihrer Kirche ebenfalls <strong><strong>de</strong>r</strong> niedrigsten<br />

Risikoklasse zugeordnet wor<strong>de</strong>n waren, eine erhebliche Verschlechterung mit sich, <strong><strong>de</strong>r</strong> man<br />

Decisions and Reports 1997, (1998) 23 E.L.Rev.HR, S. 103 ff., 104. Die EKMR sah die<br />

Verweigerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Erlaubnis für eine jüdisch-orthodoxe Gemeinschaft, rituelle Schächtungen<br />

durchzuführen, als eine Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 9 und 14 EMRK an.<br />

351<br />

S.o. C.I.1.j).<br />

352<br />

ABl. 1995, Nr. L 281, S. 31 ff.<br />

353<br />

ABl. 1998, Nr. L 204, S. 29 ff.


kirchlicherseits jedoch erst richtig gewahr wur<strong>de</strong>, nach<strong>de</strong>m die Richtlinie bereits<br />

ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t war. 354<br />

Den Kirchen und Religionsgemeinschaften gelang es jedoch, i.R.d. Novellierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

RL 89/647/EWG gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, eine Lockerung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Eigenkapitalanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Solvabilitätskoeffizienten zu erhalten.<br />

So lautet <strong><strong>de</strong>r</strong> 3. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 98/33/EG nunmehr:<br />

„Die Kirchen und Religionsgemeinschaften in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsform <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperschaft <strong>de</strong>s<br />

öffentlichen Rechts, die aufgrund eines ihnen durch Gesetz verliehenen Steuererhebungsrechts<br />

Steuern erheben, unterliegen einem Kreditrisiko, das mit <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Regionalregierungen und<br />

örtlichen Gebietskörperschaften vergleichbar ist. Es ist daher sinnvoll, <strong>de</strong>n zuständigen<br />

Behör<strong>de</strong>n die Möglichkeit zu geben, auf For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

die gleiche Regelung wie auf For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an Regionalregierungen und örtliche<br />

Gebietskörperschaften anzuwen<strong>de</strong>n, sofern diese Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

Steuern erheben. Die Möglichkeit, For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an Regionalregierungen und örtliche<br />

Gebietskörperschaften mit 0 % zu gewichten, ist jedoch nicht allein schon aufgrund <strong>de</strong>s<br />

Steuererhebungsrechts auch für For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

gegeben.“<br />

Gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. b <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 98/33/EG wur<strong>de</strong> Art. 2 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 89/647/EWG<br />

folgen<strong><strong>de</strong>r</strong> Unte<strong>ra</strong>bsatz angefügt:<br />

„Die zuständigen Behör<strong>de</strong>n können darüber hinaus zu <strong>de</strong>n Regionalregierungen und örtlichen<br />

Gebietskörperschaften Kirchen und Religionsgemeinschaften in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsform <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperschaft<br />

<strong>de</strong>s öffentlichen Rechts zählen, sofern diese aufgrund eines ihnen verliehenen Steuererhebungsrechts<br />

Steuern erheben. In diesem Fall kommt allerdings die Möglichkeit nach<br />

Artikel 7 nicht zur Anwendung.“<br />

Damit erhalten Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlichem Rechtsstatus nun<br />

ebenso wie Regionalregierungen und örtliche Gebietskörperschaften einen reduzierten<br />

Gewichtungssatz von 20 %. Allerdings gilt dies nur für <strong>de</strong>n Fall, in <strong>de</strong>m diese tatsächlich von<br />

<strong>de</strong>m ihnen verliehenen Steuererhebungsrecht Geb<strong>ra</strong>uch machen.<br />

354 So Gaertner, Auswirkungen <strong>de</strong>s Rechts <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft auf das Verhältnis<br />

von Staat und Kirche, dargestellt am Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Refe<strong>ra</strong>t<br />

be<strong>im</strong> III. Internationalen Symposion über das Verhältnis von Staat und Kirche am 11.5.1994<br />

<strong>im</strong> Lφgumkloster, unveröffentlichtes Manuskript, S. 12 f.<br />

83


84<br />

l) Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 <strong>de</strong>s Rates vom 20. Dezember 1985 über die<br />

Harmonisierung best<strong>im</strong>mter Sozialvorschriften <strong>im</strong> St<strong>ra</strong>ßenverkehr 355<br />

Die VO (EWG) Nr. 3820/85, die z.B. Ruhezeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Fernk<strong>ra</strong>ftfahrer enthält, best<strong>im</strong>mt in<br />

Art. 13 Abs. 1 lit. f, daß ein Mitgliedstaat für sein Hoheitsgebiet o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit Zust<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s<br />

betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaats für das Hoheitsgebiet eines an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaats Abweichungen<br />

von je<strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mung dieser Verordnung zulassen kann, welche Beför<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen mit<br />

Fahrzeugen betreffen, die i.R.d. Religionsausübung verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n und für diesen Zweck<br />

beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s ausgestattet sind. Zu <strong>de</strong>nken ist hier z.B. an spezielle Fahrzeuge für Prozessionen.<br />

m) Verordnung (EG) Nr. 1659/98 <strong>de</strong>s Rates vom 17. Juli 1998 über die <strong>de</strong>zent<strong>ra</strong>lisierte<br />

Zusammenarbeit 356<br />

Die <strong>de</strong>zent<strong>ra</strong>lisierte Zusammenarbeit, ein neues Konzept für die Entwicklungs-<br />

zusammenarbeit<br />

357<br />

in <strong>de</strong>n Entwicklungslän<strong><strong>de</strong>r</strong>n wird durch die Gemeinschaft verstärkt<br />

geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Für <strong>de</strong>n Zeit<strong>ra</strong>um von 1999 bis 2001 wird hierfür gemäß Art. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO (EG)<br />

1659/98 ein Etat von 18 Mio. ECU bereitgestellt. Art. 3 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO (EG) 1659/98 lautet:<br />

„Die Partner <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit, die gemäß dieser Verordnung für eine finanzielle<br />

Unterstützung in Bet<strong>ra</strong>cht kommen, sind die Akteure <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>zent<strong>ra</strong>lisierten Zusammenarbeit in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft und in <strong>de</strong>n Entwicklungslän<strong><strong>de</strong>r</strong>n, d.h. lokale Behör<strong>de</strong>n, Nichtregierungsorganisationen,<br />

Berufsverbän<strong>de</strong> und lokale Initiativgruppen, Koope<strong>ra</strong>tiven, Gewerkschaften,<br />

F<strong>ra</strong>uen- und Jugendorganisationen, Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen, die Kirchen<br />

sowie alle Nichtregierungsorganisationen, die einen Beit<strong>ra</strong>g zur Entwicklung leisten können.“<br />

355 ABl. 1985, Nr. L 370, S. 1 ff.<br />

356 ABl. 1998, Nr. L 213, S. 6 ff.<br />

357 Vgl. Viertes AKP-EG-Abkommen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verordnung (EWG) Nr. 443/92 <strong>de</strong>s Rates vom<br />

25. Februar 1992 über die finanzielle und technische Hilfe zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklungslän<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Asiens und Lateinamerikas sowie die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit diesen<br />

Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n, ABl. 1992, Nr. L 52, S. 1 ff.


n) Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 15/99 vom Rat festgelegt am 25. Januar 1999 <strong>im</strong><br />

Hinblick auf <strong>de</strong>n Erlaß <strong><strong>de</strong>r</strong> Verordnung (EG) Nr. .../1999 <strong>de</strong>s Rates vom ... zur Festlegung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bedingungen für die Durchführung von Maßnahmen auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Entwicklungszusammenarbeit, die zu <strong>de</strong>m allgemeinen Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Fortentwicklung und<br />

Festigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Demok<strong>ra</strong>tie und <strong>de</strong>s Rechtsstaats sowie zur Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und<br />

Grundfreiheiten beit<strong>ra</strong>gen 358<br />

Der auf die Gemeinschaftskompetenz zur Entwicklungszusammenarbeit gemäß<br />

Art. 179 (ex-Art. 130w) EGV gestützte und nach <strong>de</strong>m Verfahren <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit gemäß<br />

Art. 252 (ex-Art. 189c) EGV zu erlassen<strong>de</strong> Rechtsakt sieht in Art. 1 Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> EG auf<br />

<strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklungszusammenarbeit zur Fortentwicklung und zur Festigung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Demok<strong>ra</strong>tie und <strong>de</strong>s Rechtsstaats sowie zur Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und<br />

Grundfreiheiten vor. Beschlüsse über die Gewährung einer finanziellen Unterstützung für<br />

Projekte zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und zur Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen Grundsätze<br />

sollen gemäß <strong>de</strong>m 21. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel unparteiisch und u.a. ohne Ansehen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

359<br />

Religion und <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur gefaßt wer<strong>de</strong>n.<br />

o) Gemeinsame Maßnahme vom 15. Juli 1996 vom Rat aufgrund von Art. 31 (ex-Art. K.3)<br />

Abs. 2 lit. b EUV 360<br />

Einzelheiten s.u. E.I.1.c)bb).<br />

p) Äußerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission vom 3. Oktober 1997 auf die schriftliche Anf<strong>ra</strong>ge Nr. 2680/97<br />

von María Sornosa Martínez und Angela Sier<strong>ra</strong> González vom 1. September 1997 betreffend<br />

einen Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip in <strong><strong>de</strong>r</strong> Aula Dei-Kartause von Sa<strong>ra</strong>gossa 361<br />

Die Aula Dei-Kartause ist eine von Kartäusermönchen geführte religiöse Stätte, <strong><strong>de</strong>r</strong> aufgrund<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> dort gesammelten Gemäl<strong>de</strong> <strong>de</strong>s spanischen Malers F<strong>ra</strong>ncisco <strong>de</strong> Goya zugleich kulturelle<br />

Be<strong>de</strong>utung zukommt. F<strong>ra</strong>uen und Mädchen wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugang zu <strong>de</strong>m Kloster ausdrücklich<br />

untersagt, worin die anf<strong>ra</strong>gen<strong>de</strong>n Abgeordneten einen Verstoß gegen das Recht auf<br />

Gleichbehandlung erblickten. Die Antwort <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission auf die schriftliche Anf<strong>ra</strong>ge lautet<br />

auszugsweise:<br />

358<br />

ABl. 1999, Nr. C 58, S. 17 ff.<br />

359<br />

Daß hier zwischen Religion und Kultur unterschie<strong>de</strong>n wird, spricht u.a. dafür, daß es sich<br />

hierbei um aliud-Best<strong>im</strong>mungen han<strong>de</strong>lt.<br />

360<br />

ABl. 1996, Nr. L 185, S. 5 ff.<br />

361<br />

ABl. 1998, Nr. C 82, S. 127.<br />

85


86<br />

„Es liegt somit ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot vor, da F<strong>ra</strong>uen hier <strong>im</strong> Gegensatz zu<br />

Männern die Möglichkeit zum Bet<strong>ra</strong>chten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kunstwerke genommen wird. Die Kommission<br />

ist sich zwar über die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s hier aufgeworfenen Problems <strong>im</strong> klaren, kann aber nicht<br />

eingreifen, da sie keine Kompetenzen hat, um <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion tätig zu wer<strong>de</strong>n.“<br />

Dieser Antwort kommt in mehrfacher Hinsicht Be<strong>de</strong>utung zu. Zum einen trennt die<br />

Kommission hier ebenfalls zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kulturkompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft,<br />

Art. 151 (ex-Art. 128) EGV und <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion als solcher. 362 Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wird ausdrücklich –<br />

trotz eines offensichtlichen Diskr<strong>im</strong>inierungsverbots aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Geschlechts – eine<br />

Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur Regelung religionsrechtlicher F<strong>ra</strong>gen verneint, da sich diese<br />

außerhalb <strong>de</strong>s Anwendungsbereichs <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts befän<strong>de</strong>n 363 bzw. von einem<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften ausgegangen wer<strong>de</strong>n muß. 364<br />

q) Entschließungen <strong>de</strong>s EP<br />

Die rechtlich unverbindlichen Entschließungen stellen ein wichtiges Öffentlichkeitsforum dar.<br />

Auch wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat das entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Gesetzgebungsgremium ist, haben Entschließungen<br />

gewisse Rückkoppelungen auf nationale Parlamente und so mittelbar auf <strong>de</strong>n Rat. Die bei<strong>de</strong>n<br />

Entschließungen <strong>de</strong>s EP zur Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> 365<br />

haben z.B. die Schaffung <strong>de</strong>s speziellen Diskr<strong>im</strong>inierungsverbots in Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV<br />

herbeigeführt. Eine Zusammenstellung über die – religionsrechtliche Materien betreffen<strong>de</strong>n –<br />

Entschließungen zeigt <strong>de</strong>utlich Bezüge <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zum <strong>Religionsrecht</strong> auf. 366<br />

362<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen unten F.III.<br />

363<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen unten E.VI.<br />

364<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen unten L.III.<br />

365<br />

ABl. 1996, Nr. C 96, S. 77; ABl. 1996, Nr. C 320, S. 36.<br />

366<br />

- Entschließung zur Rückgabe ge<strong>ra</strong>ubten Eigentums an jüdische Gemein<strong>de</strong>n,<br />

ABl. 1996, Nr. C 17, S. 199:<br />

Die Entschließung erfolgt unter Hinweis auf Art. 1 <strong>de</strong>s 1. ZP zur EMRK von 1952, wonach<br />

„je<strong>de</strong> natürliche o<strong><strong>de</strong>r</strong> juristische Person ein Recht auf Achtung ihres Eigentums hat“. <strong>Das</strong><br />

EP for<strong><strong>de</strong>r</strong>t, daß alle Staaten Mittel- und Osteuropas, die inzwischen zur Demok<strong>ra</strong>tie<br />

zurückgekehrt sind und auch die EMRK <strong>ra</strong>tifiziert haben, geeignete Rechtsvorschriften über<br />

die Rückgabe ge<strong>ra</strong>ubten Eigentums erlassen. Diese seien Vo<strong>ra</strong>ussetzung für einen EU-<br />

Beitritt.<br />

- Entschließung zur Erwählung <strong>de</strong>s Pantschen-Lama und zur Religionsfreiheit in Tibet,<br />

ABl. 1996, Nr. C 17, S. 200:<br />

In dieser Entschließung, die sich auf keinerlei Kompetenzvorschriften stützt – und wohl<br />

auch nicht könnte – , wird die Einmischung <strong><strong>de</strong>r</strong> VR China in die Benennung <strong>de</strong>s<br />

Kandidaten für das Amt <strong>de</strong>s Pantschen-Lama verurteilt, welche eine rein religiöse Ange-


legenheit sei, sowie die erzwungene Durchsetzung eines Kandidaten durch die chinesischen<br />

Behör<strong>de</strong>n mißbilligt. Entschließungen sind jedoch unabhängig von einer Kompetenz <strong>de</strong>s EP<br />

zum Erlaß eines verbindlichen Rechtsaktes in <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong>n Materie zulässig. Ein<br />

pa<strong>ra</strong>lleles Problem wird in Deutschland unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Thematik <strong><strong>de</strong>r</strong> schlichten Parlamentsbeschlüsse<br />

behan<strong>de</strong>lt. Auch <strong>de</strong>m BT wird als Parlament allgemein eine Kompetenz zur<br />

Beschlußfassung über die ausdrücklich <strong>im</strong> Grundgesetz normierten Fälle hinaus anerkannt,<br />

vgl. Bismark, Atomwaffenfreie Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>?, – Zur Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>sparlamente in<br />

Sicherheitsf<strong>ra</strong>gen –, DVBl. 1983, S. 829 ff., 830; Sellmann, Der schlichte Parlamentsbeschluß,<br />

Berlin 1966, 18 ff., soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> gefaßte Beschluß nach außen hin erkennbar als<br />

nicht verbindlich gewollt erscheint, vgl. Sellmann, a.a.O., S. 38 f. Für eine beabsichtigte<br />

Unverbindlichkeit spricht <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Fall schon die Bezeichnung als „Entschließung“.<br />

- Entschließung zu <strong>de</strong>n Sekten in Europa, ABl. 1996, Nr. C 78, S. 31:<br />

Diese Entschließung nennt die EMRK sowie Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV als Rechtsgrundlage<br />

und hat seinen Anlaß in <strong>de</strong>m Tod von 16 Sektenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n am 23.12.1995 in<br />

Vercors/F<strong>ra</strong>nkreich. <strong>Das</strong> EP betont in <strong><strong>de</strong>r</strong> Entschließung, daß viele aktive religiöse und<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Sekten völlig legal seien und Anspruch auf individuelle und korpo<strong>ra</strong>tive Glaubensfreiheit<br />

hätten. Es erfolgt ein Verweis auf Art. 14 EMRK. Best<strong>im</strong>mte Sekten seien dagegen<br />

illegal o<strong><strong>de</strong>r</strong> kr<strong>im</strong>inell. Die Regierungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten wer<strong>de</strong>n daher in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Entschließung aufgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, <strong>de</strong>n Status einer religiösen Gemeinschaft nicht automatisch zu<br />

verleihen und <strong>im</strong> Fall von Sekten, die an obskuren und kr<strong>im</strong>inellen Machenschaften<br />

beteiligt sind, eine Aufhebung ihres Status einer religiösen Gemeinschaft zu erwägen, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

ihnen Steuervorteile und einen gewissen Rechtsschutz beschert. Ferner ergeht eine<br />

Auffor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung an die Kommission sowie an die Mitgliedstaaten, zu verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, daß illegale<br />

Sekten in <strong>de</strong>n Genuß gemeinschaftlicher Beihilfen gelangen.<br />

- Entschließung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Stellungnahme <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments zur Einberufung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungskonferenz und zur Bewertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Reflexionsgruppe und<br />

Festlegung <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen Prioritäten <strong>de</strong>s EP <strong>im</strong> Hinblick auf die Regierungskonferenz,<br />

ABl. 1996, Nr. C 96, S. 77:<br />

Im Erwägungsgrund I. <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> Entschließung wird u.a. eine stärkere Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Menschenrechte durch Ausweitung <strong><strong>de</strong>r</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechte für europäische Bürger innerhalb<br />

<strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs durch <strong>de</strong>n Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> grundlegen<strong>de</strong>n Menschenrechte und durch die<br />

Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung und Nichtdiskr<strong>im</strong>inierung gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Diese For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

wird in Ziff. 4.5. noch konkretisiert. Hiernach sollte die EU in einen neu zu schaffen<strong>de</strong>n<br />

Grundrechtskatalog auch <strong>de</strong>n Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung und Nichtdiskr<strong>im</strong>inierung,<br />

insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e ungeachtet <strong><strong>de</strong>r</strong> Rasse, <strong>de</strong>s Geschlechts, <strong><strong>de</strong>r</strong> sexuellen Neigungen, <strong>de</strong>s Alters,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung einfügen. Zwar ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtskatalog nicht<br />

realisiert wor<strong>de</strong>n; mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV, vgl. hierzu die Ausführungen<br />

unten E.VI, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m speziellen Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot durch <strong>de</strong>n Amsterdamer<br />

Vert<strong>ra</strong>g jedoch Rechnung get<strong>ra</strong>gen.<br />

87


88<br />

- Entschließung zur Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>; ABl. 1996,<br />

Nr. C 320, S. 36 (Zusammenfassung in EuZW 1996, S. 676; weitere, ähnlich ausformulierte<br />

Entschließungen zur Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte vgl. EuZW 1997, S. 421; EuZW<br />

1998, S. 259):<br />

<strong>Das</strong> EP stützt sich u.a. auf die Allgemeine Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte vom 10.12.1948,<br />

abgedruckt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Textsammlung Sartorius II, Nr. 19, <strong>de</strong>n Internationalen Pakt über<br />

bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1996 (IPbpR), BGBl. 1973 II, S. 1534, sowie<br />

die EMRK samt Protokollen sowie auf Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV. Der Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Menschenrechte sei durch alle Mitgliedstaaten für alle Personen auf <strong>de</strong>m Hoheitsgebiet <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EU zu gewährleisten, unabhängig von Rasse, Geschlecht, Nationalität, Herkunft, Sp<strong>ra</strong>che,<br />

Religion, Kultur, Glauben o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung (C.).<br />

<strong>Das</strong> EP for<strong><strong>de</strong>r</strong>t, daß u.a. SIS und die Datenbank von Europol einem unabhängigen<br />

Kontrollsystem unterworfen wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>s Privatlebens zu gewährleisten; es<br />

for<strong><strong>de</strong>r</strong>t weiter, alle Informationen persönlichen Cha<strong>ra</strong>kters, wie Angaben zur<br />

Religionszugehörigkeit, zu philosophischen o<strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Überzeugungen, Rasse,<br />

Gesundheit und sexuellen Gewohnheiten, von <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfassung in diesen Datenbanken<br />

auszuschließen (56.). <strong>Das</strong> EP ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong> Anspruch auf Gedanken-,<br />

Gewissens- und Religionsfreiheit habe (57.) und for<strong><strong>de</strong>r</strong>t die Mitgliedstaaten auf, die<br />

Erwähnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit <strong>im</strong> Personalausweis o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Reisepaß nicht mehr<br />

vorzusehen (61.). Ferner wird eine Benachteiligung aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Rasse, <strong><strong>de</strong>r</strong> Hautfarbe, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Volkszugehörigkeit, <strong>de</strong>s Geschlechts, <strong><strong>de</strong>r</strong> sexuellen Neigung, <strong><strong>de</strong>r</strong> Sp<strong>ra</strong>che, <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion und<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> politischen Überzeugung für inakzeptabel gehalten (78.). Während ein umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schutz von Homosexuellen <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Arbeits-, St<strong>ra</strong>f-, Zivil-, Vert<strong>ra</strong>gs- und<br />

Wirtschafts- bzw. Sozialrechts gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t wird (84.), fällt auf, daß ein Lebensrecht <strong>de</strong>s<br />

ungeborenen Kin<strong>de</strong>s in <strong>de</strong>m umfangreichen Menschenrechtskatalog, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e in <strong>de</strong>n<br />

Kapiteln über die Rechte <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s (93. – 98.) und das Recht auf Leben (7. – 16.), nicht<br />

enthalten ist.<br />

- Entschließung zu <strong>de</strong>n Verletzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit in <strong><strong>de</strong>r</strong> Türkei, ABl. 1996,<br />

Nr. C 347, S. 162:<br />

Aus aktuellem Anlaß wird die Bombenexplosion auf die Kathed<strong>ra</strong>le St. Georg in Istanbul<br />

durch die rechtsextremistische Organisation IBDAC verurteilt (A.). Ebenso wird kritisiert,<br />

daß nach offizieller Erklärung <strong>de</strong>s Präsidialamtes <strong>de</strong>s Ministerpräsi<strong>de</strong>nten <strong><strong>de</strong>r</strong> türkischen<br />

Regierung die Hagia Sophia in eine Moschee umgewan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n sollte (C.). Als Bezug<br />

zum Gemeinschaftsrecht wird hier das „Bewußtsein <strong><strong>de</strong>r</strong> gegenseitigen Verpflichtungen, die<br />

aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Zollunion zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> EU und <strong><strong>de</strong>r</strong> türkischen Republik erwachsen“, erwähnt (J.).<br />

- Entschließung zur Sonntagsarbeit, ABl. 1997, Nr. C 20, S. 140:<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen unten K.V.2.a).<br />

- Entschließung zu Rassismus, Frem<strong>de</strong>nfeindlichkeit und Antisemitismus, ABl. 1997,<br />

Nr. C 55, S. 17:


4. Ergebnis<br />

Zusammenfassend lassen sich die das <strong>Religionsrecht</strong> betreffen<strong>de</strong>n Sekundärrechtsakte in vier<br />

Kategorien einteilen: Zunächst gibt es Sekundärrechtsakte, die ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus<br />

Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion enthalten, 367 weiter solche, die für religionsrechtliche Materien ein<br />

Son<strong><strong>de</strong>r</strong>recht begrün<strong>de</strong>n. 368 Der dritten Kategorie sind Rechtsakte zuzuordnen, die ein<br />

Teilhaberecht an öffentlichen Einrichtungen begrün<strong>de</strong>n. 369 Viertens gibt es<br />

Sekundärrechtsakte, die nicht pr<strong>im</strong>är die Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Blick<br />

haben, jedoch mittelbare Auswirkungen auf diese besitzen, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e dort, wo Kirchen<br />

und Religionsgemeinschaften wie an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Unternehmen am Wirtschaftsleben teilnehmen. 370<br />

II. Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH zum <strong>Religionsrecht</strong><br />

Ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> die oftmals apodiktische Kürze <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidungen <strong>de</strong>s EuGH führt zum<br />

grundsätzlichen Problem, aus diesen neue Begrifflichkeiten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Leitlinien herzuleiten. Da<br />

aber <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in aller Regel <strong>de</strong>n Ausführungen <strong>im</strong> Schlußant<strong>ra</strong>g <strong>de</strong>s jeweiligen Gene<strong>ra</strong>lanwalts<br />

(GA) folgt, kann es hilfreich sein, diese beizuziehen. Aus diesem Grun<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n die<br />

nachfolgen<strong>de</strong>n Entscheidungen <strong>de</strong>s EuGH wie folgt besprochen: Zuerst wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Sachverhalt<br />

geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Sodann wird auf die Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH eingegangen. Sofern die Schlußanträge<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gene<strong>ra</strong>lanwälte über die Ausführungen <strong>de</strong>s EuGH hinaus religionsrechtlich<br />

be<strong>de</strong>utsame Aspekte enthalten sollten, wird dies <strong>im</strong> Einzelfall hervorgehoben. Abschließend<br />

soll die Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH <strong>im</strong> Hinblick auf <strong>de</strong>ssen religionsrechtliche Aspekte<br />

gewürdigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Entschließung stützt sich auf Art. 14 <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK, wonach Rechte und Freiheiten ohne<br />

Unterschied <strong>de</strong>s Geschlechts, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rasse, Hautfarbe, Sp<strong>ra</strong>che, Religion, politischen und<br />

sonstigen Anschauungen [...] gewährleistet wer<strong>de</strong>n, sowie auf Art. 19 IPbpR und Art. 6<br />

(ex-Art. F) Abs. 2 EUV. <strong>Das</strong> EP begrüßt darin <strong>de</strong>n vom Rat für allgemeine<br />

Angelegenheiten am 6.12.1996 einst<strong>im</strong>mig gefaßten Beschluß, die Beobachtungsstelle für<br />

Rassismus und Frem<strong>de</strong>nfeindlichkeit (RAXEN) so <strong>ra</strong>sch wie möglich zu errichten (23.).<br />

367<br />

Hier ist Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts ebenso zu nennen, wie die Entschließungen <strong>de</strong>s<br />

EP über Rassismus und Frem<strong>de</strong>nfeindlichkeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> über die Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte.<br />

368<br />

Vgl. z.B. C.I.3.e); C.I.3.i); C.I.3.k); C.I.3.l).<br />

369<br />

Vgl. Religionsunterricht als or<strong>de</strong>ntliches Lehrfach an <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Schulen;<br />

Sen<strong>de</strong>zeiten i.R.d. Fernsehrichtlinie.<br />

370<br />

Z.B. Arbeitszeitrichtlinie, Datenschutzrichtlinie; Gleichbehandlungsrichtlinie; öffentliches<br />

Auft<strong>ra</strong>gswesen.<br />

89


90<br />

Neben <strong>de</strong>n nachstehend besprochenen Urteilen hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine größere Anzahl von<br />

Entscheidungen gefällt, die zwar nicht speziell das <strong>Religionsrecht</strong> betreffen, es jedoch<br />

mittelbar nicht weniger g<strong>ra</strong>vierend beeinflussen. Es seien nur die allgemeineren Entscheidungen<br />

zur Grundrechtsrechtsprechung 371 , zum öffentlichen Auft<strong>ra</strong>gswesen 372 o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

hinsichtlich <strong>de</strong>s Verbots <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntagsarbeit 373 bzw. <strong>de</strong>s Verkaufsverbots an Sonntagen 374<br />

erwähnt, die innerhalb <strong>de</strong>s entsprechen<strong>de</strong>n Sachgebiets behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />

1. Rs. 130/75 (Vivien P<strong>ra</strong>is/Rat)<br />

375<br />

a) Sachverhalt<br />

Eine Jüdin britischer Staatsangehörigkeit, die sich in einem allgemeinen Auswahlverfahren<br />

um eine Stelle als Übersetzerin be<strong>im</strong> Rat <strong><strong>de</strong>r</strong> EG beworben hatte, klagt vor <strong>de</strong>m EuGH 376<br />

auf<br />

Aufhebung einer Entscheidung <strong>de</strong>s Rates, <strong><strong>de</strong>r</strong> ihren Ant<strong>ra</strong>g abgelehnt hatte, für sie einen<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Tag zur Ablegung <strong><strong>de</strong>r</strong> schriftlichen Prüfungen anzube<strong>ra</strong>umen, obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Tag <strong>de</strong>s<br />

Auswahlverfahrens auf einen hohen jüdischen Feiertag gelegt wur<strong>de</strong>, an <strong>de</strong>m jüdischen<br />

Gläubigen das Reisen und Schreiben untersagt sei. Aufgrund dieser Kollision beant<strong>ra</strong>gte die<br />

Klägerin, die Prüfung an einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Tag ablegen zu können, was ihr mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung<br />

verweigert wur<strong>de</strong>, daß alle Bewerber die gleichen Prüfungen am gleichen Tag abzulegen<br />

hätten. Die Klägerin stützt ihre Klage zum einen auf Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts, <strong>de</strong>m<br />

zufolge die Beamten ohne Rücksicht auf Rasse, Glauben o<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschlecht ausgewählt wer<strong>de</strong>n.<br />

371<br />

So z.B. Gutachten 2/94 (EMRK), Slg. 1996, S. I-1759 ff., 1783 ff. = EuGRZ 1996,<br />

S. 197 ff., 199 = EuR 1996, S. 302 ff., s.u. E.I.5.a).<br />

372<br />

EuGH, Rs. C-44/96 (Mannesmann Anlagenbau Austria AG u.a./Stohal Rotationsdruck<br />

GmbH, Slg. 1998, S. I-73 ff. = NJW 1998, S. 3261 ff. = EuZW 1998, S. 120 ff.;<br />

Rs. C-360/96 (Gemeente Arnhem u. Gemeente Rhe<strong>de</strong>n/BFI Holding BV, Urteil vom<br />

10.11.1998, EuZW 1999, S. 16 ff.; Rs. C-353/96 (Kommission/Irland), Urteil vom<br />

17.12.1998; nähere Ausführungen s.u. J.VI.<br />

373<br />

EuGH, Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich/Rat), Slg. 1996, S. I-5755 ff., vgl. unten<br />

K.V.2.a).<br />

374<br />

EuGH, Rs. C-145/88 (Torfaen Borough Council/B & Q plc), Slg. 1989, S. I-3851 ff.;<br />

Rs. C-169/91 (Council of the City of Stoke-on-Trent u. Norwich City Council/B & Q plc),<br />

Slg. 1991, S. I-6635 ff. = DVBl. 1995, S. 33; Slg. 1996, S. I-5755 ff., vgl. unten K.V.2.b).<br />

375<br />

EuGH, Slg. 1976, S. 1589 ff. = DÖV 1977, S. 408 f.; vgl. hierzu Pernice, Fn. 17, S. 777 ff.<br />

sowie Rengeling, Anmerkung zum Urteil vom 27.10.1976, Rs. 130/75 (Vivien P<strong>ra</strong>is/Rat),<br />

DÖV 1997, S. 409 f.<br />

376<br />

Erst durch Beschluß <strong>de</strong>s Rates vom 24.10.1988 – ABl. 1988 Nr. L 319, S. 1 ff. – wur<strong>de</strong> die<br />

Zuständigkeit für Beamtenstreitigkeiten gemäß Art. 225 (ex-Art. 168a) EGV auf das EuG<br />

übert<strong>ra</strong>gen.


Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en untersage das Gemeinschaftsrecht je<strong>de</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religion. Außer<strong>de</strong>m beruft sich die Klägerin auf Art. 9 Abs. 2 EMRK, <strong><strong>de</strong>r</strong> zur Anwendung<br />

gelange, da alle Mitgliedstaaten die EMRK <strong>ra</strong>tifiziert hätten.<br />

b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH<br />

In seinem Urteil vom 27. Oktober 1976 betont <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, daß es <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichheitssatz zur<br />

Ermöglichung eines Vergleiches gebiete, das Auswahlverfahren für alle Bewerber unter <strong>de</strong>n<br />

gleichen Bedingungen durchzuführen; aus diesem Grun<strong>de</strong> müßten die schriftlichen Prüfungen<br />

für alle Teilnehmer am selben Tag stattfin<strong>de</strong>n. Die ausschreiben<strong>de</strong> Behör<strong>de</strong> sei jedoch<br />

gehalten, Prüfungen nicht auf einen Tag zu legen, an <strong>de</strong>m ein Bewerber aufgrund religiöser<br />

Gebote gehin<strong><strong>de</strong>r</strong>t sei, hie<strong>ra</strong>n teilzunehmen. Dies gelte allerdings nur, sofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewerber die<br />

Behör<strong>de</strong> rechtzeitig, d.h. noch vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Terminierung, von seiner Verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung in Kenntnis<br />

setze. Diese könne einen Konflikt mit einer religiösen For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung schließlich nur vermei<strong>de</strong>n,<br />

wenn sie von <strong><strong>de</strong>r</strong>en Existenz unterrichtet wor<strong>de</strong>n sei, wo<strong>ra</strong>n es <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Fall gefehlt<br />

habe. Der Gerichtshof hält es allerdings für „wünschenswert“, wenn die Anstellungsbehör<strong>de</strong><br />

sich eigenständig <strong>im</strong> vo<strong>ra</strong>us darüber informiert, ob gewisse Daten aus religiösen Grün<strong>de</strong>n<br />

nicht genehm sind.<br />

c) Schlußanträge <strong>de</strong>s Gene<strong>ra</strong>lanwalts<br />

<strong>Das</strong> Urteil <strong>de</strong>s Gerichtshofs st<strong>im</strong>mt <strong>im</strong> Ergebnis mit <strong>de</strong>n wesentlich ausführlicheren<br />

Schlußanträgen <strong>de</strong>s GA Jean-Pierre Warner überein. Dieser stellt die Chancengleichheit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bewerber aller Religionen be<strong>im</strong> Eintritt in <strong>de</strong>n Dienst <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaften he<strong>ra</strong>us. Außer<strong>de</strong>m<br />

untern<strong>im</strong>mt er lobenswerte rechtsvergleichen<strong>de</strong> Studien zur P<strong>ra</strong>xis <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten <strong>im</strong><br />

Hinblick auf Prüfungen, die auf religiöse Feiertage fallen. Im Ergebnis gelangt GA Warner zu<br />

<strong>de</strong>m Ergebnis, daß sowohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit als auch <strong>de</strong>m Gleichheitssatz durch<br />

Festlegung eines geeigneten Prüfungstermins Rechnung zu t<strong>ra</strong>gen sei, wobei es – angesichts<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> zahlreichen verschie<strong>de</strong>nartigen Religionen und religiösen Sekten innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft – Sache <strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Stellen sei, die Gemeinschaftsorgane über diese Tage in<br />

Kenntnis zu setzen.<br />

d) Würdigung<br />

Durch das Urteil bet<strong>ra</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, <strong><strong>de</strong>r</strong> bis zur Rs. P<strong>ra</strong>is fast ausschließlich die Existenz<br />

wirtschaftlicher Freiheitsrechte auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrecht festgestellt hatte,<br />

„juristisches Neuland“. 377<br />

Zwar han<strong>de</strong>lte es sich vorliegend um eine beamtenrechtliche und<br />

damit gemeinschaftsinterne Angelegenheit, jedoch wer<strong>de</strong>n über Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s<br />

377<br />

So Pernice, Fn. 17, S. 778.<br />

91


92<br />

Beamtenstatuts hinaus Diskr<strong>im</strong>inierungen aus religiösen Grün<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />

generell untersagt. 378<br />

aa) Abwägung von Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts mit <strong>de</strong>m Gleichheitsgrundsatz<br />

Der Gerichtshof macht bemerkenswerterweise nicht Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>n Gleichheitsgrundsatz zum Ausgangspunkt seiner Erwägungen, d.h. er geht pr<strong>im</strong>är<br />

von einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gemeinschaftsgrundrecht als <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit aus. 379 Die<br />

nachfolgen<strong>de</strong>n Ausführungen <strong>de</strong>s EuGH machen jedoch <strong>de</strong>utlich, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gleichheitsgrundsatz nicht isoliert Gegenstand seiner Untersuchungen ist, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n daß zu<br />

diesem die Religionsfreiheit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge hinzutritt, daß bei<strong>de</strong> Grundrechte <strong>im</strong> Wege einer<br />

p<strong>ra</strong>ktischen Konkordanz miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> in Einklang geb<strong>ra</strong>cht wer<strong>de</strong>n müssen; die<br />

Berücksichtigung nur <strong>de</strong>s Gleichheitssatzes wür<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit nicht gerecht. 380 Zu<br />

Recht wird als I<strong>de</strong>allösung die Wahrung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte angesehen, die dann realisiert<br />

wäre, wenn alle Teilnehmer die Prüfung am selben Tag absolvieren könnten, weil dieser nicht<br />

auf einen religiösen Feiertag fällt. 381<br />

Daß <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Fall die Religionsfreiheit hinter <strong>de</strong>n<br />

Gleichheitsgrundsatz zurücktritt, hängt damit zusammen, daß die in ihrer Religionsfreiheit<br />

betroffene Person nicht das ihr Mögliche unternommen hat, um einen Konflikt bei<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Grundrechte durch rechtzeitige Information <strong><strong>de</strong>r</strong> ausschreiben<strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong> zu vermei<strong>de</strong>n. Daß<br />

die Gemeinschaft selbst keine Kenntnis von <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewerberin hatte,<br />

hängt damit zusammen, daß diese we<strong><strong>de</strong>r</strong> als Einstellungskriterium maßgeblich sein, noch<br />

später in irgen<strong>de</strong>iner Form in <strong><strong>de</strong>r</strong> Personalakte auftauchen darf, vgl. Art. 26 Abs. 4 <strong>de</strong>s<br />

Beamtenstatuts.<br />

378<br />

So auch Hollerbach, Fn. 17, S. 264; Schwarze, Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Person <strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Gemeinschaftsrecht, NJ 1994, S. 53 ff., 55; vgl. insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Pernice, Grundrechtsgehalte<br />

<strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrecht – Ein Beit<strong>ra</strong>g zum gemeinschafts<strong>im</strong>manenten<br />

Grundrechtsschutz durch <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gerichtshof, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1979, S. 229: „Auch<br />

und ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> wenn best<strong>im</strong>mte Grundwerte, wie etwa die Meinungsfreiheit o<strong><strong>de</strong>r</strong> die<br />

Religionsfreiheit <strong>im</strong> positiven Gemeinschaftsrecht nicht aktualisiert sind, heißt das nur, daß<br />

ihre Verwirklichung und För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen nicht speziell „aufgegeben“<br />

ist, entbin<strong>de</strong>t diese jedoch nicht von ihrer Beachtung“.<br />

379<br />

Dies scheint Robbers, Fn. 181, S. 84, zu befrem<strong>de</strong>n.<br />

380<br />

So auch Pernice, Fn. 378, S. 205.<br />

381<br />

Auch <strong>im</strong> nationalen Recht ist anerkannt, daß für Angehörige <strong>de</strong>s jüdischen Glaubens keine<br />

Ladung zu einem Gerichtstermin am jüdischen Neujahrsfest erfolgen darf; <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat hat<br />

insoweit Rücksicht auf religiöse Sitten und Gebote zu nehmen; vgl. z.B. OLG Köln,<br />

NJW 1993, S. 1345.


Die Entscheidung macht <strong>de</strong>utlich, daß sich <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Grundrechts <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsfreiheit <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht sehr wohl bewußt ist und Belange <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsgemeinschaften grundsätzlich berücksichtigt.<br />

bb) Allgemeine Rechtsgrundsätze<br />

Obwohl die Berufung auf ungeschriebenes Gemeinschaftsrecht neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufung auf<br />

Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts und Art. 9 <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK eines <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptargumente ist, auf<br />

welches die Klägerin die Verletzung ihrer Rechte stützte, n<strong>im</strong>mt <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH hierzu keine<br />

Stellung. Zwar gehörte die Entwicklung von Gemeinschaftsgrundrechten i.R.d. allgemeinen<br />

Rechtsgrundsätze durch rechtsvergleichen<strong>de</strong> Wertung <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen<br />

Rechtsvorschriften <strong>im</strong> Zeitpunkt <strong>de</strong>s Urteilsspruchs längst zu <strong>de</strong>n Rechtsfindungsprinzipien<br />

<strong>de</strong>s Gerichtshofs, 382 trotz<strong>de</strong>m hielt er <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>n Rückgriff auf die allgemeinen<br />

Rechtsgrundsätze schon <strong>de</strong>shalb für entbehrlich, weil Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts eine<br />

Diskr<strong>im</strong>inierung aus religiösen Grün<strong>de</strong>n untersagt. 383<br />

(1) Art. 9 EMRK<br />

Die Religionsfreiheit, wie sie durch Art. 9 EMRK gewährleistet wird, hätte die Verpflichtung<br />

zur Berücksichtigung religiöser Belange allgemeiner, d.h. nicht nur für <strong>de</strong>n von Art. 27 Abs. 2<br />

<strong>de</strong>s Beamtenstatuts umfaßten Personenkreis, ausgedrückt.<br />

(2) Art. 25 lit. c IPbpR<br />

Die Vorschrift <strong>de</strong>s IPbpR, welche explizit <strong>de</strong>n gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern<br />

erwähnt, ist zwar gelten<strong>de</strong>s Völkerrecht; als solches gilt sie jedoch nicht automatisch für die<br />

EG. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV kann schon <strong>de</strong>shalb nicht zur Anwendung gelangen, da das<br />

erst am 19. Dezember 1996 abgeschlossene völkerrechtliche Abkommen kein Altvert<strong>ra</strong>g i.S.d.<br />

Art. 307 (ex-Art. 234) EGV sein kann. Allenfalls wäre eine Berücksichtigung i.R.d.<br />

allgemeinen Rechtsgrundsätze möglich gewesen. 384<br />

(3) ErklMR<br />

382 Vgl. EuGH, Rs. 29/69 (Stau<strong><strong>de</strong>r</strong>/Stadt Ulm, Sozialamt), Slg. 1969, S. 419 ff., 425; Rs. 11/70<br />

(Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr- und Vor<strong>ra</strong>tsstelle für Getrei<strong>de</strong> und<br />

Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff., 1135; Rs. 4/73 (Nold/Kommission), Slg. 1974,<br />

S. 491 ff., 507 f.; Rs. 36/75 (Rutili/Kommission), Slg. 1975, S. 1219 ff., 1231 f. Im übrigen<br />

s. Ausführungen unten E.I.2.<br />

383 Zu diesem Ergebnis gelangt auch Rengeling, Fn. 375, S. 409.<br />

384 Vgl. hierzu die Ausführungen unten Fn. 719.<br />

93


94<br />

Obwohl es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Allgemeinen Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte vom 10. Dezember 1948<br />

theoretisch um einen Altvert<strong>ra</strong>g i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV han<strong>de</strong>ln könnte, scheitert<br />

die Anwendung dieser Vorschrift – abgesehen von ihrer Berücksichtigung i.R.d. allgemeinen<br />

Rechtsgrundsätze – schon an <strong>de</strong>ssen mangeln<strong><strong>de</strong>r</strong> völkerrechtlicher Verbindlichkeit.<br />

2. Rs. 41/74 (Yvonne van Duyn/Home Office) – „Scientology“ 385<br />

a) Sachverhalt<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache van Duyn mußte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH zur Rechtmäßigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Versagung einer<br />

Einreiseerlaubnis Stellung nehmen, durch welche das Home Office einer nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen<br />

Staatsangehörigen aus Grün<strong>de</strong>n ihrer Beschäftigung bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Church of Scientology <strong>de</strong>n Zutritt<br />

in das Vereinigte Königreich verwehren wollte, da die britische Regierung P<strong>ra</strong>ktiken dieser<br />

Organisation als gesellschaftsschädlich einstufte.<br />

b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH<br />

Die Entscheidung hat nicht etwa <strong>de</strong>swegen Bekanntheit erlangt, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH hier eine<br />

p<strong>ra</strong>ktikable Abgrenzung zwischen Religionsgemeinschaften einerseits und gewerblichen<br />

Unternehmen an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits geschaffen hätte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr <strong>de</strong>shalb, weil er in diesem<br />

Urteil die unmittelbare Geltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeitsrechte nach Ablauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Übergangsfrist<br />

bejahte und <strong>de</strong>n Vorbehalt aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit<br />

<strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 3 EGV einschränkend dahingehend auslegte, daß bei Maßnahmen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten einer<br />

Einzelperson ausschlaggebend sein dürfe. Als solch persönliches Verhalten reiche eine<br />

bestehen<strong>de</strong> – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als eine frühere – Mitgliedschaft in einer Vereinigung aus, weil hierdurch<br />

eine I<strong>de</strong>ntifizierung mit <strong><strong>de</strong>r</strong>en Zielen und Absichten als freiwilliges Tun erkennbar sei. 386<br />

c) Würdigung<br />

Der Gerichtshof hat allerdings durch ein späteres Urteil in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Adoui u. Cornuaille<br />

entschie<strong>de</strong>n, daß ein <strong>im</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zur öffentlichen Ordnung stehen<strong>de</strong>s Verhalten nicht als<br />

hinreichend schwerwiegend bet<strong>ra</strong>chtet wer<strong>de</strong>n kann, um eine Einreise- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Aufenthaltsbeschränkung<br />

eines <strong>Union</strong>sbürgers eines an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaats zu rechtfertigen, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

betroffene Mitgliedstaat bei gleichem Verhalten eigener Staatsangehöriger keine Zwangsmaß-<br />

385 EuGH, Slg. 1974, S. 1337 ff.<br />

386 EuGH, Rs. 41/74, Fn. 385, S. 1350, Rz. 17.


nahmen ergreift. 387 Im Gegensatz zur Entscheidung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Van Duyn, in <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH ein als<br />

gesellschaftsschädlich angesehenes, jedoch nicht verbotenes Verhalten – die Betätigung i.R.d.<br />

Church of Scientology – als Rechtfertigung für die Einreiseverweigerung ausreichen ließ,<br />

wäre eine solche Verweigerung nach <strong><strong>de</strong>r</strong> neueren Rechtsprechung <strong>de</strong>s Gerichtshofs nur noch<br />

dann zulässig, soweit eine Handlung auch <strong>im</strong> betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat ein verbotenes<br />

Verhalten darstellte, welches staatliche Zwangsmaßnahmen (z.B. Bußgeld, Geldst<strong>ra</strong>fe) nach<br />

sich zöge. 388<br />

3. Rs. 300/84 (A.J.M. van Roosmalen/Bestuur van <strong>de</strong> Bedrijfsvereniging voor <strong>de</strong><br />

Gezondheid) – „Priester-Missionar“ 389<br />

a) Sachverhalt<br />

Ein römisch-katholischer Priester nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischer Staatsangehörigkeit hatte sich in einem<br />

belgischen Kloster seines Or<strong>de</strong>ns nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelassen und in das dortige Einwohnermel<strong><strong>de</strong>r</strong>egister<br />

eint<strong>ra</strong>gen lassen. Von dort aus wur<strong>de</strong> er 1955 als Missionar nach Belgisch-Kongo, seit 1960<br />

Zaïre, ausgesandt, wobei ihm finanzielle Unterstützung durch Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> seiner<br />

nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen Herkunftsgemein<strong>de</strong> zuteil wur<strong>de</strong>. Während eines He<strong>im</strong>aturlaubs in seiner<br />

Herkunftsgemein<strong>de</strong> t<strong>ra</strong>t er einer freiwilligen nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen Invaliditätsversorgung bei.<br />

Nach<strong>de</strong>m er sich tatsächlich eine zur Invalidität führen<strong>de</strong> K<strong>ra</strong>nkheit zugezogen hatte und in<br />

seine He<strong>im</strong>atgemein<strong>de</strong> zurückgekehrt war, erb<strong>ra</strong>chte die Versicherung zunächst<br />

Versorgungsleistungen. Nach<strong>de</strong>m er sich dann jedoch endgültig in <strong>de</strong>m belgischen Kloster<br />

nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ließ, stellte die Versicherung Zahlungen ein und begrün<strong>de</strong>te ihr Vorgehen mit einer<br />

nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen Vorschrift, nach welcher ein ununterbrochener Aufenthalt <strong>im</strong> Inland für <strong>de</strong>n<br />

Leistungsanspruch Vo<strong>ra</strong>ussetzung sei.<br />

b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH<br />

Der <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahrens angerufene EuGH vert<strong>ra</strong>t die Auffassung,<br />

daß Priester als „Selbständige“ i.S.d. Art. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO (EWG) Nr. 1408/71 390<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n<br />

387<br />

EuGH, Verb. Rs. 115 u. 116/81 (Adoui u. Cornuaille/Belgischer Staat), Slg. 1982,<br />

S. 1665 ff., Rz. 8.<br />

388<br />

So auch v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Wölker, Bd. 1, Art. 48, Rdnr. 96.<br />

389<br />

EuGH, Slg. 1986, S. 3097 ff.<br />

390<br />

Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Systeme <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en Familienangehörige,<br />

95


96<br />

müßten. 391 Außer<strong>de</strong>m sei ein Versicherter, <strong><strong>de</strong>r</strong> in einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaat wohne,<br />

<strong>de</strong>njenigen Versicherten gleichzustellen, die in <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat wohnten. 392<br />

Die Koppelung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze führte dazu, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Priester einen Anspruch gegen <strong>de</strong>n<br />

Versicherer erhielt und sozial abgesichert war.<br />

c) Würdigung<br />

Von verschie<strong>de</strong>ner Seite wird jedoch kritisiert, daß die Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH – auch wenn<br />

sie zu einem sachgerechten Ergebnis führe – kirchlichen Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten nicht gerecht wer<strong>de</strong>,<br />

da <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof es versäumt habe, argumentativ ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />

und Religionsgemeinschaften einzubringen bzw. für diese angemessene rechtliche Strukturen<br />

und Begriffe bereitzustellen. 393<br />

Im vorliegen<strong>de</strong>n Fall mußte <strong>de</strong>m „Priester-Missionar“ aber <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Status entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> eines „Selbständigen“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> eines „Arbeitnehmers“ zuerkannt wer<strong>de</strong>n;<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>nfalls hätte ihm keine Invaliditätsrente aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> VO (EWG) 1408/71 gewährt<br />

wer<strong>de</strong>n können. Die bloße Erwähnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit als Freiheitsrecht bzw.<br />

Anerkennung eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften hätte für sich<br />

genommen noch keinen Leistungsanspruch für diesen begrün<strong>de</strong>t. Aus diesem Grun<strong>de</strong> wäre es<br />

für das Ergebnis <strong>im</strong> konkreten Fall für <strong>de</strong>n Priester wenig hilfreich gewesen, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH<br />

die beispielsweise <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht anerkannten Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regeln für in einer<br />

Dienstgemeinschaft tätige Personen he<strong>ra</strong>ngezogen hätte – abgesehen davon legt <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH<br />

gemäß Art. 220 (ex-Art. 164) EGV <strong>im</strong>mer nur Gemeinschaftsrecht aus und wen<strong>de</strong>t dies an.<br />

Als generelles Problem stellt es sich jedoch dar, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, <strong><strong>de</strong>r</strong> als Gerichtshof einer<br />

ehemals reinen Wirtschaftsgemeinschaft zur Schaffung <strong>de</strong>s Binnenmarkts Wesentliches<br />

beiget<strong>ra</strong>gen hat, die marktbezogenen Definitionen und Begriffe sachgerecht auf<br />

religionsrechtliche Materien anwen<strong>de</strong>n soll.<br />

die innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zu- und abwan<strong><strong>de</strong>r</strong>n („Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>arbeitnehmer-VO“),<br />

ABl. 1971 Nr. L 149, S. 2 ff., abgedruckt unter Sartorius II, Nr. 185.<br />

391 EuGH, Rs. 300/84, Fn. 389, S. 3124, Rz. 23: „Folglich ist zu antworten, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff<br />

„Selbständige“ <strong>im</strong> Sinne von Artikel 1 Buchstabe a Ziffer iv <strong><strong>de</strong>r</strong> Verordnung Nr. 1408/71 in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> durch die Verordnung Nr. 1390/81 geän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Fassung für Personen gilt, die außerhalb<br />

eines Arbeitsvert<strong>ra</strong>gs o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausübung eines freien Berufs o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s selbständigen<br />

Betriebs eines Unternehmens eine Berufstätigkeit ausüben o<strong><strong>de</strong>r</strong> ausgeübt haben, in <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Rahmen sie Leistungen erhalten, die es ihnen ermöglichen, ganz o<strong><strong>de</strong>r</strong> teilweise ihren<br />

Lebensunterhalt zu bestreiten, auch wenn diese Leistungen von Dritten erb<strong>ra</strong>cht wer<strong>de</strong>n, zu<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gunsten ein Priester-Missionar tätig wird.“<br />

392 EuGH, Rs. 300/84, Fn. 389, S. 3127, Rz. 37.<br />

393 Kalb, Staatskirchenrecht – Europäische <strong>Union</strong> – Österreich – Einige Reflexionen, ÖAKR<br />

(44) 1995 – 97, S. 88 ff., 92; Robbers, Fn. 27, S. 150; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 103, S. 623.


In diesen bisherigen Kategorien gedacht, muß ein „Priester-Missionar“ – soll ihm überhaupt<br />

ein schutzwürdiger Status zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n – zwangsläufig entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> weisungsgebun<strong>de</strong>ner<br />

Arbeitnehmer sein, für <strong>de</strong>n die Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV zur Anwendung gelangen, o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

aber als selbständiger Unternehmer gelten, für <strong>de</strong>n die Art. 43 ff. (ex-Art. 52 ff.) EGV<br />

maßgeblich sind. Die Ausweitung eines gemeinschaftsrechtlichen Status auf Personen, die<br />

pr<strong>im</strong>ärrechtlich nicht explizit von <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftlichen Rechtsposition erfaßt sind, stellt<br />

sich nicht erstmals <strong>im</strong> ekklesiologischen Bereich. So reihte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH Stu<strong>de</strong>nten in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vergangenheit in die Spezies <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer ein, 394<br />

97<br />

obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Stu<strong>de</strong>ntenstatus sich in<br />

einigen Merkmalen nicht unwesentlich (z.B. Entfallen <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialversicherungspflicht mangels<br />

eigener Bezüge) von <strong>de</strong>m eines Arbeitnehmers i.e.S. unterschei<strong>de</strong>t.<br />

Dehnt <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH dagegen – in <strong><strong>de</strong>r</strong> ihm eigenen Revokationsscheu – <strong>im</strong> Rahmen einer reinen<br />

Wirtschaftsgemeinschaft geprägte Begrifflichkeiten ohne sorgfältige Differenzierung auf das<br />

<strong>Religionsrecht</strong> aus, so birgt dies das Risiko <strong><strong>de</strong>r</strong> Verkennung seiner speziellen Eigenart in<br />

sich. 395<br />

4. Rs. 196/87 (Udo Steymann/Staatssecretaris van Justitie) – „Bhagwan-Urteil“ 396<br />

a) Sachverhalt<br />

Herr Steymann, <strong>de</strong>utscher Staatsangehöriger und Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> Bhagwan-Vereinigung,<br />

beant<strong>ra</strong>gte in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer unselbständigen<br />

Tätigkeit für die Sekte, da er u.a. Klempne<strong>ra</strong>rbeiten am Gebäu<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigung vornehmen<br />

394 Vgl. EuGH, Rs. 39/86 (Lair/Universität Hannover), Slg. 1988, S. 3161 ff., 3196 f.;<br />

Rs. C-357/88 (Raulin/Minister van On<strong><strong>de</strong>r</strong>wijs en Wetenschapen), Slg. 1992, S. I-1027 ff.,<br />

1061 f.<br />

395 Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD (Hrsg.), <strong>Das</strong> <strong>de</strong>utsche Staatskirchenrecht und die Entwicklung <strong>de</strong>s<br />

<strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrechts – Kirchliche Überlegungen <strong>de</strong>s Rates <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen<br />

Kirche in Deutschland, EuR 1991, S. 375 ff., 377, These 7: „Ein ,egalitärer‘ marktwirtschaftlicher<br />

Ansatz kann jedoch dazu führen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelne und je<strong><strong>de</strong>r</strong> wirtschaften<strong>de</strong><br />

Zusammenschluß von Menschen in erster Linie Marktkräften unterworfen wer<strong>de</strong>n. Damit<br />

wür<strong>de</strong> nicht nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Blick für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Inhalte und menschliche Antriebe verstellt, es wür<strong>de</strong>n<br />

auch notwendige gesellschaftliche und staatliche Zwischenstrukturen außer acht gelassen, in<br />

<strong>de</strong>nen wirtschaftliche und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Zielsetzungen auf menschengerechte Weise zusammengeführt<br />

wer<strong>de</strong>n.“; ebenso Robbers, Fn. 27, S. 150.<br />

396 EuGH, Slg. 1988, S. 6159 ff.


98<br />

wollte. Unabhängig von Art und Umfang seiner – von <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigung jedoch erwarteten –<br />

Mitarbeit sorgte diese für seinen Lebensunterhalt. Die zent<strong>ra</strong>le F<strong>ra</strong>ge war daher, ob die<br />

Tätigkeit von Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n einer Religions- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauungsgemeinschaft als Teil <strong>de</strong>s<br />

Wirtschaftslebens i.S.d. EWG-Vert<strong>ra</strong>gs angesehen wer<strong>de</strong>n konnte, da eine Aufenthaltserlaubnis<br />

für eine wirtschaftliche Betätigung i.R.d. Freizügigkeitsrechte je<strong>de</strong>nfalls zu erteilen<br />

war.<br />

b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH<br />

Der EuGH stellte vo<strong>ra</strong>b fest, daß die Teilnahme an einer auf Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Form<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung beruhen<strong>de</strong>n Vereinigung angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nur<br />

insoweit in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts falle, als sie als Teil <strong>de</strong>s<br />

Wirtschaftslebens i.S.d. Art. 2 (ex-Art. 2) E(W)GV angesehen wer<strong>de</strong>n könne. 397 Da die<br />

Arbeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bhagwan-Vereinigung die wirtschaftliche Unabhängigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vereinigung sicherten, könnten die Leistungen, die diese wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um ihren Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

gewähre, als mittelbare Gegenleistung für <strong><strong>de</strong>r</strong>en Arbeiten angesehen wer<strong>de</strong>n. Die erb<strong>ra</strong>chten<br />

Leistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigung machten daher als entgeltliche Arbeits- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Dienstleistung einen Teil <strong>de</strong>s Wirtschaftslebens aus, soweit sie keinen völlig untergeordneten<br />

Umfang hätten. 398<br />

c) Schlußanträge <strong>de</strong>s Gene<strong>ra</strong>lanwalts<br />

Wie schon in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. van Roosmalen lieferte GA Darmon <strong>de</strong>m Gerichtshof durch die<br />

undifferenzierte Qualifizierung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Rahmen einer Religionsgemeinschaft verrichteten<br />

Tätigkeiten als Teil <strong>de</strong>s Wirtschaftslebens die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Argumentationsgrundlagen und<br />

problematisierte lediglich das Merkmal <strong><strong>de</strong>r</strong> Entgeltlichkeit aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Fall<br />

nicht ein<strong>de</strong>utig erkennbaren Gegenleistung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigung. 399<br />

d) Würdigung<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Steymann hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die entgeltliche Tätigkeit von Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n einer<br />

Religions- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauungsgemeinschaft als Teil <strong>de</strong>s Wirtschaftslebens i.S.d.<br />

Art. 2 (ex-Art. 2) E(W)GV angesehen. Alle Amtsträger und Mitarbeiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften unterfallen daher <strong>de</strong>m Anwendungsbereich <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs, soweit<br />

sie als Gegenleistung für erwiesene Dienste ein Entgelt erhalten und nicht auf ehrenamtlicher<br />

397 EuGH, Rs. 196/87, Fn. 396, S. 6172, Rz. 9.<br />

398 EuGH, Rs. 196/87, Fn. 396, S. 6172, Rz. 10 – 13; Rs. 13/76 (Donà/Mantero), Slg. 1976,<br />

S. 1333 ff.; Rs. 53/81 (Levin/Staatssecretaris van Justitie), Slg. 1982, S. 1035 ff.<br />

399 Schlußanträge GA Darmon, Rs. 196/87, Fn. 396, S. 6166 ff.


Basis mitarbeiten. Allerdings gilt als entgeltliche Tätigkeit schon die Verpflichtung zur<br />

Mitarbeit für „Kost und Logis“; damit unterfällt z.B. auch <strong><strong>de</strong>r</strong> „in einem T<strong>ra</strong>ppistenkloster mit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Wartung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bierfässer bet<strong>ra</strong>ute Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Techniker“ <strong>de</strong>m Anwendungsbereich <strong>de</strong>s<br />

Vert<strong>ra</strong>gs. 400 Während die Freizügigkeitsrechte zusätzlich einen Auslandsbezug vo<strong>ra</strong>ussetzen,<br />

401<br />

ist dies i.R.d. Art. 141 (ex-Art. 119) EGV nicht erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich.<br />

Für <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n Fall gelten die Ausführungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. van Roosmalen gleichermaßen,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH habe versäumt, zu einem gemeinschaftsrechtlich bestehen<strong>de</strong>n<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften Stellung zu beziehen. Zwar war dort in<br />

erster Linie Streitgegenstand, ob sich Mitarbeiter religiöser Vereinigungen auf die<br />

Freizügigkeitsrechte berufen können. Muß dies in<strong>de</strong>s bejaht wer<strong>de</strong>n, stellt sich als nächste<br />

F<strong>ra</strong>ge zwangsläufig, inwiefern die Grundfreiheiten auch gegenüber Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften geltend gemacht wer<strong>de</strong>n können.<br />

5. Rs. C-463/93 (Katholische Kirchengemein<strong>de</strong> St. Martinus Elten/Landwirtschaftskammer<br />

Rheinland) 402<br />

a) Sachverhalt<br />

Eine katholische Kirchengemein<strong>de</strong> hatte landwirtschaftliche Grundstücke, die in ihrem<br />

Eigentum stan<strong>de</strong>n und z.T. in Deutschland, z.T. in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n lagen, verpachtet. Dem<br />

Pächter, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Grundstücke zur Milcherzeugung genutzt hatte, war von <strong><strong>de</strong>r</strong> Landwirtschaftskammer<br />

i.R.d. Zugabenregelung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Marktorganisation für Milch und<br />

Milcherzeugnisse eine best<strong>im</strong>mte Referenzmenge auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage seiner Gesamterzeugung<br />

zugeteilt wor<strong>de</strong>n; bei Überschreiten dieser Referenzmenge ist eine zusätzliche Abgabe zu<br />

entrichten. Nach<strong>de</strong>m das Pachtverhältnis nach <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Pächters aufgelöst wor<strong>de</strong>n war,<br />

beant<strong>ra</strong>gte die Kirchengemein<strong>de</strong>, daß ihr dieselbe Referenzmenge wie <strong>de</strong>m bisherigen Pächter<br />

zugeteilt wür<strong>de</strong>.<br />

400<br />

Auffassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission, welcher <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH insoweit folgte, Sitzungsbericht,<br />

Rs. 196/87, Fn. 396, S. 6164.<br />

401<br />

Vgl. z.B. EuGH, Rs. 52/79 (Debauve u.a.) Slg.1980, S. 833 ff., Rz. 9.<br />

402<br />

EuGH, Slg. 1997, S. I-255 ff.<br />

99


100<br />

b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH<br />

Der Gerichtshof entschied zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchengemein<strong>de</strong>, daß die Referenzmenge in vollem<br />

Umfange an sie als Verpächterin zurückfalle, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemalige Pächter die<br />

Milcherzeugung nicht fortsetzen wolle.<br />

c) Würdigung<br />

Die vorliegen<strong>de</strong> Rechtssache zeigt, daß Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Rahmen<br />

ihrer erwerbswirtschaftlichen Betätigung gänzlich „normalen“ <strong>Union</strong>sbürgern gleichzustellen<br />

sind. 403<br />

Der EuGH hat in diesem Fall zu Recht kein Wort darüber verloren, daß es sich hier<br />

um Eigentum einer Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft han<strong>de</strong>le. Auch <strong>im</strong> nationalen Recht ist<br />

anerkannt, daß Kirchen und Religionsgemeinschaften, die sich erwerbswirtschaftlich<br />

betätigen, <strong>de</strong>n selben Rechtsregeln unterworfen sind, wie sonstige Teilnehmer am Wirtschaftsleben.<br />

In diesem Fall gelangen die Son<strong><strong>de</strong>r</strong>vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinnützigkeit nicht zur<br />

Anwendung.<br />

6. Ergebnis<br />

Auch die i.R.d. Kirchen und Religionsgemeinschaften erb<strong>ra</strong>chten entgeltlichen Arbeits- und<br />

Dienstleistungen fallen nach Ansicht <strong>de</strong>s EuGH in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs. Der<br />

Gerichtshof, <strong>de</strong>ssen Urteile auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s überwiegend als materiell<br />

gerecht bezeichnet wer<strong>de</strong>n müssen, hat es bislang allerdings versäumt, zu einem<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften auf Gemeinschaftsebene Stellung zu<br />

beziehen bzw. dieses <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache nach anzuerkennen.<br />

403 Die Zuteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Referenzmenge für Milch für einen klösterlichen Betrieb war auch<br />

Gegenstand von EuGH, Rs. C-285/93 (Dominikanerinnen-Kloster Altenhohenau/<br />

Hauptzollamt Rosenhe<strong>im</strong>), Slg. 1995, S. I-4069 ff. Hier entschied <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, daß die<br />

Abgabe von Milch an die Schüler und He<strong>im</strong>insassen einer katholischen Internatsschule<br />

durch <strong>de</strong>n landwirtschaftlichen Klosterbetrieb durch die Entrichtung <strong>de</strong>s Pensionsentgeltes<br />

als mittelbare Zahlung <strong>de</strong>s Milchpreises anzusehen und daher als Direktverkauf i.S.d.<br />

Art. 12 lit. h <strong><strong>de</strong>r</strong> VO (EWG) Nr. 857/84 <strong>de</strong>s Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für<br />

die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Abgabe gemäß Art. 5c <strong><strong>de</strong>r</strong> VO (EWG) Nr. 804/68 <strong>im</strong> Sektor Milch und<br />

Milcherzeugnisse zu qualifizieren sei, soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> klösterliche Betrieb, die Schule und das<br />

He<strong>im</strong> unter <strong><strong>de</strong>r</strong>selben Trägerschaft stün<strong>de</strong>n.


III. Zulässigkeit und Sch<strong>ra</strong>nken <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tionsermächtigung (am Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland)<br />

1. Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Allzuständigkeit<br />

101<br />

Die obigen Ausführungen zum gemeinschaftlichen Sekundärrecht sowie zur Rechtsprechung<br />

<strong>de</strong>s EuGH haben <strong>de</strong>utlich wer<strong>de</strong>n lassen, daß die Gemeinschaftsorgane inzwischen<br />

religionsrechtliche Belange nicht nur in Randbereichen regeln. Diese fortschreiten<strong>de</strong><br />

Regelungsdichte auf Gemeinschaftsebene ruft vermehrt Kollisionen mit <strong>de</strong>n bisher<br />

bestehen<strong>de</strong>n religionsrechtlichen Regelungen in <strong>de</strong>n einzelnen Mitgliedstaaten hervor.<br />

In diesem Zusammenhang erscheint es notwendig, sich vor Augen zu führen, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> EU ursprünglich die volle Selbstregierung in allen für das Gemeinwesen<br />

relevanten Bereichen – und damit auch für das gesamte <strong>Religionsrecht</strong> – ausübte. Ge<strong>ra</strong><strong>de</strong><br />

unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Allzuständigkeit unterschei<strong>de</strong>n sich Staaten von internationalen<br />

Organisationen: Letztere üben nur in Teilbereichen <strong>de</strong>s Gemeinwesens volle Selbstregierung<br />

aus. Die EU ist als internationale Organisation ebenfalls nicht befugt, alle für das<br />

Zusammenleben erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichen Belange zu regeln. Die Ziele <strong>de</strong>s Art. 2 (ex-Art. B) EUV<br />

umfassen nicht alle staatlichen Belange. Mit Recht wird die EU vom BVerfG daher als bloßer<br />

europäischer „Staatenverbund“ 404<br />

bezeichnet.<br />

Allerdings liegt <strong><strong>de</strong>r</strong> EU das Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s Funktionalismus zugrun<strong>de</strong>. Dies be<strong>de</strong>utet, daß die<br />

politische Einigung – <strong>im</strong> Gegensatz zum fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alistischen Mo<strong>de</strong>ll – nicht am Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Einigungsbestrebungen <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Völker steht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilinteg<strong>ra</strong>tion einer<br />

Vielzahl von Politikbereichen (z.B. Landwirtschaftspolitik, Kulturpolitik, Gesundheitspolitik,<br />

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik) sein soll. 405<br />

404 BVerfGE 89, S. 155 ff., 181. Diesen Begriff prägte <strong><strong>de</strong>r</strong> Berichterstatter <strong>de</strong>s Maastricht-<br />

Urteils Paul Kirchhof schon <strong>im</strong> Jahre 1991, vgl. oben Fn. 282. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Begriff häufig aufgegriffen und ausgelegt, z.B. von Peter M. Huber, Fn. 287, S. 358 f.;<br />

Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong>, Die Europäische <strong>Union</strong> als Staatenverbund o<strong><strong>de</strong>r</strong> als multinationale „civitas<br />

europea“? in: Ran<strong>de</strong>lzhofer/Scholz/Wilke (Hrsg.), GS für Eberhard G<strong>ra</strong>bitz, München 1995,<br />

S. 677 ff.<br />

405 Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 33 f.


102<br />

2. Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten auf die EU als internationale<br />

Organisation<br />

Je<strong>de</strong>m einzelnen Mitgliedstaat war es von Verfassungs wegen gestattet, seine ursprünglich<br />

allumfassen<strong>de</strong> Souveränität zu beschränken, in<strong>de</strong>m er einzelne, originär staatliche<br />

Hoheitsrechte auf die EU als zwischenstaatliche Einrichtung übertrug, 406<br />

wodurch diese als<br />

sup<strong>ra</strong>nationale Staatenverbindung entstand. Dies hatte zur Folge, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong> dieser vormals<br />

souveränen Staaten nach seinem Beitritt zur EU in <strong>de</strong>n übert<strong>ra</strong>genen Hoheitsbereichen ohne –<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> sogar gegen – seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse <strong>im</strong> Rat überst<strong>im</strong>mt bzw. durch<br />

Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> unabhängigen Kommission zu einem best<strong>im</strong>mten Tun verpflichtet wer<strong>de</strong>n<br />

konnte.<br />

Für die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland ließen die Art. 24 GG a.F. bzw. Art. 23 GG i.d.F. <strong>de</strong>s<br />

Gesetzes vom 21. Dezember 1993 407 die Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten auf die EU zu und<br />

eröffneten – unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>s Zust<strong>im</strong>mungsgesetzes nach Art. 24 Abs. 1 GG a.F. mit<br />

einfacher bzw. nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG n.F. mit verfassungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit – die<br />

Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion <strong>de</strong>s durch die Gemeinschaft gesetzten Rechts in die nationale<br />

Rechtsordnung. Dem pr<strong>im</strong>ären und sekundären Gemeinschaftsrecht kommt aus diesem<br />

Grun<strong>de</strong> innerstaatlich unmittelbare Geltung zu; es ist von allen staatlichen Organen<br />

anzuwen<strong>de</strong>n. 408<br />

3. Sch<strong>ra</strong>nken <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tionsermächtigung<br />

a) Art. 79 Abs. 3 GG als nationales „Reservat“<br />

Problematisch ist allerdings, wo die Grenze <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gbarkeit von Hoheitsrechten auf die<br />

EU verläuft. In je<strong>de</strong>m Fall dürfte die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland ihre eigene Staatlichkeit<br />

nicht preisgeben; 409<br />

insoweit gilt die „Ewigkeitsklausel“ <strong>de</strong>s Art. 79 Abs. 3 GG, auf welchen<br />

406<br />

Als „Übert<strong>ra</strong>gung“ versteht man dabei nicht einen tatsächlichen Übert<strong>ra</strong>gungsvorgang i.S.<br />

einer Übereignung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Zession, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr einen Verzicht auf die Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

übert<strong>ra</strong>genen Hoheitsrechte zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> zwischenstaatlichen Einrichtung, vgl. Schweitzer,<br />

Fn. 39, Rdnrn. 55, 61.<br />

407<br />

BGBl. 1992 I, S. 2086.<br />

408<br />

So schon EuGH, Rs. 6/64 (Costa/E.N.E.L.), Slg. 1964, S. 1251 ff., 1269 ff., Rz. 8, s.u.<br />

Fn. 451.<br />

409<br />

Tomuschat, Fn. 286, S. 158, weist zutreffend da<strong>ra</strong>uf hin, daß in<strong>de</strong>s kein Mitgliedstaat ein<br />

Integ<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll <strong><strong>de</strong>r</strong> EU anstrebt, welches die eigene Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten


103<br />

Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG ausdrücklich verweist. Durch <strong>de</strong>n Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland zu <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften dürfen somit we<strong><strong>de</strong>r</strong> das<br />

Bun<strong>de</strong>sstaatsprinzip o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Mitwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesetzgebung (durch <strong>de</strong>n<br />

Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>t) noch die in Art. 1 und 20 GG nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegten Grundsätze angetastet wer<strong>de</strong>n. Die<br />

dogmatische Begründung hierfür ist ebenso einfach wie einleuchtend: nemo plus iuris<br />

t<strong>ra</strong>nsferre potest quam ipse habet. 410<br />

Hier stellt sich die F<strong>ra</strong>ge, ob das <strong>Religionsrecht</strong> nicht<br />

ebenfalls unter einen <strong><strong>de</strong>r</strong> aufgeführten Kernbereiche fällt, die nicht durch Zust<strong>im</strong>mungsgesetz<br />

auf die EU übert<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n können und damit „integ<strong>ra</strong>tionsfest“ sind.<br />

aa) Menschenwür<strong>de</strong>, Art. 1 Abs. 1 GG<br />

Anhaltspunkte dafür, daß es durch die Übert<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s auf die EU zu einer<br />

Beeinträchtigung <strong>de</strong>s Grundrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenwür<strong>de</strong> als solcher kommen könnte, sind bei<br />

<strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong>zeitigen Stand <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsrechtsordnung nicht ersichtlich.<br />

bb) Strukturprinzipien <strong>de</strong>s Art. 20 Abs. 1 GG, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e das Bun<strong>de</strong>sstaatsprinzip<br />

(1) <strong>Religionsrecht</strong> als Lan<strong>de</strong>sangelegenheit<br />

Vergleichbar mit Kultu<strong>ra</strong>ngelegenheiten, han<strong>de</strong>lt es sich bei religionsrechtlichen F<strong>ra</strong>gen in<br />

Deutschland – infolge <strong>de</strong>s seit <strong>de</strong>m Augsburger Religionsfrie<strong>de</strong>n vom 25. September 1555 411<br />

vorherrschen<strong>de</strong>n lan<strong>de</strong>skirchlichen Mo<strong>de</strong>lls – t<strong>ra</strong>ditionell um eine Län<strong><strong>de</strong>r</strong>sache. Allerdings<br />

wer<strong>de</strong>n wesentliche Grundlagen <strong>de</strong>s gelten<strong>de</strong>n <strong>Religionsrecht</strong>s durch Art. 4 und 140 GG, also<br />

durch Bun<strong>de</strong>srecht, geregelt. Da das Grundgesetz gemäß Art. 30, 70 Abs. 1 GG von einer<br />

aufhebe; dieses wäre <strong>im</strong> übrigen we<strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> historisch gewachsenen I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten noch mit <strong><strong>de</strong>r</strong> in Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV normierten<br />

Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>, die „nationale I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten“ zu wahren, vereinbar.<br />

<strong>Das</strong> Grundgesetz ga<strong>ra</strong>ntiert in Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG auch die eigene<br />

Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland. Sofern man die genannten Best<strong>im</strong>mungen<br />

allerdings in <strong>de</strong>n Zusammenhang mit Art. 146 GG setzt, wäre eine Aufgabe <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen<br />

Nationalstaats zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU nicht unmöglich, vgl. Peter M. Huber, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g<br />

in: Netteshe<strong>im</strong>/Schie<strong>ra</strong> (Hrsg.), a.a.O., S. 202; strenger insoweit: Fink, Ga<strong>ra</strong>ntiert das<br />

Grundgesetz die Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland?, DÖV 1998, S. 133 ff.<br />

410 Vgl. z.B. Schermers, The protection of human rights in the European Community, S. 5.<br />

411 Fürsten und Städte konnten danach gemäß <strong>de</strong>m Grundsatz „cuius regio – eius religio“ von<br />

Rechts wegen <strong>de</strong>n territorialen Bekenntnisstand best<strong>im</strong>men und das Kirchenwesen nach<br />

ihren konfessionellen Vorstellungen organisieren (sog. ius reformandi), vgl. v. Campenhausen,<br />

Fn. 74, S. 15, 19, 25; Listl, Religionsfreiheit, in: Isensee/Rüfner/Rees (Hrsg.),<br />

Fn. 233, S. 151.


104<br />

Vermutung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesetzgebungszuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> ausgeht, und eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>weitige<br />

Bun<strong>de</strong>skompetenz gemäß Art. 73 ff. GG nur <strong>im</strong> Hinblick auf Rahmenregelungen für das<br />

Dienstrecht öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften (Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG), <strong>de</strong>n<br />

Schutz religiöser Kulturgüter (Art. 75 Abs. 1 Nr. 6 GG) sowie die Ablösung von Staatsleistungen<br />

durch <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>sgesetzgeber gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1<br />

S. 2 WRV besteht, wird das <strong>de</strong>utsche <strong>Religionsrecht</strong> überwiegend durch die <strong>de</strong>utschen Län<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

weiterentwickelt. 412 Zu erwähnen sind hier in diesem Zusammenhang hauptsächlich die<br />

Lan<strong>de</strong>sverfassungen sowie das Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht. 413<br />

Mit fortschreiten<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vergemeinschaftung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s wür<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n somit ureigenste Kompetenzen<br />

unwie<strong><strong>de</strong>r</strong>bringlich entzogen.<br />

(2) Übert<strong>ra</strong>gung von Lan<strong>de</strong>skompetenzen durch <strong>de</strong>n Bund auf die Gemeinschaft<br />

Als problematisch hat sich schon in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit <strong>im</strong>mer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> he<strong>ra</strong>usgestellt, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bund <strong><strong>de</strong>r</strong> EG Angelegenheiten übertrug, die rechtlich nicht ihm, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n eigentlich <strong>de</strong>n<br />

Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n zuzuordnen waren. Ähnliches wird z.T. für das <strong>Religionsrecht</strong> ebenfalls<br />

befürchtet. 414<br />

Dies ist einer <strong><strong>de</strong>r</strong> Grün<strong>de</strong>, weshalb Art. 203 (ex-Art. 146) Abs. 1 EGV dahingehend geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

wur<strong>de</strong>, daß nunmehr auch Län<strong><strong>de</strong>r</strong>minister, als „Vertreter eines Mitgliedstaats auf Ministerebene“,<br />

<strong>im</strong> Rat verbindlich zu han<strong>de</strong>ln befugt sind. Art. 203 (ex-Art. 146) EGV sieht<br />

<strong>de</strong>mentgegen nicht vor, daß neben einem Bun<strong>de</strong>sminister zugleich auch ein Minister eines<br />

Lan<strong>de</strong>s o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehrere Lan<strong>de</strong>sminister nebeneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> auftreten, da dies <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

St<strong>im</strong>mengewichtung <strong>im</strong> Rat, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich aus je einem Vertreter eines Mitgliedstaats<br />

zusammensetzt, zuwi<strong><strong>de</strong>r</strong>liefe. 415 In p<strong>ra</strong>xi wird die Bun<strong>de</strong>srepublik in<strong>de</strong>s häufig durch einen<br />

Bun<strong>de</strong>sminister <strong>im</strong> Rat vertreten, welcher gleichzeitig Bund und Län<strong><strong>de</strong>r</strong> vertritt, da bei<br />

Richtlinien- und Verordnungsvorhaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft <strong>im</strong> Regelfall neben <strong>de</strong>n<br />

Län<strong><strong>de</strong>r</strong>interessen auch Bun<strong>de</strong>sinteressen tangiert wer<strong>de</strong>n und ein Lan<strong>de</strong>sminister mit einer<br />

gewissen Wahrscheinlichkeit seine spezifischen Lan<strong>de</strong>sinteressen über die Interessen <strong>de</strong>s<br />

Bun<strong>de</strong>s stellen wür<strong>de</strong>. 416<br />

412<br />

So ist z.B. die Festlegung kirchlicher Feiertage grundsätzlich Län<strong><strong>de</strong>r</strong>sache. Etwas an<strong><strong>de</strong>r</strong>es<br />

gilt nur hinsichtlich nationaler Feiertage, für die eine Bun<strong>de</strong>skompetenz k<strong>ra</strong>ft Natur <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Sache besteht. Inhalt und Umfang <strong>de</strong>s Kirchensteuerrechts wer<strong>de</strong>n durch das Lan<strong>de</strong>srecht<br />

best<strong>im</strong>mt, vgl. BVerfGE 19, S. 218; ebenso sind die Län<strong><strong>de</strong>r</strong> zuständig für die Verleihung<br />

<strong>de</strong>s Status einer K.d.ö.R.<br />

413<br />

Vgl. v. Campenhausen, Fn. 74, S. 49 f., 55.<br />

414<br />

Klaus Bielitz, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 109 f.<br />

415<br />

Ress, Die neue Kulturkompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> EG, DÖV 1992, S. 944 ff., 945.<br />

416<br />

Vgl. Ress, Fn. 415, S. 946.


105<br />

Die Wahrung einzelner Län<strong><strong>de</strong>r</strong>interessen kann aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> nur zweistufigen Struktur <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> – diese kennt lediglich die bei<strong>de</strong>n Ebenen EU/Mitgliedstaat – und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

hiermit zwangsläufig verbun<strong>de</strong>nen „Län<strong><strong>de</strong>r</strong>blindheit“ auf Gemeinschaftsrechtsebene nur<br />

peripher berücksichtigt wer<strong>de</strong>n. 417 Der Ausschuß <strong><strong>de</strong>r</strong> Regionen, Art. 263 (ex-Art. 198a) EGV,<br />

schafft noch keinen echten dreistufigen Aufbau mit Ga<strong>ra</strong>ntien für <strong>de</strong>n Kernbestand <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Län<strong><strong>de</strong>r</strong>. Daher sind Gefahren für das Bun<strong>de</strong>sstaatsprinzip vorprog<strong>ra</strong>mmiert, welches eine<br />

originäre hoheitliche Gestaltungsmacht sowie eigene Gesetzgebungsbefugnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

vorsieht. 418<br />

Allerdings existiert <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht aufgrund <strong>de</strong>s Art. 23 Abs. 6 GG n.F. die<br />

Sollvorschrift, die Wahrnehmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ratsvertretung auf einen vom Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>t benannten<br />

Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> zu übert<strong>ra</strong>gen, soweit <strong>im</strong> Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> betroffen sind. Dies ist, wie oben festgestellt, 419 für religionsrechtliche<br />

Materien überwiegend <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall. Überdies wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Verlust von Gesetzgebungsrechten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Län<strong><strong>de</strong>r</strong> durch erweiterte Mitsp<strong>ra</strong>cherechte <strong>im</strong> Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>t gemäß Art. 23 Abs. 4 u. 5 GG n.F.<br />

kompensiert. 420 Für <strong>de</strong>n Zeit<strong>ra</strong>um vor <strong>de</strong>m Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong><strong>de</strong>r</strong> zitierten Vorschriften entschied<br />

das BVerfG in einem Urteil zur Fernsehrichtlinie, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Bund gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />

als „Sachwalter <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong>“ auch <strong><strong>de</strong>r</strong>en verfassungsmäßige Rechte vertrete. 421<br />

(3) Fortbestand <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sstaats trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gung von Lan<strong>de</strong>szuständigkeiten auf die<br />

EU?<br />

<strong>Das</strong> Bun<strong>de</strong>sstaatsprinzip untersagt es, die Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> durch <strong>de</strong>n Entzug von<br />

Län<strong><strong>de</strong>r</strong>kompetenzen – hierzu zählt auch das <strong>Religionsrecht</strong> als partielle Län<strong><strong>de</strong>r</strong>kompetenz –<br />

auszuhöhlen. 422<br />

Zwar gibt es – wie man aus Art. 29 GG folgern kann – keine <strong>Das</strong>einsberechtigung<br />

für einzelne Län<strong><strong>de</strong>r</strong>, jedoch schützt das Bun<strong>de</strong>sstaatsprinzip v.a. die eigene Staatlichkeit<br />

417<br />

Schweitzer, Fn. 295, S. 56 f.<br />

418<br />

So auch Kirchhof, Europäische Einigung und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassungsstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland, S. 63 ff., 98.<br />

419<br />

Vgl. C.III.3.a)bb)(1).<br />

420<br />

Einzelheiten s. <strong>im</strong> Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n in<br />

Angelegenheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU vom 12.3.1993, BGBl. 1993 I, S. 313 ff., vgl. hierzu Schweitzer,<br />

Fn. 39, Rdnrn. 385 ff.<br />

421<br />

BVerfG, Urt. v. 22.3.1995 – 2 BvG 1/89, EuZW 1995, S. 277 f. m. Anm. Hä<strong>de</strong>; vgl. hierzu<br />

Winkelmann, Die Bun<strong>de</strong>sregierung als Sachwalter von Län<strong><strong>de</strong>r</strong>rechten – Zugleich<br />

Anmerkung zum EG-Fernsehrichtlinien-Urteil <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts, DÖV 1996,<br />

S. 1 ff.<br />

422<br />

Seifert/Hömig/Antoni, GG, Art. 20, Rdnr. 6.


106<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> als Gliedstaaten mit eigener, nicht vom Bund abgeleiteter Hoheitsmacht. 423 Die<br />

Essentiale <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> wür<strong>de</strong>n dann beeinträchtigt, wenn in weitgehen<strong>de</strong>m<br />

Umfang Län<strong><strong>de</strong>r</strong>zuständigkeiten von substantiellem Gewicht auf die Gemeinschaft übert<strong>ra</strong>gen<br />

wür<strong>de</strong>n, so daß <strong>de</strong>n Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht einmal mehr ein Grundbestand an eigener Staatlichkeit<br />

verbliebe, wozu z.B. ein Selbstorganisationsrecht einschließlich eigener Lan<strong>de</strong>sverfassung,<br />

ein angemessener Anteil am Gesamtsteue<strong>ra</strong>ufkommen <strong>im</strong> Bun<strong>de</strong>sstaat sowie ein Kernbestand<br />

eigener Zuständigkeiten zählen. 424 Insoweit gilt für die Län<strong><strong>de</strong>r</strong>, daß ein Min<strong>de</strong>stbestand<br />

eigener Rechte gewahrt bleiben muß. Hier kann eine Pa<strong>ra</strong>llele zum Maastricht-Urteil <strong>de</strong>s<br />

BVerfG gezogen wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m dieses zugunsten <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s die Einhaltung „unverzichtbarer<br />

Min<strong>de</strong>stanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen“ <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischer Legit<strong>im</strong>ation eingefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t hat. 425<br />

Die Gefahr fortschreiten<strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion besteht daher darin, daß die souveräne Staatlichkeit<br />

426<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> bzw. <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s selbst verletzt wird. Deutsche Län<strong><strong>de</strong>r</strong> wür<strong>de</strong>n – ebenso wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bund – ihre eigene Staatlichkeit verlieren, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> EU die Möglichkeit zur originären<br />

Rechtsetzung und Rechtsgestaltung zuwüchse, 427<br />

da diese Rechte einen wesentlichen Teil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Staatlichkeit von Bund und Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n ausmachen. Da<strong>ra</strong>n wür<strong>de</strong> die Kompensation <strong>de</strong>s Verlusts<br />

auf Län<strong><strong>de</strong>r</strong>ebene durch neue Rechte auf Gemeinschaftsebene nichts än<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />

Da die Gemeinschaftsorgane jedoch einerseits nur dort tätig wer<strong>de</strong>n dürfen, wo ihnen die<br />

Mitgliedstaaten pr<strong>im</strong>ärrechtlich Kompetenzen übert<strong>ra</strong>gen haben (sog. Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten<br />

Ermächtigung 428<br />

), und nicht zur eigenmächtigen Ausweitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kompetenzen berechtigt<br />

sind, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits nicht ersichtlich ist, daß durch die Übert<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s auf die<br />

EU schon in <strong>de</strong>n Kernbestand <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong>rechte eingegriffen wäre, zumal <strong>de</strong>n Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach<br />

wie vor Län<strong><strong>de</strong>r</strong>zuständigkeiten von substantiellem Gewicht verbleiben, kann eine – an dieser<br />

Stelle theoretisch zu unterstellen<strong>de</strong> – Übert<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s auf die EU nicht als<br />

Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG angesehen wer<strong>de</strong>n. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s wäre die Situation hingegen zu<br />

beurteilen, wenn neben <strong>de</strong>m <strong>Religionsrecht</strong> z.B. auch das Gemein<strong>de</strong>- und Bauordnungsrecht,<br />

423<br />

So schon BVerfGE 1, S. 34.<br />

424<br />

Seifert/Hömig/Dellmann, GG, Art. 79, Rdnr. 4.<br />

425<br />

BVerfGE 89, S. 155 ff., 171 f.: „<strong>Das</strong> Recht <strong>de</strong>s Bf. kann <strong>de</strong>mnach verletzt sein, wenn die<br />

Wahrnehmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kompetenzen <strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>stages so weitgehend auf ein von<br />

<strong>de</strong>n Regierungen gebil<strong>de</strong>tes Organ <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Gemeinschaften übergeht, daß die nach Art. 20 Abs. 1 und 2 GG i.V.m. Art. 79 Abs. 3 GG<br />

unverzichtbaren Min<strong>de</strong>stanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischer Legit<strong>im</strong>ation [...] nicht mehr erfüllt<br />

wer<strong>de</strong>n.“ Aus Art. 20 Abs. 1 GG kann man ganz allgemein folgern, daß die Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland ein Staat ist. Über Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG müßte dann <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Staat als solcher Bestand haben, Vgl. Kirchhof, Fn. 418, S. 97; <strong><strong>de</strong>r</strong>s. Fn. 282, S. 13.<br />

426<br />

Meessen, Fn. 312, 552.<br />

427<br />

Kirchhof, Fn. 418, S. 88.<br />

428<br />

S.o. C.I.2.


107<br />

Kultur- und Polizeirecht als klassische Län<strong><strong>de</strong>r</strong>aufgaben auf die EU übert<strong>ra</strong>gen wür<strong>de</strong>n.<br />

Allerdings dürfen die Augen nicht vor <strong><strong>de</strong>r</strong> schleichen<strong>de</strong>n Erosion lan<strong>de</strong>srechtlicher<br />

Kompetenzen verschlossen wer<strong>de</strong>n, die beispielsweise für die bei<strong>de</strong>n letztgenannten Materien<br />

<strong>im</strong> Hinblick auf <strong>de</strong>n neuen Kultu<strong>ra</strong>rtikel, Art. 151 (ex-Art. 128) EGV, und die polizeiliche<br />

Zusammenarbeit nach Art. 30 (ex-Art. K.2) EUV festgestellt wer<strong>de</strong>n muß. Selbst das<br />

Gemein<strong>de</strong>wahlrecht wird durch die Einräumung <strong>de</strong>s aktiven und passiven Wahlrechts für<br />

<strong>Union</strong>sbürger gemäß Art. 19 (ex-Art. 8b) Abs. 1 EGV 429 , das Bauordnungsrecht durch<br />

gemeinschaftsrechtliche Vorgaben <strong>im</strong> Umweltbereich gemäß Art. 95 (ex-Art. 100a) bzw.<br />

Art. 175 (ex-Art. 130s) Abs. 2 EGV 430<br />

<strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsharmonisierung in Teilbereichen<br />

geregelt.<br />

b) Cont<strong>ra</strong> legem-Erweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong>de</strong>s Art. 79 Abs. 3 GG durch das BVerfG?<br />

Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Solange-Rechtsprechung <strong>de</strong>s BVerfG, auf welche an späterer Stelle noch<br />

ausführlicher eingegangen wird, 431<br />

sollen die von ihm zu schützen<strong>de</strong>n „Essentialia <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verfassung“ allerdings nicht nur auf Art. 1 und 20 GG beschränkt sein, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch<br />

diejenigen Rechtsprinzipien erfassen, die <strong>de</strong>m Grundrechtsteil <strong>de</strong>s Grundgesetzes, d.h. <strong>de</strong>n<br />

Artikeln 1 bis 17 GG, zugrun<strong>de</strong> liegen. Es könnte sich hierbei jedoch um ein unbeachtliches,<br />

weil nicht in Art. 79 Abs. 3 GG aufgeführtes, Kriterium han<strong>de</strong>ln.<br />

aa) Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG<br />

Auch wenn keine unmittelbare Verletzung <strong>de</strong>s Grundrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenwür<strong>de</strong> infolge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Ausübung religionsrechtlicher Kompetenzen durch die Gemeinschaft erkennbar ist, könnte<br />

man vertreten, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Kernbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> grundgesetzlichen Grundrechte (Art. 2 – 17 GG)<br />

durch <strong>de</strong>n Menschenwür<strong>de</strong>gehalt <strong>de</strong>s Art. 1 Abs. 1 GG und eventuell auch durch<br />

429 Vgl. RL 94/80/EG <strong>de</strong>s Rates vom 19. Dezember 1994 über die Einzelheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausübung<br />

<strong>de</strong>s aktiven und passiven Wahlrechts bei <strong>de</strong>n Kommunalwahlen für <strong>Union</strong>sbürger mit<br />

Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, <strong>de</strong>ssen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, ABl. 1994,<br />

Nr. L 368, S. 38 ff., sowie BVerfG, 2 BvR 2862/95, Beschl. v. 8.1.1997, NVwZ 1998,<br />

S. 53 f.; EuGH, Rs. C-323/97 (Kommission/Königreich Belgien), Slg. 1998, S. I-4281 ff.<br />

430 Vgl. z.B. RL 87/217/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 19. März 1987 zur Verhütung und Verringerung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Umweltverschmutzung durch Asbest, ABl. 1987 Nr. L 85, S. 40, geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch<br />

RL 91/692/EWG, ABl. 1991 Nr. C 377, S. 48; RL 85/337/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 27. Juni<br />

1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei best<strong>im</strong>mten öffentlichen und privaten<br />

Vorhaben, ABl. 1985, Nr. L 175, S. 40 ff.; geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch RL 97/11/EG <strong>de</strong>s Rates vom<br />

3. März 1997, ABl. 1997 Nr. L 73, S. 5 ff.<br />

431 S.u. C.IV.2.


108<br />

Art 20 Abs. 3 GG (Bindung an Recht und Gesetz i.S.d. grundlegen<strong>de</strong>n Rechtspositionen)<br />

geschützt wird und mithin ebenfalls än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsfest nach Art. 79 Abs. 3 GG ist. 432<br />

Als rechtfertigen<strong>de</strong>s Argument für eine solche erweiterte Auslegung <strong>de</strong>s Art. 79 Abs. 3 GG<br />

durch das BVerfG kann angeführt wer<strong>de</strong>n, daß dieses die noch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Solange I-Entscheidung<br />

getroffene Feststellung, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamte Grundrechtsteil <strong>de</strong>s Grundgesetzes unaufgebbares<br />

„Essentiale“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung sei, 433 insofern selbst eingeschränkt zu haben scheint, als nun<br />

nicht mehr je<strong>de</strong> Beeinträchtigung <strong>de</strong>s Schutzbereichs eines Grundrechts, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich<br />

eine Beeinträchtigung in <strong>de</strong>ssen Wesensgehalt dazu führen solle, daß ein Gemeinschaftsrechtsakt<br />

in Deutschland unanwendbar sei. 434<br />

bb) Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 u. 3 GG<br />

Zu<strong>de</strong>m verweist Art. 79 Abs. 3 GG nicht nur auf Art. 1 Abs. 1 GG, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf Art. 1 GG<br />

insgesamt und damit auch auf <strong>de</strong>ssen Absätze 2 und 3:<br />

Art. 1 Abs. 2 GG n<strong>im</strong>mt Bezug auf die „unverletzlichen und unveräußerlichen<br />

Menschenrechte“; <strong><strong>de</strong>r</strong> hier verwandte Plu<strong>ra</strong>l stellt einen über die Menschenwür<strong>de</strong><br />

hinausreichen<strong>de</strong>n Bezug auch zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Grundrechten, wie z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit, her.<br />

In Art. 1 Abs. 3 GG schließlich wer<strong>de</strong>n alle Staatsgewalten an die „nachfolgen<strong>de</strong>n<br />

Grundrechte“ gebun<strong>de</strong>n. Die Verweiskette von Art. 23 Abs. 1 S. 3 über Art. 79 Abs. 3 GG<br />

kann daher <strong>ra</strong>tio legis ohne weiteres so verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß auch die sup<strong>ra</strong>nationale<br />

Staatsgewalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft an <strong>de</strong>n Wesensgehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong>de</strong>s Grundgesetzkatalogs<br />

gebun<strong>de</strong>n ist und diesen wahren muß. 435<br />

cc) Art. 23 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 1 GG n.F.<br />

Art. 23 Abs. 1 GG n.F. stellt die Vo<strong>ra</strong>ussetzungen auf, unter welchen die Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland an <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Integ<strong>ra</strong>tion teilhaben kann. Gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG<br />

darf sie nur an einer Entwicklung mitwirken, die zum einen <strong>de</strong>n „<strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen, rechtsstaatlichen,<br />

sozialen und fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ativen Grundsätzen und <strong>de</strong>m Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität<br />

verpflichtet ist“, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en „einen diesem Grundgesetz <strong>im</strong> wesentlichen vergleichbaren<br />

432<br />

Vgl. Huber, Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Integ<strong>ra</strong>tion, München 1996, § 3, Rdnr. 19, m.w.N.<br />

433<br />

BVerfGE 37, S. 271 ff., 280.<br />

434<br />

Vgl. BVerfGE 73, S. 339 ff., 375 f.; 75, S. 223 ff., 235; 89, S. 155 ff., 174.<br />

435<br />

Auch Streinz, Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz und Europäisches<br />

Gemeinschaftsrecht, S. 252, befürwortet die Erstreckung <strong>de</strong>s Art. 79 Abs. 3 GG über Art. 1<br />

Abs. 3 GG auf alle Grundrechte <strong>de</strong>s Grundgesetzes.


109<br />

Grundrechtsschutz gewährleistet“. Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG sieht die Übert<strong>ra</strong>gung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Hoheitsrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik auf die EU also nicht generell vor, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n knüpft <strong>de</strong>n Bau<br />

eines gemeinsames Europas unter <strong>de</strong>utscher Beteiligung da<strong>ra</strong>n, daß dieses <strong>de</strong>n in<br />

Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG genannten Prinzipien Rechnung trägt („hierzu“). Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

ausdrücklichen Bezugnahme <strong>de</strong>s Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG auf Art. 79 Abs. 3 GG stellt die in<br />

Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG genannte Aufzählung eine Konkretisierung <strong>de</strong>s Art. 79 Abs. 3 GG für<br />

die Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten auf die EU dar. So muß <strong><strong>de</strong>r</strong> in Art. 79 Abs. 3 GG<br />

enthaltene Hinweis auf die in Art. 20 GG „nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegten Grundsätze“ <strong>im</strong> Lichte <strong>de</strong>s<br />

Art. 23 Abs. 1 S. 1 1. HS ausgelegt wer<strong>de</strong>n, was be<strong>de</strong>utet, daß die Strukturprinzipien <strong>de</strong>s<br />

Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG um das ungeschriebene Subsidiaritätsprinzip angereichert<br />

wer<strong>de</strong>n. Die gemäß Art. 79 Abs. 3 GG in Art. 1 GG „nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegten Grundsätze“ wer<strong>de</strong>n in<br />

Art. 23 Abs. 1 S. 1, 2. HS GG <strong><strong>de</strong>r</strong>art konkretisiert, daß eine Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten<br />

auf die EU nur erfolgen darf, soweit diese „einen diesem Grundgesetz <strong>im</strong> wesentlichen<br />

vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet“.<br />

Aus Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 1 GG ergibt sich <strong>de</strong>mnach, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Wesensgehalt auch einzelner Grundrechte <strong>de</strong>s Grundgesetzes nicht zur Disposition gestellt<br />

wer<strong>de</strong>n darf. 436<br />

Aus diesem Grun<strong>de</strong> stellt die Rechtsprechung <strong>de</strong>s BVerfG keine Erweiterung<br />

<strong>de</strong>s Art. 79 Abs. 3 GG cont<strong>ra</strong> legem dar.<br />

Der inzwischen schon längere Zeit ausstehen<strong>de</strong>n Entscheidung <strong>de</strong>s BVerfG <strong>im</strong><br />

Bananenstreit 437<br />

kommt auch für das <strong>Religionsrecht</strong> Be<strong>de</strong>utung zu, da mit ihr die Klärung<br />

insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>gen verbun<strong>de</strong>n ist, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> Wesensgehalt <strong>de</strong>s Art. 14 GG, d.h. einer<br />

Grundrechtsbest<strong>im</strong>mung außerhalb von Art. 1 o<strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 20 GG, zu <strong>de</strong>n „Essentialia <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verfassung“, d.h. zu <strong>de</strong>m – nicht auf die Gemeinschaft übert<strong>ra</strong>gbaren – Kernbereich <strong>de</strong>s<br />

Grundgesetzes gehört und wann eine solche Verletzung <strong>im</strong> Wesensgehalt angenommen<br />

436 Die Auffassung von Selmayr/Prowald, Abschied von <strong>de</strong>n „Solange“-Vorbehalten – Die<br />

wahre Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s „Koope<strong>ra</strong>tionsverhältnisses“ <strong>de</strong>s BVerfG zum EuGH, DVBl. 1999,<br />

S. 269 ff., 271, muß daher als nicht gebotene Reduktion <strong>de</strong>s Schutzbereiches von Art. 79<br />

Abs. 3 GG angesehen wer<strong>de</strong>n. Zwar hat das BVerfG in E 94, S. 49 ff., 103, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat<br />

entschie<strong>de</strong>n, daß grundsätzlich je<strong>de</strong> Best<strong>im</strong>mung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung zur Disposition <strong>de</strong>s<br />

verfassungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Gesetzgebers stehe. Selbst wenn eine konkrete grundrechtliche<br />

Gewährleistung nicht bestün<strong>de</strong>, müßten <strong>de</strong>nnoch best<strong>im</strong>mte aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenwür<strong>de</strong><br />

ableitbare Merkmale gewahrt wer<strong>de</strong>n; ausdrücklich wird vom BVerfG, a.a.O., in diesem<br />

Zusammenhang die religiöse Grun<strong>de</strong>ntscheidung genannt.<br />

437 Vorlage <strong>de</strong>s VG F<strong>ra</strong>nkfurt vom 24.10.1996 an das BVerfG, EuZW 1997, S. 182 ff; vgl.<br />

hierzu z.B. Peter M. Huber, <strong>Das</strong> Koope<strong>ra</strong>tionsverhältnis zwischen BVerfG und EuGH in<br />

Grundrechtsf<strong>ra</strong>gen – Die Bananenmarktordnung und das Grundgesetz, EuZW 1997,<br />

S. 517 ff.; Vachek, <strong>Das</strong> „Koope<strong>ra</strong>tionsverhältnis“ <strong>im</strong> Bananenstreit, ZfRV 1997, S. 136 ff.


110<br />

wer<strong>de</strong>n kann, d.h. ob schon eine einmalige, aber schwerwiegen<strong>de</strong> Verletzung eines<br />

Grundrechts durch ein Gemeinschaftsorgan hierzu ausreicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob mehrfache und langanhalten<strong>de</strong><br />

Grundrechtsverletzungen vonnöten sind, <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH nicht abhilft. 438<br />

c) Kernbereiche <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />

Ob <strong><strong>de</strong>r</strong> Wesensgehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> grundgesetzlichen Religionsfreiheit i.S.d. Art. 4 Abs. 1, 2 GG bzw.<br />

Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 – 139 u. 141 WRV durch Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft verletzt<br />

sein kann, läßt sich nicht pauschal beantworten.<br />

Der Nachweis, daß ein Gemeinschaftsrechtsakt gegen die grundgesetzliche Religionsfreiheit<br />

verstößt, dürfte insofern nicht ganz leicht fallen, als das Gemeinschaftsrecht selbst nicht nur<br />

die Religionsfreiheit als zu schützen<strong>de</strong>s Grundrecht kennt, 439 son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich ebenfalls zur<br />

Beachtung <strong>de</strong>s Wesensgehalts eines Grundrechts bekennt. 440<br />

Ungeachtet <strong>de</strong>ssen kann eine<br />

Verletzung <strong>im</strong> Wesensgehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> grundgesetzlichen Religionsfreiheit auch dann vorliegen,<br />

wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Religionsfreiheit<br />

ausdrücklich verneint haben sollte, da insofern von einem unterschiedlichen Prüfungsmaßstab<br />

auszugehen ist.<br />

Die drei zent<strong>ra</strong>len Prinzipien <strong>de</strong>s bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen <strong>Religionsrecht</strong>s hat das BVerfG aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Zusammenschau verschie<strong>de</strong>ner Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen entwickelt. Es han<strong>de</strong>lt sich hierbei<br />

um die Verpflichtung zu religiös-weltanschaulicher Neut<strong>ra</strong>lität, zur Gleichbehandlung aller<br />

Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (Parität) und zur Tole<strong>ra</strong>nz. 441 Diese drei<br />

Grundprinzipien bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen <strong>Religionsrecht</strong>s müßten konsequenterweise über<br />

Art. 79 Abs. 3 GG gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft „än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsfest“ sein, wenn man sie – was gut<br />

vertretbar erscheint – zum Kernbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit <strong>de</strong>s GG zählt. 442<br />

Da die EU aus<br />

einer ursprünglichen Wirtschaftsgemeinschaft hervorging, kennt sie ohnehin eher die strikte<br />

Trennung von einzelnen Kirchen und Religionsgemeinschaften als ein Eingehen von<br />

Koope<strong>ra</strong>tionen mit ihnen. Insofern bestehen kaum Be<strong>de</strong>nken, daß die EU künftig eine o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

einige Kirchen gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften bevorzugen wird.<br />

F<strong>ra</strong>glich ist hingegen eher, ob Art. 140 GG, <strong><strong>de</strong>r</strong> durch Verweis auf die <strong>de</strong>m Grundgesetz<br />

inkorporierten Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung weitere maßgebliche<br />

438<br />

Vgl. ausführlich Vachek, Fn. 437, S. 143.<br />

439<br />

Vgl. EuGH, Rs. 130/75 (P<strong>ra</strong>is/Rat), Slg. 1976, S. 1589 ff., Rz. 12/19.<br />

440<br />

Einzelheiten s.u. E.IV.3.a).<br />

441<br />

Vgl. die obigen Ausführungen unter B.II.3.a)aa).<br />

442<br />

So auch v. Campenhausen, in: Christoph, Fn. 443, S. 183; Robbers, Die Kirchen und das<br />

Europarecht, in: Puza/Kustermann (Hrsg.), Fn. 3, S. 177 ff., 186.


111<br />

Best<strong>im</strong>mungen bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen <strong>Religionsrecht</strong>s enthält – ebenso wie Art. 4 GG – als Grundrecht<br />

i.S.d. Solange-Rechtsprechung angesehen wer<strong>de</strong>n kann. 443 Dies ist insofern zweifelhaft,<br />

als es sich bei <strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> WRV genannten religionsrechtlichen Best<strong>im</strong>mungen – z.B. Kirchensteuerrecht,<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht, Sonn- und Feiertagsrecht – nicht um unmittelbare<br />

Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s grundgesetzlichen Grundrechtskatalogs <strong>de</strong>s Grundgesetzes<br />

(Art. 1 – 17 GG) han<strong>de</strong>lt. Der über Art. 79 Abs. 3 GG relevante Menschenwür<strong>de</strong>gehalt schützt<br />

in erster Linie <strong>de</strong>n Kernbereich individueller Grundrechte. Subsidiär können auch korpo<strong>ra</strong>tive<br />

Grundrechte erfaßt wer<strong>de</strong>n, soweit durch diese die Grundrechte einzelner repräsentiert<br />

wer<strong>de</strong>n. Nicht mehr vom Menschenwür<strong>de</strong>gehalt umfaßt ist jedoch das institutionelle<br />

<strong>Religionsrecht</strong> per se. Die durch Art. 140 GG inkorporierten Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

WRV können daher über Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 1 Abs. 3 GG nur insoweit als<br />

„nachfolgen<strong>de</strong> Grundrechte“ angesehen wer<strong>de</strong>n, als sie bereits <strong>im</strong> status collectivus <strong>de</strong>s<br />

Art. 4 GG selbst enthalten sind. 444 Damit <strong><strong>de</strong>r</strong> Sch<strong>ra</strong>nkenvorbehalt <strong>de</strong>s für alle gelten<strong>de</strong>n<br />

Gesetzes in Art. 137 Abs. 3 WRV überhaupt sinnvoll ist, kann z.B. das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />

<strong>de</strong>s Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV nicht völlig von Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG<br />

umfaßt sein. Man wird daher allenfalls <strong>de</strong>n Kernbereich <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong>de</strong>s<br />

Art. 137 Abs. 3 WRV unter Art. 4 GG subsumieren können, während Randbereiche <strong>de</strong>sselben<br />

hiervon nicht mehr umfaßt sind. 445 Zum Kernbereich <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts zählt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

innerkirchliche Dienst, <strong><strong>de</strong>r</strong> auch die Ämterverleihungsfreiheit einschließt. Ob leiten<strong>de</strong><br />

Dienstverhältnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen außerhalb <strong>de</strong>s geistlichen Dienstes noch unter das kirchliche<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht fallen, ist schon zweifelhaft. 446<br />

Soweit in kirchlichen Einrichtungen<br />

nicht spezifisch religiöse Tätigkeitsfel<strong><strong>de</strong>r</strong> durch nichttheologische Fachkräfte – z.B.<br />

Ärzteschaft, Pflege- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gartenpersonal – besetzt sind, dürfen diese<br />

Arbeitsverhältnisse nicht mehr zum Kernbereich <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />

443 Dieses Problemfeld wirft schon Bleckmann auf, in: Christoph, Tagung über „Europäisches<br />

Gemeinschaftsrecht – kirchliches Dienst- und Arbeitsrecht“, ZevKR 35 (1990), S. 181 ff.,<br />

182.<br />

444 Vgl. hierzu BVerfGE 42, S. 312 ff., 322, 332; 53, S. 366 ff., 387; 55, S. 207 ff., 230; 58,<br />

S. 220 ff., 242 f.; Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19<br />

Abs. 3 Grundgesetz, Passau 1985, S. 118; Lücke, Zur Dogmatik <strong><strong>de</strong>r</strong> kollektiven Glaubensfreiheit<br />

– Eine Neubest<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Verhältnisses von Kirche und Staat am Beispiel <strong>de</strong>s<br />

staatlichen Rechtsschutzes gegenüber Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgesellschaften,<br />

EuGRZ 1995, S. 651 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Die We<strong>im</strong>arer Kirchengutsga<strong>ra</strong>ntie als Bestandteil <strong>de</strong>s<br />

Grundgesetzes, JZ 1998, S. 534 ff., 536 f.<br />

445 Ebenso Lücke, Fn. 444, S. 654.<br />

446 Kruttschnitt, Fn. 316, S. 111 ff., 113, ist ohnehin für eine engere Auslegung. Seiner Ansicht<br />

nach schütze Art. 4 GG nur „das Grundrecht auf Religionsfreiheit, nicht aber die<br />

Grundsätze <strong>de</strong>s gelten<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staatskirchenrechts gem. Art. 140 GG“, da Art. 4 GG<br />

keinen Hinweis auf Art. 140 GG enthalte.


112<br />

gezählt wer<strong>de</strong>n. 447 Die Kirchenfinanzierung kann ebenfalls nur als Randbereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsfreiheit angesehen wer<strong>de</strong>n. Art. 137 Abs. 6 WRV ist <strong>de</strong>mnach nicht in Art. 4 GG<br />

enthalten; erst recht gilt dies für die Einziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuer durch die staatlichen<br />

Steuerbehör<strong>de</strong>n, die nicht einmal verfassungsrechtlich gewährleistet ist. 448<br />

Einzelbereiche <strong>de</strong>s<br />

<strong>Religionsrecht</strong>s i.R.d. Art. 140 GG können daher nicht mehr als Kernbereich <strong>de</strong>s Grundrechts<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

IV. <strong>Das</strong> Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht<br />

Die Klärung <strong>de</strong>s Verhältnisses bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtskreise zueinan<strong><strong>de</strong>r</strong> ist von großer Be<strong>de</strong>utung für<br />

die Weichenstellung, ob die Weiterentwicklung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s künftig auf<br />

mitgliedstaatlicher Ebene o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsrechtsebene erfolgen muß, um eine<br />

adäquate Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Interessen von Kirchen und Religionsgemeinschaften zu<br />

gewährleisten.<br />

1. Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht<br />

<strong>Das</strong> Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht scheint für <strong>de</strong>n EuGH<br />

schon seit seiner Grundsatzentscheidung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache Costa/E.N.E.L. abschließend<br />

geklärt zu sein. In ihr hob <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof die Eigenständigkeit <strong>de</strong>s E(W)G-Vert<strong>ra</strong>gs als<br />

autonome Rechtsquelle hervor 450<br />

und konstatierte <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts vor<br />

447<br />

Einen <strong>de</strong>utlich zu weitgehen<strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Kernbereichs <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts<br />

wählt Lücke, Fn. 444, S. 655, <strong><strong>de</strong>r</strong> nur <strong>de</strong>n einfachen Dienst (z.B. Boten/Pförtner) o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Aushilfskräfte hiervon ausnehmen will.<br />

448<br />

Ebenso Neumann, Tun die Kirchen wirklich soviel Gutes?, in: Internationaler Bund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) e.V. (Hrsg.), Tabu Staat Kirche, Berlin –<br />

Aschaffenburg 1992, S. 55 ff., 58; Starck, <strong>Das</strong> <strong>de</strong>utsche Kirchensteuerrecht und die<br />

Europäische Integ<strong>ra</strong>tion, in: Due/Lutter/Schwarze (Hrsg.), FS für Ulrich Everling, Bd. II,<br />

Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995, S. 1427 ff., 1435. Zu ve<strong>ra</strong>llgemeinernd dagegen Rüfner, Staatskirchenrechtliche<br />

Überlegungen zu Status und Finanzierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen <strong>im</strong> vereinten Europa, in:<br />

Ipsen/Rengeling/Mössner/Weber (Hrsg.),Verfassungsrecht <strong>im</strong> Wan<strong>de</strong>l. Köln – Berlin –<br />

Bonn – München 1995, S. 485 ff., 492.<br />

449<br />

Vgl. hierzu Vachek, Fn. 437, S. 139 ff.<br />

450<br />

Die Eigenständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsrechtsordnung hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH schon zuvor in seinem<br />

Urteil in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. 26/62 (van Gend & Loos/Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländische Finanzverwaltung), Slg. 1963,<br />

S. 1 ff., Rz. 9 f., he<strong>ra</strong>usgestellt: So sei <strong><strong>de</strong>r</strong> E(W)GV mehr als ein Abkommen, das nur<br />

449


113<br />

jedwe<strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Gesetzgebung, d.h. auch <strong>im</strong> Verhältnis zu nationalem Verfassungsrecht.<br />

Nur die einheitliche Geltung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Mitgliedstaaten<br />

<strong>im</strong> Rang über <strong>de</strong>n innerstaatlichen Vorschriften stelle die Funktionsfähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft sicher. Die Begründung, die <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH für <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts liefert, stützt sich damit mangels ausdrücklicher Klärung dieser F<strong>ra</strong>ge <strong>im</strong><br />

E(W)G-Vert<strong>ra</strong>g vor allem auf <strong>de</strong>ssen logische Interpretation sowie auf eine teleologische<br />

Auslegung <strong>de</strong>s Art. 249 (ex-Art. 189) Abs. 2 E(W)GV. 451<br />

An an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Stelle konkretisiert <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts explizit<br />

dahingehend, daß sich Gemeinschaftsrecht auch gegenüber nationalen Grundrechten sowie<br />

452<br />

Strukturprinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung durchsetze. Die Klärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rangf<strong>ra</strong>ge ist aus<br />

wechselseitige Verpflichtungen zwischen <strong>de</strong>n vert<strong>ra</strong>gsschließen<strong>de</strong>n Staaten begrün<strong>de</strong>,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n stelle eine neue Rechtsordnung <strong>de</strong>s Völkerrechts dar, zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en Gunsten die<br />

Mitgliedstaaten, wenn auch in begrenztem Rahmen, ihre Souveränitätsrechte eingeschränkt<br />

hätten.<br />

451 EuGH, Rs. 6/64 (Costa/E.N.E.L.), Slg. 1964, S. 1251 ff., 1269 ff., Rz. 8 – 12:<br />

„[8] Zum Unterschied von gewöhnlichen internationalen Verträgen hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG-Vert<strong>ra</strong>g<br />

eine eigene Rechtsordnung geschaffen, die bei seinem Ink<strong>ra</strong>fttreten in die Rechtsordnungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten aufgenommen wor<strong>de</strong>n und von ihren Gerichten anzuwen<strong>de</strong>n ist. Denn<br />

durch die [...] Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten [...] haben die Mitgliedstaaten, wenn auch<br />

auf einem begrenzten Gebiet, ihre Souveränitätsrechte beschränkt und so einen<br />

Rechtskörper geschaffen, <strong><strong>de</strong>r</strong> für ihre Angehörigen und sie selbst verbindlich ist.<br />

[9] [...] Denn es wür<strong>de</strong> eine Gefahr für die Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> in Artikel 5 Absatz 2<br />

aufgeführten Ziele <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs be<strong>de</strong>uten und <strong>de</strong>m Verbot <strong>de</strong>s Artikels 7 wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen<strong>de</strong><br />

Diskr<strong>im</strong>inierungen zur Folge haben, wenn das Gemeinschaftsrecht je nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

nachträglichen innerstaatlichen Gesetzgebung von einem Staat zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en verschie<strong>de</strong>ne<br />

Geltung haben könnte.<br />

[11] Der Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts wird auch durch Artikel 189 bestätigt; ihm<br />

zufolge ist die Verordnung „verbindlich“ und „gilt unmittelbar in je<strong>de</strong>m Mitgliedstaat.“<br />

Diese Best<strong>im</strong>mung, die durch nichts eingeschränkt wird, wäre ohne Be<strong>de</strong>utung, wenn die<br />

Mitgliedstaaten sie durch Gesetzgebungsakte, die <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen Normen<br />

vorgingen, einseitig ihrer Wirksamkeit be<strong>ra</strong>uben könnten.<br />

[12] Aus alle<strong>de</strong>m folgt, daß <strong>de</strong>m vom Vert<strong>ra</strong>g geschaffenen, somit aus einer autonomen<br />

Rechtsquelle fließen<strong>de</strong>n Recht wegen dieser seiner Eigenständigkeit keine wie <strong>im</strong>mer<br />

gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen können, wenn ihm nicht sein<br />

Cha<strong>ra</strong>kter als Gemeinschaftsrecht aberkannt und wenn nicht die Rechtsgrundlage <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft selbst in F<strong>ra</strong>ge gestellt wer<strong>de</strong>n soll.“<br />

452 EuGH, Rs. 11/70 (Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr- und Vor<strong>ra</strong>tsstelle für<br />

Getrei<strong>de</strong> und Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff., Rz. 3: „Daher kann es die Gültigkeit einer<br />

Gemeinschaftshandlung o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>en Geltung in einem Mitgliedstaat nicht berühren, wenn


114<br />

gemeinschaftsrechtlicher Sicht von entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung, weil nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts eine einheitliche Geltung und Anwendung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts in<br />

<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten und damit das Funktionieren <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft als solcher sicherstellt. 453<br />

Bei <strong>de</strong>m Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht han<strong>de</strong>lt es sich um einen<br />

sog. Anwendungs-, nicht um einen Geltungsvor<strong>ra</strong>ng. <strong>Das</strong> be<strong>de</strong>utet, daß <strong>de</strong>m<br />

Gemeinschaftsrecht wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen<strong>de</strong>s nationales Recht nicht nichtig wird, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich<br />

nicht zur Anwendung gelangt. Der Anwendungsvor<strong>ra</strong>ng unterschei<strong>de</strong>t sich p<strong>ra</strong>ktisch dort vom<br />

Geltungsvor<strong>ra</strong>ng, wo die gemeinschaftliche Regelung <strong>im</strong> nachhinein wie<strong><strong>de</strong>r</strong> wegfällt: In<br />

diesem Fall lebt die nur verdrängte nationale Vorschrift wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf, ohne daß es hierzu<br />

irgen<strong>de</strong>ines nationalen Rechtsetzungsaktes bedarf. Aus <strong>de</strong>m Anwendungsvor<strong>ra</strong>ng leitet sich<br />

ebenfalls ab, daß <strong>de</strong>m nationalen Recht entgegenstehen<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrecht für ersteres<br />

keine Sperrwirkung entfaltet, also <strong><strong>de</strong>r</strong> nationale Gesetzgeber nicht an jeglicher<br />

Gesetzgebungstätigkeit in <strong>de</strong>m geregelten Bereich gehin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wäre. 454 Sofern die<br />

Mitgliedstaaten jedoch gemeinschaftsrechtswidriges Recht setzen, verletzen sie ihre<br />

Rechtspflichten aus <strong>de</strong>m EG-Vert<strong>ra</strong>g und machen sich u.U. scha<strong>de</strong>nsersatzpflichtig. 455<br />

Da jedoch ein Mitgliedstaat auf die Gemeinschaft nur diejenigen Befugnisse übert<strong>ra</strong>gen darf,<br />

die er tatsächlich innehat und zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en Übert<strong>ra</strong>gung er innerstaatlich berechtigt ist, 456 muß<br />

je<strong>de</strong> Gemeinschaftskompetenz <strong>im</strong>mer auch <strong>im</strong> Lichte <strong>de</strong>s Verfassungsrechts <strong>de</strong>s jeweiligen<br />

Mitgliedstaats gesehen wer<strong>de</strong>n. Aus diesem Grun<strong>de</strong> muß nicht nur aus verfassungsrechtlicher,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n gleichsam aus europarechtlicher Sicht – selbst wenn dies vom EuGH noch nicht<br />

explizit geschehen ist – anerkannt wer<strong>de</strong>n, daß verfassungsrechtlich reservierte Bereiche <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

nationalen Rechtsordnung existieren. 457<br />

geltend gemacht wird, die Grundrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> ihnen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung dieses Staates<br />

gegebenen Gestalt o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Strukturprinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Verfassung seien verletzt.“<br />

453<br />

EuGH, Rs. 6/64, Fn. 451, dort Rz. 9; Streinz, Europarecht, 3. Aufl. 1996, Rdnr. 172.<br />

454<br />

Birk, Fn. 333, § 18, Rdnr. 70; <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH hat in verb. Rs. C-10/97 bis C-22/97 (Ministero<br />

<strong>de</strong>lle finanze/IN.CO.GE.’90 Srl u.a.), Slg. 1998, S. I-6324 ff., 6333, Rz. 21, entschie<strong>de</strong>n,<br />

daß die Unvereinbarkeit einer später ergangenen Vorschrift <strong>de</strong>s innerstaatlichen Rechts mit<br />

<strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht nicht dazu führe, daß diese Vorschrift inexistent sei. Vielmehr<br />

müsse sie unangewen<strong>de</strong>t bleiben; a.A. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 362.<br />

455<br />

Vgl. hierzu die Rechtsprechungshinweise oben Fn. 299.<br />

456<br />

Vgl. die obigen Ausführungen C.III.3.<br />

457<br />

Ebenso Hirsch, Kompetenzverteilung zwischen EuGH und nationaler Gerichtsbarkeit,<br />

NVwZ 1998, S. 907 ff., 908 f.


2. Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong>de</strong>s BVerfG<br />

115<br />

a) Vor <strong>de</strong>m Solange I-Beschluß<br />

Schon in einer frühen Entscheidung anerkannte das BVerfG unter Bezugnahme auf die<br />

Rechtssachen van Gend & Loos 458 sowie Costa/E.N.E.L. 459 die Selbständigkeit und<br />

Unabhängigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgewalt sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en grundsätzlichen Vor<strong>ra</strong>ng vor<br />

nationalem Recht: <strong>Das</strong> BVerfG lehnte daher die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwer<strong>de</strong><br />

gegen EWG-Verordnungen mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung ab, es han<strong>de</strong>le sich bei einer VO nicht um<br />

einen Akt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen öffentlichen Gewalt i.S.d. § 90 BVerfGG. 460<br />

b) Solange I-Beschluß<br />

In seiner als Solange I-Beschluß bekanntgewor<strong>de</strong>nen Entscheidung vom 29. Mai 1974 bejahte<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> 2. Senat <strong>de</strong>s BVerfG die Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG. 461<br />

Zwar<br />

könne aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Unabhängigkeit bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtskreise we<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH verbindlich<br />

entschei<strong>de</strong>n, ob eine Regel <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts mit <strong>de</strong>m Grundgesetz vereinbar sei, noch<br />

das BVerfG, ob eine Regel <strong>de</strong>s sekundären Gemeinschaftsrechts gegen pr<strong>im</strong>äres<br />

Gemeinschaftsrecht verstoße. Soweit es allerdings zu einem Konflikt zwischen bei<strong>de</strong>n<br />

Rechtskreisen komme, könne nicht pauschal <strong><strong>de</strong>r</strong> Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts unterstellt<br />

wer<strong>de</strong>n. Zwar öffne Art. 24 GG die nationale Rechtsordnung <strong><strong>de</strong>r</strong>art, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> ausschließliche<br />

Herrschaftsanspruch <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland <strong>im</strong> Geltungsbereich <strong>de</strong>s Grundgesetzes<br />

zurückgenommen und <strong><strong>de</strong>r</strong> unmittelbaren Geltung von gemeinschaftlichem Sekundärrecht<br />

Raum gelassen wer<strong>de</strong>. Sei dagegen ein unaufgebbares, zur Verfassungsstruktur <strong>de</strong>s Grundgesetzes<br />

gehören<strong>de</strong>s „Essentiale“ i.S.d. Art. 79 Abs. 3 GG o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsteil <strong>de</strong>s<br />

Grundgesetzes betroffen, und fin<strong>de</strong> auf <strong><strong>de</strong>r</strong> zwischenstaatlichen Ebene keine Entsprechung, so<br />

458<br />

S.o. Fn. 450.<br />

459<br />

S.o. Fn. 451.<br />

460<br />

BVerfGE 22, S. 293 ff., 296 f.<br />

461<br />

BVerfGE 37, S. 271 ff. – Solange I; Leitsatz: „Solange <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tionsprozeß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft nicht so weit fortgeschritten ist, daß das Gemeinschaftsrecht auch einen von<br />

einem Parlament beschlossenen und in Geltung stehen<strong>de</strong>n formulierten Katalog von<br />

Grundrechten enthält, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Grundrechtskatalog <strong>de</strong>s Grundgesetzes adäquat ist, ist nach<br />

Einholung <strong><strong>de</strong>r</strong> in Art. 177 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Entscheidung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong><br />

Gerichtshofs die Vorlage eines Gerichts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland an das<br />

Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht <strong>im</strong> Normenkontrollverfahren zulässig und geboten, wenn das<br />

Gericht die für es entscheidungserhebliche Vorschrift <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts in <strong><strong>de</strong>r</strong> vom<br />

<strong>Europäischen</strong> Gerichtshof gegebenen Auslegung für unanwendbar hält, weil und soweit sie<br />

mit einem <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong>de</strong>s Grundgesetzes kollidiert.“


116<br />

enthalte Art. 24 GG einen Vorbehalt. 462<br />

Konkret bemängelte das BVerfG, daß die<br />

Gemeinschaft bei damaligem Stand <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion kein unmittelbar <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tisch<br />

legit<strong>im</strong>iertes Parlament mit Gesetzgebungsbefugnissen und keinen kodifizierten<br />

Grundrechtskatalog besitze, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Grundrechtsstandard <strong>de</strong>s Grundgesetzes adäquat sei.<br />

Immerhin stellte das BVerfG für die <strong>de</strong>utschen Gerichte die Verpflichtung auf, eine<br />

Vo<strong>ra</strong>bentscheidung <strong>de</strong>s EuGH nach Art. 234 (ex-Art. 177) E(W)GV einzuholen, bevor diese<br />

die F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> für sie entscheidungserheblichen Norm <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts mit <strong>de</strong>n Grundrechtsga<strong>ra</strong>ntien <strong>de</strong>s Grundgesetzes aufwerfen könnten.<br />

<strong>Das</strong> BVerfG nahm in diesem Zusammenhang für sich die alleinige Zuständigkeit zum Schutz<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Grundgesetz ve<strong>ra</strong>nkerten Grundrechte – auch gegenüber Gemeinschaftsverordnungen –<br />

in Anspruch.<br />

Der Solange I-Beschluß, <strong><strong>de</strong>r</strong> zwar überwiegend kritisiert wur<strong>de</strong>, 463 bewirkte zumin<strong>de</strong>st, daß<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit seine Grundrechtsrechtsprechung intensiver als bisher<br />

vo<strong>ra</strong>ntrieb. 464<br />

Diese Fortschritte <strong>im</strong> Grundrechtsbereich st<strong>im</strong>mten das BVerfG mil<strong><strong>de</strong>r</strong> und leiteten eine<br />

integ<strong>ra</strong>tionsfreundlichere Rechtsprechung, ausgehend vom Vielleicht-Beschluß 465<br />

über <strong>de</strong>n<br />

462<br />

Im Umkehrschluß be<strong>de</strong>utet dies von Seiten <strong>de</strong>s BVerfG ein Eingeständnis, daß das<br />

Gemeinschaftsrecht ihm entgegenstehen<strong>de</strong>s „gewöhnliches“ Verfassungsrecht, welches von<br />

Art. 79 Abs. 3 GG nicht erfaßt wird, je<strong>de</strong>nfalls verdrängt. Als Beispiel hierfür kann <strong><strong>de</strong>r</strong> eng<br />

auszulegen<strong>de</strong> Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „öffentlichen Verwaltung“ i.S.d. Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV<br />

genannt wer<strong>de</strong>n (vgl. EuGH, Rs. 66/85 (Debo<strong>ra</strong>h Lawrie-Blum/Land Ba<strong>de</strong>n-Württemberg),<br />

Slg. 1986, S. 2121 ff., Rz. 26 f.), <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n weiteren Beamtenbegriff <strong>de</strong>s Art. 33 GG in<br />

seinem Anwendungsbereich beschnei<strong>de</strong>t, vgl. Hirsch, Fn. 457, NVwZ 1998, S. 907 f.<br />

463<br />

Nachweise bei Schweitzer, Zur neueren Entwicklung <strong>de</strong>s Verhältnisses von EG-Recht und<br />

bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Grundrechten, JA 1982, S. 174 ff., dort Fn. 27.<br />

464<br />

Vgl. nur Gr<strong>im</strong>m, Europäischer Gerichtshof und nationale Arbeitsgerichte aus verfassungsrechtlicher<br />

Sicht, RdA 1996, S. 66, 68; Peter M. Huber, Fn. 287, S. 361.<br />

465<br />

BVerfGE 52, S. 187 ff., 202 f.: „Der Senat läßt offen, ob und gegebenenfalls inwieweit –<br />

angesichts mittlerweile eingetretener politischer und rechtlicher Entwicklungen <strong>im</strong> europäischen<br />

Bereich – für künftige Vorlagen von Normen <strong>de</strong>s abgeleiteten Gemeinschaftsrechts<br />

die Grundsätze <strong>de</strong>s Beschlusses vom 29. Mai 1974 weiterhin uneingeschränkt Geltung<br />

beanspruchen können.“


117<br />

Eurocontrol I/II-Beschluß 466 und <strong>de</strong>n Mittlerweile-Beschluß 467 bis hin zum Solange II-<br />

Beschluß 468<br />

, ein.<br />

c) Solange II-Beschluß<br />

Im Solange II-Beschluß bescheinigte das BVerfG <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft einen <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen<br />

Recht vergleichbaren Grundrechtsschutz und kehrte die Formel <strong>de</strong>s Solange I-Beschlusses<br />

um: <strong>Das</strong> BVerfG wer<strong>de</strong> sekundäres Gemeinschaftsrecht nicht mehr am Maßstab <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

grundgesetzlichen Grundrechte überprüfen und <strong>de</strong>mentsprechend Vorlagen nach<br />

Art. 100 Abs. 1 GG als unzulässig zurückweisen, solange <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH einen wirksamen Schutz<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Hoheitsgewalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft gewährleiste, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m vom<br />

Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz <strong>im</strong> wesentlichen gleichzuachten<br />

sei. 469 <strong>Das</strong> <strong>im</strong> Solange I-Beschluß aufgestellte Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis eines vom <strong>Europäischen</strong> Parlament<br />

beschlossenen Grundrechtskatalogs ließ das BVerfG <strong>im</strong> Solange II-Beschluß stillschweigend<br />

fallen. Ebenso verzichtete es auf die Ausübung seiner Gerichtsbarkeit gegenüber sekundärem<br />

Gemeinschaftsrecht, in Kenntnis, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> durch <strong>de</strong>n EuGH <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen<br />

Rechtsgrundsätze allmählich entwickelte Grundrechtsschutz <strong>im</strong> Hinblick auf best<strong>im</strong>mte<br />

Grundrechtsprinzipien noch lückenhaft war, weil es die prinzipielle Haltung <strong>de</strong>s EuGH so<br />

einschätzte, daß dieser generell einen – <strong>de</strong>m unabdingbaren Grundrechtsschutz <strong>de</strong>s Grundgesetzes<br />

<strong>im</strong> wesentlichen gleichzuachten<strong>de</strong>n – wirkungsvollen Grundrechtsschutz<br />

gewährleisten wür<strong>de</strong>. 470<br />

466<br />

BVerfGE 58, S. 1 ff.; 59, S. 63 ff.<br />

467<br />

BVerfG, NJW 1983, S. 1258 ff.<br />

468<br />

BVerfGE 73, S. 339 ff.; Amtlicher Leitsatz: „Solange die <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften,<br />

insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Rechtsprechung <strong>de</strong>s Gerichtshofs <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaften, einen wirksamen<br />

Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Hoheitsgewalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaften generell<br />

gewährleisten, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz <strong>im</strong><br />

wesentlichen gleichzuachten ist, zumal <strong>de</strong>n Wesensgehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte generell<br />

verbürgt, wird das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit<br />

von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht, das als Rechtsgrundlage für ein Verhalten <strong>de</strong>utscher<br />

Gerichte o<strong><strong>de</strong>r</strong> Behör<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Hoheitsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland in Anspruch<br />

genommen wird, nicht mehr ausüben und dieses Recht mithin nicht mehr am Maßstab <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Grundrechte <strong>de</strong>s Grundgesetzes überprüfen; entsprechen<strong>de</strong> Vorlagen nach<br />

Art. 100 Abs. 1 GG sind somit unzulässig.“<br />

469<br />

Vgl. BVerfGE 73, S. 339 ff., 384.<br />

470<br />

BVerfGE 73, S. 339 ff., 387.


118<br />

d) Maastricht-Urteil<br />

Im Maastricht-Urteil, in <strong>de</strong>m das BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit <strong>de</strong>s<br />

Zust<strong>im</strong>mungsgesetzes zum Vert<strong>ra</strong>g von Maastricht zu befin<strong>de</strong>n hatte, hat es judiziert, für die<br />

Beurteilung von Rechtsakten zwischenstaatlicher Einrichtungen in Deutschland zuständig zu<br />

sein. Allerdings übe es seine Rechtsprechung in einem „Koope<strong>ra</strong>tionsverhältnis“ zum EuGH<br />

aus, wobei es sich auf die Gewährung <strong>de</strong>s Min<strong>de</strong>stgrundrechtsstandards beschränken<br />

könne. 471 Außer<strong>de</strong>m gibt das BVerfG <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utlichen Hinweis, daß die Handhabung <strong>de</strong>s EU-<br />

Vert<strong>ra</strong>gs durch europäische Organe in einer vom Zust<strong>im</strong>mungsgesetz nicht mehr ge<strong>de</strong>ckten<br />

Weise dazu führen wür<strong>de</strong>, daß die da<strong>ra</strong>us hervorgehen<strong>de</strong>n Rechtsakte <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen<br />

Hoheitsbereich nicht verbindlich und somit keine Bindungswirkung entfalten wür<strong>de</strong>n. 472 <strong>Das</strong><br />

BVerfG n<strong>im</strong>mt hier Stellung zu sog. ult<strong>ra</strong> vires-Rechtsakten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft. Hierunter sind<br />

aus <strong>de</strong>m durch das Zust<strong>im</strong>mungsgesetz gesetzten Integ<strong>ra</strong>tions<strong>ra</strong>hmen „ausbrechen<strong>de</strong>“<br />

Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane einschließlich <strong>de</strong>s EuGH zu verstehen, d.h. Rechtsakte,<br />

die außerhalb <strong>de</strong>s vert<strong>ra</strong>glich festgelegten Wirkungskreises <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ergehen und<br />

vom Zust<strong>im</strong>mungsgesetz zum E(W)G-Vert<strong>ra</strong>g nicht mehr ge<strong>de</strong>ckt sind. Aus <strong>de</strong>m Kontext<br />

wird <strong>de</strong>utlich, daß das BVerfG nicht schon je<strong>de</strong> versehentliche Abweichung, sehr wohl aber<br />

g<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong> und offenkundige rechtsfortbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> bzw. sonst mit <strong>de</strong>m Pr<strong>im</strong>ärrecht <strong>im</strong><br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch stehen<strong>de</strong> Handlungen <strong>de</strong>s EuGH als Überschreitung <strong>de</strong>s Integ<strong>ra</strong>tionsprog<strong>ra</strong>mmes<br />

Ein solcher Fall läge schon vor, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine offensichtliche<br />

ansieht. 473<br />

471 Vgl. BVerfGE 89, S. 155 ff., 175, Rz. 13: „Auch Akte einer beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en, von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Staatsgewalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten geschie<strong>de</strong>nen öffentlichen Gewalt einer sup<strong>ra</strong>nationalen<br />

Organisation betreffen die Grundrechtsberechtigten in Deutschland. Sie berühren damit die<br />

Gewährleistungen <strong>de</strong>s Grundgesetzes und die Aufgaben <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts, die<br />

<strong>de</strong>n Grundrechtsschutz in Deutschland und insoweit nicht nur gegenüber <strong>de</strong>utschen<br />

Staatsorganen zum Gegenstand haben (Abweichung von BVerfGE 58, 1 ). Allerdings<br />

übt das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von<br />

abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland in einem „Koope<strong>ra</strong>tionsverhältnis“ zum<br />

<strong>Europäischen</strong> Gerichtshof aus, in <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Europäische Gerichtshof <strong>de</strong>n Grundrechtsschutz<br />

in je<strong>de</strong>m Einzelfall für das gesamte Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften ga<strong>ra</strong>ntiert, das<br />

Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht sich <strong>de</strong>shalb auf eine generelle Gewährleistung <strong><strong>de</strong>r</strong> unabding-<br />

baren Grundrechtsstandards (vgl. BVerfGE 73, 339 ) beschränken kann.“<br />

472 BVerfGE 89, S. 155 ff., 188, 195, 210. Plastisch drückt dies Kirchhof, Fn. 18, S. 966, aus:<br />

„Europarecht erreicht nur über die Brücke <strong>de</strong>s nationalen Zust<strong>im</strong>mungsgesetzes <strong>de</strong>n<br />

Geltungsbereich Deutschland. Soweit diese Brücke dieses Recht nicht trägt, entfaltet es<br />

je<strong>de</strong>nfalls in Deutschland keine Rechtsverbindlichkeit.“<br />

473 Vgl. hierzu Hirsch, Europäischer Gerichtshof und Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht – Koope<strong>ra</strong>tion<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> Konfrontation?, NJW 1996, S. 2457 ff., 2466.


119<br />

Vert<strong>ra</strong>gsverletzung durch ein Gemeinschaftsorgan, die ihm i.R. eines Verfahrens nach Art.<br />

230 (ex-Art. 173) EGV zuget<strong>ra</strong>gen wird, nicht behebt. 474<br />

e) Folgerungen für Kompetenzüberschreitungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />

Als heikel muß nach wie vor die F<strong>ra</strong>ge beurteilt wer<strong>de</strong>n, ob ausschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

auch das BVerfG zur Feststellung einer Kompetenzüberschreitung durch einen<br />

Gemeinschaftsrechtsakt zuständig ist.<br />

Soweit sich das BVerfG bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Überprüfung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechtsaktes auf die bei<strong>de</strong>n<br />

F<strong>ra</strong>gen beschränkt, ob dieser <strong>de</strong>n Wesensgehalt <strong>de</strong>utscher Grundrechte verletzt und vom<br />

<strong>de</strong>utschen Zust<strong>im</strong>mungsgesetz ge<strong>de</strong>ckt ist, muß man m.E. eine Zuständigkeit <strong>de</strong>s höchsten<br />

<strong>de</strong>utschen Verfassungshüters bejahen. 475 <strong>Das</strong> BVerfG könnte in bei<strong>de</strong>n Fällen zu<strong>de</strong>m<br />

lediglich die Nichtanwendbarkeit <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechtsaktes in Deutschland, nicht<br />

dagegen seine Nichtigkeit feststellen. 476<br />

Vor einer endgültigen Entscheidung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtanwendbarkeit müßte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, <strong><strong>de</strong>r</strong> das<br />

Monopol für die Auslegung von Gemeinschaftsrecht besitzt, die Gelegenheit bekommen<br />

haben, <strong>de</strong>n Gemeinschaftsrechtsakt aufzuheben, 477<br />

was <strong>im</strong> Regelfall durch das Vo<strong>ra</strong>bent-<br />

474<br />

Auch Her<strong>de</strong>gen, Fn. 40, Rdnr. 244, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Solange-Vorbehalt dann<br />

aktuell wer<strong>de</strong>, wenn die Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH in einer Reihe von Entscheidungen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

einem beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s schwerwiegen<strong>de</strong>n Einzelfall d<strong>ra</strong>matisch unter das <strong>im</strong> wesentlichen<br />

vergleichbare <strong>de</strong>utsche Grundrechtsniveau absinke; ebenso: Zuck/Christofer Lenz, Verfassungsrechtlicher<br />

Rechtsschutz gegen Europa – Prozessuale Möglichkeiten vor <strong>de</strong>n Fachgerichten<br />

und <strong>de</strong>m BVerfG gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft, NJW 1997,<br />

S. 1193 ff., 1195.<br />

475<br />

Vgl. Vachek, Fn. 437, S. 152; Griller, Grundzüge <strong>de</strong>s Rechts <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>,<br />

S. 43 ff., 47. Hirsch, Fn. 457, S. 909, <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 92, S. 21, vertritt dagegen die Auffassung,<br />

daß das BVerfG durch das Maastricht-Urteil nicht die Solange II-Entscheidung habe<br />

antasten wollen, nach welcher <strong><strong>de</strong>r</strong> Standard <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte mit <strong>de</strong>utschen<br />

Grundrechten nach wie vor gleichzuachten sei. Vielmehr habe sich das BVerfG lediglich<br />

vorbehalten, zu überprüfen, ob Gemeinschaftsrechtsakte vom <strong>de</strong>utschen Zust<strong>im</strong>mungsgesetz<br />

ge<strong>de</strong>ckt seien. Dies läßt sich allerdings mit <strong><strong>de</strong>r</strong> unter Fn. 471 zitierten Aussage <strong>de</strong>s<br />

BVerfG nicht vereinbaren. Ebenso sieht Frowein, Der St<strong>ra</strong>ßburger Grundrechtsschutz in<br />

seinen Auswirkungen auf die nationalen Rechtsordnungen und das Gemeinschaftsrecht,<br />

S. 25 ff., 36, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Maastricht-Entscheidung <strong>im</strong> Grundrechtsbereich einen „Rückzug von<br />

Solange II“.<br />

476<br />

Vgl. auch Hirsch, Fn. 457, NVwZ 1998, S. 907, 908.<br />

477<br />

Vgl. Streinz, Fn. 453, Rdnr. 217a.


120<br />

scheidungsverfahren nach Art. 234 (ex-Art. 177) EGV erreicht wird. Die Anrufung <strong>de</strong>s EuGH<br />

muß dabei nicht zwingend durch das BVerfG selbst, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n kann auch durch ein<br />

mitgliedstaatliches Instanzgericht erfolgen. 478<br />

Ein gemeinschaftsrechtlicher Rechtsakt, durch welchen eine religionsrechtliche Materie<br />

geregelt wird, wäre in Deutschland nach einer Entscheidung <strong>de</strong>s BVerfG <strong>im</strong> eben<br />

angesprochenen Sinne unanwendbar, soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> angebliche Kompetenztitel, auf <strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaftsrechtsakt gestützt wird, entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> überhaupt nicht auf die Gemeinschaft<br />

übert<strong>ra</strong>gen wur<strong>de</strong> (ult<strong>ra</strong> vires-Rechtsakt) 479 o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn durch <strong>de</strong>n Gemeinschaftsrechtsakt<br />

Art. 4 Abs. 1, 2 GG – <strong><strong>de</strong>r</strong> in seinem Schutzbereich zugleich teilweise Rechtspositionen <strong>de</strong>s<br />

Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 – 139 u. 141 WRV enthält – in seinem Wesensgehalt 480<br />

beeinträchtigt wür<strong>de</strong>.<br />

Eine Verletzung <strong>de</strong>s Grundrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> grundgesetzlich gewährleisteten Religionsfreiheit kann<br />

vor allem dort in Bet<strong>ra</strong>cht kommen, wo die Gemeinschaft von <strong>de</strong>n ihr durch <strong>de</strong>n EG-Vert<strong>ra</strong>g<br />

zugewiesenen Kompetenzen Geb<strong>ra</strong>uch macht, ohne hierbei <strong>de</strong>n Kernbereich<br />

grundgesetzlicher Religionsfreiheit sicherzustellen.<br />

Art. 9 EMRK, das Pendant <strong><strong>de</strong>r</strong> grundgesetzlichen Religionsfreiheit <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> Menschenrechtskonvention, kann dagegen von vornherein nicht unter die<br />

Essentialia <strong>de</strong>s Grundgesetzes subsumiert wer<strong>de</strong>n. Grund hierfür ist, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK als<br />

völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG aufgrund <strong>de</strong>s Zust<strong>im</strong>mungsgesetzes<br />

vom 7. August 1952 481 nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Rang eines einfachen Bun<strong>de</strong>sgesetzes und damit kein<br />

Verfassungs<strong>ra</strong>ng zukommt. 482<br />

478<br />

Da nationale Kompetenzen insoweit gar nicht auf die Gemeinschaft übert<strong>ra</strong>gen wur<strong>de</strong>n,<br />

geht Zuleeg, Bananen und Grundrechte – Anlaß zum Konflikt zwischen europäischer und<br />

<strong>de</strong>utscher Gerichtsbarkeit, NJW 1997, S. 1201 ff., 1206, zu Unrecht von einem Verhältnis<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Konfrontation o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar <strong><strong>de</strong>r</strong> Subordination <strong>de</strong>s BVerfG über <strong>de</strong>n EuGH aus. Zutreffend<br />

weisen hingegen Zuck/Christofer Lenz, Fn. 474, S. 1195, da<strong>ra</strong>uf hin, daß das BVerfG in<br />

diesem Fall auf seine Zuständigkeit gar nicht verzichten kann.<br />

479<br />

So auch Hollerbach, Fn. 17, S. 272 f. De lege lata wäre dies bei einer Regelung <strong>de</strong>s<br />

<strong>Religionsrecht</strong>s als solchem durch die Gemeinschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall.<br />

480<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen oben C.III.3.c).<br />

481<br />

BGBl. 1952 II, S. 685, 953.<br />

482<br />

Vgl. BVerfGE 41, S. 88 ff., 105 f.; 74, S. 358 ff., 370; Giegerich, Luxemburg, Karlsruhe,<br />

St<strong>ra</strong>ßburg – Dreistufiger Grundrechtsschutz in Europa?, ZaöRV (50) 1990, S. 836 ff.,<br />

S. 852.


121<br />

Aus rechtspolitischen Erwägungen he<strong>ra</strong>us hat es das BVerfG bis dato noch in keinem Fall<br />

gewagt, <strong><strong>de</strong>r</strong> Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtanwendbarkeit von Gemeinschaftsrecht p<strong>ra</strong>ktische Wirksamkeit<br />

zu verleihen, obwohl sich ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bananenstreit geeignet hätte, um ein Exempel zu<br />

statuieren. Daher besteht inzwischen hinreichend Anlaß zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Vermutung, daß es von Seiten<br />

<strong>de</strong>s BVerfG auch weiterhin nur bei <strong>de</strong>n bisherigen Drohgebähr<strong>de</strong>n bleiben wird. 483<br />

f) Zusammenfassung<br />

Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 3 GG verwehrt durch <strong>de</strong>n Verweis auf die gesamte<br />

Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 1 GG zumin<strong>de</strong>st die Übert<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s Wesensgehalts <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />

nach Art. 4 GG als „nachfolgen<strong>de</strong>s Grundrecht“ auf die EU. Der Kernbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> über<br />

Art. 140 GG inkorporierten religionsrechtlichen Vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> WRV wird hingegen nur<br />

insoweit durch Art. 79 Abs. 3 GG gewährleistet, als <strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechtspositionen zugleich auch in<br />

Art. 4 GG enthalten sind.<br />

Der Anwendungsvor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts kann nur dort eingreifen, wo <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweilige<br />

Mitgliedstaat aufgrund seiner Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen eine Übert<strong>ra</strong>gung von originär<br />

mitgliedstaatlichen Kompetenzen auf die Gemeinschaft überhaupt gestattet. Ein<br />

gemeinschaftsrechtlicher Rechtsakt, durch welchen eine religionsrechtliche Materie geregelt<br />

wird, wäre in Deutschland daher unanwendbar, soweit für diesen entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> gar kein<br />

Kompetenztitel existiert (ult<strong>ra</strong> vires-Rechtsakt) o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn hierdurch Art. 4 GG in seinem<br />

Wesensgehalt beeinträchtigt wür<strong>de</strong>.<br />

483 So auch Bernhardt, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die <strong>de</strong>utsche<br />

Rechtsordnung – Eine Einführung, EuGRZ 1996, S. 339; Dauses, Eine Lanze für ”Solange<br />

III”, EuZW 1997, S. 705. Dieser bemängelt konkret, daß außer gelegentlichen<br />

Feststellungen von Verletzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskr<strong>im</strong>inierungsverbote und <strong>de</strong>s allgemeinen<br />

Gleichheitssatzes vom EuGH – soweit ersichtlich – in keinem einzigen Fall eine Verletzung<br />

von Grundrechten i.e.S. durch <strong>de</strong>n Gemeinschaftsgesetzgeber angenommen wor<strong>de</strong>n sei. Er<br />

ermutigt daher das BVerfG, bei eklatanten Grundrechtsverstößen nicht nur verbal mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Unanwendbarkeit von Sekundärrechtsakten zu drohen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n diese auch tatsächlich<br />

festzustellen; vgl. auch T<strong>ra</strong>utwein, Zur Rechtsprechungskompetenz <strong>de</strong>s BVerfG auf <strong>de</strong>m<br />

Gebiet <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrechts, JuS 1997, S. 893 ff., 895 m.w.N., 897.


122<br />

3. Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten 484<br />

Während die Verfassungen von Spanien und Portugal, Irland und Griechenland <strong>de</strong>m<br />

Gemeinschaftsrecht von vornherein einen höheren Rang als ihrem gesamten nationalen Recht<br />

einräumten, 485 bedurfte es in Großbritannien aufgrund <strong>de</strong>s dort vertretenen strikten Dualismus<br />

eines geson<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Gesetzes (European Communities Act 1972), aus welchem sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Vor<strong>ra</strong>ng<br />

<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts gegenüber nationalem Recht ergab, sowie einiger höchstrichterlicher<br />

Entscheidungen. 486<br />

F<strong>ra</strong>nkreich hingegen tat sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Anerkennung <strong>de</strong>s Vor<strong>ra</strong>ngs <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />

schwerer, weil Art. 55 <strong><strong>de</strong>r</strong> f<strong>ra</strong>nzösischen Verfassung einen solchen für völkerrechtliche<br />

Verträge nur gegenüber innerstaatlichen Gesetzen, nicht dagegen gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung<br />

vorsieht. 487 Der Conseil d’Etat folgte <strong>im</strong> Arrêt Nicolo vom 20. Oktober 1989 488 nach<br />

anfänglichem Zögern 489 schließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Cour <strong>de</strong> Cassation und <strong>de</strong>m Conseil Constitutionnel,<br />

die schon am 24. Mai 1975 490 bzw. 30. Dezember 1977 491 <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s EWG-Vert<strong>ra</strong>gs<br />

vor sämtlichen f<strong>ra</strong>nzösischen Gesetzen, nicht jedoch gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung anerkannt<br />

hatten. Um eine <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Kollision mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung auszuschließen, mußte F<strong>ra</strong>nkreich<br />

gemäß einer Entscheidung <strong>de</strong>s Conseil Constitutionnel vom 31. Dezember 1997 vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Ratifikation <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Amsterdam eine Verfassungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung durchführen. 492<br />

484<br />

Einzelheiten bei Bleckmann, Europarecht, 5. Aufl. 1990, Rdnrn. 722 ff., 759 f.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />

Europarecht, 6. Aufl., Rdnrn. 1045 ff., 1095 ff. sowie Schweitzer/Hummer, Europarecht,<br />

4. Aufl., S. 220 ff.<br />

485<br />

Vgl. die Nachweise bei Zuleeg, Die Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Gerichtsbarkeit und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

nationalen Lehre zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht und in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechtsprechung <strong>de</strong>s Gerichtshofs <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften, in: Iliopoulos-<br />

St<strong>ra</strong>ngas (Hrsg.), Grundrechtsschutz <strong>im</strong> europäischen Raum, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1993, S. 231 ff.,<br />

236 f., dort Fn. 30 – 32, 34.<br />

486<br />

So bestätigte <strong><strong>de</strong>r</strong> High Court of Justice of England durch Urteil vom 7.11.1973, C.M.L.R.<br />

12 (1973), S. 819 ff., das House of Lords durch Urteil vom 27.3.1980, C.L.M.R. 28 (1980),<br />

S. 229 ff., sowie schließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Court of Appeal durch Urteil vom 17.4.1980, C.M.L.R. 28<br />

(1980), S. 217 ff., <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts vor englischem Recht.<br />

487<br />

Vgl. zu dieser Problematik Grewe, Fn. 152, S. 24 f.<br />

488<br />

EuGRZ 1990, S. 99 ff., 106.<br />

489<br />

AJDA 1985, S. 216 ff.<br />

490<br />

EuR 1975, S. 326 ff. m. Anm. Bieber.<br />

491<br />

EuR 1978, S. 363 ff. m. Anm. Bieber.<br />

492<br />

EuGRZ 1998, S. 27 ff., 31; vgl. auch Kirchhof, Fn. 18, S. 973.


123<br />

Die größten verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten, <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />

anzuerkennen, hatte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit neben <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen BVerfG die Corte<br />

Costituzionale, <strong><strong>de</strong>r</strong> italienische Verfassungsgerichtshof. 493<br />

Aber auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Dänische Oberste Gerichtshof vert<strong>ra</strong>t in einem Urteil vom 6. April 1998 die<br />

Auffassung, er selbst habe darüber zu befin<strong>de</strong>n, inwieweit ein EG-Rechtsakt die Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

durch das Beitrittsgesetz vorgenommenen Souveränitätsübert<strong>ra</strong>gung überschreitet. Somit wäre<br />

auch von Dänischen Gerichten ein EG-Rechtsakt in Dänemark als unanwendbar zu<br />

bet<strong>ra</strong>chten, wenn ein EG-Rechtsakt, <strong><strong>de</strong>r</strong> vom EuGH aufrechterhalten wur<strong>de</strong>, auf einer Anwendung<br />

<strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs beruht, die von <strong><strong>de</strong>r</strong> Souveränitätsübert<strong>ra</strong>gung durch das Beitrittsgesetz<br />

nicht ge<strong>de</strong>ckt ist. 494<br />

In <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten Luxemburg, Belgien <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n und Spanien dagegen ergingen<br />

höchstrichterliche Entscheidungen, die <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts vor nationalem<br />

Recht ohne größeren Verfassungskonflikt anerkannten. 495 In Österreich 496<br />

und an<strong><strong>de</strong>r</strong>en erst<br />

493<br />

Durch sein Urteil Nr. 170 vom 5.6.1984, EuGRZ 1985, S. 98 ff. m. Anm. Ritterspach,<br />

anerkannte die Corte Costituzionale <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng von Gemeinschaftsverordnungen<br />

gegenüber abweichen<strong>de</strong>n nationalen Gesetzen. Trotz<strong>de</strong>m entschied <strong><strong>de</strong>r</strong> italienische<br />

Verfassungsgerichtshof ähnlich wie das BVerfG, daß Souveränitätsbeschränkungen<br />

aufgrund Art. 11 <strong><strong>de</strong>r</strong> italienischen Verfassung – dieser entspricht Art. 24 GG a.F. bzw.<br />

Art. 23 GG n.F. – nur zur Verfolgung <strong><strong>de</strong>r</strong> pr<strong>im</strong>ärrechtlich festgelegten Ziele ermächtigen<br />

wür<strong>de</strong>n. Sollte die Befürchtung bestehen, daß durch einen Sekundärrechtsakt nach<br />

Art. 249 (ex-Art. 189) E(W)GV die Grundprinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> italienischen verfassungsrechtlichen<br />

Ordnung verletzt wür<strong>de</strong>n, so wäre stets die Ga<strong>ra</strong>ntie <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtskontrolle durch<br />

die Corte Costituzionale gewährleistet, die fortdauern<strong>de</strong> Vereinbarkeit <strong>de</strong>s EWGV mit <strong>de</strong>n<br />

vorgenannten Grundprinzipien zu überprüfen. Pa<strong>ra</strong>llelen zur <strong>de</strong>utschen ult<strong>ra</strong> vires-<br />

Rechtsprechung sind damit unübersehbar. Durch das Urteil Nr. 232 vom 21.4.1989 hat die<br />

Corte Costituzionale <strong>de</strong>n Vorbehalt gegenüber <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht nach wie vor<br />

aufrechterhalten. Weitere Einzelheiten bei Bleckmann, Fn. 484, 5. Aufl., Rdnrn. 761 ff.;<br />

6. Aufl., Rdnrn. 1098 ff.; Schweitzer/Hummer, Fn. 484, S. 220 f.; Zuleeg, Fn. 485, S. 233.<br />

494<br />

Zitat bei Kirchhof, Fn. 18, S. 973. Aus diesem Grund verhält es sich keineswegs so, daß nur<br />

Deutschland Schwierigkeiten einer <strong>de</strong>finitiven Anerkennung <strong>de</strong>s Vor<strong>ra</strong>ngs <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />

hat, so aber Selmayr/Prowald, Fn. 436, S. 269.<br />

495<br />

Vgl. Zuleeg, Fn. 485, S. 235, dort Fn. 19.<br />

496<br />

Z.T. wird in <strong><strong>de</strong>r</strong> österreichischen Lite<strong>ra</strong>tur ebenfalls vertreten, daß sich die bun<strong>de</strong>sverfassungsgesetzliche<br />

Ermächtigung zum Abschluß <strong>de</strong>s Beitrittsvert<strong>ra</strong>gs Österreichs<br />

(ABl. 1994, Nr. C 241, S. 9 ff. i. d. F. ABl. 1995, Nr. L 1, S. 1 ff.) nicht auf Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />

verfassungsrechtlicher Grundprinzipien erstrecke, es also einen sog. „integ<strong>ra</strong>tionsfesten<br />

Vefassungskern“ gebe, <strong><strong>de</strong>r</strong> durch Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nicht ohne weiteres


124<br />

kürzlich beigetretenen Mitgliedstaaten bedarf das Verhältnis <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zu<br />

nationalem Recht erst noch <strong><strong>de</strong>r</strong> verfassungsgerichtlichen Klärung.<br />

V. Anwendung auf das <strong>Religionsrecht</strong><br />

Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft keine explizite Kompetenz<br />

zur Regelung <strong>de</strong>s mitgliedstaatlichen <strong>Religionsrecht</strong>s als solchen übert<strong>ra</strong>gen wor<strong>de</strong>n. Eine<br />

umfassen<strong>de</strong> Regelung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s wäre daher mit <strong>de</strong>m Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten<br />

Ermächtigung unvereinbar. 497<br />

Trotz<strong>de</strong>m besitzt die Gemeinschaft in einigen Bereichen (z.B. Freizügigkeit, Arbeits- und<br />

Sozialrecht) Kompetenzen zum Erlaß gemeinschaftseigener Regelungen. Da das<br />

<strong>Religionsrecht</strong> eine typische Querschnittsmaterie darstellt und somit Berührungspunkte zu<br />

<strong>de</strong>n vielen Materien aufweist, in <strong>de</strong>nen die Gemeinschaft Regelungskompetenzen innehat,<br />

kommt es in Teilbereichen kirchlichen Wirkens (z.B. kirchliches Arbeitsrecht;<br />

Kirchensteuerrecht; diakonisches Wirken) vermehrt zum Erlaß sekundären<br />

Gemeinschaftsrechts, zumal sich die Europäische Integ<strong>ra</strong>tion zunehmend auf<br />

nichtwirtschaftliche Aufgabenfel<strong><strong>de</strong>r</strong> ausweitet. 498<br />

Es kann daher nicht mehr davon gesprochen<br />

wer<strong>de</strong>n, daß es sich be<strong>im</strong> <strong>Religionsrecht</strong> um einen gemeinschaftsrechtfreien Bereich han<strong>de</strong>le.<br />

Der Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Regelungsintensität auf diesem Gebiet richtet sich daher nach <strong>de</strong>m Ausmaß<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Kompetenzen für einzelne religionsrechtlich relevante Materien.<br />

Aufgrund <strong>de</strong>s grundsätzlichen Vor<strong>ra</strong>ngs <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts kann die Rechtsetzung<br />

i.R.d. Gemeinschaftsrechts eine schleichen<strong>de</strong> Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s nationalen Staat-Kirche-<br />

Verhältnisses zur Folge haben, vo<strong>ra</strong>usgesetzt die Regelungen auf sup<strong>ra</strong>nationaler Ebene fallen<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als <strong>im</strong> mitgliedstaatlichen Recht aus. Verstärkt wird dieser Prozeß insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

dadurch, daß die EU <strong><strong>de</strong>r</strong> Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s bisher nur in geringem Maße<br />

Rechnung trägt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n dieses – wie alle Materien, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen<br />

– überwiegend über <strong>de</strong>n Kamm ihrer wirtschaftlichen Bet<strong>ra</strong>chtungsweise schert. Die<br />

genannten Sekundärrechtsakte, in <strong>de</strong>nen religionsrechtliche Belange eigens Berücksichtigung<br />

abgeän<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n könne. Zum Meinungsstand: Peter Fischer/Köck, Fn. 84, S. 113 f., dort<br />

Fn. 261. Griller, Fn. 475, S. 47 f., ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht, daß k<strong>ra</strong>sse Kompetenzüberschreitungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EU durch ult<strong>ra</strong> vires-Akte die rechtliche Möglichkeit einer Nichtanwendung <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts eröffnen.<br />

497<br />

So schon Bleckmann, in: Christoph, Fn. 139, S. 415; Hollerbach, Fn. 17, S. 268; Kalb,<br />

Fn. 393, S. 88.<br />

498<br />

So auch Robbers, Fn. 32, S. 122 f.


125<br />

fan<strong>de</strong>n, dürfen nicht darüber hinweg täuschen, daß das gemeinschaftsrechtliche Arbeits- und<br />

Sozialrecht so gut wie keine Unterscheidung zwischen kirchlichen und sonstigen<br />

Arbeitnehmern trifft – und das, obwohl die Gemeinschaft grundsätzlich von einer ihr<br />

zustehen<strong>de</strong>n Regelungsbefugnis selbst für <strong>de</strong>n liturgischen Bereich von Religionsgemeinschaften<br />

ausgeht. Dies zeigt sich z.B. da<strong>ra</strong>n, daß Art. 17 <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeitrichtlinie für die in<br />

diesem Bereich Beschäftigten eine spezielle Regelung vorsieht. 499<br />

Ebenso macht ein Blick auf die oben dargestellte Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH <strong>de</strong>utlich, daß<br />

dieser nur in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. P<strong>ra</strong>is die Religionsfreiheit als solche <strong>im</strong> Rahmen seiner Judikatur<br />

he<strong>ra</strong>ngezogen hat, obwohl die dargestellten religionsrechtlichen Sachverhalte es weit häufiger<br />

gerechtfertigt hätten, auf diese zurückzugreifen. 500<br />

Da somit – auch ohne explizite Übert<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s auf die EU –<br />

gemeinschaftsrechtliche Best<strong>im</strong>mungen das nationale <strong>Religionsrecht</strong> beeinflussen, erscheint<br />

es zur Wahrung kirchlicher und religiöser Interessen – insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>im</strong> Hinblick auf die<br />

inneren Angelegenheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften – geboten, eine Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelung auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaftsrechtsebene zu erreichen. 501 Die Formulierung religionsrechtlicher<br />

Rechtspositionen auf Gemeinschaftsebene bringt keinesfalls zwingend Nachteile für die<br />

einzelnen Religionsgemeinschaften mit sich. Aufgrund <strong>de</strong>s Vor<strong>ra</strong>ngs <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />

vor nationalem Recht könnte einer Religionsgemeinschaft durchaus über das<br />

Gemeinschaftsrecht eine Rechtsposition erwachsen, welche dieser nach nationalem Recht<br />

bisher nicht gewährt wird. In Deutschland beispielsweise ist an Schulen Religion bislang nur<br />

für evangelische und römisch-katholische getaufte Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> als or<strong>de</strong>ntliches Unterrichtsfach<br />

anerkannt, obwohl auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Religionsgemeinschaften (z.B. Freikirchen) <strong>de</strong>n Status einer<br />

K.d.ö.R. genießen. Gemeinschaftsrechtlich könnte <strong><strong>de</strong>r</strong>en Glaubensauffassung über die<br />

Schaffung entsprechen<strong><strong>de</strong>r</strong> Dienstposten an öffentlichen Schulen ebenfalls berücksichtigt<br />

wer<strong>de</strong>n, wie dies z.B. in Österreich für die islamische Glaubensgemeinschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist. 502<br />

Da eine pr<strong>im</strong>ärrechtliche Neuregelung i.S.d. Art. 48 (ex-Art. N) Abs. 1 EUV die Ratifizierung<br />

aller Mitgliedstaaten gemäß <strong><strong>de</strong>r</strong>en verfassungsrechtlichen Vorschriften vo<strong>ra</strong>ussetzt, kann in<br />

Mitgliedstaaten, in welchen <strong>de</strong>n Religionsgemeinschaften in nur geringerem Ausmaße Rechte<br />

zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, mit über<strong>ra</strong>schen<strong>de</strong>n Neuerungen eher nicht gerechnet wer<strong>de</strong>n. Etwas<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>es gilt jedoch für beitrittswillige Staaten, nach <strong><strong>de</strong>r</strong>en nationalen Best<strong>im</strong>mungen Kirchen<br />

und Religionsgemeinschaften nur ein beschei<strong>de</strong>nes individuelles und institutionelles<br />

499<br />

Einzelheiten s.u. K.V.2.a).<br />

500<br />

Ebenso Kalb, Fn. 393, S. 91.<br />

501<br />

Ähnlich Robbers, Fn. 181, S. 85 = LS 3; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993,<br />

S. 108.<br />

502<br />

Vgl. Helmut Schnizer, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 113.


126<br />

<strong>Religionsrecht</strong> kennen: Zwar wird ein Beitrittskandidat – bei Erfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />

<strong>de</strong>s Art. 49 (ex-Art. O) EUV – ebenfalls nur Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> wer<strong>de</strong>n, wenn er zusätzlich<br />

die nationalen Hür<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Beitritts – Zust<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Parlaments, u.U. Volksabst<strong>im</strong>mung –<br />

n<strong>im</strong>mt; bei einem Beitritt ist jedoch grds. <strong><strong>de</strong>r</strong> aquis communitaire, d.h. das gesamte<br />

Gemeinschaftsrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklungsstufe, das dieses <strong>im</strong> Zeitpunkt <strong>de</strong>s Beitrittes innehat,<br />

vom Beitrittskandidaten zu übernehmen. Ein potentieller Mitgliedstaat wird aus diesem Grund<br />

weitergehen<strong>de</strong> Rechte für Kirchen und Religionsgemeinschaften aller Wahrscheinlichkeit<br />

nach akzeptieren, will er nicht <strong>de</strong>n Beitritt als solchen zunichte machen.


D. Die Erklärung Nr. 11 zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />

weltanschaulichen Gemeinschaften<br />

127<br />

Die Erklärung Nr. 11 zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften<br />

(„Kirchenerklärung“) wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte <strong>de</strong>s am 2. Oktober 1997 durch die Staats- und<br />

Regierungschefs <strong><strong>de</strong>r</strong> EU unterzeichneten Vert<strong>ra</strong>gs von Amsterdam als gemeinsame Erklärung<br />

beigefügt. Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich insofern um ein Novum, als zum ersten Mal Kirchen und<br />

religiöse Vereinigungen in einem von einer Regierungskonferenz ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>ten Vert<strong>ra</strong>g<br />

explizit erwähnt wur<strong>de</strong>n; dies ist als weiteres Indiz für einen Übergang <strong><strong>de</strong>r</strong> EU von <strong><strong>de</strong>r</strong> bisher<br />

reinen Wirtschaftsgemeinschaft hin zur politischen <strong>Union</strong> zu werten.<br />

I. Anlaß für die Schaffung eines Kirchenartikels<br />

In <strong>de</strong>n ersten Jahrzehnten <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG konnte das mitgliedstaatlich verfaßte <strong>Religionsrecht</strong> noch<br />

weitgehend als „gemeinschaftsfest“ bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Jedoch wur<strong>de</strong>n von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />

– bestätigt durch <strong>de</strong>n EuGH – viele originär mitgliedstaatliche Materien, z.B. <strong>im</strong> kulturellen<br />

Bereich, durch das Herstellen eines Bezugs zum Wirtschaftsleben in <strong><strong>de</strong>r</strong>en Regelungsbefugnis<br />

einbezogen. 503<br />

Vor allem aber wur<strong>de</strong>n die Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft durch Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gründungsverträge erweitert. Heutzutage stellt sich die EU als staatsähnliche<br />

Organisationsform dar, die mehr und mehr Bereiche gesellschaftlichen und politischen Lebens<br />

unter ihrem Dach vereinigt. Die Gemeinschaftskompetenzen, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auf <strong>de</strong>n Gebieten<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Lohngleichheit von Mann und F<strong>ra</strong>u, <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bildungspolitik, erstrecken sich nunmehr auch auf Bereiche kirchlichen Wirkens, für die <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

nationale Gesetzgeber teilweise ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht für Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften anerkannt hatte. Die wirtschaftliche Bet<strong>ra</strong>chtungsweise, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> die<br />

Gemeinschaft auch nicht pr<strong>im</strong>är wirtschaftliche Materien beurteilte, nährte kirchlicherseits die<br />

Befürchtung, es könne mittelbar zu einer g<strong>ra</strong>duellen Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten kommen, soweit die Kompetenzf<strong>ra</strong>ge hinsichtlich <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s nicht<br />

positivrechtlich auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts geklärt wür<strong>de</strong>.<br />

503 Vgl. z.B. EuGH, Rs. 155/73 (Sacchi/Tribunale di Biella), Slg. 1974, S. 409 ff., wonach bei<br />

Fernsehsendungen die Regeln über <strong>de</strong>n Dienstleistungsverkehr, vgl. Art. 55 (ex-Art. 66)<br />

i.V.m. Art. 47 (ex-Art. 57) Abs. 2 EGV, Anwendung fin<strong>de</strong>n sollen.


128<br />

Aus diesem Grun<strong>de</strong> sollte auf <strong>de</strong>n Erlaß einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift hingewirkt<br />

wer<strong>de</strong>n, aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong>er die Europäische <strong>Union</strong> das in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten stark divergieren<strong>de</strong><br />

<strong>Religionsrecht</strong> respektieren müsse und nicht zum Gegenstand von<br />

Harmonisierungsbestrebungen machen dürfe. 504<br />

Dieses Kirchenstatut sollte also explizit<br />

klarstellen, daß allein die Mitgliedstaaten zum Erlaß religionsrechtlicher Materien<br />

regelungsbefugt seien, <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft hingegen keine diesbezügliche Kompetenz<br />

übert<strong>ra</strong>gen wor<strong>de</strong>n sei. Angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> Ten<strong>de</strong>nz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, bestehen<strong>de</strong> Unterschie<strong>de</strong><br />

zwischen <strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu nivellieren, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstoß in erster<br />

Linie <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Großkirchen gut nachvollziehbar, da diesen durch <strong>de</strong>n nationalen<br />

Verfassungsgesetzgeber weitgehen<strong>de</strong> Rechte (Kirchensteuerrecht, Staatsleistungen, Religion<br />

als or<strong>de</strong>ntliches Lehrfach an öffentlichen Schulen usw.), eingeräumt wor<strong>de</strong>n sind, die sich<br />

nicht in gleichem Ausmaß auf Gemeinschaftsebene wie<strong><strong>de</strong>r</strong>fin<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>m gemeinsam vom Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD sowie <strong>de</strong>m Sekretariat <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen<br />

Bischofskonferenz he<strong>ra</strong>usgegebenen „Memo<strong>ra</strong>ndum zur Rechtsstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Vert<strong>ra</strong>gswerk <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>“ wer<strong>de</strong>n die sechs<br />

offiziell von bei<strong>de</strong>n Kirchen angestrebten Ziele erwähnt, die durch die Einfügung einer<br />

Best<strong>im</strong>mung in die Gründungsverträge erreicht wer<strong>de</strong>n sollten:<br />

„(1) die Mitwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung Europas;<br />

(2) die Sicherung <strong><strong>de</strong>r</strong> bestehen<strong>de</strong>n staatskirchenrechtlichen Systeme auf Verfassungsebene in<br />

<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten;<br />

(3) die Vermeidung von Verdrängung: kein einzelstaatliches System <strong>de</strong>s Verhältnisses von<br />

Staat und Kirche verdrängt ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es;<br />

(4) die Grundlegung angemessener religionsrechtlicher Strukturen <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht;<br />

(5) die Vermeidung je<strong><strong>de</strong>r</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung von Religion und Religionsgemeinschaften gegenüber<br />

gesellschaftlichen Kräften auf Gemeinschaftsebene;<br />

(6) die Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Kompetenzen <strong>im</strong> Staatskirchenrecht.“ 505<br />

II. Reformvorschläge<br />

504 Marcus-Helmons, EI 1996, S. 6 f., 7; Robbers, Fn. 103, S. 623.<br />

505 Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD/Sekretariat <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Memo<strong>ra</strong>ndum,<br />

S. 4.


129<br />

1. Ant<strong>ra</strong>g <strong>de</strong>s Bayerischen Senats zur „Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religions- und<br />

Weltanschauungsgemeinschaften <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrechts“<br />

Strenggenommen muß als Ausgangspunkt zur Schaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ant<strong>ra</strong>g <strong>de</strong>s<br />

Bayerischen Senats vom 12. Oktober 1989 zur „Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religions- und<br />

Weltanschauungsgemeinschaften <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrechts“<br />

genannt wer<strong>de</strong>n. 506 Daß ein solcher Ant<strong>ra</strong>g vom Bayerischen Senat stammte, muß nicht<br />

verwun<strong><strong>de</strong>r</strong>n, da von <strong>de</strong>n 60 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> zum 1. Januar 2000 aufgrund eines Volksentschei<strong>de</strong>s<br />

durch Gesetz abgeschafften 2. Gesetzgebungskammer in Bayern 507<br />

alleine die Großkirchen<br />

und Wohltätigkeitsverbän<strong>de</strong> jeweils 5 Senatoren stellten.<br />

2. Kirchliche Überlegungen <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD über „<strong>Das</strong> <strong>de</strong>utsche Staatskirchenrecht und die<br />

Entwicklung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrechts“<br />

Als weiterer Schrittmacher für die spätere Kirchenerklärung ist das 1991 erschienene<br />

14 Thesen umfassen<strong>de</strong> Papier <strong>de</strong>s Rates <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD zu erwähnen, das zum pr<strong>im</strong>ären Anliegen<br />

hatte, „<strong>de</strong>utsche staatskirchenrechtliche Positionen auch gegenüber Rechtsentwicklungen in<br />

<strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften zur Geltung zu bringen“. 508 Dabei t<strong>ra</strong>t die EKD schon zum<br />

damaligen Zeitpunkt dafür ein, „daß die Regelung staatskirchenrechtlicher Beziehungen<br />

vor<strong>ra</strong>ngig in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten verbleibt.“ 509<br />

3. Die „Gemeinsame Stellungnahme zum Verhältnis von Staat und Kirche <strong>im</strong> Blick auf<br />

die Europäische <strong>Union</strong>“<br />

506<br />

BaySen-Drucks. 289/89; vgl. hierzu: Christoph, Fn. 443, dort Fn. 8, sowie Hollerbach,<br />

Fn. 17, S. 264 f.<br />

507<br />

Ein vom Senat gegen seine Auflösung be<strong>im</strong> BayVerfGH eingeb<strong>ra</strong>chter Normenkontrollant<strong>ra</strong>g<br />

nach Art. 75 Abs. 3 BV wur<strong>de</strong> von diesem durch Urteil vom 17.9.1999<br />

zurückgewiesen, vgl. nur PNP Nr. 218 vom 18.9.1999, S. 13, obwohl ein Isensee-Gutachten<br />

die Verfassungswidrigkeit <strong>de</strong>s quorenlosen Volksentschei<strong>de</strong>s – teilweise mit Erfolg –<br />

propagiert hatte, vgl. hierzu Jung, 50 Jahre verfassungswidrige P<strong>ra</strong>xis <strong><strong>de</strong>r</strong> Volksgesetzgebung<br />

in Bayern?, BayVBl. 1999, S. 417 ff.<br />

508<br />

Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD (Hrsg.), Fn. 395, S. 375.<br />

509<br />

Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD (Hrsg.), Fn. 395, S. 379, These 13 a.E.


130<br />

Konkreter wur<strong>de</strong>n die Überlegungen <strong>de</strong>s EKD-Kirchenamtes und <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bischofskonferenz<br />

durch die „Gemeinsame Stellungnahme zum Verhältnis von Staat und Kirche <strong>im</strong><br />

Blick auf die Europäische <strong>Union</strong>“ vom Januar 1995, die nicht nur in <strong>de</strong>utscher, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch<br />

in englischer und f<strong>ra</strong>nzösischer Sp<strong>ra</strong>che erschien. 510 Diese Schrift sollte sowohl<br />

Bun<strong>de</strong>sregierung als auch Gemeinschaftsorganen die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU<br />

vor Augen führen und zugleich einen Bet<strong>ra</strong>g zur rechtlichen Ve<strong>ra</strong>nkerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchen <strong>im</strong> Gesamtgefüge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft liefern. Zu<strong>de</strong>m sollte durch die Gemeinsame<br />

Stellungnahme eine gemeinschaftsrechtliche Rechtsangleichung aufgrund <strong>de</strong>s<br />

Art. 95 (ex-Art. 100a) EGV – und damit die Gefahr eines Übergriffs <strong>de</strong>s f<strong>ra</strong>nzösischen<br />

Trennungsmo<strong>de</strong>lls auf Mitgliedstaaten mit einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en religionsrechtlichen Selbstverständnis<br />

– ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n. 511<br />

4. <strong>Das</strong> „Memo<strong>ra</strong>ndum zur Rechtsstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong><br />

Vert<strong>ra</strong>gswerk <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>“<br />

Kurze Zeit nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinsamen Stellungnahme erschien – ebenfalls vom Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EKD und <strong>de</strong>m Sekretariat <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bischofskonferenz he<strong>ra</strong>usgegeben – das oben<br />

erwähnte „Memo<strong>ra</strong>ndum zur Rechtsstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong><br />

Vert<strong>ra</strong>gswerk <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>“, das zur Ergänzung <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs einen konkreten<br />

Vorschlag folgen<strong>de</strong>n Wortlauts enthielt:<br />

510 Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD/Sekretariat <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Zum Verhältnis<br />

von Staat und Kirche <strong>im</strong> Blick auf die Europäische <strong>Union</strong>. Gemeinsame Stellungnahme zu<br />

F<strong>ra</strong>gen <strong>de</strong>s europäischen Einigungsprozesses, Sekretariat <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bischofskonferenz,<br />

Bonn 1995, S. 8: „Für die weitere Entwicklung wird viel davon abhängen, ob und wie es<br />

gelingt, das christliche Erbe auf regionaler Ebene, auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ebenso<br />

wie auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften (EG’en), <strong>de</strong>m Fundament <strong><strong>de</strong>r</strong> EU-<br />

Integ<strong>ra</strong>tion (vgl. Art. A Abs. 3 Satz 1 EU-Vert<strong>ra</strong>g) sowie schließlich auch auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Union</strong> selbst wachzuhalten und weiter zu entfalten.“<br />

S. 26: „Konkret be<strong>de</strong>utet dies, daß die Kirchen in <strong>de</strong>n Prozeduren und Strukturen <strong><strong>de</strong>r</strong> EG<br />

bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> EU einen angemessenen, ihre Eigenart respektieren<strong>de</strong>n Platz fin<strong>de</strong>n müssen.<br />

Wünschenswert wäre insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e eine Ve<strong>ra</strong>nkerung <strong>im</strong> pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrecht<br />

(...).“<br />

511 Grote, MD 1996, S. 32 f., 33.


131<br />

„Die Gemeinschaft achtet die verfassungsrechtliche Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften in<br />

<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten als Ausdruck <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten und ihrer Kulturen sowie<br />

als Teil <strong>de</strong>s gemeinsamen kulturellen Erbes.“ 512<br />

5. Verhandlungsvorschlag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>ts<br />

Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Anregungen formulierte <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>t einen eigenen<br />

Verhandlungsvorschlag. Durch diesen sollte Art. 6 (ex-Art. F) EUV durch einen 5. Absatz<br />

folgen<strong>de</strong>n Wortlauts ergänzt wer<strong>de</strong>n:<br />

„Die <strong>Union</strong> achtet die verfassungsrechtliche Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften in <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten als Ausdruck <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten und als Bestandteil <strong>de</strong>s<br />

gemeinsamen kulturellen Erbes.“ 513<br />

Wenn man <strong>de</strong>n Verhandlungsvorschlag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>ts und auch <strong>de</strong>n Entwurf aus <strong>de</strong>m<br />

Memo<strong>ra</strong>ndum mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Endfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung Nr. 11 vergleicht, so fällt zunächst auf, daß<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Passus <strong><strong>de</strong>r</strong> „verfassungsrechtlichen Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften“ keine Berücksichtigung<br />

fand. Dies hängt damit zusammen, daß das <strong>Religionsrecht</strong> nicht in allen<br />

Mitgliedstaaten ausschließlich auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Verfassungsrechts geregelt wird.<br />

6. Vorschlag <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS und ComECE<br />

Pa<strong>ra</strong>llel zu <strong>de</strong>n bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Bemühungen b<strong>ra</strong>chten EECCS 514 und ComECE 515 einen<br />

gemeinsamen Vorschlag ein, <strong><strong>de</strong>r</strong> die verschie<strong>de</strong>nen Texte ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> harmonisierte. 516<br />

Die Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit an <strong>de</strong>m Vorschlag, <strong><strong>de</strong>r</strong> i.R.d. Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gsrevision eingeb<strong>ra</strong>cht<br />

wur<strong>de</strong>, bestand darin, daß er sowohl <strong>im</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g – Art. 236 EGV a.F. war aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schaffung von Art. 48 (ex-Art. N) EUV einstweilen frei – als auch <strong>im</strong> EU-Vert<strong>ra</strong>g – als<br />

512<br />

Memo<strong>ra</strong>ndum, Fn. 505, S. 3.<br />

513<br />

BR-Drucks. 667/95, Anlage S. 18 Nr. 19; abgedruckt bei Robbers, Fn. 103, S. 623; <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Entwurf wur<strong>de</strong> durch die <strong>de</strong>utschen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> „Reflexionsgruppe zur Vorbereitung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Regierungskonferenz 1996“ eingeb<strong>ra</strong>cht; vgl. auch Conring, Fn. 25, S. 396, dort Fn. 47.<br />

514<br />

S.o. B.III.2.b).<br />

515<br />

S.o. B.III.1.d).<br />

516<br />

Vgl. hierzu Ehnes, Fn. 248, S. 51.


132<br />

Einfügung zwischen Art. 6 Abs. 3 EUV und Art. 6 Abs. 4 EUV – kirchliche Positionen auf<br />

europäischer Ebene ve<strong>ra</strong>nkert hätte:<br />

Art. 236 EGV a.F.<br />

„Die Europäische Gemeinschaft respektiert das <strong>de</strong>n Kirchen und <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten eigene Rechtssystem und die Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit ihrer internen<br />

Strukturen.“ 517<br />

Art. F Abs. 3 EUV a.F.<br />

„Die Europäische <strong>Union</strong> erkennt die beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />

Religionsgemeinschaften in <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>ntität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten sowie das<br />

gemeinsame kulturelle Erbe <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Völker an.“<br />

Die Vorschläge sowohl <strong>im</strong> Memo<strong>ra</strong>ndum als auch diejenigen von Seiten <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>ts bzw.<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS und ComECE weisen eine Gemeinsamkeit auf: Sie betonen <strong>de</strong>n Beit<strong>ra</strong>g <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Hinblick auf das „gemeinsame kulturelle Erbe“.<br />

Daß in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezug zum kulturellen Erbe fallengelassen wur<strong>de</strong>, kann<br />

als erster Hinweis da<strong>ra</strong>uf ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n, daß <strong>Religionsrecht</strong> und Kultur zwei<br />

unterschiedliche Regelungsmaterien verkörpern, die gemeinschaftsrechtlich exakt zu trennen<br />

sind. 518<br />

III. Durchsetzbarkeit einer verbindlichen Vorschrift<br />

Eine Best<strong>im</strong>mung über die Kirchen und religiösen Vereinigungen wäre für die Gemeinschaftsorgane<br />

je<strong>de</strong>nfalls dann verbindlich gewesen, wenn sie als eigener Artikel in <strong>de</strong>n EG-<br />

Vert<strong>ra</strong>g o<strong><strong>de</strong>r</strong> EU-Vert<strong>ra</strong>g eingefügt wor<strong>de</strong>n wäre.<br />

Selbst durch Aufnahme einer bloßen Protokollbest<strong>im</strong>mung wäre zweifelsfrei eine verbindliche<br />

Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsverfassung ve<strong>ra</strong>nkert<br />

wor<strong>de</strong>n, da Art. 311 (ex-Art. 239) EGV festlegt, daß die <strong>de</strong>m EG-Vert<strong>ra</strong>g <strong>im</strong> gegenseitigen<br />

Einvernehmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten beigefügten Protokolle „integ<strong>ra</strong>ler“ bzw. „integrieren<strong><strong>de</strong>r</strong>“<br />

Bestandteil <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs sind. 519<br />

Ein Protokoll über Kirchen und weltanschauliche<br />

Gemeinschaften wäre von <strong><strong>de</strong>r</strong> Ratifizierung <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs durch die Mitglied-<br />

517<br />

EI 1/1996, S. 6.<br />

518<br />

Vgl. hierzu ausführlich unten F.<br />

519<br />

So auch Stotz, Fn. 92, S. 737.


133<br />

staaten mitumfaßt und infolge<strong>de</strong>ssen <strong>de</strong>m Pr<strong>im</strong>ärrecht zurechenbar gewesen. 520<br />

Daß seitens<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungskonferenz – trotz ursprünglich sehr viel weitergehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschläge – da<strong>ra</strong>uf<br />

verzichtet wur<strong>de</strong>, auch nur ein Protokoll zum EG-Vert<strong>ra</strong>g zu schaffen, macht <strong>de</strong>utlich, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Wille <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, eine neue vert<strong>ra</strong>gliche Bindung einzugehen, trotz <strong>de</strong>s Bemühens<br />

um eine einheitliche Formulierung kaum vorhan<strong>de</strong>n war.<br />

Als Grund hierfür kann angeführt wer<strong>de</strong>n, daß Frei- und Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen in einer<br />

verbindlichen Vorschrift die Gefahr einer Festschreibung <strong><strong>de</strong>r</strong> bestehen<strong>de</strong>n religionsrechtlichen<br />

Verhältnisse, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e von Beitrittskandidaten mit diskr<strong>im</strong>inieren<strong>de</strong>n religionsrechtlichen<br />

Systemen, sahen. 521 Politisch relevanter aber dürften die Vorbehalte <strong><strong>de</strong>r</strong>jenigen Mitgliedstaaten<br />

gegen eine verbindliche Erklärung gewesen sein, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Verfassungsrecht keine<br />

korpo<strong>ra</strong>tiven Rechte von Kirchen und Religionsgemeinschaften kennt, wie dies z.B. bei<br />

F<strong>ra</strong>nkreich <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist. 522<br />

Die Schaffung einer verbindlichen Rechtsvorschrift auf Gemein-<br />

schaftsebene hätte aufgrund <strong>de</strong>s Vor<strong>ra</strong>ngs <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts nicht nur für das Hexagon<br />

eine ungewollte Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s nationalen <strong>Religionsrecht</strong>s mit sich bringen können.<br />

IV. Rechtliche Be<strong>de</strong>utung von Erklärungen<br />

Es muß daher geklärt wer<strong>de</strong>n, welcher Rang <strong><strong>de</strong>r</strong> ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>ten „Erklärung Nr. 11 zum<br />

Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften“ <strong>im</strong> Gemeinschaftsgefüge<br />

zukommt.<br />

1. Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH<br />

Der EuGH hat zur rechtlichen Qualität von Erklärungen bisher nur in Ansätzen Stellung<br />

bezogen. Grundsätzlich hält er gemeinsame Erklärungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, wie z.B. die<br />

Europäische Sozialcharta vom 18. November 1961, gemeinschaftsrechtlich für nicht<br />

520<br />

Vgl. Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 6.<br />

521<br />

S.u. D.V.5.<br />

522<br />

Vgl. Brenner, Politische Willensbekundung, MD 1998, S. 9 f., 10. Kirchen haben in<br />

F<strong>ra</strong>nkreich lediglich Vereinsstatus.


134<br />

verbindlich. 523 An<strong><strong>de</strong>r</strong>es könne nur dann gelten, wenn dies die Gemeinschaftstreue gemäß<br />

Art. 10 (ex-Art. 5) EGV bzw. die Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>gsziele erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten. 524<br />

Da durch die Kirchenerklärung kein Vert<strong>ra</strong>gsziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 2 (ex-Art. 2) f. EGV nachhaltig<br />

geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wird, könnte höchstens die Gemeinschaftstreue, welche gleichermaßen von Seiten<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft gegenüber ihren Mitgliedstaaten zu beachten ist, die Notwendigkeit einer<br />

Rechtsverbindlichkeit begrün<strong>de</strong>n. Hie<strong>ra</strong>n ist allerdings insofern zu zweifeln, als die<br />

Mitgliedstaaten selbst keine verbindliche Rechtsform zur Absicherung ihres <strong>Religionsrecht</strong>s<br />

wählten. Zwar bezweckten einzelne Mitgliedstaaten die Schaffung einer pr<strong>im</strong>ärrechtlichen<br />

Best<strong>im</strong>mung; diese konnten sich jedoch aufgrund <strong>de</strong>s Einst<strong>im</strong>migkeitsprinzips nicht<br />

durchsetzen. Da die Gemeinschaftstreue nicht nur gegenüber <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten in ihrer<br />

Gesamtheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch gegenüber einzelnen Mitgliedstaaten gelten muß, ließe sich<br />

eine Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur Beachtung <strong>de</strong>s Erklärungsinhalts vertreten.<br />

An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits kennt das Gemeinschaftsrecht über das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung und<br />

<strong>de</strong>n Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen I<strong>de</strong>ntität ohnehin Möglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Berücksichtigung<br />

mitgliedstaatlicher Interessen, die kein Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis für eine Aufweichung <strong>de</strong>s<br />

bestehen<strong>de</strong>n Systems, das zwischen verbindlichen Protokollen und i.d.R. unverbindlichen<br />

Erklärungen unterschei<strong>de</strong>t, begrün<strong>de</strong>t.<br />

2. Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung<br />

Wenn auch die Erklärung <strong>de</strong>m Wortlaut nach nicht auf eine Stufe mit einer bloßen<br />

Absichtserklärung gestellt wer<strong>de</strong>n kann, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich wie ein verbindlicher Rechtsakt liest<br />

(„achtet“), verleiht dies allein einer Erklärung noch keinen verbindlichen Cha<strong>ra</strong>kter o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

rechtfertigt es, von einer Art „Vorstufe zum Vollrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“ 525<br />

zu sprechen. Daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

523 EuGH, Rs. 43/75 (Defrenne/Sabena), Slg. 1976, S. 455 ff., 478; ähnlich bzgl. einer<br />

Entschließung zum f<strong>ra</strong>nzösischen und italienischen Tabakmonopol: EuGH, Rs. 59/75<br />

(St<strong>ra</strong>fverfahren gegen Flavia Manghe<strong>ra</strong> u.a.), Slg. 1976, S. 91 ff., 102.<br />

524 Everling, Zur rechtlichen Wirkung von Beschlüssen, Entschließungen, Erklärungen und<br />

Vereinbarungen <strong>de</strong>s Rates o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften,<br />

S. 133 ff., 150 f. Einer mitgliedstaatlichen Entschließung, die als Konkretisierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitwirkungspflichten <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten gemäß Art. 10 (ex-Art. 5) EGV angesehen<br />

wer<strong>de</strong>n kann, kann daher u.U. volle Verbindlichkeit zukommen, EuGH, Rs. 141/78<br />

(F<strong>ra</strong>nkreich/Großbritannien), Slg. 1979, S. 2923 ff., 2942; Rs. 32/79 (Kommission/<br />

Großbritannien), Slg. 1980, S. 2432; Rs. 804/79 (Kommission/Großbritannien), Slg. 1981,<br />

S. 1045 ff., 1075.<br />

525 Robbers, Fn. 103, S. 635.


135<br />

Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung sich wie eine verbindliche Rechtsvorschrift liest, hängt<br />

ausschließlich damit zusammen, daß ihre Formulierung <strong>de</strong>m geän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Vorschlag <strong>de</strong>s<br />

Memo<strong>ra</strong>ndums entlehnt wur<strong>de</strong>, das als verbindliche Vorschrift konzipiert war. 526<br />

3. Erklärungen innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Systematik <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />

Mangels einer positivrechtlichen Best<strong>im</strong>mung über die Verbindlichkeit, wie sie in<br />

Art. 311 (ex-Art. 239) EGV für Protokolle festgelegt wur<strong>de</strong>, muß grds. von einer<br />

Unverbindlichkeit von Erklärungen ausgegangen wer<strong>de</strong>n. Grund hierfür ist, daß Erklärungen<br />

<strong>im</strong> Gegensatz zu Protokollen einem pr<strong>im</strong>ärrechtlichen Vert<strong>ra</strong>g (EGV o<strong><strong>de</strong>r</strong> EUV) nicht<br />

beigefügt wer<strong>de</strong>n. Daher han<strong>de</strong>lt es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung Nr. 11 nicht um Pr<strong>im</strong>ärrecht. An<br />

diesem Befund än<strong><strong>de</strong>r</strong>t auch die Tatsache nichts, daß alle Mitgliedstaaten die Schlußakte zum<br />

Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam ihrem jeweiligen Ratifikationsverfahren unterworfen haben. 527<br />

Ebenso wie die Gemeinschaftsorgane einerseits nur zum Han<strong>de</strong>ln berechtigt sind, wenn sie<br />

sich auf eine Ermächtigungsgrundlage <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht stützen können, vgl. Art. 5 (ex-Art. 3b)<br />

Abs. 1 EGV, wer<strong>de</strong>n sie an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits nur durch die <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht genannten<br />

Handlungsformen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten verpflichtet. Die Mitgliedstaaten können Pr<strong>im</strong>ärrecht<br />

nur in <strong><strong>de</strong>r</strong> vert<strong>ra</strong>glich hierfür vorgesehenen Weise, namentlich durch das formelle<br />

Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsverfahren gemäß Art. 48 (ex-Art. N) EUV än<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 528 Etwas an<strong><strong>de</strong>r</strong>es kann<br />

höchstens aufgrund von Gemeinschaftsgewohnheitsrecht angenommen wer<strong>de</strong>n. 529<br />

Zum gleichen Ergebnis wür<strong>de</strong> man über die konsequente Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> innergemeinschaftlichen<br />

Normenhie<strong>ra</strong>rchie gelangen: Für Gemeinschaftsorgane ist nur höher<strong>ra</strong>ngiges<br />

gemeinschaftsrechtliches Pr<strong>im</strong>ärrecht verbindlich. Erklärungen können mangels <strong>de</strong>s<br />

Bindungswillens <strong>de</strong>s pouvoir constituant, <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungskonferenz, we<strong><strong>de</strong>r</strong> als höher<strong>ra</strong>ngig<br />

noch als Pr<strong>im</strong>ärrecht angesehen wer<strong>de</strong>n. Die Nichtbeachtung eines unverbindlichen<br />

Rechtsaktes durch ein Gemeinschaftsorgan stellt keinen Verstoß gegen höher<strong>ra</strong>ngiges<br />

Gemeinschaftsrecht und somit keinen Nichtigkeitsgrund i.S.d. Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 2<br />

EGV dar. 530<br />

526<br />

Memo<strong>ra</strong>ndum, Fn. 505, S. 3 f.<br />

527<br />

So auch Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 7, dort Fn. 8; Geiger, EGV, Art. 239, Rdnr. 4.<br />

528<br />

Vgl. Everling, Fn. 524, S. 152 f.<br />

529<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen unten D.IV.6.<br />

530<br />

Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 486.


136<br />

Zwar wird man eine solche gemeinsame Erklärung für be<strong>de</strong>utsamer halten müssen, als eine<br />

Erklärung einzelner Mitgliedstaaten, da alle Vert<strong>ra</strong>gsparteien mit ihrem Inhalt einverstan<strong>de</strong>n<br />

waren; <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterschied zwischen einer gemeinsamen Erklärung, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung,<br />

und einer Erklärung nur einzelner Mitgliedstaaten besteht jedoch lediglich darin, daß erstere<br />

gemäß <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte zum jeweiligen Vert<strong>ra</strong>g von <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungskonferenz angenommen,<br />

eine einseitige Erklärung hingegen lediglich zur Kenntnis genommen wur<strong>de</strong>. 531<br />

4. Einordnung gemeinsamer Erklärungen in völkerrechtliche Kategorien<br />

Gerhard Robbers ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht, daß gemeinsame Erklärungen als völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g<br />

i.S.d. Art. 31 Abs. 2 WVRK angesehen wer<strong>de</strong>n könnten, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>shalb, weil alle<br />

Mitgliedstaaten übereinst<strong>im</strong>mend zugesagt hätten, sich hie<strong>ra</strong>n halten zu wollen. 532<br />

Diese<br />

Aussage soll genauer untersucht wer<strong>de</strong>n.<br />

a) Rechtswirkung völkerrechtlicher Verträge <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />

Selbst wenn man zunächst davon ausginge, die Kirchenerklärung stelle einen<br />

völkerrechtlichen Vert<strong>ra</strong>g dar, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Mitgliedstaaten an <strong>de</strong>ssen Inhalt bin<strong>de</strong>, so wäre ein<br />

Rückschluß dahingehend, daß diese Bindung auch für sup<strong>ra</strong>nationale Gemeinschaftsorgane<br />

gälte, in dieser Ve<strong>ra</strong>llgemeinerung unzutreffend.<br />

Die Gemeinschaft ist zur Beachtung von Völkerrecht – wenn man einmal von <strong>de</strong>n völkerrechtlichen<br />

Abkommen aufgrund Art. 293 (ex-Art. 220) EGV, die <strong><strong>de</strong>r</strong> För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft dienen und daher als begleiten<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrecht bezeichnet wer<strong>de</strong>n,<br />

einmal absieht 533 – nur <strong>im</strong> Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 300 (ex-Art. 228) EGV sowie<br />

Art. 307 (ex-Art. 234) EGV verpflichtet. 534<br />

Selbst als völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g wür<strong>de</strong> die<br />

Kirchenerklärung nicht in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich einer dieser bei<strong>de</strong>n Vorschriften fallen, da<br />

531<br />

Vgl. nur Schlußakte zum AV, Ziff. III; Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. IX u. S. 5 f.<br />

532<br />

Vgl. Robbers, Fn. 103, S. 624.<br />

533<br />

<strong>Das</strong> wohl wichtigste völkerrechtliche Abkommen <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s begleiten<strong>de</strong>n<br />

Gemeinschaftsrechts ist das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die<br />

Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Han<strong>de</strong>lssachen vom<br />

27. September 1968 (EuGVÜ) in <strong><strong>de</strong>r</strong> Form <strong>de</strong>s jeweiligen Beitrittsübereinkommens, vgl.<br />

hierzu nur Vachek, Fallbeispiele zur Anwendung <strong>de</strong>s EuGVÜ <strong>im</strong> Unternehmensbereich,<br />

WiB 1997, S. 54 ff., 110 ff., 157 f., 220 ff.<br />

534<br />

Vgl. hierzu Vachek, Fn. 437, S. 148.


137<br />

sie nicht mit Drittstaaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en internationalen Organisationen abgeschlossen wur<strong>de</strong>,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>en Vert<strong>ra</strong>uen in <strong>de</strong>n Bestand <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs es zu schützen gilt.<br />

b) Tatbestandsmerkmale eines völkerrechtlichen Vert<strong>ra</strong>gs<br />

Nicht je<strong>de</strong> Vereinbarung zwischen Staatenvertretern kann in<strong>de</strong>s schon als völkerrechtlicher<br />

Vert<strong>ra</strong>g angesehen wer<strong>de</strong>n, und nur letzterem kommt eine rechtliche Verbindlichkeit zu. 535<br />

Damit eine Vereinbarung zwischen Staatenvertretern als völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g qualifiziert<br />

wer<strong>de</strong>n kann, müssen die Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>s Art. 2 Nr. 1 lit. a WVRK erfüllt sein, d.h. eine<br />

internationale Vereinbarung ist erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, die von Staatenvertretern in schriftlicher Form<br />

geschlossen und – unabhängig von ihrer jeweiligen Bezeichnung – <strong>de</strong>m Völkerrecht unterstellt<br />

wird. 536<br />

Es wäre ge<strong>ra</strong><strong>de</strong>zu wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sinnig, wenn einer i.R.d. Gemeinschaftsrechts ergangenen Erklärung,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> ihrer Rechtsform nach keine Rechtswirkung zukommen sollte, über <strong>de</strong>n Umweg <strong>de</strong>s<br />

Völkerrechts eine Rechtsverbindlichkeit zuerkannt wür<strong>de</strong>.<br />

Wahrscheinlicher ist <strong>de</strong>mnach, daß Erklärungen – ebenso wie die Luxemburger Vereinbarung<br />

vom 29. Januar 1966 – lediglich als rechtlich unverbindliches gentlemen’s agreement bzw. als<br />

gemeinsame politische Absichtserklärung mit nur „außerrechtlicher“ Verpflichtung anzusehen<br />

sind. 537<br />

Eine solche Vereinbarung erfüllt alle Vo<strong>ra</strong>ussetzungen eines völkerrechtlichen<br />

Vert<strong>ra</strong>gs i.S.d. <strong>de</strong>s Art. 2 Nr. 1 lit. a WVRK mit Ausnahme <strong>de</strong>s Merkmals „<strong>de</strong>m Völkerrecht<br />

unterstellt“.<br />

Demnach sind Erklärungen allenfalls als nur „politische Willensbekundungen“ 538 ohne<br />

gemeinschafts- und völkerrechtliche Rechtsverbindlichkeit einzustufen. 539<br />

5. Politische Selbstbindung bei gemeinsamen Erklärungen<br />

535 Streinz, Die Luxemburger Vereinbarung, S. 36 f.<br />

536 Streinz, Fn. 535, S. 37.<br />

537 Streinz, Fn. 535, S. 42 ff.; selbst <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat hat die Luxemburger Vereinbarung nicht als<br />

rechtsverbindlich e<strong>ra</strong>chtet, vgl. ABl. 1982, Nr. C 129, S. 4 ff.<br />

538 So auch Brenner, Fn. 522, S. 9.<br />

539 Im Ergebnis ebenso für die Kirchenerklärung, allerdings ohne Begründung: Stotz, Fn. 92,<br />

S. 737.


138<br />

Auch wenn Erklärungen keine rechtliche Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane mit sich bringen,<br />

da es sich nicht um Pr<strong>im</strong>ärrecht han<strong>de</strong>lt, könnte man hier eventuell von einer politischen<br />

Selbstbindung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Rat vereinigten Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten als rechtsetzen<strong>de</strong>m<br />

Gemeinschaftsorgan ausgehen, die Erklärung i.R.d. Erlasses von Sekundärrecht für sich als<br />

verbindlich zu e<strong>ra</strong>chten. Eine solche Selbstbindung ließe sich dadurch konstruieren, daß man<br />

eine Teili<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>s Rates als Gemeinschaftsorgan mit <strong><strong>de</strong>r</strong>, die Kirchenerklärung<br />

ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, Regierungskonferenz ann<strong>im</strong>mt. Während sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat gemäß<br />

Art. 203 (ex-Art. 146) EGV aus je einem Vertreter eines Mitgliedstaats auf Ministerebene<br />

zusammensetzt und befugt ist, für die Regierung <strong>de</strong>s Mitgliedstaats verbindlich zu han<strong>de</strong>ln,<br />

besteht die Regierungskonferenz ebenfalls aus Staatenvertretern, die ihren Mitgliedstaat<br />

repräsentieren. Eine Selbstbindung <strong>de</strong>s Rates ließe sich jedoch mit seiner Stellung als echtes<br />

Gemeinschaftsorgan gemäß Art. 4 Abs. 1 EGV nur schwer vereinbaren, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat „<strong>de</strong>nn<br />

doch etwas an<strong><strong>de</strong>r</strong>es und mehr ist als eine Regierungskonferenz“. 540<br />

Als Gemeinschaftsorgan ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat an das verbindliche Pr<strong>im</strong>ärrecht, grundsätzlich nicht an<br />

nationales Verfassungsrecht, gebun<strong>de</strong>n. Hans-Georg Kamann dagegen sieht die Ratsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

neben ihrer Organstellung <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht zugleich auch als Repräsentanten<br />

ihrer Mitgliedstaaten; allein ihre Stellung <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht führe nicht zur Aufgabe<br />

ihrer I<strong>de</strong>ntität als Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> staatlicher Organe. 541 Allerdings ist auch für Kamann die<br />

Rückbindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungsvertreter <strong>im</strong> Rat nicht grenzenlos; vielmehr will er sie auf die<br />

Bindung an nationale Grundrechte sowie das Demok<strong>ra</strong>tieprinzip beschränkt wissen. 542<br />

Nach<br />

dieser Ansicht dürfte z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utsche Ratsvertreter keinem Art. 4 GG zuwi<strong><strong>de</strong>r</strong>laufen<strong>de</strong>n<br />

Sekundärrechtsakt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zust<strong>im</strong>men, wobei ähnlich wie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Solange-<br />

Rechtsprechung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts allenfalls <strong><strong>de</strong>r</strong> Wesensgehalt <strong>de</strong>s Grundrechts<br />

– nicht dagegen je<strong>de</strong> Konkretisierung <strong>de</strong>s Schutzbereichs durch das BVerfG – von Be<strong>de</strong>utung<br />

sein dürfte. Eine Rückbindung an die Kirchenerklärung selbst, die kein nationales Recht<br />

darstellt, wird man auch nach dieser Ansicht nur schwer annehmen können.<br />

Vertritt man dagegen die Gegenansicht von Gert Nicolaysen, nach <strong><strong>de</strong>r</strong> die Ratsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> ihre<br />

Funktion ausschließlich aufgrund <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts und losgelöst vom mitgliedstaatlichen<br />

Verfassungsrecht ausüben, gelangt man ohnehin nicht zu einer nationalen<br />

Rückbindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ratsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Plastisch stellt dieser die Weisungsfreiheit <strong>de</strong>s Rates he<strong>ra</strong>us:<br />

Wenn sich die Türen hinter <strong>de</strong>n Ministern zur Ratssitzung geschlossen hätten, seien diese<br />

540<br />

Nicolaysen, Ansichten zur Gemeinschaftsverfassung, EuR 1987, S. 299 ff., 303.<br />

541<br />

Kamann, Die Mitwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Parlamente <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten an <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen<br />

Gesetzgebung, S. 265 f.<br />

542<br />

Kamann, Fn. 541, S. 263.


139<br />

nichts an<strong><strong>de</strong>r</strong>es als Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Gemeinschaftsorgans Rat und als solche nur noch in die<br />

Rechtsordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaften eingebun<strong>de</strong>n. 543<br />

Letzterer Ansicht scheint auch <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH zuzuneigen, wenn er in ständiger Rechtsprechung<br />

he<strong>ra</strong>usstellt, daß es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgewalt um eine eigenständige, von <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten losgelöste Hoheitsgewalt han<strong>de</strong>lt und daß selbst ein Verstoß eines Gemeinschaftsrechtsaktes<br />

gegen nationales Verfassungsrecht gemeinschaftsrechtlich unbeachtlich<br />

wäre. 544<br />

6. Gemeinschaftsgewohnheitsrecht<br />

Wenn die unverbindliche Kirchenerklärung künftig ausnahmslos beachtet wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>,<br />

könnte sie zum verbindlichen Gemeinschaftsgewohnheitsrecht mutieren. Die Vo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />

für die Entstehung von Gewohnheitsrecht innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft sind <strong>de</strong>m<br />

allgemeinen Völkerrecht entlehnt. So kann durch anhalten<strong>de</strong> Übung (consuetudo) und Rechtsüberzeugung<br />

(opinio iuris) verbindliches Recht entstehen, welches das bestehen<strong>de</strong><br />

Gemeinschaftsrecht ergänzt o<strong><strong>de</strong>r</strong> än<strong><strong>de</strong>r</strong>t. 545 Diese ungeschriebene, aber verbindliche Rechtsform<br />

hätte die Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit, gleichlauten<strong>de</strong>m unverbindlichen, aber gesetztem Recht (<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchenerklärung) zu entsprechen. Allerdings wird man das Entstehen von Gemeinschaftsgewohnheitsrecht<br />

heutzutage sehr restriktiv zu beurteilen haben. Nach überwiegen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Auffassung stellt nicht einmal die Luxemburger Vereinbarung <strong><strong>de</strong>r</strong>artiges Gemeinschaftsgewohnheitsrecht<br />

dar, obwohl sie über fast zwei Jahrzehnte hinweg <strong>im</strong> Rat p<strong>ra</strong>ktiziert<br />

wur<strong>de</strong>. 546<br />

Hierfür spricht, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat die Luxemburger Vereinbarung nicht mehr einhält,<br />

ohne daß es hierzu einer vorherigen Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung bedurft hätte. Seit <strong>de</strong>m Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

543<br />

Nicolaysen, Tabak<strong>ra</strong>uch, Gemeinschaftsrecht und Grundgesetz. Zum BVerfG-Beschluß<br />

vom 12.5.1989 – 2 BvQ 3/89 –, EuR 1989, S. 215 ff., 218 f.<br />

544<br />

Z.B. EuGH, Rs. 11/70 (Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr- und Vor<strong>ra</strong>tsstelle für<br />

Getrei<strong>de</strong> und Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff., 1135, Rz. 3; vgl. hierzu die Ausführungen<br />

unter C.IV.1, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Fn. 452. Auch das BVerfG hat in einer frühen Entscheidung die<br />

Eigenständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgewalt anerkannt; BVerfGE 22, S. 293 ff., 296: „Damit<br />

ist eine neue öffentliche Gewalt entstan<strong>de</strong>n, die gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsgewalt <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen<br />

Mitgliedstaaten selbständig und unabhängig ist; ihre Akte b<strong>ra</strong>uchen daher von <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten we<strong><strong>de</strong>r</strong> bestätigt („<strong>ra</strong>tifiziert“) zu wer<strong>de</strong>n noch können sie von ihnen<br />

aufgehoben wer<strong>de</strong>n.“<br />

545<br />

Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 17.<br />

546<br />

Vgl. v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Harnier, Bd. 3, Vorbemerkung zum Fünften Teil,<br />

Rdnr. 14, Fn. 46 m.w.N.; a.A. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 177.


140<br />

Einheitlichen <strong>Europäischen</strong> Akte (EEA) 547 am 1. Juli 1987 hat kein Mitgliedstaat mehr<br />

versucht, sich auf <strong>de</strong>n Luxemburger Kompromiß zu berufen, um ein Vetorecht zu<br />

beanspruchen, obwohl <strong>im</strong>mer mehr Rechtsakte – auch in Bereichen vitaler Interessen<br />

einzelner Mitgliedstaaten – gegen <strong><strong>de</strong>r</strong>en Willen mit qualifizierter Mehrheit erlassen<br />

wur<strong>de</strong>n. 548<br />

7. Beachtlichkeit einer Erklärung bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung durch <strong>de</strong>n EuGH<br />

Ausgangspunkt zur Klärung <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine unverbindliche Erklärung bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Auslegung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zu beachten hat, ist Art. 220 (ex-Art. 164) EGV. Nach<br />

dieser Vorschrift sichert <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Wahrung <strong>de</strong>s Rechts bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung und<br />

Anwendung dieses Vert<strong>ra</strong>gs. Die Aufgabenbeschreibung nach Art. 220 (ex-Art. 164) EGV ist<br />

jedoch nur sehr unvollständig; anerkannterweise hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH vielmehr alle Rechtsquellen<br />

<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen, wozu neben <strong>de</strong>m pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrecht<br />

auch das sekundäre und begleiten<strong>de</strong> Gemeinschaftsrecht, die allgemeinen Rechtsgrundsätze<br />

und das Gemeinschaftsgewohnheitsrecht zählen. 549<br />

Außerhalb <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts können gemeinsame Erklärungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten als<br />

sog. „Auslegungsübereinkunft“ i.S.d. Art. 31 Abs. 2 lit. a WVRK he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n. 550<br />

Aber auch innerhalb <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH unverbindlichen Rechtsakten<br />

547<br />

ABl. 1987, Nr. L 169, S. 1 ff.<br />

548<br />

Im Gegensatz zur Luxemburger Vereinbarung wird durch die i.R.d. Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs<br />

eingefügte Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 11 (ex-Art. 5a) Abs. 2 UAbs. 2 Satz 2 EUV hinsichtlich<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> verstärkten Zusammenarbeit gemäß Art. 43, 44 (ex-Art. K.15, K.16) EUV tatsächlich<br />

von <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeit einer mitgliedstaatlichen Blocka<strong>de</strong>politik aufgrund nicht näher<br />

nachprüfbarer „wichtiger Grün<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Politik“ auszugehen sein, vgl. hierzu<br />

Ukrow, Die Fortentwicklung <strong>de</strong>s Rechts <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von<br />

Amsterdam, ZEuS 1998, S. 141 ff., 149.<br />

549<br />

Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 447 f. Buck, Auslegungsmetho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s EuGH, S. 36 ff.,<br />

37, erwähnt zwar explizit die „von <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten dazu [zu <strong>de</strong>n Gründungsverträgen]<br />

vereinbarten Protokolle und abgegebene Erklärungen zu <strong>de</strong>n Verträgen“. Ob hierunter auch<br />

Erklärungen zur Schlußakte o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber nur Erklärungen zu einzelnen Mitgliedstaaten (z.B.<br />

Dänemark) zu verstehen sind, bleibt unklar, da er fortführt: „Ihm [<strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht]<br />

zuzurechnen sind ebenfalls die nach Maßgabe <strong>de</strong>s Art. 239 EGV <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g beigefügte<br />

Protokolle.“ Auch v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Krück, Bd. 4, Art. 164, Rdnr. 13,<br />

erwähnt lediglich die gemäß Art. 311 (ex-Art. 239) EGV beigefügten Protokolle.<br />

550<br />

Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 6 f.


141<br />

insofern eine gewisse rechtserhebliche Be<strong>de</strong>utung zuerkannt, als er z.B. zur Auslegung <strong>de</strong>s<br />

gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Defrenne III 551 die<br />

rechtlich unverbindliche Europäische Sozialcharta vom 18. November 1961 und in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rs. Johnston 552 die ebenfalls unverbindliche Gemeinsame Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Versammlung, <strong>de</strong>s<br />

Rates und <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission vom 5. April 1977 553 he<strong>ra</strong>ngezogen hat. 554 Aus diesem Grun<strong>de</strong><br />

kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung i.R.d. Anerkennung einer gemeinschaftsrechtlichen Bereichsausnahme<br />

für Kirchen und Religionsgemeinschaften durch <strong>de</strong>n EuGH rechtliche Relevanz<br />

zukommen. 555<br />

8. Beachtlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung i.R.d. Richtlinienumsetzung durch <strong>de</strong>n<br />

nationalen Gesetzgeber<br />

Teilweise wird vertreten, ein Mitgliedstaat könne sich i.R.d. Richtlinienumsetzung auf die<br />

Kirchenerklärung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Weise berufen, daß eine Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung nicht als<br />

Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht angesehen wer<strong>de</strong>n könne. 556<br />

Diese Auffassung läßt sich mit <strong>de</strong>m Grundsatz <strong>de</strong>s Vor<strong>ra</strong>ngs <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts vor<br />

nationalem und allgemeinem Völkerrecht nicht vereinbaren. Zwar n<strong>im</strong>mt das Gemeinschaftsrecht<br />

völkerrechtliche Regelungen in sich auf; 557 Konflikte zwischen bei<strong>de</strong>n Rechtsordnungen<br />

müssen jedoch vom Gemeinschaftsrecht – z.B. über Art. 307 (ex-Art. 234) EGV – und nicht<br />

vom Völkerrecht her gelöst wer<strong>de</strong>n. 558 Selbst wenn es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung um eine<br />

völkerrechtlich verbindliche Rechtsvorschrift han<strong>de</strong>ln sollte, was soeben verneint wur<strong>de</strong>, 559<br />

müßte die Relevanz <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung für die Richtlinienauslegung innerhalb <strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen<br />

Normengefüges gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

551 EuGH, Rs. 149/77 (Defrenne/Sabena), Slg. 1978, S. 1365 ff., 1379, Rz. 26/29.<br />

552 EuGH, Rs. 222/84 (Johnston/Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary), Slg. 1986,<br />

S. 1651 ff., 1682, Rz. 18.<br />

553 ABl. 1977, Nr. C 103, S. 1 ff.<br />

554 Vgl. Obwexer, Status quo <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, in:<br />

Hummer/Schweitzer (Hrsg.), S. 53 ff., 63.<br />

555 In diese Richtung auch Ehnes, Fn. 248, S. 51, sowie Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 27.<br />

556 Robbers, Fn. 27, S. 154.<br />

557 EuGH, Rs. 104/81 (Hauptzollamt Mainz/Kupferberg), Slg. 1982, S. 3641 ff.<br />

558 Everling, Fn. 524, S. 156.<br />

559 S.o. D.IV.4.b).


142<br />

Es wäre inkonsequent und mit <strong>de</strong>m Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts sowie mit <strong>de</strong>m Gebot<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftstreue, Art. 10 (ex-Art. 5) EGV, nicht zu vereinbaren, wenn die Mitgliedstaaten<br />

versuchten, <strong>de</strong>m Inhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung durch Nicht- o<strong><strong>de</strong>r</strong> fehlerhafte Umsetzung<br />

von Richtlinien Rechnung zu t<strong>ra</strong>gen, da sie nach Art. 249 (ex-Art. 189) Abs. 3 EGV<br />

hinsichtlich <strong>de</strong>s zu erreichen<strong>de</strong>n Ziels <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie je<strong>de</strong>nfalls gebun<strong>de</strong>n sind. Umzusetzen<strong>de</strong>s<br />

verbindliches Sekundärrecht steht daher <strong>im</strong> Rang über einer unverbindlichen Erklärung zur<br />

Schlußakte.<br />

9. Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung als Vorbehalt<br />

Die Kirchenerklärung kann mit <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Erklärung betreffend <strong>de</strong>n Berg Athos<br />

(Erklärung Nr. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte <strong>de</strong>s Beitrittsvert<strong>ra</strong>gs) 560 anläßlich <strong>de</strong>s Beitritts Griechenlands<br />

zur Gemeinschaft verglichen wer<strong>de</strong>n, durch welche die Gemeinschaft anerkennt, daß die<br />

durch Art. 105 <strong><strong>de</strong>r</strong> griechischen Verfassung verbürgte Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelung für <strong>de</strong>n Berg Athos<br />

geistlich und religiös begrün<strong>de</strong>t ist und sie dafür Sorge trägt, daß diese Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelung bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Anwendung und späteren Ausarbeitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts,<br />

insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Zoll- und Steuerbefreiungen sowie <strong>de</strong>s Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungsrechts,<br />

berücksichtigt wird. 561<br />

Die gemeinsame Erklärung betreffend <strong>de</strong>n Berg Athos stellt in<strong>de</strong>ssen<br />

kein verbindliches Pr<strong>im</strong>ärrecht dar, da sie nicht auf <strong><strong>de</strong>r</strong> sich durch Art. 311 (ex-Art. 239) EGV<br />

ergeben<strong>de</strong>n Stufe verbindlichen Rechts steht.<br />

Auch han<strong>de</strong>lt es sich hierbei nicht um einen Vorbehalt, <strong><strong>de</strong>r</strong> etwa mit <strong>de</strong>mjenigen Dänemarks<br />

hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme an <strong><strong>de</strong>r</strong> dritten Stufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschafts- und Währungsunion,<br />

vergleichbar wäre. 562<br />

Dem Vorbehalt Dänemarks liegt vielmehr ein verbindlicher Beschluß<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong> Rat vereinigten Staats- und Regierungschefs zugrun<strong>de</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> zusammen<br />

mit <strong>de</strong>m Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Maastricht wirksam wur<strong>de</strong>. Mit diesem Vorbehalt<br />

wur<strong>de</strong> sozusagen das Einverständnis Dänemarks zu einer intensiveren Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion<br />

durch ein Zugeständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> übrigen Mitgliedstaaten „erkauft“. Hiermit läßt sich die – keinen<br />

Mitgliedstaat speziell bevorzugen<strong>de</strong> – Kirchenerklärung keinesfalls vergleichen.<br />

560 Dokumente betreffend <strong>de</strong>n Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Republik Griechenland zu <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong><br />

Gemeinschaften, Schlußakte; ABl. 1979, Nr. L 291, S. 179 ff.<br />

561 ABl. 1979, Nr. L 291, S. 186. Robbers, Fn. 103, S. 624.<br />

562 Beschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong> Rat vereinigten Staats- und Regierungschefs anläßlich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Tagung vom 11./12. Dezember 1992 in Edinburgh, ABl. 1992, Nr. C 348, S. 2,<br />

Abschnitt B.


143<br />

Soweit die Gemeinschaft allerdings eine gemeinsame Erklärung dauerhaft beachtet, wie dies<br />

hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Erklärung betreffend <strong>de</strong>n Berg Athos z.B. be<strong>im</strong> Erlaß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Richtlinie 92/12/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, <strong>de</strong>n<br />

Besitz, die Beför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung und die Kontrolle verb<strong>ra</strong>uchsteuerpflichtiger Waren 563 geschehen ist,<br />

könnte dies die Entstehung von Gemeinschaftsgewohnheitsrecht 564<br />

för<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />

Im übrigen hat Griechenland wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt eine einseitige Erklärung zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />

weltanschaulichen Gemeinschaften <strong>im</strong> Hinblick auf <strong>de</strong>n Berg Athos abgegeben. 565 Wenn<br />

allerdings schon die gemeinsame Erklärung betreffend <strong>de</strong>n Berg Athos rechtlich<br />

unverbindlich ist, gilt dies erst recht für diese neuerliche einseitige Erklärung, zumal diese von<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Amsterdamer Regierungskonferenz nicht einmal angenommen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich zur<br />

Kenntnis genommen wur<strong>de</strong>. 566 Eine solche Erklärung ist nicht einmal als Auslegungsübereinkunft,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n als bloße Urkun<strong>de</strong> i.S.d. Art. 31 Abs. 2 lit. b WVRK zu werten. 567<br />

Die Kirchenerklärung kann daher nicht als Vorbehalt wirken.<br />

10. Zusammenfassung<br />

Der Vorschlag von Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Großkirchen hat – wie auch die Bemühungen<br />

von Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>t, EECCS und ComECE – mit <strong>de</strong>m endgültigen Resultat <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung<br />

das beabsichtigte Ziel einer gemeinschaftsrechtlich verbindlichen Rechtsform <strong>de</strong>finitiv nicht<br />

erreicht; die gemeinsame Erklärung kann trotz ihres verbindlich klingen<strong>de</strong>n Wortlauts nicht<br />

zum pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrecht gerechnet wer<strong>de</strong>n. 568<br />

Daß die Kirchenerklärung als bloße<br />

„Erklärung“ ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, anstatt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Form eines ein<strong>de</strong>utig verbindlichen Rechtsakts<br />

zu ergehen, muß prinzipiell dahingehend verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamtheit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten ein Rechtsakt ohne Bindungswillen beabsichtigt war.<br />

563 ABl. 1992, Nr. L 76, S. 1 ff.; Art. 2 Abs. 5 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL lautet: „Die Best<strong>im</strong>mungen dieser<br />

Richtlinie stehen <strong><strong>de</strong>r</strong> Beibehaltung <strong>de</strong>s von Artikel 105 <strong><strong>de</strong>r</strong> griechischen Verfassung<br />

ga<strong>ra</strong>ntierten Status <strong>de</strong>s Berges Athos in Griechenland nicht entgegen.“<br />

564<br />

S.o. D.IV.6.<br />

565<br />

Erklärung Nr. 8: „Unter Bezugnahme auf die Erklärung zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />

weltanschaulichen Gemeinschaften erinnert Griechenland an die Gemeinsame Erklärung<br />

betreffend <strong>de</strong>n Berg Athos <strong>im</strong> Anhang zur Schlußakte <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs über <strong>de</strong>n Beitritt<br />

Griechenlands zu <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften.“<br />

566<br />

S.o. D.IV.3.<br />

567<br />

Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 7.<br />

568<br />

So auch Ehnes, Fn. 248, S. 51.


144<br />

Auch die <strong>im</strong> Rat vereinigten Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten unterliegen <strong>im</strong><br />

Hinblick auf die Kirchenerklärung keiner Selbstbindung, zumal nicht einmal ein völkerrechtlich<br />

verpflichten<strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>g abgeschlossen wur<strong>de</strong>. Keinesfalls dürfen die Mitgliedstaaten<br />

unter Berufung auf die Erklärung an<strong><strong>de</strong>r</strong>slauten<strong>de</strong>s Sekundärrecht „erklärungskonform“<br />

auslegen. In Zweifelsf<strong>ra</strong>gen sollte <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong> Sekundärrechtsakt <strong>de</strong>m EuGH i.R.d. Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahrens<br />

nach Art. 234 (ex-Art. 177) EGV vorgelegt wer<strong>de</strong>n; allein dieser<br />

wäre berechtigt, die Kirchenerklärung trotz ihres unverbindlichen Cha<strong>ra</strong>kters bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Auslegung <strong>de</strong>s Sekundärrechtsaktes zu berücksichtigen. Sollten die Gemeinschaftsorgane die<br />

Kirchenerklärung dauerhaft bei ihrer Rechtsetzung berücksichtigen, könnte dies zu<strong>de</strong>m die<br />

Entstehung von Gemeinschaftsgewohnheitsrecht för<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />

V. Würdigung <strong>de</strong>s Inhalts <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung<br />

1. Schaffung eigener religionsrechtlicher Begriffe auf Gemeinschaftsebene<br />

Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung wur<strong>de</strong>n erstmals in die Schlußakte einer Konferenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertreter<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten die Begriffe „Kirche und religiöse Vereinigungen“<br />

aufgenommen. Hierdurch ist eine autonome, gemeinschaftsrechtliche Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> fünf<br />

verschie<strong>de</strong>nen, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung erwähnten Gruppierungen – Kirchen, religiöse Vereinigungen,<br />

religiöse Gemeinschaften, weltanschauliche Organisationen, nichtkonfessionelle<br />

Organisationen – möglich gewor<strong>de</strong>n.<br />

a) „Kirche“<br />

Vgl. zum Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche die obigen Ausführungen unter A.II.2.a)aa).<br />

b) „Religiöse Gemeinschaft“<br />

Innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU existieren an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Religionsgemeinschaften, die sich nicht mit <strong>de</strong>m<br />

spezifisch christlichen Begriff einer „Kirche“ i<strong>de</strong>ntifizieren können. Unter <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

religiösen Gemeinschaft kann daher beispielsweise die jüdische Kultusgemeinschaft<br />

subsumiert wer<strong>de</strong>n.<br />

c) „Religiöse Vereinigung“<br />

Im Unterschied zu Kirchen und religiösen Gemeinschaften verfolgen religiöse Vereinigungen<br />

i.d.R. nur begrenzte religiöse Zwecke, wie dies z.B. bei Or<strong>de</strong>n, Kongregationen,<br />

Missionsvereinen o<strong><strong>de</strong>r</strong> karitativen Verbän<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist.


145<br />

d) „Weltanschauliche Organisation“<br />

Unter einer weltanschaulichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> „philosophischen“ 569 Organisation versteht man eine<br />

Gemeinschaft, die ebenso wie eine Religionsgemeinschaft best<strong>im</strong>mte Aussagen zum<br />

Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel menschlichen Lebens formuliert, wobei sich<br />

diese – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als eine t<strong>ra</strong>nszen<strong>de</strong>ntale Aspekte beinhalten<strong>de</strong> Religion – auf innerweltliche,<br />

d.h. grds. wissenschaftlich nachvollziehbare Bezüge beschränkt. 570<br />

e) „Nichtkonfessionelle Organisation“<br />

Hierunter sind Organisationen zu verstehen, die zwar ebenfalls religiöse bzw.<br />

weltanschauliche Zielsetzungen verfolgen, als Plattform jedoch keine Verbindung zu einer<br />

best<strong>im</strong>mten Konfession, Denomination o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppierung wählen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n autonom sind.<br />

f) Folgerungen aus <strong>de</strong>n neuen Begrifflichkeiten<br />

In kirchennahen Kreisen wer<strong>de</strong>n solche gemeinschaftsrechtlichen Begriffsprägungen teilweise<br />

als unnötig, ja sogar „riskant“ angesehen. 571<br />

Jedoch bringt die Erklärung positiv zum Ausdruck, daß auch auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />

nicht nur die individuelle Religionsfreiheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch religionsrechtliche<br />

Institutionen wahrgenommen wer<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> sich auf die Religionsfreiheit berufen.<br />

Somit besteht auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts keine „Kirchenblindheit“ mehr.<br />

Vielmehr existieren Kirchen und Religionsgemeinschaften nunmehr als gesellschaftlicher<br />

Faktor innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU.<br />

F<strong>ra</strong>glich ist in<strong>de</strong>s, ob die Kirchenerklärung als Beleg dafür he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n kann, daß<br />

die EU künftig gesellschaftliche Kräfte zwischen Mitgliedstaat und Privatperson wahrn<strong>im</strong>mt.<br />

572<br />

Meines E<strong>ra</strong>chtens muß weiterhin von einer Zweiteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Institutionen auf<br />

mitgliedstaatlicher Ebene ausgegangen wer<strong>de</strong>n: Entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> han<strong>de</strong>lt es sich bei <strong>de</strong>n Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften um juristische Personen <strong>de</strong>s Privatrechts – dann sind Richtlinienbest<strong>im</strong>mungen<br />

grds. nicht unmittelbar anwendbar – o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber es han<strong>de</strong>lt sich um <strong>de</strong>m Staat<br />

569 Im englischen Text heißt es: „The European <strong>Union</strong> equally respects the status of<br />

philosophical and non-confessional organisations.“; vgl. Rie<strong>de</strong>l, Reform <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

<strong>Union</strong> durch <strong>de</strong>n Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g – Bilanz <strong><strong>de</strong>r</strong> EU-Regierungskonferenz, S. 73 ff., 82,<br />

dort Fn. 25.<br />

570<br />

Vgl. Seifert/Hömig/Bergmann, GG, Art. 4, Rdnr. 4; BVerwGE 90, S. 115.<br />

571<br />

Joseph H. Kaiser, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 105.<br />

572<br />

So Brenner, Fn. 522, S. 10.


146<br />

zuzuordnen<strong>de</strong> Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts. Im letzteren Fall wären die Kirchen<br />

und Religionsgemeinschaften, wie die Mitgliedstaaten selbst, Adressaten von Richtlinien. 573<br />

Die Schaffung eigener Begrifflichkeiten für Kirchen und Religionsgemeinschaften in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchenerklärung stellt insofern eine Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit dar, als <strong><strong>de</strong>r</strong> bisher weitestgehend<br />

funktional strukturierten Gemeinschaft hierdurch kirchliche Institutionen als solche in ihr<br />

Blickfeld gerückt wer<strong>de</strong>n. 574<br />

2. Gleichstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> weltanschaulichen und nichtkonfessionellen Organisationen<br />

Durch die Erklärung wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Status, <strong>de</strong>n die Kirchen und religiöse Vereinigungen bzw.<br />

Gemeinschaften in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten nach <strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechtsvorschriften genießen, geachtet und<br />

als unantastbar erklärt. Für weltanschauliche und nichtkonfessionelle Organisationen 575<br />

wird<br />

die Achtung <strong>de</strong>s Status in Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung ebenso ga<strong>ra</strong>ntiert.<br />

F<strong>ra</strong>glich ist daher, ob sich letztgenannte Organisationen gleichfalls auf einen unantastbaren<br />

Status berufen können, da sich die Gleichstellung <strong>de</strong>m Wortlaut „ebenso“ nach lediglich auf<br />

die Achtung <strong>de</strong>s Status zu beziehen scheint. Da die Erklärung aber ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> bezweckt, eine<br />

Exemtion für religiöse und weltanschauliche Organisationen gleichermaßen zu schaffen, muß<br />

davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, daß weltanschaulichen und nichtkonfessionellen Organisationen<br />

gleichsam ein gemeinschaftsrechtlich unantastbarer Status zukommt. Hierfür spricht ge<strong>ra</strong><strong>de</strong><br />

auch die tatsächliche Schwierigkeit, eine exakte Trennlinie zwischen Religion und Weltanschauung<br />

zu ziehen. 576<br />

3. Keine Verleihung neuer, originärer Rechte<br />

573 Vgl. hierzu die Ausführungen unten J.<br />

574 So auch Robbers, Fn. 181, S. 99; vgl. auch die Ausführungen oben C.I.2.e).<br />

575 In <strong>de</strong>n ursprünglichen Entwürfen war übrigens keine Re<strong>de</strong> von weltanschaulichen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

nichtkonfessionellen Organisationen. Die Sicherung <strong>de</strong>s Status weltanschaulicher<br />

Gemeinschaften erfolgte erst auf ausdrücklichen Wunsch <strong><strong>de</strong>r</strong> belgischen Regierung, <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Verfassungslage insoweit eine Pa<strong>ra</strong>llele zu Art. 137 Abs. 7 i.V.m. Art. 140 GG aufweist.<br />

576 Im <strong>de</strong>utschen Recht ist daher eine Wahlfeststellung (entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung)<br />

ausreichend, vgl. Seifert/Hömig/Bergmann, GG, Art. 4, Rdnr. 5.


147<br />

Die Kirchenerklärung bringt zum Ausdruck, daß die Rechtsstellung von Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften nicht auf Gemeinschaftsebene, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

festgelegt wird. Den in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung aufgezählten Institutionen wer<strong>de</strong>n daher gemeinschaftsrechtlich<br />

keine eigenen, originären Rechte zuerkannt; ein Rechtsstatus wird durch die<br />

Erklärung nur bestätigt, soweit er <strong>im</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten schon existiert. 577<br />

Im Klartext be<strong>de</strong>utet dies, daß ein geringer mitgliedstaatlich gewährter korpo<strong>ra</strong>tiver Status<br />

gemeinschaftsrechtlich in keinster Weise verbessert wird. 578 Genießen Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauungsgemeinschaften 579 dagegen, wie z.B. in Deutschland,<br />

einen privilegierten Status, wird dieser nicht angetastet. Die Erklärung stärkt damit we<strong><strong>de</strong>r</strong> die<br />

individuelle Religionsfreiheit, die bisher pr<strong>im</strong>ärrechtlich an keiner Stelle explizit geregelt ist,<br />

noch schafft sie eine korpo<strong>ra</strong>tive D<strong>im</strong>ension <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit auf Gemeinschaftsebene. 580<br />

Vielmehr wird durch die Erklärung lediglich <strong><strong>de</strong>r</strong> bestehen<strong>de</strong> innerstaatliche Status von<br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften aufrechterhalten. Die Erklärung muß daher in erster<br />

Linie als Bemühen <strong><strong>de</strong>r</strong> Großkirchen zur Sicherung ihres status quo verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, die auf<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungskonferenz ohne größere Schwierigkeiten als gemeinsame Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n konnte, da es je<strong>de</strong>m Mitgliedstaat ohne weiteres<br />

möglich war, für die Aufrechterhaltung seines bisherigen <strong>Religionsrecht</strong>s zu st<strong>im</strong>men. Auch<br />

die Schaffung eines geregelten Anhörungsverfahren für Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

i.R.d. gemeinschaftsrechtlichen Rechtsetzungsverfahrens bei F<strong>ra</strong>gen mit religionsrechtlichem<br />

Bezug, das <strong>im</strong> Vorfeld <strong><strong>de</strong>r</strong> Amsterdamer Regierungskonferenz zur Sp<strong>ra</strong>che gekommen war, 581<br />

wur<strong>de</strong> dort nicht weiterverfolgt.<br />

4. Kirchen und Religionsgemeinschaften als „legit<strong>im</strong>e Partner“ <strong><strong>de</strong>r</strong> EU?<br />

577<br />

Vgl. auch Nanz/Silberberg, Fn. 98, S. 375.<br />

578<br />

Turowski, Fn. 238, S. 213, hatte vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterzeichnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung bemängelt,<br />

daß Kirchen in vielen europäischen Staaten und <strong>im</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft<br />

nicht über einen Körperschaftsstatus verfügten, <strong><strong>de</strong>r</strong> sie in die Lage versetzen wür<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>n<br />

Instanzen <strong><strong>de</strong>r</strong> EG unmittelbar rechtlich zu kooperieren, wodurch es zu Nachteilen <strong>im</strong><br />

Bereich kirchlicher Interessenwahrnehmung käme. An diesem grundsätzlichen Problem hat<br />

sich durch die Erklärung nichts geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />

579<br />

Vgl. Art. 140 i.V.m. Art. 137 Abs. 7 WRV.<br />

580<br />

Letzeres regte v. Campenhausen, Fn. 74, S. 412, ebenfalls vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterzeichnung <strong>de</strong>s<br />

Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs an.<br />

581<br />

Vgl. Ehnes, Fn. 248, S. 53.


148<br />

Ob die Kirchen durch die Erklärung wirklich zu „legit<strong>im</strong>en Partnern“ 582<br />

<strong>im</strong> Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

europäischen Einigung avanciert sind, muß die Zukunft weisen. Die halbjährlichen Treffen<br />

von EECCS und ComECE mit Kommissionsvertretern existierten je<strong>de</strong>nfalls schon vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Ratifikation <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs. Tatsache ist, daß die Erklärung Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften nach wie vor nicht – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als dies in Art. 137 Abs. 4 EGV<br />

(ex-Art. 2 Abs. 4 <strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik) für Sozialpartner zum Ausdruck<br />

kommt – mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrnehmung von Gemeinschaftsaufgaben bet<strong>ra</strong>ut, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich eine<br />

Achtung ihres bisherigen Status ausspricht. Im Unterschied zu politischen Parteien, vgl.<br />

Art. 191 (ex-Art. 138a) EGV, wer<strong>de</strong>n Kirchen und Religionsgemeinschaften we<strong><strong>de</strong>r</strong> „auf<br />

europäischer Ebene wichtig als Faktor <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>“ angesehen, noch t<strong>ra</strong>gen<br />

sie offiziell „dazu bei, ein europäisches Bewußtsein he<strong>ra</strong>uszubil<strong>de</strong>n“.<br />

Die Kirchenerklärung drückt ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> keine große Koope<strong>ra</strong>tionsbereitschaft zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft einerseits und <strong>de</strong>n Kirchen und Religionsgemeinschaften an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits aus.<br />

An<strong><strong>de</strong>r</strong>s erscheint z.B. die Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>n: Dort<br />

betonte die Maastrichter Regierungskonferenz, daß zur Erreichung <strong><strong>de</strong>r</strong> in Art. 136<br />

(ex-Art. 117) EGV genannten Ziele eine „Zusammenarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft<br />

mit <strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege und <strong>de</strong>n Stiftungen als Trägern sozialer Einrichtungen<br />

und Dienste von großer Be<strong>de</strong>utung“ sei.<br />

5. Kirchen und Religionsgemeinschaften als „Teil <strong>de</strong>s gemeinsamen kulturellen<br />

Erbes“?<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung wur<strong>de</strong> – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als in <strong>de</strong>n oben genannten Vorschlägen – das<br />

„gemeinsame kulturelle Erbe <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Völker“ nicht aufgenommen. Daher kann m.E.<br />

ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> nicht davon gesprochen wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> europäische Einigungsprozeß durch diese<br />

Erklärung hinsichtlich kultureller Momente bereichert wor<strong>de</strong>n sei. 583 Auch die offizielle<br />

Stellungnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD scheint nicht gewahr zu sein, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Passus <strong>de</strong>s „kulturellen Erbes“<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung gestrichen wur<strong>de</strong>. Statt <strong>de</strong>ssen erklärt <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat <strong>de</strong>s EKD, daß die<br />

Vorschrift ein wachsen<strong>de</strong>s Verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft dafür zeige, daß die<br />

verfassungsrechtliche Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften „als Ausdruck <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten und ihrer Kulturen sowie als Teil <strong>de</strong>s gemeinsamen kulturellen Erbes“<br />

Achtung verdienten. 584<br />

582<br />

Diese Begriffe verwen<strong>de</strong>n Brenner, Fn. 522, S. 9, sowie Robbers, Fn. 103, S. 622.<br />

583<br />

So aber Robbers, Fn. 103, S. 623.<br />

584<br />

Erklärung <strong>de</strong>s Rates <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD „Christentum und politische Kultur – Über das Verhältnis <strong>de</strong>s<br />

<strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen Rechtsstaates zum Christentum“, FAZ Nr. 251 vom 29.10.1997, S. 9.


149<br />

<strong>Das</strong> <strong>Religionsrecht</strong> wird in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung nicht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur in Berührung geb<strong>ra</strong>cht, für<br />

welche durch die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 151 (ex-Art. 128) EGV eine pr<strong>im</strong>ärrechtlich ve<strong>ra</strong>nkerte<br />

Gemeinschaftskompetenz besteht. Aus diesem Grun<strong>de</strong> sollten <strong>Religionsrecht</strong> und Kultur als<br />

aliud-Begriffe verwandt wer<strong>de</strong>n. 585<br />

Entfernt erinnert <strong><strong>de</strong>r</strong> ursprüngliche Vorschlag <strong>im</strong> Memo<strong>ra</strong>ndum sogar an das Bun<strong>de</strong>sgesetz<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Russischen Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ation „über die Freiheit <strong>de</strong>s Gewissens und die religiösen<br />

Vereinigungen“ 586 , in welchem in <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel die „Anerkennung <strong><strong>de</strong>r</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Orthodoxie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte Rußlands, in <strong><strong>de</strong>r</strong> He<strong>ra</strong>usbildung und Entwicklung seiner<br />

Geistigkeit und Kultur“ he<strong>ra</strong>usgehoben wird. Ungeachtet <strong>de</strong>s großen Beit<strong>ra</strong>gs kirchlichen<br />

Wirkens in kultureller Hinsicht macht die beständige Hervorhebung <strong>de</strong>s kulturellen Erbes eine<br />

gewisse Einengung auf die – lange Zeit bestehen<strong>de</strong>n – Großkirchen <strong>de</strong>utlich, zumal Freikirchen<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> neuere religiöse Bewegungen, für welche die Ve<strong>ra</strong>nkerung institutioneller Rechte<br />

von gleich<strong>ra</strong>ngiger Be<strong>de</strong>utung ist, sich kaum da<strong>ra</strong>uf berufen könnten, „Kulturfaktor“ 587 ,<br />

geschweige <strong>de</strong>nn, i<strong>de</strong>ntitätsstiftend für die Mitgliedstaaten zu sein. <strong>Das</strong> Element <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

„I<strong>de</strong>ntität“ konnte daher verständlicherweise von Staaten wie F<strong>ra</strong>nkreich mit striktem<br />

Trennungssystem nicht akzeptiert wer<strong>de</strong>n. 588 Somit hätte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Artikel in seiner<br />

ursprünglichen Fassung nur auf jene Religionsgemeinschaften beziehen können, die <strong>im</strong>mer<br />

schon in Europa präsent waren und sind. 589<br />

Die Auffassung, durch die Erklärung wer<strong>de</strong> die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vielfalt und historischen<br />

Verwurzelung in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU anerkannt 590 , gibt exakt <strong>de</strong>n Wunsch <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>utschen Großkirchen wie<strong><strong>de</strong>r</strong>, wie er schon in <strong>de</strong>m Memo<strong>ra</strong>ndum nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegt wor<strong>de</strong>n<br />

war. 591<br />

6. <strong>Das</strong> „Unangetastetlassen“ <strong>de</strong>s rechtlichen Status von Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

585 Einzelheiten s.u. F.III.<br />

586 EuGRZ 1997, S. 527 ff.<br />

587 Grote, Fn. 81, S. 33.<br />

588 Vgl. Brenner, Fn. 522, S. 10.<br />

589 So zu Recht auch Grote, Fn. 81, S. 33.<br />

590 Robbers, Fn. 103, S. 623.<br />

591 Memo<strong>ra</strong>ndum, Fn. 505, S. 4, vorletzter Absatz.


150<br />

Begrifflichkeiten wie das „Unangetastetlassen“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Unberührtbleiben“ sind <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht<br />

nicht fremd. In Art. 295 (ex-Art. 222) EGV ist ausdrücklich die Formulierung<br />

enthalten, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g die Eigentumsordnung in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Mitgliedstaaten<br />

unberührt lasse. Obwohl das Eigentum selbst gemeinschaftsrechtlich nach überwiegen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Meinung weit auszulegen ist 592 , soll die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Eigentumsordnung i.S.d.<br />

Art. 295 (ex-Art. 222) EGV nach Auffassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission eingeschränkt dahingehend<br />

verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g nur eine Neut<strong>ra</strong>lität gegenüber nationalen<br />

Verstaatlichungsmaßnahmen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Privatisierungen wahren müsse. 593<br />

Als es jedoch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Costa/E.N.E.L. 594 konkret um eine Verstaatlichung <strong><strong>de</strong>r</strong> italienischen<br />

Elektrizitätswirtschaft ging, hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH seine Zuständigkeit zur Beurteilung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechtmäßigkeit <strong>im</strong> Hinblick auf Art. 295 (ex-Art. 222) EGV nicht etwa zurückgenommen,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr anhand dieser Rechtssache <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />

weiterentwickelt. Wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechtmäßigkeit von Eigentumsbeschränkungen konfrontiert, berief er sich in aller Regel<br />

ebenfalls nicht auf Art. 295 (ex-Art. 222) EGV, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n zog die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en Beantwortung he<strong>ra</strong>n. 595<br />

In <strong>de</strong>n wenigen Malen, in <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bisher explizit zu Art. 295 (ex-Art. 222) EGV<br />

Stellung bezogen hat, anerkannte er zwar, daß die Vorschrift „die Befugnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten,<br />

ein System <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Enteignung einzurichten, nicht in F<strong>ra</strong>ge stelle, daß aber<br />

auch für ein solches System <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtdiskr<strong>im</strong>inierung, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Kapitel <strong>de</strong>s<br />

EWG-Vert<strong>ra</strong>gs über das Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungsrecht zugrun<strong>de</strong> liegt, gilt.“ 596<br />

592 Vgl. nur v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Hochbaum, Bd. 5, Art. 222, Rdnr. 4; dieses<br />

umfaßt nicht nur das zivilrechtliche Sacheigentum von natürlichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> juristischen<br />

Personen an körperlichen Gegenstän<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n darüber hinaus auch beschränkt dingliche<br />

Rechte, Inhaber-, Urheber- und Warenzeichenrechte sowie For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen.<br />

593 So v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Hochbaum, Bd. 5, Art. 222, Rdnr. 8.<br />

594 Vgl. EuGH, Rs. 6/64, Slg. 1964, S. 1251 ff., 1269 ff.<br />

595 So z.B. EuGH, Rs. 44/79 (Liselotte Hauer/Land Rheinland-Pfalz), Slg. 1979, S. 3727 ff.;<br />

Rs. 11/70 (Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr und Vor<strong>ra</strong>tsstelle Getrei<strong>de</strong>),<br />

Slg. 1970, S. 1125 ff., 1135; Rs. 4/73 (Nold/Kommission und Rat), Slg. 1974, S. 491 ff.<br />

Eine Ausnahme mag insofern darstellen: EuGH, Rs. C-309/96 (Daniele Annibaldi/Sindaco<br />

<strong>de</strong>l Commune di Guidonia u.a.), Slg. 1997, S. I-7493 ff., 7512, Rz. 23 = EuR 1998,<br />

S. 195 ff.<br />

596 EuGH, Rs. 182/83 (Fearon/Irish Land Commission), Slg. 1984, S. 3677 ff., 3685, Rz. 7;<br />

ebenso für <strong>de</strong>n freien Warenverkehr: EuGH, Rs. C-350/92 (Königreich Spanien/Rat),<br />

Slg. 1995, S. I-1985 ff., 2011, Rz. 20 = EuZW 1995, S. 666, Rz. 18.


151<br />

Aus alle<strong>de</strong>m läßt sich für das <strong>Religionsrecht</strong> schließen, daß das „Unangetastetlassen“ –<br />

vo<strong>ra</strong>usgesetzt, es wür<strong>de</strong> sich um eine verbindliche Vorschrift han<strong>de</strong>ln – nur be<strong>de</strong>utet, daß<br />

religionsrechtliche Angelegenheiten keine Regelungsmaterien <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts sind,<br />

d.h. daß die Mitgliedstaaten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausgestaltung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s grundsätzlich frei<br />

sind. 597<br />

Gleichwohl schließt eine das <strong>Religionsrecht</strong> betreffen<strong>de</strong> Exemtion in<strong>de</strong>s eine<br />

Prüfungskompetenz <strong>de</strong>s EuGH hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Einhaltung gemeinschaftsrechtlicher<br />

Vorschriften, namentlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeitsregeln, nicht von vornherein aus.<br />

7. Festschreibung <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n status quo als I<strong>de</strong>allösung?<br />

Es wird weiter vertreten, die Erklärung wolle die religionsrechtlichen Systeme <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

nicht „zementieren“. 598<br />

Zutreffend an dieser Aussage ist zunächst, daß eine<br />

Weiterentwicklung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s auf Gemeinschaftsebene theoretisch nach wie vor<br />

möglich bleibt, soweit dies die Mitgliedstaaten durch Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s nationalen<br />

<strong>Religionsrecht</strong>s nur wollen; Harmonisierungsbestrebungen zur Vereinheitlichung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

unterschiedlichen religionsrechtlichen Systeme auf Gemeinschaftsebene wer<strong>de</strong>n durch eine<br />

solche Best<strong>im</strong>mung <strong>im</strong>merhin ausgeschlossen.<br />

Eine gewisse Angleichung <strong><strong>de</strong>r</strong> religionsrechtlichen Systeme innerhalb Europas darf in<strong>de</strong>s<br />

nicht nur als Gefahr angesehen wer<strong>de</strong>n, die es um je<strong>de</strong>n Preis zu bannen gilt. Je<strong>de</strong><br />

Neuordnung bietet zugleich auch die Chance, bestehen<strong>de</strong> Rechtsverhältnisse „fortzuschreiben“.<br />

599 Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Befürchtung vor möglichen Einbußen durch das Gemeinschaftsrecht<br />

he<strong>ra</strong>us wählten die <strong>de</strong>utschen Großkirchen, auf welche die Kirchenerklärung weitestgehend<br />

zurückzuführen ist, hingegen <strong>de</strong>n Weg <strong><strong>de</strong>r</strong> „Festschreibung“ 600<br />

, obwohl durch eine Regelung<br />

auf Gemeinschaftsrechtsebene ohne weiteres <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuch hätte unternommen wer<strong>de</strong>n können,<br />

597<br />

So ganz allgemein zu Art. 295 (ex-Art. 222) EGV: Badu<strong>ra</strong>, <strong>Das</strong> öffentliche Unternehmen<br />

<strong>im</strong> europäischen Binnenmarkt, ZGR 1997, S. 291 ff., 295 f.<br />

598<br />

Z.B. Robbers, European community law and churches, in: Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/Tempel/Torfs (Hrsg.),<br />

Fn. 31, S. 51 ff., 54: „It is also not to petrify existing legal structures within the member<br />

states.“<br />

599<br />

So auch Backbier, in: Christoph, Fn. 139, S. 424 f. Dieser plädiert ebenfalls dafür (a.a.O.,<br />

S. 425), durch die EG-Gesetzgebung Freiräume für die Kirchen zu schaffen, die jetzt noch<br />

zweifelhaft seien.<br />

600<br />

So Voigt, „Religionsartikel“ für die EU: Fortschreiben statt Festschreiben, MD 1996,<br />

S. 109.


152<br />

<strong>de</strong>n weitreichendsten Status, <strong>de</strong>n Kirchen und Religionsgemeinschaften in einigen<br />

Mitgliedstaaten genießen, auch auf <strong><strong>de</strong>r</strong> EU-Ebene positivrechtlich zu ve<strong>ra</strong>nkern. 601<br />

Rik Torfs hatte <strong>im</strong> Vorfeld <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung die rhetorische F<strong>ra</strong>ge gestellt,<br />

von wem die Initiative zur Schaffung einer Vorschrift auf Gemeinschaftsebene auszugehen<br />

habe und dahingehend beantwortet, daß sie sowohl von Politikern, <strong>de</strong>n Großkirchen als auch<br />

von Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen gleichermaßen angestrengt wer<strong>de</strong>n solle. 602 Dies ist jedoch nicht<br />

geschehen. Auch wenn die EKD in ihren frühen Überlegungen von 1991 formulierte, daß es<br />

„nicht um eine bloße Behauptung überkommener Positionen und Formen“ gehen dürfe, 603<br />

zielt die von <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Großkirchen initiierte Kirchenerklärung <strong>de</strong>nnoch zumin<strong>de</strong>st in<br />

diese Richtung. Dabei darf nicht übersehen wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewegungs<strong>ra</strong>hmen <strong>im</strong> sozialkaritativen<br />

Bereich und <strong>de</strong>m damit korrespondieren<strong>de</strong>n kirchlichen Dienst- und Arbeitsrecht,<br />

mit 1994 insgesamt 852.000 vollzeitbeschäftigten Mitarbeitern in Diakonie und Caritas, 604 in<br />

keinem religionsrechtlichen System in Europa <strong><strong>de</strong>r</strong>art ausgeprägt ist, wie ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>utschen Großkirchen. 605 Ähnliches gilt für die Kirchenfinanzierung, auch wenn einige<br />

nor<strong>de</strong>uropäischen Kirchen die Kirchensteuer ebenfalls kennen. Daß hier seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen<br />

Großkirchen einem Privilegienverlust vorgebaut wer<strong>de</strong>n sollte, ist daher durchaus<br />

nachvollziehbar, entspricht aber nicht <strong>de</strong>m Geist <strong><strong>de</strong>r</strong> „Verzichtserklärung“ <strong>de</strong>s Zweiten<br />

Vatikanischen Konzils. 606<br />

601<br />

So ist z.B. die Einräumung korpo<strong>ra</strong>tiver Rechte o<strong><strong>de</strong>r</strong> eines weitreichen<strong>de</strong>n<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts in kirchlichen Angelegenheiten keineswegs selbstverständlich.<br />

Auch könnte – wie z.B. in Italien – allen anerkannten Konfessionen das Recht eingeräumt<br />

wer<strong>de</strong>n, an öffentliche Schulen eigene Lehrkräfte zu entsen<strong>de</strong>n, selbst wenn diese<br />

zahlenmäßig nicht zu <strong>de</strong>n Großkirchen zählen, vgl. hierzu Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 196.<br />

602<br />

Torfs, Fn. 228, S. 80.<br />

603<br />

Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD (Hrsg.), Fn. 395, S. 376, These 5.<br />

604<br />

Quelle: Richardi, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. 31 (1997), S. 94.<br />

605<br />

Vgl. Christoph, Fn. 139, S. 426; Kustermann/Puza, in: Puza/Kustermann (Hrsg.), Fn. 3,<br />

S. 12.<br />

606<br />

Vgl. Rahner/Vorgr<strong>im</strong>ler, Fn. 6, S. 443. So heißt es in <strong><strong>de</strong>r</strong> Pasto<strong>ra</strong>lkonstitution gaudium et<br />

spes vom 7.12.1965, abgedruckt bei Rahner/Vorgr<strong>im</strong>ler, a.a.O., S. 449 ff., 535,<br />

ausdrücklich: „Doch setzt sie [die Kirche] ihre Hoffnung nicht auf Privilegien, die ihr von<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Autorität angeboten wer<strong>de</strong>n. Sie wird sogar auf die Ausübung von legit<strong>im</strong><br />

erworbenen Rechten verzichten, wenn feststeht, daß durch <strong><strong>de</strong>r</strong>en Inanspruchnahme die<br />

Lauterkeit ihres Zeugnisses in F<strong>ra</strong>ge gestellt ist o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te Lebensverhältnisse<br />

eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Regelung for<strong><strong>de</strong>r</strong>n.“ Hiermit sind vor allem Rechte aus Konkordaten gemeint,<br />

die <strong><strong>de</strong>r</strong> Katholischen Kirche gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kirchen und Religionsgemeinschaften bis<br />

in die Gegenwart hinein oftmals eine ungerechtfertigte Besserstellung einräumen. Vgl. auch<br />

Honegger, Fn. 210, S. 54: „Schwer verständlich ist <strong>de</strong>nn auch die Tatsache, daß


153<br />

Da das Gemeinschaftsrecht aufgrund seiner funktional wirken<strong>de</strong>n Kompetenzen<br />

religionsrechtliche Materien berührt und lediglich am Erlaß von Regelungen gehin<strong><strong>de</strong>r</strong>t ist, die<br />

das <strong>Religionsrecht</strong> als ganzes betreffen, wäre <strong>de</strong>n Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Religionsgemeinschaften<br />

innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft m.E. besser Rechnung get<strong>ra</strong>gen wor<strong>de</strong>n, wenn nicht nur<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Versuch unternommen wor<strong>de</strong>n wäre, eine Exemtionsklausel zu schaffen, wie sie mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchenerklärung vorliegt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wenn statt <strong>de</strong>ssen pr<strong>im</strong>ärrechtlich ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften für <strong><strong>de</strong>r</strong>en interne Angelegenheiten ve<strong>ra</strong>nkert wor<strong>de</strong>n wäre.<br />

Hierbei hätte die schon bestehen<strong>de</strong> Vorschrift aus Ziff. 16 <strong>de</strong>s Abschließen<strong>de</strong>n Dokuments <strong>de</strong>s<br />

Wiener KSZE-Folgetreffens vom 15. Januar 1989 als Vorlage dienen können. 607 Nach<strong>de</strong>m nun<br />

die Kirchenerklärung existent ist, muß man skeptisch sein, daß es gelänge, innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

nächsten Jahre eine – verbindliche – zweite Vorschrift zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

auf Gemeinschaftsebene durchzusetzen. Die Qualifizierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung<br />

kann daher nicht als gelungener „erster Schritt in ,Richtung Pr<strong>im</strong>ärrecht‘“ 608<br />

bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Vielmehr könnte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Inhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung dann sogar als<br />

kont<strong>ra</strong>produktiv he<strong>ra</strong>usstellen, wenn die Rechtsetzungsorgane <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft i.R.d.<br />

Schaffung weiteren Sekundärrechts auf die Aufnahme von Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelungen zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Sinne eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts nur <strong>de</strong>shalb<br />

verzichten wür<strong>de</strong>n, weil sie sich – da ihnen aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung eine diesbezügliche<br />

Regelungsbefugnis ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> abgesprochen wur<strong>de</strong> – die Hän<strong>de</strong> gebun<strong>de</strong>n sähen, <strong><strong>de</strong>r</strong> später<br />

angerufene EuGH aber die Unverbindlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung feststellt, so daß das<br />

Sekundärrecht – lediglich funktional begrenzt durch das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung<br />

– auch auf Kirchen und Religionsgemeinschaften Anwendung fän<strong>de</strong>.<br />

Eine bloße Festschreibung <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n Staat-Kirche-Verhältnisses erscheint auch<br />

insoweit wenig weitsichtig, als viele Beitrittskandidaten Mittel- und Osteuropas (z.B.<br />

Bulgarien o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Türkei) nicht-orthodoxe Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitenkirchen diskr<strong>im</strong>inieren, teilweise<br />

verbieten und <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s verweisen. Hiervon sind nicht nur Sekten und Freikirchen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

auch die Evangelische und die Röm.-Kath. Kirche betroffen, <strong>de</strong>nen in diesen Staaten ebenfalls<br />

ausgerechnet die christlichen Kirchen, die sich auf die Worte von Christus berufen, sich<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>art zäh an ungerechte Privilegien klammern und daß sie – scheinbar leichthin – die<br />

Diskr<strong>im</strong>inierung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Religionen und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Menschen weiterhin in Kauf nehmen.“<br />

Ähnlich P<strong>ra</strong>ntl, Fn. 118, S. 90. Selbst Robbers, Fn. 442, S. 177, räumt ein, daß ein<br />

Festhalten an überkommenen Privilegien <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche nur scha<strong>de</strong>.<br />

607 Vgl. hierzu die Ausführungen oben A.II.1.a)aa); ebenso van Bijsterveld, Towards an<br />

institutional relationship between churches and the European <strong>Union</strong>, in: Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/Tempel/<br />

Torfs (Hrsg.), Fn. 31, S. 21 ff., 30.<br />

608 So Kalb, Fn. 393, S. 96.


154<br />

nur ein Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitsstatus zukommt. 609 Da beitreten<strong>de</strong> Staaten verpflichtet sind, <strong>de</strong>n gesamten<br />

„aquis communautaire“ zu übernehmen, wäre es wünschenswert gewesen, wenn diese nicht<br />

einfach ihr z.T. unbefriedigen<strong>de</strong>s religionsrechtliches System beibehalten könnten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

gemeinschaftsrechtlich in die Pflicht genommen wor<strong>de</strong>n wären, über <strong>de</strong>n kultischen Bereich<br />

hinaus Diakonie, Medienarbeit und Bildungsauft<strong>ra</strong>g <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften zu<br />

schützen. 610<br />

Nicht ohne sachliche Richtigkeit wird die Auffassung vertreten, die fortschreiten<strong>de</strong><br />

europäische Einigung verlange eine Angleichung <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen europäischen<br />

Rechtssysteme und -t<strong>ra</strong>ditionen einschließlich <strong>de</strong>s Kultur-, Weltanschauungs- und <strong>Religionsrecht</strong>s.<br />

611 Die <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft aberkannte Befugnis zur Einführung eines best<strong>im</strong>mten<br />

religionsrechtlichen Systems kann zwar als Absage an eine – ohnehin nicht erstrebenswerte –<br />

europaweite Staatskirche verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n; 612 allerdings führt die Zunahme <strong>im</strong>mer weiterer<br />

Integ<strong>ra</strong>tionsbereiche unter Aussparung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s bzw. einer fehlen<strong>de</strong>n Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelungsbefugnis<br />

für diese Bereiche zwangsläufig dazu, daß sich das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> EU zum<br />

einen <strong>im</strong>mer mehr in Richtung einer laïcité f<strong>ra</strong>nzösischen Vorbilds entwickelt, das zwar die<br />

weitergehen<strong>de</strong>n <strong>Religionsrecht</strong>e einzelner Départements (hier: Mitgliedstaaten) wahrt, auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

gesamtstaatlichen (hier: gemeinschaftsrechtlichen) Ebene jedoch keine positiven religionsrechtlichen<br />

Standards vorgibt. Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wer<strong>de</strong>n durch die Nichtregelung Belange <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsgemeinschaften <strong>im</strong>mer mehr <strong>de</strong>n sonstigen Institutionen i.R.d. Wirtschaftslebens<br />

angeglichen. 613<br />

8. Zusammenfassung und Ausblick<br />

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß durch die Kirchenerklärung keine neuen Rechte<br />

auf Gemeinschaftsebene verliehen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr <strong><strong>de</strong>r</strong> „Festschreibung“ bisheriger Rechts-<br />

609 Vgl. Voigt, Fn. 600, S. 110.<br />

610 So Voigt, Fn. 600, S. 110.<br />

611 Herms, Lage und Perspektive <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts, auch <strong>im</strong> Blick auf<br />

die Europäische <strong>Union</strong>, Zusammenfassung, S. 4.<br />

612 In diese Richtung auch Robbers, Fn. 27, S. 151.<br />

613 Allgemein auf die Staatlichkeit bezogen Kirchhof, Fn. 18, S. 971: „Wer schlicht<br />

quantifizierend ein „Weniger“ statt wertend das richtige Maß an Staatlichkeit for<strong><strong>de</strong>r</strong>t,<br />

n<strong>im</strong>mt in Kauf, daß ein Weniger an Staat [...] das Maß <strong>de</strong>s sozialen Ausgleichs <strong>de</strong>m<br />

Wettbewerb überläßt, sinnstiften<strong>de</strong> Institutionen – wie Familie, Kirche, Einrichtungen von<br />

Kunst und Wissenschaft – mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Dominanz <strong>de</strong>s Wirtschaftlichen in <strong>de</strong>n Hintergrund<br />

drängt.“


155<br />

positionen gegenüber einer „Fortschreibung“ <strong><strong>de</strong>r</strong>selben <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorzug gegeben wur<strong>de</strong>. Die<br />

fehlen<strong>de</strong> Bezugnahme auf das „gemeinsame kulturelle Erbe“ bringt zum Ausdruck, daß<br />

<strong>Religionsrecht</strong> und Kultur als aliud-Begriffe verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n müssen. Auch <strong><strong>de</strong>r</strong> gewählte<br />

Wortlaut <strong>de</strong>s „Unangetastetlassens“ entbin<strong>de</strong>t grds. nicht von <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung zur<br />

Einhaltung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften.<br />

Im Ergebnis muß nüchtern konstatiert wer<strong>de</strong>n, daß die Erklärung <strong>de</strong>n hohen Erwartungen, die<br />

an sie gestellt wur<strong>de</strong>n, we<strong><strong>de</strong>r</strong> formell noch materiell gerecht gewor<strong>de</strong>n ist. Eine Vereinheitlichung<br />

religionsrechtlicher Systeme innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU wird jedoch angesichts <strong>de</strong>s klaren<br />

Wortlauts <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung künftig nicht vorgenommen wer<strong>de</strong>n können, zumal entsprechen<strong>de</strong><br />

Rechtsakte <strong>de</strong>s Rates zur Angleichung <strong><strong>de</strong>r</strong> religionsrechtlichen Systeme mit hoher<br />

Wahrscheinlichkeit – angesichts <strong>de</strong>s Vorliegens einer gemeinsamen Erklärung – an <strong>de</strong>n<br />

erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichen Mehrheiten scheitern wür<strong>de</strong>n.<br />

Obwohl sich die Mitgliedstaaten als „Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“ ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> nicht auf ein best<strong>im</strong>mtes<br />

religionsrechtliches System auf Gemeinschaftsrechtsebene festgelegt haben, darf nicht<br />

verkannt wer<strong>de</strong>n, daß die bewußte Nichtregelung religionsrechtlicher F<strong>ra</strong>gen in Anbet<strong>ra</strong>cht<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> teilweise bestehen<strong>de</strong>n Gemeinschaftskompetenz gemeinschaftsrechtlich eher ein<br />

Trennungsmo<strong>de</strong>ll f<strong>ra</strong>nzösischen Gepräges als ein Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>utschen Zuschnitts<br />

herbeiführt. Eine Regelung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s ausschließlich auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

wäre nur dann sinnvoll, wenn die Gemeinschaft überhaupt keine religionsrechtlich<br />

relevanten Angelegenheiten regeln könnte. Dies ist nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall, da schon bisher Richtlinien<br />

und Verordnungen erlassen wur<strong>de</strong>n, die religionsrechtliche Materien berührten, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung von Kirchen und Religionsgemeinschaften meist aber Rechnung trugen. 614<br />

Insofern muß die Kirchenerklärung mitunter als vertane Chance interpretiert wer<strong>de</strong>n, ein<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />

positivrechtlich zu ve<strong>ra</strong>nkern.<br />

Es bleibt zu hoffen, daß die Erklärung trotz ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit <strong>de</strong>n<br />

Nebeneffekt mit sich bringt, daß die Gemeinschaft in F<strong>ra</strong>gen, welche <strong>de</strong>n Status von Kirchen<br />

und Religionsgemeinschaften berühren, mit diesen in einen Dialog tritt und sie durch<br />

konsultative Beteiligung in das Rechtssetzungsverfahren einbezieht, damit es tatsächlich zu<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> von Rüdiger Stotz 615<br />

erwähnten verfahrensrechtlichen Relevanz kommt. Da <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH<br />

auch unverbindliche Erklärungen als Auslegungshilfe für das Gemeinschaftsrecht he<strong>ra</strong>nzieht,<br />

kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung <strong>im</strong>merhin für die Weiterentwicklung <strong>de</strong>s abgeleiteten Gemeinschaftsrechts<br />

Be<strong>de</strong>utung zukommen.<br />

614 Einzelheiten s.o. C.I.3.<br />

615 Stotz, Fn. 92, S. 737.


156<br />

Weil es an einer verbindlichen pr<strong>im</strong>ärrechtlichen Best<strong>im</strong>mung fehlt, die <strong>de</strong>n Status <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft abschließend regelt, ist ein<br />

Rückgriff auf allgemeineres Pr<strong>im</strong>är- und Sekundärrecht nach wie vor unerläßlich, um Rang<br />

und Regelungsdichte <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s innerhalb <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zu best<strong>im</strong>men. 616<br />

616<br />

So auch Stotz, Fn. 92, S. 737.


E. Religiöse Grundrechte <strong>im</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> EU unter<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK<br />

157<br />

Eine sup<strong>ra</strong>nationale Staatenverbindung wie die EG kann in gleicher Weise wie ein Staat<br />

Grundrechte seiner Rechtsunterworfenen bedrohen. So wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft durch <strong>de</strong>n in<br />

Art. 249 (ex-Art. 189) EGV aufgeführten Katalog <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtshandlungen gestattet, <strong>im</strong><br />

Verordnungswege (Abs. 2) o<strong><strong>de</strong>r</strong> durch Entscheidungen (Abs. 4) direkt bzw. durch <strong>de</strong>n Erlaß<br />

von Richtlinien (Abs. 3) indirekt in Rechtspositionen einzelner einzugreifen, diese bedürfen<br />

daher <strong>de</strong>s Schutzes. 617<br />

Im nationalen Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten wer<strong>de</strong>n Grundrechte, die das staatliche Recht<br />

begrenzen, von Verfassungs wegen ausdrücklich anerkannt. Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um eine<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Errungenschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> christlich-okzi<strong>de</strong>ntalen Weltanschauung, wonach je<strong><strong>de</strong>r</strong> Person als<br />

<strong>im</strong>ago <strong>de</strong>i Menschenwür<strong>de</strong> zukommt. 618<br />

Obwohl die EG bislang ebendiesen Kulturkreis<br />

repräsentiert, war hier die Anerkennung von Grundrechten, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>s Grundrechts auf<br />

Religionsfreiheit, hingegen nicht von Beginn an selbstverständlich. Dies hatte pr<strong>im</strong>är seinen<br />

Grund darin, daß die Gemeinschaft anfangs als reine Staatengemeinschaft konzipiert war,<br />

weshalb nur Mitgliedstaaten als Berechtigte und Verpflichtete <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts <strong>im</strong><br />

Blickfeld <strong><strong>de</strong>r</strong> vert<strong>ra</strong>glichen Regelungen stan<strong>de</strong>n.<br />

Im folgen<strong>de</strong>n soll auf die generelle Grundrechtsthematik <strong>im</strong> Gemeinschafts- und <strong>Union</strong>srecht<br />

eingegangen wer<strong>de</strong>n, wobei es unumgänglich erscheint, sich hierbei die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsfreiheit als zent<strong>ra</strong>les Grundrecht zu vergegenwärtigen.<br />

I. Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong>im</strong> Gemeinschafts- und <strong>Union</strong>srecht<br />

617 Vgl. auch Klein, Die Erweiterung <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes auf die universelle Ebene –<br />

Auswirkungen auf <strong>de</strong>n Grundrechtsschutz in Europa, S. 39 ff., 40.<br />

618 Vgl. hierzu auch die Ausführungen oben Fn. 6.


158<br />

1. Bisherige Normierungen <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht<br />

a) Grundfreiheiten<br />

Zwar wer<strong>de</strong>n die sog. Grundfreiheiten (Freiheit von Waren, Personen, Dienstleistungen und<br />

Kapital) schon seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG <strong>im</strong> E(W)G-Vert<strong>ra</strong>g ausdrücklich erwähnt. Diese<br />

dürfen jedoch nicht mit Grundrechten <strong>im</strong> eigentlichen Sinne verwechselt wer<strong>de</strong>n: Während<br />

Grundrechte gemeinschaftsrechtliche Rechtsakte kontrollieren und begrenzen, richten sich<br />

Grundfreiheiten i.S.d. EG-Vert<strong>ra</strong>g pr<strong>im</strong>är gegen diskr<strong>im</strong>inierend einschränken<strong>de</strong> mitgliedstaatliche<br />

Rechtsakte 619 . Auch bestehen zwischen bei<strong>de</strong>n Kategorien Unterschie<strong>de</strong> z.B. <strong>im</strong><br />

Adressatenkreis. 620<br />

Seit<strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Grundfreiheiten allerdings nicht mehr ausschließlich als<br />

Diskr<strong>im</strong>inierungsverbote aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit, d.h. als bloßen Anspruch auf<br />

Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>gleichbehandlung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr als Beschränkungsverbote, d.h. als Anspruch auf<br />

<strong>de</strong>n materiellen Gehalt <strong>de</strong>s jeweiligen Freizügigkeitsrechts, begreift, auf die sich je<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

einzelne berufen kann, 621 ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterschied zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten<br />

i.e.S. in weiten Bereichen verflacht. 622<br />

Zur Verschmelzung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsinstitute kommt es<br />

619<br />

So auch v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Beutler Bd. 1, Art. F, Rdnr. 27 u. 108.<br />

620<br />

Grundfreiheiten wie Grundrechte begünstigen pr<strong>im</strong>är <strong>de</strong>n einzelnen. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als Drittstaatsangehörige<br />

können staatliche Betriebe Rechtsträger <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten sein, nicht jedoch<br />

Mitgliedstaaten selbst (a.A. Obwexer, Fn. 554, S. 66). Als Berechtigte eines Gemeinschaftsgrundrechts<br />

kommen hingegen auch die Mitgliedstaaten selbst in Bet<strong>ra</strong>cht, vgl.<br />

v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Beutler Bd. 1, Art. F, Rdnr. 109, da sich ein Mitgliedstaat<br />

gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft in ähnlicher Weise wie ein <strong>Union</strong>sbürger in einem Subordinationsverhältnis<br />

befin<strong>de</strong>n kann. Die Ga<strong>ra</strong>ntie <strong><strong>de</strong>r</strong> Kulturen und T<strong>ra</strong>ditionen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten, wie sie Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 1 EGV gewährleistet, ist <strong>de</strong>mnach als<br />

Grundrecht i.w.S. zu verstehen, vgl. Hirsch, Fn. 92, S. 16 f. Im übrigen hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH das<br />

Grundrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten in Rs. 231/78 (Kommission/<br />

Vereinigtes Königreich), Slg. 1979, S. 1447 ff., 1462, Rz. 17, ausdrücklich erwähnt. Einzelheiten<br />

zur Grundrechtsträgerschaft s.u. E.IV.1.a)bb)(2).<br />

621<br />

Vgl. EuGH, Rs. C-415/93 (<strong>Union</strong> royale belge <strong>de</strong>s sociétés <strong>de</strong> football association<br />

ASBL/Bosman, Royal club liégeois SA/Bosman u.a.), Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rz. 79, 93,<br />

96 f., 129; Rs. C-55/95 (Gebhard/Consiglio <strong>de</strong>ll’Ordine <strong>de</strong>gli Avvocati e Procu<strong>ra</strong>tori di<br />

Milano), Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rz. 37.<br />

622<br />

So auch Füßer, Fn. 306, S. 97 f.; Hirsch, Fn. 92, S. 15; Netteshe<strong>im</strong>, Die europarechtlichen<br />

Grundrechte auf wirtschaftliche Mobilität (Art. 48, 52 EGV), NVwZ 1996, S. 342 ff.


159<br />

teilweise <strong>im</strong> Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Art. 17 (ex-Art. 8) EGV, <strong><strong>de</strong>r</strong> ein grundrechtsähnliches<br />

„Recht auf wirtschaftliche Freizügigkeit“ für <strong>Union</strong>sbürger begrün<strong>de</strong>t. 623<br />

Der Unterschied zwischen Grundfreiheiten und -rechten besteht formal nach wie vor <strong>im</strong><br />

unterschiedlichen Prüfungsschema <strong><strong>de</strong>r</strong> Sch<strong>ra</strong>nken: Während <strong>im</strong> eigentlichen Grundrechtsbereich<br />

ähnlich wie <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht von <strong>de</strong>n Begriffen Schutzbereich, Sch<strong>ra</strong>nken<br />

(= Eingriff), Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken (= Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an die Sch<strong>ra</strong>nke) auszugehen ist, 624<br />

wen<strong>de</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bei <strong>de</strong>n Grundfreiheiten bzw. be<strong>im</strong> allgemeinen Recht auf Freizügigkeit die<br />

i.R.d. Warenverkehrsfreiheit entwickelten Sch<strong>ra</strong>nken <strong>de</strong>s Art. 28 (ex-Art. 30) EGV an; 625<br />

allerdings sind die dogmatischen Unterschie<strong>de</strong> vom Ergebnis her bet<strong>ra</strong>chtet nicht mehr allzu<br />

groß. 626<br />

Was dagegen be<strong>im</strong> Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten mit <strong>de</strong>n Grundrechten nach wie vor<br />

623<br />

EuGH, Rs. C-85/96 (María Martínez Sala/Freistaat Bayern), Slg. 1998, S. I-2691 ff.; s. auch<br />

Fn. 306. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidung hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH für <strong>de</strong>n Fall, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> persönliche<br />

Anwendungsbereich einer Grundfreiheit nicht eröffnet ist, dieselben Rechte subsidiär über<br />

Art. 17 f. (ex-Art. 8, 8a) EGV gewährt. Diese bahnbrechen<strong>de</strong> Entscheidung begrün<strong>de</strong>te er<br />

auf S. I-2726, Rz. 62 f., folgen<strong><strong>de</strong>r</strong>maßen: „Artikel 17 (ex-Artikel 8) Absatz 2 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs<br />

knüpft an <strong>de</strong>n Status eines <strong>Union</strong>sbürgers die <strong>im</strong> Vert<strong>ra</strong>g vorgesehenen Pflichten und<br />

Rechte, darunter das in Artikel 12 (ex-Artikel 6) <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs festgelegte Recht, <strong>im</strong><br />

sachlichen Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs nicht aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit<br />

diskr<strong>im</strong>iniert zu wer<strong>de</strong>n. Folglich kann sich ein <strong>Union</strong>sbürger, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich wie die Klägerin<br />

rechtmäßig <strong>im</strong> Gebiet <strong>de</strong>s Aufnahmemitgliedstaats aufhält, in allen vom sachlichen<br />

Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts erfaßten Fällen auf Artikel 12 (ex-Artikel 6)<br />

<strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs berufen [...].“ Vgl. zu <strong>de</strong>n möglichen Auswirkungen dieser Rechtsprechung<br />

Füßer, Fn. 306, S. 102 f. Dieser ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht, hierdurch wür<strong>de</strong>n auch „gegen die<br />

Ausübung best<strong>im</strong>mter Religionen gerichtete Regelungen in das europarechtliche Visier“<br />

ge<strong>ra</strong>ten.<br />

624<br />

S.u. E.IV.2.<br />

625<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. C-55/95, Fn. 621, Rz. 38, hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die vier Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Sch<strong>ra</strong>nken<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeitsrechte präzisiert: „Sie müssen in nichtdiskr<strong>im</strong>inieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise angewandt<br />

wer<strong>de</strong>n, sie müssen aus zwingen<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Allgemeininteresses gerechtfertigt sein,<br />

sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung <strong>de</strong>s mit ihnen verfolgten Zieles zu<br />

gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles<br />

erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist.“, vgl. hierzu Füßer, Fn. 306, S. 99 f.<br />

626<br />

Die erste Vo<strong>ra</strong>ussetzung, welche an die Sch<strong>ra</strong>nken <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeitsrechte zu stellen ist (=<br />

Anwendung in nichtdiskr<strong>im</strong>inieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise) ergibt sich zwingend aus <strong>de</strong>m allen<br />

Grundfreiheiten <strong>im</strong>manenten Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>gleichbehandlung. Alle weiteren<br />

Vo<strong>ra</strong>ussetzungen kehren in <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsdogmatik wie<strong><strong>de</strong>r</strong>: Die zweite Vo<strong>ra</strong>ussetzung (=<br />

Rechtfertigung aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Allgemeininteresses) fin<strong>de</strong>t ihre Entsprechung in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Sch<strong>ra</strong>nke <strong>de</strong>s Allgemeinwohls. Die dritte und vierte Vo<strong>ra</strong>ussetzung (= Geeignetheit und


160<br />

be<strong>de</strong>nklich st<strong>im</strong>mt, ist die Tatsache, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH – wie die jüngste Sala-Rechtsprechung<br />

gezeigt hat – <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten <strong>de</strong>n Grundsatz in dubio pro libertate sogar<br />

jenseits <strong><strong>de</strong>r</strong> eigentlichen Freizügigkeitsrechte anwen<strong>de</strong>t, während er <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Grundrechte <strong>de</strong>n <strong>Union</strong>sorganen einen weiten Ermessensspiel<strong>ra</strong>um einräumt und nur<br />

„offensichtlich unverhältnismäßige“ Grundrechtsbeeinträchtigungen ahn<strong>de</strong>t. 627<br />

b) Grundrechte in <strong>de</strong>n Gründungsverträgen<br />

Nach <strong>de</strong>m Scheitern zweier ehrgeiziger europäischer Projekte, nämlich <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Verteidigungsgemeinschaft (EVG) 628 , <strong><strong>de</strong>r</strong>en Gründungsvert<strong>ra</strong>g vom 27. Mai 1952 in<br />

Art. 3 § 1 noch die Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> „staatsbürgerlichen Rechte und die Grundrechte <strong>de</strong>s<br />

Einzelnen“ durch die Gemeinschaft bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfüllung ihrer Aufgaben vorgesehen hatte, sowie<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Politischen Gemeinschaft (EPG) vom 10. März 1953, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Art. 3 <strong>de</strong>s<br />

Gründungsvert<strong>ra</strong>gs die EMRK ausdrücklich als integrieren<strong>de</strong>n Bestandteil <strong><strong>de</strong>r</strong> EPG<br />

erwähnt 629<br />

Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit) sind <strong><strong>de</strong>r</strong> Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nke <strong>de</strong>s Verhältnismäßigkeitsprinzips entlehnt.<br />

Der Unterschied zwischen <strong>de</strong>n Vo<strong>ra</strong>ussetzungen 2-4 <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeitsrechte und <strong>de</strong>n<br />

Grundrechtssch<strong>ra</strong>nken besteht somit lediglich darin, daß <strong>im</strong> Rahmen ersterer die Prüfung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Sch<strong>ra</strong>nken und Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken als einheitlicher Prüfungspunkt zusammen-<br />

gezogen wur<strong>de</strong>.<br />

, strebten die Mitgliedstaaten eine künftige Vertiefung <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion <strong>im</strong> rein<br />

wirtschaftlichen Bereich an. Daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsschutz <strong>im</strong> EWG-Vert<strong>ra</strong>g an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als in <strong>de</strong>n<br />

Gründungsverträgen zur EVG und EPG ursprünglich nicht explizit ve<strong>ra</strong>nkert wur<strong>de</strong>, ist u.a.<br />

da<strong>ra</strong>uf zurückzuführen, daß bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Abfassung <strong>de</strong>s EWG-Vert<strong>ra</strong>g mögliche Grundrechtskollisionen<br />

von vornherein als ausgeschlossen galten, weil anfängliches Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft lediglich die Schaffung einer Zollunion sowie eines Gemeinsamen Marktes<br />

waren. Aus diesem Grun<strong>de</strong> kamen als Berechtigte und Verpflichtete <strong>de</strong>s EWG-Vert<strong>ra</strong>gs<br />

ausschließlich die Mitgliedstaaten, nicht aber <strong><strong>de</strong>r</strong>en Staatsbürger in Bet<strong>ra</strong>cht. Die Problematik<br />

627<br />

Z.B. EuGH, Rs. C-280/93 (Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland/Rat), Slg. 1994, S. I-4973 ff.,<br />

Rz. 81, 91; vgl. hierzu die Kritik von Netteshe<strong>im</strong>, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g, in: Netteshe<strong>im</strong>/<br />

Schie<strong>ra</strong>, Der integrierte Staat, Berlin 1999, S. 26 f., sowie Vachek, Fn. 437, S. 146.<br />

628<br />

BGBl. II 1954, S. 343. Die f<strong>ra</strong>nzösische Nationalversammlung lehnte am 30.8.1954 die<br />

Ratifikation <strong>de</strong>s Gründungsvert<strong>ra</strong>gs <strong><strong>de</strong>r</strong> EVG ab. Vgl. über das Scheitern <strong><strong>de</strong>r</strong> EVG: B<strong>ra</strong>un,<br />

Einführung in die Rechtswissenschaft, Tübingen 1997, S. 296 f. sowie ausführlich<br />

Schulze/Hoeren (Hrsg.), Dokumente zum <strong>Europäischen</strong> Recht, Bd. 1: Gründungsverträge,<br />

Berlin u.a. 1999, Dokumente 33 – 37, S. 643 ff.<br />

629<br />

Vgl. Hummer, Der Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grund- und Menschenrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, in:<br />

Hummer (Hrsg.), S. 71 ff., 73.


161<br />

<strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>mzufolge negiert o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber schlichtweg übersehen. 630<br />

Bevor <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine unmittelbare Wirkung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts anerkannte 631 , war ein<br />

Grundrechtskatalog <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft auch entbehrlich, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelne nur durch<br />

mitgliedstaatliche Hoheitsgewalt in seinen Grundrechten verletzt wer<strong>de</strong>n konnte und insoweit<br />

ein ausreichen<strong><strong>de</strong>r</strong> Schutz über die nationalen Grundrechte bestand. 632<br />

Nach<strong>de</strong>m Gemein-<br />

schaftsrechtsakte nun aber direkt <strong>de</strong>n einzelnen <strong>Union</strong>sbürger treffen konnten, bedurfte dieser<br />

<strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes, welchen <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit über<br />

die Rechtsquelle <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Rechtsgrundsätze entwickelte.<br />

Auch wenn bis heute kein ausdrücklicher Grundrechtskatalog in <strong>de</strong>n drei Gründungsverträgen<br />

enthalten ist, so existierten doch von Anfang an einzelne Grundrechtsvorschriften i.w.S. Diese<br />

pr<strong>im</strong>är an die Mitgliedstaaten gerichteten Grundrechte fin<strong>de</strong>n sich z.B. in Art. 12 (ex-Art. 6)<br />

EGV (allgemeines Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot), Art. 34 (ex-Art. 40) Abs. 3 EGV (Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot<br />

zwischen Erzeugern bzw. Verb<strong>ra</strong>uchern landwirtschaftlicher Produkte) sowie<br />

in Art. 141 (ex-Art. 119) EGV (Grundsatz <strong>de</strong>s gleichen Entgelts).<br />

c) Fortentwicklung <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes in Präambeln und sonstigem Pr<strong>im</strong>ärrecht<br />

aa) Einheitliche Europäische Akte (EEA)<br />

Im 3. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> EEA vom 28. Februar 1986 633<br />

haben die<br />

nachstehend erwähnten For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen nach einem umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en Grundrechtsschutz ihren<br />

630 Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>: Bestand, Ten<strong>de</strong>nzen<br />

und Entwicklungen, F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. – Berlin – Bern u.a. 1994, S. 42 f.; Pescatore,<br />

Europäische Gemeinschaften: Der Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte in <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften<br />

und seine Lücken, in: Mosler/Bernhardt/Hilf (Hrsg.), Grundrechtsschutz in Europa<br />

– Europäische Menschenrechts-Konvention und Europäische Gemeinschaften, Berlin –<br />

Hei<strong>de</strong>lberg – New York 1977, S. 64; Wetter, Die Grundrechtscharta <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong><br />

Gerichtshofs, S. 3 f.<br />

631 EuGH, Rs. 26/62 (van Gend & Loos/Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländische Finanzverwaltung) sowie Rs. 57/65<br />

(Alfons Lütticke/Hauptzollamt Saarlouis), s.o. Fn. 298.<br />

632 Hummer, Fn. 629, S. 3; Carl Otto Lenz, Ein Grundrechtskatalog für die Europäische<br />

Gemeinschaft?, NJW 1997, S. 3289. Obwexer, Fn. 554, S. 55 m.w.N., sieht das Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis<br />

<strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes pr<strong>im</strong>är <strong>im</strong> Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts, aufgrund <strong>de</strong>ssen<br />

gemeinschaftsrechtliches Sekundärrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Grundrechtskontrolle entzogen war,<br />

auf Gemeinschaftsebene jedoch selbst keiner Kontrolle unterlag.<br />

633 ABl. 1987, Nr. L 169, S. 1; BGBl. II 1986, S. 1102.


162<br />

ersten Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag gefun<strong>de</strong>n. 634 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit zog <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> EEA bei<br />

seiner Grundrechtsrechtsprechung zur Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsverträge he<strong>ra</strong>n 635 . Die<br />

zitierte Präambelbest<strong>im</strong>mung dürfte in<strong>de</strong>s noch nicht rechtsverbindlich gewesen sein, da das<br />

ihr inhärente Bekenntnis zur Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte zu allgemein gefaßt ist, um für sich<br />

genommen konkrete Pflichten für die Mitgliedstaaten zu erzeugen. 636 Daß aber selbst eine<br />

unverbindliche Vorschrift zur Auslegung he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n kann, wur<strong>de</strong> <strong>im</strong><br />

Zusammenhang mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung ausgeführt. 637<br />

bb) Vert<strong>ra</strong>g von Maastricht<br />

Im 3. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>gs vom 7. Februar 1992 wur<strong>de</strong> die<br />

Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte durch die <strong>Union</strong> ebenfalls ausgesprochen 638 . An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als die Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EEA sind diejenigen <strong>im</strong> <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>g nicht justitiabel und damit<br />

auch nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung durch <strong>de</strong>n EuGH zugänglich, da die Jurisdiktion <strong>de</strong>s EuGH i.R.d.<br />

<strong>de</strong>s EUV aufgrund von Art. 46 (ex-Art. L) EUV weitgehend eingeschränkt und nur für die<br />

dort genannten Ausnahmen eröffnet ist. 639<br />

Weitaus be<strong>de</strong>utsamer ist dagegen Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV. 640 Sinn dieser Vorschrift war<br />

es, die Kontrollfunktion <strong>de</strong>s Gerichtshofs <strong>im</strong> Hinblick auf die Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte<br />

ausdrücklich <strong>im</strong> <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>g festzuschreiben. Bislang hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH seine Grundrechtsrechtsprechung<br />

lediglich über die – <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten entlehnten – allgemeinen Rechtsgrundsätze vo<strong>ra</strong>ngetrieben. 641<br />

634<br />

„[...] ENTSCHLOSSEN, gemeinsam für die Demok<strong>ra</strong>tie einzutreten, wobei sie sich auf die<br />

in <strong>de</strong>n Verfassungen und Gesetzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Konvention<br />

zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Sozialcharta<br />

anerkannten Grundrechte, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit stützen [...]“.<br />

635<br />

Vgl. hierzu insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die zitierten Beispiele aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH bei<br />

Kulow, Inhalte und Funktionen <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs, Bayreuth 1997, S. 28 ff.<br />

636<br />

So auch Wetter, Fn. 630, S. 5, 8. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s wohl Müller-G<strong>ra</strong>ff, Einheit und Kohärenz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vert<strong>ra</strong>gsziele von EG und EU, EuR-Beiheft 2/1998, S. 67 ff., 77.<br />

637<br />

S.o. D.IV.7.<br />

638<br />

„[...] IN BESTÄTIGUNG ihres Bekenntnisses zu <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Freiheit, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Demok<strong>ra</strong>tie und <strong><strong>de</strong>r</strong> Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten und <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsstaatlichkeit<br />

[...]“.<br />

639<br />

Vgl. auch Müller-G<strong>ra</strong>ff, Fn. 636, S. 77.<br />

640<br />

Einzelheiten zu Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV s.u. E.II.<br />

641<br />

Vgl. Rie<strong>de</strong>l, Fn. 569, S. 81.


163<br />

Die Justitiabilität von Art. F Abs. 2 EUV a.F. wur<strong>de</strong> pa<strong>ra</strong>doxerweise erst durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g<br />

von Amsterdam ausdrücklich in Art. 46 lit. d EUV n.F. ve<strong>ra</strong>nkert. Die ursprüngliche Fassung<br />

<strong>de</strong>s Art. L EUV a.F. enthielt keinen Verweis, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH nach<br />

Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV begrün<strong>de</strong>t hätte. Allerdings wur<strong>de</strong> schon vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

zutreffend die Auffassung vertreten, es müsse sich hierbei um ein Redaktionsversehen<br />

han<strong>de</strong>ln. 642<br />

Nunmehr stellt Art. 46 (ex-Art. L) lit. d EUV klar, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Grundrechte<br />

in bezug auf Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane auch auf EU-Ebene wahrt, soweit seine<br />

Zuständigkeit in Art. 46 (ex-Art. L) lit. a – e EUV explizit festgelegt ist.<br />

Für <strong>de</strong>n Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> GASP fin<strong>de</strong>t sich eine grundrechtsrelevante Passage in<br />

Art. 11 (ex-Art. J.1) Abs. 2, 5. Spiegelstrich. Die i.R.d. ZBJI ursprünglich ve<strong>ra</strong>nkerte<br />

Formulierung in Art. K.2 EUV a.F., wonach die in Art. 29 (ex-Art. K.1) EUV genannten<br />

Angelegenheiten u.a. unter Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n sollten, wur<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n<br />

Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g ersatzlos gestrichen, da sich die Zuständigkeit <strong>de</strong>s Gerichtshofs ohnehin<br />

nach Art. 35 (ex-Art. K.7) EUV i.V.m. Art. 46 (ex-Art. L) lit. b EUV ergibt und dieser die<br />

Grundrechte schon aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 46 lit. d EUV n.F. i.V.m.<br />

Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV wahrt. 643<br />

Im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> justitiellen Zusammenarbeit nach Art. 31 (ex-Art. K.3) EUV beschränken die<br />

Grundrechte die allgemeine Handlungsfreiheit; bei g<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong>n Verstößen gegen die<br />

Religionsfreiheit ist daher ein erleichterter Auslieferungsgrund nach Art. 31 (ex-Art. K.3)<br />

Abs. 2 lit. b EUV gegeben. 644<br />

Im Zusammenhang mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>sbürgerschaft wur<strong>de</strong>n überdies verschie<strong>de</strong>ne Grundrechte<br />

geschaffen, vgl. Art. 17 ff. (ex-Art. 8 ff.) EGV.<br />

642 Vgl. Frowein, Die Verfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten,<br />

EuR 1995, S. 315 ff., S. 327; Wetter, Fn. 630, S. 9.<br />

643 Diese Umstellung ist i.R.d. „Vereinfachungsvorschriften“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründungsverträge bezüglich<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH (vgl. Art. 11 AV) erfolgt.<br />

644 Vgl. die Gemeinsame Maßnahme <strong>de</strong>s Rates vom 15. Juli 1996 aufgrund von Art. 31<br />

(ex-Art. K.3) Abs. 2 lit. b EUV zur Bekämpfung von Rassismus und Frem<strong>de</strong>nfeindlichkeit,<br />

ABl. 1996, Nr. L 185, S. 5, in welcher als Ausweisungsgrund die öffentliche Aufstachelung<br />

zur Diskr<strong>im</strong>inierung, Gewalt o<strong><strong>de</strong>r</strong> Rassenhaß gegen eine über Hautfarbe, Rasse, Religion<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> nationale o<strong><strong>de</strong>r</strong> ethnische Herkunft <strong>de</strong>finierte Gruppe o<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Mitglied einer solchen<br />

Gruppe bzw. die Beteiligung an Tätigkeiten von Gruppen, Organisationen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigungen<br />

genannt wird, bei <strong>de</strong>nen es zu Diskr<strong>im</strong>inierung, Gewalt und Rassenhaß, ethischem<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> religiösem Haß kommt.


164<br />

cc) Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam<br />

Mit <strong>de</strong>m Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g 645 vom 2. Oktober 1997, <strong><strong>de</strong>r</strong> am 1. Mai 1999 in K<strong>ra</strong>ft t<strong>ra</strong>t,<br />

wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtliche Grundrechtsschutz – v.a. auf <strong>de</strong>utsches Drängen hin 646 –<br />

durch die Einfügung <strong>de</strong>s Art. 6 Abs. 1 EUV n.F. 647<br />

und <strong>de</strong>ssen Verknüpfung mit Art. 7 EUV<br />

n.F. bzw. mit Art. 49 EUV n.F. <strong>de</strong>utlich aufgewertet.<br />

Zwar ist das in Art. 6 Abs. 1 EUV n.F. zum Ausdruck geb<strong>ra</strong>chte Bekenntnis zur Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Menschenrechte und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er grundlegen<strong><strong>de</strong>r</strong> staatlicher Strukturprinzipien westlicher<br />

Demok<strong>ra</strong>tien ähnlich allgemein gefaßt, wie in <strong>de</strong>n vorgenannten Erwägungsgrün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Präambeln. Im Gegensatz zu diesen Vorschriften wer<strong>de</strong>n an die Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte<br />

jedoch konkrete Pflichten gekoppelt.<br />

So wird die Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte, zu <strong>de</strong>nen auch die Religionsfreiheit zählt, zunächst<br />

gemäß Art. 49 Abs. 1 EUV n.F. als Bedingung für <strong>de</strong>n Beitritt eines Staates in die EU<br />

gemacht, was sich u.U. für die Türkei als ernsthaftes Beitrittshin<strong><strong>de</strong>r</strong>nis erweisen könnte.<br />

Daneben kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammensetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staats- und Regierungschefs eine<br />

anhalten<strong>de</strong> und schwerwiegen<strong>de</strong> Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong>de</strong>s Art. 6 Abs. 1 EUV n.F. durch<br />

einen Mitgliedstaat in <strong>de</strong>m in Art. 7 EUV n.F. beschriebenen Verfahren feststellen. Zwar setzt<br />

Art. 7 Abs. 1 EUV n.F. hierfür die Einst<strong>im</strong>migkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ratsvertreter vo<strong>ra</strong>us; Art. 7 Abs. 4<br />

EUV schränkt dies jedoch insoweit ein, als die St<strong>im</strong>me <strong>de</strong>s betroffenen Mitgliedstaats<br />

ebensowenig berücksichtigt wird, wie eine St<strong>im</strong>menthaltung. Anschließend kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat<br />

gemäß Art. 7 Abs. 2 EUV mit qualifizierter Mehrheit best<strong>im</strong>mte, sich aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung <strong>de</strong>s<br />

<strong>Union</strong>srechts ergeben<strong>de</strong> Rechte dieses Mitgliedstaats (z.B. St<strong>im</strong>mrechte) aussetzen. Dem<br />

Beschluß nach Art. 7 Abs. 1 EUV kommt Wirkung für alle drei Gemeinschaften zu, vgl.<br />

Art. 309 EGV n.F., Art. 96 EGKSV n.F., Art. 204 EAGV n.F., mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge, daß auch <strong>im</strong><br />

645<br />

Allgemein zum AV siehe Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 1 ff.; Streinz, Fn. 99, S. 47 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />

Der Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam – Die institutionellen Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen für die Europäische<br />

<strong>Union</strong> und die Europäische Gemeinschaft, Ju<strong>ra</strong> 1998, S. 57 ff.; Hilf, Amsterdam – Ein<br />

Vert<strong>ra</strong>g für die Bürger?, EuR 1997, S. 347 ff.; Hilf/Pache, Der Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam,<br />

NJW 1998, S. 705 ff.; Hasselbach, Maastricht II: Ergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungskonferenz zur<br />

Reform <strong><strong>de</strong>r</strong> EU, BayVBl. 1997, S. 454 ff.<br />

646<br />

Vgl. die Entschließungen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages vom 7.12.1995, BT-Drucks. 13/3040;<br />

Einzelheiten bei Rie<strong>de</strong>l, Fn. 569, S. 80.<br />

647<br />

„Die <strong>Union</strong> beruht auf <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Freiheit, <strong><strong>de</strong>r</strong> Demok<strong>ra</strong>tie, <strong><strong>de</strong>r</strong> Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsstaatlichkeit. Diese Grundsätze sind<br />

allen Mitgliedstaaten gemeinsam.“


165<br />

Anwendungsbereich dieser Verträge die St<strong>im</strong>mrechte und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Rechtspositionen (z.B.<br />

Beihilfen) ausgesetzt wer<strong>de</strong>n können. 648<br />

Damit ist ein prinzipiell effektiver Sanktionsmechanismus geschaffen, <strong><strong>de</strong>r</strong> – aufgrund <strong>de</strong>s<br />

Einst<strong>im</strong>migkeitsprinzips <strong>im</strong> Rat – schon durch eine Koalition zweier Menschenrechte<br />

verletzen<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten außer K<strong>ra</strong>ft gesetzt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Daneben wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n 4. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong>de</strong>s EUV n.F. 649<br />

sowie in<br />

Art. 136 EGV n.F. die Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Grundrechte durch die Gemeinschaft und die<br />

Mitgliedstaaten aufgenommen. Zur Realisierung dieses Ziels wur<strong>de</strong> das in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit<br />

ohne Großbritannien abgeschlossene Abkommen über die Sozialpolitik durch die Neufassung<br />

<strong>de</strong>s Titels XI, Kapitel 1, in <strong>de</strong>n EG-Vert<strong>ra</strong>g inkorporiert.<br />

Auch wur<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g ein spezielles Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot in<br />

Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV ve<strong>ra</strong>nkert 650 und die Justitiabilität von Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2<br />

EUV in Art. 46 (ex-Art. L) lit. d EUV nunmehr ausdrücklich festgelegt. 651<br />

Obwohl sich die <strong>Union</strong> hinsichtlich ihrer gesamten Tätigkeit zur Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong>de</strong>s<br />

Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV verpflichtet, ist nicht für alle Bereiche <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>srechts eine<br />

Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH begrün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n. Der EuGH ist vielmehr weitgehend auf die<br />

Politiken <strong><strong>de</strong>r</strong> „Ersten Säule“ (EG, EGKS und EAG) beschränkt, vgl. Art. 46 (ex-Art. L)<br />

lit. a EUV. I.R.d. „Zweiten Säule“ (GASP), die in <strong>de</strong>n Art. 11 (ex-Art. J.1) ff. EUV geregelt<br />

ist, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m EuGH überhaupt keine Kompetenz eingeräumt. So n<strong>im</strong>mt nicht nur<br />

Art. 46 (ex-Art. L) EUV <strong>de</strong>n Titel V <strong>de</strong>s EUV von <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH aus; auch<br />

Art. 28 (ex-Art. J.18) EUV wen<strong>de</strong>t die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 220 (ex-Art. 164) EGV nicht<br />

entsprechend <strong>im</strong> <strong>Union</strong>srecht an. In <strong><strong>de</strong>r</strong> „Dritten Säule“ (ZBJI) ist <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH nach Maßgabe<br />

<strong>de</strong>s Art. 35 (ex-Art. K.7) EUV zuständig, vgl. Art. 46 (ex-Art. L) lit. b EUV. Der Titel VI, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

mit <strong><strong>de</strong>r</strong> polizeilichen Zusammenarbeit und Europol gemäß Art. 30 (ex-Art. K.2) EUV in<br />

hohem Maße grundrechtssensible Tätigkeitsfel<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> enthält, eröffnet die<br />

Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH nur hinsichtlich Ratsbeschlüssen und entsprechen<strong>de</strong>n<br />

mitgliedstaatlichen Durchführungsmaßnahmen <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahrens;<br />

648<br />

Zu <strong>de</strong>n Einzelheiten <strong>de</strong>s Sanktionsmechanismus vgl. Hummer, Fn. 629, S. 92 ff.; Thun-<br />

Hohenstein, Fn. 98, S. 23 ff.<br />

649<br />

„[...] IN BESTÄTIGUNG <strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung, die sie <strong>de</strong>n sozialen Grundrechten be<strong>im</strong>essen, wie<br />

sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> am 18. Oktober 1961 in Turin unterzeichneten <strong>Europäischen</strong> Sozialcharta und in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftscharta <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer von 1989 festgelegt<br />

sind [...]“.<br />

650<br />

Einzelheiten s.u. E.IV.4.<br />

651<br />

S.o. E.I.1.c)bb).


166<br />

letzteres setzt allerdings die – fakultative – Anerkennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtsbarkeit <strong>de</strong>s EuGH durch<br />

<strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat vo<strong>ra</strong>us, vgl. Art. 35 (ex-Art. K.7) Abs. 1 u. 2. EUV.<br />

Rechtsakte <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Rates sind ohnehin nicht justitiabel. 652<br />

2. Findung 653<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte durch <strong>de</strong>n EuGH<br />

Nach anfänglichem Zögern 654 setzte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> Jahre 1969 Gemeinschaftsgrundrechte über<br />

die Rechtsquelle <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Rechtsgrundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten als existent vo<strong>ra</strong>us. 655<br />

<strong>Das</strong> Eigentumsrecht und das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> freien Berufsausbildung als zwei für <strong>de</strong>n<br />

Gemeinsamen Markt wesentliche Grundrechte anerkannte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof allerdings erst in<br />

<strong>de</strong>m zwei Wochen vor <strong>de</strong>m Solange I-Beschluß 656 ergangenen Urteil in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache<br />

Nold 657<br />

. Somit ist es gewissermaßen Verdienst <strong>de</strong>s BVerfG und ebenso <strong><strong>de</strong>r</strong> italienischen<br />

Corte Costituzionale, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit seine Grundrechtsrechtsprechung in<br />

652<br />

Weitere Einzelheiten vgl. Hummer, Fn. 629, S. 91 f.; Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 22 f.<br />

653<br />

Vgl. Hirsch, Fn. 92, S. 13: „Der Europäische Gerichtshof hat [...] die Grundrechte <strong>im</strong><br />

Gemeinschaftsrecht we<strong><strong>de</strong>r</strong> geschaffen noch erfun<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n gesucht und gefun<strong>de</strong>n.“<br />

Ausführlich zur Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte durch <strong>de</strong>n EuGH: Mancini/di Bucci, Die<br />

Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte als Teil <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts, in: Iliopoulos-St<strong>ra</strong>ngas<br />

(Hrsg.), Grundrechtsschutz <strong>im</strong> europäischen Raum, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1993, S. 208 ff.<br />

654<br />

Noch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. 40/64 (Sgarlata u.a./Kommission), Slg. 1965, S. 295 ff., 312, hatte sich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

mit behaupteten Grundrechtsverletzungen durch die Gemeinschaftsgewalt konfrontierte<br />

EuGH für unzuständig erklärt, da er nicht zur Überprüfung nationaler Grundrechte befugt<br />

sei, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr die Gültigkeit gemeinschaftsrechtlicher Handlungen nach <strong>de</strong>n<br />

Normen <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts selbst zu beurteilen habe; vgl. hierzu Chwolik-<br />

Lanfermann, Fn. 630, S. 49 ff.; Rodríguez Iglesias, Grundrechtsschutz <strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Gemeinschaftsrecht nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s Gerichtshofs <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften,<br />

in: Österreichische Juristenkommission (Hrsg.), S. 135 ff., 136.<br />

655<br />

Vgl. nur EuGH, Rs. 29/69 (Stau<strong><strong>de</strong>r</strong>/Stadt Ulm-Sozialamt), Slg. 1969, S. 419 ff., Rz. 7;<br />

Rs. 11/70 (Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr- und Vor<strong>ra</strong>tsstelle für Getrei<strong>de</strong>- und<br />

Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff., 1135, Rz. 4. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze in <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH erstmals <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

gemeinschaftsrechtlichen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>rufbarkeit von Verwaltungsakten bemüht, vgl. EuGH,<br />

verb. Rs. 3 -7/57 (Alge<strong>ra</strong> u.a./Gemeinsame Versammlung), Slg. 1957, S. 83 ff., 118. Zu <strong>de</strong>n<br />

Einzelheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsfindung durch gemeinsame Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten s.u. E.II.<br />

656<br />

S.o. C.IV.2.b).<br />

657<br />

EuGH, Rs. 4/73 (Nold/Kommission), Slg. 1974, S. 491 ff., Rz. 14.


167<br />

quantitativer wie in qualitativer Hinsicht weiterentwickelt hat. 658 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache Rutili 659<br />

nahm <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof erstmals explizit auf die Art 8 bis Art. 11 <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK als allgemeine<br />

Rechtsgrundsätze Bezug und anerkannte die Existenz weiterer Grundrechte, 660 wie z.B. <strong>de</strong>n<br />

Gleichheitsgrundsatz und die <strong>im</strong> Rahmen dieser Abhandlung maßgebliche<br />

Religionsfreiheit. 661<br />

Überdies judizierte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, daß die Ausübung von Grundrechten nicht sch<strong>ra</strong>nkenlos sein<br />

könne; aus diesem Grund konkretisierte er <strong>de</strong>n Sch<strong>ra</strong>nkenbereich 662 wie auch die Sch<strong>ra</strong>nken-<br />

Sch<strong>ra</strong>nken, durch welche <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, Grundrechte einzuschränken,<br />

Grenzen gesetzt wer<strong>de</strong>n. 663<br />

Daß hier die dritte Gewalt originäre Aufgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Gewalt „nachbessert“ – dies ist<br />

strenggenommen ein Übergriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Judikative in Gesetzgebungskompetenzen – kann jedoch<br />

selbst nach Ansicht <strong>de</strong>s BVerfG <strong>de</strong>m Bereich zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung<br />

zugeordnet wer<strong>de</strong>n. 664<br />

Die Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 6 Abs. 2 (ex-Art. F Abs. 2) EUV, bisher die weitestgehen<strong>de</strong><br />

Formulierung über <strong>de</strong>n Grundrechtsschutz <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht, knüpfte an die Formulierung an,<br />

die <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH zur Begründung gemeinschaftlicher Grundrechte geprägt hatte. 665<br />

Die<br />

658<br />

So neben vielen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Schermers, Fn. 410, S. 7.<br />

659<br />

EuGH, Rs. 36/75 (Rutili/Minister <strong>de</strong>s Inneren), Slg. 1975, S. 1219 ff., Rz. 32. Die<br />

anschließend häufigere Zitation <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK hat seinen Grund mitunter <strong>im</strong> späten Beitritt<br />

F<strong>ra</strong>nkreichs zur EMRK <strong>im</strong> Jahre 1974, so Frowein, Fn. 475, S. 36.<br />

660<br />

Eine ausführliche Übersicht über grundrechtsrelevante Entscheidungen <strong>de</strong>s EuGH bieten<br />

z.B. v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Beutler, Bd. 1, Art. F, Rdnr. 27; Chwolik-Lanfermann,<br />

Fn. 630, S. 65 ff.; Gündisch, Rechtsschutz in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft – Ein<br />

Leitfa<strong>de</strong>n für die P<strong>ra</strong>xis, Stuttgart u.a. 1994, S. 30 ff.; Obwexer, Fn. 554, S. 57 ff. sowie<br />

Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 792 ff.<br />

661<br />

EuGH, Rs. 130/75 (P<strong>ra</strong>is/Rat), Slg. 1976, S. 1589 ff., Rz. 12/19: Gleichheitsgrundsatz und<br />

Religionsfreiheit.<br />

662<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen unten E.IV.2.<br />

663<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen unten E.IV.3.<br />

664<br />

In BVerfGE 75, S. 223 ff., 243 (Kloppenburg) n<strong>im</strong>mt das BVerfG zur richterlichen<br />

Rechtsfortbildung durch <strong>de</strong>n EuGH Stellung. Je<strong>de</strong>nfalls ist die richterliche Rechtsfortbildung<br />

<strong>im</strong> Grundrechtsbereich anzuerkennen, weil hierdurch eine wichtige Schutzfunktion<br />

geschaffen wird, s.o. C.I.2.c).<br />

665<br />

EuGH, Rs. 4/73 (Nold/Kommission), Slg. 1974, S. 491 ff., Rz. 13: „Der Gerichtshof hat<br />

bereits entschie<strong>de</strong>n, daß die Grundrechte zu <strong>de</strong>n allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören,


168<br />

ausdrückliche Aufnahme dieser Rechtsprechung in <strong>de</strong>n EU-Vert<strong>ra</strong>g wur<strong>de</strong> erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich,<br />

nach<strong>de</strong>m die wachsen<strong>de</strong> Regelungsdichte <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zunehmend<br />

grundrechtssensible Bereiche erfaßt hatte.<br />

3. Ansätze zur Entstehung eines geschriebenen Grundrechtskatalogs<br />

Beginnend mit <strong><strong>de</strong>r</strong> For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s BVerfG nach einem geschriebenen Grundrechtskatalog in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Solange I-Entscheidung wur<strong>de</strong> die bloße Gewährleistung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte durch <strong>de</strong>n<br />

EuGH ohne schriftliche Fixierung <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Schutzbereiche in einer umfassen<strong>de</strong>n<br />

Kodifizierung als unbefriedigend empfun<strong>de</strong>n. Daher ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>ten das Europäische<br />

Parlament, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat und die Kommission <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft am 5. April 1977 die Gemeinsame<br />

Erklärung, in <strong><strong>de</strong>r</strong> sie ihren Willen bekräftigten, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausübung ihrer Befugnisse die<br />

Grundrechte, wie sie aus <strong>de</strong>n Verfassungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten und aus <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />

hervorgehen, zu beachten. 666 Hierdurch wird jedoch eine Selbstbindung nur <strong><strong>de</strong>r</strong> sie<br />

unterzeichnen<strong>de</strong>n Organe herbeigeführt. Daneben wur<strong>de</strong> am 8. April 1978 die politischprog<strong>ra</strong>mmatische<br />

Kopenhagener Erklärung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Rates zur Demok<strong>ra</strong>tie 667 ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t.<br />

Es folgte die Entschließung <strong>de</strong>s EP über Grundrechte und Grundfreiheiten 668 vom<br />

12. April 1989, die allerdings mangels einer entsprechen<strong>de</strong>n Gemeinschafts- und<br />

Organkompetenz rechtlich nicht verbindlich ist, zumal ein Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Gemeinschaftsorgane sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Parlamente zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Entschließung nicht erfolgte. 669<br />

Infolge<strong>de</strong>ssen ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Ruf nach einem geschriebenen Grundrechtskatalog nach wie vor<br />

onmipräsent. Erst in <strong>de</strong>n Verhandlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Amsterdamer Regierungskonferenz for<strong><strong>de</strong>r</strong>ten die<br />

Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 670 und das EP 671<br />

erneut – aber vergeblich – die Schaffung eines<br />

Grundrechtskatalogs auf Gemeinschaftsebene. Die St<strong>im</strong>men nach einem umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Grundrechtsschutz wer<strong>de</strong>n wohl erst verstummen, wenn – wie bei <strong>de</strong>n meisten<br />

die er zu wahren hat, und daß er bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewährleistung dieser Rechte von <strong>de</strong>n<br />

gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten auszugehen hat.“<br />

666<br />

ABl. 1977, Nr. C 103, S. 1.<br />

667<br />

BullEG 3/1978, S. 5.<br />

668<br />

ABl. 1989, Nr. C 120, S. 52 ff.<br />

669<br />

Vgl. hierzu Hilf, Die Notwendigkeit eines Grundrechtskataloges, S. 56 ff., 60. Eine<br />

umfassen<strong>de</strong> Dokumentation <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen politischen Grundrechtserklärungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaftsorgane fin<strong>de</strong>t sich <strong>im</strong> Gutachten 2/94 (EMRK), Slg. 1996, S. I-1759 ff., 1783<br />

ff. = EuGRZ 1996, S. 197 ff., 199 = EuR 1996, S. 302 ff.; vgl. zur Unverbindlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Erklärungen Kruttschnitt, Fn. 316, S. 148 f.<br />

670<br />

Vgl. die Entschließung <strong>de</strong>s BT vom 7.12.1995, BT-Drucks. 13/3040.<br />

671<br />

Entschließung <strong>de</strong>s EP vom 13.3.1996, ABl. 1996, Nr. C 96, S. 77 ff., Ziff. 4.4.


169<br />

Mitgliedstaaten auf Verfassungsebene – die Grundrechte ausdrücklich in <strong>de</strong>n<br />

Gründungsverträgen selbst normiert sind.<br />

4. <strong>Das</strong> EuGH-Gutachten 2/94 über die Beitrittsmöglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur<br />

EMRK<br />

Die Kommission unterbreitete <strong>de</strong>m Rat bereits 1979 durch ein Memo<strong>ra</strong>ndum 672 <strong>de</strong>n<br />

Vorschlag eines Beitritts <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur EMRK und wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holte <strong>de</strong>n fehlgeschlagenen<br />

Versuch nochmals <strong>im</strong> Jahre 1990. 673<br />

Auf Ersuchen <strong>de</strong>s Rates befaßte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, welcher gemäß Art. 300 (ex-Art. 228)<br />

Abs. 6 EGV die Vereinbarkeit eines geplanten völkerrechtlichen Abkommens <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />

<strong>im</strong> vo<strong>ra</strong>us gutachterlich beurteilen kann, <strong>im</strong> Gutachten 2/94 mit <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit eines solchen Beitritts. In seiner Stellungnahme vom<br />

28. März 1996 stellte er fest, daß ein Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur EMRK ohne vorherige<br />

Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nicht möglich ist, vgl. Art. 300 (ex-Art. 228) Abs. 6 S. 2 EGV i.V.m.<br />

Art. 48 (ex-Art. N) EUV. 674<br />

Der Gerichtshof führte <strong>im</strong> EMRK-Gutachten aus, daß das <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht zugrun<strong>de</strong><br />

liegen<strong>de</strong> Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung, Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV, auch für Gemeinschaftshan<strong>de</strong>ln<br />

mit völkerrechtlichem Bezug gelte. Eine gemeinschaftsrechtliche<br />

Best<strong>im</strong>mung, die <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen die Befugnis verleihe, auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Menschenrechte völkerrechtliche Verträge zu schließen, existiere in<strong>de</strong>s nicht. 675<br />

Zwar könne<br />

die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 308 (ex-Art. 235) EGV grundsätzlich in <strong>de</strong>njenigen Fällen he<strong>ra</strong>nge-<br />

672<br />

Memo<strong>ra</strong>ndum vom 4.4.1979; BullEG Beilage 2/79 = EuGRZ 1979, S. 330 ff.<br />

673<br />

Mitteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission über <strong>de</strong>n Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur EMRK sowie zu<br />

best<strong>im</strong>mten Zusatzprotokollen dieser Konvention vom 19.4.1990, EuGRZ 1990, S. 47<br />

m.w.N.<br />

674<br />

Vgl. z.B. Ved<strong><strong>de</strong>r</strong>, Anmerkung zum Gutachten 2/94, EuR 1996, S. 309 ff.; Wachsmann,<br />

L’avis 2/94 <strong>de</strong> la Cour <strong>de</strong> justice relatif à l’adhésion <strong>de</strong> la Communauté européenne à la<br />

Convention <strong>de</strong> sauvegar<strong>de</strong> <strong>de</strong>s droits <strong>de</strong> l’homme et <strong>de</strong>s libertés fondamentales, Revue<br />

1996, S. 467 ff., 473 ff.<br />

675<br />

EuGH, Gutachten 2/94 (EMRK), Fn. 669, S. I-1787, Rz. 23 f., 27. Es ist bemerkenswert,<br />

daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH hier nicht auf seine bisherige Rechtsprechung über <strong>de</strong>n „Pa<strong>ra</strong>llelismus von<br />

Innen- und Außenkompetenz“ zurückgreift, s.u. I.II. Allerdings weichen die Grundrechte,<br />

die <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH i.R.d. allgemeinen Rechtsgrundsätze als ungeschriebenes, pr<strong>im</strong>äres<br />

Gemeinschaftsrecht entwickelt hat, vom üblichen Pr<strong>im</strong>ärrecht ab.


170<br />

zogen wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen zwar eine kompetenzrechtliche Befugnis<br />

zum Tätigwer<strong>de</strong>n fehle, gleichwohl aber erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich erscheine, um eines <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong>de</strong>s<br />

Gemeinsamen Marktes zu erreichen. Ein Rückgriff auf Art. 308 (ex-Art. 235) EGV als<br />

Kompetenzgrundlage sei jedoch dann nicht möglich, wenn durch die Vorschrift<br />

Best<strong>im</strong>mungen erlassen wer<strong>de</strong>n sollen, die – gemessen an ihren Folgen – auf eine<br />

Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung ohne Einhaltung <strong>de</strong>s hierfür vom Vert<strong>ra</strong>g vorgesehenen Verfahrens<br />

hinausliefen. 676 Da die Grundrechte durch <strong>de</strong>n EuGH als allgemeine Rechtsgrundsätze<br />

gewahrt wür<strong>de</strong>n und sich die einzelnen Gemeinschaftsorgane durch verschie<strong>de</strong>ne Erklärungen<br />

zur Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte verpflichtet hätten, sei ein Vorgehen nach<br />

Art. 308 (ex-Art. 235) EGV nicht erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich. 677 Darüber hinaus brächte <strong><strong>de</strong>r</strong> Beitritt zur<br />

EMRK, sowohl auf gemeinschaftsrechtlicher als auch auf mitgliedstaatlicher Ebene,<br />

grundlegen<strong>de</strong> institutionelle Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s Grundrechtssystems mit sich, die nicht mehr<br />

über Art. 308 (ex-Art. 235) EGV, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur über eine Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung vorgenommen<br />

wer<strong>de</strong>n könnten. 678<br />

In erster Linie dürften diese grundlegen<strong>de</strong>n institutionellen Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen darin zu sehen sein,<br />

daß eine letztinstanzliche Prüfungskompetenz <strong>de</strong>s EGMR gegenüber <strong>de</strong>m EuGH in<br />

Grundrechtsf<strong>ra</strong>gen begrün<strong>de</strong>t wür<strong>de</strong>, um Auslegungsdivergenzen zwischen bei<strong>de</strong>n Gerichtshöfen<br />

zu vermei<strong>de</strong>n. Angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung eines Beitritts <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur EMRK<br />

ist es <strong>im</strong> Ergebnis je<strong>de</strong>nfalls vorzuziehen, wenn ein solcher nicht <strong>im</strong> Vert<strong>ra</strong>gslückenschließungsverfahren<br />

nach Art. 308 (ex-Art. 235) EGV alleine durch <strong>de</strong>n Rat, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n unter<br />

Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Parlamente erfolgt.<br />

Der auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Amsterdamer Regierungskonferenz geäußerte Beitrittswunsch zur EMRK wur<strong>de</strong><br />

bedauerlicherweise nicht aufgegriffen, weil dies erneut eine Verfassungsdiskussion in einigen<br />

Mitgliedstaaten ausgelöst hätte. 679<br />

676 EuGH, Gutachten 2/94, Fn. 669, S. I-1788, Rz. 28 – 30.<br />

677 EuGH, Gutachten 2/94, Fn. 669, S. I-1788 f., Rz. 32 f. Zwar drückt <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH dies nicht<br />

explizit aus, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n gibt die bisherigen Bemühungen von Gemeinschaftsorganen zur<br />

Verbesserung <strong>de</strong>s gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes wie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Da diese Aufzählung<br />

jedoch i.R.d. Prüfung <strong>de</strong>s Art. 308 (ex-Art. 235) EGV erfolgt, <strong><strong>de</strong>r</strong> ein Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis zum<br />

Tätigwer<strong>de</strong>n mangels ausdrücklicher Kompetenz vo<strong>ra</strong>ussetzt, kann dies nur dahingehend<br />

verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH solches Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis verneint, so auch Ved<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 674,<br />

S. 313.<br />

678 EuGH, Gutachten 2/94, Fn. 669, S. I-1789, Rz. 35.<br />

679 Rie<strong>de</strong>l, Fn. 569, S. 83. So kommt <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK in <strong>de</strong>n einzelnen Mitgliedstaaten ein sehr<br />

unterschiedlicher Rang zu, vgl. Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Aufl. 1996,<br />

Einführung, Rdnr. 6.


171<br />

5. Künftige Möglichkeiten zur Verbesserung <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft<br />

Obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsschutz durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam eine <strong>de</strong>utliche Aufwertung<br />

erfahren hat, trägt er nach wie vor – vor allem aufgrund <strong>de</strong>s Fehlens eines geschriebenen<br />

Grundrechtskataloges – <strong>de</strong>n Makel <strong>de</strong>s Unvollkommenen. Im folgen<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n die meistdiskutiertesten<br />

Ansätze zur Verbesserung <strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes<br />

dargestellt.<br />

a) Beitritt zur EMRK durch Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s EGV bzw. EUV<br />

aa) Nachteile eines Beitritts zur EMRK<br />

Es wird vertreten, ein Beitritt zur EMRK hätte <strong>de</strong>n Nachteil, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Rechtsschutz<br />

einerseits <strong>im</strong> wirtschaftlichen Bereich weniger weit entwickelt sei als <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsschutz durch<br />

<strong>de</strong>n EuGH; an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits beinhalte er <strong>im</strong> Gegenzug eine stark differenzierte Auslegung von<br />

Grundrechten, die i.R.d. Gemeinschaftsrechts nur wenig relevant seien. 680 Die<br />

wirtschaftlichen Freiheitsgrundrechte und Freizügigkeitsrechte sowie ihre Begrenzungen<br />

wür<strong>de</strong>n somit vo<strong>ra</strong>ussichtlich besser durch <strong>de</strong>n EuGH als durch <strong>de</strong>n EGMR gewahrt, da sie<br />

<strong>de</strong>n Hauptgegenstand gemeinschaftsrechtlicher Politik ausmachten. 681<br />

Abgesehen hiervon wür<strong>de</strong> es schwierige prozessuale F<strong>ra</strong>gen aufwerfen, wie das Verhältnis<br />

bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshöfe zueinan<strong><strong>de</strong>r</strong> auszugestalten sei. 682<br />

Dem kann jedoch entgegnet wer<strong>de</strong>n, daß die Gemeinschaft <strong>im</strong> Begriff ist, sich von einer<br />

Wirtschaftsgemeinschaft hin zur umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gemeinschaft zu entwickeln. Aus diesem<br />

Grun<strong>de</strong> wird es mehr und mehr erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Grundrechtsschutz ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch in<br />

nicht rein wirtschaftlichen Bereichen zu stärken. Es ist zutreffend, daß die wirtschaftlichen<br />

680<br />

Carl Otto Lenz, Fn. 632, S. 3290; Wetter, Fn. 630, S. 230.<br />

681<br />

Langguth, Fn. 685, S. 16.<br />

682<br />

Schwarze, Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft – Grundlagen und<br />

heutiger Entwicklungsstand, EuGRZ 1986, S. 293 ff., 299; Wetter, Fn. 630, S. 231.


172<br />

Freizügigkeitsrechte durch <strong>de</strong>n EuGH gut gewahrt wer<strong>de</strong>n. Daß auch die wirtschaftlichen<br />

Freiheitsgrundrechte durch <strong>de</strong>n EuGH besser gewahrt wür<strong>de</strong>n, als durch die St<strong>ra</strong>ßburger<br />

Instanzen, nur weil er sich durch größere Sachnähe auszeichnet, mag man in Zweifel ziehen,<br />

wenn man sich die Entscheidungen <strong>de</strong>s EuGH i.R.d. Bananenmarktordnung vor Augen führt.<br />

Auch wenn die Grundrechtsdogmatik <strong>de</strong>s EuGH auch ohne geschriebenen Grundrechtskatalog<br />

weit entwickelt sein mag, müssen Grundrechtsbeschränkungen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />

– ebenso wie <strong>im</strong> nationalen Recht – ihre Grenze <strong>im</strong> Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnis-<br />

mäßigkeit und in <strong><strong>de</strong>r</strong> Wesensgehaltsga<strong>ra</strong>ntie fin<strong>de</strong>n. 683<br />

Eine fein abgestufte Grundrechts-<br />

dogmatik wird – ebenso wie ein vollständiger Katalog libe<strong>ra</strong>ler, politischer und sozialer<br />

Rechtsverbürgungen einzelner – dann ad absurdum geführt, wenn <strong>de</strong>n Gemeinschaftsinteressen<br />

<strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Abwägung ein <strong><strong>de</strong>r</strong>artiger Stellenwert eingeräumt wird, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong><br />

Regelfall eine Nach<strong>ra</strong>ngigkeit von Individualinteressen zur Folge hat. Im übrigen könnte man<br />

die Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH für die Freizügigkeitsrechte nach wie vor bestehen lassen und<br />

lediglich <strong>de</strong>n Grundrechtsschutz hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte i.e.S. <strong>de</strong>m EGMR übert<strong>ra</strong>gen.<br />

bb) Vorteile eines Beitritts zur EMRK<br />

Vorteilhaft wäre <strong><strong>de</strong>r</strong> Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft 684 zur EMRK dagegen insofern, als durch ihn –<br />

auch <strong>im</strong> Hinblick auf die osteuropäischen Beitrittskandidaten – dokumentiert wer<strong>de</strong>n könnte,<br />

daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Übergang <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG hin zur umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en EU keine bloßen Kompetenzerweiterungen,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr auch eine Entwicklung von <strong><strong>de</strong>r</strong> reinen Wirtschaftsorganisation<br />

hin zur Rechts- und Wertegemeinschaft nach sich gezogen hat. 685<br />

Für einen Beitritt spräche ebenfalls, daß durch ihn künftig Kompetenzkonflikte und<br />

Auslegungsdivergenzen zwischen <strong>de</strong>m EuGH und <strong>de</strong>m EGMR beseitigt und ein einheitlicher<br />

Grundrechtsschutz in <strong><strong>de</strong>r</strong> EU durch <strong>de</strong>n „integ<strong>ra</strong>tionsneut<strong>ra</strong>len“ EGMR geschaffen wür<strong>de</strong>. 686<br />

cc) Eigene Stellungnahme<br />

683 S.u. E.IV.3.<br />

684 Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> mangeln<strong>de</strong>n Rechtspersönlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> EU wäre ohnehin nur ein Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EG zur EMRK <strong>de</strong>nkbar, vgl. hierzu die Ausführungen unten E.V.1.<br />

685 Ebenso Griller, Der verbliebene Reformbedarf <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> nach Amsterdam,<br />

in: Hummer (Hrsg.), S. 313 ff., 320; Langguth, Grundrechtsschutz und Politische <strong>Union</strong>, S.<br />

14 ff., 15; Wetter, Fn. 630, S. 233 f.<br />

686 So auch Hasselbach, Fn. 645, S. 458; Potacs, Der Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft<br />

zur <strong>Europäischen</strong> Menschenrechtskonvention aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht, in:<br />

Hummer/Schweitzer (Hrsg.), Österreich und das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Wien 1996,<br />

S. 81 ff., 83.


173<br />

Richtig ist, daß vor einem Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> EG 687 zur EMRK prozessuale Schwierigkeiten gelöst<br />

wer<strong>de</strong>n müßten, wie z.B. die Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Art. 66 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK, <strong><strong>de</strong>r</strong> bisher nur Staaten<br />

<strong>de</strong>n Beitritt zum Rechtsschutzsystem <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK eröffnet. 688 Infolge <strong>de</strong>s 11. Protokolls<br />

wur<strong>de</strong>n die prozessualen Schwierigkeiten eines Beitritts jedoch <strong>de</strong>utlich entschärft: So hatten<br />

Eckart Klein 689 und Ellen Chwolik-Lanfermann 690<br />

eine Verbindung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechts-<br />

schutzsysteme noch vor allem <strong>de</strong>shalb als problematisch angesehen, weil eine<br />

Verklammerung <strong>de</strong>s EuGH allenfalls mit <strong>de</strong>m EGMR, nicht jedoch mit <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m<br />

Ministerkomitee sinnvoll sei.<br />

Alternativ o<strong><strong>de</strong>r</strong> kumulativ könnte ein Vorlageverfahren <strong>de</strong>s EuGH an <strong>de</strong>n EGMR geschaffen<br />

wer<strong>de</strong>n. 691<br />

Durch ein solches Vorlageverfahren könnten potentielle Rechtsprechungsdivergenzen<br />

zwischen bei<strong>de</strong>n Gerichtshöfen noch vor Urteilserlaß <strong>de</strong>s EuGH ausgeschlossen<br />

wer<strong>de</strong>n. Dieser könnte sich bei Konsultierung <strong>de</strong>s EKMR daher ohne „Gesichtsverlust“ an<br />

<strong>de</strong>ssen Grundrechtsrechtsprechung orientieren.<br />

Der Betritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur EMRK bzw. die Schaffung eines Vorlageverfahrens sollte<br />

m.E. trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbesserung <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam<br />

vo<strong>ra</strong>ngetrieben wer<strong>de</strong>n, weil dieser für die Mitgliedstaaten potentielle Grundrechtskollisionen<br />

aufgrund eines divergieren<strong>de</strong>n Grundrechtsniveaus effektiv vermei<strong>de</strong>t, die sich da<strong>ra</strong>us ergeben<br />

687 Ein Betritt <strong><strong>de</strong>r</strong> EU dürfte wegen fehlen<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtspersönlichkeit bzw. eigener<br />

Vert<strong>ra</strong>gsabschlußkompetenz von vornherein ausschei<strong>de</strong>n, so auch Thun-Hohenstein, Fn. 98,<br />

S. 21. Ausführlich zur Rechtspersönlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> EU: Pechstein/König, Fn. 64, Rdnrn. 69 ff.,<br />

81; Peter M. Huber, Fn. 287, S. 358; Koenig/Ha<strong>ra</strong>tsch, Europarecht, 2. Aufl., Tübingen<br />

1998, Rdnr. 603.<br />

688 Vgl. z.B. Frowein/Peukert, Fn. 679, Einführung, Rdnr. 13; Giegerich, Fn. 482, S. 844;<br />

Potacs, Fn. 686, S. 88. Es ist bedauerlich, daß die grundlegen<strong>de</strong> Reform <strong>de</strong>s EMRK-<br />

Verfahrens durch das 11. Protokoll nicht bereits in dieser Richtung Ermächtigungsklauseln<br />

für einen Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft geschaffen hat; so auch Schlette, Europäischer<br />

Menschenrechtsschutz nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Reform <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK, JZ 1999, S. 219 ff., 226.<br />

689 Klein, Überlegungen <strong>de</strong> lege ferenda, in: Mosler/Bernhardt/Hilf (Hrsg.), Grundrechtsschutz<br />

in Europa – Europäische Menschenrechts-Konvention und Europäische Gemeinschaften,<br />

Berlin – Hei<strong>de</strong>lberg – New York 1977, S. 160 ff., 165.<br />

690 Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 315.<br />

691 Vgl. hierzu Ruffert, Die Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft als Verpflichtete<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte, EuGRZ 1995, S. 518 ff., 526, dort Fn. 100 mit weiteren<br />

Lite<strong>ra</strong>turhinweisen. Ebenso Klein, Fn. 689, S. 169. Schon GA Warner hatte in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rs. 130/75 (P<strong>ra</strong>is/Rat), Slg. 1976, S. 1589 ff., 1607, bemängelt, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>de</strong> lege lata<br />

<strong>de</strong>n St<strong>ra</strong>ßburger Organen keine sich ihm stellen<strong>de</strong>n F<strong>ra</strong>gen bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EMRK zur Vo<strong>ra</strong>bentscheidung vorlegen könne.


174<br />

können, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft als Vert<strong>ra</strong>gsstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK dieser<br />

völkerrechtlichen Institution verpflichtet bleibt. 692<br />

Die mit einem Beitritt verbun<strong>de</strong>nen rechtstechnischen Hür<strong>de</strong>n wären bei entsprechen<strong>de</strong>m<br />

politischen Willen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ohne weiteres zu nehmen, 693 um <strong>de</strong>n von <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission<br />

seit langem befürworteten Weg 694<br />

zu beschreiten.<br />

b) Schaffung einer eigenen EU-Grundrechtscharta <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>gsrevision<br />

Nach <strong><strong>de</strong>r</strong>zeitiger Rechtslage ist auf EU-Ebene mit Ausnahme <strong>de</strong>s Pauschalverweises in<br />

Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV kein für alle Gemeinschaftsorgane verbindlicher Grundrechtskatalog<br />

vorgesehen. Trotz<strong>de</strong>m existieren mehrere aktuellere Entwürfe eines solchen: Erwähnt<br />

sei hier <strong><strong>de</strong>r</strong> vom Institutionellen Ausschuß <strong>de</strong>s EP e<strong>ra</strong>rbeitete und nach seinem Berichterstatter<br />

Fernand Herman benannte sog. Herman-Entwurf <strong><strong>de</strong>r</strong> „von <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> verbürgten Menschenrechte“<br />

vom 10. Februar 1994; dieser gewährleistet in Art. 4 Ziff. VIII neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Gedanken-<br />

und Gewissensfreiheit auch die (individuelle) Religionsfreiheit. 695<br />

Daneben besteht z.B. ein<br />

von <strong>de</strong>n Grünen 1997 präsentierter Entwurf für eine EU-Grundrechtscharta mit Freiheits- und<br />

Bürgerrechten, einem Verbot <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung aufgrund von Rasse, Herkunft, Sp<strong>ra</strong>che,<br />

692<br />

Vgl. die Einzelheiten hierzu unten E.III.1.d); ebenso Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 319.<br />

693<br />

Ebenso Jacqué, L’Adhésion <strong>de</strong> la Communauté Européenne à la Convention Européenne<br />

<strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme – Aspects juridiques et techniques, in: Iliopoulos-St<strong>ra</strong>ngas (Hrsg.),<br />

Grundrechtsschutz <strong>im</strong> europäischen Raum, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1993, S. 303 ff., 312 ff.; Kostelka,<br />

Eröffnungsvort<strong>ra</strong>g, in: Österreichische Juristenkommission (Hrsg.), S. 15 ff., 21; Carl Otto<br />

Lenz, Fn. 632, S. 3289. Als solche Hür<strong>de</strong> muß z.B. die Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Anbringung von<br />

Vorbehalten <strong>im</strong> EMRK-Rechtsschutzsystem angesehen wer<strong>de</strong>n. Ebenso unbefriedigend ist<br />

bislang die Tatsache, daß es mit Englisch und F<strong>ra</strong>nzösisch <strong>im</strong> Gegensatz zur Regelung in<br />

Art. 290 (ex-Art. 217) EGV nur zwei authentische Sp<strong>ra</strong>chen <strong>de</strong>s Europa<strong>ra</strong>tes gibt, vgl.<br />

Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 316.<br />

694<br />

Auch das EP for<strong><strong>de</strong>r</strong>te in <strong>de</strong>n Verhandlungen <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs <strong>de</strong>n Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> EU<br />

zur EMRK, um nicht nur eine Rechtsverbindlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Grundrechte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch<br />

eine Überprüfungsmöglichkeit durch <strong>de</strong>n EGMR zu schaffen, vgl. Entschließung <strong>de</strong>s EP<br />

vom 13.3.1996, ABl. 1996, Nr. C 96, S. 77 ff., Ziff. 4.2.<br />

695<br />

Art. 4 Ziff. VIII lautet: „<strong>Das</strong> Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit wird<br />

gewährleistet.“ Allgemein zum Herman-Bericht: Sannwald, Die Struktur <strong>de</strong>s künftigen<br />

Europas – Überlegungen zu einem Entwurf für eine Europäische Verfassung, europablätter<br />

1995, S. 7 ff.; speziell zur Religionsfreiheit: van Bijsterveld, Fn. 607, S. 25; Conring,<br />

Fn. 25, S. 393; Tempel, Vers une position institutionnelle <strong>de</strong>s églises dans l’<strong>Union</strong><br />

Européenne – L’approche par les droits fondamentaux, l’approche concordataire et<br />

l’approche coopé<strong>ra</strong>trice, in: Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/Tempel/Torfs (Hrsg.), Fn. 31, S. 11 ff., 16.


175<br />

Geschlecht, Religion und sexueller Orientierung. In letztgenanntem Entwurf wird – ähnlich<br />

wie i.R.d. EMRK – auf soziale Grundrechte verzichtet. 696 Auch bei Meinhard Hilf 697 fin<strong>de</strong>n<br />

sich konkrete Ansätze, wie ein künftiger Grundrechtskatalog <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ausgestaltet<br />

wer<strong>de</strong>n könnte. Derzeit wird <strong>im</strong> Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> EU eine Grundrechtscharta ausgearbeitet, die <strong>im</strong><br />

Dezember 2000 in Paris proklamiert und anschließend <strong>de</strong>n Gemeinschaftsverträgen<br />

vo<strong>ra</strong>ngestellt wer<strong>de</strong>n soll. 698<br />

aa) Nachteile eines gemeinschaftseigenen Grundrechtskatalogs<br />

Jochen Abr. Frowein, <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemalige Vizepräsi<strong>de</strong>nt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR, beurteilt die Schaffung eines<br />

gemeinschaftseigenen Grundrechtskatalogs neben <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK kritisch, weil er bezweifelt,<br />

daß sich ein solcher <strong>im</strong> Grundrechtsstandard mit <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK messen lassen könne und<br />

überdies ein von <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK differieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Grundrechtsvorschriften<br />

nicht wünschenswert sei. 699 Gene<strong>ra</strong>lanwalt Carl Otto Lenz sieht mit einem abgeschlossenen<br />

Grundrechtskatalog das Risiko verbun<strong>de</strong>n, daß die Gemeinschaft in diesem Falle nicht mehr<br />

wie bisher flexibel einen effektiven Grundrechtsschutz gewährleisten könne und for<strong><strong>de</strong>r</strong>t daher<br />

zumin<strong>de</strong>st eine Entwicklungsklausel. 700<br />

bb) Vorteile eines gemeinschaftseigenen Grundrechtskatalogs<br />

Ein gemeinschaftseigener Grundrechtskatalog <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft anstelle o<strong><strong>de</strong>r</strong> neben ihrem<br />

Beitritt zur EMRK könnte gleichwohl dazu beit<strong>ra</strong>gen, die Legit<strong>im</strong>ität <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft auf<br />

<strong>de</strong>m Weg zur Politischen <strong>Union</strong> zu verstärken und ihre Akzeptanz in <strong>de</strong>n einzelnen<br />

Mitgliedstaaten zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 701<br />

Schließlich enthalten die Verfassungen aller Mitgliedstaaten,<br />

696<br />

SZ Nr. 103 vom 6.5.1997, S. 2.<br />

697<br />

Fn. 669, S. 66 ff.<br />

698<br />

So Herta Däubler-Gmelin, in: Anwaltsblattgespräch, AnwBl 1999, S. 586 f., 587.<br />

699<br />

Frowein, Fn. 475, S. 35. Auch Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 301, sowie Kostelka,<br />

Fn. 693, S. 22, bezweifeln gleichwertige Ergebnisse trotz hohen Arbeits- und Zeitaufwan<strong>de</strong>s;<br />

Dagtoglou, Schlußbemerkung, in: Iliopoulos-St<strong>ra</strong>ngas (Hrsg.), Grundrechtsschutz<br />

<strong>im</strong> europäischen Raum, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1993, S. 385 ff., 388, sieht selbst bei gleichwertigen<br />

Ergebnissen einen „Konkurrenten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK“.<br />

700<br />

Vgl. Carl Otto Lenz, Fn. 632, S. 3289. Der Gedanke <strong><strong>de</strong>r</strong> Flexibilität ist übrigens nicht neu,<br />

vgl. schon Sasse, Der Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte in <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften und<br />

seine Lücken, in: Mosler/Bernhardt/ Hilf (Hrsg.), Fn. 689, S. 51 ff., 56.<br />

701<br />

Vgl. aus <strong><strong>de</strong>r</strong> großen Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Befürworter nur: Anweiler, Auslegungsmetho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

EuGH, F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. u.a. 1997, S. 374 f.; Däubler-Gmelin, Fn. 698, S. 587; Everling,<br />

Weiterentwicklung <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes durch <strong>de</strong>n EuGH, in: Wei<strong>de</strong>nfeld (Hrsg.), Der<br />

Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft, Bonn 1992, S. 73 ff., 77;


176<br />

mit Ausnahme <strong>de</strong>s Vereinigten Königreichs 702 , einen nie<strong><strong>de</strong>r</strong>geschriebenen<br />

Grundrechtskatalog, <strong><strong>de</strong>r</strong> verbürgt, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelne <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Gewaltherrschaft nicht<br />

willkürlich ausgeliefert ist. 703<br />

Die Entwicklung von Gemeinschaftsgrundrechten durch <strong>de</strong>n EuGH einzig über die<br />

allgemeinen Rechtsgrundsätze ist überdies unzureichend, weil dieser seine<br />

Grundrechtsrechtsprechung nur dann weiterentwickeln kann, wenn und soweit er in einem<br />

704<br />

konkreten Verfahren mit einer speziellen Grundrechtsf<strong>ra</strong>ge befaßt wird. Abgesehen hiervon<br />

ist <strong><strong>de</strong>r</strong> gegenwärtige Grundrechtsstandard <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht für <strong>de</strong>n Laien absolut<br />

unübersichtlich, da diesem kaum zugemutet wer<strong>de</strong>n kann, die bisherigen Gemeinschaftsgrundrechte<br />

aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH he<strong>ra</strong>uszufiltern. 705 Ein geschriebener<br />

Grundrechtskatalog wür<strong>de</strong> also für ein be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>s Mehr an Orientierung und Rechtssicherheit<br />

sorgen – und dies nicht nur für die <strong>Union</strong>sbürger, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch für die<br />

Gemeinschaftsorgane selbst. 706<br />

Letztlich ist die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte durch <strong>de</strong>n EuGH auch insofern unbefriedigend,<br />

als dieser hierdurch <strong>im</strong> Kern eine Tätigkeit wahrn<strong>im</strong>mt, die Prinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen<br />

Staatslehre zufolge eigentlich <strong>de</strong>m pouvoir constituant, d.h. <strong>de</strong>n gesetzgeben<strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten als „Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“, obliegt.<br />

cc) Eigene Stellungnahme<br />

Frowein, Fn. 642, S. 326 f.; Hafner, Fn. 20, S. 103; Hilf, Fn. 669, S. 64; Langguth, Fn. 685,<br />

S. 16; Carl Otto Lenz, Fn. 632, S. 3289; Wetter, Fn. 630, S. 226 f.<br />

702 Allerdings wird selbst <strong>im</strong> Vereinigten Königreich über die Einführung eines Grundrechtskataloges<br />

nachgedacht, vgl. Rengeling, Grundrechtsschutz in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft<br />

– Bestandsaufnahme und Analyse <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gerichtshofs<br />

zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze, München 1993, S. 169<br />

m.w.N.<br />

703 Eine Kodifikation <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte kann somit <strong><strong>de</strong>r</strong> Entstehung von Rechtssicherheit<br />

zuträglich sein, vgl. z.B. Obwexer, Fn. 554, S. 77.<br />

704 Vgl. Hilf, Fn. 669, S. 59. So hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bisher noch keine Gelegenheit, z.B. das Recht<br />

auf Leben (Art. 2 Abs. 1 EMRK), das Verbot <strong><strong>de</strong>r</strong> Folter (Art. 3 EMRK), das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Versammlungsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 EMRK) o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Recht auf freie und gehe<strong>im</strong>e<br />

Wahlen (Art. 3 ZP zur EMRK) festzustellen.<br />

705 Zu Recht Carl Otto Lenz, Fn. 632, S. 3289.<br />

706 So auch Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 293 f.; Hilf, Ein Grundrechtskatalog in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Perspektive einer <strong>Europäischen</strong> Verfassung, in: Iliopoulos-St<strong>ra</strong>ngas (Hrsg.), Grundrechtsschutz<br />

<strong>im</strong> europäischen Raum, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1993, S. 320 ff., 330 ff.; Rengeling, Fn. 702,<br />

S. 169.


177<br />

Da die Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK als allgemeine Rechtsgrundsätze über Art. 6 (ex-Art. F)<br />

Abs. 2 EUV <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit schon <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht gelten, 707 wäre die Schaffung eines gemeinschaftseigenen<br />

Grundrechtskataloges – neben <strong>de</strong>m vorzugswürdigen Beitritt – nur dann eine<br />

sinnvolle Ergänzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftscharta, wenn sie <strong>de</strong>n „EMRK-aquis“ – d.h. die<br />

Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechtskonvention einschließlich ihrer Protokolle – übernähme, um<br />

die Entstehung von Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen zweierlei Maßstabs zu verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Ansonsten<br />

könnte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bei seiner Rechtsfindung in Auslegungsdifferenzen zur Rechtsprechung <strong>de</strong>s<br />

EGMR ge<strong>ra</strong>ten, was für die Mitgliedstaaten <strong>im</strong> Falle eines geringeren Grundrechtsstandards<br />

auf Gemeinschaftsebene – wie bisher auch – einen Konflikt mit <strong>de</strong>n Verpflichtungen aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EMRK he<strong>ra</strong>ufbeschwören könnte. Nach <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam, <strong><strong>de</strong>r</strong> notwendige<br />

Verbesserungen <strong>im</strong> Grundrechtsbereich herbeigeführt hat, dürfte in<strong>de</strong>s ein eigener<br />

Grundrechtskatalog <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft kaum noch zu erwarten sein. 708<br />

Im Falle eines Beitritts<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur EMRK wür<strong>de</strong>n die geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Vorzüge eines eigenen Grundrechtskatalogs<br />

weitgehend ebenfalls erreicht, ohne die Gefahr neuerlicher Differenzen zwischen<br />

bei<strong>de</strong>n Grundrechtssystemen zu erzeugen, da in diesem Fall <strong><strong>de</strong>r</strong> geschriebene Grundrechtskatalog<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK selbst zur Rechtssicherheit und Orientierung beitrüge.<br />

c) Ve<strong>ra</strong>bschiedung eines Grundrechtskatalogs durch alle Gemeinschaftsorgane<br />

Diskutiert wird auch die Ve<strong>ra</strong>bschiedung eines Grundrechtskatalogs durch alle<br />

Gemeinschaftsorgane, d.h. neben <strong>de</strong>n Organen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinsamen Erklärung vom<br />

5. April 1977 – Kommission, Rat und EP – auch durch EuGH, EZB, Europol usw., auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Grundlage <strong><strong>de</strong>r</strong> von Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EGV gewährleisteten Grundrechte. 709 Hierdurch<br />

wäre <strong><strong>de</strong>r</strong> Verweis <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV entbehrlich, <strong><strong>de</strong>r</strong> nach wie vor die<br />

Streitf<strong>ra</strong>ge offen läßt, ob die Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht unmittelbar<br />

anwendbar sind. 710<br />

Der Nachteil eines in dieser Weise ergangenen Grundrechtskatalogs<br />

gegenüber einem auf einer Regierungskonferenz beschlossenen Grundrechtskatalog o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Beitritt liegt auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand: Zum einen müßte ein solcher nicht die Kontrolle <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen<br />

Parlamente passieren und wäre daher <strong>im</strong>mer mit einem gewissen Legit<strong>im</strong>itäts- und<br />

Demok<strong>ra</strong>tie<strong>de</strong>fizit behaftet, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en könnte es sich hierbei nicht um Pr<strong>im</strong>ärrecht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

nur um organgeschaffenes Sekundärrecht han<strong>de</strong>ln, das jeglichem Pr<strong>im</strong>ärrecht gegenüber<br />

nach<strong>ra</strong>ngig wäre.<br />

707<br />

S.u. E.III.1.<br />

708<br />

Ebenso Hilf, Fn. 645, S. 360.<br />

709<br />

Vgl. v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Beutler, Bd. 1, Art. F, Rdnr. 121.<br />

710<br />

S. hierzu u. E.III.1.


178<br />

d) „Gemeinsame Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten“ i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 S. 2 EGV<br />

aa) Kollektive Ve<strong>ra</strong>ntwortlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

Einen interessanten Vorschlag als Alternative zur Beitrittsvariante bringt Antonio Bultrini 711<br />

ein: Weil die einzelnen Mitgliedstaaten bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Vollziehung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts selbst<br />

dann noch Verpflichtete <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK bleiben, 712 wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH – ausgehend von einem<br />

weiten Ermessensspiel<strong>ra</strong>um <strong>de</strong>s Rates 713 – zuvor einen Grundrechtsverstoß durch das<br />

Gemeinschaftsrecht verneint hat, müsse ein möglicher Auslegungskonflikt zwischen<br />

St<strong>ra</strong>ßburg und Luxemburg – in einer die Ve<strong>ra</strong>ntwortung bei <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten belassen<strong>de</strong>n<br />

Weise – ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n. Diese seien es schließlich, die aufgrund ihrer gemeinsamen<br />

Gesetzgebung <strong>im</strong> Rat potentielle Konflikte einzelner Mitgliedstaaten mit <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />

herbeiführen wür<strong>de</strong>n, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e wenn ein gemeinschaftsrechtlicher Rechtsakt keinen<br />

mitgliedstaatlichen Umsetzungsspiel<strong>ra</strong>um gewähre. 714 Bultrini empfiehlt daher, pr<strong>im</strong>ärrechtlich<br />

die Letztve<strong>ra</strong>ntwortung in Grundrechtsf<strong>ra</strong>gen vom EuGH auf die Mitgliedstaaten<br />

gemeinschaftlich zu verlagern, wie es Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 S. 2 EGV ohnehin für<br />

völkerrechtliche „Altverträge“ – ein solcher stellt die EMRK dar 715 – nahelege 716 und so die<br />

Ve<strong>ra</strong>ntwortlichkeit <strong>de</strong>s einzelnen Mitgliedstaats gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch ein gerechteres<br />

kollektives Ve<strong>ra</strong>ntwortlichkeitsprinzip aller Mitgliedstaaten zu ersetzen. 717<br />

bb) Eigene Stellungnahme<br />

<strong>Das</strong> Hervorheben <strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>ntwortung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten für die Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte<br />

auch i.R.d. Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten auf die Gemeinschaft – zumal diese als Ratsvertreter<br />

nach wie vor das Schicksal <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zu steuern in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage sind – muß am<br />

Ansatz Bultrinis positiv gewürdigt wer<strong>de</strong>n. Allerdings geht <strong><strong>de</strong>r</strong> aufgezeigte Lösungsvorschlag<br />

m.E. zu sehr von einer intergouvernementalen Sichtweise <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft aus. Vielmehr ist<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH als sup<strong>ra</strong>nationales Organ ve<strong>ra</strong>ntwortlich, <strong>im</strong> Einzelfall einen <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK adäquaten<br />

Rechtsschutz zu schaffen, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Stadium <strong>de</strong>s Erlasses von Sekundärrecht noch gar nicht bis<br />

ins Detail durchdacht wer<strong>de</strong>n kann. Eine Kontrollmöglichkeit <strong>de</strong>s EuGH durch die Mitgliedstaaten<br />

wäre überdies verfahrensrechtlich nur schwierig zu realisieren und wür<strong>de</strong> zu<strong>de</strong>m <strong>de</strong>m<br />

711<br />

Bultrini, L’inte<strong>ra</strong>ction entre le système <strong>de</strong> la Convention européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme<br />

et le système communautaire, ZEuS 1998, S. 493 ff.<br />

712<br />

Bultrini, Fn. 711, S. 498; Einzelheiten s.u. E.III.1.d)dd).<br />

713<br />

Bultrini, Fn. 711, S. 496 f.; Einzelheiten s.u. E.IV.2.a) und E.IV.3.b)bb)(2).<br />

714<br />

Bultrini, Fn. 711, S. 499, 501.<br />

715<br />

S.u. E.III.1.d)aa).<br />

716<br />

Bultrini, Fn. 711, S. 499 f.<br />

717<br />

Bultrini, Fn. 711, S. 502.


179<br />

Gewaltenteilungsgrundsatz zuwi<strong><strong>de</strong>r</strong>laufen. Außer<strong>de</strong>m wür<strong>de</strong>n Konflikte einzelner<br />

Mitgliedstaaten min<strong>de</strong>stens ebenso effektiv ausgeschlossen, wenn die „Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft pr<strong>im</strong>ärrechtlich die Möglichkeit <strong>de</strong>s Beitritts zur EMRK einräumten.<br />

e) Gemeinschaftsrechtliche Verfassungsbeschwer<strong>de</strong><br />

Der gemeinschaftsrechtliche Grundrechtsschutz könnte künftig auch durch die Schaffung<br />

einer Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> einzelner <strong>Union</strong>sbürger gegen Verletzungen durch<br />

gemeinschaftsrechtliche Rechtsakte gestärkt wer<strong>de</strong>n, was <strong>im</strong> Hinblick auf eine<br />

Komplettierung <strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzsystems durchaus sinnvoll<br />

erscheint. 718<br />

Da jedoch die mitgliedstaatlichen Rechtsschutzsysteme nur sehr vereinzelt die<br />

Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> kennen, muß die Wahrscheinlichkeit einer Realisierung dieses<br />

Vorschlags als gering eingestuft wer<strong>de</strong>n.<br />

6. Zusammenfassung<br />

Ein verbindlicher Grundrechtskatalog auf Gemeinschaftsebene, durch welchen die<br />

Religionsfreiheit ausdrücklich als Grundrecht geschützt wür<strong>de</strong>, existiert – ungeachtet <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

diversen Ansätze insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane zur Schaffung eines solchen – bisher<br />

nicht. Zwar hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> Rahmen von Einzelfallentscheidungen die Gemeinschaftsgrundrechte<br />

über die allgemeinen Rechtsgrundsätze entwickelt und so die vorhan<strong>de</strong>ne<br />

Rechtsschutzlücke teilweise geschlossen. Ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> nach wie vor bestehen<strong>de</strong>n<br />

Rechtsunsicherheit wäre ein geschriebener Grundrechtskatalog noch <strong>im</strong>mer wünschenswert.<br />

Dieser dürfte jedoch nicht <strong>im</strong> Gegensatz zum Grundrechtskatalog <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK stehen, an<br />

welchen die Mitgliedstaaten trotz ihrer Mitgliedschaft in <strong><strong>de</strong>r</strong> EG gebun<strong>de</strong>n sind. Erst ein<br />

Betritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur EMRK bzw. die Schaffung eines Vorlageverfahrens wür<strong>de</strong> für<br />

die Mitgliedstaaten potentielle Grundrechtskollisionen aufgrund eines divergieren<strong>de</strong>n<br />

Grundrechtsniveaus effektiv vermei<strong>de</strong>n.<br />

718 Vgl. die Ansätze bei Rengeling, B<strong>ra</strong>uchen wir eine Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> auf Gemeinschaftsebene?,<br />

in: FS Everling 1995, Bd. 2, S. 1187 ff. Dieser führt als Argumente für eine<br />

solche Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> u.a. an, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsbürger auf Gemeinschaftsebene<br />

ohnehin als Rechtssubjekt anerkannt sei (S. 1201) und ein solcher Individualschutz<br />

das Gebot effektiven Rechtsschutzes verwirkliche (S. 1202).


180<br />

II. Die „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten“ als „allgemeine<br />

Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts“ i.S.d. Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />

Gemäß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV achtet die <strong>Union</strong> die Grundrechte, wie sie in zwei<br />

Quellen gewährleistet sind, namentlich in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK und in <strong>de</strong>n „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen“<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten als „allgemeine Grundsätze <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts“. 719<br />

Durch die Einfügung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift in <strong>de</strong>n EU-Vert<strong>ra</strong>g sollte vor<br />

allem <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsrechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH <strong>im</strong><br />

Gemeinschaftsrecht Rechnung get<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n. Dieser hatte die EMRK ebenso wie die<br />

gemeinsamen Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten zur Schaffung eines eigenen<br />

Grundrechtssystems he<strong>ra</strong>ngezogen. Aus diesem Grun<strong>de</strong> kommt Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />

719<br />

Unklar ist vom <strong>de</strong>utschen Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift ausgehend zunächst, ob nur die<br />

„gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch die EMRK unter<br />

<strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „allgemeinen Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts“ zu subsumieren ist. Der<br />

Vergleich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> englischen und f<strong>ra</strong>nzösischen Sp<strong>ra</strong>chfassung legt <strong>de</strong>n Schluß nahe, daß<br />

sowohl die Grundrechte, wie sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK gewährleistet sind als auch diejenigen, wie<br />

sie sich aus <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ergeben, als<br />

allgemeine Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zu achten sind. Vgl. hierzu Thun-<br />

Hohenstein, Fn. 98, S. 21, dort Fn. 2.<br />

Außer<strong>de</strong>m erscheint die Bezugnahme in Art. 6 (Ex-Art. F) Abs. 2 EUV nur auf die bei<strong>de</strong>n<br />

genannten Grundrechtsquellen insoweit zu eng, als <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit auch<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>e völkerrechtliche Verträge zur Rechtsfindung durch allgemeine Rechtsgrundsätze<br />

he<strong>ra</strong>ngezogen hat. Der EuGH zählt z.B. <strong>de</strong>n IPbpR zu <strong>de</strong>n Abkommen, die er bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts berücksichtigt, vgl.<br />

EuGH, Rs. C-249/96 (Lisa Jacqueline G<strong>ra</strong>nt/South-West T<strong>ra</strong>ins Ltd), Slg. 1998, S. I-621 ff.,<br />

650, Rz. 44 m.w.N. = EuZW 1998, S. 212 ff. m. Anm. Szczekalla = EuGRZ 1998, S. 140 ff.<br />

Eine Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK gegenüber <strong>de</strong>m IPbpR erscheint sinnvoller, da nicht alle<br />

Mitgliedstaaten Pakt und Fakultativprotokoll <strong>de</strong>s IPbpR <strong>ra</strong>tifiziert haben und sich die<br />

Klärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorbehalte i.R.d. IPbpR weitaus komplexer als bei Art. 64 EMRK gestaltet,<br />

vgl. Klein, Fn. 617, S. 52 ff. Allerdings hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH ausdrücklich da<strong>ra</strong>uf hingewiesen, daß<br />

er trotz <strong>de</strong>s Wortlauts von Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV – wie bisher auch – weitere<br />

völkerrechtliche Verträge über <strong>de</strong>n Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte, an <strong><strong>de</strong>r</strong>en Abschluß die<br />

Mitgliedstaaten beteiligt waren o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>nen sie beigetreten sind, berücksichtigen wird, vgl.<br />

EuGH, Gutachten 2/94, Slg. 1996, S. I-1759 ff., 1789, Rz. 33.


181<br />

keine konstitutive, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich <strong>de</strong>kla<strong>ra</strong>torische Wirkung zu. 720 Für die Findung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

maßgeblichen religionsrechtlichen Best<strong>im</strong>mungen bedarf es nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> kumulativen He<strong>ra</strong>nziehung<br />

bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Quellen; vielmehr reicht das Vorhan<strong>de</strong>nsein eines Grundrechts alternativ in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK o<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen zur He<strong>ra</strong>usbildung von<br />

Gemeinschaftsgrundrechten aus. 721<br />

1. Rechtslage vor Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />

Schon vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV kam <strong>de</strong>n „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, zu <strong>de</strong>nen auch die „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen“<br />

gezählt wer<strong>de</strong>n können, Be<strong>de</strong>utung zu. In Art. 288 (ex-Art. 215) Abs. 2 EGV wird<br />

speziell für die außervert<strong>ra</strong>gliche Haftung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft eine Rückgriffsmöglichkeit auf<br />

die in <strong>de</strong>n Rechtsordnungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätze<br />

eröffnet. Für die Vertreter einer völkerrechtlichen Sichtweise <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsnatur <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Gemeinschaften 722 ergibt sich die Geltung allgemeiner Rechtsgrundsätze schon da<strong>ra</strong>us,<br />

daß das Gemeinschaftsrecht als beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Bestandteil <strong>de</strong>s Völkerrechts diese als eine<br />

wichtige Völkerrechtsquelle beachten muß. <strong>Das</strong> in Art. 288 (ex-Art. 215) Abs. 2 EGV<br />

nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegte Prinzip kann daher allgemein zur Schliessung bestehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Lücken <strong>im</strong><br />

Gemeinschaftsrecht he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n, soweit das Problem in <strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen<br />

Rechtsordnungen eine Regelung gefun<strong>de</strong>n hat. 723 Da das Gemeinschaftsrecht noch keine<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>art <strong>de</strong>zidierte Kodifizierung besitzt, wie dies in <strong>de</strong>n einzelnen Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist,<br />

war <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH schon früh auf eine Rechtsvergleichung zur Lückenschließung angewiesen. 724<br />

720<br />

EuGH, Rs. C-415/93 (<strong>Union</strong> royale belge <strong>de</strong>s sociétés <strong>de</strong> football association<br />

ASBL/Bosman, Royal club liégeois SA/Bosman u.a.), Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rz. 79;<br />

Hummer, Fn. 629, S. 83; Obwexer, Fn. 554, S. 64; Rodríguez Iglesias, Gedanken zum<br />

Entstehen einer <strong>Europäischen</strong> Rechtsordnung, NJW 1999, S. 1 ff., 5; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 654, S. 147;<br />

Wetter, Fn. 630, S. 66.<br />

721<br />

Vgl. Wetter, Fn. 630, S. 74.<br />

722<br />

Vgl. hierzu Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 85 ff.<br />

723<br />

Vgl. Anweiler, Fn. 701, S. 282 f.; Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 53 ff.; Rodríguez<br />

Iglesias, Fn. 720, S. 6.<br />

724<br />

Als Beispiele <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsfindung durch Rechtsvergleichung vgl. EuGH, Rs. 155/79 (AM&S<br />

Europe L<strong>im</strong>ited/Kommission), Slg. 1982, S. 1575 ff. = NJW 1983, S. 503; Rs. 374/87<br />

(Orkem/Kommission), Slg. 1989, S. 3283 ff. = EuZW 1991, S. 412; EuGH, verb. Rs. 46/87<br />

u. 227/88 (Hoechst AG/Kommission), Slg. 1989, 2859 ff. = EuGRZ 1989, S. 395 ff. =<br />

NJW 1989, S. 3080 ff.; s. hierzu Anweiler, Fn. 701, S. 280, 357 f.; Rodríguez Iglesias,<br />

Fn. 720, S. 7.


182<br />

Nicht unerwähnt bleiben soll, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH neben <strong>de</strong>n eigentlichen Freiheits- und<br />

Gleichheitsgrundrechten auch Rechtsstaatsprinzipien entwickelt hat, die nach <strong>de</strong>m<br />

Verständnis <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Rechts am ehesten <strong>de</strong>m allgemeinen Verwaltungsrecht zugerechnet<br />

wer<strong>de</strong>n können. Es sind dies z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>uensschutz 725 , <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz rechtlichen<br />

Gehörs 726 o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Recht auf Akteneinsicht 727<br />

.<br />

2. Definition <strong><strong>de</strong>r</strong> „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen“<br />

Während unter „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“ best<strong>im</strong>mte Rechts- und Strukturprinzipien<br />

verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, die in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen nationalen Rechtsordnungen gemeinsam sind, 728<br />

können – in Erweiterung hierzu – unter <strong>de</strong>n „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen“<br />

i.S.d. Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV diejenigen Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen verstan<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen – nicht notwendig geschriebenen – Verfassungsüberlieferungen<br />

gemeinsam sind, wobei <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine werten<strong>de</strong> Rechtsvergleichung vorn<strong>im</strong>mt. 729<br />

Dabei wer<strong>de</strong>n die nationalen Grundrechte nicht etwa in die Gemeinschaftsrechtsordnung<br />

übernommen; vielmehr orientiert sich <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH lediglich an ihnen als<br />

725<br />

Vgl. z.B. EuGH, Rs. C-24/95 (Land Rheinland-Pfalz/Alcan Deutschland), Slg. 1997,<br />

S. I -1591 ff., 1617, Rz. 25 = EuZW 1997, S. 276 ff. = EuGRZ 1997, S. 327 ff.; wobei<br />

dieser allerdings restriktiv ausgelegt wird, wenn es darum geht, eine gemeinschaftsrechtlich<br />

vorgeschriebene Rückfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nicht p<strong>ra</strong>ktisch unmöglich zu machen, vgl. Rs. C-24/95,<br />

a.a.O., S. I-1616, Rz. 24; S. I-1618, Rz. 31.<br />

726<br />

EuGH, Rs. 17/74 (T<strong>ra</strong>nsocean Marine Paint Association/Kommission), Slg. 1974,<br />

S. 1063 ff., 1080 f.; Rs. 85/76 (Hoffmann-La Roche/Kommission), Slg. 1979, S. 461 ff.,<br />

511.<br />

727<br />

EuGH, Rs. 85/76, Fn. 726, S. 512 f.<br />

728<br />

Buck, Fn. 549, S. 38; vgl. hierzu ausführlich: Lecheler, Der Europäische Gerichtshof und<br />

die allgemeinen Rechtsgrundsätze, Berlin 1971, S. 45 ff. Ein illustres Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsvergleichung<br />

i.R.d. EGKSV bieten die Schlußanträge <strong>de</strong>s GA Lag<strong>ra</strong>nge, Verb. Rs. 3-4/54<br />

(ASSIDER u. ISA), Slg. 1954/55, S. 151 ff., 157 ff. Der EuGH hat in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. 155/79<br />

(AM & S/Kommission), Slg. 1982, S. 1575 ff., 1605 (LS 3), auf Regelungen in <strong>de</strong>n<br />

nationalen Rechtsordnungen ausdrücklich Bezug genommen.<br />

729<br />

Vgl. Anweiler, Fn. 701, S. 359; Koenig/Ha<strong>ra</strong>tsch, Fn. 687, Rdnr. 215; Obwexer, Fn. 554,<br />

S. 62; Rodríguez Iglesias, Fn. 654, S. 138 f.


183<br />

Rechtserkenntnisquelle. 730 Der Gerichtshof hat nur Gemeinschaftsrecht anzuwen<strong>de</strong>n;<br />

nationales Recht wen<strong>de</strong>t er nur an, sofern er hiermit aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 238<br />

f. (ex-Art. 181 f.) EGV befaßt wird. 731<br />

Da gemäß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV nur die<br />

gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten maßgeblich sind, stellt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EuGH keine Rechtsvergleichung bezüglich einfachgesetzlicher religionsrechtlicher<br />

Rechtsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten an.<br />

3. Welcher Standard gelangt zur Anwendung?<br />

Die Grundrechtsstandards in <strong>de</strong>n einzelnen Mitgliedstaaten sind meist – und ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch <strong>im</strong><br />

Hinblick auf die Religionsfreiheit – höchst unterschiedlich. Es muß daher geklärt wer<strong>de</strong>n,<br />

wann <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH von einer „gemeinsamen Verfassungsüberlieferung“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

ausgehen und diese in das Gemeinschaftsrecht übernehmen kann.<br />

Da es sich bei <strong>de</strong>n „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen“ um einen Unterfall <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

„allgemeinen Rechtsgrundsätze“ han<strong>de</strong>lt – diese sind nicht zu verwechseln mit <strong>de</strong>m Begriff<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> „allgemeinen Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts“ 732 , wie er in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2<br />

EUV verwandt wird – kann insoweit auf die bisher zu <strong>de</strong>n „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“<br />

entwickelten Theorien zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n. 733<br />

730<br />

Vgl. Schlußanträge <strong>de</strong>s GA Roemer, Rs. 29/69 (Stau<strong><strong>de</strong>r</strong>/Stadt Ulm, Sozialamt), Slg. 1969,<br />

S. 419 ff., 428, Rz. 7; EuGH, Rs. 11/70 (Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr- und<br />

Vor<strong>ra</strong>tsstelle für Getrei<strong>de</strong>- und Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff., 1134 f., Rz. 3: „Die<br />

einheitliche Geltung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts wür<strong>de</strong> beeinträchtigt, wenn bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Entscheidung über die Gültigkeit von Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane Normen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Grundsätze <strong>de</strong>s nationalen Rechts he<strong>ra</strong>ngezogen wür<strong>de</strong>n.“; vgl. auch Koenig/Ha<strong>ra</strong>tsch,<br />

Fn. 687, Rdnr. 215.<br />

731<br />

Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische <strong>Union</strong>, Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl.,<br />

Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1993, S. 239 f.<br />

732<br />

Hierunter wer<strong>de</strong>n Fundamentalprinzipien <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts, wie z.B. <strong>de</strong>n Anwendungsvor<strong>ra</strong>ng<br />

<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts, verstan<strong>de</strong>n. Die in Rs. 4/73 (Nold/Kommission),<br />

Slg. 1974, S. 491 ff., Rz. 13, vom EuGH verwandte Formulierung <strong><strong>de</strong>r</strong> „allgemeinen<br />

Rechtsgrundsätze“ ist in diesem Zusammenhang höchst verwirrend und i.S.d. „allgemeinen<br />

Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts“ <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV aufzufassen.<br />

733<br />

So auch Anweiler, Fn. 722, S. 358 f.


184<br />

a) Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Min<strong>im</strong>alstandards<br />

Nach konsequenter Anwendung dieser Metho<strong>de</strong> dürfte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH nur auf allgemeine<br />

Rechtsgrundsätze zurückgreifen, die sich in allen Mitgliedstaaten nachweisen lassen; es wäre<br />

also hiernach die jeweils weiteste Auslegung maßgeblich. 734 Zwar spricht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utsche<br />

Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV von „gemeinsamen“ Verfassungsüberlieferungen,<br />

was diese Ansicht zunächst zu stützen scheint; jedoch ergibt sich eine <strong><strong>de</strong>r</strong>artige<br />

Ausschließlichkeit nicht, wenn man die englische o<strong><strong>de</strong>r</strong> f<strong>ra</strong>nzösische Textfassung<br />

he<strong>ra</strong>nzieht. 735 Der Schutzbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte wäre – teleologisch bet<strong>ra</strong>chtet<br />

– zu sehr reduziert, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> „kleinste gemeinsame Nenner“ in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten als<br />

gemeinschaftlicher Grundrechtsstandard gewählt wür<strong>de</strong>, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>swegen, weil nicht<br />

mehr die Sechsergemeinschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründungsjahre <strong><strong>de</strong>r</strong> EG besteht. Abgesehen davon wären<br />

bei Zugrun<strong>de</strong>legung <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Min<strong>im</strong>alstandards aufwendige rechtsvergleichen<strong>de</strong><br />

Studien erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, da <strong><strong>de</strong>r</strong> konkrete Schutzbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit ebenso wie aller<br />

übrigen Grundrechte in je<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> (noch) 15 Rechtsordnungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

nachzuweisen wäre, um i.R.d. Gemeinschaftsrechts zur Anwendung gelangen zu können. Da<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftliche Grundrechtsschutz infolge<strong>de</strong>ssen jeweils nur so stark wäre, wie das<br />

jeweils „schwächste Glied in <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtskette <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten“ 736 , hätte dies zur<br />

Folge, daß die Gemeinschaftsgewalt nicht wirksam eingeschränkt wür<strong>de</strong>. Zu Recht hat die<br />

Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Min<strong>im</strong>alstandards in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH keinen Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag<br />

gefun<strong>de</strong>n. 737<br />

b) Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Max<strong>im</strong>alstandards<br />

Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Max<strong>im</strong>alstandards soll bereits das Vorhan<strong>de</strong>nsein eines Grundrechts in<br />

einigen Mitgliedstaaten ausreichen, um diesen Befund <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht zugrun<strong>de</strong><br />

legen zu können. 738<br />

Zu weitgehend je<strong>de</strong>nfalls ist die Auffassung, die <strong>de</strong>n höchsten Standard –<br />

734<br />

Ein Vertreter dieser Auffassung war z.B. Weis, Die außervert<strong>ra</strong>gliche Haftung <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG<br />

gemäß Art. 215 II EWGV, JA 1980, S. 480.<br />

735<br />

Pauly, Strukturf<strong>ra</strong>gen <strong>de</strong>s unionsrechtlichen Grundrechtsschutzes, EuR 1998, S. 242 ff.,<br />

254: Nach ihr sind die Rechte geschützt, wie sie sich ergeben „from the constitutional<br />

t<strong>ra</strong>ditions common to the Member States“ bzw. „<strong>de</strong>s t<strong>ra</strong>ditions constitutionelles communes<br />

aux États membres“.<br />

736<br />

Stadler, zitiert bei Wetter, Fn. 630, dort Fn. 181; Streinz, Fn. 435, S. 431.<br />

737<br />

Vgl. EuGH, Rs. 11/70, Fn. 730, Rz. 3, wonach ein Gemeinschaftsrechtsakt gegen die<br />

Grundrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> ihnen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung eines Mitgliedstaats gegebenen Gestalt<br />

verstoßen kann. Eine Max<strong>im</strong>allösung lehnen daher ebenfalls ab Hirsch, Fn. 92, S. 12;<br />

Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 15.<br />

738<br />

Vgl. v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Krück, Bd. 4, Art. 164, Rdnr. 33.


185<br />

auch wenn dieser nur in einem Mitgliedstaat besteht – als gemeinsame<br />

Verfassungsüberlieferung zugrun<strong>de</strong> legen will. 739 Der Vorteil dieser Metho<strong>de</strong> ist zwar die<br />

Sicherstellung eines hohen grundrechtlichen Schutzniveaus, jedoch ist eine solche Auslegung<br />

mit <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV kaum in Einklang zu bringen. Ähnlich<br />

wie i.R.d. Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Min<strong>im</strong>alstandards müßte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH alle Rechtsordnungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten <strong>im</strong> Detail kennen und bei je<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsf<strong>ra</strong>ge „durchforsten“, um zu<br />

untersuchen, ob nicht doch ein Mitgliedstaat dieses Grundrecht in <strong>de</strong>m streitgegenständlichen<br />

Umfang gewährleistet. 740 Abgesehen davon könnte ein Staat durch Verfassungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />

einseitig Einfluß auf <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsstandard nehmen und somit<br />

das Funktionieren <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft gefähr<strong>de</strong>n. 741 Schließlich ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Max<strong>im</strong>alstandard nur<br />

schwierig festzustellen, da <strong>im</strong>mer auch die Sch<strong>ra</strong>nken <strong>de</strong>s Grundrechts i.R.d. nationalen<br />

Verfassungsgefüges zu berücksichtigen wären. 742 Um überhaupt von „gemeinsamen<br />

Verfassungsüberlieferungen“ sprechen zu können, wird man daher vo<strong>ra</strong>ussetzen müssen, daß<br />

sich das Grundrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> ihm vom Gemeinschaftsrecht zugedachten Reichweite zumin<strong>de</strong>st<br />

in einigen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen wie<strong><strong>de</strong>r</strong>fin<strong>de</strong>t. 743 Im übrigen ließe sich diese<br />

Metho<strong>de</strong> schwerlich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH in Einklang bringen. 744<br />

739 In diese Richtung Bleckmann, in: Christoph, Fn. 139, S. 416 a.E.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 133, S. 52 ff.;<br />

Robbers, Fn. 181, S. 87; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 107, S. 358; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 341, S. 320. Ansätze fin<strong>de</strong>n sich<br />

überdies bei Streinz, Fn. 435, S. 402, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich dabei auf EuGH, Rs. 4/73 (Nold/Kommission),<br />

Slg. 1974, S. 491 ff., 507, Rz. 13, stützt, seine Position in<strong>de</strong>s wie<strong><strong>de</strong>r</strong> relativiert, <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />

a.a.O., S. 434 ff. Ebenso räumt Rengeling, Fn. 702, S. 211, ein, daß sich ein vom ihm selbst<br />

bevorzugtes max<strong>im</strong>ales Schutzniveau (vgl. <strong><strong>de</strong>r</strong>s., a.a.O., S. 168) schon bei einer<br />

Zwölfergemeinschaft kaum verwirklichen lasse.<br />

740 So auch Sasse, Fn. 700, S. 58.<br />

741 Vgl. Streinz, Fn. 435, S. 434 m.w.N., dort in Fn. 407.<br />

742 Vgl. Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 57; Sasse, Fn. 700, S. 58.<br />

743 Anweiler, Fn. 701, S. 356; Pauly, Fn. 735, S. 254, mit Hinweis auf die englische und<br />

f<strong>ra</strong>nzösische Textfassung <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV.<br />

744 EuGH, Rs. 11/70 (Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr- und Vor<strong>ra</strong>tsstelle für<br />

Getrei<strong>de</strong>- und Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff., 1134 f., Rz. 3: „Daher kann es die<br />

Gültigkeit einer Gemeinschaftshandlung o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>en Geltung in einem Mitgliedstaat nicht<br />

berühren, wenn geltend gemacht wird, die Grundrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> ihnen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung<br />

dieses Staates gegebenen Gestalt o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Strukturprinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Verfassung<br />

seien verletzt.“ Vgl. auch Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 57, 59; Rodríguez Iglesias,<br />

Fn. 654, S. 138.


186<br />

c) Metho<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> werten<strong>de</strong>n Bet<strong>ra</strong>chtungsweise<br />

Da arithmetische Mittelwerte bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> „kleinste“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „größte gemeinsame Nenner“ nicht<br />

generell zu adäquaten Lösungen führen, wird überwiegend vertreten, daß aufgrund einer<br />

kritischen Analyse einer rechtsvergleichen<strong>de</strong>n Umschau diejenige Lösung gewählt wer<strong>de</strong>n<br />

müsse, die sich als die „beste“ bzw. „fortschrittlichste“ he<strong>ra</strong>usstellt. 745<br />

Im Einzelfall kann dies<br />

durchaus be<strong>de</strong>uten, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> höchste Standard auf mitgliedstaatlicher Ebene auch<br />

gemeinschaftsrechtlich relevant ist.<br />

An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH entschie<strong>de</strong>n, daß (nur) diejenigen allgemeinen Rechtsgrundsätze<br />

Anwendung fin<strong>de</strong>n sollen, die sich in die Struktur und Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft einfügen; 746<br />

dieses Dictum kann als verfassungs<strong>im</strong>manente Grundrechtssch<strong>ra</strong>nke angesehen wer<strong>de</strong>n. 747<br />

Aufgrund dieser Rechtsprechung besteht Grund zur Besorgnis, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof nach<br />

einem Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen nationalen Verfassungssysteme Grundrechte, wie z.B.<br />

die Religionsfreiheit, nur in einem Umfang auf Gemeinschaftsebene anerkennt, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Zielen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft am besten entspricht, d.h. möglichst integ<strong>ra</strong>tionsför<strong><strong>de</strong>r</strong>nd ist.<br />

745 Schlußanträge GA Lag<strong>ra</strong>nge, Rs. 14/61 (Koninklijke Ne<strong><strong>de</strong>r</strong>landsche Hoogovens en<br />

Staalfabrieken N.V./Hohe Behör<strong>de</strong>), Slg. 1962, S. 511 ff., 559 ff., 570: „Auf diese Weise<br />

wür<strong>de</strong> sich die Rechtsprechung <strong>de</strong>s Gerichtshofs bei <strong><strong>de</strong>r</strong> sehr weitgehen<strong>de</strong>n He<strong>ra</strong>nziehung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> innerstaatlichen Rechtsordnungen zur He<strong>ra</strong>usarbeitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsnormen, die bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Durchführung <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs anzuwen<strong>de</strong>n sind, nicht da<strong>ra</strong>uf beschränken, seinen Quellen nur<br />

ein mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger arithmetisches „Mittel“ zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen innerstaatlichen<br />

Lösungen zu entnehmen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wür<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n einzelnen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n diejenigen Lösungen<br />

auswählen, die ihm <strong>im</strong> Hinblick auf die Vert<strong>ra</strong>gsziele als die besten o<strong><strong>de</strong>r</strong>, wenn man diesen<br />

Ausdruck geb<strong>ra</strong>uchen will, als die fortschrittlichsten erscheinen.“; ebenso Ipsen,<br />

Europäisches Gemeinschaftsrecht, Tübingen 1972, S. 113; Obwexer, Fn. 554, S. 62;<br />

Rodríguez Iglesias, Fn. 654, S. 138 f.; Wetter, Fn. 630, S. 47 m.w.N., dort Fn. 183. Im<br />

Ergebnis ähnlich Conring, Fn. 25, S. 321 ff., 324, <strong><strong>de</strong>r</strong> einem autonomen – durch <strong>de</strong>n EuGH<br />

gewährten – Schutzniveau <strong>de</strong>n Vorzug gibt.<br />

746 EuGH, Rs. 11/70 (Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr- und Vor<strong>ra</strong>tsstelle für<br />

Getrei<strong>de</strong>- und Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff., 1135, Rz. 4: „Die Gewährleistung dieser<br />

Rechte [allgemeine Rechtsgrundsätze] muß zwar von <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten get<strong>ra</strong>gen sein, sie muß sich aber auch in die Struktur und die<br />

Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft einfügen.“<br />

747 Streinz, Fn. 435, S. 410 f.; s. hierzu E.IV.2.a).


187<br />

d) Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s relativierten Max<strong>im</strong>alstandards mit negativer Kontrollfunktion<br />

Da sich <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH an <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen orientieren soll, kann<br />

zwar gleichwohl die Metho<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> werten<strong>de</strong>n Rechtsvergleichung angewandt wer<strong>de</strong>n, diese ist<br />

jedoch dahingehend zu relativieren, als <strong>im</strong> Anschluß hie<strong>ra</strong>n eine Überprüfung am Max<strong>im</strong>alstandard<br />

mitgliedstaatlicher Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen als Ergänzung durchzuführen ist, um<br />

sicherzustellen, daß das so gefun<strong>de</strong>ne Ergebnis nicht mit <strong>de</strong>n religionsrechtlichen<br />

Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen einiger Mitgliedstaaten gänzlich unvereinbar ist. 748<br />

e) Die EMRK als Min<strong>de</strong>ststandard<br />

Da alle Mitgliedstaaten die EMRK <strong>ra</strong>tifiziert haben, bietet diese ebenfalls eine wichtige<br />

Grundlage für die Ermittlung <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten bestehen<strong>de</strong>n gemeinsamen<br />

Rechtsvorstellungen 749 und kann zumin<strong>de</strong>st <strong>de</strong>n Min<strong>de</strong>ststandard an Grundrechten aufzeigen,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> allen Mitgliedstaaten gemeinsam ist. 750 Hierbei ist jedoch zu beachten, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK nur<br />

in einigen Mitgliedstaaten (Österreich und Griechenland) Verfassungs<strong>ra</strong>ng zukommt. Von<br />

einer „gemeinsamen Verfassungsüberlieferung“ kann man daher bei <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK nicht<br />

sprechen. 751 Da sich die EMRK jedoch unter <strong>de</strong>n weiteren Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „allgemeinen Rechtsgrundsätze“<br />

subsumieren läßt, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH unabhängig von Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV zu<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>en Beachtung verpflichtet. Seit <strong>de</strong>m Rutili-Urteil 752<br />

hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis häufig auf<br />

die EMRK Bezug genommen.<br />

4. „Gemeinsame Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten“ i.R.d.<br />

<strong>Religionsrecht</strong>s<br />

748 Noch strenger Streinz, Fn. 435, S. 431 ff., 435, 437 m.w.N. dort Fn. 417.<br />

749 So auch v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Krück, Bd. 4, Art. 164, Rdnr. 34.<br />

750 In diese Richtung Streinz, Fn. 435, S. 401, dort Fn. 205; Wetter, Fn. 630, S. 9.<br />

751 Etwas an<strong><strong>de</strong>r</strong>es wür<strong>de</strong> nur dann gelten, wenn man die EMRK als gemeinsame<br />

Verfassungsüberlieferung ansehen wür<strong>de</strong>, weil ihr in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten faktisch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vor<strong>ra</strong>ng vor nationalem Recht eingeräumt wird; so z.B. BVerfGE 83, S. 119 ff., 128,<br />

aufgrund einer völkerrechtskonformen Interpretation <strong>de</strong>s Grundgesetzes trotz <strong>de</strong>s Ranges<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK als einfaches Bun<strong>de</strong>sgesetz, vgl. Her<strong>de</strong>gen, Fn. 40, Rdnr. 37; Schweitzer,<br />

Fn. 39, Rdnrn. 709 f.<br />

752 EuGH, Rs. 36/75, s.o. Fn. 659, Rz. 32.


188<br />

Im folgen<strong>de</strong>n soll auf die Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten 753<br />

zur individuellen<br />

und kollektiven Religionsfreiheit Bezug genommen wer<strong>de</strong>n, soweit diese nicht schon in <strong>de</strong>m<br />

allgemeinen Überblick <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten unter B.II dargestellt wur<strong>de</strong>n<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n speziellen rechtsvergleichen<strong>de</strong>n Untersuchungen i.R.d. Kirchenfinanzierung unter<br />

K.III.5.b) bzw. i.R.d. Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts von Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong><br />

Bereich <strong>de</strong>s Kultus unter L.II.2.a) und <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s kirchlichen Arbeitsrechts unter L.II.2.b)<br />

vorbehalten sind. 754<br />

Belgien anerkennt in Art. 19 Belg.Verf. die individuelle und kollektive (positive)<br />

Religionsfreiheit und in Art. 20 Belg.Verf. zusätzlich die individuelle negative<br />

Religionsfreiheit. Darüber hinaus wer<strong>de</strong>n die Rechte und Freiheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> i<strong>de</strong>ologischen und<br />

philosophischen Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten durch Gesetze und Verordnungen geschützt.<br />

In Dänemark wird die Religionsfreiheit in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung von 1849 nicht ausdrücklich<br />

ve<strong>ra</strong>nkert, was seinen Grund darin haben mag, daß <strong><strong>de</strong>r</strong>en Gewährleistung bereits zum<br />

damaligen Zeitpunkt selbstverständlich war. Allerdings wird in verschie<strong>de</strong>nen St<strong>ra</strong>f- und<br />

Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtdiskr<strong>im</strong>inierung von Religionsgemeinschaften<br />

geschützt. 755<br />

Art. 67 Dän.Verf. gewährt das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Bildung von Vereinigungen<br />

zum Zwecke <strong><strong>de</strong>r</strong> Gottesverehrung. Nach Art. 68 Dän.Verf. besteht kein Zwang, persönliche<br />

Beiträge zu einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en als <strong><strong>de</strong>r</strong> selbst befolgten Art <strong><strong>de</strong>r</strong> Gottesverehrung zu leisten. Den<br />

einzelnen wegen seines Glaubensbekenntnisses vom vollen Genuß <strong><strong>de</strong>r</strong> bürgerlichen und<br />

politischen Rechte auszuschließen, verbietet Art. 70 Dän.Verf.<br />

In Deutschland ist die Religionsfreiheit nicht nur durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistet,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n fin<strong>de</strong>t darüber hinaus ihren Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag in Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 – 139 und<br />

Art. 141 WRV. Geschützt ist nicht nur das innere Bil<strong>de</strong>n und Haben eines persönlichen<br />

753 Vgl. Übersicht über das staatliche <strong>Religionsrecht</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Beitrittskandidaten Polen, Tschechien<br />

und Ungarn in EssGespr. 29 (1995): Orszulik, Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht über das Staat-Kirche-<br />

Verhältnis in Polen, S. 90 ff.; Lobkowicz, Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht über das Staat-Kirche-Verhältnis in<br />

Tschechien, S. 122 ff.; Erdö, Die gegenwärtige Lage <strong>de</strong>s Staat-Kirche-Verhältnisses in<br />

Ungarn – Staatskirchenrechtliche und kanonistische Aspekte, S. 134 ff.<br />

754 Eine ausführliche rechtsvergleichen<strong>de</strong> Untersuchung <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen <strong>Religionsrecht</strong>e<br />

fin<strong>de</strong>t sich bei Puza/Kustermann (Hrsg.), Staatliches <strong>Religionsrecht</strong> <strong>im</strong> europäischen<br />

Vergleich, Freiburg (Schweiz) 1993 sowie bei Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995; vgl. zu letztgenanntem die Buchbesprechung von<br />

Muckel, DVBl. 1996, S. 1071 f. Erwähnt seien überdies die Arbeiten von Bleckmann,<br />

Fn. 133, S. 73 ff.; v. Campenhausen, Fn. 74, § 38, S. 385 ff.; Conring, Fn. 25, S. 87 ff.;<br />

Leisching, Kirche und Staat in <strong>de</strong>n Rechtsordnungen Europas, Freiburg 1973; Rengeling,<br />

Fn. 702, S. 127 ff.<br />

755 Dübeck, Fn. 133, S. 41 f.


189<br />

Glaubens, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong>de</strong>ssen äußeres Bekenntnis und Verbreiten. Auch die negative<br />

Religionsfreiheit wird insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e durch Art. 140 GG i.V.m. 136 Abs. 3 WRV gewährleistet,<br />

wonach niemand verpflichtet ist, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren und <strong>de</strong>n<br />

Behör<strong>de</strong>n nur soweit das Recht eingeräumt wird, nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugehörigkeit zu einer<br />

Religionsgesellschaft zu f<strong>ra</strong>gen, als davon Rechte und Pflichten abhängen o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine gesetzlich<br />

angeordnete statistische Erhebung dies erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Überdies sind die Vorschriften <strong>de</strong>s<br />

Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG nur dann voll erschließbar, soweit ihnen über <strong>de</strong>n<br />

Individualschutzgehalt hinaus ein kollektives Element zuerkannt wird. 756<br />

Art. 9 <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung Finnlands von 1995 gesteht je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann die Freiheit von Religion und<br />

Gewissen als status positivus und status negativus zu. Art. 5 Finn.Verf. enthält ein<br />

Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion. Allerdings ist die kollektive<br />

Religionsfreiheit nicht von Verfassungs wegen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur nach Maßgabe <strong>de</strong>s Gesetzes über<br />

die Religionsfreiheit gewährleistet.<br />

F<strong>ra</strong>nkreich anerkennt in Art. 2 S. 3 F<strong>ra</strong>nz.Verf. von 1958 die individuelle Religionsfreiheit.<br />

Da aber die Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung ausdrücklich auf die Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschen- und<br />

Bürgerrechte von 1789 verweist und diese in Art. 10 umfassend die freie Religionsausübung<br />

ga<strong>ra</strong>ntiert, soweit hierdurch nicht die öffentliche Ordnung gestört wird, wird man ebenfalls<br />

eine kollektive Komponente anerkennen müssen.<br />

Griechenland gewährleistet in Art. 13 § 1 Griech.Verf. die individuelle Gewissensfreiheit. In<br />

Art. 13 § 2 Griech.Verf. wird zwar die Kultusfreiheit verbürgt, jedoch an enge Vo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />

geknüpft. So darf neben einer Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung z.B. keine<br />

„aufdringliche Werbung“ für eine Religion gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

Irland achtet durch Art. 44 Abs. 1 Irl.Verf. die Religion und gewährleistet in Art. 44 Abs. 2<br />

Ziff. 1 Irl.Verf. die Gewissens-, Religionsbekenntnis- und Religionsausübungsfreiheit<br />

vorbehaltlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung und Mo<strong>ra</strong>l. Aufgrund <strong>de</strong>s religiösen<br />

Bekenntnisses, Glaubens o<strong><strong>de</strong>r</strong> Stan<strong>de</strong>s darf gemäß Art. 44 Abs. 2 Ziff. 3 Irl.Verf. keine<br />

unterschiedliche Behandlung, v.a. in bezug auf staatsbürgerliche Rechte, erfolgen.<br />

Art. 19 <strong><strong>de</strong>r</strong> italienischen Verfassung enthält weitgehen<strong>de</strong> Best<strong>im</strong>mungen über die individuelle<br />

Religionsfreiheit, in Art. 3 Ital.Verf. ist ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot u.a. aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religion verbrieft. Art. 8 Abs. 1 Ital.Verf. greift dieses Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot für alle<br />

Konfessionen auf, die „gleichermaßen frei vor <strong>de</strong>m Gesetz“ sind. Dies steht jedoch <strong>im</strong><br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zur P<strong>ra</strong>xis <strong><strong>de</strong>r</strong> Italienischen Regierung, welche mit einigen Religionsgemein-<br />

756 Vgl. z.B. BVerfGE 19, S. 1 ff., 5; 42, S. 312 ff., 321; Bethge, Fn. 444, S. 17.


190<br />

schaften keine Vereinbarungen abschließt, so daß diese nicht in <strong>de</strong>n Genuß kollektiver Rechte<br />

gelangen können.<br />

In Luxemburg wird durch Art. 19 Lux.Verf. die Freiheit <strong>de</strong>s Glaubensbekenntnisses und<br />

seiner öffentlichen Ausübung ebenso ga<strong>ra</strong>ntiert, wie die Freiheit, eigene religiöse Meinungen<br />

zu äußern. Art. 20 Lux.Verf. verbietet u.a., daß einzelne zur Mitwirkung an Handlungen und<br />

Feierlichkeiten eines best<strong>im</strong>mten Glaubensbekenntnisses gezwungen wer<strong>de</strong>n können.<br />

Die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> gewähren aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 6 <strong><strong>de</strong>r</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>l.Verf. von 1983,<br />

durch <strong>de</strong>n das bisherige Verfassungskapitel über die Religion ersetzt wur<strong>de</strong>, je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann das<br />

Recht, seine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung individuell o<strong><strong>de</strong>r</strong> kollektiv zu bekennen,<br />

unbescha<strong>de</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>ntwortung je<strong>de</strong>s einzelnen vor <strong>de</strong>m Gesetz. 757<br />

Darüber hinaus enthält<br />

Art. 1 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>l.Verf. ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot u.a. aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion und<br />

<strong>de</strong>s Glaubens.<br />

In Österreich ist sowohl die individuelle wie auch die korpo<strong>ra</strong>tive Religionsfreiheit<br />

gewährleistet. Ebenso wie in Deutschland ist die Grundrechtsträgerschaft von Kirchen als<br />

juristischen Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts anerkannt; diese können mögliche Grundrechtsverletzungen<br />

vor <strong>de</strong>m Verfassungsgerichtshof geltend machen. 758<br />

In Portugal wird durch Art. 41 Port.Verf. umfassend die Religionsfreiheit gewährleistet. So<br />

wird in Art. 41 Abs. 1 Port.Verf. die Gewissens-, religiöse Bekenntnis- und Religionsausübungsfreiheit<br />

ga<strong>ra</strong>ntiert. Art. 41 Abs. 2 Port.Verf. stellt das Verbot auf, jeman<strong>de</strong>n wegen<br />

seines religiösen Bekenntnisses zu verfolgen, seiner Rechte zu be<strong>ra</strong>uben o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihn von seinen<br />

Pflichten zu befreien. Nach Art. 41 Abs. 3 Port.Verf. darf die Religionszugehörigkeit nicht<br />

behördlich erfaßt wer<strong>de</strong>n, außer für individuell nicht i<strong>de</strong>ntifizierbare statistische Angaben. Die<br />

Freiheit, eine Religion in <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen konfessionellen Ausrichtung zu lehren und sich<br />

eigener Massenkommunikationsmittel zu bedienen, wird in Art. 41 Abs. 5 Port.Verf.<br />

eingeräumt.<br />

Schwe<strong>de</strong>n anerkennt in Kapitel 2, Art. 1 Abs. 6 Schwed.Verf. die Freiheit zur Anbetung und<br />

zur Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Religion, sowohl allein als auch <strong>im</strong> kollektiven Rahmen für alle<br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften. In enume<strong>ra</strong>tiv aufgezählten Fällen gestattet Kapitel 2,<br />

Art. 13 Abs. 1 Schwed.Verf. eine Einschränkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Meinungsäußerungsfreiheit, wobei<br />

757 Durch Entscheidung vom 19.1.1962 entschied <strong><strong>de</strong>r</strong> Hoge Raad, daß selbst ein lokales Verbot<br />

religiöser Prozessionen mit Art. 9 EMRK vereinbar sei. Inzwischen legt <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberste<br />

Gerichtshof <strong><strong>de</strong>r</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> seine Prüfungsbefugnis nicht mehr so restriktiv aus, vgl. van<br />

Bijsterveld, Fn. 170, S. 234 f.<br />

758 Vgl. Potz, Fn. 206, S. 257, dort v.a. Fn. 18.


191<br />

Abs. 2 verlangt, daß hierbei <strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung dieser Freiheit u.a. in religiösen Angelegenheiten<br />

Rechnung zu t<strong>ra</strong>gen ist.<br />

Die Verfassung Spaniens von 1978 ga<strong>ra</strong>ntiert in Art. 16 Abs. 1 Span.Verf. – neben <strong>de</strong>m<br />

Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus religiösen Grün<strong>de</strong>n gemäß Art. 14 Span.Verf. – die individuelle<br />

und kollektive Religionsfreiheit <strong>im</strong> umfassen<strong>de</strong>n Sinne mit Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> gesetzlichen<br />

Beschränkungen, die zur Aufrechterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sind.<br />

Art. 16 Abs. 2 Span.Verf. gewährleistet je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann das Recht, seine Religionszugehörigkeit<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> seine Glaubensüberzeugungen zu verschweigen.<br />

Im Vereinigten Königreich existiert keine geschriebene Verfassung, allerdings existiert ein<br />

Dokument <strong><strong>de</strong>r</strong> British Embassy mit ICL Document Status von 1992, wo<strong>ra</strong>us die wesentlichen<br />

verfassungsrechtlichen Regelungen entnommen wer<strong>de</strong>n können. 759<br />

Dieses sieht in Chapter 1<br />

zum einen in Section 4 ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot, u.a. aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion, vor. Zum<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wird in Section 18 neben <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen Religionsfreiheit auch die kollektive<br />

Religionsfreiheit für Kirchen und religiöse Gemeinschaften gewährleistet.<br />

5. Zusammenfassung<br />

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die positive individuelle Religionsfreiheit in allen<br />

Mitgliedstaaten verfassungsrechtlich fest ve<strong>ra</strong>nkert ist, wobei nicht <strong>im</strong>mer klar zwischen<br />

positiver und negativer Religionsfreiheit getrennt wird. Auch die kollektive Religionsfreiheit<br />

ist in <strong>de</strong>n meisten Mitgliedstaaten ga<strong>ra</strong>ntiert, allerdings häufig unter <strong>de</strong>n Vorbehalt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Aufrechterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung gestellt. Überdies wird in <strong><strong>de</strong>r</strong> überwiegen<strong>de</strong>n<br />

Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s<br />

Glaubens gewährleistet. In einigen Mitgliedstaaten wird als Unterfall <strong><strong>de</strong>r</strong> negativen Religionsfreiheit<br />

explizit das Recht gewährt, die Angabe von Religionszugehörigkeit und Glaubens-<br />

überzeugungen zu verschweigen. 760<br />

Schließlich existieren in einzelnen Mitgliedstaaten<br />

Son<strong><strong>de</strong>r</strong>gewährungen, wie z.B. das nur in Art. 41 Abs. 5 Port.Verf. ausgesprochene Recht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsgemeinschaften, sich eigener Massenkommunikationsmittel zu bedienen.<br />

Unter Zugrun<strong>de</strong>legung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

müssen daher auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts je<strong>de</strong>nfalls ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot<br />

aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Glaubens sowie die individuelle und kollektive<br />

Religionsfreiheit, letztere allerdings unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufrechterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffent-<br />

759<br />

Vgl. http://www.uni-wuerzburg.<strong>de</strong>/law/uk00000_.html.<br />

760<br />

Vgl. Art. 140 GG i.V.m. 136 Abs. 3 WRV; Art. 19 Lux.Verf.; Art. 41 Abs. 3 Port.Verf.;<br />

Art. 16 Abs. 2 Span.Verf.


192<br />

lichen Ordnung, anerkannt wer<strong>de</strong>n. Auch wenn nicht von einem Max<strong>im</strong>alstandard <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Grundrechte ausgegangen wer<strong>de</strong>n kann, ist das Recht anzuerkennen, die Angabe von<br />

Religionszugehörigkeit und Glaubensüberzeugungen zu verschweigen.<br />

III. Art. 9 EMRK und seine Stellung <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht über Art. 6 (ex-Art. F) Abs.<br />

2 EUV<br />

Die EMRK stellt neben <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten für<br />

<strong>de</strong>n EuGH die zweite Grundrechtsquelle dar. Da für diesen eine Orientierung an <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />

wesentlich einfacher möglich ist, als an <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nartigen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen,<br />

hat erstere verständlicherweise <strong>im</strong> Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsrechtsprechung durch <strong>de</strong>n<br />

EuGH ständig an Be<strong>de</strong>utung zugenommen. 761<br />

Bevor jedoch auf Art. 9 EMRK eingegangen wird, <strong><strong>de</strong>r</strong> das <strong>Religionsrecht</strong> auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s<br />

Europa<strong>ra</strong>ts regelt, muß geklärt wer<strong>de</strong>n, ob die Vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK <strong>im</strong> Gemeinschafts- und<br />

<strong>Union</strong>srecht überhaupt unmittelbar gelten und inwieweit die Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch die<br />

St<strong>ra</strong>ßburger Grundrechtsinstanzen für <strong>de</strong>n Luxemburger Gerichtshof bin<strong>de</strong>nd sind.<br />

1. Unmittelbare Geltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK und ihrer Auslegung durch<br />

EGMR und EKMR <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht?<br />

a) Reichweite <strong>de</strong>s Verweises in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />

Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichweite <strong>de</strong>s Verweises in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV ist die F<strong>ra</strong>ge<br />

verbun<strong>de</strong>n, ob nur die EMRK als solche o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch das Zusatzprotokoll und die weiteren<br />

Protokolle <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht gelten. 762<br />

Nach <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV wird nur die Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechtskonvention vom 4. November 1950, nicht jedoch die Weiterentwicklung<br />

761<br />

Eine Übersicht über die zunehmen<strong>de</strong> Bezugnahme auf die EMRK bietet Wetter, Fn. 630,<br />

S. 71 ff.<br />

762<br />

Über Art. 1 (ex-Art. A) Abs. 3 EUV muß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV, <strong><strong>de</strong>r</strong> die bisherige<br />

Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht in eine institutionelle Form gießen<br />

wollte, auch <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht selbst Anwendung fin<strong>de</strong>n; a.A. Kischel, Zur Dogmatik<br />

<strong>de</strong>s Gleichheitssatzes in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, EuGRZ 1997, S. 1 ff., 10.


193<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte durch das Zusatzprotokoll und die weiteren Protokolle gewährleistet. In<br />

Anbet<strong>ra</strong>cht <strong>de</strong>ssen, daß durch <strong>de</strong>n Verweis in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV in erster Linie die<br />

Festschreibung <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH erreicht wer<strong>de</strong>n sollte und daß die<br />

Protokolle, soweit sie von allen Mitgliedstaaten innerstaatlich <strong>ra</strong>tifiziert wor<strong>de</strong>n sind, die<br />

gemeinsame Verfassungst<strong>ra</strong>dition dokumentieren, muß <strong><strong>de</strong>r</strong> Verweis in Art. 6 (ex-Art. F)<br />

Abs. 2 EUV teleologisch dahingehend erweitert wer<strong>de</strong>n, daß das von allen Mitgliedstaaten<br />

<strong>ra</strong>tifizierte Zusatzprotokoll ebenfalls vom Verweis <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />

umschlossen ist. 763<br />

Ob dies allerdings auch für die weiteren, nicht von allen Mitgliedstaaten <strong>ra</strong>tifizierten EMRK-<br />

Protokolle gilt, ist wohl zu verneinen, 764<br />

da insoweit keine gemeinsame Rechtsüberzeugung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten besteht und <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die EMRK in seiner Rechtsprechung erstmals<br />

zitierte, nach<strong>de</strong>m mit F<strong>ra</strong>nkreich <strong><strong>de</strong>r</strong> letzte Mitgliedstaat die Konvention <strong>ra</strong>tifiziert hatte. Für<br />

das <strong>Religionsrecht</strong> b<strong>ra</strong>ucht dieses Problem jedoch nicht entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, da die insofern<br />

relevante Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK je<strong>de</strong>nfalls in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s<br />

Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV fällt.<br />

b) Bindung <strong>de</strong>s EuGH an die EMRK?<br />

aa) Wortlautauslegung<br />

Es ist f<strong>ra</strong>glich, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> konkrete Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

ausdrücklichen Zitation <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV <strong>im</strong> Gemeinschafts- und<br />

<strong>Union</strong>srecht verbindlich ist.<br />

Die Verweisnorm <strong>im</strong> EU-Vert<strong>ra</strong>g spricht nicht etwa davon, daß die <strong>Union</strong> „die“ in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />

gewährleisteten Grundrechte achte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n enthält nur die Formulierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Grundrechte, „wie“ sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK gewährleistet sind. Die Wortlautauslegung spricht somit<br />

eher für eine Unverbindlichkeit <strong>de</strong>s konkreten Wortlauts <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen EMRK-<br />

Grundrechte. 765<br />

763<br />

Ebenso Hummer, Fn. 629, S. 82; Pauly, Fn. 735, S. 253; Schermers, Fn. 410, S. 25; wobei<br />

ersterer überdies klarstellt, daß sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Verweis nur auf die Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EMRK, nicht dagegen auf das Rechtsschutzverfahren beziehe und insofern wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

einschränkend verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n müsse.<br />

764<br />

Vgl. Schermers, Fn. 410, S. 26.<br />

765<br />

So auch Ved<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 674, S. 316. Selbst wenn man, wie Conring, Fn. 25, S. 326, <strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>utschen Wortlaut von Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV als verbindlich einordnen wür<strong>de</strong>,<br />

müßte man wie dieser, a.a.O., S. 327, konstatieren, daß in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Sp<strong>ra</strong>chen keine <strong><strong>de</strong>r</strong>artige


194<br />

bb) Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> Funktionsnachfolge<br />

Schon vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV wur<strong>de</strong> jedoch teilweise die<br />

unmittelbare Geltung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht und damit eine Bindung zumin<strong>de</strong>st<br />

an <strong><strong>de</strong>r</strong>en materielle Best<strong>im</strong>mungen bejaht. Als Begründung für diese Ansicht diente <strong><strong>de</strong>r</strong> sog.<br />

„Substitutions- und Sukzessionseffekt“; dieser solle eingreifen, da infolge <strong>de</strong>s Beitritts<br />

F<strong>ra</strong>nkreichs zur EMRK <strong>im</strong> Jahre 1974 sämtliche Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> EG zugleich <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />

angehörten. 766 Die Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsnachfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft in völkerrechtliche<br />

Abkommen sind zwar be<strong>im</strong> GATT anzuwen<strong>de</strong>n, 767 lassen sich jedoch nicht ohne weiteres auf<br />

die EMRK übert<strong>ra</strong>gen. Vergleichbar ist die Situation <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s GATT 1947 nur<br />

insofern, als alle Mitgliedstaaten bei<strong>de</strong> völkerrechtlichen Abkommen vor Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s<br />

EWG-Vert<strong>ra</strong>gs bzw. vor ihrem Beitritt zum E(W)G-Vert<strong>ra</strong>g <strong>ra</strong>tifiziert hatten. Ein g<strong>ra</strong>vieren<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Unterschied besteht jedoch darin, daß die Gemeinschaft nie – auch nicht durch<br />

Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV – <strong><strong>de</strong>r</strong>gestalt eine Rechtsnachfolge dokumentiert hat, daß ein<br />

vollständiger Übergang mitgliedstaatlicher Kompetenzen auf die Gemeinschaft stattgefun<strong>de</strong>n<br />

hätte, wie dies <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Han<strong>de</strong>lspolitik, Art. 131 (ex-Art. 110) ff. EGV, <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall war. 768<br />

Eine Verlagerung originär mitgliedstaatlicher Verpflichtungen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK auf die<br />

Gemeinschaft wur<strong>de</strong> aus diesem Grun<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n St<strong>ra</strong>ßburger Grundrechtsorganen<br />

abgelehnt. 769<br />

Wenn Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV nur die bisherige Grundrechtsrechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH<br />

pr<strong>im</strong>ärrechtlich ve<strong>ra</strong>nkern sollte, so spricht dies gegen eine unmittelbare Geltung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />

Bindung zum Ausdruck geb<strong>ra</strong>cht wird; die englische Textfassung lautet beispielsweise:<br />

„The <strong>Union</strong> shall respect fundamental rights [...]“.<br />

766<br />

So Pescatore, Fn. 630, 70 f.<br />

767<br />

EuGH, Rs. 21-24/72 (International Fruit Company u.a./Produktschap voor groenten en<br />

fruit), Slg. 1972, S. 1219 ff., 1227 f.<br />

768<br />

So auch Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 62; Rodríguez Iglesias, Fn. 654, S. 141. Die bei<br />

v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Petersmann, Bd. 5, Art. 234, Rdnr. 20, aufgeführten fünf<br />

Vo<strong>ra</strong>ussetzungen, die an eine Funktionsnachfolge zu stellen sind, wer<strong>de</strong>n von <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />

nicht vollständig erfüllt.<br />

769<br />

EKMR, BNr. 13258/87 (C. Melchers & Co. KG/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland),<br />

E. v. 9.2.1990, Annuaire 33 (1990), S. 46 ff. = DR 64, S. 138 ff. = ZaöRV 50 (1990),<br />

S. 865 ff.; EGMR, BNr. 24833/94 (Denise Matthews/Vereinigtes Königreich),<br />

E. v. 18.2.1999, EuZW 1999, S. 308 ff., s.u. Fn. 804 sowie Fn. 806.


195<br />

<strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht und <strong><strong>de</strong>r</strong>en materielle Inkorpo<strong>ra</strong>tion, da <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bislang nie<br />

ausdrücklich eine unmittelbare Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> EG an die EMRK zum Ausdruck geb<strong>ra</strong>cht hat. 770<br />

cc) Bezugnahme <strong>de</strong>s EuGH auf die EMRK<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH jedoch <strong>im</strong>mer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK Bezug<br />

genommen. 771 Dabei ist diese Bezugnahme nicht nur als unverbindliche Orientierung an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EMRK und ihrer Auslegung durch EGMR und EKMR zu werten. 772 Auch wenn die EMRK<br />

nicht integrieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Bestandteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsrechtsordnung gewor<strong>de</strong>n ist, wie dies für<br />

völkerrechtliche Verträge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft mit ihrem Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist, 773 so ist die<br />

EU und insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />

zumin<strong>de</strong>st verpflichtet, Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen<br />

Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten als allgemeine Rechtsgrundsätze zu berücksichtigen.<br />

774<br />

Soweit sich EMRK und gemeinsame Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

entsprechen, wäre ein Abweichen <strong>de</strong>s EuGH hiervon willkürlich.<br />

Als Ergebnis kann daher festgehalten wer<strong>de</strong>n, daß die EMRK zwar nicht unmittelbar <strong>im</strong><br />

Gemeinschaftsrecht gilt, zumin<strong>de</strong>st jedoch i.R.d. allgemeinen Rechtsgrundsätze berücksichtigt<br />

wer<strong>de</strong>n muß und faktisch als Bestandteil <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts angewandt wird. 775<br />

770<br />

So auch Hummer, Fn. 629, S. 75; Pauly, Fn. 735, S. 253; Rengeling, Fn. 702, S. 184 f.;<br />

Wetter, Fn. 630, S. 66; a.A. G<strong>ra</strong>bitz/Hilf/Hilf, Art. F EUV, Rdnr. 31.<br />

771<br />

Z.B. EuGH, Rs. 36/75 (Rutili/Minister <strong>de</strong>s Inneren), Slg. 1975, S. 1219 ff., 1232; Rs. 44/79<br />

(Liselotte Hauer/Land Rheinland-Pfalz), Slg. 1979, S. 3727 ff., 3745 f.; Rs. 222/84<br />

(Johnston/Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary), Slg. 1986, S. 1651 ff., 1682,<br />

Rz. 18; verb. Rs. 46/87 u. 227/88 (Hoechst/ Kommission), Slg. 1989, S. 2859 ff., 2923,<br />

Rz. 13; Rs. C-260/91 (ERT), Slg. 1991, S. I-2925 ff., 2964, Rz. 41; Rs. C-13/94 (P/S u.<br />

Cornwall County Council), Slg. 1996, S. I-2143 ff., 2164, Rz. 16 = EuZW 1996, S. 398 f.;<br />

Rs. C-368/95 (Vereinigte Familiapress Zeitungsverlags- und vertriebs GmbH/Heinrich<br />

Bauer Verlag), Slg. 1997, S. I-3689 ff., 3717, Rz. 26 = EuGRZ 1997, S. 344 ff. =<br />

EuZW 1997, S. 470 ff.; Rs. C-249/96 (Lisa Jacqueline G<strong>ra</strong>nt/South-West T<strong>ra</strong>ins Ltd),<br />

Slg. 1998, S. I-621 ff., 647 f., Rz. 33 f. = EuGRZ 1998, S. 140 ff. = EuZW 1998, S. 212 ff.<br />

772<br />

Vgl. EuGH, Rs. 222/84 (Johnston/Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary),<br />

Slg. 1986, S. 1651 ff., 1682, Rz. 18.: „[...] <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zu<br />

berücksichtigen sind.“<br />

773<br />

Vgl. EuGH, Rs. 181/73 (Haegeman/Belgien), Slg. 1974, S. 449 ff., 460.<br />

774<br />

In diese Richtung ist wohl das Urteil <strong>de</strong>s EuGH in <strong>de</strong>n verb. Rs. C-74/95 und C-129/95<br />

(St<strong>ra</strong>fverfahren gegen X), Slg. 1996, S. I-6609 ff., 6637, Rz. 25, auszulegen.<br />

775<br />

So auch Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 63; Rodríguez Iglesias, Fn. 654, S. 141; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />

S. 147, weist allerdings da<strong>ra</strong>uf hin, daß die Einbeziehung von Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV


196<br />

c) Bindung <strong>de</strong>s EuGH an die Auslegung durch EKMR und EGMR?<br />

Es ist f<strong>ra</strong>glich, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> Verweis in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV auf die EMRK-Vorschriften<br />

so ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n kann, daß diese in ihrer jeweiligen Auslegung 776 durch die St<strong>ra</strong>ßburger<br />

Grundrechtsinstanzen EKMR und EGMR gemeinschaftsrechtlich bin<strong>de</strong>nd sind 777 o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EuGH nach wie vor zu einer eigenständigen Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK für das<br />

Gemeinschaftsrecht berechtigt ist. Künftig wird verstärkt die F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong> Bindung <strong>de</strong>s EuGH an<br />

die Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n ständigen EGMR maßgeblich sein, da die EKMR durch<br />

das <strong>im</strong> Juli 1994 unterzeichnete 11. Protokoll, welches am 1. November 1998 in K<strong>ra</strong>ft t<strong>ra</strong>t,<br />

aufgelöst wor<strong>de</strong>n ist. 778<br />

in <strong>de</strong>n Zuständigkeitsbereich <strong>de</strong>s EuGH, wie dies durch die Novellierung <strong>de</strong>s Art. 46<br />

(ex-Art. L) lit. d EUV i.R.d. Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs geschehen ist, als Inkorpo<strong>ra</strong>tion das<br />

materiellen Gehalts <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n könne. Weitergehend Neuwahl, The<br />

treaty on European <strong>Union</strong>: A step forward in the protection of Human Rights?, in:<br />

Neuwahl/Rosas (Hrsg.), The European <strong>Union</strong> and Human Rights, International Studies in<br />

Human Rights, Volume 42, The Hague – Boston – London 1995, S. 1 ff., 14: „I do not<br />

think, however, that it can be maintained that the Community moved from „no obligation“<br />

to obligation. The Community and the Member States are bound to observe human rights in<br />

so far as they are part of the gene<strong>ra</strong>l principles of Community law. The ECHR [European<br />

Convention on Human Rights] is part of those principles to the extent that it is expressive of<br />

the common constitutional t<strong>ra</strong>ditions of the Member States. In other words, there already<br />

exists a strict legal obligation to observe human rights, including those enume<strong>ra</strong>ted in the<br />

ECHR.“<br />

776<br />

Vgl. zur Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch EGMR und EKMR: Frowein/Peukert, Fn. 679,<br />

Einführung, Rdnr. 7 ff.<br />

777<br />

Dies vertreten z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> hauptamtliche Richter am EGMR seit 1.11.1998 Ress, Die<br />

Europäische <strong>Union</strong> und die neue juristische Qualität <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehungen zu <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong><br />

Gemeinschaften, JuS 1992, S. 985 ff., 990; v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Beutler,<br />

Bd. 1, Art. F, Rdnr. 28; ebenso Neuwahl, Fn. 775, S. 14: „These rights must be protected as<br />

they are gua<strong>ra</strong>nteed by the European Commission of Human Rights <strong>ra</strong>ther as they would be<br />

interpreted in the Community context.“<br />

Cirkel, Gleichheitsrechte <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht, NJW 1998, S. 3332 f., geht von einer<br />

„zumin<strong>de</strong>st faktischen Bindung“ aus, da <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in letzter Zeit nicht nur auf die EMRK,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch auf <strong><strong>de</strong>r</strong>en Auslegung durch die EMRK-Organe verweise.<br />

778<br />

Die bisherige Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Konvention durch die EKMR bleibt jedoch nach wie vor von<br />

rechtlicher Relevanz. Zu <strong>de</strong>n institutionellen Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s Rechtsschutzsystems <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EMRK durch das 11. Protokoll vgl. z.B. Meyer-La<strong>de</strong>wig/Petzold, Der neue ständige


197<br />

Aus <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV läßt sich nicht folgern, daß exakt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

gleiche Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK, d.h. auch die Auslegung durch die EMRK-<br />

Organe auf EU-Ebene, zu gewährleisten wäre. Der EuGH hat in letzter Zeit allerdings<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt <strong><strong>de</strong>r</strong>en Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Grundrechte berücksichtigt. 779 Hie<strong>ra</strong>us läßt sich in<strong>de</strong>s<br />

noch keine Bindung <strong>de</strong>s EuGH herleiten, zumal dieser bislang keine ausdrückliche<br />

Selbstverpflichtung ausgesprochen hat. 780 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Zwischenzeit berücksichtigt <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR in<br />

seiner Judikatur nämlich auch die Grundrechtsrechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH. 781<br />

Wenn die<br />

Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung eines an<strong><strong>de</strong>r</strong>en europäischen Grundrechtsorgans schon<br />

zu einer Bindung führen wür<strong>de</strong>, dann wäre <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR seinerseits ebenfalls an die<br />

Grundrechtsauslegung <strong>de</strong>s EuGH gebun<strong>de</strong>n, was wenig Sinn ergäbe.<br />

Selbst Jochen Abr. Frowein geht nicht von einer Bindung <strong>de</strong>s EuGH an die Rechtsprechungsorgane<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK aus, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n hält eine Orientierung und Integrierung <strong><strong>de</strong>r</strong> weitentwickelten<br />

Grundrechtsrechtsprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> St<strong>ra</strong>ßburger Organe lediglich für wünschenswert. 782<br />

Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, NJW 1999, S. 1165 f.; Schlette, Fn. 688,<br />

S. 219 ff., 222 f.<br />

779 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. C-13/94 (P/S u. Cornwall County Council), Slg. 1996, S. I-2143 ff., 2164, Rz. 16<br />

= EuZW 1996, S. 398 f. = NJW 1996, S. 2421, verwies <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH konkret auf eine<br />

Entscheidung <strong>de</strong>s EGMR und übernahm <strong>de</strong>ssen Auslegung in Bezug auf die<br />

Personengruppe <strong><strong>de</strong>r</strong> T<strong>ra</strong>nssexuellen. Ebenso berücksichtigte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. C-249/96<br />

(Lisa Jacqueline G<strong>ra</strong>nt/South-West T<strong>ra</strong>ins Ltd), Slg. 1998, S. I-621 ff., 647 f., Rz. 33 f. =<br />

EuZW 1998, S. 212 ff. = EuGRZ 1998, S. 140 ff., die Rechtsprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR, wonach<br />

auch dauerhafte homosexuelle Beziehungen nicht unter das gemäß Art. 8 EMRK geschützte<br />

Recht auf Achtung <strong>de</strong>s Familienlebens fallen und sich auch Art. 12 EMRK nur auf die<br />

herkömmliche Ehe zwischen zwei Personen verschie<strong>de</strong>nen biologischen Geschlechts<br />

beziehe. Allerdings <strong>de</strong>utete <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in Rz. 35, 47 an, daß diese unterschiedliche<br />

Behandlung „be<strong>im</strong> gegenwärtigen Stand <strong>de</strong>s Rechts innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft“ bestehe<br />

und wies in Rz. 48 da<strong>ra</strong>uf hin, daß sich eine Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung unter best<strong>im</strong>mten Vo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />

(einst<strong>im</strong>miges Votum <strong>im</strong> Rat) mit Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs ergeben könne,<br />

da durch diesen in Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV ein spezielles Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus<br />

Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> sexuellen Ausrichtung eingefügt wur<strong>de</strong>; s.u. E.VI.3.<br />

780 Ebenso Wetter, Fn. 630, S. 67 f.<br />

781 Z.B. EGMR, Série A 1993, Nr. 256, Rz. 42; Cirkel, Fn. 777, S. 3333, spricht aus diesem<br />

Grun<strong>de</strong> von einem „umfassen<strong>de</strong>n europäischen Grundrechtsdialog“.<br />

782 Frowein, Fn. 642, S. 327; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 475, S. 36.


198<br />

Auch hier gilt das i.R.d. unmittelbaren Anwendbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Best<strong>im</strong>mungen<br />

Ausgeführte: Der EuGH ist zwar nicht unmittelbar an die Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Organe<br />

gebun<strong>de</strong>n, übern<strong>im</strong>mt diese jedoch faktisch. 783<br />

d) Möglichkeit divergieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsentscheidungen zwischen EuGH und <strong>de</strong>n EMRK-<br />

Organen<br />

aa) EMRK als völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV<br />

Die EMRK vom 4. November 1950, einschließlich <strong>de</strong>s Zusatzprotokolls vom 20. März 1952,<br />

stellt einen völkerrechtlichen Vert<strong>ra</strong>g dar, <strong><strong>de</strong>r</strong> für die Vert<strong>ra</strong>gsstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK – dies sind<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit alle Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU – völkerrechtliche Pflichten begrün<strong>de</strong>t. 784<br />

bb) Die Mitgliedstaaten als Vollzugsorgane <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />

Eine völkerrechtliche Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten an die EMRK wäre insofern<br />

gemeinschaftsrechtlich von Belang, als das Gemeinschaftsrecht hauptsächlich von <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten vollzogen wird. Somit kann es für die Mitgliedstaaten aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Bindung<br />

an das Gemeinschaftsrecht einerseits und die Entscheidung <strong>de</strong>s EGMR an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits zu einer<br />

Kollision kommen, sofern die EMRK von EuGH und EGMR unterschiedlich ausgelegt<br />

wür<strong>de</strong>. Ein solcher Konflikt kann nie vollständig ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n, soweit nicht bei<strong>de</strong><br />

Rechtsschutzinstitutionen auf irgen<strong>de</strong>ine Art verklammert wer<strong>de</strong>n. 785 Die Divergenzen<br />

können zum einen in formeller – <strong><strong>de</strong>r</strong>selbe Sachverhalt wird in Luxemburg und St<strong>ra</strong>ßburg<br />

unterschiedlich beurteilt 786<br />

– wie auch in materieller Hinsicht – dasselbe Grundrecht wird<br />

783<br />

Vgl. Lenaerts, Grundrechtsschutz in <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften und <strong>im</strong> Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> Menschenrechtskonvention, ZfRV 1992, S. 281 ff., 289, dort Fn. 38;<br />

Rodríguez Iglesias, Fn. 654, S. 141; wobei Lenaerts, a.a.O., S. 289, eher einer Bindung <strong>de</strong>s<br />

EuGH an die Auslegung <strong>de</strong>s EGMR zuneigt.<br />

784<br />

Vgl. hierzu Frowein/Peukert, Fn. 679, Einführung, Rdnr. 4.<br />

785<br />

Ebenso Schermers, Fn. 410, S. 17; Stein, <strong>Das</strong> Verhältnis zwischen <strong>de</strong>m Grundrechtsschutz<br />

durch die Organe <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Menschenrechtskonvention und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Gemeinschaft – <strong>Das</strong> gelten<strong>de</strong> Recht, in: Mosler/Bernhardt/Hilf (Hrsg.), Fn. 689, S. 146 ff.,<br />

157 f.<br />

786<br />

Vgl. zur F<strong>ra</strong>ge, ob Geschäftsräume vom Schutzbereich <strong>de</strong>s Art. 8 EMRK umfaßt sind,<br />

einerseits EuGH, verb. Rs. 46/87 u. 227/88 (Hoechst AG/Kommission), Slg. 1989,<br />

S. 2859 ff., 3080, Rz. 13 = EuGRZ 1989, S. 395 ff. = NJW 1989, S. 3080 ff., an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits<br />

EGMR, E. v. 16.12.1992 (Niemitz/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland), EuGRZ 1993, S. 65 ff.,<br />

66 f. Der EuGH begrün<strong>de</strong>te sein Urteil, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> grundrechtliche Schutz von Geschäftsräumen<br />

nicht von Art. 8 Abs. 1 EMRK umfaßt sei, damit, daß zum Zeitpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong>


199<br />

durch bei<strong>de</strong> Instanzen in verschie<strong>de</strong>ner Weise ausgelegt 787 – aufkommen. Soweit man die<br />

Gründungsverträge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft als Völkerrecht ansieht, 788 könnten die Mitgliedstaaten<br />

in diesem Falle zwei miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> unvereinbaren völkervert<strong>ra</strong>glichen Pflichten ausgesetzt<br />

sein. 789<br />

cc) Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten an die Auslegung von EGMR und EKMR?<br />

Eine Bindung aller Mitgliedstaaten als Vert<strong>ra</strong>gsstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK an die Entscheidungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EMRK-Organe erscheint zunächst <strong>im</strong> Hinblick auf Art. 46 Abs. 1 EMRK n.F. abzulehnen zu<br />

sein, da diese Vorschrift nur die Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> am Rechtsstreit beteiligten Vert<strong>ra</strong>gsstaaten<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK zur Übernahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidung <strong>de</strong>s EGMR ausspricht.<br />

Auch nach Ansicht <strong>de</strong>s BVerfG sei die materielle Rechtsk<strong>ra</strong>ft <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidungen <strong>de</strong>s EGMR<br />

von <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>gstaaten nur in <strong>de</strong>n jeweiligen personellen, sachlichen und zeitlichen Grenzen<br />

<strong>de</strong>s Streitgegenstan<strong>de</strong>s zu beachten. 790 Allerdings ist zum einen anerkannt, daß die<br />

Interpretation <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR <strong>im</strong> Rahmen einer<br />

völkerrechtskonformen Auslegung nationaler Grundrechte von <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft als Vert<strong>ra</strong>gsstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK zu beachten ist. 791 Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en ist allgemeine<br />

Auffassung, daß vor <strong>de</strong>m EGMR kein zweites Verfahren über <strong>de</strong>nselben Streitgegenstand<br />

geführt wer<strong>de</strong>n darf (sog. negative Rechtsk<strong>ra</strong>ftwirkung). 792 Haben die St<strong>ra</strong>ßburger Instanzen,<br />

d.h. <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR o<strong><strong>de</strong>r</strong> die inzwischen aufgelöste EKMR, bereits über einen best<strong>im</strong>mten<br />

Rechtsakt entschie<strong>de</strong>n, so muß <strong>de</strong>m Urteil innerhalb seines sachlichen Geltungsbereichs eine<br />

erga omnes-Rechtsk<strong>ra</strong>ftwirkung zukommen, da <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR seine Entscheidung bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

zweiten Überprüfung ein und <strong>de</strong>sselben Rechtsaktes nicht revidieren dürfte. 793<br />

Soweit die<br />

Entscheidung keine Rechtsprechung <strong>de</strong>s EGMR vorgelegen habe, an <strong><strong>de</strong>r</strong> er sich habe<br />

orientieren können.<br />

787<br />

Vgl. auch Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 63 f.; Klein, Fn. 689, S. 161.<br />

788<br />

Zum Meinungsstand Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 83 ff., 85, 87.<br />

789<br />

Vgl. Frowein/Peukert, Fn. 679, Einführung, Rdnr. 14; Giegerich, Fn. 482, S. 852 f.; Streinz,<br />

Fn. 453, Rdnrn. 220 ff.<br />

790<br />

Vgl. BVerfG (Dreie<strong>ra</strong>usschuß) vom 11.10.1985, 2 BvR 336/85, EuGRZ 1985, S. 654 ff.,<br />

656. In dieser Entscheidung wur<strong>de</strong> sogar ein Ausschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufnahme eines<br />

St<strong>ra</strong>fverfahrens als gerechtfertigt angesehen, obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR einen Verstoß <strong>de</strong>s<br />

Vert<strong>ra</strong>gsstaats gegen Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK festgestellt hatte.<br />

791<br />

BVerfGE 83, S. 119 ff., 128; Schweitzer, Fn. 39, Rdnr. 710.<br />

792<br />

Vgl. Bleckmann, Fn. 792, S. 387; Polakiewicz, Die Verpflichtungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Staaten aus <strong>de</strong>n<br />

Urteilen <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gerichtshofs für Menschenrechte, S. 23 ff., m.w.N.<br />

793<br />

So auch Bleckmann, Fn. 792, S. 388; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht versus Europäischer<br />

Gerichtshof für Menschenrechte, EuGRZ 1995, S. 387.


200<br />

Mitgliedstaaten nun Gemeinschaftsrecht vollziehen, wird man für <strong>de</strong>n Vollzug einer<br />

Verordnung je<strong>de</strong>nfalls von <strong>de</strong>mselben Streitgegenstand auszugehen haben; <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Richtlinienumsetzung wird gleiches bei <strong>de</strong>m von <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie vorgegebenen Rahmen<br />

anzunehmen sein.<br />

Eine mögliche Kollision bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsordnungen kann daher nicht nur für <strong>de</strong>n an einem<br />

EMRK-Rechtsstreit beteiligten Mitgliedstaat, <strong><strong>de</strong>r</strong> durch eine Entscheidung eines EMRK-<br />

Organs gebun<strong>de</strong>n ist, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch für die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten nicht a priori ausgeschlossen<br />

wer<strong>de</strong>n. Verschärft wird die Situation insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>swegen, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>de</strong>n<br />

Gesetzgebungsorganen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft einen weiten Ermessensspiel<strong>ra</strong>um zugesteht und<br />

daher nur selten einen Grundrechtsverstoß durch das Gemeinschaftsrecht feststellt. 794<br />

dd) Dauerhafte Lösung möglicher Kollisionen<br />

(1) Übernahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong>de</strong>s EGMR durch <strong>de</strong>n EuGH aufgrund <strong>de</strong>s Vor<strong>ra</strong>ngs <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EMRK<br />

Schon aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung <strong>de</strong>s EuGH zur Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen<br />

als Unterfall <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Rechtsgrundsätze liegt es nahe, <strong>de</strong>ssen Pflicht<br />

zur Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> konkreten Auslegung einer Grundrechtsbest<strong>im</strong>mung durch <strong>de</strong>n<br />

EGMR anzunehmen, da hierdurch in je<strong>de</strong>m Fall eine Pflichtenkollision <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

von vornherein ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n könnte. 795 Eine solche Interpretation ließe sich zu<strong>de</strong>m<br />

auf <strong>de</strong>n Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftstreue aus Art. 10 (ex-Art. 5) EGV stützen, <strong><strong>de</strong>r</strong> auch <strong>im</strong><br />

Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zu <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten Anwendung fin<strong>de</strong>t, 796 auch wenn die<br />

Gemeinschaft selbst kein Vert<strong>ra</strong>gspartner <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK gewor<strong>de</strong>n und nicht an die Auslegung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR gebun<strong>de</strong>n ist. 797<br />

794<br />

So auch Bultrini, Fn. 711, S. 496.<br />

795<br />

In diese Richtung auch Wachsmann, Fn. 674, S. 490 f. Ruffert, Fn. 691, S. 526, sieht<br />

dagegen diese Kollisionsgefahr nicht, da <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR seine Kontrollfunktion nur subsidiär<br />

ausübe und <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Grundrechte durch <strong>de</strong>n EuGH sogar positiv gegenüberstehe.<br />

Hierdurch ist die F<strong>ra</strong>ge einer Kollision infolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtbeachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-<br />

Grundrechte bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> zu weiten Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Grundrechtssch<strong>ra</strong>nken durch <strong>de</strong>n<br />

EuGH noch nicht beantwortet, die sich erst jüngst wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidung <strong>de</strong>s<br />

EGMR vom 18.2.1999, BNr. 24833/94 (Denise Matthews/Vereinigtes Königreich),<br />

EuZW 1999, S. 308 ff. m. Anm. Christopher Lenz, stellte.<br />

796<br />

EuGH, Rs. C-2/88 (J. J. Zwartveld u.a.), Slg. 1990, S. I-3367 ff., 3372, Rz. 17;<br />

v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Zuleeg, Bd. 1, Art. 5, Rdnr. 1.<br />

797<br />

Vgl. nur Anweiler, Fn. 701, S. 364; Frowein/Peukert, Fn. 679, Einführung, Rdnr. 13;<br />

Hirsch, Fn. 92, S. 12; v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Krück, Bd. 4, Art. 164, Rdnr. 34.


201<br />

Von entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung ist aber weiter, daß die EMRK von <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft noch vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG bzw. ihrem Beitritt zur Gemeinschaft als<br />

völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g mit Drittstaaten abgeschlossen wur<strong>de</strong>. Aus diesem Grun<strong>de</strong> gelangt<br />

Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV zur Anwendung. Dieser begrün<strong>de</strong>t zwar ebenfalls keine<br />

Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft an die EMRK o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>en Auslegung, verpflichtet diese aber<br />

gegenüber <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat zur völkerrechtskonformen Integ<strong>ra</strong>tion. Die<br />

Gemeinschaftsorgane dürfen somit die Erfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Pflichten aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EMRK nicht behin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, d.h. die Geltung <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs berührt die Verpflichtungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten nicht. 798<br />

Soweit sich also be<strong>im</strong> Vollzug <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts für die Mitgliedstaaten ein Konflikt<br />

zwischen bei<strong>de</strong>n Rechtsordnungen hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichweite <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit ergibt,<br />

anerkennt das Gemeinschaftsrecht <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s durch die EMRK-Organe gesteckten<br />

Rahmens gegenüber gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen. Dies führt dazu, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EMRK wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrecht nicht anzuwen<strong>de</strong>n ist. Theoretisch müßte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EuGH in diesem Fall die Unvereinbarkeit seiner eigenen Grundrechtsrechtsprechung mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EMRK feststellen, 799<br />

was ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n kann. Ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb müssen sich die<br />

Mitgliedstaaten auf die Nichtanwendbarkeit <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts <strong>im</strong> Falle von ult<strong>ra</strong> vires-<br />

Akten berufen können.<br />

Zwar besteht gemäß Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV die Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten,<br />

mit <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht unvereinbare Altverträge zum nächstmöglichen<br />

Zeitpunkt zu kündigen. Eine solche Pflicht muß jedoch in Anbet<strong>ra</strong>cht <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsachen entfallen,<br />

daß alle Mitgliedstaaten Vert<strong>ra</strong>gsstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK sind, <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH sich faktisch selbst an<br />

Text und Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK orientiert und Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV schließlich die<br />

Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> zur Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK explizit festschreibt.<br />

Der Vor<strong>ra</strong>ng <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK als Altvert<strong>ra</strong>g führt dazu, daß sich die Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK für die<br />

Mitgliedstaaten bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Umsetzung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts auch gegenüber gemeinschaftsrechtlichem<br />

Pr<strong>im</strong>ärrecht durchsetzen und daß ihnen nicht etwa gemäß Art. 300 (ex-Art. 228)<br />

Abs. 7 EGV nur ein Rang zwischen Pr<strong>im</strong>är- und Sekundärrecht zukommt, wie er für<br />

völkerrechtliche Verträge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft anerkannt ist. 800<br />

798<br />

EuGH, Rs. 812/79 (St<strong>ra</strong>fverfahren gegen Juan C. Burgoa), Slg. 1980, S. 2787 ff., 2803,<br />

Rz. 9; Giegerich, Fn. 482, S. 854; v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Petersmann, Bd. 5,<br />

Art. 234, Rdnrn. 1, 3 f., 11; Vachek, Fn. 437, S. 148.<br />

799<br />

V.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Petersmann, Bd. 5, Art. 234, Rdnr. 12.<br />

800<br />

Vgl. Epiney, Zur Stellung <strong>de</strong>s Völkerrechts in <strong><strong>de</strong>r</strong> EU, EuZW 1999, S. 5 ff., 7; Vachek,<br />

Fn. 437, S. 148 f.


202<br />

(2) Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Solange-Rechtsprechung für EMRK-Organe gegenüber <strong>de</strong>m EuGH<br />

Ungeachtet <strong>de</strong>s indirekten Vor<strong>ra</strong>ngs <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK vor <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht aufgrund<br />

Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit von <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />

Weg gewählt, um eine mögliche Kollision zwischen EuGH und EKMR zu entschärfen.<br />

So hätte sich eine konkrete Auslegungsdivergenz zwischen bei<strong>de</strong>n Rechtsprechungsorganen<br />

ergeben können, nach<strong>de</strong>m eine <strong>de</strong>utsche Gesellschaft die EKMR angerufen hatte, weil ihr <strong>im</strong><br />

EWG-Kartellverfahren durch die EG-Kommission ein hohes Bußgeld auferlegt wor<strong>de</strong>n war,<br />

welches durch Erteilung einer Vollstreckungsklausel seitens <strong>de</strong>utscher Behör<strong>de</strong>n vollstreckt<br />

wur<strong>de</strong>. 801 <strong>Das</strong> Unternehmen machte i.R.d. Individualbeschwer<strong>de</strong> geltend, daß in <strong>de</strong>m zuvor<br />

anhängigen Verfahren gemäß Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 2 E(W)GV vor <strong>de</strong>m EuGH 802<br />

, in<br />

welchem die Rechtmäßigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bußgeldverhängung überprüft wur<strong>de</strong>, gegen die<br />

Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 6 EMRK verstoßen wor<strong>de</strong>n sei.<br />

Die EKMR hatte zu entschei<strong>de</strong>n, nach welcher Rechtsordnung sich die Grundrechtsmäßigkeit<br />

bei „mehrd<strong>im</strong>ensionalen“ 803<br />

Rechtsakten richtet, da hier einerseits <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sminister <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Justiz als nationale Behör<strong>de</strong> durch Erteilung einer Vollstreckungsklausel gemäß<br />

Art. 256 (ex-Art. 192) Abs. 2 E(W)GV han<strong>de</strong>lte, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits Grundlage <strong><strong>de</strong>r</strong> Vollstreckung<br />

die Kommissionsentscheidung gemäß Art. 85 (ex-Art. 89) Abs. 2 EGV war.<br />

Nach Auffassung <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR kann die Gemeinschaftsgewalt nicht überprüft wer<strong>de</strong>n, da die<br />

Gemeinschaft selbst kein Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK ist; ebenso entschied in einem späteren Urteil<br />

801<br />

EKMR, BNr. 13258/87 (C. Melchers & Co. KG/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland),<br />

E. v. 9.2.1990, Fn. 769.<br />

Vgl. auch <strong>de</strong>n Kollisionsfall EKMR, BNr. 13539/88 (Dufay/Europäische Gemeinschaften,<br />

hilfsweise die Gesamtheit ihrer Mitgliedstaaten und ihre Mitgliedstaaten einzeln),<br />

E. v. 19.1.1989, vgl. hierzu Rosakis, La position <strong>de</strong>s organes <strong>de</strong> la Convention Européenne<br />

<strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme à l’égard <strong>de</strong>s actes <strong>de</strong> l’ordre juridique communautaire, in:<br />

Iliopoulos-St<strong>ra</strong>ngas (Hrsg.), Grundrechtsschutz <strong>im</strong> europäischen Raum, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n<br />

1993, S. 279 ff., 284 ff. Die Rs. Dufay wur<strong>de</strong> schon <strong>de</strong>swegen abgewiesen, weil die<br />

Beschwer<strong>de</strong>führerin <strong>de</strong>n innerstaatlichen Rechtsweg (hier: die gemeinschaftsrechtlichen<br />

Rechtsmittel) nicht erschöpft hatte.<br />

802<br />

EuGH, verb. Rs. 100 bis 103/80 (S.A. Musique Diffusion F<strong>ra</strong>nçaise u.a./Kommission),<br />

Slg. 1983, S. 1825 ff., 1880 ff.<br />

803<br />

Giegerich, Fn. 482, S. 843.


203<br />

auch <strong><strong>de</strong>r</strong> ständige EGMR. 804 Selbst <strong>im</strong> Falle <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gung mitgliedstaatlicher<br />

Hoheitsgewalt auf eine zwischenstaatliche Einrichtung könne hingegen die mitgliedstaatliche<br />

Staatsgewalt kontrolliert wer<strong>de</strong>n, soweit durch sie Gemeinschaftsrecht vollzogen wer<strong>de</strong>;<br />

Beschwer<strong>de</strong>gegenstand ist in diesem Fall <strong><strong>de</strong>r</strong> nationale Umsetzungs- bzw. Vollzugsakt <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts. 805 Die Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten entbin<strong>de</strong>t die Mitgliedstaaten<br />

also nicht von <strong><strong>de</strong>r</strong> Einhaltung <strong>de</strong>s EMRK-Rechtsschutzes. 806<br />

804<br />

EKMR, BNr. 13258/87, Fn. 769, S. 865 ff., 866: „The Commission first recalls that it is in<br />

fact not competent <strong>ra</strong>tione personae to examine proceedings before or <strong>de</strong>cisions of organs of<br />

the European Communities the latter not being a Party to the European Convention on<br />

Human Rights.“ Diese Rechtsprechung wur<strong>de</strong>n vom – infolge <strong>de</strong>s 11. Protokolls nunmehr –<br />

ständigen EGMR in einer seiner ersten Entscheidungen vom 18.2.1999, BNr. 24833/94<br />

(Denise Matthews/Vereinigtes Königreich), EuZW 1999, S. 308 ff. m. Anm. Christopher<br />

Lenz, Rz. 32, bestätigt: „The Court observes that acts of the EC as such cannot be<br />

challenged before the Court because the EC is not a Cont<strong>ra</strong>cting Party.“<br />

805<br />

Vgl. Bultrini, Fn. 711, S. 496, 498; Frowein/Peukert, Fn. 679, Einführung, Rdnr. 15,<br />

S. 844 f.; Giegerich, Fn. 482, S. 844. Giegerich, a.a.O., S. 845, 847, weist zutreffend da<strong>ra</strong>uf<br />

hin, daß <strong><strong>de</strong>r</strong>jenige Mitgliedstaat, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Vollstreckungsklausel erteilt, einen eigenständigen<br />

Zwangsvollstreckungsakt und damit einen ihm zurechenbaren Grundrechtseingriff setzt.<br />

806<br />

EKMR, BNr. 13258/87, Fn. 769, S. 865 ff., 867: „The Commission consi<strong><strong>de</strong>r</strong>s that a t<strong>ra</strong>nsfer<br />

of powers does not necessarily exclu<strong>de</strong> a State’s responsibility un<strong><strong>de</strong>r</strong> the Convention with<br />

regard to the exercise of the t<strong>ra</strong>nsferred powers. Otherwise the gua<strong>ra</strong>ntees of the Convention<br />

could wantonly be l<strong>im</strong>ited or exclu<strong>de</strong>d [...].“ Vgl. hierzu pa<strong>ra</strong>llel die Entscheidung <strong>de</strong>s<br />

EGMR, Fn. 804, Rz. 32: „The Convention does not exclu<strong>de</strong> the t<strong>ra</strong>nsfer of competences to<br />

international organisations provi<strong>de</strong>d that Convention rights continue to be secured. Member<br />

States’ responsibility therefore continues even after such a t<strong>ra</strong>nsfer.“<br />

Selbst wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelne Mitgliedstaat <strong>de</strong> lege lata an das Gemeinschaftsrecht gebun<strong>de</strong>n<br />

sein sollte und keinen Ermessensspiel<strong>ra</strong>um hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Umsetzung mehr besitzt, trifft<br />

ihn <strong>im</strong> Sinne einer actio libe<strong>ra</strong> in causa die Ve<strong>ra</strong>ntwortung für <strong>de</strong>n Ist-Zustand: So hätte er<br />

als einer <strong><strong>de</strong>r</strong> ursprünglichen „Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“ zum einen da<strong>ra</strong>uf hinwirken können, daß<br />

Grundrechte bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gung auf die Gemeinschaft effektiv geschützt wer<strong>de</strong>n (z.B.<br />

durch Koppelung an das EMRK-Rechtsschutzsystem), zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en hätte eine<br />

Einzelfallkontrolle <strong>im</strong> Vollstreckungsbereich für die Mitgliedstaaten geschaffen wer<strong>de</strong>n<br />

können. Außer<strong>de</strong>m läßt sich auf <strong>de</strong>n Fall <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsgedanken <strong>de</strong>s Art. 30 Abs. 5 WVRK<br />

anwen<strong>de</strong>n, wonach die Ve<strong>ra</strong>ntwortlichkeit eines Vert<strong>ra</strong>gsstaats bestehen bleibt, soweit<br />

dieser einen Vert<strong>ra</strong>g abgeschlossen hat (EGV), <strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong>de</strong>m früheren Vert<strong>ra</strong>g (EMRK)<br />

unvereinbar ist; vgl. hierzu Giegerich, Fn. 482, S. 848, 854; a.A. Bultrini, Fn. 711, S. 501 f.:<br />

Soweit ein Mitgliedstaat trotz fehlen<strong>de</strong>n Ermessensspiel<strong>ra</strong>ums durch einen<br />

Gemeinschaftsrechtsakt von <strong>de</strong>n EMRK-Organen zur Ve<strong>ra</strong>ntwortung gezogen wer<strong>de</strong>n<br />

könne, wür<strong>de</strong> diese Angst <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten dazu führen, daß sie be<strong>im</strong> Erlaß von


204<br />

Allerdings führte die EKMR in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Melchers <strong>de</strong>n von ihr gewählten Ansatz noch nicht in<br />

letzter Konsequenz durch, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n verzichtete da<strong>ra</strong>uf, einem Mitgliedstaat die Ve<strong>ra</strong>ntwortung<br />

aufzuerlegen, in je<strong>de</strong>m Einzelfall zu überprüfen, ob die Gemeinschaft sich an die EMRK<br />

gehalten habe, da dies <strong>de</strong>m Gedanken <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten an eine<br />

internationale Organisation zuwi<strong><strong>de</strong>r</strong>laufe, da die Gemeinschaft selbst Menschenrechte sichere<br />

und ihre Einhaltung kontrolliere. 807<br />

Aus diesem Grun<strong>de</strong> hielt die EKMR die Beschwer<strong>de</strong> mit<br />

<strong>de</strong>n Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK inkompatibel und daher für unzulässig.<br />

Die Entscheidung <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR weist <strong>de</strong>utliche Pa<strong>ra</strong>llelen zur Solange II-Entscheidung <strong>de</strong>s<br />

BVerfG auf, das sich ebenfalls in <strong>de</strong>m Spannungsfeld befand, einerseits Grundrechte sichern<br />

zu müssen, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits nicht als Integ<strong>ra</strong>tionshemmnis wirken zu wollen. Sowohl das BVerfG<br />

als auch die EKMR stellten daher bis Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre <strong>im</strong> Anwendungsbereich <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts eine Grundrechtsprüfung <strong>im</strong> Einzelfall zurück, solange durch <strong>de</strong>n EuGH<br />

die Gewährleistung eines adäquaten Grundrechtsschutzes sichergestellt wer<strong>de</strong>. 808<br />

Für <strong>de</strong>n Fall, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Grundrechtsstandard durch die Gemeinschaftsorgane –<br />

namentlich durch <strong>de</strong>n EuGH – nicht gewährleistet sein wür<strong>de</strong>, hatte die EKMR in<strong>de</strong>s keinen<br />

Zweifel aufkommen lassen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> zwischenzeitlich beigelegte Konflikt erneut aufflammen<br />

wür<strong>de</strong>: Der EGMR könnte dann – ähnlich wie vom BVerfG <strong>im</strong> Maastricht-Urteil ange<strong>de</strong>utet –<br />

von seinem Prüfungsrecht hinsichtlich letztinstanzlicher nationaler Rechtsakte wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Geb<strong>ra</strong>uch machen.<br />

In einer Rechtssache jüngeren Datums rügte eine Beschwer<strong>de</strong>führerin, die auf Gib<strong>ra</strong>ltar<br />

wohnte, gegenüber <strong>de</strong>m ständigen EGMR die Verweigerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme an <strong>de</strong>n<br />

Direktwahlen zum EP. Hierin sei ein Verstoß gegen Art. 3 <strong>de</strong>s Zusatzprotokolls zur EMRK zu<br />

sehen. Art. 15 <strong>de</strong>s Anhangs II <strong>de</strong>s Ratsbeschlusses 76/787/EWG, welcher ein integ<strong>ra</strong>ler<br />

Bestandteil <strong>de</strong>s genannten Gemeinschaftsrechtsaktes ist, sieht vor, daß das Vereinigte<br />

Gemeinschaftsrechtsakten übervorsichtig wür<strong>de</strong>n, was wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um eine Beeinträchtigung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Wirksamkeit <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts nach sich zöge.<br />

807 EKMR, BNr. 13258/87, Fn. 769, S. 865 ff., 867 f.: „The Commission notes that the legal<br />

system of the European Communities not only secures fundamental rights but also provi<strong>de</strong>s<br />

for control of their observance. [...] The Commission has also taken into consi<strong><strong>de</strong>r</strong>ation that<br />

it would be cont<strong>ra</strong>ry to the very i<strong>de</strong>a of t<strong>ra</strong>nsferring powers to an international organisation<br />

to hold the member States responsible for examining, in each individual case before issuing<br />

a writ of execution for a judgement of the European Court of Justice, whether Article 6 of<br />

the Convention was respected in the un<strong><strong>de</strong>r</strong>lying proceedings.“<br />

808 Vgl. hierzu auch Conring, Fn. 25, S. 328 ff., 330 f.; Frowein/Peukert, Fn. 679, Einführung,<br />

Rdnr. 15; Giegerich, Fn. 482, S. 861 f.; Carl Otto Lenz, Fn. 632, S. 3290.


205<br />

Königreich die Vorschriften bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Direktwahl <strong>de</strong>s EP nur hinsichtlich <strong>de</strong>s Vereinigten<br />

Königreichs – nicht dagegen in bezug auf Gib<strong>ra</strong>ltar – anwen<strong>de</strong>t. Ungeachtet <strong>de</strong>ssen stellte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EGMR fest, daß das Vereinigte Königreich zur Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> sich aus Artikel 3 <strong>de</strong>s<br />

Zusatzprotokolls ergeben<strong>de</strong>n vert<strong>ra</strong>glichen Bindungen ungeachtet <strong>de</strong>s erwähnten Ratsbeschlusses<br />

verpflichtet sei und sich nicht damit rechtfertigen könne, es habe aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

sup<strong>ra</strong>nationalen Regelung keinen Einfluß auf die Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Verpflichtung. 809<br />

Aus diesem Grun<strong>de</strong> kann Hans-Tjabert Conring nicht gefolgt wer<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> als Sch<strong>ra</strong>nke <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gewährleistungen <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK <strong>de</strong>n EG-Standard ansieht, die „Notwendigkeit“ in<br />

Art. 9 Abs. 2 EMRK also nur nach <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht beurteilt. 810<br />

Durch das zitierte Urteil ist das Vereinigte Königreich in die prekäre Situation ge<strong>ra</strong>ten, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EMRK-Verpflichtung nachkommen zu müssen, die <strong>im</strong> Gegensatz zu einer<br />

gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift steht und Vor<strong>ra</strong>ng gegenüber dieser beansprucht. Im<br />

Gegensatz zur EKMR verlangt <strong><strong>de</strong>r</strong> ständige EGMR nunmehr die Sicherstellung <strong>de</strong>s vollen<br />

Konventionsschutzes. 811<br />

Eine Lösung <strong>de</strong>s Konflikts ergibt sich in diesem Falle für die<br />

Mitgliedstaaten über die konsequente Anwendung <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV.<br />

Die da<strong>ra</strong>us folgen<strong>de</strong> Nichtanwendung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts durch einzelne Mitgliedstaaten<br />

stellt die Einheitlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts, ein wichtiges<br />

Gemeinschaftsziel, in F<strong>ra</strong>ge. Dieses mißliche Ergebnis könnte durch eine Orientierung <strong>de</strong>s<br />

EuGH an <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

Erst ein EMRK-Beitritt wür<strong>de</strong> künftige Kollisionen bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsordnungen, die durchaus<br />

nicht fernab je<strong><strong>de</strong>r</strong> Realität liegen, ein für allemal beseitigen. Nur sofern <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechtsp<strong>ra</strong>xis <strong>de</strong>n Grundrechten, wie sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK gewährleistet sind, auch ohne einen<br />

solchen Beitritt in vollem Umfange Rechnung trägt, können <strong>de</strong> lege lata Auslegungsdivergenzen<br />

und damit Konfliktsituationen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten weitgehend vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. 812<br />

Bislang waren <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Kollisionen zwar noch relativ <strong>ra</strong>r, da die Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemein-<br />

809<br />

EGMR, Fn. 804, Rz. 34 f.: „In particular, the suggestion that the United Kingdom may not<br />

have effective control over the state of affairs complained of cannot affect the position, as<br />

the United Kingdom’s responsibility <strong><strong>de</strong>r</strong>ives from its having entered into treaty<br />

commitments subsequent to the applicability of Article 3 of Protocol No. 1 to Gib<strong>ra</strong>ltar,<br />

namely the Maastricht Treaty taken together with its obligations un<strong><strong>de</strong>r</strong> the Council Decision<br />

and the 1976 Act. [...] It follows that the United Kingdom is responsible un<strong><strong>de</strong>r</strong> Article 1 of<br />

the Convention for securing the rights gua<strong>ra</strong>nteed by Article 3 of Protocol No. 1 in Gib<strong>ra</strong>ltar<br />

regardless of whether the elections were purely domestic or European.“<br />

810<br />

Vgl. Conring, Fn. 25, S. 332.<br />

811<br />

So auch Christofer Lenz, EuZW 1999, S. 311 ff., 312.<br />

812<br />

Frowein/Peukert, Fn. 679, Einführung, Rdnr. 15, plädiert aus diesem Grun<strong>de</strong> für eine<br />

„p<strong>ra</strong>ktische Koordinierung“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung zwischen EuGH und EGMR.


206<br />

schaftsbürger vom Gemeinschaftsrecht meist nur peripher betroffen waren; das Konfliktpotential<br />

wird sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> fortschreiten<strong>de</strong>n Integ<strong>ra</strong>tion v.a. <strong><strong>de</strong>r</strong> „Dritten Säule“ aber erhöhen.<br />

Für das <strong>Religionsrecht</strong> erlaubt dies die Schlußfolgerung, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Auslegung <strong>de</strong>s<br />

Art. 9 EMRK in <strong><strong>de</strong>r</strong> Weise gewährleisten sollte, wie ihn seine St<strong>ra</strong>ßburger Richterkollegen<br />

interpretieren.<br />

e) Zusammenfassung<br />

Die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV ve<strong>ra</strong>nkert pr<strong>im</strong>ärrechtlich lediglich die<br />

Grundrechtsrechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH. Von einer Bindung <strong>de</strong>s EuGH an <strong>de</strong>n konkreten<br />

Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> materiellen EMRK-Vorschriften kann ebensowenig wie von einer Verpflichtung<br />

zur Übernahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR ausgegangen wer<strong>de</strong>n.<br />

Gleichwohl besteht eine Pflicht zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en Berücksichtigung i.R.d. allgemeinen Rechtsgrundsätze.<br />

Um für die Mitgliedstaaten Kollisionen zwischen gemeinschaftsrechtlichen<br />

Verpflichtungen und solchen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK auszuschließen, ist eine strikte Orientierung <strong>de</strong>s<br />

EuGH an <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR geboten.<br />

2. Der Grundrechtsgehalt <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK<br />

Art. 9 Abs. 1 EMRK 813<br />

gewährt zunächst je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann einen Anspruch auf Gedanken-,<br />

Gewissens- und Religionsfreiheit. Während <strong>de</strong>m Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift nur ein individualrechtlicher<br />

Cha<strong>ra</strong>kter zukommt, hat die EKMR anerkannt, daß sich auch<br />

Religionsgemeinschaften zugunsten ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf die Rechtspositionen <strong>de</strong>s Art. 9<br />

EMRK berufen können.<br />

a) Individuelle Religionsfreiheit<br />

aa) Individuelle Religionsfreiheit als Abwehrrecht<br />

Die Religionsfreiheit, wie sie von Art. 9 EMRK und durch die Rechtsprechung von EGMR<br />

und EKMR gewährleistet ist, umfaßt die Glaubens-, die Bekenntnis- und die<br />

813 Die englische und f<strong>ra</strong>nzösische authentische Sp<strong>ra</strong>chfassung von Art. 9 EMRK sowie die<br />

offizielle <strong>de</strong>utsche Übersetzung fin<strong>de</strong>t sich <strong>im</strong> Anhang.


207<br />

Religionsausübungsfreiheit. Sie hat ihren Ursprung also in einem inneren, persönlichen<br />

Kernbereich und entwickelt sich in verschie<strong>de</strong>nen Ausformungen nach außen weiter. 814<br />

(1) Glaubensfreiheit<br />

Innerer Kern <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit ist die Glaubensfreiheit. Hierunter ist die Autonomie <strong>de</strong>s<br />

einzelnen zu verstehen, seinen persönlichen Glauben und seine inneren Überzeugungen<br />

eigenständig he<strong>ra</strong>usbil<strong>de</strong>n zu können. Der Staat soll also in Glaubensf<strong>ra</strong>gen nicht bevormun<strong>de</strong>n<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar Vor- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Nachteile an die Zugehörigkeit zu einer best<strong>im</strong>mten Religion<br />

knüpfen. 815 Nicht erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist hingegen, daß diese innere Glaubensüberzeugung mit <strong>de</strong>n<br />

Lehrsätzen einer großen Weltreligion übereinst<strong>im</strong>mt; vielmehr reicht für die Anerkennung<br />

einer Religion ein Min<strong>de</strong>stmaß an I<strong>de</strong>ntifizierbarkeit aus. 816<br />

Von <strong><strong>de</strong>r</strong> Glaubensfreiheit ebenfalls umfaßt ist – wie <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht – ein status<br />

negativus, d.h. die Freiheit <strong>de</strong>s einzelnen nicht zu glauben 817 bzw. areligiöse Überzeugungen<br />

zu haben o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer Staatskirche nicht anzugehören, wobei aus dieser Nichtzugehörigkeit<br />

keine Nachteile erwachsen dürfen. 818 So darf z.B. keine Kirchensteuer o<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Äquivalent<br />

von Nicht-Kirchenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n erhoben wer<strong>de</strong>n. 819<br />

Außer<strong>de</strong>m erwähnt Art. 9 Abs. 1 EMRK<br />

814<br />

Vgl. Blum, Die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit nach Art. 9 <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Menschenrechtskonvention, Berlin 1990, S. 54.<br />

815<br />

Vgl. Blum, Fn. 814, S. 55.<br />

816<br />

EKMR, BNr. 7291/75 (Wicca/Vereinigtes Königreich), E. v. 4.10.1977, DR 11, S. 55 ff.,<br />

56; vgl. Frowein/Peukert, Fn. 679, Art. 9, Rdnr. 5; Matscher, Gedanken-, Gewissens- und<br />

Religionsfreiheit – Internationalrechtliche Aspekte, in: Matscher (Hrsg.), Folterverbot<br />

sowie Religions- und Gewissensfreiheit <strong>im</strong> Rechtsvergleich, Kehl am Rhein – St<strong>ra</strong>ßburg –<br />

Arlington 1990, S. 43 ff., 54.<br />

817<br />

Allerdings soll die Verpflichtung zur Teilnahme an einer Schüler-Pa<strong>ra</strong><strong>de</strong> an einem<br />

Nationalfeiertag, durch welche für nationale I<strong>de</strong>ale begeistert wer<strong>de</strong>n soll, nicht schon als<br />

religiösen bzw. pazifistischen Überzeugungen wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechend angesehen wer<strong>de</strong>n können,<br />

vgl. EGMR, (Valsamis/Griechenland), E. v. 18.12.1996 (EKMR, BNr. 21787/93).<br />

818<br />

EGMR, Série A 1993, Nr. 255-C (Hoffmann/Österreich), Rz. 36 = EuGRZ 1996, S. 648 ff.,<br />

652; vgl. hierzu Frowein/Peukert, Fn. 679, Art. 9, Rdnr. 7.<br />

819<br />

EGMR, Nr. 187 (Darby/Schwe<strong>de</strong>n), E. v. 23.10.1990, EuGRZ 1990, S. 504. Allerdings sah<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR hierin lediglich eine Diskr<strong>im</strong>inierung i.R.d. Steuererhebung, nicht dagegen<br />

einen Verstoß gegen Art. 9 EMRK; vgl. Frowein, Die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s die Gedanken-,<br />

Gewissens- und Religionsfreiheit ga<strong>ra</strong>ntieren<strong>de</strong>n Artikels 9 <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Menschenrechtskonvention, in: EssGespr (27) 1993, S. 46 ff., 47; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Artikel 9 EMRK in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> St<strong>ra</strong>ßburger Instanzen, in: Deutsche Sektion <strong><strong>de</strong>r</strong> Internationalen<br />

Juristen-Kommission (Hrsg.), Religionsfreiheit, Hei<strong>de</strong>lberg 1996, S. 1 ff., 5.


208<br />

ausdrücklich die Freiheit <strong>de</strong>s einzelnen zum Wechsel <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung. Dies<br />

steht in offenem Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zur P<strong>ra</strong>xis einiger islamisch-fundamentalistischer Staaten, in<br />

<strong>de</strong>nen die Apostasie z.T. mit <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> best<strong>ra</strong>ft wird. 820 Auch wenn eine Religionsgemeinschaft<br />

bzw. Kirche, wie z.B. die Röm.-Kath. Kirche, einen Austritt nicht kennt, besteht<br />

für die Vert<strong>ra</strong>gsstaaten die Pflicht, ein Recht zum Wechsel zu ga<strong>ra</strong>ntieren. 821<br />

(2) Bekenntnisfreiheit<br />

Um <strong>de</strong>n inneren Kern <strong><strong>de</strong>r</strong> Glaubensfreiheit legt sich die Schale <strong><strong>de</strong>r</strong> Bekenntnisfreiheit, womit<br />

sich die Freiheit verbin<strong>de</strong>t, seine religiösen Überzeugungen je<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit verbal äußern zu<br />

dürfen. 822 Ähnlich wie Art. 4 Abs. 1 GG umfaßt Art. 9 Abs. 1 EMRK somit neben <strong><strong>de</strong>r</strong> inneren<br />

Seite <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit (forum internum) auch eine äußere (forum externum). 823<br />

Art. 9 Abs. 1 EMRK verleiht nicht nur i.R.d. Glaubensfreiheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch i.R.d.<br />

Bekenntnisfreiheit einen status negativus und gewährt damit das Recht, die eigene Glaubensüberzeugung<br />

gegenüber staatlichen Behör<strong>de</strong>n nicht offenbaren zu müssen. 824<br />

Soweit eine<br />

Drittwirkung von Art. 9 EMRK über Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV bejaht wird, erstreckt sich<br />

dieses Recht auch gegenüber privaten Arbeitgebern.<br />

(3) Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsausübung<br />

Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Bekenntnisfreiheit beinhaltet Art. 9 Abs. 1 EMRK umfassend das Recht, seine<br />

Religion einzeln o<strong><strong>de</strong>r</strong> in Gemeinschaft mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en 825<br />

, öffentlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> privat, durch<br />

Gottesdienst, Unterricht und die Ausübung und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben.<br />

Im folgen<strong>de</strong>n soll auf die vier durch Art. 9 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Formen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

820<br />

Vgl. nur Müller-Volbehr, Fn. 24, S. 347, sowie die Ausführungen oben Fn. 128.<br />

821<br />

EKMR, BNr. 9781/82 (E. u. G.R./Österreich), E. v. 14.5.1984, DR 37, S. 42 ff., 45; vgl.<br />

auch Frowein, Fn. 819, S. 51; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 819, S. 9.<br />

822<br />

Vgl. Kruttschnitt, Fn. 316, S. 159.<br />

823<br />

Vgl. Blum, Fn. 814, S. 59.<br />

824<br />

Um <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung zur Zahlung von Kirchenbeiträgen zu entgehen, soll diese negative<br />

Religionsfreiheit in<strong>de</strong>s noch nicht erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sein, da schon die Möglichkeit zum<br />

Religionsaustritt eine Befreiung von <strong><strong>de</strong>r</strong> Beit<strong>ra</strong>gspflicht bewirke, vgl. EKMR, BNr. 9781/82<br />

(E. u. G.R./Österreich), E. v. 14.5.1984, DR 37, S. 42 ff., vgl. Matscher, Fn. 816, S. 60.<br />

825<br />

Vgl. EKMR, BNr. 8160/78 (Ahmad/Vereinigtes Königreich), E. v. 12.03.1981, DR 22,<br />

S. 27 ff., 33 ff. = EuGRZ 1981, S. 326, wonach die Tatbestandsvo<strong>ra</strong>ussetzungen „einzeln<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> in Gemeinschaft mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en“ nicht alternativ in <strong>de</strong>m Sinne zu verstehen sind, als<br />

Religion nur entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> einen o<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Form ausgeübt wer<strong>de</strong>n kann,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr kumulativ von Art. 9 Abs. 1 EMRK gewährleistet wer<strong>de</strong>n.


209<br />

P<strong>ra</strong>ktizierung <strong><strong>de</strong>r</strong> persönlichen Glaubensauffassung eingegangen wer<strong>de</strong>n, wobei <strong><strong>de</strong>r</strong> englische<br />

bzw. f<strong>ra</strong>nzösische Wortlaut zur Erschließung <strong>de</strong>s konkreten Sinngehalts <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift<br />

hilfreich ist.<br />

(i) Gottesdienst<br />

„Gottesdienst“ (worship; le culte) bezeichnet die religiöse Anbetung und Verkündigung, 826<br />

wie sie zumeist in Versammlungen von Gläubigen geschieht. Einen Verstoß gegen<br />

Art. 9 EMRK stellt es daher dar, wenn – wie in Griechenland – eine Erlaubnis <strong>de</strong>s örtlichen<br />

Metropoliten zur Abhaltung von Gottesdiensten auch für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Religionsgemeinschaften<br />

verlangt wird und diese entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> verweigert o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber jahrelang hinausgezögert wird. 827<br />

(ii) Unterricht<br />

Mit <strong>de</strong>m religiösen „Unterricht“ (teaching; l’enseignement) ist nicht in erster Linie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

schulische Religionsunterricht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr die Katechese, d.h. die allgemeine<br />

Vermittlung religiöser Lehrinhalte, angesprochen. Dies wird durch Art. 2 <strong>de</strong>s Zusatzprotokolls<br />

<strong>de</strong>utlich, durch welche die geson<strong><strong>de</strong>r</strong>te Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>gsstaaten begrün<strong>de</strong>t wird, <strong>im</strong><br />

Unterrichtswesen das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Eltern auf Erziehung und Unterricht ihrer Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> gemäß <strong>de</strong>n<br />

elterlichen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen. 828<br />

Auch Glaubenswerbung und Missionierung wer<strong>de</strong>n von Art. 9 Abs. 1 EMRK umfaßt. 829<br />

Hierbei muß allerdings zwischen „normalem Evangelisieren“ und „mißbräuchlichem<br />

Proselytismus“ unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, wobei letzterer nach Ansicht <strong>de</strong>s EGMR die<br />

826<br />

Vgl. Kruttschnitt, Fn. 316, S. 161.<br />

827<br />

Vgl. EGMR, BNr. 18748/91 (Manoussakis u.a./Griechenland), E. v. 26.9.1996, s.o. Fn. 146.<br />

828<br />

So auch Matscher, Fn. 816, S. 58. Dieses religiöse Erziehungsrecht wür<strong>de</strong> durch eine<br />

Sorgerechtsregelung verletzt, welche eine Differenzierung <strong>im</strong> wesentlichen allein auf einen<br />

Unterschied in <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion stützt, vgl. EGMR, Série A 1993, Nr. 255-C (Hoffmann/Österreich),<br />

Rz. 36 = EuGRZ 1996, S. 648 ff., 652. Vgl. hierzu Frowein, Fn. 819,<br />

S. 8; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 819, S. 56 f.; ausführlich und differenzierend Fahrenhorst, Sorgerecht und<br />

Religion – Anmerkung zum EGMR-Urteil <strong>im</strong> Fall Ingrid Hoffmann gegen Österreich,<br />

EuGRZ 1996, S. 633 ff. Letztere will nicht religiöse Glaubenssätze, jedoch Auswirkungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion auf die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> in die Kindswohlentscheidung einbeziehen. Die Zulässigkeit<br />

dieses Kriteriums erscheint jedoch höchst f<strong>ra</strong>glich, da die Ausübung von Glaubensüberzeugungen<br />

durch eine religiöse Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit oftmals mit einer gewissen sozialen<br />

Außenseiterrolle verbun<strong>de</strong>n ist.<br />

829<br />

Vgl. Blum, Fn. 814, S. 65; Frowein, Fn. 819, S. 10 f.; Kruttschnitt, Fn. 316, S. 161.


210<br />

Bestechung und falsche Darstellung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Konfessionen einschließe. 830 Soweit in üblicher<br />

Form über Glaubensf<strong>ra</strong>gen mit <strong>de</strong>m Ziel <strong>de</strong>s Versuchs <strong><strong>de</strong>r</strong> Überzeugung <strong>de</strong>s an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

diskutiert wer<strong>de</strong>, ist dieses Verhalten durch Art. 9 EMRK geschützt. Dererlei missionieren<strong>de</strong><br />

Tätigkeit darf nicht eingeschränkt, geschweige <strong>de</strong>nn eine st<strong>ra</strong>frechtliche Verurteilung wegen<br />

„Proselytenmacherei“ nach sich ziehen, wie dies in Griechenland in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit in<br />

regelmäßigen Abstän<strong>de</strong>n geschehen ist. 831<br />

(iii) Ausübung religiöser Gebräuche<br />

Unter <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „Ausübung“ (p<strong>ra</strong>ctice; les p<strong>ra</strong>tiques) religiöser Gebräuche wird die<br />

religiöse Lebensführung bezeichnet, soweit sie nicht schon unter einen <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriffe<br />

„Gottesdienst“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Unterricht“ zu subsumieren ist. Es han<strong>de</strong>lt sich hierbei also um einen<br />

Auffangtatbestand. 832 Als Beispiel kann das Verteilen von Flugblättern religiösen Inhalts<br />

angeführt wer<strong>de</strong>n. 833 Allerdings wird nicht die gesamte religiöse Lebensführung von<br />

Art. 9 EMRK geschützt; auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatbestandsseite sollen sich Beschränkungen beispielsweise<br />

schon bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausübung religiöser Gebräuche i.R.d. Ausübung eines militärischen Berufs<br />

ergeben. 834<br />

830<br />

So EGMR, Série A 1993, Nr. 260-A (Kokkinakis/Griechenland); vgl. hierzu Frowein,<br />

Fn. 819, S. 46; ebenso: EGMR, BNr. 140/1996/759/858-960, Urt. v. 24.2.1998; zitiert bei<br />

Abel, Fn. 214, NJW 1999, S. 337.<br />

831<br />

So auch Frowein, Fn. 819, S. 10 f. Ansonsten wür<strong>de</strong> die Erfüllung <strong>de</strong>s Missionsauft<strong>ra</strong>ges,<br />

Mt. 28, 19-20, schlechterdings unmöglich. Auch <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht beinhaltet die<br />

Bekenntnisfreiheit das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Werbung für <strong>de</strong>n eigenen Glauben sowie das Recht zur<br />

Abwerbung vom frem<strong>de</strong>n Glauben, d.h. die Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mission mit allen erlaubten<br />

Mitteln, vgl. BVerfGE 12, S. 1 ff., 4; v. Campenhausen, Religionsfreiheit, in: Isensee/<br />

Kirchhof (Hrsg.), Handbuch <strong>de</strong>s Staatsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Bd. VI,<br />

Hei<strong>de</strong>lberg 1989, § 136, S. 369 ff., 403, Rdnr. 55. Aus diesem Grund hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR,<br />

Série A 1993, Nr. 260, Fn. 830, die Best<strong>ra</strong>fung <strong>de</strong>s Bekehrungsversuchs eines Zeugen<br />

Jehovas an <strong><strong>de</strong>r</strong> Ehef<strong>ra</strong>u eines griechisch-orthodoxen Kantors zu Recht als Verletzung <strong>de</strong>s<br />

Art. 9 EMRK angesehen.<br />

832<br />

Vgl. Blum, Fn. 814, S. 68; Kruttschnitt, Fn. 316, S. 161 f.<br />

833<br />

EKMR, BNr. 7050/75 (Arrowsmith/Vereinigtes Königreich), E.v.12.10.1978, DR 19,<br />

S. 5 ff., 19 f.; wobei die Entscheidung i.R.d. Weltanschauungsfreiheit erging; vgl. Blum,<br />

Fn. 814, S. 69; Frowein, Fn. 819, S. 51 f.; Kruttschnitt, Fn. 316, S. 162; Matscher, Fn. 816,<br />

S. 59.<br />

834<br />

EGMR, (Kalaç/Türkei), E. v. 01.07.1997; vgl. hierzu Sherlock/Andrews, Judgements of the<br />

Court of Human Rights 1997, (1998) 23 E.L.Rev.HR, S. 120 ff., S. 166 f. Interessant ist<br />

dieser Fall auch insofern, als die EKMR einst<strong>im</strong>mig eine Verletzung <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK<br />

bejaht hatte, nach<strong>de</strong>m ein in <strong><strong>de</strong>r</strong> türkischen Luftwaffe beschäftigter Jurist aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Annahme „ungesetzlicher fundamentalistischer Ansichten“ in <strong>de</strong>n Ruhestand versetzt


211<br />

(iv) Beachtung religiöser Gebräuche<br />

Die „Beachtung religiöser Gebräuche“ (observance; accomplissement <strong>de</strong>s rites) gewährleistet<br />

einerseits die Fortführung religiöser T<strong>ra</strong>ditionen, wie z.B. Wallfahrten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Prozessionen,<br />

wahrt an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits aber auch i.R.d. Religionsgemeinschaften aufgestellte Pflichten. Diese<br />

können vom T<strong>ra</strong>gen einer Amtst<strong>ra</strong>cht über die Einhaltung zölibatärer Vorschriften bis hin<br />

zum Schächten von Tieren reichen. Maßgeblich ist dabei in Zweifelsf<strong>ra</strong>gen die offizielle<br />

Leh<strong>ra</strong>uffassung <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Religionsgemeinschaft. 835<br />

bb) Individuelle Religionsfreiheit als staatliche Schutzpflicht<br />

Neben <strong>de</strong>m Abwehrcha<strong>ra</strong>kter <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit <strong>im</strong> individuellen Bereich kann aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung einer religiösen Gruppierung durch private, gesellschaftliche Kräfte eine<br />

Schutzpflicht <strong>de</strong>s Staates zur Verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung übermäßiger Agitation erwachsen, so z.B. ein<br />

Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsanwaltschaft von Amts wegen bei einer g<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong>n Verletzung<br />

religiöser Gefühle. 836<br />

b) Kollektive Religionsfreiheit<br />

aa) Anwendbarkeit<br />

Die Gewährleistung institutioneller Ga<strong>ra</strong>ntien macht in <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis vielfach <strong>de</strong>n „Dreh- und<br />

Angelpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehungen zwischen Staat und Kirche“ 837<br />

aus, da Religion <strong>im</strong> Regelfall<br />

nicht alleine, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n gemeinsam ausgeübt wird. Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> pr<strong>im</strong>är als Individualrecht<br />

konzipierten Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 9 Abs. 1 EMRK konnte ein solches Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften<br />

jedoch nicht unmittelbar hergeleitet wer<strong>de</strong>n, da diese nur die Religionsübung<br />

„in Gemeinschaft mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en“ gewährleistet. Demzufolge lehnte die EKMR zunächst Rechts-<br />

wor<strong>de</strong>n war, während <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR anschließend – ebenfalls einst<strong>im</strong>mig – eine Verletzung<br />

<strong>de</strong>s Art. 9 EMRK mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung verneint hat, daß die Versetzung in <strong>de</strong>n Ruhestand<br />

nicht auf religiösen Grün<strong>de</strong>n erfolgt sei, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf einer fehlen<strong>de</strong>n Loyalität gegenüber<br />

<strong>de</strong>n Grundprinzipien <strong>de</strong>s türkischen Staates, namentlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Säkularisierung, basiere.<br />

835 Vgl. Blum, Fn. 814, S. 65 ff.; Kruttschnitt, Fn. 316, S. 161.<br />

836 EKMR, BNr. 8282/78 (Church of Scientology/Schwe<strong>de</strong>n) E. v. 14.7.1990, DR 21,<br />

S. 109 ff.; vgl. hierzu Blum, Fn. 814, S. 102 ff.; Frowein, Fn. 819, S. 8; Frowein/Peukert,<br />

Fn. 679, Art. 9, Rdnr. 8; ebenso EGMR, Série A 1994, Nr. 295-A (Otto-Preminger-<br />

Institut/Österreich), E. v. 20.9.1994, vgl. hierzu die Ausführungen unten K.VI.2.c).<br />

837 Gemeinsame Stellungnahme, Fn. 510, S. 11.


212<br />

positionen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften aufgrund von Art. 9 Abs. 1 EMRK<br />

ab. 838<br />

Erst <strong>im</strong> Jahre 1979 anerkannte die EKMR, daß sich vorgenannte Institutionen ebenfalls auf<br />

die in Art. 9 Abs. 1 EMRK enthaltenen Ga<strong>ra</strong>ntien berufen können. 839 Den Religionsgemeinschaften<br />

sei ein eigenes Beschwer<strong><strong>de</strong>r</strong>echt zuzuerkennen, da die Unterscheidung<br />

zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit einer Religionsgemeinschaft und ihren Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich<br />

künstlicher Natur sei. 840<br />

Eine Befugnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften wird damit begrün<strong>de</strong>t, daß diese in Wirklichkeit<br />

<strong>im</strong> Namen ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> und als <strong><strong>de</strong>r</strong>en Repräsentantin han<strong>de</strong>le:<br />

„When a church body lodges an application un<strong><strong>de</strong>r</strong> the Convention, it does so in reality, on<br />

behalf of its members. It should therefore be accepted that a church body is capable of<br />

possessing and exercising the rights contained in Article 9 (1) in its own capacity as a<br />

representative of its members.“ 841<br />

Umstritten ist, ob das Repräsentationsprinzip lediglich eine Art Prozeßstandschaft begrün<strong>de</strong>t<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob Kirchen und Religionsgemeinschaften auch eigene Rechte geltend machen, die über<br />

die Rechte ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> hinausgehen können. 842<br />

Als nichtstaatliche Organisationen sind<br />

838<br />

EKMR, BNr. 3798/68 (Kirche von X./Vereinigtes Königreich), E. v. 17.12.1968, Annuaire<br />

12 (1969), S. 306 ff., 314.<br />

839<br />

EKMR, BNr. 7805/77 (Church of Scientology/Schwe<strong>de</strong>n), E. v. 5.5.1979, DR 16, S. 68 ff.,<br />

70; ebenso EKMR, BNr. 10901/84 (Prüssner/Deutschland), E. v. 8.5.1985, EuGRZ 1986,<br />

S. 648 = NJW 1987, S. 1131). Vgl. zu dieser Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung Conring,<br />

Fn. 25, S. 339 ff.<br />

840<br />

Vgl. auch van Bijsterveld, Fn. 607, S. 24; Blum, Fn. 814, S. 171.<br />

841<br />

EKMR, BNr. 7805/77, Fn. 839, S. 70.<br />

842<br />

Eine solche erweitern<strong>de</strong> Auslegung vertreten fast ausschließlich <strong>de</strong>utsche kirchennahe<br />

Autoren, z.B. Blum, Fn. 814, S. 174; Robbers, Fn. 341, S. 317; Frowein/Peukert, Fn. 679,<br />

Art. 9, Rdnr. 9; Frowein, Fn. 819, S. 9; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 819, S. 49, wonach Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften ihre Existenz auch unabhängig von ihrer Rolle als Vertreter ihrer<br />

Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> verteidigen könnten. Allerdings räumt Frowein, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in<br />

EssGespr. 27 (1993), S. 70, selbst ein, daß es für diese Auffassung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> St<strong>ra</strong>ßburger Instanzen keinen Beleg gibt. Tempel, Fn. 695, S. 12 f., führt aus, daß es sich<br />

bei dieser – letztlich auf Blum, Fn. 814, S. 170, zurückgehen<strong>de</strong>n – Ansicht um eine<br />

Min<strong><strong>de</strong>r</strong>meinung han<strong>de</strong>lt, die sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommentare an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Mitgliedstaaten<br />

zur EMRK nicht fin<strong>de</strong>t. Conring, Fn. 25, S. 352 ff., will anhand <strong><strong>de</strong>r</strong> neueren Rechtsprechung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR <strong>de</strong>n Nachweis erbringen, daß Religionsgemeinschaften nicht nur als


213<br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften m.E. nur dann über die Individualbeschwer<strong>de</strong><br />

aktivlegit<strong>im</strong>iert, soweit sie die Verletzung von Rechten ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> rügen; nur in diesem<br />

Fall liegt ein Han<strong>de</strong>ln als Vertreterin ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> vor. Unter Zugrun<strong>de</strong>legung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>ra</strong>tio <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

pr<strong>im</strong>är das Individuum schützen<strong>de</strong>n Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK kann man folgern, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft allenfalls geringer, keinesfalls aber größer als<br />

die Summe <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> dieser Religionsgemeinschaft sein darf. Dies hat die<br />

EKMR erst wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in einer jüngeren Entscheidung ausdrücklich festgestellt: 843<br />

„Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e kann eine juristische Person als Beschwer<strong>de</strong>führer nach <strong><strong>de</strong>r</strong> gefestigten<br />

Spruchp<strong>ra</strong>xis <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission nicht von sich behaupten, ein Opfer von Maßnahmen zu sein,<br />

die angeblich die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Konvention festgelegten Rechte ihrer einzelnen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

beeinträchtigen [...]. Im vorliegen<strong>de</strong>n Fall ist es ein<strong>de</strong>utig nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> beschwer<strong>de</strong>führen<strong>de</strong><br />

Verein als solcher, <strong><strong>de</strong>r</strong> das Opfer <strong><strong>de</strong>r</strong> angeblichen Verletzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> [...] ga<strong>ra</strong>ntierten Rechte<br />

ist. Allein die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s beschwer<strong>de</strong>führen<strong>de</strong>n Vereins als Einzelpersonen könnten<br />

geltend machen, Opfer einer Verletzung dieser Rechte zu sein, die naturgemäß nicht von<br />

einem Verein ausgeübt wer<strong>de</strong>n könnten.“<br />

bb) Umfang<br />

Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit soll kein Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft<br />

auf offizielle staatliche Anerkennung folgen, da eine individuelle Ausübungsmöglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religion grds. auch ohne diese gewährleistet sei. 844<br />

Problematisch ist weiter, ob sich Organisationen, die zwar keine Kirchen sind, jedoch<br />

kirchliche Aufgaben wahrnehmen, wie z.B. kirchliche Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>, ebenfalls auf<br />

Art. 9 EMRK berufen können. Für Kirchen und Religionsgemeinschaften soll das Recht zur<br />

freien Religionsausübung <strong>im</strong> innerkirchlichen Bereich ein auf die individuelle Religionsfreiheit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> zurückführbares Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht in F<strong>ra</strong>gen <strong><strong>de</strong>r</strong> inneren<br />

Repräsentanten <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch in eigener Rechtsinhaberschaft<br />

aktivlegit<strong>im</strong>iert seien.<br />

843<br />

EKMR, BNr. 34614/97 (Scientology Kirche Deutschland e.V./Deutschland), EuGRZ 1997,<br />

S. 616 ff., 618.<br />

844<br />

EKMR, BNr. 28626/95 (Khristiansko Sdruzhenie „Svi<strong>de</strong>teli na Iehova“ [Christliche<br />

Vereinigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeugen Jehovas]/Bulgarien), E. v. 3.7.1997, vgl. hierzu Sherlock, Fn. 350,<br />

(1998) 23 E.L.Rev.HR, S. 103 ff., 104. Allerdings kann die Nichtanerkennung u.U. eine<br />

Verletzung <strong>de</strong>s Art. 14 EMRK darstellen, soweit dieser eine unterschiedliche Behandlung<br />

vergleichbarer religiöser Gruppen zugrun<strong>de</strong> liegt, vgl. Frowein/Peukert, Fn. 679, Art. 14,<br />

Rdnr. 19.


214<br />

Organisation, <strong>im</strong> Ämterrecht und in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gestaltung ihres Kultus gewähren, 845<br />

wobei diese<br />

Auslegung in einem Spannungsfeld zu <strong>de</strong>n staatlichen Eingriffsmöglichkeiten i.R.d. Staatskirchentums<br />

steht. Wenn auch kirchliche Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> ihre Aktivitäten ebenfalls als<br />

Religionsausübung ansehen mögen, wird die von <strong>de</strong>m überwiegen<strong>de</strong>n Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />

geleistete Tätigkeit in diesen Verbän<strong>de</strong>n jedoch pr<strong>im</strong>är als Berufsausübung angesehen. <strong>Das</strong><br />

Repräsentationsprinzip spricht <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Fall daher eher dafür, diese Tätigkeiten unter<br />

die Berufsfreiheit und nicht unter die Religionsfreiheit zu subsumieren.<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache Rommelfanger 846 hatte sich die EKMR mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtmäßigkeit einer von<br />

einem katholischen K<strong>ra</strong>nkenhaus ausgesprochenen Kündigung eines dort angestellten Arztes<br />

zu befassen, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich durch einen öffentlichen Aufruf und ein Fernsehinterview zum Schwangerschaftsabbruch<br />

in Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zur offiziellen Lehrmeinung <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche zu<br />

diesem Thema gesetzt hatte. Während das BVerfG die Kündigung unter Berufung auf das<br />

kirchliche Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong>de</strong>s Arbeitgebers, Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3<br />

WRV, für rechtmäßig erklärt hatte, da es <strong>de</strong>m kirchlichen Arbeitgeber i.R.d. ordre public<br />

freistehe, Loyalitätsobliegenheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer festzulegen 847 , hielt die EKMR die<br />

Kündigung zwar ebenfalls aufrecht 848 , begrün<strong>de</strong>te ihr Ergebnis jedoch nicht mit einem<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht in eigenen Angelegenheiten: Anstatt Art. 9 EMRK überhaupt nur zu<br />

erwähnen, stützte die EKMR ihr Urteil da<strong>ra</strong>uf, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> durch Art. 10 EMRK gewährleisteten<br />

Meinungsfreiheit <strong>de</strong>s Arbeitgebers 849<br />

Rechnung zu t<strong>ra</strong>gen sei, wenn dieser eine auf<br />

best<strong>im</strong>mten Überzeugungen und Wertentscheidungen beruhen<strong>de</strong> Organisation sei und die<br />

Überzeugungen für die Erfüllung seiner gesellschaftlichen Aufgaben als wesentlich ansehe.<br />

845<br />

EKMR, BNr. 7374/76, E. v. 8.3.1976, DR 5, S. 157 ff.; vgl. hierzu Blum, Fn. 814, S. 177;<br />

Robbers, Fn. 341, S. 317.<br />

846<br />

EKMR, BNr. 12242/86 (Rommelfanger/Deutschland), E. v. 6.9.1989, Annuaire 32 (1989),<br />

S. 57 ff.<br />

847<br />

BVerfGE 70, S. 138 ff., 168. Zum Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Loyalitätsanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht<br />

vgl. Jurina, Ehebruch als Kündigungsgrund – Eine Besprechung <strong>de</strong>s Urteils <strong>de</strong>s<br />

Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts vom 24. April 1997, KuR 340, S. 1 ff.; Richardi, Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten <strong>de</strong>s<br />

kirchlichen Dienstes <strong>im</strong> Individualarbeitsrecht, in: Richardi/Wlotzke (Hrsg.), Fn. 260, § 186<br />

= S. 1151 ff., Rdnrn. 30 ff.<br />

848<br />

Die aufgestellten Loyalitätsanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen dürfen dabei jedoch nicht unverhältnismäßig<br />

sein, vgl. auch Frowein, Fn. 819, S. 58 f. Man wird sie daher nach Tätigkeitsbereichen <strong>im</strong><br />

kirchlichen Dienst abzustufen haben.<br />

849<br />

EKMR, BNr. 12242/86, Fn. 846, S. 64. Zu ve<strong>ra</strong>llgemeinernd daher Turowski, Fn. 1031,<br />

S. 23, <strong><strong>de</strong>r</strong> unter die korpo<strong>ra</strong>tive Seite <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK wie selbstverständlich das<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht von Kirchen und Religionsgemeinschaften auch <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s<br />

kollektiven Arbeitsrechts subsumiert.


215<br />

Da<strong>ra</strong>us darf man schließen, daß Art. 9 EMRK nur ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong>im</strong><br />

innerkirchlichen Bereich selbst umfaßt. 850 An<strong><strong>de</strong>r</strong>nfalls hätte die EKMR – was aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vorgabe <strong>de</strong>s BVerfG nahelag – ebenfalls ein religionsrechtliches Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht für<br />

das kirchliche K<strong>ra</strong>nkenhaus anerkannt, anstatt mit Erwägungen <strong>de</strong>s Ten<strong>de</strong>nzschutzes zu<br />

operieren. 851<br />

Es ist daher kaum anzunehmen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, <strong><strong>de</strong>r</strong> – wie die Rechtssachen van Roosmalen 852<br />

und Steymann 853 <strong>de</strong>utlich gezeigt haben – ohnehin die Ten<strong>de</strong>nz besitzt, Angelegenheiten in<br />

<strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs einzuglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n, <strong>im</strong> Gegensatz zur EKMR einen auf die<br />

freien Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> ausge<strong>de</strong>hnten „erweiterten Ten<strong>de</strong>nzschutz“ anerkennt. 854<br />

c) Sch<strong>ra</strong>nken <strong>de</strong>s Art. 9 Abs. 2 EMRK<br />

Einschränkbar ist lediglich die Ausübung (manifest; manifester) <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion, nicht dagegen<br />

die Religionsfreiheit als solche o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar das Recht eines Religionswechsels. Die <strong>de</strong>utsche<br />

Übersetzung gibt insoweit die authentischen Fassungen <strong>de</strong>s Art. 9 Abs. 2 EMRK nicht genau<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong>. 855 Trotz<strong>de</strong>m kann sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewährleistungsumfang <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK aufgrund seines<br />

weitreichen<strong>de</strong>n Sch<strong>ra</strong>nkenvorbehalts nicht mit Art. 4 GG messen lassen. 856 Bisher sind die<br />

St<strong>ra</strong>ßburger Gerichte allerdings nur selten auf Art. 9 Abs. 2 EMRK eingegangen. 857<br />

850<br />

So in Ansätzen schon Matscher, Fn. 816, S. 57, nach <strong>de</strong>ssen Auffassung sich das in<br />

Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV ve<strong>ra</strong>nkerte Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht nur bedingt auf die<br />

Verhältnisse an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Staaten übert<strong>ra</strong>gen lasse.<br />

851<br />

Blum, Fn. 814, S. 177; Robbers, Fn. 442, S. 185; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 341, S. 317, 320; Hollerbach,<br />

Fn. 17, S. 259, bemängeln, daß die Kommission nicht dazu Stellung genommen hat, ob und<br />

in welchem Umfang Art. 9 EMRK ein Selbstverwaltungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und kirchlichen<br />

Organisationen enthält und <strong>de</strong>n individuellen Rechten <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Mitarbeiter<br />

entgegengehalten wer<strong>de</strong>n kann.<br />

852<br />

EuGH, Rs. 300/84, vgl. hierzu die Ausführungen oben C.II.3.<br />

853<br />

EuGH, Rs. 196/87, vgl. hierzu die Ausführungen oben C.II.4.<br />

854<br />

Vgl. auch Schinkele, <strong>Das</strong> Arbeitsrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche – Der verfassungsrechtliche und<br />

staatskirchenrechtliche Rahmen unter beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen<br />

Kirche, in: Runggaldier/Schinkele (Hrsg.), Arbeitsrecht und Kirche – Zur arbeitsrechtlichen<br />

und sozialrechtlichen Stellung von Klerikern, Or<strong>de</strong>nsangehörigen und kirchlichen<br />

Mitarbeitern in Österreich, Wien – New York 1995, S. 3 ff., 22 f.<br />

855<br />

So auch Blum, Fn. 814, S. 108; Frowein, Fn. 819, S. 12; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 819, S. 55;<br />

Peukert/Frowein, Fn. 679, Art. 9, Rdnr. 23.<br />

856<br />

Ebenso Blum, Fn. 814, S. 108.<br />

857<br />

Beispiele aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung bei Peukert/Frowein, Fn. 679, Art. 9, Rdnr. 24; vgl.<br />

ausführlich zum Sch<strong>ra</strong>nkenbereich <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK: Conring, Fn. 25, S. 364 ff.


216<br />

aa) Gesetzliche Grundlage<br />

Die Gewährleistungen <strong>de</strong>s Art. 9 Abs.1 EMRK können nach Art. 9 Abs. 2 EMRK nur über<br />

ein Gesetz eingeschränkt wer<strong>de</strong>n (prescribed by law; prévue par la loi). Dabei soll kein<br />

Gesetz <strong>im</strong> formellen Sinne erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sein; allerdings wer<strong>de</strong>n Verwaltungsvorschriften o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

-richtlinien vom EGMR nicht als ausreichend angesehen. 858<br />

bb) Zulässige Eingriffszwecke<br />

Art. 9 Abs. 2 EMRK stellt keinen Gene<strong>ra</strong>lvorbehalt dar. Einschränkungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />

dürfen vielmehr nur aus <strong>de</strong>n enume<strong>ra</strong>tiv aufgezählten Zwecken erfolgen. 859<br />

(1) Öffentliche Sicherheit und Ordnung<br />

Dieser Vorbehalt dient <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufrechterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsordnung. Der Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

„öffentlichen Sicherheit“ ist dabei i.S.d. äußeren und inneren Frie<strong>de</strong>nswahrung, <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> „öffentlichen Ordnung“ i.S.d. Funktionsfähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Rechtsordnung zu<br />

verstehen. 860<br />

Daher sind z.B. auch Bauvorhaben religiöser Gemeinschaften an die Normen eines<br />

861<br />

Bebauungsplans gebun<strong>de</strong>n.<br />

Zur Aufrechterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ordnung <strong>im</strong> Gefängnis soll es nach Ansicht <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR z.B.<br />

notwendig sein, einem konvertierten Buddhisten <strong>de</strong>n Wuchs eines Kinnbartes und <strong>de</strong>n Besitz<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gebetskette verbieten zu können, selbst wenn bei<strong>de</strong>s nach <strong>de</strong>ssen Religion vorgeschrieben<br />

ist. 862<br />

(2) Gesundheit und Mo<strong>ra</strong>l<br />

Angesichts <strong>de</strong>s Wortlauts <strong>de</strong>s Art. 9 Abs. 2 EMRK 863<br />

han<strong>de</strong>lt es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheit nicht<br />

um die individuelle, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ebenfalls um die öffentliche Gesundheit. Aus diesem Grund darf<br />

858<br />

EGMR, Série A 1983, Nr. 61 (Silver u.a.), E. v. 25.3.1993, S. 33, Rz. 86 = EuGRZ 1984,<br />

S. 147 ff., 150; Blum, Fn. 814, S. 113.<br />

859<br />

So auch Blum, Fn. 814, S. 114 m.w.N.<br />

860<br />

Blum, Fn. 814, S. 114.<br />

861<br />

EKMR, BNr. 20490/92 (International Society for Krishna Consciousness Ltd. u.a./<br />

Vereinigtes Königreich), E. v. 8.3.1994, DR 76, S. 90 ff.<br />

862<br />

EKMR, BNr. 1753/63 (X/Austria), E. v. 15.2.1965, Annuaire 8 (1965), S. 174 ff., 184.<br />

863<br />

Vgl. die f<strong>ra</strong>nz. Fassung: „<strong>de</strong>s mesures nécessaires [...] à la protection <strong>de</strong> [...] la santé ou <strong>de</strong><br />

la mo<strong>ra</strong>le publiques.“


217<br />

zwar die eigene Gesundheit aus religiösen Grün<strong>de</strong>n auf’s Spiel gesetzt wer<strong>de</strong>n; 864 die<br />

Gesundheit an<strong><strong>de</strong>r</strong>er ist in<strong>de</strong>s nicht aufgrund religiöser Motive disponibel. Angehörige<br />

best<strong>im</strong>mter Religionsgemeinschaften dürfen aus diesem Grun<strong>de</strong> bei ihren Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n die<br />

Einwilligung zu medizinisch erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichen Eingriffen, z.B. Blutt<strong>ra</strong>nsfusionen, nicht<br />

verweigern. 865<br />

(3) Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte und Freiheiten an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />

Dieser Vorbehalt wird selbst i.R.d. <strong>de</strong>s sch<strong>ra</strong>nkenlos formulierten Art. 4 GG als „<strong>im</strong>manente<br />

Sch<strong>ra</strong>nke“ anerkannt. 866 So wur<strong>de</strong> beispielsweise die Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kfz-Haftpflichtversicherung<br />

in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte an<strong><strong>de</strong>r</strong>er gerechtfertigt. 867<br />

Da mit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Haftpflichtversicherung Ansprüche potentiell geschädigter Dritter abgesichert wer<strong>de</strong>n, ist<br />

eine Berufung auf eine religiöse Überzeugung, die es verbietet, jegliche Versicherung<br />

abzuschließen, nicht möglich.<br />

Im folgen<strong>de</strong>n soll auf spezielle Bereiche <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte an<strong><strong>de</strong>r</strong>er eingegangen wer<strong>de</strong>n:<br />

(i) Religionsfreiheit einzelner gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft<br />

Von <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR wur<strong>de</strong> anerkannt, daß eine Kirche gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit ihrer<br />

eigenen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in ihrem Recht auf Religionsausübung geschützt ist. Geistliche üben ihre<br />

individuelle Religionsfreiheit in <strong>de</strong>m Augenblick aus, in <strong>de</strong>m sie ihre Zugehörigkeit zum<br />

Klerus festmachen. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit muß von einer Unterordnung <strong>de</strong>s einzelnen unter das –<br />

eine Einheitlichkeit in Lehrf<strong>ra</strong>gen durchsetzen<strong>de</strong> – Kirchenrecht ausgegangen wer<strong>de</strong>n. 868<br />

Dogmatisch kann dies über einen Grundrechtsverzicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Geistlichkeit mit <strong>de</strong>m Eintritt in<br />

<strong>de</strong>n kirchlichen Dienst begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. 869<br />

864 Ebenso Peter Fischer/Köck, Fn. 84, S. 187. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s noch EKMR, BNr. 7992/77,<br />

E. v. 12.7.1978, DR 14, S. 234 f., die eine Helmpflicht für Religionsangehörige <strong><strong>de</strong>r</strong> Sikhs –<br />

diese sind aus religiösen Grün<strong>de</strong>n verpflichtet, einen Turban zu t<strong>ra</strong>gen – als zulässige<br />

Sch<strong>ra</strong>nke <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit ansah, vgl. zur Problematik Blum, Fn. 814, S. 117.<br />

Inzwischen wur<strong>de</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong> britischen Gesetzgebung die Helmpflicht für Sikhs aufgehoben.<br />

865 Vgl. hierzu Peter Fischer/Köck, Fn. 84, S. 187 f.<br />

866 Vgl. BVerfGE 28, S. 243 ff., 261.<br />

867 EKMR, BNr. 2988/66, (X/Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>), E. v. 31.3.1967, Annuaire 10 (1967), S. 472 ff.,<br />

476.<br />

868 EKMR, BNr. 10901/84 (Prüssner/Deutschland), E. v. 8.5.1985, EuGRZ 1986, S. 648 ff.,<br />

649 = NJW 1987, S. 1131; EKMR, BNr. 11045/84 (Knudsen/Norwegen), DR 42, S. 247 ff.;<br />

vgl. Frowein/Peukert, Fn. 679, Art. 9, Rdnr. 9.<br />

869 Vgl. hierzu Blum, Fn. 814, S. 133 ff.; Kruttschnitt, Fn. 316, S. 165.


218<br />

Soweit es sich hingegen um nichtklerikale Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen han<strong>de</strong>lt,<br />

fällt die Argumentation mit einem Grundrechtsverzicht ungleich schwerer. Allenfalls greifen<br />

hier – wie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Rommelfanger – Ten<strong>de</strong>nzschutzerwägungen über Art. 10 EMRK, wobei<br />

i.R.d. öffentlichen Diskussion keine unverhältnismäßigen Loyalitätsanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>artige Arbeitnehmer gestellt wer<strong>de</strong>n dürfen. 870<br />

(ii) Religionsfreiheit einzelner gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

Gegenüber Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Religionsgemeinschaften kann ein Grundrechtsverzicht nicht<br />

eingreifen, weil es insoweit an <strong><strong>de</strong>r</strong> freiwilligen Unterordnung eines einzelnen unter ein<br />

kirchenrechtliches Lehrgebäu<strong>de</strong> fehlt. Aus diesem Grun<strong>de</strong> können sich Dritte nach wie vor<br />

gegenüber <strong>de</strong>n Kirchen und Religionsgemeinschaften auf ihre Religionsfreiheit berufen. Diese<br />

Problematik wird beispielsweise <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Kirchensteuereinzug i.R.d.<br />

Lohnabzugsverfahrens relevant, weil hier <strong>im</strong> Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuer erheben<strong>de</strong>n Kirchen<br />

in Rechtspositionen Dritter eingegriffen wird. 871<br />

d) Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken<br />

Die eben erwähnten Sch<strong>ra</strong>nken müssen sich ihrerseits am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz<br />

messen lassen (mesures nécessaires). Ob eine staatliche Maßnahme notwendig ist, ist für die<br />

St<strong>ra</strong>ßburger Instanzen trotz <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n nationalen Beurteilungsspiel<strong>ra</strong>ums grds.<br />

nachprüfbar. Ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch die F<strong>ra</strong>ge mil<strong><strong>de</strong>r</strong>er Alternativlösungen wird hier zu diskutieren<br />

sein. 872<br />

e) Zusammenfassung<br />

Dem Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK zufolge wer<strong>de</strong>n lediglich verschie<strong>de</strong>ne Arten <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen<br />

Religionsfreiheit geschützt. Die Rechtsprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR anerkennt jedoch auch<br />

eine Aktivlegit<strong>im</strong>ation von Kirchen und Religionsgemeinschaften, soweit diese als Repräsentanten<br />

ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> auftreten und die Verletzung von Rechten ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> geltend<br />

machen. Aus diesem Grun<strong>de</strong> ist die kollektive Religionsfreiheit auf <strong>de</strong>n innerkirchlichen<br />

Bereich beschränkt. Kirchliche Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> können sich nicht auf einen erweiterten<br />

Ten<strong>de</strong>nzschutz aus Art. 9 EMRK stützen.<br />

870 Vgl. nur Frowein, Fn. 819, S. 15.<br />

871 Vgl. hierzu die Ausführungen unten K.III.5.c).<br />

872 Vgl. hierzu Blum, Fn. 814, S. 119 ff., 121, 127.


1. Schutzbereich<br />

IV. Reichweite <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />

a) Persönlicher Schutzbereich (Grundrechtsträgerschaft und Grundrechtsadressaten)<br />

aa) Grundrechtsträgerschaft ausländischer Religionsgemeinschaften<br />

219<br />

(1) Religionsgemeinschaften aus einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaat<br />

Wenn sich eine Religionsgemeinschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat in einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Mitgliedstaat entfalten will und sie hierbei gemeinschaftsrechtlich relevante Ziele verfolgt, ist<br />

unbestritten, daß ihr die gleichen körperschaftlichen Rechte wie einer inländischen<br />

Religionsgemeinschaft gewährt wer<strong>de</strong>n müssen, vo<strong>ra</strong>usgesetzt, sie erfüllt die Bedingungen,<br />

die innerstaatlich an die Erteilung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus gestellt wer<strong>de</strong>n; ansonsten läge ein<br />

offensichtlicher Verstoß gegen <strong>de</strong>n Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>gleichbehandlung vor. 873<br />

(2) Religionsgemeinschaften aus Nicht-EU-Staaten<br />

Bisher hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH nicht entschie<strong>de</strong>n, ob sich natürliche o<strong><strong>de</strong>r</strong> juristische Personen aus<br />

Drittstaaten, die sich <strong>im</strong> Hoheitsgebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> EU aufhalten, auf Gemeinschaftsgrundrechte,<br />

insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auf die gemeinschaftsrechtliche Religionsfreiheit, berufen können. Betrifft eine<br />

gemeinschaftliche Maßnahme Staatsangehörige o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften aus Nicht-EU-<br />

Staaten in gleicher Weise wie <strong>Union</strong>sbürger, so müssen sich diese m.E. ebenfalls auf die<br />

individuelle und kollektive Religionsfreiheit berufen können, soweit sie in gleicher Weise wie<br />

<strong>Union</strong>sbürger durch das Gemeinschaftsrecht betroffen wer<strong>de</strong>n, da es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />

um ein elementares Grundrecht han<strong>de</strong>lt. 874 Allerdings kann die prinzipielle Gleichstellung<br />

durch Aufenthalts- bzw. Asylrechtsvorschriften, wie z.B. durch eine gemeinsame<br />

Maßnahme i.S.d. Art. 31 (ex-Art. K.3) Abs. 2 lit. b EUV, 875<br />

eingeschränkt wer<strong>de</strong>n.<br />

bb) Grundrechtsträgerschaft von Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status<br />

873 Ebenso: Robbers, Fn. 181, S. 97<br />

874 So auch Obwexer, Fn. 554, S. 65; Rengeling, Fn. 702, S. 202 m.w.N., dort Fn. 26; Wetter,<br />

Fn. 630, S. 80 f. Im <strong>de</strong>utschen Recht ergibt sich dies aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterscheidung zwischen <strong>de</strong>n<br />

elementaren Menschenrechten, auf die sich je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann berufen kann, und <strong>de</strong>n spezielleren<br />

Deutschenrechten.<br />

875 Vgl. z.B. Fn. 644; Wetter, Fn. 630, S. 81.


220<br />

Während augenfällig ist, daß juristische Personen <strong>de</strong>s Privatrechts in <strong>de</strong>n Schutzbereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

ursprünglich für natürliche Personen konzipierten Religionsfreiheit einbezogen wer<strong>de</strong>n, kann<br />

dies für Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Körperschaftsstatus nicht<br />

pauschal beantwortet wer<strong>de</strong>n.<br />

(1) Im <strong>de</strong>utschen Recht<br />

Art. 19 Abs. 3 GG <strong>de</strong>hnt die wesensmäßige Anwendbarkeit von Grundrechten mit guten<br />

Grün<strong>de</strong>n auch auf öffentlich-rechtliche Institutionen aus, sofern sich diese gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Staat trotz ihrer öffentlich-rechtlichen Rechtsstellung in einer „grundrechtstypischen<br />

Gefährdungslage“ befin<strong>de</strong>n, d.h. wenn die Lage <strong><strong>de</strong>r</strong> juristischen Person mit <strong><strong>de</strong>r</strong> einer<br />

natürlichen Person vergleichbar ist 876 bzw. wenn sie ein „personales Subst<strong>ra</strong>t“ erkennen<br />

lassen, wovon auszugehen ist, wenn die Bildung und Betätigung <strong><strong>de</strong>r</strong> juristischen Person<br />

Ausdruck <strong><strong>de</strong>r</strong> freien Entfaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> – hinter <strong><strong>de</strong>r</strong> juristischen Person stehen<strong>de</strong>n – natürlichen<br />

Personen ist. 877<br />

Zwar gelten Grundrechte grds. nicht für juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts, da hinter<br />

ihnen nicht natürliche Personen stehen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat. 878 Der Staat – hierzu zählt auch die<br />

mittelbare Staatsverwaltung – bedarf aber „keines Schutzes vor sich selber“; er kann „nicht<br />

gleichzeitig Verpflichteter und Berechtigter <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte“ sein (sog.<br />

Konfusionsargument). 879<br />

Ausnahmsweise allerdings hält das BVerfG das personale Subst<strong>ra</strong>t auch bei juristischen<br />

Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts gegeben; und zwar dann, wenn sie „Grundrechte in einem<br />

Bereich verteidigen, in <strong>de</strong>m sie vom Staat unabhängig sind.“ 880<br />

Als Ausnahmetrias können sich nach st. Rspr. <strong>de</strong>s BVerfG neben Universitäten, die sich auf<br />

Art. 5 Abs. 3 GG stützen können, 881 und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, für die<br />

Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zur Anwendung gelangt, 882 Kirchen und Religionsgemeinschaften trotz<br />

ihres öffentlich-rechtlichen Status insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auf Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG berufen 883<br />

und<br />

876<br />

Vgl. Bethge, Fn. 444, S. 66; Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 167.<br />

877<br />

BVerfGE 21, S. 362 ff., 369; 45, S. 63 ff., 79; Pieroth/Schlink, Fn. 876, Rdnr. 167.<br />

878<br />

BVerfGE 21, S. 362 ff., 369; 68, S. 193 ff., 205.<br />

879<br />

Vgl. Bethge, Fn. 444, S. 70; Pieroth/Schlink, Fn. 876, Rdnr. 169.<br />

880<br />

BVerfGE 31, S. 314 ff., 322; 39, S. 302 ff., 314; Bethge, Fn. 444, S. 77; Pieroth/Schlink,<br />

Fn. 876, Rdnr. 173.<br />

881<br />

BVerfGE 15, S. 256 ff., 262.<br />

882<br />

BVerfGE 12, S. 205 ff.; 59, S. 231 ff., 255; 78, S. 101 ff., 102 f.<br />

883<br />

BVerfGE 18, S. 385 ff., 387; 19, S. 129 ff., 132; 83, S. 341 ff., 355.


221<br />

Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> erheben 884<br />

, da es sich hierbei um vom Staat unabhängige, sich selbst<br />

verwalten<strong>de</strong> Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts han<strong>de</strong>lt, die ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> das Grundrecht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsfreiheit realisieren sollen.<br />

(2) Im Gemeinschaftsrecht<br />

Mangels eines eigenen Grundrechtskatalogs kennt das Gemeinschaftsrecht we<strong><strong>de</strong>r</strong> durch<br />

ausdrückliche Normierung noch über die He<strong>ra</strong>nziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK eine <strong>de</strong>m Art. 19 Abs. 3 GG vergleichbare Regelung. 885<br />

Bisher mußte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH zur Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts ebenfalls noch nicht ausdrücklich Stellung beziehen. 886 Allerdings läßt sich aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gleichstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaften gemäß Art. 48 (ex-Art. 58) S. 1 EGV mit natürlichen<br />

Personen <strong><strong>de</strong>r</strong> Schluß ziehen, daß eine Aus<strong>de</strong>hnung individueller Rechtspositionen grds. auch<br />

auf juristische Personen zulässig ist. 887<br />

Entsprechen<strong>de</strong>s läßt sich aus Art. 183 (ex-Art. 132)<br />

Nr. 4 EGV ableiten.<br />

Wenn sich sogar Mitgliedstaaten in einem Über- und Unterordnungsverhältnis zur Gemeinschaft<br />

befin<strong>de</strong>n können, so daß ihnen insoweit Grundrechte zustehen müssen, 888 müssen sich<br />

erst recht Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status auf<br />

Gemeinschaftsgrundrechte berufen können, da sie diese in einem vom Mitgliedstaat<br />

unabhängigen Bereich verteidigen. Im übrigen ist <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlich-rechtliche Cha<strong>ra</strong>kter von<br />

Religionsgemeinschaften ohnehin beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Art und darf nicht über die weitgehen<strong>de</strong><br />

Unabhängigkeit von Staat und Kirche hinwegtäuschen. Insofern müssen die oben dargestellten<br />

Grundsätze <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Rechts je<strong>de</strong>nfalls entsprechend angewandt wer<strong>de</strong>n. Da außer<strong>de</strong>m<br />

Art. 9 EMRK juristische Personen in seinen Schutzbereich einbezieht, muß dieser Schutz<br />

gleichsam gemeinschaftsrechtlich über Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV gewährt wer<strong>de</strong>n. 889<br />

884<br />

BVerfGE 19, S. 5 ff.; 53, S. 386 f.<br />

885<br />

So auch Bethge, Fn. 444, S. 58 f.<br />

886<br />

Zu diesem Schluß gelangen auch Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 81; Conring, Fn. 25,<br />

S. 384; Obwexer, Fn. 554, S. 65; Rengeling, Fn. 702, S. 201; Wetter, Fn. 630, S. 80. EuGH,<br />

verb. Rs. 46/87 u. 227/88 (Hoechst AG/Kommission), Slg. 1989, S. 2859 ff., 2924,<br />

Rz. 17 f.; Rs. 136/79 (National Panasonic/ Kommission), Slg. 1980, S. 2033 ff., 2057,<br />

Rz. 19, scheinen aber für eine generelle Anwendbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte auf juristische<br />

Personen zu sprechen.<br />

887<br />

Bethge, Fn. 444, S. 59.<br />

888<br />

Vgl. die Ausführungen oben Fn. 620; Wetter, Fn. 630, S. 81 f.<br />

889<br />

So schon Bethge, Fn. 444, S. 59 m.w.N., dort Fn. 270, vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung <strong>de</strong>s Art. 6<br />

(ex-Art. F) Abs. 2 EUV.


222<br />

cc) Grundrechtsverpflichtete <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />

Die gemeinschaftsrechtliche Religionsfreiheit ist – wie dies für Gemeinschaftsgrundrechte<br />

ganz allgemein gilt – für die o.g. Grundrechtsträger pr<strong>im</strong>är in zwei Bereichen von Be<strong>de</strong>utung.<br />

Zum einen dort, wo natürliche o<strong><strong>de</strong>r</strong> juristische Personen <strong>de</strong>s Privat- o<strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Rechts<br />

als Berechtigte <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit gegenüber Handlungen von<br />

Gemeinschaftsorganen schutzbedürftig sind. Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en kommt ihr bei Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten 890 Be<strong>de</strong>utung zu, durch welche diese Gemeinschaftsrecht umsetzen bzw. <strong>im</strong><br />

Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts tätig wer<strong>de</strong>n. 891<br />

(1) Gemeinschaftsorgane als pr<strong>im</strong>ärer Adressat <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />

Rechtshandlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane selbst, wie z.B. die Rechtsetzung durch <strong>de</strong>n Rat<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> die gemeinschaftsunmittelbare Vollziehung <strong>im</strong> Wettbewerbsrecht, müssen sich<br />

ausschließlich an <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit messen lassen. 892 Die<br />

Religionsfreiheit, wie sie beispielsweise <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG bzw.<br />

Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 – 139 und 141 WRV gewährt wird, ist hier nicht relevant, da die<br />

Gemeinschaftsorgane nicht an nationale Verfassungsprinzipien o<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte gebun<strong>de</strong>n<br />

sind und <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Einhaltung dieser Vorschriften somit nicht überprüft. 893<br />

(2) Mitgliedstaaten als Adressaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />

(i) Rein nationales Tätigwer<strong>de</strong>n ohne gemeinschaftsrechtlichen Bezug<br />

Der EuGH hat in ständiger Rechtsprechung 894<br />

festgestellt, daß sich eine gemeinschaftsrechtliche<br />

Grundrechtskontrolle nicht auf Sachverhalte erstreckt, für die das innerstaatliche Recht<br />

gilt. Soweit also eine <strong><strong>de</strong>r</strong> drei Staatsgewalten <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten in einem Bereich tätig wird,<br />

890<br />

Der Begriff <strong>de</strong>s „Mitgliedstaats“ ist jedoch gemeinschaftsrechtlich weit auszulegen. So<br />

müssen sich auch öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaften als Teil <strong>de</strong>s Mitgliedstaats<br />

behan<strong>de</strong>ln lassen, vgl. hierzu die Ausführungen unten J.V.<br />

891<br />

So schon Pescatore, Fn. 630, S. 65 ff.<br />

892<br />

So i.R.d. allgemeinen Grundrechtsdogmatik Rengeling, Fn. 702, S. 199.<br />

893<br />

EuGH, verb. Rs. 97 – 99/87 (Dow Chemical Ibérica SA u.a./Kommission), Slg. 1989,<br />

S. 3165 ff., 3191, Rz. 38; Wetter, Fn. 630, S. 83 f.<br />

894<br />

EuGH, Rs. 149/77 (Defrenne/Sabena), Slg. 1978, S. 1365 ff.; ebenso EuGH, verb. Rs. 60 u.<br />

61/84 (Cinéthèque SA/Fédé<strong>ra</strong>tion nationale <strong>de</strong>s cinémas f<strong>ra</strong>nçais), Slg. 1985, S. 2605 ff.,<br />

Rz. 26; Rs. C-299/95 (Friedrich Kremzow/Republik Österreich), Slg. 1997, S. I-2629 ff.,<br />

2645, Rz. 15 f. = EuGRZ 1997, S. 247 ff.; Rs. C-309/96 (Daniele Annibaldi/Sindaco <strong>de</strong>l<br />

Commune di Guidonia u.a.), Slg. 1997, S. I-7493 ff., 7512, Rz. 24 = EuR 1998, S. 195 ff.


223<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> „mit keinem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist“ 895 , so ist nicht<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr <strong><strong>de</strong>r</strong> Rahmen<br />

maßgeblich, <strong><strong>de</strong>r</strong> durch die verschie<strong>de</strong>nen mitgliedstaatlichen Verfassungen, z.B. Art. 4 Abs. 1,<br />

Abs. 2 GG und durch völkerrechtliche Verpflichtungen, z.B. Art. 9 EMRK, Art. 18 IPbpR<br />

abgesteckt ist, wobei diese Beurteilung <strong>de</strong>n nationalen Gerichten obliegt. 896<br />

Dieser Bereich<br />

n<strong>im</strong>mt jedoch in umgekehrt proportionalem Maße ab, in <strong>de</strong>m die gemeinschaftsrechtlichen<br />

Kompetenzen ausgeweitet wer<strong>de</strong>n. Für weite Bereiche <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s, <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten<br />

Steuern, <strong>de</strong>s Kultursektors o<strong><strong>de</strong>r</strong> das gesamte Staatsangehörigkeitsrecht beispielsweise muß bei<br />

gegenwärtigem Integ<strong>ra</strong>tionsstand ein gemeinschaftsrechtlicher Bezug noch verneint wer<strong>de</strong>n.<br />

(ii) Vollzug von Gemeinschaftsrecht durch die Mitgliedstaaten<br />

Im Regelfall wird Gemeinschaftsrecht nicht von <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen selbst, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

durch die drei Staatsgewalten <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten vollzogen. So wer<strong>de</strong>n EG-Richtlinien durch<br />

mitgliedstaatliche Parlamente in nationale Gesetze umgesetzt, gemeinschaftsrechtliche<br />

Verordnungen und (umgesetzte) Richtlinien durch mitgliedstaatliche Behör<strong>de</strong>n und Gerichte<br />

angewandt. Hierbei unterschei<strong>de</strong>t man zwischen <strong>de</strong>m sog. unmittelbaren Vollzug <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />

durch Verordnungen und <strong>de</strong>m sog. mittelbaren Vollzug durch<br />

Richtlinienumsetzung.<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Wachauf 897 stellte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Vollzug einer<br />

landwirtschaftlichen Marktordnung, die <strong>im</strong> Verordnungswege erging, klar, daß die<br />

Mitgliedstaaten bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchführung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen<br />

Grundrechtsschutz beachten müssen. Diese Rechtsprechung wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. G<strong>ra</strong>ff 898<br />

bestätigt. Auch wenn es zunächst f<strong>ra</strong>glich erscheinen mag, ob sich diese Rechtsprechung auf<br />

<strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen Vollzug gemeinschaftlichen Sekundärrechts <strong>im</strong> allgemeinen bezieht<br />

und damit auch <strong>de</strong>n wichtigen Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinienumsetzung erfaßt, zumal es <strong>im</strong> letzteren<br />

895<br />

Vgl. EuGH, verb. Rs. C-225/95 bis 227/95 (Anestis Kapasakalis u.a./Griechischer Staat),<br />

Slg. 1998, S. I-4239 ff., 4250, Rz. 24.<br />

896<br />

Allgemein: Rodríguez Iglesias, Fn. 654, S. 143; Wetter, Fn. 630, S. 84 m.w.N.<br />

897<br />

EuGH, Rs. 5/88 (Hubert Wachauf/Bun<strong>de</strong>samt für Ernährung und Forstwirtschaft),<br />

Slg. 1989, S. 2609 ff., 2639 f., Rz. 19: „Da auch die Mitgliedstaaten diese Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse<br />

[<strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsrechtsordnung] bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchführung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

gemeinschaftlichen Regelungen zu beachten haben, müssen sie diese, soweit irgend<br />

möglich, in Übereinst<strong>im</strong>mung mit diesen Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen anwen<strong>de</strong>n.“<br />

898<br />

EuGH, Rs. C-351/92 (Manfred G<strong>ra</strong>ff/Hauptzollamt Köln-Rheinau), Slg. 1994, S. I-3361 ff.,<br />

3379, Rz. 17.


224<br />

Bereich bisher an ein<strong>de</strong>utigen Stellungnahmen <strong>de</strong>s EuGH mangelt, 899 muß <strong>de</strong>nnoch von einer<br />

grundsätzlichen Geltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte auch i.R.d. Richtlinienumsetzung<br />

durch die Mitgliedstaaten ausgegangen wer<strong>de</strong>n, da <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH sogar bei mitgliedstaatlichen<br />

Rechtshandlungen mit geringerem Gemeinschaftsbezug die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaftsgrundrechte bejaht und die Richtlinienumsetzung <strong>de</strong>n Hauptanwendungsfall<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Durchführung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts darstellt. 900 Für das <strong>Religionsrecht</strong> relevante<br />

Richtlinien sind z.B. die Fernsehrichtlinie 901 , die Arbeitszeitrichtlinie 902 und die<br />

Datenschutzrichtlinie 903<br />

.<br />

Soweit diese Richtlinien von Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten durch nationale Gesetze umgesetzt<br />

und angewandt wer<strong>de</strong>n, muß bei Konflikten mit religionsrechtlichen Belangen grundsätzlich<br />

nicht die durch nationales Verfassungsrecht gewährleistete Religionsfreiheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die<br />

gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Religionsfreiheit als Prüfungsmaßstab he<strong>ra</strong>ngezogen<br />

wer<strong>de</strong>n. 904<br />

Vor allem <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Vollzugs von Gemeinschaftsrecht durch die Mitgliedstaaten tritt das<br />

Spannungsfeld zwischen nationaler und gemeinschaftsrechtlicher Rechtsprechungskompetenz<br />

<strong>de</strong>utlich zutage. F<strong>ra</strong>glich ist, ob nationale Verfassungsgerichte noch befugt sind, eine<br />

Verletzung nationaler Grundrechte durch eine gemeinschaftsrechtliche Verordnung o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Richtlinie festzustellen o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob diese F<strong>ra</strong>ge allein vom EuGH anhand <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />

beantwortet wer<strong>de</strong>n darf. Soweit die Richtlinie <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten einen eigenen<br />

Gestaltungsspiel<strong>ra</strong>um beläßt, können nationale Verfassungsgerichte Grundrechtsverletzungen<br />

m.E. nach wie vor aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Grundrechte beurteilen. 905<br />

899<br />

Vgl. hierzu Wetter, Fn. 630, S. 93. So hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH auch <strong>im</strong> Gutachten 2/94 (EMRK), Slg.<br />

1996, S. I-1759 ff., 1789, Rz. 34, nur ausgeführt, daß die „Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte<br />

eine Vo<strong>ra</strong>ussetzung für die Rechtmäßigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft“ sei. Auch<br />

die vielen Urteile i.R.d. Bananenmarktordnung bet<strong>ra</strong>fen wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um nur Verordnungen.<br />

900<br />

So <strong>im</strong> Ergebnis auch Ruffert, Fn. 691, S. 527 f.; Obwexer, Fn. 554, S. 72 f.; Rengeling,<br />

Fn. 702, S. 190, m.w.N., dort Fn. 17.<br />

901<br />

Einzelheiten hierzu unten K.VI.2.<br />

902<br />

Einzelheiten hierzu unten K.V.2.a).<br />

903<br />

Einzelheiten hierzu unten K.III.5.c).<br />

904<br />

Allgemein: Obwexer, Fn. 554, S. 70.<br />

905<br />

So auch Arndt, Europarecht, 3. Aufl. 1998, S. 74; Nicolaysen, Fn. 543, S. 220 f.; Rengeling,<br />

Fn. 702, S. 190; a.A. Ruffert, Fn. 691, S. 528, unter Hinweis auf das St<strong>im</strong>mverhalten <strong>de</strong>s<br />

Vertreters <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaats <strong>im</strong> Rat hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>bschiedung <strong>de</strong>s<br />

Rechtsaktes. Eine <strong><strong>de</strong>r</strong>art weitgehen<strong>de</strong> Selbstbindung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Rat vereinigten Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten ist jedoch abzulehnen, s.o. D.IV.5.


225<br />

Für <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Vollzug von Richtlinien und Verordnungen<br />

gelangen die Gemeinschaftsgrundrechte zur Anwendung. Die Rechtsprechungskompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

nationalen Verfassungsgerichte beschränkt sich aufgrund <strong>de</strong>s Anwendungsvor<strong>ra</strong>ngs <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts auf ult<strong>ra</strong> vires-Akte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft sowie wesentliche Unterschreitungen<br />

<strong>de</strong>s nationalen Grundrechtsstandards i.S.d. Solange-Rechtsprechung. 906<br />

(iii) Sonstige mitgliedstaatliche Rechtshandlungen mit Gemeinschaftsbezug, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

Ausnahmeregelungen zu <strong>de</strong>n Grundfreiheiten<br />

Diese Fallgruppe beschäftigt sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong> Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten an<br />

Gemeinschaftsgrundrechte, soweit diese <strong>im</strong> nationalen Bereich tätig wer<strong>de</strong>n, ohne dabei<br />

Gemeinschaftsrecht zu vollziehen, trotz<strong>de</strong>m aber ein gewisser Bezug zu gemeinschaftsrechtlichen<br />

Regelungsmaterien, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e zu <strong>de</strong>n Grundfreiheiten, vorhan<strong>de</strong>n ist.<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Rutili 907 belegten f<strong>ra</strong>nzösische Behör<strong>de</strong>n einen italienischen Staatsangehörigen mit<br />

einem Aufenthaltsverbot, wobei diese unbestreitbar kein Gemeinschaftsrecht ausführten,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auf eine Ausnahmebest<strong>im</strong>mung aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung,<br />

Sicherheit o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheit i.S.d. Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 3 EGV beriefen. Der EuGH führte<br />

in <strong>de</strong>m Urteil aus, daß die Mitgliedstaaten nur solche Beschränkungen auferlegen dürften, die<br />

<strong>de</strong>n Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen <strong>de</strong>s nationalen wie auch <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts – und damit auch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaftsgrundrechte – entsprächen und verwies in diesem Zusammenhang auf die in<br />

<strong>de</strong>n Absätzen 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 8 – 11 EMRK enthaltenen Grundrechtssch<strong>ra</strong>nken. 908 Allerdings wird<br />

in <strong>de</strong>m Urteil die Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten zur Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />

nicht explizit angesprochen. 909<br />

<strong>Das</strong> Urteil in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Cinéthèque 910<br />

hat Kritik hervorgerufen, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine nationale<br />

Rechtsvorschrift, durch welche <strong><strong>de</strong>r</strong> innergemeinschaftliche Han<strong>de</strong>l mit Vi<strong>de</strong>okassetten<br />

906<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen oben C.IV.2.d).<br />

907<br />

EuGH, Rs. 36/75 (Rutili/Kommission), Slg. 1975, S. 1219 ff., 1231 f.<br />

908<br />

EuGH, Rs. 36/75, Fn. 907, S. 1232; Wetter, Fn. 630, S. 86 f.<br />

909<br />

Die Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Rutili, ve<strong>ra</strong>nlaßte GA T<strong>ra</strong>bucchi in seinen<br />

Schlußanträgen zur Rs 118/75 (Lynne Watson und Alessandro Belmann), Slg. 1976,<br />

S. 1185 ff., 1207, Ziff. 5, zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Aussage: „Der Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte ist also<br />

gemeinschaftsrechtlich auch <strong>im</strong> Verhältnis zu <strong>de</strong>n Staaten von Be<strong>de</strong>utung, soweit das<br />

geltend gemachte Grundrecht mit einem Rechtsverhältnis o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer Rechtslage verknüpft<br />

ist, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Regelung <strong>de</strong>n spezifischen Gegenstand <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs ausmacht.“; vgl. hierzu<br />

Ruffert, Fn. 691, S. 521.<br />

910<br />

EuGH, verb. Rs. 60 u. 61/84 (Cinéthèque SA/Fédé<strong>ra</strong>tion nationale <strong>de</strong>s cinémas f<strong>ra</strong>nçais),<br />

Slg. 1985, S. 2605 ff.


226<br />

behin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong>, vom Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Art. 28 (ex-Art. 30) EGV ausschloß. 911<br />

Ungeachtet <strong>de</strong>ssen ist je<strong>de</strong>nfalls die auf dieser Prämisse aufbauen<strong>de</strong> weitere Aussage <strong>de</strong>s<br />

EuGH konsequent:<br />

„Der Gerichtshof hat zwar für die Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />

zu sorgen; er kann jedoch nicht prüfen, ob ein nationales Gesetz, das wie <strong>im</strong><br />

vorliegen<strong>de</strong>n Fall zu einem Bereich gehört, <strong><strong>de</strong>r</strong> in das Ermessen <strong>de</strong>s nationalen Gesetzgebers<br />

fällt, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Menschenrechtskonvention vereinbar ist.“ 912<br />

Dieses Urteil muß restriktiv dahingehend verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß nur dort, wo ein Bezug zum<br />

Gemeinschaftsrecht <strong>de</strong>finitiv ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n kann, Gemeinschaftsgrundrechte – wie<br />

sonstiges Gemeinschaftsrecht auch – nicht zur Anwendung gelangen. In diesem Fall gelten<br />

jedoch nationale Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen sowie die sich für die Mitgliedstaaten aufgrund<br />

ihrer Stellung als Vert<strong>ra</strong>gsstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK ergeben<strong>de</strong>n Verpflichtungen fort.<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Demirel griff <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Formel aus <strong>de</strong>m Urteil Cinéthèque wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf 913 und<br />

stellte zusätzlich klar, daß keine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift existiere, durch welche<br />

die Vo<strong>ra</strong>ussetzungen für die Familienzusammenführung von in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft rechtmäßig<br />

wohnen<strong>de</strong>n türkischen Arbeitnehmern festgelegt wür<strong>de</strong>n. Die strittige nationale Regelung<br />

diene somit nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchführung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift. Durch<br />

letztgenannte Formulierung erkennt <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH argumentum e cont<strong>ra</strong>rio an, daß nationale<br />

Regelungen, die Gemeinschaftsrecht vollziehen, in <strong>de</strong>n Schutzbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />

fallen. 914 Diese Rechtsprechung hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Wachauf 915<br />

ausdrücklich aufgegriffen.<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. ERT 916<br />

beschäftigte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH mit einer griechischen Regelung, durch welche<br />

ein nationales Fernsehmonopol aufrechterhalten und die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungsfreiheit eingeschränkt<br />

wur<strong>de</strong>. Der Gerichtshof faßte hier nochmals zusammen, daß eine nationale Regelung, welche<br />

in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts falle, mit <strong>de</strong>n Gemeinschaftsgrund-<br />

911 Allerdings rechtfertigt sich diese Rechtsprechung, die übrigens kein Einzelfall geblieben ist,<br />

vgl. die Ausführungen von GA van Gerven in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. C-145/88 (Torfaen Borough<br />

Council/B & Q plc), Slg. 1989, S. I-3851 ff., 3874, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Uferlosigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Das</strong>sonville-<br />

Formel. Sie kann insoweit als Wegbereiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Keck-Formel angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

912<br />

EuGH, verb. Rs. 60 u. 61/84, Fn. 910, S. 2627, Rz. 26.<br />

913<br />

EuGH, Rs. 12/86 (Demirel/Stadt Schwäbisch-Gmünd), Slg. 1987, S. 3719 ff., 3754, Rz. 28.<br />

914<br />

Vgl. Rodríguez Iglesias, Fn. 654, S. 143.<br />

915<br />

EuGH, Rs. 5/88, Fn. 897, Rz. 19.<br />

916<br />

EuGH, Rs. C-260/89 (Elliniki Radiophonia Tileo<strong>ra</strong>ssi Anon<strong>im</strong>i Etairia/D<strong>im</strong>otiki Etairia<br />

Pliroforisis), Slg. 1991, S. I-2925 ff. = EuZW 1991, S. 507.


227<br />

rechten vereinbar sein müsse. Ausdrücklich anerkannte er überdies die Kompetenz nationaler<br />

Gerichte zur Beurteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Regelung mit <strong>de</strong>n Gemeinschaftsgrundrechten<br />

aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> diesen von ihm an die Hand gegebenen Auslegungskriterien. 917<br />

Der Rs. Grogan 918 lag die Beurteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsf<strong>ra</strong>ge zugrun<strong>de</strong>, inwieweit durch eine irische<br />

Gesetzesbest<strong>im</strong>mung, die es untersagte, Werbung für Abtreibungskliniken außerhalb Irlands<br />

zu betreiben, das gemeinschaftsrechtliche Grundrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Meinungsäußerung von irischen<br />

Stu<strong>de</strong>nten verletzt sein könne, die unentgeltlich Werbematerial für englische Abtreibungskliniken<br />

verteilen wollten. Der EuGH verneinte hier jedoch seine Zuständigkeit zur<br />

Beurteilung dieser F<strong>ra</strong>ge elegant mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung, daß die unentgeltliche Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Stu<strong>de</strong>nten überhaupt keine grenzüberschreiten<strong>de</strong> Dienstleistung für die Abtreibungskliniken<br />

darstelle. Daher könne die nationale Regelung nicht am Maßstab <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />

als allgemeiner Rechtsgrundsatz geschützten Meinungsfreiheit gemessen wer<strong>de</strong>n. 919<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Kommission/Deutschland 920 schließlich, in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH über eine Arzne<strong>im</strong>ittel<strong>im</strong>porte<br />

beschränken<strong>de</strong> nationale Regelung zu entschei<strong>de</strong>n hatte, stellte dieser wie schon in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. ERT fest, daß diese <strong>im</strong> Lichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte (<strong><strong>de</strong>r</strong> Arne<strong>im</strong>ittel<strong>im</strong>porteure) auszulegen<br />

sei, fügte jedoch als Novum hinzu, daß auch die gemeinschaftlichen Grundrechtssch<strong>ra</strong>nken<br />

für nationale Maßnahmen <strong>im</strong> Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur Anwendung gelangten. 921<br />

Vor kurzem hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH erneut in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Familiapress 922 auf die ERT-Rechtsprechung<br />

Bezug genommen, wonach ein nationaler Rechtfertigungsgrund als Ausnahme von einer<br />

Grundfreiheit seinerseits <strong>im</strong> Lichte <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Grundrechte auszulegen sei. 923<br />

917<br />

EuGH, Rs. C-260/89, Fn. 916, S. I-2964, Rz. 42 f.<br />

918<br />

EuGH, Rs. C-159/90 (Society for the Protection of Unborn Children Ireland/Stephen<br />

Grogan), Slg. 1991, S. I-4685 ff.<br />

919<br />

EuGH, Rs. C-159/90, Fn. 918, S. I-4741, Rz. 31.<br />

920<br />

EuGH, Rs. C-62/90 (Kommission/Deutschland), Slg. 1992, S. I-2575 ff., Rz. 23 f.<br />

921<br />

EuGH, Rs. C-62/90, Fn. 920, S. I-2609, Rz. 24: „Diese [Grund-]Rechte beanspruchen<br />

jedoch keine uneingeschränkte Geltung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n können Beschränkungen unterworfen<br />

wer<strong>de</strong>n, sofern diese Beschränkungen tatsächlich <strong>de</strong>m Gemeinwohl dienen<strong>de</strong>n Zielen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft entsprechen und nicht einen <strong>im</strong> Hinblick auf <strong>de</strong>n verfolgten Zweck<br />

unverhältnismäßigen, nicht t<strong>ra</strong>gbaren Eingriff darstellen, <strong><strong>de</strong>r</strong> die so gewährleisteten Rechte<br />

in ihrem Wesensgehalt antastet.“<br />

922<br />

EuGH, Rs. C-368/95 (Vereinigte Familiapress Zeitungsverlags- und vertriebs GmbH/<br />

Heinrich Bauer Verlag), Slg. 1997, S. I-3689 ff., 3717, Rz. 24 = EuZW 1997, S. 470 ff. =<br />

EuGRZ 1997, S. 344 ff.<br />

923<br />

EuGH, Rs. C-260/89, Fn. 916, Rz. 43.


228<br />

Hätte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Rs. van Duyn 924<br />

heute nochmals zu entschei<strong>de</strong>n, kann davon<br />

ausgegangen wer<strong>de</strong>n, daß er die gemeinschaftsrechtliche Religionsfreiheit wahrscheinlich<br />

ebenfalls als Prüfungsmaßstab für die nationale Ausnahmebest<strong>im</strong>mung i.S.d. Art. 39 (ex-Art.<br />

48) Abs. 3 EGV angeführt hätte.<br />

F<strong>ra</strong>glich ist, ob die Gemeinschaftsgrundrechte die Mitgliedstaaten <strong>im</strong>mer schon dann bin<strong>de</strong>n,<br />

wenn ein <strong>Union</strong>sbürger sich zu Erwerbszwecken in einen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaat begibt. 925<br />

Eine solche Auslegung ist unter Zugrun<strong>de</strong>legung <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten<br />

Einzelermächtigung kritisch zu beurteilen, weil sie weit über die Rechte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Union</strong>sbürgerschaft i.S.d. Art. 17 (ex-Art. 8) ff. EGV hinausreicht. Die<br />

924<br />

EuGH, Rs. 41/74, s.o. C.II.2.<br />

925<br />

Der GA Jacobs for<strong><strong>de</strong>r</strong>te dies in seinen Schlußanträgen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. C-168/91 (Christos<br />

Konstantinidis), Slg. 1993, S. I-1198 ff., 1211, Rz. 46. Ein <strong>de</strong>utsches Stan<strong>de</strong>samt hatte <strong>de</strong>n<br />

griechischen Vornamen Χρηστοζ <strong>de</strong>s Ant<strong>ra</strong>gstellers nicht, wie beant<strong>ra</strong>gt, in „Christos“,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in „Hréstos“ t<strong>ra</strong>nskribiert, worin dieser eine Verletzung seines Namensrechts als<br />

Teil <strong>de</strong>s Persönlichkeitsrechts und auch seiner Religionsfreiheit sah, da sein Name<br />

„Christos“ auf seinen christlichen Glauben hinweisen sollte. Der Gerichtshof ging in seinem<br />

Urteil allerdings weniger auf die Religionsfreiheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr auf<br />

Art. 43 (ex-Art. 52) EGV ein, <strong><strong>de</strong>r</strong> einer T<strong>ra</strong>nskription in <strong><strong>de</strong>r</strong> Weise entgegenstehe, die eine<br />

Verwechslungsgefahr schaffe.<br />

GA Jacobs hatte in seinen Schlußanträgen zuvor <strong>de</strong>n Standpunkt vertreten, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Union</strong>sbürger, „wohin er sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft zu Erwerbszwecken auch<br />

begibt, stets <strong>im</strong> Einklang mit einer gemeinsamen Ordnung von Grundwerten behan<strong>de</strong>lt<br />

wird, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>nen, die in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Menschenrechtskonvention nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegt<br />

sind. Mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Worten, er ist berechtigt, zu sagen „civis europaeus sum“ und sich auf<br />

diesen Status zu berufen, um sich je<strong><strong>de</strong>r</strong> Verletzung seiner Grundrechte zu wi<strong><strong>de</strong>r</strong>setzen.“<br />

Dem wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sp<strong>ra</strong>ch GA Gulmann in seinen Schlußanträgen zum Urteil <strong>de</strong>s EuGH, Rs. C-2/92<br />

(The Queen/Ministry of Agriculture, Fisheries and Food, ex parte: Dennis Clifford<br />

Bostock), Slg. 1994, S. I-958 ff., 972, Rz. 33: „Daß als Folge <strong>de</strong>s Erlasses von<br />

Gemeinschaftsbest<strong>im</strong>mungen ein rechtliches Problem auftaucht, kann meines E<strong>ra</strong>chtens<br />

nicht für sich allein dazu führen, daß die Lösung, die die nationalen Behör<strong>de</strong>n für ein<br />

Problem fin<strong>de</strong>n, zwangsläufig die <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht gelten<strong>de</strong>n Grundrechte beachten<br />

muß. Solche Probleme können und müssen zunächst innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Rechtssysteme<br />

in Übereinst<strong>im</strong>mung mit <strong>de</strong>n Lösungen entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, die in <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten auf entsprechen<strong>de</strong> Probleme, die durch nationale Rechtsvorschriften<br />

entstan<strong>de</strong>n sind, angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.“ In bei<strong>de</strong>n Fällen ist <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH jedoch nicht auf die<br />

umfangreichen und dogmatisch interessanten Schlußanträge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gene<strong>ra</strong>lanwälte eingegangen,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n hat lediglich seine Wachauf-Rechtsprechung wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt.


229<br />

Gemeinschaftsgrundrechte kommen jedoch nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH nicht nur bei<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Durchführung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Ausnahmeregelungen zu <strong>de</strong>n Grundfreiheiten zur Anwendung. Wenn die Grundfreiheiten nun<br />

durch das Urteil in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Sala 926 <strong><strong>de</strong>r</strong>art ausge<strong>de</strong>hnt wur<strong>de</strong>n, daß sich je<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>sbürger, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

sich rechtmäßig <strong>im</strong> Gebiet <strong>de</strong>s Aufnahmemitgliedstaats aufhält, in allen vom sachlichen<br />

Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts erfaßten Fällen auf Art. 12 (ex-Art. 6) EGV<br />

berufen kann, müßten die Gemeinschaftsgrundrechte als Begrenzung mitgliedstaatlicher<br />

Rechtsvorschriften aber konsequenterweise in diesem Falle maßgeblich sein. 927<br />

Die Anwendung von Gemeinschaftsgrundrechten wie <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen<br />

Religionsfreiheit in bezug auf nationale Ausnahmevorschriften von Grundfreiheiten aufgrund<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 30 (ex-Art. 36), Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 3, Art. 46 (ex-Art. 56), und Art. 55<br />

(ex-Art. 66) EGV bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> „zwingen<strong>de</strong>n Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse“ i.S.d. Cassis-Rechtsprechung zu<br />

Art. 28 (ex-Art. 30) EGV o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m „überwiegen<strong>de</strong>n Allgemeininteresse“ i.R.d.<br />

Art. 49 (ex-Art. 59) EGV ist <strong>im</strong> Ergebnis je<strong>de</strong>nfalls sinnvoll, da die meist zur Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

öffentlichen Sicherheit und Ordnung erlassenen nationalen Ausnahmevorschriften <strong>im</strong><br />

Regelfall grundrechtssensible Bereiche berühren. 928<br />

(3) Private als Adressaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />

(i) Unmittelbare Drittwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte?<br />

Der EuGH hat bisher ebenfalls noch nicht entschie<strong>de</strong>n, ob Grundrechte auch <strong>im</strong><br />

Privatrechtsverkehr gelten und ihnen damit eine unmittelbare Drittwirkung zukommt.<br />

Da Private kein Gemeinschaftsrecht vollziehen und <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine horizontale Wirkung von<br />

Richtlinien nicht anerkennt, kommen Individuen als Grundrechtsadressaten jedoch nicht in<br />

Bet<strong>ra</strong>cht. Damit ist eine unmittelbare Drittwirkung von Gemeinschaftsgrundrechten – <strong>im</strong><br />

Gegensatz zu <strong>de</strong>n Grundfreiheiten – nicht anzuerkennen.<br />

926 Einzelheiten s.o. Fn. 623.<br />

927 Probleme könnte <strong><strong>de</strong>r</strong> weite Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte jedoch<br />

durch eine Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>diskr<strong>im</strong>inierung infolge einer Besserstellung von <strong>Union</strong>sbürgern<br />

gegenüber Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>n bereiten. <strong>Das</strong> Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>diskr<strong>im</strong>inierungsverbot ist dort zu beachten,<br />

wenn min<strong>de</strong>stens zwei mitgliedstaatliche Märkte betroffen sind o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn die Elemente<br />

einer Grundfreiheit über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, vgl. Hammerl,<br />

Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>diskr<strong>im</strong>inierung, Berlin 1997, S. 151 f., mit EuGH-Zitaten dort in Fn. 62;<br />

Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 1058.<br />

928 Vgl. auch Rodríguez Iglesias, Fn. 654, S. 144.


230<br />

(ii) Unmittelbare Drittwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten<br />

Der EuGH erstreckt <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Grundfreiheiten auf private Einrichtungen, soweit diesen autonome Regelungsbefugnisse<br />

gegenüber einzelnen zustehen und sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage sind, die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten<br />

einzuschränken (sog. unmittelbare Drittwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten). 929<br />

(iii) Anwendbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Einschränkung von drittwirken<strong>de</strong>n<br />

Grundfreiheiten<br />

Wie soeben festgestellt wur<strong>de</strong>, sind Gemeinschaftsgrundrechte i.R.d. Schutzklauseln und<br />

„zwingen<strong>de</strong>n Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse“ anwendbar, mit <strong>de</strong>nen sich ein Staat auf eine Ausnahme von <strong>de</strong>n<br />

Grundfreiheiten berufen will. Gleiches muß auch gegenüber privatrechtlich organisierten<br />

Einrichtungen wie Kirchen und Religionsgemeinschaften gelten, sofern durch diese<br />

Regelungen erlassen wer<strong>de</strong>n, welche die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten einzuschränken<br />

drohen.<br />

In diesem Fall müssen Kirchen und Religionsgemeinschaften daher <strong>im</strong> Anwendungsbereich<br />

<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts – v.a. <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeit – Gemeinschaftsgrundrechte<br />

ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Individuen beachten. Damit können sie in <strong>de</strong>m eben<br />

beschriebenen Verhältnis auch Grundrechtsverpflichtete sein. 930<br />

Für öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaften ergibt sich eine Bindung an die Gemeinschaftsgrundrechte<br />

in je<strong>de</strong>m Fall dort, wo sie – wie z.B. be<strong>im</strong> Kirchensteuereinzug – hoheitlich<br />

tätig wer<strong>de</strong>n, 931 sofern sie nicht generell zur Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />

verpflichtet sind. 932<br />

929<br />

EuGH, Rs. 36/74 (Wal<strong>ra</strong>ve u. Koch/Association <strong>Union</strong> Cycliste Internationale u.a.),<br />

Slg. 1974, S. 1405 ff.; Rs. 43/75 (Defrenne/Sabena), Slg. 1976, S. 455 ff., 474, Rz. 21/24;<br />

Rs. 13/76 (Donà/Mantero), Slg. 1976, S. 1333 ff.; Rs. C-415/93 (<strong>Union</strong> royale belge <strong>de</strong>s<br />

sociétés <strong>de</strong> football association ASBL/Bosman, Royal club liégeois SA/Bosman u.a.),<br />

Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rz. 82 f.; Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 804, 1057; Wetter,<br />

Fn. 630, S. 100 ff.<br />

930<br />

Ebenso Bleckmann, Fn. 310, S. 24, sowie Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 319, S. 193, <strong><strong>de</strong>r</strong> eine<br />

Horizontalwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte damit begrün<strong>de</strong>t, daß sich die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

in diesem Fall nicht auf nationale Grundrechte berufen könnten, da das Rechtsverhältnis<br />

<strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht unterliegt.<br />

931<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen unten J.III.3.<br />

932<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen unten J.V.


231<br />

dd) Zusammenfassung<br />

Grundrechtsträger <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit sind neben Individuen und<br />

juristischen Personen <strong>de</strong>s Privatrechts grundsätzlich auch Drittstaatsangehörige sowie<br />

Kirchenkörperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts. Als Grundrechtsverpflichtete <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen<br />

Religionsfreiheit sind neben <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen selbst die<br />

Mitgliedstaaten zu nennen, soweit diese Gemeinschaftsrecht vollziehen und ihnen kein<br />

eigener Gestaltungsspiel<strong>ra</strong>um belassen wird. Ferner muß eine nationale Rechtsvorschrift als<br />

Ausnahmebest<strong>im</strong>mung einer Grundfreiheit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit<br />

vereinbar sein. Auch wenn Private grds. keine Adressaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte sein<br />

können, haben sie diese zu beachten, soweit sie sich <strong>im</strong> Rahmen einer unmittelbar<br />

drittwirken<strong>de</strong>n Grundfreiheit auf eine Ausnahmevorschrift berufen wollen. Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften sind – je nach Ausgestaltung ihres Rechtsstatus – wie Mitgliedstaaten<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber wie Private zu behan<strong>de</strong>ln.<br />

b) Sachlicher Schutzbereich<br />

aa) Individuelle Religionsfreiheit<br />

Der Verweis in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV stellt sicher, daß die individuelle Religionsfreiheit<br />

auf Gemeinschaftsebene zu achten ist. Als Hauptquellen sind hier die gemeinsamen<br />

Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten als auch Art. 9 Abs. 1 EMRK zu nennen, die<br />

bei<strong>de</strong> die individuelle Religionsfreiheit gewährleisten. Es kann hier auf die obigen Ausführungen<br />

verwiesen wer<strong>de</strong>n. 933<br />

bb) Kollektive Religionsfreiheit<br />

(1) Entwicklung aus Struktur und Zielen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft?<br />

Rüdiger Stotz 934<br />

leitet die kollektive Religionsfreiheit aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Überlegung her, daß sich<br />

Grundrechte in die Struktur und Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft einfügen müßten und nennt in diesem<br />

Zusammenhang die Kirchenerklärung. Allerdings ist höchst f<strong>ra</strong>glich, ob die Kirchenerklärung<br />

933<br />

Zur individuellen Religionsfreiheit i.R.d. Art. 9 EMRK s.o. E.III.2.a); i.R.d. gemeinsamen<br />

Verfassungsüberlieferungen s.o. E.II.4.<br />

934<br />

Stotz, Fn. 92, S. 737.


232<br />

Ziele o<strong><strong>de</strong>r</strong> Struktur <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft prägt, zumal sie nicht einmal zum verbindlichen<br />

Pr<strong>im</strong>ärrecht zählt. Unter He<strong>ra</strong>nziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgabenbeschreibung <strong>de</strong>s Art. 2 (ex-Art. 2) EGV<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Tätigkeitskatalogs <strong>de</strong>s Art. 3 (ex-Art. 3) EGV gelangt man ebenfalls nicht zur<br />

korpo<strong>ra</strong>tiven Religionsfreiheit, es sei <strong>de</strong>nn, die Kirchenerklärung wür<strong>de</strong> unter <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

„Kultur“ i.S.d. Art. 3 lit. q (ex-Art. 3 lit. p) EGV subsumiert, was oben 935<br />

ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> abgelehnt<br />

wur<strong>de</strong>. Im übrigen erscheint es zweifelhaft, ob die Kirchenerklärung überhaupt <strong>de</strong>n<br />

korpo<strong>ra</strong>tiven Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen schützen will. Sie läßt die mitgliedstaatlichen Systeme<br />

vielmehr unberührt; in <strong>de</strong>njenigen Mitgliedstaaten, in <strong>de</strong>nen Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

bislang kein korpo<strong>ra</strong>tiver Status zuerkannt wor<strong>de</strong>n war, wird er nicht etwa<br />

infolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung geschaffen.<br />

(2) Der korpo<strong>ra</strong>tive Status über Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />

Existenz und Inhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> kollektiven Religionsfreiheit auf Gemeinschaftsebene leiten sich –<br />

mangels eines eigenen Grundrechtskataloges <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft – aus <strong>de</strong>n gemeinsamen<br />

mitgliedstaatlichen Verfassungsüberlieferungen 936 sowie <strong>de</strong>m Wortlaut und <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung<br />

<strong>de</strong>s Art. 9 EMRK durch EKMR und EGMR 937<br />

ab. Da bei<strong>de</strong> Grundrechtsquellen zu beachten<br />

sind, kann bei unterschiedlichem Regelungsgehalt zwischen bei<strong>de</strong>n Grundrechtsquellen <strong>im</strong><br />

konkreten Einzelfall ein Abweichen von einer Grundrechtsquelle bzw. die Entwicklung einer<br />

Kompromißlösung, die inhaltlich zwischen bei<strong>de</strong>n Grundrechtsquellen liegt, geboten sein.<br />

Soweit bei<strong>de</strong> Quellen jedoch weitgehend übereinst<strong>im</strong>men, wäre ein Abweichen hiervon<br />

willkürlich und mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV unvereinbar.<br />

(3) Die Religionsfreiheit als Teilhaberecht<br />

Im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Überlegungen hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> korpo<strong>ra</strong>tiven Seite <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit steht<br />

nicht nur die Gewährung eines Abweh<strong>ra</strong>nspruchs einer Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft<br />

gegen die Gemeinschaft, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n zusätzlich die F<strong>ra</strong>ge <strong>im</strong> Raum, ob und inwiefern diese<br />

Institutionen Leistungsansprüche, z.B. auf Durchführung eines eigenen Religionsunterrichts<br />

an öffentlichen Schulen, geltend machen können. In <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Judikatur hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH<br />

die Religionsfreiheit ausschließlich als Abwehrrecht anerkannt. Hierin offenbart sich ein<br />

935 S.o. D.V.5.<br />

936 In <strong>de</strong>n meisten Mitgliedstaaten wird die kollektive Religionsfreiheit – wenn z.T. auch nur<br />

unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufrechterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung – anerkannt, vgl. die<br />

Ausführungen oben E.II.4.<br />

937 Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK wird Kirchen und Religionsgemeinschaften entgegen <strong>de</strong>m<br />

Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK ein eigenes Beschwer<strong><strong>de</strong>r</strong>echt zuerkannt, wobei diese die<br />

individuellen Rechtspositionen <strong>im</strong> Namen ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> geltend machen, vgl. hierzu die<br />

Ausführungen oben E.III.2.b).


233<br />

strukturelles Defizit seiner bisherigen Grundrechtsrechtsprechung, das sich nicht nur i.R.d.<br />

<strong>Religionsrecht</strong>s, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> übrigen Gemeinschaftsgrundrechte fin<strong>de</strong>t.<br />

Angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> wirtschaftspolitischen Zielrichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> früheren EWG war ein solcher<br />

Abwehrcha<strong>ra</strong>kter <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit ausreichend. Soweit die<br />

EU hinsichtlich ihrer Kompetenzfülle jedoch in zunehmen<strong>de</strong>m Maße staatsähnliche Züge<br />

aufweist, muß sie künftig über die Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong> lege ferenda auch durch<br />

die Schaffung von Teilhaberechten aktiv wer<strong>de</strong>n. 938<br />

2. Sch<strong>ra</strong>nken<br />

Ebenso wie <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht die Religionsfreiheit nicht sch<strong>ra</strong>nkenlos gewährt wird,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ihre Sch<strong>ra</strong>nken in <strong>de</strong>n Grundrechten an<strong><strong>de</strong>r</strong>er, 939 nach Art. 140 GG i.V.m.<br />

Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV aber auch in <strong>de</strong>m „für alle gelten<strong>de</strong>n Gesetz“ fin<strong>de</strong>t 940<br />

bzw. die<br />

Rechtsgewährungen <strong>de</strong>s Art. 9 Abs. 1 EMRK durch Art. 9 Abs. 2 EMRK beschränkt wer<strong>de</strong>n,<br />

kann auch gemeinschaftsrechtlich die Religionsfreiheit nicht sch<strong>ra</strong>nkenlos gewährt wer<strong>de</strong>n.<br />

a) Gemeinschaftsvorbehalt<br />

Schon in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft 941 hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH entschie<strong>de</strong>n, daß<br />

Grundrechte von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zwar zu gewährleisten sind, daß sich diese aber auch in<br />

die Struktur und Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft einfügen müssen. Somit kommt <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />

als Gemeinschaftsgrundrecht kein uneingeschränkter Vor<strong>ra</strong>ng zu. 942 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Nold nannte<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH erneut „die <strong>de</strong>m allgemeinen Wohl dienen<strong>de</strong>n Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft“ als<br />

Diese Rechtsprechung wird auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Wachauf bestätigt: Hier<br />

Grundrechtssch<strong>ra</strong>nke. 943<br />

938<br />

So auch Netteshe<strong>im</strong>, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g, Fn. 627, S. 27.<br />

939<br />

Vgl. z.B. OVG Koblenz, NJW 1997, S. 1174 ff.; OVG Münster, NJW 1997, S. 1176 f.; hier<br />

stand die Religionsfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Rundfunkfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG, gegenüber.<br />

940<br />

Eine Übersicht über „Die aktuelle Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung zu neueren Glaubensund<br />

Weltanschauungsgemeinschaften“ bietet Abel, Fn. 214, NJW 1999, S. 331 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />

NJW 1997, S. 426 ff.<br />

941<br />

EuGH, Rs. 11/70 (Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr- und Vor<strong>ra</strong>tsstelle für<br />

Getrei<strong>de</strong> und Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff., 1135, Rz. 4.<br />

942<br />

So auch allgemein Wetter, Fn. 630, S. 103.<br />

943<br />

EuGH, Rs. 4/73 (Nold/Kommission) Slg. 1974, S. 491 ff., 507 f., Rz. 14.


234<br />

bezeichnete <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine gemeinsame Marktorganisation als „<strong>de</strong>m Gemeinwohl dienen<strong>de</strong>s<br />

Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft.“ 944<br />

Allerdings darf die Ten<strong>de</strong>nz <strong>de</strong>s EuGH nicht übersehen wer<strong>de</strong>n, Integ<strong>ra</strong>tionsinteressen über<br />

die Grundrechte einzelner zu stellen, 945 wie dies erst vor kurzem u.a. <strong>im</strong> Bananenstreit – in<br />

<strong>de</strong>m ebenfalls eine gemeinsame Marktorganisation in Re<strong>de</strong> stand – offen zu Tage getreten<br />

ist. 946 Von daher wird man als Sch<strong>ra</strong>nke <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit restriktiv nur diejenigen<br />

Zielvorgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft berücksichtigen dürfen, <strong>de</strong>nen <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht ein<br />

beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Stellenwert zukommt; dies ist bei <strong>de</strong>n <strong>im</strong> ersten Teil <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs<br />

bezeichneten „Grundsätzen“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 1 (ex-Art. 1) bis 16 (ex-Art. 7d) EGV sowie <strong>de</strong>n<br />

„gemeinsamen Best<strong>im</strong>mungen“ in Titel I. <strong>de</strong>s EU-Vert<strong>ra</strong>gs, d.h. Art. 1 (ex-Art. A) bis Art. 7<br />

(ex-Art. F.1) EUV, <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall. 947<br />

Aber auch in diesem Fall geht das Gemeinwohlziel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft nicht zwangsläufig <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit vor; vielmehr sind in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

nachfolgen<strong>de</strong>n Abwägung möglichst bei<strong>de</strong> Werte miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> in Einklang zu bringen, so daß<br />

hohe Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an die Würdigung zu stellen sind, ob das Gemeinwohlziel nicht mit<br />

mil<strong><strong>de</strong>r</strong>en, die Religionsfreiheit weniger einschränken<strong>de</strong>n Mitteln erreicht wer<strong>de</strong>n kann.<br />

b) Grundrechte an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />

Die Religionsfreiheit kann mit einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Grundrecht 948 (z.B. Grundrecht auf Gleichbehandlung)<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit einer Grundfreiheit (z.B. Freizügigkeit) kollidieren. In diesem Fall bedarf<br />

es einer Abwägung zwischen bei<strong>de</strong>n Werten. 949<br />

3. Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken<br />

944 EuGH, Rs. 5/88 (Wachauf), Fn. 897, Rz. 18.<br />

945 So auch Hilf, Fn. 669, S. 59.<br />

946 Vgl. Vachek, Fn. 437, S. 146. So hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. C-280/93 (Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland/Rat), Slg. 1994, S. I-4973 ff., 5065, Rdnr. 47, das gewichtige Gemeinschaftsinteresse<br />

an <strong><strong>de</strong>r</strong> Bananenmarktordnung in aller Breite dargestellt, ohne anschließend auf die<br />

Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Individualinteresses einzugehen und bei<strong>de</strong> Positionen abzuwägen. Ähnlich:<br />

EuGH, Rs. C-306/93 (SMW Winzersekt/Land Rheinland-Pfalz), Slg. 1994, S. I-5555 ff.,<br />

5581 ff., Rz. 22 – 26.<br />

947 Vgl. die Ausführungen unten E.IV.4.a)aa)(2) sowie Wetter, Fn. 630, S. 103.<br />

948 Rengeling, Fn. 702, S. 165, spricht insoweit von „Gegengrundrechten“.<br />

949 Vgl. hierzu sogleich die Ausführungen <strong>im</strong> Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken-Bereich.


235<br />

a) Wesensgehaltsga<strong>ra</strong>ntie<br />

Der EuGH übernahm in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Nold 950 <strong>de</strong>n <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht gelten<strong>de</strong>n Grundsatz, daß<br />

Grundrechtseinschränkungen nur so weit gehen dürfen, daß das betreffen<strong>de</strong> Grundrecht nicht<br />

in seinem Wesensgehalt angetastet wird. Obwohl die gemeinschaftsrechtliche Wesensgehaltsga<strong>ra</strong>ntie<br />

<strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 19 Abs. 2 GG entspricht, scheint <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH sie in<strong>de</strong>s durch die<br />

fast stereotype Feststellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtverletzung, nur als bloße Formel zu verwen<strong>de</strong>n bzw. <strong>de</strong>m<br />

Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit 951 gleichzusetzen. 952<br />

Eine eigenständige Untersuchung <strong>im</strong><br />

Hinblick auf <strong>de</strong>n Wesensgehalt eines Grundrechts hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bisher je<strong>de</strong>nfalls nicht<br />

angestellt.<br />

b) Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache Hauer 953<br />

nannte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH das Verhältnismäßigkeitsprinzip als<br />

Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nke für Grundrechtseingriffe auf Gemeinschaftsrechtsebene.<br />

aa) Legit<strong>im</strong>es Ziel<br />

Eingriffe <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft in die Religionsfreiheit müssen mit <strong>de</strong>n Gemeinschaftsverträgen<br />

konform gehen, d.h. sie müssen durch das Gemeinwohlinteresse gerechtfertigt sein, welches<br />

sich aus <strong>de</strong>n Aufgaben- bzw. Tätigkeitsfel<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft gemäß Art. 2 (ex-Art. 2)<br />

bzw. Art. 3 (ex-Art. 3) EGV konkretisieren läßt. Angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> Weite dieser Best<strong>im</strong>mungen<br />

stellt das Gemeinwohlinteresse keine Hür<strong>de</strong> mit nennenswerter Relevanz für Eingriffe von<br />

Gemeinschaftsorganen dar. 954<br />

bb) Legit<strong>im</strong>es Mittel<br />

950<br />

EuGH, Rs. 4/73, Fn. 943, S. 508, Rz. 14.<br />

951<br />

Hierzu sogleich unter E.IV.3.b).<br />

952<br />

Vgl. Pauly, Fn. 735, S. 260; Rengeling, Fn. 702, S. 215; Streinz, Fn. 435, S. 421 f., unter<br />

Hinweis auf EuGH, Rs. 44/79, Fn. 953, Rz. 30; Vachek, Fn. 437, S. 147, sowie Wetter,<br />

Fn. 630, S. 108 f.<br />

953<br />

EuGH, Rs. 44/79 (Liselotte Hauer/Land Rheinland-Pfalz), Slg. 1979, S. 3727 ff., 3747,<br />

Rz. 23.<br />

954<br />

Pauly, Fn. 735, S. 257, for<strong><strong>de</strong>r</strong>t daher schon <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Zielvorgabe „Gemeinwohlinteresse“<br />

eine justitielle Überprüfung anstelle eines bloßen Verweises auf <strong>de</strong>n „politischen<br />

Gestaltungsspiel<strong>ra</strong>um“.


236<br />

<strong>Das</strong> konkret eingesetzte Mittel – z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> Erlaß einer VO o<strong><strong>de</strong>r</strong> RL – muß darüber hinaus zur<br />

Erreichung <strong>de</strong>s verfolgten Ziels geeignet, erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich und angemessen sein. 955<br />

(1) Geeignetheit<br />

Die konkrete Maßnahme muß <strong>im</strong> Hinblick auf die Verwirklichung <strong>de</strong>s angestrebten Ziels<br />

geeignet sein, wovon <strong>im</strong> Regelfall auszugehen sein dürfte.<br />

(2) Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit<br />

Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist eine Maßnahme <strong>im</strong>mer dann, wenn keine weniger eingreifen<strong>de</strong>n Alternativen<br />

<strong>de</strong>nkbar sind. Hierbei besitzt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgesetzgeber nach <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht unbe<strong>de</strong>nklichen<br />

Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH allerdings einen weiten Ermessensspiel<strong>ra</strong>um, da es sich <strong>im</strong><br />

Regelfall um politische Entscheidungen han<strong>de</strong>le, die eine Verkürzung von Rechtspositionen<br />

einzelner aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Gemeinwohls rechtfertigten. 956<br />

(3) Angemessenheit<br />

(i) Abwägung <strong>im</strong> Einzelfall<br />

Durch <strong>de</strong>n Prüfungsschritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Angemessenheit o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Verhältnismäßigkeit i.e.S.“ soll durch<br />

argumentative Abwägung das Gemeinschaftsinteresse „Gemeinwohlziel“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />

als Individualinteresse gegenübergestellt wer<strong>de</strong>n. Sodann ist die Entscheidung zu fällen,<br />

welches <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Interessen <strong>im</strong> konkreten Einzelfall als höher<strong>ra</strong>ngig einzustufen ist und sich<br />

daher durchzusetzen vermag.<br />

Im Gegensatz zur bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Rechtsprechung spielt das Kriterium <strong><strong>de</strong>r</strong> Angemessenheit<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> Judikatur <strong>de</strong>s EuGH allerdings keine be<strong>de</strong>utsame Rolle, auch wenn es in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rs. Schrä<strong><strong>de</strong>r</strong> 957 ausdrücklich Erwähnung gefun<strong>de</strong>n hat. 958<br />

955 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. 265/87 (Schrä<strong><strong>de</strong>r</strong>/Hauptzollamt Gronau), Slg. 1989, S. 2237 ff., 2269, Rz. 21,<br />

hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH ausgesagt, Grundrechtsbeschränkungen seien „nur rechtmäßig, wenn sie zur<br />

Erreichung <strong><strong>de</strong>r</strong> zulässigerweise mit <strong><strong>de</strong>r</strong> f<strong>ra</strong>glichen Regelung verfolgten Ziele geeignet und<br />

erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sind. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die<br />

am wenigsten belasten<strong>de</strong> zu wählen; ferner müssen die auferlegten Belastungen in einem<br />

angemessenen Verhältnis zu <strong>de</strong>n angestrebten Zielen stehen.“<br />

956 EuGH, Rs. C-280/93, Fn. 946, Rz. 47, 91; Rs. C-306/93 (SMW Winzersekt/Land<br />

Rheinland/Pfalz), Fn. 946, S. I-5581, Rz. 21.<br />

957 EuGH, Rs. 265/87, Fn. 955.


237<br />

Der EuGH wäre m.E. verpflichtet, Individualinteressen, wie z.B. die Religionsfreiheit, in<br />

gleichem Maße wie Gemeinschaftsinteressen zu würdigen, anstatt pauschal auf <strong>de</strong>n weiten<br />

Ermessensbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsgesetzgebers i.R.d. Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit zu verweisen. 959<br />

Dieses Abwägungs<strong>de</strong>fizit ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> jüngeren Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH gibt <strong>de</strong>m<br />

alten Vorwurf, <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH habe sich einseitig <strong>de</strong>m Grundsatz in dubio pro communitate<br />

verschrieben, 960 neue Nahrung. Aus diesem Grun<strong>de</strong> kann die Grundrechtsjudikatur <strong>de</strong>s EuGH<br />

noch nicht als weitgehend abgeschlossen bet<strong>ra</strong>chtet bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Grundrechtsdogmatik,<br />

wie sie <strong>im</strong> Grundgesetz und <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s BVerfG seinen Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag gefun<strong>de</strong>n<br />

hat, generell gleichgeachtet wer<strong>de</strong>n. 961<br />

(ii) Grundrechtskollision<br />

Eine Güte<strong>ra</strong>bwägung ist übe<strong>ra</strong>ll dort durchzuführen, wo die Religionsfreiheit mit einem<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Grundrecht o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer Grundfreiheit kollidiert. Im einzelnen han<strong>de</strong>lt es sich hier um<br />

bisher weitgehend ungelöste F<strong>ra</strong>gen. 962 Daß die Religionsfreiheit als<br />

Gemeinschaftsgrundrecht i.R.d. allgemeinen Rechtsgrundsätze ebenfalls zum pr<strong>im</strong>ären<br />

Vert<strong>ra</strong>gsrecht gehört, 963<br />

kann allerdings durchaus zur Folge haben, daß sie sich <strong>im</strong> Verhältnis<br />

zu <strong>de</strong>n Grundfreiheiten durchsetzt.<br />

958<br />

Streinz, Fn. 435, S. 417; Vachek, Fn. 437, S. 146; Wetter, Fn. 630, S. 107.<br />

959<br />

So auch Pauly, 735, S. 259.<br />

960<br />

Vgl. nur Schweitzer, Fn. 295, S. 99.<br />

961<br />

Von dieser Prämisse geht aber noch die Solange II-Entscheidung aus, vgl. BVerfGE 73,<br />

S. 339 ff., 386 f.; gegen einen gleichwertigen Grundrechtsschutz sprechen sich auch aus:<br />

Peter M. Huber, Fn. 409, S. 202; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 404, S. 361; Wetter, Fn. 630, S. 110, wobei<br />

letztere ihre Kritik unzutreffend mit <strong>de</strong>m Argument relativiert, <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH sei angesichts <strong>de</strong>s<br />

Fehlens eines ausdrücklichen Grundrechtskataloges kaum in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage, die Sch<strong>ra</strong>nken bzw.<br />

Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken in <strong><strong>de</strong>r</strong> gebotenen Weise auszufüllen. Die dogmatischen Schwächen<br />

<strong>de</strong>s EuGH in diesem Bereich resultieren in<strong>de</strong>s nicht aus <strong>de</strong>m Fehlen eines Grundrechtskataloges,<br />

da <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Theorie die Wesensgehaltsga<strong>ra</strong>ntie ebenso wie eine Angemessenheitsprüfung<br />

i.R.d. Verhältnismäßigkeitsprinzips kennt. Eine effektive Sicherung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Grundrechte wäre <strong>de</strong>m EuGH daher auch ohne Vorhan<strong>de</strong>nsein eines geschriebenen<br />

Grundrechtskatalogs möglich, wür<strong>de</strong> er sich nicht häufig allzu einseitig zum Anwalt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaftsinteressen machen.<br />

962<br />

Vgl. Rengeling, Fn. 702, S. 231.<br />

963<br />

Vgl. sogleich unten E.IV.4.a)aa)(2).


238<br />

c) Zusammenfassung<br />

Der maßgebliche Schutzbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit ergibt sich aus<br />

einer Zusammenschau <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschriften <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK und <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen.<br />

Ein Abweichen hiervon wäre willkürlich. Sch<strong>ra</strong>nken <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />

sind die Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft sowie die Grundrechte an<strong><strong>de</strong>r</strong>er. Als Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken<br />

sind – ähnlich wie <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht – die Wesensgehaltsga<strong>ra</strong>ntie und das<br />

Verhältnismäßigkeitsprinzip zu nennen. Allerdings geht <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH von einem weiten<br />

Ermessensbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsgesetzgebers aus.<br />

4. Rang <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />

a) Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV i.V.m. <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen bzw.<br />

Art. 9 EMRK<br />

aa) Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV als Pr<strong>im</strong>ärrecht<br />

Die gemeinschaftsrechtliche Religionsfreiheit wird über <strong>de</strong>n Verweis <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F)<br />

Abs. 2 EUV auf Art. 9 EMRK sowie die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten gewährleistet.<br />

(1) Verhältnis zum Sekundärrecht<br />

Zwar wird in Art. 6 (ex-Art. F) EUV keine ausdrückliche Aussage über das Rangverhältnis<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> so ermittelten Grundrechte getroffen. Alleine aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugehörigkeit von<br />

Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV zum Pr<strong>im</strong>ärrecht kann in<strong>de</strong>s auf die Höher<strong>ra</strong>ngigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsfreiheit gegenüber sämtlichem Sekundärrecht geschlossen wer<strong>de</strong>n. Die Folge<br />

hiervon ist, daß die Religionsfreiheit als Prüfungsmaßstab für die Gültigkeit sämtlichen<br />

sekundären Gemeinschaftsrechts he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n kann. Diese Einordnung entspricht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Sichtweise <strong>de</strong>s EuGH vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung von Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV, <strong><strong>de</strong>r</strong>zufolge<br />

Grundrechten aus <strong>de</strong>n genannten bei<strong>de</strong>n Quellen schon früh als allgemeine<br />

Rechtsgrundsätze 964 und damit als ungeschriebener Bestandteil <strong>de</strong>s Pr<strong>im</strong>ärrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Vor<strong>ra</strong>ng<br />

gegenüber jeglichem Sekundärrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane zuerkannt wur<strong>de</strong>. 965<br />

964 EuGH, Rs. 4/73 (Nold/Kommission), Slg. 1974, S. 491 ff., Rz. 13: „Der Gerichtshof hat<br />

bereits entschie<strong>de</strong>n, daß die Grundrechte zu <strong>de</strong>n allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören,<br />

die er zu wahren hat, und daß er bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewährleistung dieser Rechte von <strong>de</strong>n<br />

gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten auszugehen hat. Hiernach


239<br />

(2) Verhältnis zum Pr<strong>im</strong>ärrecht<br />

Gemäß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV achtet die <strong>Union</strong> die Grundrechte, die sich aus <strong>de</strong>n<br />

gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ergeben, als allgemeine<br />

Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts. Dies könnte man einerseits als bloßen Hinweis auf die<br />

ursprüngliche Quelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze verstehen, die<br />

terminologisch eine Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung erfahren mußte, weil die nunmehr explizit durch<br />

Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV gewährleisteten Grundrechte nicht Teil <strong>de</strong>s ungeschriebenen<br />

Pr<strong>im</strong>ärrechts sind. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits könnte die Bezeichnung als allgemeine Grundsätze <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts be<strong>de</strong>uten, daß es sich hierbei um Fundamentalprinizipien innerhalb <strong>de</strong>s<br />

gemeinschaftsrechtlichen Pr<strong>im</strong>ärrechts han<strong>de</strong>lt, welche <strong>im</strong> Rang über <strong>de</strong>m einfachen pr<strong>im</strong>ären<br />

Vert<strong>ra</strong>gsrecht stehen und <strong>de</strong>mzufolge eine Überprüfung <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gsrechts, z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Freizügigkeitsregeln, anhand <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte ermöglichen. 966<br />

Die <strong>im</strong> ersten Teil <strong>de</strong>s<br />

EG-Vert<strong>ra</strong>gs bezeichneten „Grundsätze“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 1 (ex-Art. 1) bis 16 (ex-Art. 7d) EGV sowie<br />

die „gemeinsamen Best<strong>im</strong>mungen“ in Titel I. <strong>de</strong>s EUV, d.h. die Art. 1 (ex-Art. A) bis<br />

Art. 7 (ex-Art. F.1) EUV, scheinen dieses Argument zu untermauern, da es sich hierbei nicht<br />

nur um „vor die Klammer gezogene“ allgemeine Best<strong>im</strong>mungen han<strong>de</strong>lt, wie z.B. <strong>de</strong>n<br />

BGB-AT, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n zusätzlich um Fundamentalprinzipien, die in ihrer Wertigkeit <strong>de</strong>n<br />

Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 1 und 20 GG nahekommen.<br />

kann er keine Maßnahmen als Rechtens anerkennen, die unvereinbar sind mit <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n<br />

Verfassungen dieser Staaten anerkannten und geschützten Grundrechten. Auch die internationalen<br />

Verträge über <strong>de</strong>n Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte, an <strong><strong>de</strong>r</strong>en Abschluß die<br />

Mitgliedstaaten beteiligt waren o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>nen sie beigetreten sind, können Hinweise geben, die<br />

<strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen sind.“; ebenso: EuGH, Rs. 44/79<br />

(Liselotte Hauer/Land Rheinland-Pfalz), Slg. 1979, S. 3727 ff., Rz. 15.<br />

965 So auch BVerfGE 73, S. 339 ff., 383 f.; Giegerich, Fn. 482, S. 852; Obwexer, Fn. 554,<br />

S. 70; Rengeling, Fn. 702, S. 197; Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 319, S. 197; Schweitzer/Hummer, Fn. 35,<br />

Rdnrn. 15; Wetter, Fn. 630, S. 98.<br />

Der EuGH hat <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gleichheitssatzes vor sekundärem Gemeinschaftsrecht z.B.<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> verb. Rs. 117/76 u. 16/77 (Albert Ruck<strong>de</strong>schel & Co. u.a./Hauptzollamt Hamburg-St.<br />

Annen; Diamalt AG/ Hauptzollamt Itzehoe), Slg. 1977, S. 1753 ff., 1769 f., Rz. 7,<br />

festgestellt.<br />

966 In diese Richtung Wetter, Fn. 630, S. 98, wobei diese von einer eher theoretischen Möglichkeit<br />

spricht, da das Vert<strong>ra</strong>gsrecht nur wenige, <strong>de</strong>n einzelnen verpflichten<strong>de</strong> Best<strong>im</strong>mungen<br />

enthalte. Im Lichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Bosman-Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH, die eine Drittwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Grundfreiheiten bejaht, muß die F<strong>ra</strong>ge jedoch als durchaus p<strong>ra</strong>xisrelevant eingestuft<br />

wer<strong>de</strong>n.


240<br />

Die Folge <strong><strong>de</strong>r</strong> hier dargestellten Auffassung wäre, daß die Grundfreiheiten <strong>de</strong>n Grundrechten,<br />

insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit, nicht zuwi<strong><strong>de</strong>r</strong> laufen dürften,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in einer mit dieser zu vereinbaren<strong>de</strong>n Weise ausgelegt wer<strong>de</strong>n müßten. 967<br />

Allerdings ist zu beachten, daß auch die Religionsfreiheit nicht sch<strong>ra</strong>nkenlos gewährleistet ist,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit <strong>de</strong>n übrigen Fundamentalnormen <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts <strong>im</strong> Einklang stehen<br />

muß.<br />

Soweit man dagegen innerhalb <strong>de</strong>s Pr<strong>im</strong>ärrechts von einer Gleich<strong>ra</strong>ngigkeit von Grundrechten<br />

und Grundfreiheiten ausgeht, 968 hat dies keinesfalls zur Folge, daß die Grundfreiheiten<br />

zwangsläufig <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit vorgehen, da die Grundfreiheiten auch durch <strong>im</strong>manente,<br />

d.h. ungeschriebene Sch<strong>ra</strong>nken eingeschränkt wer<strong>de</strong>n können; 969 als solche können ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> die<br />

aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH entwickelten Grundrechte angesehen wer<strong>de</strong>n. Die<br />

Kollision bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte müßte in diesem Fall durch Abwägung <strong>im</strong> konkreten Einzelfall<br />

geschehen. 970<br />

Über das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften in eigenen<br />

Angelegenheiten 971<br />

gelangt man jedoch zu einem partiellen Vor<strong>ra</strong>ng <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit in innerkirchlichen Angelegenheiten gegenüber<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gemeinschaftsrechtsnormen.<br />

bb) Unbest<strong>im</strong>mtheit <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV <strong>im</strong> Hinblick auf <strong>de</strong>n konkreten Gehalt<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit<br />

Problematisch erscheint das soeben Ausgeführte insofern, als Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit zwar zu einem pr<strong>im</strong>ärrechtlichen Rang verhilft, diesen jedoch nicht an<br />

einen best<strong>im</strong>mten Grundrechtsgehalt koppelt, namentlich <strong>de</strong>n Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK<br />

sowie <strong>de</strong>ssen Auslegung durch EKMR und EGMR. Vielmehr überläßt es<br />

967<br />

So auch Obwexer, Fn. 554, S. 70, <strong><strong>de</strong>r</strong> die ungeschriebenen Grundrechte wie die<br />

Religionsfreiheit als Auslegungsmaßstab auch für pr<strong>im</strong>äres Gemeinschaftsrecht he<strong>ra</strong>nzieht.<br />

968<br />

So Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 319, S. 185, 198.<br />

969<br />

Vgl. hierzu ausführlich Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 319, S. 176 ff., unter Bezugnahme auf die „Cassis<strong>de</strong>-Dijon-Rechtsprechung“,<br />

vgl. EuGH, Rs. 120/78 (Rewe/Bun<strong>de</strong>smonopolverwaltung für<br />

B<strong>ra</strong>nntwein), Slg. 1979, S. 649 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH hatte durch die „Cassis-Formel“ neben <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Sch<strong>ra</strong>nke <strong>de</strong>s Art. 30 (ex-Art. 36) EGV in <strong>de</strong>m Urteil weitere ungeschriebene Sch<strong>ra</strong>nken<br />

i.R.d. Art. 28 (ex-Art. 30) EGV anerkannt.<br />

970<br />

Vgl. hierzu Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 319, S. 198.<br />

971<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen unten L.III.1.


241<br />

Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV <strong>de</strong>m EuGH, <strong>de</strong>n maßgeblichen Grundrechtsgehalt zu konkretisieren.<br />

972<br />

An<strong><strong>de</strong>r</strong>s ausgedrückt: Pr<strong>im</strong>ärrechtlich wird somit nur festgestellt, daß die Religionsfreiheit<br />

auf Gemeinschafts- und <strong>Union</strong>sebene existiert; <strong><strong>de</strong>r</strong> konkrete Inhalt dieses Rechts muß<br />

nach wie vor durch Rechtsvergleichung mittels <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK und <strong>de</strong>n gemeinsamen<br />

Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten erschlossen wer<strong>de</strong>n, ohne daß die mitgliedstaatlichen<br />

religionsrechtlichen Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen und Art. 9 EMRK unmittelbar in<br />

das Gemeinschaftsrecht inkorporiert wür<strong>de</strong>n. Verträte man hingegen die Auffassung einer<br />

materiellen Inkorpo<strong>ra</strong>tion von Art. 9 EMRK in das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> EU über Art. 6 (ex-Art. F)<br />

Abs. 2 EUV, so hätte dies insoweit <strong>de</strong>n Vorteil, als Schutzbereich und Sch<strong>ra</strong>nken <strong>de</strong>s<br />

Art. 9 EMRK als fixer Prüfungsmaßstab für das gesamte Sekundärrecht feststün<strong>de</strong>n.<br />

b) Die EMRK als völkerrechtlicher Altvert<strong>ra</strong>g i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV<br />

Wie oben bereits ausgeführt 973 , kommt <strong>de</strong>n Grundrechten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK und damit Art. 9 EMRK<br />

aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV jedoch ein gemeinschaftsrechtlich<br />

anerkannter Vor<strong>ra</strong>ng vor <strong>de</strong>m Pr<strong>im</strong>ärrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zu. 974<br />

Zwar führt die Tatsache, daß alle Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Ratifikation <strong>de</strong>s<br />

975<br />

EWG-Vert<strong>ra</strong>gs beigetreten sind , nicht dazu, daß hie<strong>ra</strong>us gemeinschaftsrechtlich ein Rang<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK vor an<strong><strong>de</strong>r</strong>em Pr<strong>im</strong>ärrecht erwüchse. Dies wird – trotz einer<br />

Funktionsnachfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft – selbst für das GATT 1947 abgelehnt, weil es nicht<br />

unmittelbar von <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen abgeschlossen wur<strong>de</strong>. 976<br />

Eine Nichtbeachtung <strong>de</strong>s Wortlauts bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK durch<br />

Gemeinschaftsorgane wür<strong>de</strong> dagegen dazu führen, daß die Mitgliedstaaten, die gleichsam<br />

972<br />

Vgl. Rodríguez Iglesias, 654, S. 138: „Diese Beurteilung setzt die Anwendung eines<br />

Maßstabes vo<strong>ra</strong>us, <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht das bloße Resultat <strong>de</strong>s Vergleiches <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen<br />

Rechtsordnungen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr Ausdruck einer Wahl <strong>de</strong>s Gerichtshofs zwischen <strong>de</strong>n<br />

auf Grund dieses Vergleiches möglichen verschie<strong>de</strong>nen Lösungen ist. Der Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechtsordnungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten führt also nicht unbedingt zu einem best<strong>im</strong>mten<br />

Ergebnis, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n kann auch lediglich einen Anhaltspunkt für die richterliche Entscheidung<br />

bil<strong>de</strong>n.“<br />

973<br />

E.III.1.d)dd)(1).<br />

974<br />

So auch Giegerich, Fn. 482, S. 854.<br />

975<br />

Wobei allerdings die EMRK in Großbritannien, Irland und Dänemark keine unmittelbare<br />

Wirkung besitzt, weil sie dort nicht in das nationale Recht inkorporiert wur<strong>de</strong>, vgl. Fahrenhorst,<br />

Familienrecht und Europäische Menschenrechtskonvention, S. 90 ff.; Rodríguez<br />

Iglesias, Fn. 654, S. 145.<br />

976<br />

Vgl. Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>/Selmayr, Die EG, das GATT und die Vollzugslehre, JZ 1998, S. 344 ff.,<br />

346 f.


242<br />

durch die EMRK gebun<strong>de</strong>n sind, das später erlassene Gemeinschaftsrecht aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV nicht anzuwen<strong>de</strong>n b<strong>ra</strong>uchen.<br />

Die sich aus Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV grundsätzlich ergeben<strong>de</strong> Gleich<strong>ra</strong>ngigkeit<br />

zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n dort genannten Auslegungsquellen muß unter Zugrun<strong>de</strong>legung <strong>de</strong>s<br />

Art. 307 (ex-Art. 234) EGV in einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Licht gesehen wer<strong>de</strong>n: Mittelbar führt die<br />

Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten an Art. 9 EMRK zu <strong>de</strong>ssen gemeinschaftsrechtlicher Höher<strong>ra</strong>ngigkeit<br />

gegenüber <strong>de</strong>n gemeinsamen mitgliedstaatlichen Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen.<br />

V. Reichweite <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit <strong>im</strong> <strong>Union</strong>srecht<br />

1. Grundrechtsbindung durch Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />

Wenn gemäß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV die „<strong>Union</strong> die Grundrechte achtet“, wie sie in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK gewährleistet sind und sich aus <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten ergeben, be<strong>de</strong>utet dies nur in <strong><strong>de</strong>r</strong> „Ersten Säule“ eine Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> drei<br />

Gemeinschaften (EG, EGKS, EAG) selbst, da diese mit eigener Rechtspersönlichkeit<br />

ausgestattet sind, 977 bzw. ihrer han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Organe. 978 In <strong><strong>de</strong>r</strong> „Zweiten“ (GASP) und „Dritten<br />

Säule“ (ZBJI) wer<strong>de</strong>n dagegen mangels eigener Rechtspersönlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> EU 979 die<br />

gemeinsam han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten selbst zur Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />

verpflichtet. Daneben ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Europäische Rat als einziges EU-Organ, vgl.<br />

Art. 4 (ex-Art. D) EUV, an die Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV gebun<strong>de</strong>n. 980<br />

Zwar sieht <strong><strong>de</strong>r</strong> EUV in <strong>de</strong>n ope<strong>ra</strong>tiven Fel<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> „Zweiten“ und „Dritten Säule“ die<br />

Möglichkeit <strong>de</strong>s Erlasses von Rechtsakten durch <strong>de</strong>n Rat vor. Da dieser jedoch nur ein sog.<br />

„beliehenes Gemeinschaftsorgan“ ist, müssen sich die Mitgliedstaaten <strong>de</strong>ssen Handlungen<br />

ebenfalls zurechnen lassen. 981<br />

977<br />

Vgl. nur Art. 281 (ex-Art. 210) EGV für die EG.<br />

978<br />

Vgl. insoweit die Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 7 – 9 (ex-Art. 4 – 4b) EGV.<br />

979<br />

Zur fehlen<strong>de</strong>n Rechtspersönlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> EU s.o. Fn. 687.<br />

980<br />

So auch Hummer, Fn. 629, S. 83; Obwexer, Fn. 554, S. 75; a.A. Koenig/Ha<strong>ra</strong>tsch, Fn. 687,<br />

Rdnr. 602.<br />

981<br />

Hummer, Fn. 629, S. 83; Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 957, 966.


2. Eingeschränkte Kontrollkompetenz <strong>de</strong>s EuGH<br />

243<br />

Allerdings ist die Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH zur Überprüfung von Rechtsakten <strong><strong>de</strong>r</strong> „Zweiten“<br />

und „Dritten Säule“, wie sich aus Art. 46 (ex-Art. L) lit. b und c EUV ergibt, nur sehr<br />

rud<strong>im</strong>entär ausgeprägt. Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> beliehenen Gemeinschaftsorgane i.R.d. <strong>Union</strong>srechts<br />

können von diesem grundsätzlich nicht <strong>im</strong> Hinblick auf die Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong>de</strong>s<br />

Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV überprüft wer<strong>de</strong>n, es sei <strong>de</strong>nn die Kontrollkompetenz <strong>de</strong>s<br />

EuGH wür<strong>de</strong> hier ausdrücklich anerkannt, während Art. 35 (ex-Art. K.7) EUV dies nur<br />

fakultativ für <strong>de</strong>n Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> ZBJI vorsieht.<br />

3. Reichweite <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes <strong>im</strong> <strong>Union</strong>srecht<br />

Die Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> EU können – konvergierend zum Gemeinschaftsrecht 982 –<br />

Grundrechtssch<strong>ra</strong>nken i.R.d. <strong>Union</strong>srechts sein. Diese fin<strong>de</strong>n jedoch ihrerseits ihre Sch<strong>ra</strong>nke<br />

<strong>im</strong> Verhältnismäßigkeitsprinzip und <strong><strong>de</strong>r</strong> Wesensgehaltsga<strong>ra</strong>ntie. 983<br />

4. Grundrechtsrelevanz <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>srechts<br />

<strong>Union</strong>srecht gilt pr<strong>im</strong>är <strong>im</strong> Verhältnis zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> EU und <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten. Eine<br />

unmittelbare Wirkung <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>srechts in <strong>de</strong>n einzelnen Mitgliedstaaten wird man <strong>im</strong><br />

Gegensatz zum Gemeinschaftsrecht 984 abzulehnen haben, da die <strong>Union</strong> eher koordinationsrechtlichen<br />

als sup<strong>ra</strong>nationalen Cha<strong>ra</strong>kter besitzt. Grundrechtsbeeinträchtigungen wären<br />

angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> intergouvernementalen Struktur <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> jedoch nur dort <strong>de</strong>nkbar, wo unionsrechtliche<br />

Rechtsakte in die innerstaatliche Rechtsordnung inkorporiert wür<strong>de</strong>n. 985<br />

982<br />

S.o. E.IV.2, E.IV.3.<br />

983<br />

So auch Obwexer, Fn. 554, S. 76, <strong><strong>de</strong>r</strong> ebenfalls eine zum Gemeinschaftsrecht pa<strong>ra</strong>llele<br />

Struktur <strong><strong>de</strong>r</strong> Sch<strong>ra</strong>nken und Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken anrät.<br />

984<br />

EuGH, Rs. 26/62 (van Gend & Loos/Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländische Finanzverwaltung), Slg. 1963,<br />

S. 1 ff., 25.<br />

985<br />

Vgl. Obwexer, Fn. 554, S. 74, 76.


244<br />

5. Überprüfung abgeleiteten Sekundärrechts durch mitgliedstaatliche Verfassungsgerichte<br />

bzw. EMRK-Organe?<br />

a) Mitgliedstaatliche Verfassungsgerichte<br />

Zwar sind mitgliedstaatliche Verfassungsgerichte nicht befugt, i.R.d. GASP o<strong><strong>de</strong>r</strong> ZBJI<br />

ergangene Sekundärrechtsakte da<strong>ra</strong>ufhin zu überprüfen, ob diese die Grundrechte i.S.d.<br />

Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV einhalten o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht, da organgeschaffenes Folgerecht eines<br />

völkerrechtlichen Vert<strong>ra</strong>gs nicht von <strong><strong>de</strong>r</strong>en Prüfungsumfang umfaßt ist. 986 <strong>Das</strong> BVerfG hat<br />

jedoch in seiner Solange-Rechtsprechung klar zum Ausdruck geb<strong>ra</strong>cht, daß es seine<br />

Gerichtsbarkeit nur zurückn<strong>im</strong>mt, soweit auf zwischenstaatlicher Ebene ein adäquater<br />

Grundrechtsschutz gewährleistet wird. Diesem Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis ist nicht schon durch das bloße<br />

Bestehen <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsvorschrift <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> GASP<br />

und ZBJI Genüge getan; die Sicherstellung eines gleichwertigen Grundrechtsschutzes<br />

erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t vielmehr die Möglichkeit einer Überprüfung grundrechtssensibler Rechtsakte. Aus<br />

diesem Grun<strong>de</strong> muß nationalen Verfassungsgerichten, wie z.B. <strong>de</strong>m BVerfG, die Kompetenz<br />

zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, die Vereinbarkeit eines unionsrechtlichen Sekundärrechtsakts mit<br />

nationalen Grundrechten, z.B. mit Art. 4 Abs. 1, 2 GG, zu überprüfen und <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n<br />

Rechtsakt <strong>im</strong> Falle seiner Unvereinbarkeit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Religionsfreiheit <strong>im</strong><br />

betreffen<strong>de</strong>n Hoheitsgebiet für unanwendbar zu erklären, soweit diese durch <strong>de</strong>n<br />

<strong>Union</strong>srechtsakt <strong>im</strong> Wesensgehalt beeinträchtigt wür<strong>de</strong>. 987<br />

b) EMRK-Organe<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Melchers hatte die EKMR noch ausgeführt, daß da<strong>ra</strong>uf verzichtet wer<strong>de</strong>n könne,<br />

einem Mitgliedstaat die Ve<strong>ra</strong>ntwortung aufzuerlegen, in je<strong>de</strong>m Einzelfall zu überprüfen, ob<br />

die Gemeinschaft sich an die EMRK gehalten habe, da sie selbst Menschenrechte sichere und<br />

986 Vgl. Obwexer, Fn. 554, S. 76.<br />

987 Die Nichtigkeit <strong>de</strong>s Rechtsaktes – <strong><strong>de</strong>r</strong> Regelfall eines Verstoßes gegen höher<strong>ra</strong>ngiges Recht<br />

– kann mangels ausdrücklicher Kompetenz bzw. wegen unterschiedlichen Prüfungsmaßstabs<br />

we<strong><strong>de</strong>r</strong> vom EuGH noch von einem mitgliedstaatlichen Gericht beurteilt wer<strong>de</strong>n. Wird<br />

ein unionsrechtlicher Sekundärrechtsakt durch ein mitgliedstaatliches Verfassungsgericht<br />

für unanwendbar erklärt, muß ab diesem Zeitpunkt auch <strong>de</strong>ssen Zurechenbarkeit für <strong>de</strong>n<br />

betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat entfallen; erfolgt die Erklärung noch vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Inkorpo<strong>ra</strong>tion in<br />

nationales Recht, besteht schon keine Verpflichtung dieses Mitgliedstaats zur T<strong>ra</strong>nsformation<br />

<strong>de</strong>s Sekundärrechtsakts in innerstaatliches Recht, vgl. Obwexer, Fn. 554, S. 76. Zur<br />

Unanwendbarkeit s.o. C.IV.2.e).


245<br />

ihre Einhaltung kontrolliere. 988 Im <strong>Union</strong>srecht dagegen ist ein <strong><strong>de</strong>r</strong>art adäquater Rechtsschutz<br />

nicht sichergestellt. 989<br />

Schon aus diesem Grund kann <strong><strong>de</strong>r</strong> an die Solange II-Entscheidung<br />

angelehnte Verzicht <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Organe auf Überprüfung nationaler Rechtsakte an <strong>de</strong>n<br />

Vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK keinesfalls analog auf die mitgliedstaatlichen T<strong>ra</strong>nsformationsgesetze<br />

unionsrechtlichen Sekundärrechts angewandt wer<strong>de</strong>n.<br />

VI. <strong>Das</strong> spezielle Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot <strong>de</strong>s Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV<br />

1. Regelungsinhalt<br />

Vor Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Amsterdam sah <strong><strong>de</strong>r</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g nur das allgemeine<br />

Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit gemäß Art. 12 (ex-Art. 6) EGV<br />

vor. 990 Die neue Vorschrift, die vor allem auf die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s EP in ihrer Entschließung<br />

vom 13. März 1996 zur Bewertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Reflexionsgruppe und Festlegung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

politischen Prioritäten <strong>de</strong>s EP <strong>im</strong> Hinblick auf die Regierungskonferenz 991<br />

zurückging,<br />

begrün<strong>de</strong>t eine Gemeinschaftskompetenz, nach welcher <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat <strong>im</strong> Rahmen schon<br />

bestehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftszuständigkeiten einst<strong>im</strong>mig Vorkehrungen treffen kann, um<br />

Diskr<strong>im</strong>inierungen aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Geschlechts, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rasse, <strong><strong>de</strong>r</strong> ethnischen Herkunft, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung, einer Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, <strong>de</strong>s Alters o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> sexuellen<br />

Ausrichtung zu bekämpfen. Im Gegensatz zum speziellen Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot <strong>de</strong>s<br />

Art. 3 Abs. 3 GG eröffnet Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV keine allumfassen<strong>de</strong> Rechtsetzungsbefugnis<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n beschränkt sich auf die Beseitigung von Diskr<strong>im</strong>i-<br />

988<br />

EKMR, BNr. 13258/87, Fn. 769, S. 865 ff., 867 f.: „The Commission notes that the legal<br />

system of the European Communities not only secures fundamental rights but also provi<strong>de</strong>s<br />

for control of their observance.“<br />

989<br />

Schermers, Fn. 410, S. 18, sieht ebenfalls die Gefahr möglicher Grundrechtsverletzungen<br />

durch Europäische Institutionen wie Europol, die keiner gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit<br />

unterliegen; ähnlich Böse, Die Immunität von Europol – ein unterschätztes<br />

Verfolgungshin<strong><strong>de</strong>r</strong>nis?, NJW 1999, S. 2416 ff.<br />

990<br />

Allerdings hat GA Tesauro schon zuvor in seinen Schlußanträgen vom 14.12.1995 in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rs. C-13/94 (P/S u. Cornwall County Council), Slg. 1996, S. I-2143 ff., 2165, Rz. 19, die<br />

Ansicht vertreten, <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichheitsgrundsatz verlange, daß „nicht auf diskr<strong>im</strong>inieren<strong>de</strong><br />

Kriterien, in erster Linie Geschlecht, Rasse, Sp<strong>ra</strong>che und Religion, abgestellt wird“.<br />

991<br />

ABl. 1996 Nr. C 96, S. 77 ff.; vgl. hierzu die Ausführungen oben C.I.3.q).


246<br />

nierungen innerhalb <strong>de</strong>s bisherigen Anwendungsbereichs <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs. 992 Mit Recht ist<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Sinn dieser Regelung hinterf<strong>ra</strong>gt wor<strong>de</strong>n, 993 da die Gemeinschaft schon bisher die<br />

Kompetenz besaß, in ihrem Anwendungsbereich Diskr<strong>im</strong>inierungen zu unterbin<strong>de</strong>n. 994<br />

Als einer <strong><strong>de</strong>r</strong> tieferen Beweggrün<strong>de</strong> hierfür muß vor allem die Schaffung einer ein<strong>de</strong>utigen<br />

pr<strong>im</strong>ärrechtlichen Rechtsgrundlage für Quotenregelungen i.R.d. Gleichstellungspolitik<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n, nach<strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH zunächst <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Regelungen durch das Kalanke-<br />

Urteil 995 verworfen hatte. 996<br />

Darüber hinaus ist Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV be<strong>de</strong>utsam <strong>im</strong> Hinblick auf die<br />

gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit von mitgliedstaatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung<br />

faktischer bzw. struktureller Diskr<strong>im</strong>inierungen. 997<br />

2. Unmittelbare Anwendbarkeit?<br />

An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als Art. 141 (ex-Art. 119) EGV beseitigt Art. 13 EGV n.F. nicht schon <strong>de</strong> lege lata<br />

je<strong>de</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung in <strong>de</strong>n aufgeführten Bereichen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ermächtigt <strong>de</strong>n Rat erst,<br />

geeignete Vorkehrungen zu treffen, 998<br />

die – aus <strong>de</strong>n aufgeführten Grün<strong>de</strong>n – von einer bloßen<br />

Aufklärungskampagne bis hin zum Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot <strong>im</strong> gesamten Anwendungsbereich<br />

992<br />

So auch Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 25 f.; vgl. hierzu die Äußerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission vom<br />

3.10.1997, ABl. 1998, Nr. L 82, S. 127, s.o. C.I.3.p).<br />

993<br />

So Hasselbach, Fn. 645, S. 458.<br />

994<br />

Den Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH schon sehr früh <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />

anerkannt, vgl. EuGH, verb. Rs. 17 u. 20/61 (Klöckner, Hoesch/Hohe Behör<strong>de</strong>),<br />

Slg. 1962, S. 657 ff., 692 f.<br />

995<br />

EuGH, Rs. C-450/93 (Eckhard Kalanke/Freie Hansestadt Bremen, unterstützt durch Heike<br />

Glißmann) Slg. 1995, S. I-3051 ff. = NJW 1995, S. 3109; vgl. hierzu Vachek, Fn. 343, S.<br />

410 ff.<br />

996<br />

Vgl. auch die Ausführungen unten Fn. 1261 sowie Hasselbach, Fn. 645, S. 458 f. Ob in<br />

einem aufgrund Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV erlassenen Rechtsakt allerdings innerstaatlich<br />

unanwendbares „verfassungswidriges Verfassungsrecht“ erblickt wer<strong>de</strong>n kann, wie<br />

Hasselbach dies vertritt, muß wohl abgelehnt wer<strong>de</strong>n, zumal auch <strong>im</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten, namentlich in Deutschland, Quotenregelungen existieren, die bislang von<br />

<strong>de</strong>n Verfassungsgerichten nicht verworfen wur<strong>de</strong>n.<br />

997<br />

So auch Ukrow, Fn. 548, S. 150.<br />

998<br />

Eine unmittelbare Anwendbarkeit lehnen ebenfalls ab Hummer, Fn. 629, S. 96; Nanz/<br />

Silberberg, Fn. 98, S. 343; Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 26.


247<br />

<strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs reichen können. Aus diesem Grun<strong>de</strong> kann die Vorschrift nicht schon mit<br />

Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs eine einklagbare Rechtspflicht zu Gunsten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Benachteiligten begrün<strong>de</strong>n, 999<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n bedarf, um konstitutive Wirkung entfalten zu können,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Setzung entsprechen<strong><strong>de</strong>r</strong> Sekundärrechtsakte. Die <strong>ra</strong>tio <strong>de</strong>s speziellen Diskr<strong>im</strong>inierungsverbots<br />

ist somit in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ermächtigung zu weiteren Integ<strong>ra</strong>tionsschritten zu sehen, <strong>de</strong>nen –<br />

vergleichbar mit Art. 23 (ex-Art. J.13) Abs. 1 EUV i.R.d. GASP – eine einst<strong>im</strong>mige<br />

Beschlußfassung vo<strong>ra</strong>ngehen muß, damit anschließend mit qualifizierter Mehrheit Rechtsakte<br />

beschlossen wer<strong>de</strong>n können. Der anfängliche, einst<strong>im</strong>mig zu treffen<strong>de</strong> Beschluß, <strong><strong>de</strong>r</strong> darüber<br />

entschei<strong>de</strong>t, ob es überhaupt zu einem weiteren Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft kommen soll,<br />

darf nicht über eine unmittelbare Anwendbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift unterminiert wer<strong>de</strong>n. Im<br />

übrigen macht schon ein Blick auf Art. 141 (ex-Art. 119) EGV <strong>de</strong>utlich, daß sich jene<br />

Vorschrift, welche <strong>de</strong>m Wortlaut nach zwingend ist („Je<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaat stellt [...] sicher“),<br />

mit Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV nicht vergleichen läßt, da diese ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> ein Ermessen <strong>de</strong>s Rates<br />

vo<strong>ra</strong>ussetzt.<br />

Eine unmittelbare Anwendbarkeit von Normen <strong>de</strong>s pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrechts hat <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EuGH jedoch nur unter vier Vo<strong>ra</strong>ussetzungen anerkannt. So müssen diese<br />

- rechtlich vollkommen, d.h. ohne je<strong>de</strong> weitere Konkretisierung anwendbar sein,<br />

- unbedingt sein,<br />

- eine Handlungs- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Unterlassungspflicht für die Mitgliedstaaten begrün<strong>de</strong>n und<br />

- <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten keinen Ermessensspiel<strong>ra</strong>um lassen. 1000<br />

Während die genannten Vo<strong>ra</strong>ussetzungen zwar für Art. 141 (ex-Art. 119) EGV zutreffen, ist<br />

Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV zum einen nicht unbedingt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n steht unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Bedingung eines<br />

einst<strong>im</strong>migen Ratsbeschlusses; zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en besteht für die Ratsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> als Repräsentanten<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten keine Handlungspflicht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ein Ermessen („kann“).<br />

3. Mögliche Auswirkungen auf das <strong>Religionsrecht</strong><br />

Wür<strong>de</strong>n die Mitgliedstaaten einst<strong>im</strong>mig ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung beschließen, so hätte dies z.B. zur Folge, daß Mitgliedstaaten<br />

Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen nicht in unsachlicher Weise unterschiedlich gegenüber einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Großkirche behan<strong>de</strong>ln dürften, wie dies z.B. bis vor kurzem noch in Italien <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall war: So<br />

999 So aber Cirkel, Fn. 777, S. 3333, sowie Szczekalla, Fn. 750, S. 215, 216.<br />

1000 Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 846, unter Verweis auf EuGH, Rs. 2/74<br />

(Reyners/Belgien), Slg. 1974, S. 631 ff., 649 ff.


248<br />

hatte die Corte Costituzionale <strong>im</strong> November 1997 eine Verfügung aus <strong>de</strong>m Jahre 1930<br />

aufgehoben, die bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Verungl<strong>im</strong>pfung von Katholiken, die über 90% <strong><strong>de</strong>r</strong> italienischen<br />

Bevölkerung ausmachen, eine um ein Drittel höhere St<strong>ra</strong>fe als bei Verungl<strong>im</strong>pfung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />

religiöser Gemeinschaften begrün<strong>de</strong>te. Der italienische Verfassungsgerichtshof entschied zu<br />

Recht: „Je<strong>de</strong> Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung von Religionen, die sich nur auf eine größere o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

kleinere Anzahl von Anhängern grün<strong>de</strong>t, ist nicht akzeptabel.“ 1001<br />

Um eine Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft zu begrün<strong>de</strong>n, müßte allerdings <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs eröffnet<br />

sein. Dies wäre z.B. dann <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall, wenn generell nur einer best<strong>im</strong>mten Kirche die<br />

Möglichkeit einer Fernsehübert<strong>ra</strong>gung von Gottesdiensten eingeräumt wür<strong>de</strong>.<br />

Der EGMR hatte erst kürzlich Griechenland verurteilt, weil hier aufgrund <strong>de</strong>s noch aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Metaxas-Diktatur stammen<strong>de</strong>n „Anti-Evangelisationsgesetzes“ Nr. 1363 von 1938 St<strong>ra</strong>fverfahren<br />

eingeleitet wur<strong>de</strong>n, soweit nicht-orthodoxe Christen in Griechenland Evangelisation<br />

betrieben. Ungeachtet <strong>de</strong>ssen appellierte <strong><strong>de</strong>r</strong> Athener Erzbischof Christodoulos an seine<br />

Regierung, die Religionsfreiheit für nicht-orthodoxe Bekenntnisse einzuschränken und staatsanwaltschaftlich<br />

„je<strong>de</strong> religiöse Werbung einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbreitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bibel durch<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Religionsgemeinschaften st<strong>ra</strong>frechtlich zu verfolgen.“ 1002<br />

Der Anwendungsbereich <strong>de</strong>s<br />

Vert<strong>ra</strong>gs wäre eröffnet, soweit sich <strong>Union</strong>sbürger nicht-orthodoxen Bekenntnisses i.R.d.<br />

Freizügigkeitsrechte in Griechenland aufhielten und nur aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Weitergabe von Bibeln<br />

st<strong>ra</strong>fverfolgt wür<strong>de</strong>n.<br />

Konfliktträchtig ist schließlich z.B. das Verbot <strong>de</strong>s Kopftucht<strong>ra</strong>gens für musl<strong>im</strong>ische<br />

Lehrerinnen. So hat die ba<strong>de</strong>n-württembergische Kultusministerin Annette Schavan einer<br />

solchen <strong>de</strong>n Zugang zu einer öffentlichen Schule verwehrt, da diese nicht bereit gewesen sei,<br />

auf das Kopftuch zu verzichten. 1003 Der Zent<strong>ra</strong>l<strong>ra</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> Musl<strong>im</strong>e hatte diese Entscheidung als<br />

faktisches „Berufsverbot für p<strong>ra</strong>ktizieren<strong>de</strong> Musl<strong>im</strong>as“ und als „g<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung<br />

von Menschen, die nach ihrer Glaubensüberzeugung leben“ kritisiert. 1004 Soweit es sich<br />

tatsächlich um eine religiöse Pflicht einer Musl<strong>im</strong>in han<strong>de</strong>ln sollte, Kopfbe<strong>de</strong>ckung zu<br />

t<strong>ra</strong>gen, 1005 wäre die Verwehrung <strong>de</strong>s Zugangs zum Lehrerberuf an öffentlichen Schulen<br />

alleine aus <strong>de</strong>m besagten Grund wohl als Diskr<strong>im</strong>inierung aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion zu<br />

qualifizieren, soweit z.B. römisch-katholischen Or<strong>de</strong>nsangehörigen das T<strong>ra</strong>gen einer T<strong>ra</strong>cht<br />

gestattet wird. 1006<br />

Etwas an<strong><strong>de</strong>r</strong>es kann nur dann angenommen wer<strong>de</strong>n, wenn die Schüler durch<br />

1001<br />

Vgl. KuR 980, S. 143.<br />

1002<br />

Vgl. KuR 980, S. 154 f.<br />

1003<br />

Vgl. in<strong>de</strong>s zur tole<strong>ra</strong>nteren Haltung in F<strong>ra</strong>nkreich Grewe, Fn. 163, v.a. S. 32.<br />

1004<br />

Vgl. KuR 980, S. 149 f.<br />

1005<br />

In diese Richtung Gromitsaris, Fn. 156, S. 386.<br />

1006<br />

Hie<strong>ra</strong>uf weisen zu Recht Czermak, Fn. 184, S. 477, sowie Janz/Ra<strong>de</strong>macher, Islam und<br />

Religionsfreiheit, NVwZ 1999, S. 706 ff., hin. Allerdings hat die EKMR eine Verletzung


249<br />

das T<strong>ra</strong>gen <strong>de</strong>s Schleiers eine psychische Beeinträchtigung erlei<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n 1007 o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn die<br />

Handlung lediglich aus Motiven <strong><strong>de</strong>r</strong> He<strong>ra</strong>usfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, <strong>de</strong>s Bekehrungseifers o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Propaganda he<strong>ra</strong>us geschähe. 1008 Soweit Symbole wie <strong>im</strong> Regelfall jedoch lediglich<br />

Emotionen auslösen und eine „sinnlich-geistige Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung“ herbeiführen, ist dies<br />

hinzunehmen, da hierdurch noch nicht die Schwelle einer unverhältnismäßigen Grundrechtsbeeinträchtigung<br />

anzunehmen ist. 1009 In diesem Falle hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat vielmehr für eine<br />

„Neut<strong>ra</strong>lität durch Plu<strong>ra</strong>lität“ zu sorgen. 1010 Soweit es sich um weibliche <strong>Union</strong>sbürger<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Mitgliedstaaten han<strong>de</strong>lt, fällt die Thematik in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 (ex-Art. 48) EGV; <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Schulwesens<br />

könnte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulträger nicht auf die eng auszulegen<strong>de</strong> Ausnahmevorschrift <strong>de</strong>s<br />

Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV berufen. 1011<br />

Im Falle eines Beitritts <strong><strong>de</strong>r</strong> Türkei zur EU wür<strong>de</strong><br />

dieser Problematik erhebliche Be<strong>de</strong>utung zukommen.<br />

Während viele Mitgliedstaaten verfassungsrechtlich ebenfalls ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus<br />

Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion kennen, fin<strong>de</strong>t ein Verbot von Diskr<strong>im</strong>inierungen <strong><strong>de</strong>r</strong> sexuellen<br />

Ausrichtung kein Pendant in <strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen. Es bleibt zu<br />

hoffen, daß es durch die neue Gemeinschaftskompetenz nicht zu einer vollständigen Gleichstellung<br />

homosexueller Formen <strong>de</strong>s Zusammenlebens mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ehe und Familie kommt.<br />

Letztere stellen nicht nur i.R.d. christlichen Religion, <strong>im</strong> Ju<strong>de</strong>ntum und <strong>im</strong> Islam neben <strong>de</strong>m<br />

Ledigsein die einzige tolerierte Lebensform dar, 1012<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n geben auch in einem Staatswesen<br />

<strong>de</strong>s Art. 9 EMRK aufgrund einer Beschwer<strong>de</strong> einer türkischen Stu<strong>de</strong>ntin verneint, <strong><strong>de</strong>r</strong> eine<br />

staatliche Universität verbot, religiöse Kopfbe<strong>de</strong>ckung zu t<strong>ra</strong>gen, vgl. EKMR,<br />

BNr. 16278/90, DR 74, S. 93 ff., 100 ff. Wür<strong>de</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Or<strong>de</strong>nsangehörigen gleichwohl das<br />

T<strong>ra</strong>gen einer T<strong>ra</strong>cht gestattet, obwohl bei<strong>de</strong> Male eine religiöse Verpflichtung zum T<strong>ra</strong>gen<br />

religiöser Kleidung besteht, wird man von einem Verstoß gegen Art. 14 EMRK ausgehen<br />

müssen.<br />

1007<br />

Heckmann, Fn. 189, S. 888; Gromitsaris, Fn. 156, S. 393 f.<br />

1008<br />

Gromitsaris, Fn. 156, S. 380 unter Verweis auf das Tschador-Gutachten <strong>de</strong>s Conseil d’Etat<br />

vom 27.11.1989, vgl. oben Fn. 163.<br />

1009<br />

Heckmann, Fn. 189, S. 883, 885; Gromitsaris, Fn. 156, S. 385.<br />

1010<br />

So Heckmann, Fn. 189, S. 888 unter Verweis auf BVerfGE 41, S. 29 ff., 50; 41, S. 65 ff.,<br />

78 f.; 41, S. 88 ff., 107, 109; zwar ist diese Aussage <strong>im</strong> Kontext <strong>de</strong>s Aufhängens von<br />

Kruzifixen in öffentlichen Schulen gemacht wor<strong>de</strong>n, sie muß aber – angesichts <strong>de</strong>s<br />

pa<strong>ra</strong>llelen Sachverhalts – auch auf die Tschador-Problematik übert<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n.<br />

1011<br />

Vgl. insofern die Ausführungen unten K.I.2.a)aa)(2)(iv).<br />

1012<br />

Vgl. z.B. 2. Mose (Exodus) 22, 15; 3. Mose (Leviticus) 18, 22; Ps. 127, 3; 1. Kor. 7, 8 – 9;<br />

Hebräer 13, 4, sowie das katholische Hirtenwort vom 17.1.1998; hierzu PNP Nr. 283 vom<br />

5.12.1998, S. 5. Ähnlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Ko<strong>ra</strong>n, in Sure 4: 15 (Unzucht unter F<strong>ra</strong>uen) bzw. Sure 4: 16<br />

(Unzucht unter Männern), vgl. Der Ko<strong>ra</strong>n, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Übersetzung von Paret, 2. Aufl., Berlin –


250<br />

die Gewähr dafür, daß das Staatsvolk nicht ausstirbt und <strong><strong>de</strong>r</strong> Gene<strong>ra</strong>tionenvert<strong>ra</strong>g <strong>de</strong>s<br />

Rentensystems aufrechterhalten wer<strong>de</strong>n kann. 1013 Abgesehen hiervon wäre eine solche<br />

Gleichstellung mit Art. 6 Abs. 1 GG, durch welchen Ehe und Familie unter <strong>de</strong>n beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Ordnung gestellt wer<strong>de</strong>n, schlechterdings vereinbar. 1014 Wür<strong>de</strong> ein <strong>im</strong><br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zu Art. 6 Abs. 1 GG stehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Sekundärrechtsakt erlassen, wäre die<br />

grundgesetzliche Norm in ihrem Wesenskern verletzt, da ihr beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Schutz entfiele.<br />

Damit kämen die oben ausgeführten Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Solange-Rechtsprechung 1015<br />

zum T<strong>ra</strong>gen.<br />

4. Zusammenfassung<br />

Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV enthält ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot u.a. aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion<br />

innerhalb <strong>de</strong>s Anwendungsbereichs <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs. Allerdings ist dieses Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot<br />

<strong>im</strong> Gegensatz zu Art. 141 (ex-Art. 119) EGV nicht unmittelbar anwendbar, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

ermächtigt <strong>de</strong>n Rat erst, geeignete Vorkehrungen zu treffen, wobei das „Ob“ und „Wie“ <strong>de</strong>s<br />

Tätigwer<strong>de</strong>ns in <strong>de</strong>ssen Ermessen gestellt sind.<br />

Köln – Mainz 1980; Yücelen, Was sagt <strong><strong>de</strong>r</strong> Ko<strong>ra</strong>n dazu? – Die Lehren und Gebote <strong>de</strong>s<br />

Heiligen Buches, 2. Aufl., München 1988, S. 140.<br />

1013 B<strong>ra</strong>un, Fn. 628, S. 178 ff., sieht die Geschlechts- und Lebensgemeinschaft zwischen Mann<br />

und F<strong>ra</strong>u ebenfalls als Ga<strong>ra</strong>nt für die „Reproduktion und Erziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> künftigen<br />

Gene<strong>ra</strong>tion“, wobei er allerdings nüchtern konstatiert (S. 180 f.), daß es kein Halten mehr<br />

gebe, nach<strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> „Damm jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>tealter Tabus einmal gebrochen“ sei.<br />

1014 Vgl. hierzu Kirchhof, Ehe und Familie als Grundlage einer freiheitlichen Gesellschaft, SdZ<br />

1999, S. 507 ff., 508, unter Hinweis auf BVerfGE 76, S. 1 ff., 51; NJW 1999, S. 631.<br />

1015 Vgl. Ausführungen unter C.IV.2.


F. <strong>Religionsrecht</strong> als „Kultur“ i.S.d. Art. 151 (ex-Art. 128)<br />

EGV?<br />

I. Der gemeinschaftsrechtliche Kultur(gut)begriff<br />

251<br />

Gemäß Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 1 EGV, <strong><strong>de</strong>r</strong> durch die EEA in <strong>de</strong>n EG-Vert<strong>ra</strong>g eingefügt<br />

wur<strong>de</strong>, „leistet die Gemeinschaft einen Beit<strong>ra</strong>g zur Entfaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kulturen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Hervorhebung<br />

<strong>de</strong>s gemeinsamen kulturellen Erbes.“ F<strong>ra</strong>glich ist, ob das <strong>Religionsrecht</strong> ebenfalls<br />

unter <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Art. 151 (ex-Art. 128) EGV fällt und damit eine Gemeinschaftskompetenz<br />

begrün<strong>de</strong>t, die allerdings Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 5 EGV nicht zu<br />

Harmonisierungsmaßnahmen berechtigen wür<strong>de</strong>.<br />

Soweit Kultur einen wirtschaftlichen Bezug besitzt, wer<strong>de</strong>n Kultu<strong>ra</strong>ngebote gemeinschaftsrechtlich<br />

ohnehin als Dienstleistung verstan<strong>de</strong>n; die Art. 49 (ex-Art. 59) ff. EGV gelangen in<br />

diesem Fall zur Anwendung. 1016 Entsprechen<strong>de</strong>s muß grundsätzlich auch für entgeltliche<br />

Dienstleistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen gelten. Angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, daß die Gemeinschaft nach<br />

Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 4 EGV bei ihrer Tätigkeit aufgrund an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s<br />

EG-Vert<strong>ra</strong>gs <strong>de</strong>n kulturellen Aspekten Rechnung trägt (sog. Querschnittsklausel 1017<br />

), ist es<br />

von beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Be<strong>de</strong>utung, ob Religion und <strong>Religionsrecht</strong> als „Kultur“ i.S.d. Art. 151<br />

(ex-Art. 128) EGV angesehen wer<strong>de</strong>n können.<br />

Da die Gemeinschaft <strong>im</strong> kulturellen Bereich von <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeit <strong>de</strong>s Erlasses von<br />

Rechtsakten Geb<strong>ra</strong>uch macht, wäre zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen eigentlich eine<br />

Definition <strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen Kulturbegriffs erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich. 1018<br />

Gleichwohl ergeben<br />

1016 Vgl. Laufer/Arens, Die kontinuierliche Ausweitung <strong><strong>de</strong>r</strong> EG-Kompetenzen, in: Wei<strong>de</strong>nfeld<br />

(Hrsg.), Reform <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> – Materialien zur Revision <strong>de</strong>s Maastrichter<br />

Vert<strong>ra</strong>gs 1996, Gütersloh 1995, S. 193 ff., 199.<br />

1017 Vgl. allgemein hierzu Stein, Die Querschnittsklausel zwischen Maastricht und Karlsruhe,<br />

in: Due/Lutter/ Schwarze (Hrsg.), FS für Ulrich Everling, Bd. II, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995,<br />

S. 1439 ff.<br />

1018 Ress, Fn. 415, S. 950; ähnlich Evers, Kultu<strong>ra</strong>uft<strong>ra</strong>g <strong>im</strong> staatlichen Gemeinwesen,<br />

NJW 1983, S. 2161: „[...] nur wenn Kultur <strong>de</strong>finiert ist, kann sie mit <strong>de</strong>n Mitteln <strong>de</strong>s<br />

Rechtsstaates nach festen Regeln, unter Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit,


252<br />

sich große Schwierigkeiten 1019 einer allgemeingültigen Definition, sofern diese nicht sogar<br />

unmöglich ist. 1020 Es wird <strong>im</strong> Hinblick auf diese Schwierigkeiten sowie auf das<br />

Einst<strong>im</strong>migkeitsprinzip nach Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 5 EGV <strong>im</strong> – sich aus <strong>de</strong>n Vertretern<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten zusammensetzen<strong>de</strong>n – Rat p<strong>ra</strong>gmatisch vorgeschlagen, als Kultur i.S.d.<br />

Art. 151 (ex-Art. 128) EGV dasjenige anzuerkennen, was die Mitgliedstaaten als solche<br />

ansähen, zumal ansonsten mangels Konsenses überhaupt kein Rechtsakt nach<br />

Art. 151 (ex-Art. 128) EGV zustan<strong>de</strong> käme. 1021 Auch die Kommission unterläßt es i.R.d.<br />

konkreten Aktionen <strong>im</strong> kulturellen Bereich, Kultur näher zu <strong>de</strong>finieren, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n beschränkt<br />

sich auf eine Auflistung <strong><strong>de</strong>r</strong> geplanten Einzelvorhaben. 1022 De<strong>ra</strong>rtige enume<strong>ra</strong>tive<br />

Aufzählungen, die Georg Ress ebenfalls als ausreichend einschätzt 1023<br />

, ermöglichen auch<br />

ohne Definition <strong>de</strong>s Kulturbegriffes eine Überprüfung durch <strong>de</strong>n EuGH hinsichtlich einer<br />

eventuellen Kompetenzüberschreitung.<br />

Was gemeinschaftsrechtlich unter „Kultur“ zu verstehen ist, wird durch die vier in<br />

Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 2 EGV erwähnten Bereiche näher konkretisiert. Der zweite<br />

Spiegelstrich spricht vor allem <strong>de</strong>n Denkmal- und Kulturgüterschutz an; hierbei han<strong>de</strong>lt es<br />

sich um Bereiche, in <strong>de</strong>nen kirchliche und religiöse Interessen betroffen sind. Die VO (EWG)<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Zweckmäßigkeit, <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaftlichkeit und <strong><strong>de</strong>r</strong> Sparsamkeit in geordneten Verfahren<br />

als ein Gut anerkannt, geschützt und gepflegt wer<strong>de</strong>n.“<br />

1019<br />

<strong>Das</strong> BVerfG z.B. <strong>de</strong>finiert in BVerfGE 41, S. 29 ff., 52, 64, Kultur soziologisch als<br />

„Inbegriff <strong><strong>de</strong>r</strong> typischen Lebensformen, Werteinstellungen und Verhaltensweisen innerhalb<br />

einer Gesellschaft.“ Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 6, umschreibt Kultur dagegen<br />

als ein „zum Staat in einer Son<strong><strong>de</strong>r</strong>beziehung stehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Bereich geistig-schöpferischer<br />

Betätigung <strong>de</strong>s Menschen, wozu insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Wissenschaft, Bildung und Kunst<br />

zählen.“ Der Brockhaus, Bd. 4, 1992, S. 115, legt Kultur als „die Gesamtheit <strong><strong>de</strong>r</strong> typischen<br />

Lebensformen einer Bevölkerung einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> sie t<strong>ra</strong>gen<strong>de</strong>n Geistesverfassung“ fest.<br />

Diesen Definitionen gemeinsam ist, daß sich Kultur auf eine Gesellschafts- bzw. Bevölkerungsgruppe<br />

bezieht und auch ein geistiges, nicht faßbares Element enthält, vgl. Berndt,<br />

Internationaler Kulturgüterschutz, Abwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsschutz, Regelungen <strong>im</strong> innerstaatlichen<br />

Recht, <strong>im</strong> Europa- und Völkerrecht, Köln – Berlin – Bonn – München 1998, S. 143.<br />

1020<br />

Wemmer, Die neuen Kulturklauseln <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs, F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. u.a. 1996, S. 12 f.,<br />

dort Fn. 60 u. 61 m.w.N.<br />

1021<br />

Wemmer, Fn. 1020, S. 13 f.<br />

1022<br />

Weiterführen<strong>de</strong> Hinweise bei Wemmer, Fn. 1020, S. 14, Fn. 68. So wer<strong>de</strong>n beispielsweise<br />

<strong>im</strong> ope<strong>ra</strong>tiven Teil <strong>de</strong>s „Neuen Kulturkonzepts <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft“ vom 29.4.1992, vgl.<br />

KOM(92), S. 149 endg., nur die klassischen kulturellen Ausdrucksformen (Buch, darstellen<strong>de</strong><br />

Künste, audiovisueller Bereich) sowie das kulturelle Erbe aufgeführt.<br />

1023<br />

Ress, Fn. 415, S. 950.


253<br />

Nr. 3911/92 <strong>de</strong>s Rates vom 9. Dezember 1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern 1024 enthält<br />

jedoch ebenfalls keine nähere Definition <strong>de</strong>s „Kulturguts“, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n verweist in Art. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO<br />

auf die <strong>im</strong> Anhang aufgeführten Güter. Dort wer<strong>de</strong>n unter Ziff. A. 2. allerdings ausdrücklich<br />

Bestandteile von religiösen Denkmälern aufgeführt, die älter als 100 Jahre sind. Auch die<br />

Richtlinie 93/7/EWG 1025 verzichtet bezeichnen<strong><strong>de</strong>r</strong>weise ebenfalls auf eine nähere Definition<br />

<strong>de</strong>s „nationalen Kulturguts“ und verweist gleichsam auf die in ihrem Anhang aufgezählten<br />

Kategorien, wobei die Ziff. A.2. <strong>de</strong>s Anhangs exakt <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziff. A.2. <strong>de</strong>s Anhangs <strong><strong>de</strong>r</strong> VO<br />

(EWG) Nr. 3911/93 entspricht. Im Gegensatz zur nicht faßbaren, z.T. vergeistigten „Kultur“<br />

kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>de</strong>s „Kulturguts“ jedoch als Gegenstand, <strong><strong>de</strong>r</strong> das Schaffen einer best<strong>im</strong>mten<br />

Kultur sichtbar wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegelt, <strong>de</strong>finiert wer<strong>de</strong>n. 1026<br />

Gemäß Art. 7 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/7/EWG können<br />

Rückfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsansprüche bei kirchlichen Kulturgütern noch 75 Jahre nach ihrer unrechtmäßigen<br />

Verbringung aus <strong>de</strong>m Hoheitsgebiet <strong>de</strong>s ersuchen<strong>de</strong>n Mitgliedstaats zugelassen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

II. Der Begriff <strong>de</strong>s „kulturellen Erbes“<br />

Von <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen in Art. 151 (ex-Art. 128) EGV aufgelisteten kulturellen Bereichen<br />

erscheint <strong>im</strong> Hinblick auf das <strong>Religionsrecht</strong> nur die Erhaltung bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutz <strong>de</strong>s<br />

„kulturellen Erbes“ i.S.d. zweiten Spiegelstrichs <strong>de</strong>s Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 2 EGV<br />

relevant zu sein. Dieses kann man mit Benedikt Wemmer als „bleiben<strong>de</strong>, an die Öffentlichkeit<br />

[...] gelangte kulturelle Hervorbringung in allen Lebensbereichen“ <strong>de</strong>finieren, wobei hierunter<br />

nicht nur die Hinterlassenschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Antike, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch die <strong>de</strong>s Christentums einschließlich<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Reformation bis hin zum Sozialismus und Kapitalismus zu verstehen sind. 1027<br />

1024<br />

ABl. 1992, Nr. L 395, S. 1 ff.<br />

1025<br />

Richtlinie 93/7/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig<br />

aus <strong>de</strong>m Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verb<strong>ra</strong>chten Kulturgütern (ABl. 1993, Nr. L 74,<br />

S. 74), umgesetzt in <strong>de</strong>utsches Recht durch das am 22.10.1998 in K<strong>ra</strong>ft getretene<br />

Kulturgutsicherungsgesetz (KulturgutSiG). Dieses sieht als „national wertvolles Kulturgut“<br />

ebenfalls nur solche Gegenstän<strong>de</strong> an, die in das Gesamtverzeichnis nach § 6 Abs. 2<br />

KultgSchG einget<strong>ra</strong>gen sind. Vgl. von Preuschen, Kulturgutsicherungsgesetz und EG-<br />

Recht, EuZW 1999, S. 40 ff., 41 zur richtlinienkonformen nationalen Umsetzung durch das<br />

KulturgutSiG.<br />

1026<br />

In diesem Sinne Berndt, Fn. 1019, S. 143.<br />

1027<br />

Wemmer, Fn. 1020, S. 15 f.


254<br />

III. Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>Religionsrecht</strong> und „kulturellem Erbe“<br />

Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> christlichen Kirchen haben einen kaum zu überschätzen<strong>de</strong>n Beit<strong>ra</strong>g in kultureller<br />

Hinsicht geleistet, <strong><strong>de</strong>r</strong> vom Bau architektonisch wertvoller Kirchen und Klöster über<br />

kunstvolle Bibelabschriften bis hin zur Komposition be<strong>de</strong>uten<strong><strong>de</strong>r</strong> O<strong>ra</strong>torien und Messen<br />

reicht. 1028<br />

Kultur und Religion können sich in Teilbereichen überschnei<strong>de</strong>n: So han<strong>de</strong>lt es sich<br />

oftmals – z.B. bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenorgel <strong>im</strong> Passauer Dom – einerseits um ein kirchliches Gut,<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits aber auch um ein kulturelles Erbe von europäischer Be<strong>de</strong>utung.<br />

Weite Bereiche <strong>de</strong>s gelten<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen <strong>Religionsrecht</strong>s, wie z.B. die Tatsache <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gewährung von Körperschaftsrechten, berühren dagegen <strong>de</strong>n Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> „Kultur“ i.S.d.<br />

Art. 151 (ex-Art. 128) EGV überhaupt nicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> höchstens peripher, 1029<br />

auch wenn nicht in<br />

Abre<strong>de</strong> gestellt wer<strong>de</strong>n soll, daß sich die verschie<strong>de</strong>nen religionsrechtlichen Systeme in<br />

Europa über viele Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>te hinweg entwickelt haben, bis sie zur heutigen Form gelangt<br />

sind.<br />

Der noch <strong>im</strong> Entwurfsstadium <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung vorhan<strong>de</strong>ne Bezug zur „Kultur“ wur<strong>de</strong><br />

m.E. mit Bedacht aus <strong><strong>de</strong>r</strong> endgültigen Fassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung gestrichen, um keine Vermengung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Begriffe <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion und Kultur herbeizuführen. 1030 Soweit nicht die historische<br />

Hinterlassenschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften, das kulturelle Erbe, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die<br />

Gegenwartsgestaltung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s in Re<strong>de</strong> steht, sollten daher bei<strong>de</strong> Begriffe als aliud<br />

verwandt wer<strong>de</strong>n, wie dies auch auf Gemeinschaftsebene geschieht. 1031<br />

1028 Vgl. nur Mason, Die Kultur von Hampshire, in: Diensteinheit für Studien <strong><strong>de</strong>r</strong> Autonomen<br />

Region Trentino-Südtirol (Hrsg.), Die regionalen Unterschie<strong>de</strong> in Europa. Die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

verschie<strong>de</strong>nen regionalen Kulturen be<strong>im</strong> Aufbau <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Trient 1993,<br />

S. 101 ff., 105 f., 108, über <strong>de</strong>n Einfluß <strong><strong>de</strong>r</strong> christlichen Religion auf die Kultur<br />

Hampshire’s.<br />

1029 So in Ansätzen auch v. Campenhausen, Fn. 74, S. 409. Hierfür spricht auch die Äußerung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission vom 3.10.1997, ABl. 1998, Nr. L 82, S. 127, vgl. hierzu die Ausführungen<br />

oben C.I.3.p). An<strong><strong>de</strong>r</strong>s wohl Robbers, Fn. 181, S. 96; Streinz, Fn. 77, S. 73.<br />

1030 Einzelheiten s.o. D.V.5; Robbers, Fn. 107, S. 360, ist dagegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht, das „Staatskirchenrecht“<br />

gehöre zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur i.S.d. Art. 151 (ex-Art. 128) EGV.<br />

1031 Dieser Ansicht ist auch Isensee, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. (31) 1997, S. 101, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

hervorhebt, daß das spezifisch Religiöse einer Kirche ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> nicht als bloßer „Kulturfaktor“<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n könne. Überdies ist er <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Islam – <strong>im</strong>merhin eine<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltreligionen – nicht zum kulturellen Erbe Deutschlands zähle. Turowski, Fn. 225,<br />

S. 6, <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Staatskirchenrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>? – Überlegungen zu einer nicht nur


255<br />

Da die Gemeinschaft <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur nach Art. 151 (ex-Art. 128) EGV Kompetenzen<br />

besitzt, wäre das <strong>Religionsrecht</strong> überdies bei einer Subsumtion unter <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen<br />

Kulturbegriff kompetenzrechtlich teilweise auf die Gemeinschaft übert<strong>ra</strong>gen<br />

wor<strong>de</strong>n, wie dies in<strong>de</strong>s von kirchlicher o<strong><strong>de</strong>r</strong> kirchennaher Seite z.T. vehement bestritten<br />

wird. 1032<br />

Ob in Art. 151 (ex-Art. 128) EGV ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er, engerer Kulturbegriff als <strong>im</strong><br />

5. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>gs 1033<br />

gilt, kann dahingestellt bleiben, weil<br />

diese rechtlich unverbindlich ist.<br />

IV. Zusammenfassung<br />

Obwohl das „gemeinsame kulturelle Erbe“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten gemäß Art. 151 (ex-Art. 128)<br />

Abs. 1 EGV zu weiten Teilen auf religiös motiviertem Han<strong>de</strong>ln beruht, kann das <strong>Religionsrecht</strong><br />

selbst nur als aliud zur Kulturkompetenz <strong>de</strong>s Art. 151 (ex-Art. 128) EGV angesehen<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

für die Kirchen wichtigen Diskussion (Teil 2), KuR 140, S. 13 ff., 22, schlägt vor, in<br />

Anlehnung an Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 5 EGV ein Harmonisierungsverbot auch für das<br />

<strong>Religionsrecht</strong> in <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g einzuführen. Er geht damit ebenso davon aus, daß <strong>de</strong>m<br />

Harmonisierungsverbot <strong>de</strong>s Art. 151 (ex-Art. 128) EGV nicht schon für das <strong>Religionsrecht</strong><br />

Be<strong>de</strong>utung zukommt; ähnlich: van Bijsterveld, Fn. 607, S. 22. Der Begriff <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s<br />

kann somit nicht unter <strong>de</strong>n Oberbegriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur subsumiert wer<strong>de</strong>n.<br />

1032 Vgl. nur Joseph H. Kaiser, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 105 f.<br />

1033 „IN DEM WUNSCH, die Solidarität zwischen ihren Völkern unter Achtung ihrer<br />

Geschichte, ihrer Kultur und ihrer T<strong>ra</strong>ditionen zu stärken“.


256


G. Der Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz<br />

<strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />

I. <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip<br />

1. Historische Herkunft und Einführung ins Gemeinschaftsrecht<br />

257<br />

a) Ursprünge <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips<br />

<strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip 1034 kann bis in die Heilige Schrift zurückverfolgt wer<strong>de</strong>n, wo es sich<br />

<strong>im</strong> Rat <strong>de</strong>s Jethro (Exodus 18, 18 – 22) wie<strong><strong>de</strong>r</strong>fin<strong>de</strong>t. 1035<br />

Aufgegriffen wur<strong>de</strong> es sodann von<br />

1034<br />

Vgl. aus <strong><strong>de</strong>r</strong> vielfältigen Lite<strong>ra</strong>tur über das Subsidiaritätsprinzip: Bitterlich, Die Ve<strong>ra</strong>nkerung<br />

<strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips und seine ope<strong>ra</strong>tive Umsetzung, in: Wei<strong>de</strong>nfeld (Hrsg.),<br />

Fn. 1016, S. 177 ff.; Calliess, <strong>Das</strong> Spannungsverhältnis zwischen Subsidiaritätsprinzip und<br />

Solidaritätsprinzip <strong>im</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, in: Scholz (Hrsg.), Europäische<br />

Integ<strong>ra</strong>tion – Schon eine „<strong>Union</strong> <strong>de</strong>s Rechts“?, S. 176 ff.; Constantinesco, „Subsidiarität“:<br />

Magisches Wort o<strong><strong>de</strong>r</strong> Handlungsprinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, EuZW 1991, S. 561 ff.;<br />

Everling, Kompetenzordnung und Subsidiarität, in: Wei<strong>de</strong>nfeld (Hrsg.), Fn. 1016, S. 166 ff.;<br />

Hans Georg Fischer, Öffentliche Anhörung <strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>stages und <strong>de</strong>s<br />

Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>tes zum „Subsidiaritätsprinzip in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>“ am 8. Mai 1996 in<br />

Bonn, DVBl. 1996, S. 1040 ff.; Gaster, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht,<br />

in: T<strong>im</strong>mermann (Hrsg.), Subsidiarität und Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alismus in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Berlin<br />

1998, S. 19 ff.; Hilz, Subsidiaritätsprinzip und EU-Gemeinschaftsordnung – Anspruch und<br />

Wirklichkeit am Beispiel <strong>de</strong>s Maastricht-Prozesses, Opla<strong>de</strong>n 1998; Hirsch, Die Auswirkungen<br />

<strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips auf die Rechtsetzungsbefugnis <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Gemeinschaften, in: Vorträge, Re<strong>de</strong>n und Berichte aus <strong>de</strong>m Europa-Institut, Sektion<br />

Rechtswissenschaft, hrsg. von Ress/Stein, Saarbrücken 1992, Nr. 330; Hummer,<br />

Subsidiarität und Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alismus als Strukturprinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften,<br />

ZfRV 1992, S. 81 ff.; Jachtenfuchs, Die EG nach Maastricht – <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip<br />

und die Zukunft <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion, EA 1992, S. 279 ff.; Kahil, Europäisches Sozialrecht und<br />

Subsidiarität, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995; Kenntner, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprotokoll <strong>de</strong>s Amsterdamer<br />

Vert<strong>ra</strong>gs, NJW 1998, S. 2871 ff.; Konow, Zum Subsidiaritätsprinzip <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von<br />

Maastricht, DÖV 1993, S. 405 ff.; Langer, Subsidiarität durch Verfahren, in: Scholz<br />

(Hrsg.), Europäische Integ<strong>ra</strong>tion – Schon eine „<strong>Union</strong> <strong>de</strong>s Rechts“?, S. 182 ff.; Lecheler,


258<br />

Thomas von Aquin (1225 – 1274) und <strong>de</strong>m Protestanten Johann Althusius (1562 – 1638):<br />

Während ersterer die Gefahr darin sah, daß ein Übermaß an Vereinheitlichung und<br />

Gleichschaltung <strong>de</strong>n Bestand <strong>de</strong>s „aus verschie<strong>de</strong>nen Gebil<strong>de</strong>n zusammengesetzten<br />

Gemeinwesens“ bedrohte, war <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiaritätsgedanke für letzteren Bestandteil seiner sog.<br />

Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>altheologie. 1036 Auch diente das Prinzip auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Em<strong>de</strong>ner Syno<strong>de</strong> von 1571 als<br />

Grundlage <strong>de</strong>s calvinistischen Kirchenrechts. 1037 Schließlich fand das Subsidiaritätsprinzip<br />

durch die von Papst Pius XI. he<strong>ra</strong>usgegebene Sozialenzyklika „Quad<strong>ra</strong>ges<strong>im</strong>o anno“ 1038<br />

aus<br />

<strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip – Strukturprinzip einer europäischen <strong>Union</strong>, Berlin 1993; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />

Einheitsbildung und Subsidiarität, in: Netteshe<strong>im</strong>/Schie<strong>ra</strong> (Hrsg.), Der integrierte Staat,<br />

Berlin 1999, S. 95 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Subsidiarität <strong>im</strong> künftigen Europa, Köln 1991; Merten,<br />

Subsidiarität als Verfassungsprinzip, in: Merten (Hrsg.), Die Subsidiarität Europas, Berlin<br />

1993, S. 77 ff.; Müller-Dehn, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip in <strong><strong>de</strong>r</strong> offenen europäischen<br />

Gesellschaft, in: Scholz (Hrsg.), Europäische Integ<strong>ra</strong>tion – Schon eine „<strong>Union</strong> <strong>de</strong>s Rechts“?,<br />

Köln 1996, S. 171 ff.; Nicolaysen, Funktionalität und Kontrolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität, in:<br />

Wei<strong>de</strong>nfeld (Hrsg.), Fn. 1016, S. 156 ff.; Pieper, Subsidiarität – Ein Beit<strong>ra</strong>g zur Begrenzung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftskompetenzen, Köln – Berlin – Bonn – München 1994; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />

Subsidiaritätsprinzip – Strukturprinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, DVBl. 1993, S. 705 ff.;<br />

Roh<strong>de</strong>, Subsidiarität – katholische Soziallehre und Europarecht, BayVBl. 1994, S. 488 ff.;<br />

Schelter, Subsidiarität – Handlungsprinzip für das Europa <strong><strong>de</strong>r</strong> Zukunft, EuZW 1990,<br />

S. 217 ff.; Sch<strong>im</strong>a, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip <strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrecht, Wien<br />

1994; Schnabel, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip <strong>im</strong> Vert<strong>ra</strong>g über die Europäische <strong>Union</strong>,<br />

BayVBl. 1993, S. 393 ff.; Schweitzer/Fixson, Subsidiarität und Regionalismus in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft, Ju<strong>ra</strong> 1992, S. 579 ff.; Stein, Die Europäische <strong>Union</strong> nach <strong>de</strong>m<br />

Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam: Subsidiarität, T<strong>ra</strong>nsparenz und Bürgernähe, in: Hummer (Hrsg.),<br />

Die Europäische <strong>Union</strong> nach <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam, Wien 1998, S. 141 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />

Subsidiarität als Rechtsprinzip?, in: Merten (Hrsg.), Die Subsidiarität Europas, Berlin 1993,<br />

S. 23 ff.; Stewing, Subsidiarität und Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alismus in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Köln – Berlin<br />

– Bonn – München 1992.<br />

1035<br />

So auch Lecheler, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip, Fn. 1034, S. 31; Pieper, Subsidiarität,<br />

Fn. 1034, S. 34.<br />

1036<br />

Vgl. Pieper, Subsidiaritätsprinzip, Fn. 1034, S. 705 ff., 706.<br />

1037<br />

Vgl. Gaster, Fn. 1034, S. 21.<br />

1038<br />

AAS 23 (1931), S. 177 – 228, Ziff. 79 f.: „Wie dasjenige, was <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelmensch aus<br />

eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gesellschaftstätigkeit zugewiesen wer<strong>de</strong>n darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das,<br />

was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten En<strong>de</strong> führen<br />

können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen [...].<br />

Jedwe<strong>de</strong> Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen nach subsidiär. [...] Je besser durch<br />

strenge Beobachtung <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität die Stufenordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen


259<br />

<strong>de</strong>m Jahre 1931 – diese geht inhaltlich auf die Jesuiten Oswald von Nell-Breuning und Gustav<br />

Gundlach zurück 1039 – neben <strong>de</strong>n Prinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> Personalität und Solidarität in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

katholischen Soziallehre seinen festen Platz. 1040 War das Prinzip anfangs nur auf jedwe<strong>de</strong><br />

Gesellschaftstätigkeit beschränkt, so wur<strong>de</strong> es durch die Enzyklika „Pacem in terris“ auf das<br />

Verhältnis staatlicher zu überstaatlichen Instanzen ausge<strong>de</strong>hnt. 1041<br />

<strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip besagt vereinfacht ausgedrückt, daß die größere Einheit nur dann<br />

eine Aufgabe erfüllen soll, soweit diese nicht von einer kleineren Einheit zufrie<strong>de</strong>nstellend<br />

wahrgenommen wer<strong>de</strong>n kann. 1042 Da<strong>ra</strong>us folgt zunächst zweierlei: Erstens besteht für die<br />

übergeordnete Instanz die Pflicht, nicht sogleich tätig zu wer<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n zuerst zu prüfen, ob<br />

überhaupt Handlungsbedarf besteht; zweitens sind die kleineren, sachnäheren Instanzen zur<br />

effektiven Entlastung <strong><strong>de</strong>r</strong> übergeordneten Instanz zu stärken. 1043<br />

Zu prüfen wird <strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>n sein, inwieweit dieses Prinzip jüdisch-christlichen Ursprungs<br />

dazu beit<strong>ra</strong>gen kann, nationale Rechtspositionen dieser und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Religionsgemeinschaften<br />

zu schützen. Viele <strong>de</strong>utsche Staatskirchenrechtler je<strong>de</strong>nfalls sehen das Subsidiaritätsprinzip<br />

Vergesellschaftung innegehalten wird, um so stärker stehen gesellschaftliche Autorität und<br />

gesellschaftliche Wirkk<strong>ra</strong>ft da, um so besser und glücklicher ist es auch um <strong>de</strong>n Staat<br />

bestellt.“; vgl. die ungekürzten Zitate bei Lecheler, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip, Fn. 1034,<br />

S. 30; Stewing, Fn. 1034, S. 7 f.<br />

1039 Vgl. auch Lecheler, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip, Fn. 1034, S. 31; Pieper, Subsidiarität,<br />

Fn. 1034, S. 36.<br />

1040 Vgl. hierzu Hattenhauer, Fn. 6, S. 694; Lecheler, Subsidiarität, Fn. 1034, S. 7 f.; Roh<strong>de</strong>,<br />

Fn. 1034, S. 488 f.<br />

1041 Vgl. Ziff. 140 f.: „Wie in <strong>de</strong>n Einzelstaaten die Beziehungen zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen<br />

Gewalt und <strong>de</strong>n Bürgern, <strong>de</strong>n Familien und zwischen ihnen und <strong>de</strong>m Staat stehen<strong>de</strong>n<br />

Verbän<strong>de</strong>n durch das Subsidiaritätsprinzip gelenkt und geordnet wer<strong>de</strong>n müssen, so müssen<br />

durch dieses Prinzip natürlich auch jene Beziehungen geregelt wer<strong>de</strong>n, welche zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Autorität <strong><strong>de</strong>r</strong> universalen politischen Gewalt und <strong>de</strong>n Staatsgewalten <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen<br />

Nationen bestehen. [...] Es ist natürlich nicht Aufgabe dieser universalen Autorität, <strong>de</strong>n<br />

Machtbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelstaaten einzuschränken o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihre Angelegenheiten an sich zu<br />

ziehen. [...]“; abgedruckt bei Hilz, Fn. 1034, S. 35; vgl. außer<strong>de</strong>m Lecheler, <strong>Das</strong><br />

Subsidiaritätsprinzip, Fn. 1034, S. 32; Pieper, Subsidiarität, Fn. 1034, S. 35.<br />

1042 Vgl. z.B. Gaster, Fn. 1034, S. 22; Schweitzer/Fixson, Fn. 1034, S. 579. Daher be<strong>de</strong>utet die<br />

Verwendung <strong>de</strong>s Begriffs „subsidiär“ nicht „hilfsweise“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „ersatzweise“, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n geht<br />

zurück auf <strong>de</strong>n lateinischen Begriff „subsidium“, was soviel wie „Hilfeleistung“, „Unterstützung“<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> „För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung“ meint, vgl. Lecheler, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip, Fn. 1034, S. 31.<br />

1043 Ähnlich Kirchhof, Fn. 18, S. 969.


260<br />

als Rettungsanker <strong>de</strong>s nationalen <strong>Religionsrecht</strong>s i.R.d. fortschreiten<strong>de</strong>n Integ<strong>ra</strong>tionsprozesses<br />

an.<br />

Im gemeinschaftlichen Pr<strong>im</strong>ärrecht war das einem europäischen Zent<strong>ra</strong>lismus f<strong>ra</strong>nzösischen<br />

Zuschnitts entgegenwirken<strong>de</strong> Prinzip anfangs nicht ve<strong>ra</strong>nkert, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> erst durch die<br />

EEA i.R.d. Umweltkapitels in Art. 174 (ex-Art. 130r) Abs. 4 EGV a.F. eingefügt. 1044 Zuvor<br />

gab es jedoch schon diverse Versuche zur Einführung dieses Prinzips auf<br />

Gemeinschaftsebene. 1045<br />

b) Ve<strong>ra</strong>nkerung <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Maastricht<br />

<strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip, das aufgrund von unterschiedlich motivierten Initiativen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland und <strong>de</strong>s Vereinigten Königreichs 1046 in <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von<br />

Maastricht vom 7. Februar 1992 1047<br />

aufgenommen und somit durch die ausdrückliche<br />

Normierung <strong>de</strong>s Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 2 EGV auf alle nicht in die ausschließliche<br />

Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft fallen<strong>de</strong>n Materien ausgeweitet wur<strong>de</strong>, hat über <strong>de</strong>n EG-Vert<strong>ra</strong>g<br />

hinaus auch Be<strong>de</strong>utung für die gesamte EU, da Art. 2 (ex-Art. B Abs. 2) EUV eine<br />

Verwirklichung unionsrechtlicher Ziele nur unter Beachtung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips nach<br />

Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV zuläßt. Aus diesem Grun<strong>de</strong> konnte auf die ausdrückliche Erwähnung<br />

<strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips <strong>im</strong> Verfahren <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> „Dritten Säule“ (ZBJI), wie<br />

dies noch in Art. K.3 Abs. 2 lit. b EUV a.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall war, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Neufassung <strong>de</strong>s Art. 31 EUV<br />

verzichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

c) Erste Konkretisierungen<br />

Am 25. Oktober 1993 wur<strong>de</strong> die Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen <strong>de</strong>m EP, <strong>de</strong>m Rat<br />

und <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission über die Verfahren zur Anwendung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips<br />

beschlossen, 1048<br />

wodurch die Überwachung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips gemäß <strong>de</strong>n Best<strong>im</strong>-<br />

mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge sichergestellt wer<strong>de</strong>n sollte; vo<strong>ra</strong>usgegangen war dieser Vereinbarung<br />

die Mitteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission an <strong>de</strong>n Rat und das EP zum Subsidiaritätsprinzip vom 27.<br />

1044<br />

Vgl. hierzu Lecheler, Subsidiarität, Fn. 1034, S. 10; Schweitzer/Fixson, Fn. 1034, S. 580.<br />

1045<br />

Vgl. hierzu Kenntner, Fn. 1034, S. 2872.<br />

1046<br />

Vgl. nur Hilz, Fn. 1034, S. 76 ff., 82 f.; Konow, Fn. 1034, S. 406; Sch<strong>im</strong>a, Fn. 1034,<br />

S. 51 ff.<br />

1047<br />

ABl. 1992, Nr. C 191, S. 1 ff.; ABl. 1992, Nr. C 224, S. 1 ff.<br />

1048<br />

Agence Europe, Dokument Nr. 1857 vom 4.11.1993; Wei<strong>de</strong>nfeld, (Hrsg.), Fn. 1016,<br />

S. 367 – 369; allerdings war <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH als – gemäß Art. 220 (ex-Art. 164) EGV zur<br />

Überwachung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts maßgebliches – Gemeinschaftsorgan an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

genannten Vereinbarung nicht beteiligt.


261<br />

Oktober 1992. 1049 Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> unbest<strong>im</strong>mten Gene<strong>ra</strong>lklauseln („nicht ausreichend“;<br />

„besser“) wur<strong>de</strong> vom <strong>Europäischen</strong> Rat in Edinburgh am 11./12. Dezember 1992 darüber<br />

hinaus ein Gesamtkonzept für die Anwendung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips 1050<br />

angenommen,<br />

welches die Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV durch Leitlinien konkretisieren sollte.<br />

d) Weitere Präzisierungen durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam<br />

Durch das vor allem auf Bestrebungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten Deutschland, Österreich und<br />

Belgien durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam in <strong>de</strong>n EG-Vert<strong>ra</strong>g eingefügte Protokoll über die<br />

Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit wur<strong>de</strong> das<br />

Subsidiaritätsprinzip <strong>de</strong>s Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV weiter präzisiert, wobei das Gesamtkonzept<br />

vom 12. Dezember 1992 als Anhaltspunkt zugrun<strong>de</strong> lag.<br />

Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> neuerlichen Konkretisierung han<strong>de</strong>lt es sich hierbei um einen Kompromiß, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

F<strong>ra</strong>gen offenläßt. Ein Mehr an Eindämmung gemeinschaftsrechtlicher Regelungsflut war<br />

in<strong>de</strong>s nicht zu erreichen, da einige Mitgliedstaaten ebenso wie die Kommission die<br />

Befürchtung hegten, hierdurch könne die weitere Vertiefung <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion zum Stillstand<br />

kommen. 1051 F<strong>ra</strong>glich ist, ob das <strong>de</strong>taillierte Gesamtkonzept <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Rates für die<br />

Anwendung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips, das nach <strong>de</strong>m 4. Erwägungsgrund <strong>de</strong>s Protokolls<br />

„weiterhin die Richtschnur für das Han<strong>de</strong>ln <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane sowie für die<br />

Weiterentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips bil<strong>de</strong>n“ soll, ebenfalls Inhalt<br />

<strong>de</strong>s Protokolls und damit integrieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Bestandteil <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts gewor<strong>de</strong>n ist. 1052<br />

Angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> rechtlichen Unverbindlichkeit von Präambeln und <strong>de</strong>m insofern nicht<br />

ein<strong>de</strong>utigen Wortlaut („Richtschnur“), wird man von einer konstitutiven Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaftsorgane über die Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Protokolls hinaus nicht ausgehen können.<br />

1049 SEK (92) 1990 endg.; Wei<strong>de</strong>nfeld, Fn. 1016, S. 311 – 335; <strong><strong>de</strong>r</strong> Anhang <strong>de</strong>s Dokuments (vgl.<br />

Wei<strong>de</strong>nfeld, a.a.O., S. 315 ff.) beinhaltet eine umfassen<strong>de</strong> Ausarbeitung zum Subsidiaritätsprinzip,<br />

insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e zu <strong>de</strong>n Kompetenzen zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten<br />

sowie eine Auflistung verschie<strong>de</strong>ner Möglichkeiten zur Sicherstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Einhaltung <strong>de</strong>s<br />

Prinzips.<br />

1050 Bulletin, Presse- und Informationsamt <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sregierung, Nr. 140 vom 28.12.1992,<br />

Wei<strong>de</strong>nfeld, Fn. 1016, S. 337 – 350; die „Schlüsselrolle“ zur Einhaltung <strong>de</strong>s Prinzips wur<strong>de</strong><br />

aufgrund ihres Initiativrechts bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission angesie<strong>de</strong>lt, vgl. Gesamtkonzept,<br />

Wei<strong>de</strong>nfeld, a.a.O., S. 343, während auch hier – mangels Kompetenz – keine Überprüfungsmöglichkeit<br />

durch <strong>de</strong>n EuGH ausgesprochen wer<strong>de</strong>n konnte.<br />

1051 Vgl. Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 96.<br />

1052 So je<strong>de</strong>nfalls Stein, Die Europäische <strong>Union</strong>, Fn. 1034, S. 147.


262<br />

aa) Protokoll Nr. 30 über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verhältnismäßigkeit<br />

<strong>Das</strong> Protokoll dient <strong><strong>de</strong>r</strong> „Präzisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kriterien für die Anwendung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips“<br />

1053 und schafft auf diese Weise einen Rahmen, <strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong>de</strong>s<br />

Art. 5 (ex- Art. 3b) EGV i.R.d. <strong><strong>de</strong>r</strong> üblichen Klageverfahren zu beachten hat. 1054 Durch das<br />

Subsidiaritätsprinzip, welches für alle Gemeinschaftsorgane zu beachten ist, 1055 wer<strong>de</strong>n<br />

allerdings we<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht 1056 noch die<br />

Befugnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft pauschal eingeschränkt; vielmehr wird das Prinzip zur<br />

Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft „dynamisch“ angewandt, was <strong>im</strong> Einzelfall dazu<br />

führen kann, daß die Gemeinschaft trotz vorhan<strong>de</strong>ner Befugnisse nicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> nur eingeschränkt<br />

tätig wird; an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits soll das Subsidiaritätsprinzip <strong>im</strong> Einzelfall auch zur erweiterten (!)<br />

Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft führen können. 1057 Zur Sicherstellung mitgliedstaatlicher<br />

Kompetenzen bedarf daher je<strong>de</strong>s gemeinschaftliche Tätigwer<strong>de</strong>n in Bereichen, die nicht in die<br />

ausschließliche Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft fallen, einer rechtfertigen<strong>de</strong>n Begründung,<br />

warum das Gemeinschaftsziel besser auf Gemeinschaftsebene als auf mitgliedstaatlicher<br />

Ebene erreicht wer<strong>de</strong>n kann. 1058 Als verfahrensrechtliche Sicherung soll die Kommission<br />

daher vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterbreitung von Rechtsetzungsvorschlägen umfassen<strong>de</strong> Anhörungen durchführen<br />

und die Sachdienlichkeit ihrer Vorschläge unter <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips<br />

begrün<strong>de</strong>n. 1059 EP und Rat sind <strong>im</strong> Rahmen ihrer Beteiligung <strong>im</strong> Rechtsetzungsverfahren zur<br />

Überprüfung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommissionsvorschläge mit <strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzip aufgerufen. 1060<br />

Schließlich wird die Einhaltung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips gemäß <strong>de</strong>n Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s<br />

Vert<strong>ra</strong>gs geprüft. 1061 Damit ist es nach Art. 220 (ex-Art. 164) EGV durch <strong>de</strong>n EuGH<br />

überprüfbar und <strong><strong>de</strong>r</strong> Streit über das „Ob“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Justitiabilität ausgeräumt. 1062<br />

Von großer inhaltlicher Be<strong>de</strong>utung ist vor allem die auf das Betreiben <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen<br />

Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> zurückgehen<strong>de</strong> Festlegung, daß eine Gemeinschaftsmaßnahme nur erlassen<br />

1053<br />

Vgl. 1. Erwägungsgrund <strong>de</strong>s Protokolls.<br />

1054<br />

Vgl. Ziff. 13 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />

1055<br />

Vgl. Ziff. 1 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />

1056<br />

Vgl. Ziff. 2 <strong>de</strong>s Protokolls; Rs. 6/64 (Costa/E.N.E.L.), Slg. 1964, S. 1251 ff., 1269 ff.,<br />

Rz. 12, s.o. Fn. 451.<br />

1057<br />

Vgl. Ziff. 3 <strong>de</strong>s Protokolls; dies kritisiert zu Recht Kenntner, Fn. 1034, S. 2871.<br />

1058<br />

Vgl. Ziff. 4 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />

1059<br />

Vgl. Ziff. 9, 1. u. 2. Spiegelstrich <strong>de</strong>s Protokolls.<br />

1060<br />

Vgl. Ziff. 11 u. 12 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />

1061<br />

Vgl. Ziff. 13 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />

1062<br />

So auch Ukrow, Fn. 548, S. 157.


263<br />

wer<strong>de</strong>n darf, wenn die folgen<strong>de</strong>n zwei Bedingungen kumulativ erfüllt sind 1063 : Die Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

in Bet<strong>ra</strong>cht gezogenen Maßnahmen wer<strong>de</strong>n nicht ausreichend durch Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten <strong>im</strong> Rahmen ihrer Verfassungsordnung 1064 , son<strong><strong>de</strong>r</strong>n besser durch Maßnahmen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft erreicht. 1065 Bei<strong>de</strong> Vo<strong>ra</strong>ussetzungen seien insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e erfüllt, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> zu<br />

regeln<strong>de</strong> Bereich „t<strong>ra</strong>nsnationale Aspekte“ aufweise, die durch Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

nicht ausreichend geregelt wer<strong>de</strong>n könnten, alleinige Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Fehlen von Gemeinschaftsmaßnahmen gegen die Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs<br />

verstoßen wür<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene <strong>im</strong> Vergleich zu<br />

mitgliedstaatlichen Maßnahmen „<strong>de</strong>utliche Vorteile“ mit sich brächten. 1066 Die soeben<br />

aufgezählten Leitlinien dürfen jedoch m.E. keinesfalls so verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um<br />

nur ein Kriterium („nicht ausreichend“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „besser“) als ausreichend e<strong>ra</strong>chtet wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Bewährte nationale Regelungen sowie Struktur und Funktionsweise mitgliedstaatlicher<br />

Rechtssysteme, die <strong>im</strong> Einklang mit Zielen und Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs stehen, hat<br />

die Gemeinschaft zu achten. 1067<br />

<strong>Das</strong> Subsidiaritätsprotokoll ist nach Art. 311 (ex-Art. 239) EGV Bestandteil <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs.<br />

Damit han<strong>de</strong>lt es sich um pr<strong>im</strong>äres Gemeinschaftsrecht, das <strong>de</strong>n übrigen Vert<strong>ra</strong>gsbest<strong>im</strong>mungen<br />

– also selbst Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 2 EGV – gleich<strong>ra</strong>ngig ist. 1068<br />

Durch das Protokoll wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> bisher weite Auslegungsspiel<strong>ra</strong>um, <strong><strong>de</strong>r</strong> in Art. 3b EGV a.F.<br />

insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>, aber auch von vielen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en St<strong>im</strong>men in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Lite<strong>ra</strong>tur bemängelt wur<strong>de</strong>, pr<strong>im</strong>ärrechtlich durch weitere Konkretisierung zwar<br />

eingeschränkt, bleibt jedoch <strong>im</strong> Grundsatz nach wie vor bestehen.<br />

bb) Erklärungen<br />

Neben <strong>de</strong>m eigentlichen Subsidiaritätsprotokoll wur<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte zum Amsterdamer<br />

Vert<strong>ra</strong>g zwei weitere Erklärungen beigefügt:<br />

1063<br />

So auch Borchmann, Amsterdam – We<strong><strong>de</strong>r</strong> kleine Taten noch „Reförmchen“!, EuZW 1997,<br />

S. 513; Koenig/Ha<strong>ra</strong>tsch, Fn. 687, Rdnr. 60.<br />

1064<br />

Die Ziele müssen nicht nur von <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten selbst, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n können auch durch<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gebietskörperschaften (z.B. Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>) erreicht wer<strong>de</strong>n, vgl. die zur Kenntnis<br />

genommene Erklärung Deutschlands, Österreichs und Belgiens zur Subsidiarität, Erklärung<br />

Nr. 3 zur Schlußakte <strong>de</strong>s AV, s.o. G.I.1.d)bb)(2).<br />

1065<br />

Vgl. Ziff. 5 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />

1066<br />

Vgl. Ziff. 5 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />

1067<br />

Vgl. Ziff. 7 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />

1068<br />

Vgl. Geiger, EGV, Art. 239, Rdnr. 2.


264<br />

(1) Erklärung Nr. 43 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte zum Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g zum Protokoll über die<br />

Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit<br />

Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um eine gemeinsame Erklärung folgen<strong>de</strong>n Wortlauts:<br />

„Die Hohen Vert<strong>ra</strong>gsparteien bekräftigen zum einen die <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte zum Vert<strong>ra</strong>g über die<br />

Europäische <strong>Union</strong> beigefügte Erklärung zur Anwendung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts und zum<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>en die Schlußfolgerungen <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Rates von Essen, wonach die administ<strong>ra</strong>tive<br />

[d.h. verwaltungsmäßige] Durchführung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts grundsätzlich Sache <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften bleibt. Die Aufsichts-,<br />

Kontroll- und Durchführungsbefugnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane nach <strong>de</strong>n Artikeln 202<br />

(ex-Art. 145) und 211 (ex-Art. 155) <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft<br />

bleiben hiervon unberührt.“<br />

(2) Erklärung Deutschlands, Österreichs und Belgiens zur Subsidiarität<br />

Diese Erklärung Nr. 3 zum AV wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten lediglich zur Kenntnis<br />

genommen. Sie hat folgen<strong>de</strong>n Wortlaut:<br />

„Die Regierungen Deutschlands, Österreichs und Belgiens gehen davon aus, daß die<br />

Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft gemäß <strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzip nicht nur die<br />

Mitgliedstaaten betreffen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong><strong>de</strong>r</strong>en Gebietskörperschaften, soweit diese nach<br />

nationalem Verfassungsrecht eigene gesetzgeberische Befugnisse besitzen.“<br />

Diese Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ativen Staaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zielt vor allem auf die Ziff. 5 <strong>de</strong>s<br />

Subsidiaritätsprotokolls.<br />

2. Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips<br />

<strong>Das</strong> <strong>Religionsrecht</strong> stellt keinen Bereich dar, <strong><strong>de</strong>r</strong> in die ausschließliche Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft fällt; hiervon wäre nur dann auszugehen, wenn die Mitgliedstaaten durch<br />

Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten <strong>im</strong> betreffen<strong>de</strong>n Bereich nicht mehr handlungsbefugt wären,<br />

unabhängig davon, ob ein konkretes Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft vorliegt. 1069<br />

An keiner<br />

1069<br />

Vgl. Ukrow, Fn. 548, S. 147. Beispiele ausschließlicher Gemeinschaftskompetenz fin<strong>de</strong>n<br />

sich in Art. 26 (ex-Art. 28) EGV [Festlegung von Zolltarifen], Art. 33 (ex-Art. 39) EGV<br />

[gemeinsame Organisation <strong><strong>de</strong>r</strong> Ag<strong>ra</strong>rmärkte], Art. 133 (ex-Art. 113) EGV [gemeinsame<br />

Han<strong>de</strong>lspolitik]; Art. 71 (ex-Art. 75) EGV [wesentliche Elemente <strong><strong>de</strong>r</strong> Verkehrspolitik] und


265<br />

Stelle <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs o<strong><strong>de</strong>r</strong> EU-Vert<strong>ra</strong>gs ist jedoch von einer Übert<strong>ra</strong>gung von<br />

mitgliedstaatlichen Hoheitsrechten <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s die Re<strong>de</strong>. Bereiche <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

konkurrieren<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> pa<strong>ra</strong>llelen Zuständigkeit – hier dürfen sowohl die Gemeinschaft als<br />

auch die Mitgliedstaaten han<strong>de</strong>ln – stellen <strong>de</strong>mgegenüber <strong>de</strong>n Regelfall dar und wer<strong>de</strong>n meist<br />

durch Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften geregelt. 1070<br />

Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ist daher nur möglich, sofern Maßnahmen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten nicht ausreichend und (kumulativ) Umfang und Wirkungen besser auf<br />

Gemeinschaftsebene erreicht wer<strong>de</strong>n können.<br />

Die Kompromißvorschrift <strong>de</strong>s Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV setzt damit sowohl einen<br />

Notwendigkeitsmaßstab („nicht ausreichend“) als auch ein Effektivitätskriterium („besser“)<br />

vo<strong>ra</strong>us. 1071 Soweit also die Mitgliedstaaten ein Ziel durch eigene Maßnahmen ausreichend<br />

erreichen können, darf ein Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nicht erfolgen. Der Begriff<br />

„ausreichend“ (suffisante) setzt keine opt<strong>im</strong>ale o<strong><strong>de</strong>r</strong> bessere Aufgabenerfüllbarkeit durch die<br />

Mitgliedstaaten vo<strong>ra</strong>us. Ebenfalls ist nicht erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, daß die Mitgliedstaaten eine<br />

best<strong>im</strong>mte Aufgabe bereits wahrnehmen. 1072 Allerdings genügt es zur Belassung einer<br />

Kompetenz bei <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten nicht, wenn nur mehrere Mitgliedstaaten eine Maßnahme<br />

ausreichend verwirklichen können; vielmehr muß dies bei sämtlichen Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall<br />

sein. 1073<br />

Der Gemeinschaft fällt die Argumentationslast zu, warum <strong>im</strong> konkreten Fall die Maßnahmen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten nicht ausreichend und daher auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene besser zu<br />

erreichen sein sollen; sie hat dies nachvollziehbar darzulegen. 1074<br />

Damit ist – ähnlich wie <strong>im</strong><br />

Bereich <strong>de</strong>s Regel-Ausnahme-Verhältnisses <strong>de</strong>s Art. 30/70 GG – von einer Vermutung<br />

mitgliedstaatlicher Kompetenzen auszugehen.<br />

Soweit feststeht, daß die Mitgliedstaaten eine best<strong>im</strong>mte Maßnahme nicht ausreichend<br />

erreichen können, muß geprüft wer<strong>de</strong>n, ob die Gemeinschaft hierzu „besser“ in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage ist.<br />

Art. 123 (ex-Art. 109l) EGV [gemeinsame Währungspolitik nach <strong>de</strong>m Eintritt in die „dritte<br />

Stufe“]; vgl. hierzu Mitteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission an <strong>de</strong>n Rat und das EP zum<br />

Subsidiaritätsprinzip vom 27.Oktober 1992, Fn. 1049, S. 321 ff., 323; vgl. auch Kahil,<br />

Fn. 1034, S. 90; Stein, Subsidiarität, Fn. 1034, S. 32 f.<br />

1070<br />

Ress, Fn. 415, S. 948.<br />

1071<br />

Vgl. zu <strong>de</strong>n Begrifflichkeiten und <strong>de</strong>n unterschiedlichen dahinter stehen<strong>de</strong>n Ansätzen:<br />

Hummer, Fn. 1034, S. 82 f.; Kenntner, Fn. 1034, S. 2872 f.<br />

1072<br />

Pechstein/Koenig, Fn. 64, Rdnr. 161.<br />

1073<br />

Hirsch, Fn. 1034, S. 9.<br />

1074<br />

Hirsch, Fn. 1034, S. 10; Ress, Fn. 777, S. 990.<br />

Ein


266<br />

Die Aufgabenerfüllung auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsebene muß somit <strong>de</strong>utliche Vorteile bringen. 1075<br />

Wenn we<strong><strong>de</strong>r</strong> durch die Mitgliedstaaten noch durch die Gemeinschaft die Erreichung <strong>de</strong>s<br />

angestrebten Ziels ausreichend sichergestellt ist, darf die Gemeinschaft nicht tätig wer<strong>de</strong>n. 1076<br />

<strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip muß so verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß es erst auf künftige Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaftsorgane, d.h. auf solche nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Ratifizierung <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Maastricht,<br />

anzuwen<strong>de</strong>n ist, da es sich hierbei nicht um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts han<strong>de</strong>lt, welcher schon vor Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s Maastrichter <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>gs<br />

anzuwen<strong>de</strong>n wäre. 1077 Die z.T. vertretene Auffassung, daß auch bereits zuvor bestehen<strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrecht am Subsidiaritätsprinzip gemessen wer<strong>de</strong>n müsse, 1078<br />

ist schon aus <strong>de</strong>m<br />

Grund abzulehnen, weil zum Zeitpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> früheren Rechtsakte eine<br />

Kompetenzausübungssch<strong>ra</strong>nke <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nicht bestand. Eine nachträgliche<br />

Rückverlagerung nunmehr ungerechtfertigter Kompetenzausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ist zwar<br />

wünschenswert, von Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten nicht aber rechtlich einfor<strong><strong>de</strong>r</strong>bar.<br />

3. Justitiabilität<br />

So sinnvoll und zweckmäßig das Subsidiaritätsprinzip in <strong><strong>de</strong>r</strong> Theorie auch sein mag, die<br />

St<strong>im</strong>men in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lite<strong>ra</strong>tur geben sich fast ausnahmslos kritisch, soweit über <strong>de</strong>ssen Effizienz in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis reflektiert wird. Grund hierfür ist in erster Linie, daß infolge <strong>de</strong>s Prinzips zwar<br />

Aufgaben und Kompetenzen auf eine untere Ebene verlagert wer<strong>de</strong>n, die Beurteilung seiner<br />

Anwendung aber <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen selbst obliegt. Entscheidungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaftsorgane sind überdies nur eingeschränkt durch <strong>de</strong>n EuGH überprüfbar.<br />

1075 Pechstein/Koenig, Fn. 64, Rdnr. 161 m.w.N., dort Fn. 127.<br />

1076 So zutreffend Hirsch, Fn. 1034, S. 10; Sch<strong>im</strong>a, Fn. 1034, S. 105, weist zur Begründung<br />

da<strong>ra</strong>uf hin, daß zwei geson<strong><strong>de</strong>r</strong>te Prüfungen durchzuführen sind, will man <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>gstext<br />

keine Redundanz unterstellen.<br />

1077 Vgl. EuG, Rs. T-29/92 (Vereniging van Samenwerken<strong>de</strong> Prijsregelen<strong>de</strong> Organisaties in <strong>de</strong><br />

Bouwnijverheid (SPO) u.a./Kommission), Slg. 1995, S. II-289 ff., 394, Rz. 330 f.; EuGH,<br />

verb. Rs. C-36/97 und C-37/97 (Hilmar Kellinghusen u.a./Amt für Land- und Wasserwirtschaft<br />

Kiel u.a.), Slg. 1998, S. I-6349 ff., 6363, Rz. 35: „<strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip <strong>de</strong>s Artikels<br />

3b Absatz 2 EG-Vert<strong>ra</strong>g schließlich war <strong>im</strong> Zeitpunkt <strong>de</strong>s Erlasses <strong><strong>de</strong>r</strong> Verordnungen<br />

Nrn. 1765/92 und 2066/92 noch nicht in K<strong>ra</strong>ft; ihm kommt keine Rückwirkung zu.“<br />

1078 Schwarze, Kompetenzverteilung in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> und fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ales Gleichgewicht –<br />

Zu <strong>de</strong>n For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Hinblick auf die Regierungskonferenz<br />

1996, DVBl. 1995, S. 1265 ff., 1269 m.w.N.


267<br />

In Ziffer 13 <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprotokolls wur<strong>de</strong> nun aber ausdrücklich festgelegt, daß <strong>de</strong>m<br />

Subsidiaritätsprinzip nicht nur politische Relevanz zukommt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n daß es sich hierbei um<br />

eine durch <strong>de</strong>n EuGH justitiable Rechtsvorschrift han<strong>de</strong>lt. 1079 So kann dieser in formeller<br />

Hinsicht überprüfen, ob die Gemeinschaftsorgane ihren Pflichten zur Begründung (Ziffer 4<br />

<strong>de</strong>s Protokolls 1080 ) und <strong><strong>de</strong>r</strong> Anhörung (Ziffer 9, 1. u. 2. Spiegelstrich <strong>de</strong>s Protokolls)<br />

nachgekommen sind und inwieweit es sich um eine Maßnahme <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht<br />

ausschließlichen Kompetenz han<strong>de</strong>lt. 1081 In materieller Hinsicht dagegen ist das Prinzip sehr<br />

unbest<strong>im</strong>mt und entspricht ansatzweise <strong><strong>de</strong>r</strong> Konstruktion <strong>de</strong>s Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG a.F., 1082<br />

welcher <strong><strong>de</strong>r</strong> Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n dienen sollte. In <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vergangenheit wur<strong>de</strong> vom BVerfG jedoch das „Bedürfnis für eine bun<strong>de</strong>seinheitliche<br />

Regelung“ aufgrund bestehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Beurteilungsspielräume für <strong>de</strong>n Gesetzgeber meist<br />

bejaht, 1083 was einen stark unitarisieren<strong>de</strong>n Effekt <strong>im</strong> Verhältnis zwischen Bund und Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

bewirkte. 1084 Klaus Stern vert<strong>ra</strong>t sogar die Auffassung, daß „kaum ein Fall <strong>de</strong>nkbar“ sei, in<br />

<strong>de</strong>m es <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>sgesetzgeber nicht gelinge, ein Bedürfnis für die Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit seiner<br />

Legiferierung nachzuweisen. 1085 Ähnlich verhält es sich hier: Der EuGH besitzt aufgrund <strong>de</strong>s<br />

Beurteilungsspiel<strong>ra</strong>ums <strong>de</strong>s Rates nur reduzierte Kontrollmöglichkeiten, 1086 weshalb auch<br />

künftig nur offensichtliche Verletzungen <strong>de</strong>s Prinzips greifbar wer<strong>de</strong>n. 1087<br />

Da die<br />

Subsidiaritätsklausel zu<strong>de</strong>m eine Wertung vo<strong>ra</strong>ussetzt und <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangen-<br />

1079<br />

Vgl. zu diesem Streit z.B. Lecheler, Subsidiarität, Fn. 1034, S. 14.<br />

1080<br />

Diese entspricht <strong>im</strong> wesentlichen <strong><strong>de</strong>r</strong> Darlegungspflicht nach Art. 253 (ex-Art. 190) EGV.<br />

1081<br />

Hirsch, Fn. 1034, S. 15; Sch<strong>im</strong>a, Fn. 1034, S. 150, hält <strong>de</strong>n EuGH lediglich zur Prüfung<br />

befugt, ob die Gemeinschaft die Grenzen ihres Ermessens eingehalten haben und inwieweit<br />

ein offensichtlicher Ermessensmißb<strong>ra</strong>uch vorliegt, gesteht diesem also nur in materieller<br />

Hinsicht Prüfungskompetenzen zu. Für eine solche Verengung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kompetenz <strong>de</strong>s<br />

Gerichtshofs ist jedoch kein Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis erkennbar.<br />

1082<br />

Diesen Vergleich ziehen z.B. auch Schweitzer/Fixson, Fn. 1034, S. 582; Schweitzer,<br />

Fn. 295, S. 54.<br />

1083<br />

Vgl. hierzu BVerfGE 2, S. 213 ff., 224; 10, S. 234 ff., 245; 33, S. 224 ff., 229.<br />

1084<br />

Vgl. Laufer/Thomas Fischer, Zur Kompetenzverteilung zwischen Europäischer <strong>Union</strong> und<br />

<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten, in: Wei<strong>de</strong>nfeld (Hrsg.), Fn. 1016, S. 214 ff., 220.<br />

1085<br />

Stern, <strong>Das</strong> Staatsrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Bd. I, § 19 II 3 b, S. 679; a.A.<br />

Merten, Fn. 1034, S. 95, unter Verweis auf BVerfGE 26, S. 338 ff., 382 f.; 78, S. 249 ff.,<br />

270.<br />

1086<br />

So z.B. Kahil, Fn. 1034, S. 92; Ress, Fn. 415, S. 949.<br />

1087<br />

So auch Everling, Die Rolle <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gerichtshofs, in: Wei<strong>de</strong>nfeld (Hrsg.),<br />

Fn. 1016, S. 256 ff., 263; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 1034, S. 176: „Die Gemeinschaftsorgane wer<strong>de</strong>n zwar<br />

<strong>im</strong> Streitfall darlegen müssen, warum sie die Vo<strong>ra</strong>ussetzung, daß eine Regelung durch die<br />

Mitgliedstaaten nicht ausreicht, bejaht haben. <strong>Das</strong> wird ihnen aber in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel möglich<br />

sein; <strong>de</strong>nn es fin<strong>de</strong>n sich <strong>im</strong>mer Argumente, die für eine Gemeinschaftsregelung sprechen.“


268<br />

heit <strong>im</strong>mer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> als „Motor <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion“ hervorgetan hat, wird es unwahrscheinlich sein,<br />

daß sich das Subsidiaritätsprinzip als echte Hür<strong>de</strong> für die Gemeinschaft erweist. 1088 <strong>Das</strong><br />

Subsidiaritätsprinzip wäre nur dann von p<strong>ra</strong>ktischem Nutzen, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH nunmehr auch<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis vertikale Horizontüberschreitungen zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft und <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten feststellen wür<strong>de</strong>. 1089<br />

Faktische Schwierigkeiten hierbei bestehen überdies,<br />

soweit sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat – als Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Regierungen – einst<strong>im</strong>mig für ein<br />

Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ausgesprochen hat.<br />

Auch scheint <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH zusätzliche Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an die Mitgliedstaaten zu stellen. So hat<br />

er in <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Klage, in welcher er über das Subsidiaritätsprinzip zu befin<strong>de</strong>n hatte, vom<br />

Beschwer<strong>de</strong>führer selbst das Vorbringen einer „autonomen Rüge“ <strong>im</strong> Hinblick auf einen<br />

Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t und es nicht genügen lassen, daß sich dieser<br />

pauschal da<strong>ra</strong>uf berief, <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgesetzgeber habe nicht hinreichend dargetan, daß<br />

dieses Gebiet t<strong>ra</strong>nsnationale Aspekte aufweise, welche durch nationale Maßnahmen nicht<br />

angemessen und daher besser auf Gemeinschaftsebene erreicht wer<strong>de</strong>n könnten. 1090<br />

Zu<strong>de</strong>m hat es <strong>de</strong>n Anschein, als halte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH streng an die Vorlagef<strong>ra</strong>ge und überprüfe<br />

nicht von sich aus die Vereinbarkeit eines Rechtsaktes mit Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV, selbst<br />

wenn vom Beschwer<strong>de</strong>führer gerügt wur<strong>de</strong>, dieser enthalte keine Ausführungen hierzu. 1091<br />

Dies nährt Befürchtungen, daß es sich bei <strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzip mehr um ein „magisches<br />

Wort“ 1092<br />

, <strong>de</strong>nn um ein Handlungsprinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> han<strong>de</strong>lt.<br />

II. <strong>Das</strong> Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />

Im Gegensatz zum Subsidiaritätsprinzip, das die F<strong>ra</strong>ge regelt, ob die Gemeinschaft innerhalb<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> bestehen<strong>de</strong>n konkurrieren<strong>de</strong>n Kompetenzen tätig wer<strong>de</strong>n darf (Kompetenzverteilungsregel<br />

1088<br />

Ähnlich: Wolfgang Loschel<strong><strong>de</strong>r</strong>, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 109. Vgl.<br />

auch die Ausführungen oben C.I.2.c).<br />

1089<br />

So auch Frowein, Fn. 642, S. 322.<br />

1090<br />

EuGH, Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich/Rat), Slg. 1996, S. I-5755 ff., 5808, Rz. 46;<br />

5811, Rz. 55.<br />

1091<br />

Vgl. EuGH, Rs. C-233/94 (Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland/EP und Rat), Slg. 1997,<br />

S. I-2405 ff., 2451, Rz. 22; 2453, Rz. 28.<br />

1092<br />

Constantinesco, Fn. 1034, S. 561.


269<br />

i.w.S.) 1093 , wird durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip geregelt, wie die Gemeinschaft für <strong>de</strong>n<br />

Fall <strong>de</strong>s Tätigwer<strong>de</strong>ns vorzugehen hat (Kompetenzausübungsregel), nämlich so schonend wie<br />

irgend möglich. 1094 Während das Subsidiaritätsprinzip also Vo<strong>ra</strong>ussetzung für <strong>de</strong>n Erlaß einer<br />

Gemeinschaftsrechtsmaßnahme ist, wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur dort relevant,<br />

wo die F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität bereits positiv zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft entschie<strong>de</strong>n<br />

wur<strong>de</strong>. 1095<br />

Der EuGH hatte <strong>de</strong>n Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit als allgemeinen Grundsatz <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts schon früh anerkannt. 1096 Verhältnismäßig sind Maßnahmen nur, wenn<br />

sie zur Erreichung gemeinschaftsrechtlich zulässiger Ziele geeignet und erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sind. 1097<br />

1093<br />

Die Bezeichnung „Kompetenzverteilungsregel“ mag insofern problematisch erscheinen, als<br />

durch das Subsidiaritätsprinzip gemeinschaftsrechtliche Befugnisse nicht generell eingeschränkt<br />

wer<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur die F<strong>ra</strong>ge ihrer Ausübung geregelt wird, vgl. hierzu Everling,<br />

Fn. 1034, S. 173; Kahil, Fn. 1034, S. 94 f.; a.A. Merten, Fn. 1034, S. 81. Im Gegensatz zum<br />

Verhältnismäßigkeitsprinzip, das <strong>im</strong>mer von einer prinzipiellen Zulässigkeit einer gemeinschaftsrechtlichen<br />

Regelung ausgeht, sofern best<strong>im</strong>mte Kriterien <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit<br />

eingehalten wer<strong>de</strong>n, kann das Subsidiaritätsprinzip eine Regelung generell ausschließen,<br />

selbst wenn die Gemeinschaft theoretisch die Kompetenz zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en Erlaß hätte. Aus diesem<br />

Grun<strong>de</strong> wirkt die Kompetenzausübungsregel i.R.d. Subsidiaritätsprinzips wie eine<br />

Kompetenzverteilungsregel, auch wenn sie nicht kompetenzbegrün<strong>de</strong>nd ist und damit keine<br />

Kompetenzsch<strong>ra</strong>nke i.e.S. darstellt; so auch Koenig/Ha<strong>ra</strong>tsch, Fn. 687, Rdnrn. 58, 62.<br />

1094<br />

Pechstein/Koenig, Fn. 64, Rdnr. 159.<br />

1095<br />

Vgl. Schlußanträge <strong>de</strong>s GA Léger vom 12.3.1996 in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. C-84/94 (Vereinigtes<br />

Königreich/Rat), Slg. 1996, S. I-5755 ff., 5783, Rz. 126: „Die bei<strong>de</strong>n Grundsätze entfalten<br />

ihre Wirkung nacheinan<strong><strong>de</strong>r</strong> auf zwei verschie<strong>de</strong>nen Ebenen <strong>de</strong>s Gemeinschaftshan<strong>de</strong>lns:<br />

,Der erste ist Vo<strong>ra</strong>ussetzung für <strong>de</strong>n Erlaß einer Maßnahme durch die Gemeinschaft,<br />

während <strong><strong>de</strong>r</strong> zweite <strong><strong>de</strong>r</strong>en Umfang begrenzt. Hier haben wir es also mit einer Trennung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuständigkeit von <strong><strong>de</strong>r</strong> ihrer Inanspruchnahme zu tun.‘ Der Subsidiaritätsgrundsatz<br />

geht mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Worten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsmaßnahme vo<strong>ra</strong>us, und <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verhältnismäßigkeit folgt ihr nach: ,Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz [...] wird in bezug<br />

auf eine bereits getroffene Maßnahme he<strong>ra</strong>ngezogen und soll eine Überprüfung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Übereinst<strong>im</strong>mung mit <strong>de</strong>n Zielen <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs ermöglichen. Der Subsidiaritätsgrundsatz<br />

entfaltet seine Wirkung zu einem früheren Zeitpunkt, d.h. bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidung, ob eine<br />

Gemeinschaftsmaßnahme getroffen wer<strong>de</strong>n soll o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht.‘“<br />

1096<br />

EuGH, Rs. 8/55 (Fédé<strong>ra</strong>tion charbonnière <strong>de</strong> Belgique/Hohe Behör<strong>de</strong>), Slg. 1956,<br />

S. 302 ff., 311; vgl. aber auch EuGH, Rs. C-426/93 (Deutschland/Rat), Slg. 1995,<br />

S. I-3723 ff., Rz. 42; Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich/Rat), Slg. 1996, S. I-5755 ff.,<br />

5811, Rz. 57.<br />

1097<br />

S.o. E.IV.3.b).


270<br />

<strong>Das</strong> Verhältnismäßigkeitsprinzip gemäß Art. 5 (ex-Art. 3 b) Abs. 3 EGV ist zur Beschränkung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Regelungsintensität von Gemeinschaftsmaßnahmen vorgesehen. Inwieweit es sich<br />

wirklich als Begrenzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgewalt erweist, ist ebenfalls f<strong>ra</strong>glich, da es – wie<br />

das Subsidiaritätsprinzip auch – für die politischen Organe einen weiten Einschätzungs<strong>ra</strong>um<br />

eröffnet und nur bei offensichtlichem Irrtum, Ermessensmißb<strong>ra</strong>uch o<strong><strong>de</strong>r</strong> offenkundiger<br />

Ermessensüberschreitung ein Verstoß gegen dieses angenommen wer<strong>de</strong>n kann. 1098<br />

Durch das Protokoll über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verhältnismäßigkeit wird – wie sein Titel schon indiziert – das Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />

ebenfalls konkretisiert. Letzteres ist gleichsam für je<strong>de</strong>s Gemeinschaftsorgan verbindlich 1099<br />

und besagt, daß die Rechtsetzungstätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nicht über das erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Maß<br />

hinausgehen sollte; bedauerlicherweise wur<strong>de</strong> hier keine verbindliche „Muß-Vorschrift“<br />

gewählt. Die Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit <strong>im</strong>pliziert, daß unter sonst gleichen Gegebenheiten eine<br />

Richtlinie einer Verordnung sowie eine Rahmenrichtlinie einer <strong>de</strong>taillierten, sog. perfekten<br />

Richtlinie vorzuziehen ist, die <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten nahezu keinerlei Umsetzungsspiel<strong>ra</strong>um<br />

mehr beläßt. 1100 Wenn eine Maßnahme durch die Mitgliedstaaten auf verschie<strong>de</strong>ne Art und<br />

Weise ordnungsgemäß durchgeführt wer<strong>de</strong>n kann, sollten daher schon in <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie<br />

Alternativen zur Erreichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong>n Maßnahme angeboten wer<strong>de</strong>n, sofern<br />

dies angemessen und erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist. 1101 Unter das Verhältnismäßigkeitsprinzip fällt auch,<br />

daß die Kommission i.R.d. Rechtsetzungsvorhaben prüft, ob die finanzielle Belastung und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verwaltungsaufwand <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, <strong><strong>de</strong>r</strong> örtlichen<br />

Behör<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaft und <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger, <strong><strong>de</strong>r</strong> insgesamt so gering wie möglich gehalten<br />

wer<strong>de</strong>n soll, in einem angemessenen Verhältnis zu <strong>de</strong>m angestrebten Ziel steht. 1102<br />

III. Konkretisierung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Prinzipien <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s<br />

Die pr<strong>im</strong>äre F<strong>ra</strong>ge kann hier nicht sein, ob das <strong>Religionsrecht</strong> selbst ausreichend auf<br />

mitgliedstaatlicher Ebene geregelt wer<strong>de</strong>n kann. Denn wenn das Subsidiaritätsprinzip nur als<br />

Kompetenzausübungssch<strong>ra</strong>nke verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann, berührt es die F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuteilung<br />

1098<br />

Z.B. EuGH, Rs. C-84/94, Fn. 1096, S. I-5811, Rz. 58; Schrö<strong><strong>de</strong>r</strong>, <strong>Das</strong> Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht<br />

als Hüter <strong>de</strong>s Staates <strong>im</strong> Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Integ<strong>ra</strong>tion, DVBl. 1994,<br />

S. 316 ff., 322.<br />

1099<br />

Vgl. Ziff. 1 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />

1100<br />

Vgl. Ziff. 6 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />

1101<br />

Vgl. Ziff. 7 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />

1102<br />

Vgl. Ziff. 9 3. Spiegelstrich <strong>de</strong>s Protokolls.


271<br />

neuer Kompetenzen an die Gemeinschaft nicht. Bisher jedoch läßt sich in Anwendung <strong>de</strong>s<br />

Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung keine Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur Regelung <strong>de</strong>s<br />

<strong>Religionsrecht</strong>s als solchem festmachen. Aus diesem Grun<strong>de</strong> sind Überlegungen, nach <strong>de</strong>nen<br />

religiöse Vorstellungen, die in <strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen Staat-Kirche-Best<strong>im</strong>mungen ihren<br />

Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag gefun<strong>de</strong>n haben, besser auf dieser Ebene als auf sup<strong>ra</strong>nationaler Ebene<br />

nachempfun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n könnten, 1103 nach Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit noch irrelevant. 1104<br />

Ordnet man das Subsidiaritätsprinzip überdies als Kompetenzverteilungsregel ein – wobei<br />

diese Funktion be<strong>im</strong> momentanen Integ<strong>ra</strong>tionsstand noch aus Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV<br />

ausgeklammert ist 1105<br />

– , so könnte das Subsidiaritätsprinzip nur he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong><br />

lege ferenda mitgliedstaatliche Kompetenzen zu wahren. Konkrete Be<strong>de</strong>nken <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften müßten in diesem Fall frühzeitig gegenüber <strong>de</strong>n Regierungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten als „Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“ zum Ausdruck geb<strong>ra</strong>cht wer<strong>de</strong>n.<br />

Von Relevanz für das <strong>Religionsrecht</strong> ist das Subsidiaritätsprinzip daher vielmehr in <strong>de</strong>n<br />

Bereichen, in <strong>de</strong>nen die Gemeinschaft schon jetzt Kompetenzen innehat – wie z.B. <strong>im</strong> Bereich<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer, <strong>im</strong> Arbeits- und Sozialrecht o<strong><strong>de</strong>r</strong> auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s<br />

Datenschutzes – und in <strong>de</strong>nen sie rechtssetzend tätig wer<strong>de</strong>n will, sofern diese Materien das<br />

mitgliedstaatliche <strong>Religionsrecht</strong> unmittelbar o<strong><strong>de</strong>r</strong> mittelbar berühren. Allerdings müßte eine<br />

anvisierte Maßnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nicht schon aus <strong>de</strong>m Grund unterbleiben, daß<br />

religiöse Bedürfnisse und T<strong>ra</strong>ditionen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat, ja sogar von Region<br />

zu Region unterschiedlich sind. Entschei<strong>de</strong>nd ist vielmehr, ob die konkrete Maßnahme<br />

ausreichend in allen Mitgliedstaaten geregelt wer<strong>de</strong>n kann. Soweit dies – z.B. aufgrund<br />

t<strong>ra</strong>nsnationaler Aspekte – nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist und zu<strong>de</strong>m eine ausreichen<strong>de</strong> und bessere Lösung<br />

durch die Gemeinschaft selbst erreicht wer<strong>de</strong>n kann, darf eine Gemeinschaftsregelung sehr<br />

wohl erlassen wer<strong>de</strong>n. Aus diesem Grun<strong>de</strong> kann das Argument Detmar Schäfers nicht<br />

überzeugen, <strong><strong>de</strong>r</strong> betont, daß die <strong>de</strong>utschen Kirchen mit <strong>de</strong>m „Dritten Weg“ bereits über ein<br />

System kollektiver Wahrnehmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen verfügten,<br />

das auf hohem Niveau die bisher in Art. 2 Abs. 3 <strong>de</strong>s Sozialabkommens angeführten Ziele<br />

verwirkliche, weshalb eine gemeinschaftsrechtliche Maßnahme, die auch die kirchlichen<br />

Arbeitsverhältnisse in Deutschland erfasse, erst dann erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich wür<strong>de</strong>, wenn über <strong>de</strong>n von<br />

<strong>de</strong>n Kirchen bereits geschaffenen Standard hinausgegangen wer<strong>de</strong>n solle. 1106<br />

Als Bollwerk zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen <strong>Religionsrecht</strong>e könnte sich daher eher das<br />

Verhältnismäßigkeitsprinzip erweisen. Georg Ress vertritt zu Recht, daß bestehen<strong>de</strong><br />

funktionelle Gemeinschaftsbefugnisse dort nicht voll ausgeübt wer<strong>de</strong>n dürften, wo <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

1103 Dies vertritt Robbers, Fn. 107, S. 359.<br />

1104 Ähnlich Streinz, Fn. 77, S. 71.<br />

1105 Vgl. Lecheler, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip, Fn. 1034, S. 67.<br />

1106 Schäfer, <strong>Das</strong> kirchliche Arbeitsrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Integ<strong>ra</strong>tion, Essen 1997, S. 28.


272<br />

zusätzliche Integ<strong>ra</strong>tionsgewinn nur min<strong>im</strong>al, <strong><strong>de</strong>r</strong> Eingriff in die verbliebenen Zuständigkeitsbereiche<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten jedoch beträchtlich sei. 1107<br />

Dies wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spräche ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>m<br />

Verhältnismäßigkeitsprinzip i.e.S. Aufgrund <strong>de</strong>s weiten Beurteilungsspiel<strong>ra</strong>ums <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaftsorgane muß diese zweite Schutzwehr jedoch ebenfalls für unzureichend<br />

befun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

IV. Zusammenfassung<br />

<strong>Das</strong> u.a. auf die katholische Soziallehre zurückgehen<strong>de</strong> Subsidiaritätsprinzip in<br />

Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV wur<strong>de</strong> aufgrund seines gene<strong>ra</strong>lklauselartigen Cha<strong>ra</strong>kters mehrfach,<br />

zuletzt durch das – aufgrund <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Amsterdam <strong>de</strong>m EG-Vert<strong>ra</strong>g beigefügte –<br />

Protokoll über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit,<br />

konkretisiert. Diesem kommt nach Art. 311 (ex-Art. 239) EGV <strong><strong>de</strong>r</strong>selbe Rang wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV zu. Im Protokoll wird v.a. die Jusitiabilität und die<br />

kumulative Geltung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Vo<strong>ra</strong>ussetzungen („nicht ausreichend“ und „besser“)<br />

festgeschrieben. Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Argumentationslast <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft für ihr Tätigwer<strong>de</strong>n bestehen<br />

Be<strong>de</strong>nken an <strong><strong>de</strong>r</strong> Effizienz <strong>de</strong>s Prinzips aufgrund <strong>de</strong>s weiten Beurteilungsspiel<strong>ra</strong>ums <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaftsorgane, <strong><strong>de</strong>r</strong> vom EuGH nicht kontrolliert wird. Da das Subsidiaritätsprinzip nur<br />

als Kompetenzausübungssch<strong>ra</strong>nke zu verstehen ist, wür<strong>de</strong> es einer generellen Übert<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s<br />

<strong>Religionsrecht</strong>s auf die Gemeinschaft nicht entgegenstehen. Im konkreten Einzelfall ist jedoch<br />

maßgeblich, ob in allen Mitgliedstaaten eine Maßnahme, die das <strong>Religionsrecht</strong> berührt,<br />

ausreichend geregelt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

1107 Ress, Fn. 415, S. 948.


H. Der Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“ gemäß<br />

Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV<br />

273<br />

Zu prüfen ist <strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>n, inwieweit das nationale <strong>Religionsrecht</strong>, als zur „nationalen<br />

I<strong>de</strong>ntität“ <strong>de</strong>s Mitgliedstaates gehörend, gemeinschaftsrechtlichen Schutz beanspruchen kann.<br />

I. Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Prinzips<br />

1. Definition <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“<br />

Notwendig ist es zunächst, die „nationale I<strong>de</strong>ntität“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, die zu achten sich die<br />

EU verpflichtet hat, zu <strong>de</strong>finieren. 1108<br />

Zum einen erscheint eine Auslegung möglich, wonach dieser Begriff als für die<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mung und innere Sicherheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger eines Mitgliedstaats maßgebliche<br />

I<strong>de</strong>ntität zu verstehen ist, die sich vor allem in einer gemeinsamen Sp<strong>ra</strong>che, Geschichte und<br />

Kultur manifestiert. 1109 Da<strong>ra</strong>n ist zutreffend, daß die europäische Staatenwelt schon <strong>im</strong>mer<br />

plu<strong>ra</strong>listischer und vielgliedriger war, als z.B. die <strong><strong>de</strong>r</strong> großrussischen o<strong><strong>de</strong>r</strong> osmanischen<br />

Nachbarn, weshalb auch Versuche <strong><strong>de</strong>r</strong> Fremdbest<strong>im</strong>mung von außen durch Unterwerfung<br />

ebenso kurzlebig wie Hegemonialbildungen <strong>im</strong> Inneren waren. 1110 Die Mitgliedstaaten<br />

können daher von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft eine Rücksichtnahme auf nationale kulturelle Belange<br />

erwarten. 1111<br />

Die Auffassung, hie<strong>ra</strong>us könne u.U. die Zulässigkeit einer nationalen Maßnahme<br />

abgeleitet wer<strong>de</strong>n, die für sich bet<strong>ra</strong>chtet <strong>im</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zu Einzelbest<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s<br />

1108<br />

Doehring, Die nationale „I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, in: Due/<br />

Lutter/Schwarze (Hrsg.), FS für Ulrich Everling, Bd. I, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995, S. 263 ff., 264,<br />

macht <strong>de</strong>utlich, daß sich – bei erster Bet<strong>ra</strong>chtung – <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>ntität auf die<br />

Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ebenso wie auf die Nation, auf die ethnische ebenso wie<br />

auf die kulturelle I<strong>de</strong>ntität beziehen könnte.<br />

1109<br />

Vgl. Bleckmann, Die Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“ <strong>im</strong> <strong>Union</strong>s-Vert<strong>ra</strong>g, JZ 1997,<br />

S. 265 ff., 265 f.<br />

1110<br />

Hans Maier, LThK, 3. Bd., Stichwort: Europa, Sp. 994 f.<br />

1111<br />

Ress, Fn. 415, S. 949.


274<br />

EG-Vert<strong>ra</strong>gs steht, 1112<br />

muß allerdings als mit Sinn und Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift unvereinbar<br />

abgelehnt wer<strong>de</strong>n.<br />

An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits spricht mehr dafür, <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“ mit <strong>de</strong>n<br />

Fundamentalnormen <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Verfassungen in Verbindung zu bringen, wie sie<br />

beispielsweise für die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland in Art. 79 Abs. 3 GG fixiert wer<strong>de</strong>n. Diese<br />

Interpretation kann sich auf <strong>de</strong>n zweiten Halbsatz von Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV<br />

stützen, <strong><strong>de</strong>r</strong> ausdrücklich auf die „Regierungssysteme“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten verweist, die auf<br />

1113<br />

„<strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen Grundsätzen beruhen“ müssen.<br />

2. Facetten <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“<br />

Im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> letztgenannten Auslegung muß als „nationale I<strong>de</strong>ntität“ die Summe <strong><strong>de</strong>r</strong>jenigen<br />

staatst<strong>ra</strong>gen<strong>de</strong>n Elemente eines Gemeinwesens verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, die diesem sein<br />

spezifisches verfassungsrechtliches Gepräge verleihen und dadurch seine Unterscheidbarkeit<br />

von an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Staaten herbeiführen. Auch Verfassungsprinzipien, die in einigen o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n<br />

meisten an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten vorhan<strong>de</strong>n sind, können in ihrer Kombination mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Verfassungsprinzipien – in ihrer Gesamtheit bet<strong>ra</strong>chtet – ebenfalls i<strong>de</strong>ntitätsstiftend sein.<br />

Gemeint sind hier Elemente wie z.B. Mehrheits- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältniswahl, konstitutionelle<br />

Monarchie o<strong><strong>de</strong>r</strong> repräsentative Demok<strong>ra</strong>tie, Ein- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Zweikammersystem i.R.d. Legislative.<br />

<strong>Das</strong> in <strong>de</strong>n Verfassungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten normierte jeweilige <strong>Religionsrecht</strong> kann <strong>im</strong><br />

Hinblick auf die „nationale I<strong>de</strong>ntität“ grundsätzlich gleichsam prägend sein.<br />

3. Sicherstellung <strong>de</strong>s Prinzips<br />

Die ausdrückliche Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“ trägt zur Sicherung <strong>de</strong>s Bestan<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

einzelnen Mitgliedstaaten bei und schützt diese vor einer völligen Vereinnahmung bzw. einer<br />

schleichen<strong>de</strong>n Zersetzung durch die Gemeinschaft. Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV<br />

erteilt somit eine klare Absage an eine Staatswerdung Europas unter Auflösung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Nationalstaaten und <strong><strong>de</strong>r</strong> sie prägen<strong>de</strong>n nationalen Elemente.<br />

Allerdings erstreckt sich die unmittelbare Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH gemäß Art. 46 (ex- Art. L)<br />

EUV nicht auf die Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s ist dies<br />

1112 So Ress, Fn. 415, S. 949.<br />

1113 Dieser Ansicht neigt z.B. Doehring, Fn. 1108, S. 264, zu.


275<br />

durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam nunmehr ausdrücklich nur für Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2<br />

EUV normiert wor<strong>de</strong>n.<br />

Soweit jedoch die „nationale I<strong>de</strong>ntität“, also <strong><strong>de</strong>r</strong> Wesensgehalt eines Mitgliedstaats, von <strong>de</strong>n<br />

Gemeinschaftsorganen, die für die <strong>Union</strong> <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Organleihe han<strong>de</strong>ln, nicht beachtet<br />

wür<strong>de</strong>, blieben die nationalen Integ<strong>ra</strong>tionssch<strong>ra</strong>nken, wie sie für die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />

in Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 3 GG zum Ausdruck kommen, maßgeblich.<br />

II. Konkretisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“ i.R.d. <strong>Religionsrecht</strong>s<br />

Wür<strong>de</strong> man die „nationale I<strong>de</strong>ntität“ i.S.d. ersten Definition an die Geschichte, Kultur und<br />

T<strong>ra</strong>dition eines Mitgliedstaats knüpfen, gelangte man zum Ergebnis, daß diese Elemente auch<br />

von <strong>de</strong>n jeweiligen mitgliedstaatlichen <strong>Religionsrecht</strong>sbest<strong>im</strong>mungen geprägt sind. 1114 Nach<br />

Max Haller existieren drei Faktoren als wichtige strukturelle Vo<strong>ra</strong>ussetzungen für die<br />

He<strong>ra</strong>usbildung einer nationalen I<strong>de</strong>ntität: eine territoriale Basis, eine integrierte Wirtschaft<br />

sowie eine gemeinsame Kultur. 1115 Letztere habe sich vor allem in Sp<strong>ra</strong>che und Religion<br />

he<strong>ra</strong>usgebil<strong>de</strong>t. 1116 Soweit die religionsrechtlichen Systeme <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ebenfalls<br />

unter <strong>de</strong>n Begriff Kultur bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion subsumiert wer<strong>de</strong>n können, 1117<br />

wären diese in<br />

ihrer unterschiedlichen nationalen Ausprägung ebenfalls für die „nationale I<strong>de</strong>ntität“ <strong>de</strong>s<br />

jeweiligen Mitgliedstaats prägend.<br />

Letztlich unterschei<strong>de</strong>n sich die bei<strong>de</strong>n oben aufgezeigten Ansätze <strong>im</strong> Ergebnis dort nur<br />

unwesentlich, wo die Verfassung eines Mitgliedstaats das Spezifikum seines <strong>Religionsrecht</strong>s<br />

ausdrücklich ve<strong>ra</strong>nkert hat. So wird z.B. in <strong><strong>de</strong>r</strong> f<strong>ra</strong>nzösischen Verfassung die laïcité ve<strong>ra</strong>nkert;<br />

Irlands Verfassung beginnt mit einer invocatio <strong>de</strong>i. Typisch für Deutschland ist dagegen, daß<br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Vereinen o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen Gruppen<br />

gleichgestellt sind, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n als religiöse Gruppierungen Körperschaftsstatus erhalten können,<br />

wodurch ihnen Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechte, wie z.B. ein eigenes Besteuerungsrecht ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />

eingeräumt wer<strong>de</strong>n. <strong>Das</strong> Kirchensteuerrecht für sich genommen stellt übrigens keine<br />

spezifisch <strong>de</strong>utsche Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit dar; auch Dänemark und Schwe<strong>de</strong>n kennen sie ebenso wie<br />

viele Kantone <strong><strong>de</strong>r</strong> Schweiz. Selbst das Kirchensteuereinzugsverfahren unter Mitwirkung von<br />

Arbeitgebern und staatlichen Finanzämtern wur<strong>de</strong> in Schwe<strong>de</strong>n am 1. Januar 2000 eingeführt.<br />

1114<br />

Vgl. Robbers, Fn. 181, S. 88.<br />

1115<br />

Haller, Fn. 109, S. 83 f.<br />

1116<br />

Haller, Fn. 109, S. 85.<br />

1117<br />

Zu <strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>nken dieser Bet<strong>ra</strong>chtungsweise auf Gemeinschaftsebene vgl. die Ausführungen<br />

oben F.III.


276<br />

Unterschie<strong>de</strong> zwischen bei<strong>de</strong>n Auffassungen sind dort auszumachen, wo – wie <strong>im</strong> Falle <strong>de</strong>s<br />

Kirchensteuereinzugsverfahrens – bezüglich <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s keine verfassungsrechtliche<br />

Ve<strong>ra</strong>nkerung besteht. Selbst wenn es sich um eine markante Ausprägung <strong>de</strong>s nationalen<br />

<strong>Religionsrecht</strong>s han<strong>de</strong>lte, hätte diese noch keinen Einfluß auf die „nationale I<strong>de</strong>ntität“ eines<br />

Mitgliedstaats, die nur Fundamentalnormen <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Verfassung erfaßt. Hilfestellung<br />

bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Klärung <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge, welche Bestandteile <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung zur nationalen I<strong>de</strong>ntität eines<br />

Mitgliedstaats gezählt wer<strong>de</strong>n können, leistet häufig die nationale Verfassung selbst; <strong>im</strong><br />

<strong>de</strong>utschen Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Verweis <strong>de</strong>s Art. 79 Abs. 3 GG auf die Art. 1 und 2 GG.<br />

<strong>Das</strong> religionsrechtliche System <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland als solches beruht – <strong>im</strong><br />

Gegensatz zum Staatskirchentum o<strong><strong>de</strong>r</strong> einem strikten Trennungsprinzip – auf <strong>de</strong>m Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll.<br />

Ob dieses allerdings i.R.d. nationalen I<strong>de</strong>ntität berücksichtigt wer<strong>de</strong>n muß, 1118<br />

erscheint aus mehreren Grün<strong>de</strong>n f<strong>ra</strong>glich:<br />

Zum einen wird je<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> drei verschie<strong>de</strong>nen Staat-Kirche-Mo<strong>de</strong>lle nicht nur von einem,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n min<strong>de</strong>stens noch von zwei o<strong><strong>de</strong>r</strong> drei an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten vertreten. Sofern man<br />

<strong>de</strong>n Standpunkt vertritt, eine Konvergenzentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> religionsrechtlichen Systeme fin<strong>de</strong><br />

von <strong>de</strong>n Extrempositionen <strong><strong>de</strong>r</strong> laïcité einerseits und <strong>de</strong>s Staatskirchentums an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits in<br />

Richtung Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll statt, so bleibt <strong>im</strong>mer weniger Raum für die Annahme, daß ein<br />

religionsrechtliches System einem Mitgliedstaat seine ganz spezielle nationale I<strong>de</strong>ntität<br />

verleiht – ungeachtet <strong><strong>de</strong>r</strong> nach wie vor fortbestehen<strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong> innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

religionsrechtlichen Systeme. Die Bun<strong>de</strong>srepublik als Vertreter eines „Systems <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitte“<br />

je<strong>de</strong>nfalls könnte sich ten<strong>de</strong>nziell in geringerem Maße zur Berufung auf ihre nationale<br />

I<strong>de</strong>ntität auf das <strong>Religionsrecht</strong> stützen, als etwa Griechenland o<strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>nkreich als Vertreter<br />

diamet<strong>ra</strong>l entgegengesetzter Positionen <strong>im</strong> Spektrum <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen <strong>Religionsrecht</strong>e.<br />

Im Gegensatz zur Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Mitgliedstaaten hat Griechenland<br />

sich außer<strong>de</strong>m in seiner Beitrittserklärung zu <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften da<strong>ra</strong>uf<br />

berufen, daß für <strong>de</strong>n Berg Athos aufgrund religiöser und geistlicher Grün<strong>de</strong> eine<br />

Son<strong><strong>de</strong>r</strong>behandlung fortgelten soll.<br />

Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en erscheint mehr als f<strong>ra</strong>glich, ob das <strong>Religionsrecht</strong> überhaupt zur nationalen<br />

I<strong>de</strong>ntität gezählt wer<strong>de</strong>n kann. Zwar ist nicht zu verkennen, daß das <strong>Religionsrecht</strong> in<br />

gewisser Weise auch die Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion als solche begünstigt o<strong><strong>de</strong>r</strong> hemmt, somit also<br />

beeinflußt. Allerdings scheinen ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> die tiefgreifen<strong>de</strong>n Wandlungen <strong>im</strong> mitgliedstaatlichen<br />

<strong>Religionsrecht</strong>, die in <strong>de</strong>n letzten Jahren und Jahrzehnten beispielsweise in Italien, Spanien,<br />

Portugal, <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n und jüngst in Schwe<strong>de</strong>n stattgefun<strong>de</strong>n haben, dagegen zu<br />

sprechen, formelles <strong>Religionsrecht</strong> als i<strong>de</strong>ntitätsstiftend für die Mitgliedstaaten anzusehen.<br />

1118 So v. Campenhausen, Fn. 74, S. 410.


277<br />

Wäre dies <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall, brächte ein bloßer Wechsel <strong>im</strong> <strong>Religionsrecht</strong> <strong>de</strong>n Verlust <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen<br />

nationalen I<strong>de</strong>ntität mit sich.<br />

Die genannten Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen <strong>Religionsrecht</strong>ssysteme zeigen <strong>de</strong>utlich auf, daß<br />

auch das <strong>de</strong>utsche <strong>Religionsrecht</strong> dauerhaft nicht zwingend vor Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s<br />

verfassungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Gesetzgebers nach Art. 79 Abs. 2, 3 GG verschont bleiben muß, da<br />

längst nicht alle Elemente <strong><strong>de</strong>r</strong> durch Art. 140 GG inkorporierten Vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> WRV in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsfreiheit <strong>de</strong>s Art. 4 GG enthalten und damit zum unaufgebbaren I<strong>de</strong>ntitätskern <strong>de</strong>s<br />

Grundgesetzes gehören. Jörg Kruttschnitt argumentiert überzeugend, daß zwar das Grundgesetz<br />

als <strong>de</strong>utsche Staatsordnung ein wesentlicher Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland sei. Zu diesem gehöre selbstverständlich auch das <strong>Religionsrecht</strong> über<br />

Art. 140 GG. Hie<strong>ra</strong>us könne nicht schlußgefolgert wer<strong>de</strong>n, daß auch das „<strong>de</strong>utsche Staatskirchenrecht<br />

ein wesentlicher Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassungsi<strong>de</strong>ntität“ <strong>de</strong>s Grundgesetzes sei. 1119 Albert<br />

Bleckmann, <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV schon dann als Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nis für eine<br />

Rechtsangleichung nach Art. 94 ff. (ex-Art. 100 ff.) EGV ansieht, soweit das<br />

(einfachrechtliche !) Arbeitsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen durch religiöse Prinzipien geprägt wer<strong>de</strong>, 1120<br />

kann daher nicht gefolgt wer<strong>de</strong>n.<br />

Der Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“ gemäß Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV erscheint<br />

<strong>de</strong>mnach ebenso wenig schutzbringend wie das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftstreue gemäß<br />

Art. 10 (ex-Art. 5) EGV, welches – wie die Bun<strong>de</strong>streue – nicht nur <strong>im</strong> Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> unteren<br />

Ebene gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> höheren Ebene, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong>im</strong> Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Zent<strong>ra</strong>lgewalt gegenüber<br />

<strong>de</strong>n fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alen Gewalten gilt. Die Wahrung wesentlicher Elemente <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s kann<br />

we<strong><strong>de</strong>r</strong> durch das eine noch durch das an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Prinzip sichergestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

III. Zusammenfassung<br />

Die „nationale I<strong>de</strong>ntität“ eines Mitgliedstaats wird einerseits durch gemeinsame Sp<strong>ra</strong>che,<br />

Geschichte und Kultur geschaffen, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en durch die Fundamentalnormen <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen<br />

Verfassungen. Der Verweis auf die „Regierungssysteme“ in Art. 6 Abs. 3<br />

(ex-Art. F Abs. 1) EUV läßt <strong>de</strong>n Rückschluß zu, daß die EU vor allem zweiteres zu schützen<br />

verpflichtet ist, wobei allerdings i.R.d. <strong>Union</strong>srechts keine Kompetenz <strong>de</strong>s EuGH besteht.<br />

Problematisch ist v.a., daß nicht alle Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen über das <strong>Religionsrecht</strong> als<br />

Fundamentalnormen eingestuft wer<strong>de</strong>n können und die rezenten Wandlungen innerhalb <strong>de</strong>s<br />

1119 Kruttschnitt, Fn. 316, S. 114.<br />

1120 Vgl. Bleckmann, Fn. 1109, S. 269.


278<br />

mitgliedstaatlichen <strong>Religionsrecht</strong>s eher dafür sprechen, daß dieses nicht zur „nationalen<br />

I<strong>de</strong>ntität“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten zählt.


I. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV und das Konkordats- bzw.<br />

Vert<strong>ra</strong>gsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />

I. Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV<br />

279<br />

Völkerrechtliche Verträge von Mitgliedstaaten, die noch vor Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Gemeinschaften bzw. vor <strong>de</strong>m Beitritt zur Gemeinschaft von <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong>ra</strong>tifiziert<br />

wur<strong>de</strong>n, sind für die EG nicht schon nach Art 300 (ex-Art. 228) Abs. 7 EGV verbindlich.<br />

Vielmehr beurteilen sich solche „Altverträge“ nach Art 307 (ex-Art. 234) EGV. Nach<br />

ständiger Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH berührt die Anwendung <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs nicht die<br />

Pflicht <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaats, die Rechte von Drittlän<strong><strong>de</strong>r</strong>n aus einer früher<br />

geschlossenen Übereinkunft zu wahren und seine entsprechen<strong>de</strong>n Pflichten zu erfüllen. 1121<br />

Ziel <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV ist damit die Ausschaltung eines Vert<strong>ra</strong>gsbruchs seitens<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten, wodurch <strong>de</strong>m allgemeinen Rechtsgrundsatz pacta<br />

sunt servanda Rechnung get<strong>ra</strong>gen wird. Hierzu sieht das Pr<strong>im</strong>ärrecht eine vorübergehen<strong>de</strong><br />

Nichtanwendung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts vor. Dies hin<strong><strong>de</strong>r</strong>t die Gemeinschaft allerdings<br />

nicht, trotz<strong>de</strong>m – allerdings ohne Rechtsverbindlichkeit für <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat –<br />

rechtssetzend tätig zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Nach Abschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsverträge dagegen sind die Mitgliedstaaten aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 10 (ex-Art. 5) Abs. 2 EGV am Abschluß völkerrechtlicher Vereinbarungen<br />

über Gegenstän<strong>de</strong>, die in die Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft fallen, gehin<strong><strong>de</strong>r</strong>t, soweit die<br />

Vereinbarungen mit gelten<strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht kollidieren. Wird ein solcher <strong>im</strong><br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zum Gemeinschaftsrecht stehen<strong><strong>de</strong>r</strong> völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g abgeschlossen, so<br />

ist dieser von Anfang an unwirksam. 1122<br />

1121 EuGH, Rs. C-124/95 (The Queen, ex parte: Centro-Com Srl/HM Treasury und Bank of<br />

England), Slg. 1997, S. I-81 ff., 130, Rz. 56 f.; verb. Rs. C-364/95 u. C-365/95 (T. Port<br />

GmbH & Co./Hauptzollamt Hamburg-Jonas), Slg. 1998, S. I-1023 ff., 1051 f., Rz. 60 =<br />

EuZW 1998, S. 247 ff.<br />

1122 Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Fn. 731, S. 81. So hat auch <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> AETR-Urteil,<br />

Rs. 22/70 (Kommission/Rat), Slg. 1971, S. 263 ff., Rz. 15/19, entschie<strong>de</strong>n: „Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

sind in <strong>de</strong>n Bereichen, in <strong>de</strong>nen die Gemeinschaft zur Verwirklichung einer vom Vert<strong>ra</strong>g<br />

vorgesehenen gemeinsamen Politik Vorschriften erlassen hat, die in irgen<strong>de</strong>iner Form<br />

gemeinsame Rechtsnormen vorsehen, die Mitgliedstaaten we<strong><strong>de</strong>r</strong> einzeln noch selbst


280<br />

1. Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV<br />

Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV enthält die Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane, die<br />

Erfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> Pflichten, die sich für die Mitgliedstaaten aus diesem früher geschlossenen<br />

Übereinkommen ergeben, nicht zu behin<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 1123<br />

Verpflichtungen einzelner Mitgliedstaaten<br />

gegenüber „einem o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehreren dritten Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n“ genießen daher gegenüber<br />

gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen grundsätzlich Vor<strong>ra</strong>ng. Der EuGH hat hierzu<br />

ausgeführt:<br />

„Um festzustellen, ob eine Gemeinschaftsbest<strong>im</strong>mung gegenüber einer früher abgeschlossenen<br />

völkerrechtlichen Übereinkunft zurückzutreten hat, ist <strong>de</strong>mnach zu prüfen, ob diese<br />

Übereinkunft <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat Verpflichtungen auferlegt, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Erfüllung die<br />

Drittlän<strong><strong>de</strong>r</strong>, die Parteien <strong><strong>de</strong>r</strong> Übereinkunft sind, noch verlangen können. Eine Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts hat <strong>de</strong>mnach gegenüber einer völkerrechtlichen Übereinkunft nur dann<br />

zurückzutreten, wenn diese zum einen vor <strong>de</strong>m Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs geschlossen<br />

wur<strong>de</strong> und wenn zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en das f<strong>ra</strong>gliche Drittland da<strong>ra</strong>us Rechte herleiten kann, <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Beachtung es von <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat verlangen kann.“ 1124<br />

a) Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV gegenüber Konkordaten<br />

aa) Begriff <strong>de</strong>s „Konkordats“<br />

Unter einem Konkordat i.e.S. 1125 versteht man einen Vert<strong>ra</strong>g zwischen einem Staat und <strong>de</strong>m<br />

Hl. Stuhl als Oberhaupt <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche, 1126<br />

in <strong>de</strong>m die religionsrechtliche Beziehung<br />

zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>gspartnern umfassend o<strong><strong>de</strong>r</strong> je<strong>de</strong>nfalls <strong>im</strong> Hinblick auf be<strong>de</strong>utsame<br />

gemeinsam han<strong>de</strong>lnd berechtigt, mit dritten Staaten Verpflichtungen einzugehen, die diese<br />

Normen beeinträchtigen.“<br />

1123<br />

EuGH, Rs. 812/79 (St<strong>ra</strong>fverfahren gegen Juan C. Burgoa), Slg. 1980, S. 2787 ff., 2803,<br />

Rz. 9.<br />

1124<br />

EuGH, verb. Rs. C-364/95 u. C-365/95, Fn. 1121, Rz. 60 f.<br />

1125<br />

Der Begriff „Konkordat“ i.w.S. ist ein Gattungsbegriff für verschie<strong>de</strong>nste Verträge; so<br />

wer<strong>de</strong>n z.B. Übereinkommen zwischen einzelnen Kantonen <strong><strong>de</strong>r</strong> Schweiz ebenfalls als<br />

„Konkordat“ bezeichnet; vgl. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. 1965, S. 68; Köck, Fn. 231, S. 317 f.<br />

1126<br />

Allerdings existieren als Mischform auch Verträge zwischen einem Staat und (katholischen<br />

und protestantischen) Kirchen auf <strong>de</strong>zent<strong>ra</strong>ler Ebene, vgl. Köck, Fn. 231, S. 330 f.; Listl,<br />

Fn. 233, S. 474.


281<br />

Sachgebiete geregelt wird. 1127 Regelungsmaterien in Konkordaten reichen vom Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Sonn- und Feiertage und <strong><strong>de</strong>r</strong> Anerkennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsfähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Rechtsträger<br />

als öffentlich-rechtliche Körperschaft über das Berufungsverfahren von Theologieprofessoren<br />

an staatlichen Universitäten und die Erteilung <strong>de</strong>s Religionsunterrichts an öffentlichen<br />

Schulen bis hin zur Regelung <strong><strong>de</strong>r</strong> Dotationen und Staatsleistungen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Datenübermittlung<br />

staatlicher Mel<strong>de</strong>behör<strong>de</strong>n. 1128<br />

Während es sich bei Konkordaten 1129 nach früherer Ansicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche um vom<br />

Papst gewährte Privilegien han<strong>de</strong>lte (sog. Privilegientheorie 1130 ), die gegenüber <strong>de</strong>m staatlichen<br />

Recht Vor<strong>ra</strong>ng genießen sollten, nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht <strong><strong>de</strong>r</strong> absolutistischen Staatsrechtslehre<br />

dagegen nur um einfache Staatsgesetze (sog. Legaltheorie 1131 ), besteht heute weitestgehend<br />

Einigkeit darüber, daß Konkordate völkerrechtliche Verträge (sog. Vert<strong>ra</strong>gstheorie 1132 )<br />

darstellen, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl als Völkerrechtssubjekt anerkannt ist. 1133 Ein Konkordat bedarf als<br />

völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g daher <strong><strong>de</strong>r</strong> T<strong>ra</strong>nsformation in innerstaatliches Recht. 1134<br />

1127<br />

RGG/Weber, 3. Bd., Stichwort: Konkordate, Sp. 1771; ähnlich: HdbStKirchR/K<strong>im</strong>minich,<br />

Fn. 46, S. 231; Listl, Fn. 233, S. 473. Bloße Teilvereinbarungen, Konkordatsergänzungen<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> provisorische Regelungen wer<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>n Oberbegriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „Vereinbarungen“<br />

(Conventiones) subsumiert, vgl. Listl, a.a.O., S. 473.<br />

1128<br />

Vgl. einen umfassen<strong>de</strong>n Katalog <strong><strong>de</strong>r</strong> Regelungsmaterien von Konkordaten bei Listl,<br />

Konkordate aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong>de</strong>s Heiligen Stuhls, in: Isensee/Rüfner/Rees (Hrsg.), Fn. 233,<br />

S. 522 ff., 541 ff.<br />

1129<br />

Vgl. hierzu Can. 3 CIC/1983.<br />

1130<br />

Vgl. hierzu Köck, Fn. 231, S. 334.<br />

1131<br />

Vgl. hierzu Creifelds, Stichwort: Konkordat; Köck, Fn. 231, S. 332 f.; RGG/Weber,<br />

Fn. 1127, Sp. 1773.<br />

1132<br />

Vgl. hierzu HdbStKirchR/K<strong>im</strong>minich, Fn. 46, S. 231; Köck, Fn. 231, S. 336 f., 366, 370;<br />

BayObLG, Urt. v. 10.12.1934, JW 1935, S. 960, sowie indirekt BVerfGE 6, S. 309 ff.,<br />

350 f., für das Reichskonkordat.<br />

1133<br />

Listl, Fn. 233, S. 472; Schweitzer, Fn. 39, Rdnr. 8; RGG/Weber, Fn. 1127, Sp. 1772;<br />

HdbStKirchR/Weber, Rechtsschutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen durch staatliche Gerichte, Zweiter Bd.,<br />

§ 72, S. 1079, dort Fn. 149 m.w.N. In Österreich wer<strong>de</strong>n Konkordate ebenfalls als zweiseitige<br />

völkerrechtliche Verträge sui generis anerkannt, vgl. Potz, Fn. 206, S. 254. Hollerbach,<br />

Fn. 1125, S. 83 ff., 97, 101; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 88, Rdnr. 69, dagegen sieht Konkordate nicht<br />

als völkerrechtliche Verträge an, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n n<strong>im</strong>mt eine quasi-vert<strong>ra</strong>gliche Einordnung vor,<br />

wobei er – ausgehend von <strong><strong>de</strong>r</strong> lex cont<strong>ra</strong>ctus – bei je<strong>de</strong>m Konkordat von <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung<br />

eines eigenen Staat-Kirche-Rechts ausgeht. Hierfür besteht jedoch kein Bedürfnis, sieht<br />

man einmal von <strong>de</strong>m Bemühen ab, hierdurch eine Gleichstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenverträge mit<br />

Konkordaten zu erreichen, vgl. Renck, Der sogenannte Rang <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenverträge, DÖV<br />

1997, S. 929 ff., 931. Auch HdbStKirchR/K<strong>im</strong>minich, Fn. 46, S. 233, kritisiert zu Recht


282<br />

bb) Vatikan als „Drittland“<br />

Die Anwendung <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV auf Konkordate erscheint insoweit<br />

problematisch, als es sich bei einem Konkordat nicht um ein Abkommen eines Mitgliedstaats<br />

mit einem „dritten Land“ han<strong>de</strong>lt. Im Gegensatz zum Staat <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikanstadt ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikan<br />

kein „Staat“ i.S.d. allgemeinen Staatslehre, da es ihm – unter Zugrun<strong>de</strong>legung <strong><strong>de</strong>r</strong> Drei-<br />

Elemente-Lehre – an <strong>de</strong>m Element <strong>de</strong>s Staatsgebiets fehlt. Aus diesem Grund ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikan<br />

auch nicht befugt, internationalen Abkommen, wie z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> WVRK beizutreten, <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

beitreten<strong>de</strong> Vert<strong>ra</strong>gsstaaten Staatsqualität aufweisen müssen. 1135<br />

Ratio legis will Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV jedoch die völkerrechtliche Verpflichtung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten zur Einhaltung von Verträgen (pacta sunt servanda) auch gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Hl. Stuhl als sonstigem Völkerrechtssubjekt nicht gefähr<strong>de</strong>n. Somit fallen auch Konkordate<br />

von Mitgliedstaaten mit <strong>de</strong>m Hl. Stuhl in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich von Art. 307 (ex-Art. 234)<br />

Abs. 1 EGV. 1136<br />

cc) Konkordat als „Altvert<strong>ra</strong>g“<br />

Um ein Konkordat überhaupt als „Altvert<strong>ra</strong>g“ i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV qualifizieren<br />

zu können, müßte dieses von einem <strong><strong>de</strong>r</strong> sechs ursprünglichen Gründungsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG o<strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong>de</strong>n übrigen Mitgliedstaaten vor ihrem Beitritt zur E(W)G<br />

abgeschlossen wor<strong>de</strong>n sein. 1137<br />

diesen Versuch, die Konkordate <strong>de</strong>m Völkerrecht sowie <strong>de</strong>m innerstaatlichen Recht zu<br />

entziehen.<br />

1134<br />

RGG/Weber, Fn. 1127, Sp. 1773. Von <strong>de</strong>n vielen, überwiegend unter Papst Pius XI.<br />

geschlossenen Konkordaten sind als echte Konkordate nur noch in Geltung die Konkordate<br />

mit <strong>de</strong>m Deutschen Reich (1933) sowie mit Bayern (1924), Preußen (1929) und Ba<strong>de</strong>n<br />

(1932), mit Italien (1929), Portugal (1950) und Spanien (1953). <strong>Das</strong> f<strong>ra</strong>nzösische<br />

Konkordat von 1801 ist mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Trennungsgesetzgebung von 1905 außer K<strong>ra</strong>ft getreten und<br />

gilt nur noch in Elsaß-Lothringen. <strong>Das</strong> österreichische Konkordat von 1933 ist innenpolitisch<br />

umstritten, vgl. RGG/Weber, Fn. 1127, Sp. 1772. Aus diesem Grun<strong>de</strong> ist die<br />

Bindung an Konkordate neben Deutschland nur in drei weiteren Mitgliedstaaten von<br />

Be<strong>de</strong>utung.<br />

1135<br />

Vgl. hierzu Schäfer, Fn. 1106, S. 65.<br />

1136<br />

Ebenso Schäfer, Fn. 1106, S. 66 f.<br />

1137<br />

Dies muß man z.B. bei <strong>de</strong>m Reichskonkordat vom 20.7.1933 (RGBl. 1933 II, S. 679)<br />

bejahen, zumal das BVerfG in E 6, S. 309 ff., weitgehend <strong>de</strong>ssen Weitergeltung bestätigt<br />

hat, vgl. auch Art. 123 Abs. 2 GG. Gleiches gilt für das Österreichische Konkordat vom<br />

5.6.1933, Österr. BGBl. II 1934, Nr. 2; vgl. hierzu Potz, Fn. 206, S. 252, 255. Unanwendbar


283<br />

dd) Verpflichtung gegenüber <strong>de</strong>m Hl. Stuhl<br />

Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV will in erster Linie nicht die Mitgliedstaaten schützen,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>n Drittstaaten als Vert<strong>ra</strong>gspartnern eines Vert<strong>ra</strong>gs mit Beteiligung einer o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

mehrerer Mitgliedstaaten die Einhaltung von Vert<strong>ra</strong>gsbest<strong>im</strong>mungen gewährleisten. Es müßte<br />

daher eine völkerrechtliche Vert<strong>ra</strong>gsverpflichtung eines Mitgliedstaats gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Heiligen Stuhl bestehen. Die Konkordatsbest<strong>im</strong>mungen enthalten einige Vorschriften, wie<br />

z.B. die sog. Staatsangehörigkeitsklauseln, 1138<br />

die mit <strong>de</strong>n Freizügigkeitsrechten <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs<br />

nicht vereinbar sind. Wenn die Mitgliedstaaten <strong>de</strong>n Freizügigkeitsbest<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s<br />

EG-Vert<strong>ra</strong>gs strikt nachkommen und je<strong>de</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Staatsangehörigkeit unterbin<strong>de</strong>n müßten, wür<strong>de</strong>n die genannten Pflichten aus <strong>de</strong>m Konkordat<br />

zum Nachteil <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche verletzt.<br />

Soweit es sich bei <strong>de</strong>n zwischen <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten und <strong>de</strong>m Heiligen Stuhl abgeschlossenen<br />

Konkordaten um sog. Altverträge han<strong>de</strong>lt, muß ihnen daher – vorbehaltlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mung<br />

<strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV, auf welche sogleich eingegangen wird – Vor<strong>ra</strong>ng vor<br />

jeglichem Gemeinschaftsrecht zukommen.<br />

b) Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV gegenüber Abkommen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Da <strong>de</strong>m Reichskonkordat gemäß <strong>de</strong>ssen Art. 2 <strong>im</strong> räumlichen und sachlichen Anwendungsbereich<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Konkordate Bayerns, Ba<strong>de</strong>ns und Preußens nur subsidiäre Geltung zukommt, ist<br />

die F<strong>ra</strong>ge zu klären, welche Be<strong>de</strong>utung Län<strong><strong>de</strong>r</strong>konkordaten staatsrechtlich zukommt.<br />

ist Art. 307 (ex-Art. 234) EGV aber von vornherein auf die zwischen <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen<br />

Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n und <strong>de</strong>m Hl. Stuhl vereinbarten Staatsverträge, wie z.B. das <strong>im</strong> Juli 1996<br />

abgeschlossene Sächsische Konkordat o<strong><strong>de</strong>r</strong> das <strong>im</strong> Juni 1997 abgeschlossene Thüringische<br />

Konkordat, vgl. hierzu SZ, Nr. 132 vom 12.6.1997, S. 7, so auch Hollerbach, Vert<strong>ra</strong>gsstaatskirchenrecht<br />

als Instrument <strong>im</strong> Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung, KuR 120,<br />

S. 1 ff., 3; Listl, <strong>Das</strong> Staatskirchenrecht in <strong>de</strong>n neuen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland – Die Entwicklung von 1989 bis 1994, in: Isensee/Rüfner/Rees (Hrsg.),<br />

Fn. 233, S. 355 ff., 384 ff. Grund hierfür ist, daß die neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> nach Art. 1 <strong>de</strong>s<br />

am 23.9.1990 in K<strong>ra</strong>ft getretenen Einigungsvert<strong>ra</strong>gs vom 31.8.1990 (BGBl. 1990 II, S. 1239<br />

ff.) Län<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland gewor<strong>de</strong>n sind (vgl. Schweitzer, Fn. 39, Rdnrn.<br />

657 f.) und daher zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s Abschlusses <strong><strong>de</strong>r</strong> Konkordate schon Verpflichtete <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts waren.<br />

1138 So müssen in Deutschland amtieren<strong>de</strong> Geistliche grundsätzlich <strong>de</strong>utsche Staatsangehörige<br />

sein und eine aka<strong>de</strong>mische Ausbildung an einer <strong>de</strong>utschen Hochschule genossen haben.<br />

Auch für geistliche Or<strong>de</strong>nsobere ist die <strong>de</strong>utsche Staatsangehörigkeit konkordatär<br />

festgeschrieben, vgl. RGG/Weber, Fn. 1127, Sp. 1775.


284<br />

Art. 32 Abs. 3 GG muß erweiternd dahingehend verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß die Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

über die explizit erwähnte Abschlußkompetenz mit „auswärtigen Staaten“ hinaus eine<br />

Kompetenz zum Abschluß von Verträgen mit allen Völkerrechtssubjekten – d.h. auch mit<br />

<strong>de</strong>m Vatikan – über die nach <strong>de</strong>m Grundgesetz zur Lan<strong>de</strong>sgesetzgebung gehörigen Materien<br />

und Verträge abschließen können. 1139<br />

Ein vor Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs in Deutschland<br />

abgeschlossenes Konkordat eines Bun<strong>de</strong>slan<strong>de</strong>s – z.B. das Bayerische Konkordat vom<br />

29. März 1924 <strong>im</strong> Gegensatz zu <strong>de</strong>m am 26. Februar 1965 mit Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>sachsen abgeschlossenen<br />

Konkordat – könnte daher nach Art. 307 (ex-Art. 234) EGV für die Mitgliedstaaten<br />

gegenüber gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen ebenfalls Vor<strong>ra</strong>ng besitzen.<br />

Allerdings verlieren die Län<strong><strong>de</strong>r</strong> ihre völkerrechtliche Vert<strong>ra</strong>gsabschlußkompetenz, sobald <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bund über die Materie selbst einen Vert<strong>ra</strong>g abschließt. 1140 Mit <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>s Ink<strong>ra</strong>fttretens<br />

<strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs haben die Län<strong><strong>de</strong>r</strong> daher ihre Kompetenz über diejenigen Materien<br />

verloren, die hierin geregelt wer<strong>de</strong>n. Zu Konflikten i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV kann es<br />

jedoch nach wie vor kommen, da ein schon abgeschlossenes Konkordat eines Bun<strong>de</strong>slan<strong>de</strong>s<br />

als partiellem Völkerrechtssubjekt nicht etwa untergeht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n fortbesteht. 1141<br />

c) Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV auf sog. Kirchenverträge?<br />

Kirchenverträge wer<strong>de</strong>n ausschließlich von Lan<strong>de</strong>skirchen abgeschlossen; ein Gegenstück<br />

zum Reichskonkordat existiert auf evangelischer Seite nicht. Bei Kirchenverträgen han<strong>de</strong>lt es<br />

sich jedoch nicht um Konkordate, da <strong>de</strong>n Evangelischen Lan<strong>de</strong>skirchen die<br />

Völkerrechtsfähigkeit fehlt und ihnen somit die völkerrechtliche Ebene verwehrt ist. 1142 Da<br />

die Evangelischen Lan<strong>de</strong>skirchen als innerstaatliche Verbän<strong>de</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

kont<strong>ra</strong>hieren, <strong><strong>de</strong>r</strong>en rechtlicher Souveränität sie nach wie vor unterworfen sind, han<strong>de</strong>lt es sich<br />

bei <strong>de</strong>n Kirchenverträgen um gewöhnliche innerstaatliche öffentlich-rechtliche Verträge,<br />

vergleichbar <strong>de</strong>nen nach §§ 54 ff. VwVfG, auch wenn eine parlamentarische Zust<strong>im</strong>mung und<br />

eine Ratifikation, ein Austausch <strong><strong>de</strong>r</strong> Ratifikationsurkun<strong>de</strong>n sowie eine Publikation <strong>de</strong>s<br />

Vert<strong>ra</strong>gs <strong>im</strong> staatlichen und kirchlichen Publikationsorgan erfolgen. 1143<br />

1139<br />

BVerfGE 1, S. 351 ff., 366; 2, S. 347 ff., 374; vgl. Schweitzer, Fn. 39, Rdnr. 121.<br />

1140<br />

Schweitzer, Fn. 39, Rdnr. 118.<br />

1141<br />

Schweitzer, Fn. 39, Rdnr. 117 f.<br />

1142<br />

Ebenso HdbStKirchR/K<strong>im</strong>minich, Fn. 46, S. 238; K<strong>im</strong>minich, Kirche – Menschenrechte –<br />

Völkerrecht, in: Hünermann/Eckholt (Hrsg.), Katholische Soziallehre – Wirtschaft –<br />

Demok<strong>ra</strong>tie, Mainz – München 1989, S. 179 ff., 187. Daher besitzt <strong><strong>de</strong>r</strong> Ökumenische Rat<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen nach Art. 71 UNO-Satzung als nichtstaatliche Organisation (NGO) lediglich<br />

einen Konsultativstatus.<br />

1143<br />

So auch Listl, Fn. 233, 475, 482; Renck, Fn. 1133, S. 932, 935. A.A.: RGG/Weber, 3. Bd.,<br />

Stichwort: Kirchenverträge, Sp. 1592: Es han<strong>de</strong>le sich um Verträge sui generis, da diese


285<br />

Z.T. wird vertreten, daß die Kirchenverträge aufgrund <strong>de</strong>s <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen <strong>Religionsrecht</strong><br />

gelten<strong>de</strong>n Grundsatzes <strong><strong>de</strong>r</strong> Parität gemeinschaftsrechtlich ebenso behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n müßten<br />

wie Konkordate. 1144 Letztlich liegt <strong>de</strong>m in erster Linie das Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen<br />

Kirchen an „gemeinschaftsfesten“ Kirchenverträgen zugrun<strong>de</strong>. 1145 Dem muß jedoch<br />

wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprochen wer<strong>de</strong>n, da bei einem Kirchenvert<strong>ra</strong>g keine Bindung gegenüber einem<br />

Drittstaat o<strong><strong>de</strong>r</strong> einem sonstigen Völkerrechtssubjekt besteht. Selbst wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen<br />

Recht maßgebliche Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Parität über <strong>de</strong>n allgemeinen Gleichheitssatz <strong>im</strong><br />

Gemeinschaftsrecht 1146 zur Anwendung käme, wür<strong>de</strong> dieser keine Erstreckung <strong>de</strong>s<br />

Art. 307 (ex-Art. 234) EGV auf Kirchenverträge gebieten, da zwischen Konkordaten und<br />

Kirchenverträgen ein sachlicher Unterschied in <strong><strong>de</strong>r</strong> Qualität <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gspartners besteht, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

gemeinschaftsrechtlich eine Ungleichbehandlung rechtfertigt. 1147 Für eine (doppelte) Analogie<br />

<strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV auf evangelische Kirchenverträge besteht daher kein<br />

Anlaß. 1148<br />

we<strong><strong>de</strong>r</strong> wie Konkordate <strong>de</strong>m Völkerrecht zuzuordnen seien – was zutrifft – noch <strong>de</strong>m<br />

innerstaatlichen Recht angehören wür<strong>de</strong>n, da auf <strong><strong>de</strong>r</strong> einen Seite die Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland, auf <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en eine Evangelische Lan<strong>de</strong>skirche stehe. Eine Einordnung als<br />

Verträge sui generis ist angesichts <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n Instrumentariums <strong>de</strong>s öffentlich-rechtlichen<br />

Vert<strong>ra</strong>gs jedoch nicht geboten. Die Folge <strong><strong>de</strong>r</strong> Einordnung von Kirchenverträgen als<br />

öffentlich-rechtlichen Verträgen ist ihre erleichterte Aufhebbarkeit für die Zukunft gemäß §<br />

60 VwVfG bei Erlaß eines späteren Gesetzes, vgl. BVerfGE 11, S. 139 ff., 146; 13, S. 261<br />

ff., 271; 43, S. 242 ff., 288.<br />

1144<br />

So z.B. Hollerbach, Fn. 17, S. 275; Kalb, Fn. 393, S. 90; Robbers, Fn. 341, S. 331.<br />

1145<br />

Vgl. Schäfer, Fn. 1106, S. 72.<br />

1146<br />

Vgl. hierzu Kischel, Fn. 762, S. 3 f.<br />

1147<br />

Eine Gleichstellung mit <strong>de</strong>n Kirchenverträgen käme lediglich dann in Bet<strong>ra</strong>cht, wenn man<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung Hollerbachs, Fn. 1125, S. 101, 103; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 88, Rdnr. 69 f., folgt, wonach<br />

die Völkerrechtssubjektivität, die be<strong>im</strong> Hl. Stuhl <strong>im</strong> Gegensatz zu <strong>de</strong>n Evangelischen<br />

Lan<strong>de</strong>skirchen vorhan<strong>de</strong>n ist, nicht als „Essentiale“, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich als zweckmäßiger<br />

„Akzi<strong>de</strong>ns“ für das Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht angesehen wird. Dieser Ansicht schließt sich<br />

Schäfer, Fn. 1106, S. 74, inkonsequenterweise an, obwohl er noch auf S. 14 f., 65 f., auf die<br />

Maßgeblichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Völkerrechtssubjektivität <strong>de</strong>s Hl. Stuhls für eine Bindungswirkung<br />

i.R.d. Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV bzw. für <strong>de</strong>n Abschluß völkerrechtlicher Verträge<br />

nach Art. 300 (ex-Art. 228) EGV abgestellt hatte. Mit Renck, Fn. 1133, S. 931, ist dieser<br />

Ansicht jedoch zu wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen.<br />

1148<br />

Insoweit zutreffend Schäfer, Fn. 1106, S. 73.


286<br />

2. Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV<br />

a) Anpassungsverpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

Allerdings besteht für die Mitgliedstaaten gemäß Art 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV die<br />

Verpflichtung, mit <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht unvereinbare Altverträge zum nächstmöglichen<br />

Zeitpunkt zu kündigen, um so Unvereinbarkeiten mit <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht zu beheben.<br />

Diese Pflicht entfällt nur dort, wo das völkerrechtliche Abkommen selbst Bestandteil <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts gewor<strong>de</strong>n ist, wie dies für das GATT 1947 anerkannt ist 1149<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> soweit<br />

das Abkommen, wie die EMRK über Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV, ausdrücklich von <strong>de</strong>n<br />

Gemeinschaftsorganen zu achten ist.<br />

Für Konkordate als <strong>de</strong>m Völkerrecht zu unterstellen<strong>de</strong> Verträge gilt für ihre Beendigung in<br />

1150<br />

Analogie zu <strong>de</strong>n allgemeinen Regeln <strong>de</strong>s Völkerrechts die clausula rebus sic stantibus<br />

(Art. 62 WVRK), die ipso iure zum K<strong>ra</strong>ftloswer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Konkordats führen kann. Zumin<strong>de</strong>st<br />

aber stellt die Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung wesentlicher Verhältnisse einen Kündigungsgrund dar. Auch wenn<br />

Konkordate als „ewig“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „dauernd“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> auf sonstige Weise als unbefristet und unkündbar<br />

abgeschlossen sein mögen, ist ihre Beendigung keineswegs ausgeschlossen. 1151 Aus diesem<br />

Grun<strong>de</strong> müssen Konkordate <strong>im</strong> Falle ihrer Unvereinbarkeit mit <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht von<br />

<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten gekündigt wer<strong>de</strong>n können, soweit keine einvernehmliche Vert<strong>ra</strong>gsbeendigung<br />

– notfalls durch Ink<strong>ra</strong>fttreten eines neuen Konkordats, durch welches die<br />

Unvereinbarkeit mit <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht behoben wird – erfolgt. Die hier geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />

grundsätzlich bestehen<strong>de</strong> Vert<strong>ra</strong>gsbindung, die unter <strong>de</strong>n Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>s<br />

Art. 62 WVRK gelöst wer<strong>de</strong>n kann, muß jedoch von <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge einer Gesetzesbindung<br />

unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Es ist allgemein anerkannt, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> nationale Gesetzgeber von seiner<br />

Vert<strong>ra</strong>gspflicht abweichen und gegen das Konkordat verstoßen<strong>de</strong>s neues Recht setzen und<br />

durchsetzen kann, was in <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis viele Male geschehen ist. 1152 Erst recht ist <strong><strong>de</strong>r</strong> nationale<br />

Gesetzgeber nicht an Kirchenverträge gebun<strong>de</strong>n, da sich ein Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gsrechts<br />

gegenüber späterem Gesetzesrecht nicht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung von <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidungsfreiheit <strong>de</strong>s<br />

Gesetzgebers gegenüber öffentlich-rechtlichen Verträgen vereinbaren ließe. 1153<br />

1149 Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 679; Vachek, Fn. 437, S. 148.<br />

1150 Da <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikan kein „Staat“ i.S.d. Art. 1 WVRK ist und Art. 81 WVRK nur je<strong>de</strong>n „Staat“<br />

einlädt, Vert<strong>ra</strong>gspartei <strong>de</strong>s Übereinkommens zu wer<strong>de</strong>n, ist es <strong>de</strong>m Hl. Stuhl <strong>de</strong>finitiv nicht<br />

möglich, Vert<strong>ra</strong>gsstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> WVRK zu wer<strong>de</strong>n.<br />

1151 Hollerbach, Fn. 1125, S. 273 ff., 277; RGG/Weber, Fn. 1127, Sp. 1772 f.<br />

1152 Vgl. Scheuner, Kirchenverträge in ihrem Verhältnis zu Staatsgesetz und Staatsverfassung,<br />

in: Schriften zum Staatskirchenrecht, hrsg. von Listl, Berlin 1973, S. 355 ff., 369 f.<br />

1153 So zutreffend Scheuner, Fn. 1152, S. 369.


287<br />

b) Anpassungsverpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />

Der EuGH hat nunmehr anerkannt, daß umgekehrt auch für das sekundäre Gemeinschaftsrecht<br />

Anpassungserfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse an an<strong><strong>de</strong>r</strong>slauten<strong>de</strong>s Völkerrecht bestehen, da die Gemeinschaft ihre<br />

Befugnisse unter Beachtung <strong>de</strong>s Völkerrechts ausüben muß; 1154 allerdings gilt dies nur dort,<br />

wo das Völkerrecht als „integrieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Bestandteil <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts“ einen gemeinschaftsrechtlichen<br />

Rang zwischen Pr<strong>im</strong>ärrecht und Sekundärrecht erlangt hat, 1155<br />

was für<br />

Konkordate je<strong>de</strong>nfalls abzulehnen ist.<br />

Es bleibt zu hoffen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit sehr restriktiv gehandhabte<br />

Berufungsmöglichkeit einzelner auf völkerrechtliche Verträge, die <strong>im</strong> Gegensatz zum<br />

1156<br />

Gemeinschaftsrecht stehen, lockern wird.<br />

II. Abkommen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft mit Religionsgemeinschaften<br />

Gemäß Art. 281 (ex-Art. 210) EGV besitzt die EG – ebenso wie die EGKS gemäß<br />

Art. 6 Abs. 2 EGKSV o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Eu<strong>ra</strong>tom gemäß Art. 184 EAGV – eine eigene völkerrechtliche<br />

Rechtspersönlichkeit. 1157 Damit ist die EG Völkerrechtssubjekt und – beschränkt auf <strong>de</strong>n ihr<br />

übert<strong>ra</strong>genen Rechte- und Pflichtenkreis – zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge<br />

berechtigt, sofern dritte Staaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> internationale Völkerrechtssubjekte, mit <strong>de</strong>nen die<br />

Gemeinschaft Verträge abschließen will, diese als rechtsfähig anerkannt hat. 1158 Von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage <strong>de</strong>s Art. 300 (ex-Art. 228) Abs. 7 EGV abgeschlossene<br />

völkerrechtliche Verträge sind als „integrieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Bestandteil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaftsrechtsordnung“ einzustufen. 1159<br />

1154<br />

EuGH, Rs. C-162/96 (A. Racke GmbH & Co./Hauptzollamt Mainz), Slg. 1998,<br />

S. I-3655 ff., Rz. 45 ff. = EuZW 1998, S. 694 ff.; vgl. auch Robbers, Fn. 181, S. 97 f.<br />

1155<br />

Epiney, Fn. 800, S. 7, mit überzeugen<strong><strong>de</strong>r</strong> Argumentation.<br />

1156<br />

Vgl. nur EuGH, verb. Rs. 21-24/72 (International Fruit Company NV u.a./Produktschap<br />

voor groenten en fruit), Slg. 1972, S. 1219 ff., Rz. 27.<br />

1157<br />

Die EU dagegen besitzt keine völkerrechtliche o<strong><strong>de</strong>r</strong> privatrechtliche Rechtsfähigkeit.<br />

Rechtshandlungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> „Zweiten“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „dritten Säule“ wer<strong>de</strong>n daher <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />

selbst zugerechnet, vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 66; an<strong><strong>de</strong>r</strong>s v.Bogdandy/<br />

Netteshe<strong>im</strong>, Die Verschmelzung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

<strong>Union</strong>, NJW 1995, S. 2324 ff., 2328.<br />

1158<br />

Vgl. Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Fn. 731, S. 529 f.<br />

1159<br />

EuGH, Rs. 181/73 (R. &. V. Haegeman/Belgischer Staat), Slg. 1974, S. 449 ff., LS. 1;<br />

Rs. 104/81 (Hauptzollamt Mainz/C.A. Kupferberg & Cie. KG a.A.), Slg. 1982, S. 3641 ff.,


288<br />

Als <strong><strong>de</strong>r</strong>artigen Vert<strong>ra</strong>g mit einem „Drittstaat“ könnte die EG grundsätzlich einen<br />

völkerrechtlichen Vert<strong>ra</strong>g bzw. ein Konkordat mit <strong>de</strong>m Hl. Stuhl abschließen, sofern man <strong>de</strong>n<br />

Begriff „Drittstaat“ erweiternd auslegt. 1160 Theoretisch wäre selbst <strong>de</strong>nkbar, daß die<br />

Gemeinschaft aus politischen Erwägungen he<strong>ra</strong>us <strong>im</strong> Falle eines solchen Vert<strong>ra</strong>gs mit <strong>de</strong>m Hl.<br />

Stuhl zusätzlich einen solchen mit <strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> „KEK-Kommission für Kirche und<br />

Gesellschaft“ zusammengeschlossenen Kirchen abzuschließen ge<strong>de</strong>nkt. Ob für diesen Fall<br />

aufgrund <strong>de</strong>s Gleichbehandlungsgrundsatzes auch mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Abschluß von religionsrechtlichen Verträgen – kompetenzrechtlich u.U. über Art. 308 (ex-<br />

Art. 235) EGV i.V.m. Art. 300 (ex-Art. 228) EGV – erfolgen muß, 1161 kann aufgrund <strong>de</strong>s<br />

unterschiedlichen Sachverhalts (Völkerrechtssubjektivität <strong>de</strong>s Hl. Stuhls gegenüber bloßer<br />

Kirchenkörperschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> übrigen Religionsgemeinschaften) pa<strong>ra</strong>llel zur F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV verneint wer<strong>de</strong>n. 1162<br />

Entschei<strong>de</strong>nd ist vor allem, daß sich die Gemeinschaft nur dort durch völkerrechtlichen<br />

Vert<strong>ra</strong>g bin<strong>de</strong>n kann, wo ihr eigene Kompetenzen seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten übert<strong>ra</strong>gen<br />

wur<strong>de</strong>n. Dabei sind jedoch nicht nur die ausdrücklichen Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs<br />

maßgeblich. In einem <strong><strong>de</strong>r</strong> frühen Gutachten hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH entschie<strong>de</strong>n:<br />

„Wenn die internen Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft erst anläßlich <strong>de</strong>s Abschlusses und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Ink<strong>ra</strong>ftsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> völkerrechtlichen Vereinbarung ergriffen wer<strong>de</strong>n [...], dann ergibt sich die<br />

Befugnis, die Gemeinschaft gegenüber Drittstaaten zu verpflichten, <strong>de</strong>nnoch stillschweigend<br />

aus <strong>de</strong>n die interne Zuständigkeit begrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs, sofern die<br />

Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft an <strong><strong>de</strong>r</strong> völkerrechtlichen Vereinbarung wie <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Fall notwendig ist, um eines <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zu erreichen.“ 1163<br />

Rz. 13; Rs. 12/86 (Meryem Demirel/Stadt Schwäbisch Gmünd), Slg. 1987, S. 3719 ff.,<br />

Rz. 7; Gutachten 1/91 (Europäischer Wirtschafts<strong>ra</strong>um I), Slg. 1991, S. I- 6079 ff., Rz. 39.<br />

1160<br />

Vgl. Puza, Kirche und Staat – Vert<strong>ra</strong>gliche Partnerschaft mit Zukunft, NVwZ 1995,<br />

S. 460 ff., 461; Streinz, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. (31) 1997, S. 96.<br />

1161<br />

So je<strong>de</strong>nfalls Bleckmann, in: Christoph, Fn. 139, S. 417; Robbers, Fn. 107, S. 360; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />

Fn. 739, S. 331.<br />

1162<br />

Dieser tatsächlich bestehen<strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong> wird auch Tempel, Fn. 695, S. 18, gewahr.<br />

Schäfer, Fn. 1106, S. 14 f., gelangt ebenfalls zum Ergebnis, daß mangels Völkerrechtssubjektivität<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Abschluß eines<br />

völkerrechtlichen Vert<strong>ra</strong>gs mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ausschei<strong>de</strong>t.<br />

1163<br />

EuGH, Gutachten 1/76 (Stillegungsfonds für die Binnenschiffahrt), Slg. 1977, S. 741 ff.,<br />

Rz. 4.


289<br />

Dieser sog. „Pa<strong>ra</strong>llelismus von Innen- und Außenkompetenz“ setzt für ein Tätigwer<strong>de</strong>n <strong>im</strong><br />

Außenverhältnis zwingend vo<strong>ra</strong>us, daß auch <strong>im</strong> Innenverhältnis eine entsprechen<strong>de</strong><br />

Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft besteht. 1164 Nach wie vor besteht – wie auch die Erklärung<br />

Nr. 11 <strong>de</strong>utlich macht – keine ausdrückliche Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft für das<br />

<strong>Religionsrecht</strong> als solches. Auch wenn Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft in einzelnen<br />

Teilbereichen, z.B. hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmerfreizügigkeit kirchlicher Mitarbeiter,<br />

existieren, steht dies m.E. einer vert<strong>ra</strong>glichen Regelung, die ausschließlich das <strong>Religionsrecht</strong><br />

zum Gegenstand hat, entgegen. 1165<br />

Überdies dürfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg über Art. 300 (ex-Art. 228) EGV für Kirchenverträge mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Religionsgemeinschaften mangels <strong><strong>de</strong>r</strong>en Völkerrechtssubjektivität ausschei<strong>de</strong>n.<br />

Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> fehlen<strong>de</strong>n religionsrechtlichen Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft könnten<br />

Konkordate o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenverträge allenfalls als sog. „gemischtes Abkommen“ ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n. In diesem Fall müßten neben <strong>de</strong>n Gemeinschaften auch alle Mitgliedstaaten das<br />

Abkommen mit <strong>de</strong>n Religionsgemeinschaften <strong>ra</strong>tifizieren. 1166<br />

Allerdings ist zweifelhaft, ob<br />

Mitgliedstaaten, die vom Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht innerstaatlich keinen Geb<strong>ra</strong>uch gemacht haben,<br />

hierzu bereit wären.<br />

Letztlich bestehen aber auch aus rechtspolitischen Erwägungen he<strong>ra</strong>us in mehrfacher Weise<br />

Be<strong>de</strong>nken am Abschluß von Konkordaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenverträgen durch die Gemeinschaft:<br />

Zum einen zeigt z.B. das <strong>Religionsrecht</strong> Österreichs, welche Schwierigkeiten es bereiten<br />

kann, wenn kaum allgemeine Regeln für alle Religionsgemeinschaften, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur spezielle<br />

Verträge mit einzelnen Religionsgemeinschaften bestehen. Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wäre die<br />

Begründung von vert<strong>ra</strong>glichem Son<strong><strong>de</strong>r</strong>recht nur mit einigen Religionsgemeinschaften,<br />

namentlich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Römisch-Katholischen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen Kirche, mit <strong>de</strong>m<br />

gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar, zumal die Gemeinschaft mehr<br />

noch als die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland <strong><strong>de</strong>r</strong> Parität, und dies nicht etwa in abgestufter<br />

1164 So auch Streinz, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. (31) 1997, S. 96.<br />

1165 Ähnlich Schäfer, Fn. 1106, S. 10; Tempel, Fn. 695, S. 18 f. Im übrigen hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die<br />

Vo<strong>ra</strong>ussetzungen, unter <strong>de</strong>nen er eine ungeschriebene Außenkompetenz anerkennt,<br />

mittlerweile eingeschränkt. So ist die <strong>im</strong>plizite Annexkompetenz <strong>im</strong> Regelfall aufgegeben<br />

wor<strong>de</strong>n. Soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g keine ausdrückliche Außenkompetenz vorsieht, ergibt sich<br />

eine Außenkompetenz nur dann, wenn die Gemeinschaft bereits von <strong><strong>de</strong>r</strong> Innenkompetenz<br />

Geb<strong>ra</strong>uch gemacht hat o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihr Geb<strong>ra</strong>uch aus sachlichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> rechtlichen Grün<strong>de</strong>n<br />

zwingend die Einbeziehung von Dritten erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, vgl. Geiger, Vert<strong>ra</strong>gsschlußkompetenzen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft und auswärtige Gewalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten – Zur neueren<br />

Rechtsprechung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gerichtshofs, JZ 1995, S. 973 ff., 980.<br />

1166 Vgl. zur Rechtsnatur <strong><strong>de</strong>r</strong> „gemischten Abkommen“ Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 670.


290<br />

Variation, verpflichtet ist. 1167 Ziel muß daher für alle Religionsgemeinschaften eine<br />

Ve<strong>ra</strong>nkerung religionsrechtlicher Positionen <strong>im</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründungsverträge sein, anstatt<br />

sich über das Hintertürchen <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gsrechts privilegierte Rechtspositionen zu sichern. 1168<br />

Wie das <strong>Religionsrecht</strong> in Belgien ver<strong>de</strong>utlicht, ist es keineswegs zwingend, daß die Stellung<br />

einer Großkirche einer Festigung durch das Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht bedarf.<br />

III. Zusammenfassung<br />

Bei Konkordaten kann es sich um sog. Altverträge i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV<br />

han<strong>de</strong>ln, da diese allgemein als völkerrechtliche Verträge anerkannt wer<strong>de</strong>n. Auch Konkordate<br />

einzelner Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong>de</strong>m Hl. Stuhl können unter Art. 307 (ex-Art. 234) EGV<br />

fallen, da <strong>de</strong>n Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n insoweit über Art. 32 Abs. 3 GG eine eigene Abschlußkompetenz<br />

verliehen wur<strong>de</strong>. Kirchenverträge <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland mit <strong>de</strong>n Evangelischen<br />

Lan<strong>de</strong>skirchen sind mangels Völkerrechtsfähigkeit letzterer lediglich als nicht unter<br />

Art. 307 (ex-Art. 234) EGV fallen<strong>de</strong> öffentlich-rechtliche Verträge einzustufen. Gemäß<br />

Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV besteht für die Mitgliedstaaten für mit <strong>de</strong>m<br />

Gemeinschaftsrecht unvereinbare Altverträge eine Kündigungspflicht. Die Aufhebung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

konkordatären Vert<strong>ra</strong>gsbindung ist je<strong>de</strong>nfalls analog Art. 62 WVRK möglich.<br />

1167<br />

Renck, Fn. 1133, S. 938, weist da<strong>ra</strong>uf hin, daß das Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht oftmals<br />

prinzipienwidrige Durchbrechungen <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Bekenntnisneut<strong>ra</strong>lität beinhaltet.<br />

1168<br />

Ähnlich: Schmidtchen, Markt und Wettbewerb in Gottes Welt, FAZ vom 1.11.1997,<br />

Nr. 254, S. 17, Sp. 6.


J. Kirche als Teil <strong>de</strong>s Mitgliedstaats durch Verleihung <strong>de</strong>s<br />

Status einer K.d.ö.R.?<br />

291<br />

Im folgen<strong>de</strong>n soll <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge nachgegangen wer<strong>de</strong>n, inwieweit Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status als Teil eines Mitgliedstaats<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n können und welche Folgen sich hie<strong>ra</strong>us <strong>im</strong> Hinblick auf eine Bindung an<br />

Gemeinschaftsgrundrechte und Richtlinienbest<strong>im</strong>mungen ergeben.<br />

I. Grundsatz: Grundrechtsbindung nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

be<strong>im</strong> Vollzug <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />

Die Gemeinschaftsorgane sind an die zum pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrecht gehören<strong>de</strong>n<br />

Gemeinschaftsgrundrechte gemäß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV in je<strong>de</strong>m Fall gebun<strong>de</strong>n. 1169<br />

An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als die Grundfreiheiten, welche sich unmittelbar an die Mitgliedstaaten wen<strong>de</strong>n, sind<br />

die Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht Adressaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte. Nationale<br />

Gerichte und Behör<strong>de</strong>n müssen die Gemeinschaftsgrundrechte und an<strong><strong>de</strong>r</strong>es Pr<strong>im</strong>ärrecht<br />

jedoch zum einen be<strong>im</strong> Vollzug <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts durch Richtlinien und<br />

Verordnungen beachten, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en dann, wenn sie sich auf Ausnahmeregelungen<br />

hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten berufen wollen. 1170<br />

Vor ihrer Umsetzung ins nationale Recht bin<strong>de</strong>n Richtlinien gemäß Art. 249 (ex-Art. 189)<br />

Abs. 3 EGV zwar die Mitgliedstaaten, grundsätzlich aber keine Privatpersonen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

juristische Personen <strong>de</strong>s Privatrechts.<br />

II. Ausnahme: Bindung auch Privater<br />

Eine Bindung Privater durch das Gemeinschaftsrecht kann jedoch grundsätzlich dort<br />

angenommen wer<strong>de</strong>n, wo dieses private Rechtssubjekte verpflichtet. Dies ist z.B. bei <strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />

1169 Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 486.<br />

1170 Vgl. hierzu die Ausführungen oben unter E.IV.1.a)cc)(2).


292<br />

Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV geregelten Arbeitnehmerfreizügigkeit in gleicher Weise <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Fall wie bei Art. 141 (ex-Art. 119) EGV. 1171<br />

Mittlerweile vertritt <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Auffassung, daß sich <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelne auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />

nicht nur gegenüber staatlichen Institutionen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong>im</strong> Verhältnis zu<br />

rechtlich autonomen Verbän<strong>de</strong>n berufen kann und begrün<strong>de</strong>t dies damit, daß Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse <strong>im</strong><br />

Hinblick auf die Freizügigkeit zwischen <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten nicht beseitigt wer<strong>de</strong>n könnten,<br />

wenn anstelle staatlicher Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse nunmehr solche autonomer, nicht <strong>de</strong>m öffentlichen<br />

Recht unterliegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigungen und Einrichtungen aufgerichtet wür<strong>de</strong>n. 1172 Zwar bedarf<br />

es weiterer Klärung, ob <strong>de</strong>n Grundfreiheiten <strong>im</strong> Verhältnis zu Privaten generell eine Art<br />

Drittwirkung zukommt. 1173 Kirchen und Religionsgemeinschaften, die kollektive Regelungen<br />

erlassen können, sind jedoch nach <strong><strong>de</strong>r</strong> eben zitierten Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH selbst dann an<br />

die Grundfreiheiten gebun<strong>de</strong>n, wenn sie nicht <strong>de</strong>n Status einer K.d.ö.R. besitzen, was zur<br />

Folge hat, daß sie z.B. bei Personaleinstellungen nicht willkürlich aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit<br />

diskr<strong>im</strong>inieren dürften. 1174<br />

Auch das Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen nach Art. 28 (ex-Art. 30) EGV<br />

richtet sich konsequenterweise nicht nur an die Mitgliedstaaten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch an Private,<br />

soweit diese kollektive Maßnahmen erlassen können. Aus diesem Grun<strong>de</strong> wäre z.B. ein<br />

religiös motivierter Boykottaufruf <strong>de</strong>s Inhalts, Bananen aus Unrechtsreg<strong>im</strong>en nicht zu kaufen,<br />

grundsätzlich als verbotene Maßnahme i.S.d. Art. 28 (ex-Art. 30) EGV zu beurteilen. 1175<br />

Allerdings fän<strong>de</strong> ein solcher Aufruf seine Rechtfertigung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit, was sich aus<br />

<strong>de</strong>m Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis <strong><strong>de</strong>r</strong> Beurteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten <strong>im</strong> Lichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Abwägung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Positionen zueinan<strong><strong>de</strong>r</strong> ergibt. 1176<br />

1171<br />

EuGH, Rs. 143/83 (Kommission/Dänemark), Slg. 1985, S. 427 ff., 433 ff.; Streinz, Fn. 453,<br />

Rdnr. 880; vgl. auch die Ausführungen unten K.I.2.a)bb).<br />

1172<br />

EuGH, Rs. C-415/93 (<strong>Union</strong> royale belge <strong>de</strong>s sociétés <strong>de</strong> football association ASBL/<br />

Bosman, Royal club liégeois SA/Bosman u.a.), Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rz. 82 f.<br />

1173<br />

Bejahend: v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Müller-G<strong>ra</strong>ff, Bd. 1, Art. 30, Rdnrn. 127 ff.;<br />

ablehnend: Obwexer, Fn. 554, S. 68, wonach die unmittelbare Drittwirkung i.R.d. Grundfreiheiten<br />

auf kollektive Regelungen Privater beschränkt sein soll.<br />

1174<br />

Vgl. EuGH, Rs. 34/79 (Henn u. Darby), Slg. 1979, S. 3795 ff., 3815; So auch Bleckmann,<br />

Fn. 310, S. 22; Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 319, S. 196.<br />

1175<br />

Beispiel bei Robbers, Fn. 181, S. 90.<br />

1176<br />

S.o. E.IV.2.b); a.A. Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 319, S. 195, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> konkreten Fall die Warenverkehrsfreiheit<br />

als höher<strong>ra</strong>ngig einstuft, weil hier Grundrechte zu wirtschaftlichen Zwecken <strong>de</strong>n<br />

Grundfreiheiten entgegengehalten wür<strong>de</strong>n.


III. Zwischenposition öffentlich-rechtlicher Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

1. Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus<br />

293<br />

Den Kirchen und Religionsgemeinschaften kommt in einigen Mitgliedstaaten eine Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung<br />

zu. In Deutschland und Österreich beispielsweise haben sie oftmals nicht nur eine<br />

Stellung wie ein Privater o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine sonstige juristische Person <strong>de</strong>s Privatrechts inne, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

genießen vielmehr <strong>de</strong>n Status einer K.d.ö.R. Hierunter versteht man eine Personenmehrheit,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> durch das öffentliche Recht Rechtspersönlichkeit und Rechtsfähigkeit zugesprochen<br />

wur<strong>de</strong>; als juristische Person kann die K.d.ö.R. <strong>de</strong>mnach Träger von Rechten und Pflichten<br />

sein, klagen und beklagt wer<strong>de</strong>n. 1177<br />

Mit <strong>de</strong>m Status einer K.d.ö.R. sind vor allem<br />

Rechtspositionen verbun<strong>de</strong>n, wie z.B. ein eigenes Rechtssetzungs-, Steuererhebungs-, Dienst-<br />

und Selbstverwaltungsrecht.<br />

2. Die <strong>de</strong>utsche Sichtweise<br />

In Deutschland wird überwiegend die Ansicht vertreten, daß es sich bei <strong>de</strong>n Kirchen nicht um<br />

mittelbare Staatsverwaltung han<strong>de</strong>le, wie dies sonst für Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts typisch ist. Kirchenkörperschaften seien daher nicht zwangsläufig inbegriffen, wenn in<br />

staatlichen Rechtsnormen von K.d.ö.R. die Re<strong>de</strong> sei. 1178<br />

Der Körperschaftsstatus für Kirchen<br />

und Religionsgemeinschaften legit<strong>im</strong>iert sich nach <strong>de</strong>utscher Sichtweise einerseits historisch,<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits durch das staatliche Interesse am religiös und weltanschaulich geprägten<br />

1177<br />

Vgl. nur Pieroth/Schlink, Fn. 876, Rdnr. 154; vgl. hinsichtlich <strong>de</strong>s Bestan<strong>de</strong>s einer K.d.ö.R.:<br />

Kunig/ Uerpmann, Zum Verlust <strong>de</strong>s Status einer Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts am<br />

Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> altkorporierten jüdischen Religionsgemeinschaft Adass Jisroël, DVBl. 1997,<br />

S. 248 ff.; Reupke, Die Religionskörperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts in <strong><strong>de</strong>r</strong> Wertordnung<br />

<strong>de</strong>s Grundgesetzes, KuR 210, S. 7 ff.<br />

1178<br />

Friesenhahn, Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts, in: Bayerisches Staatsministerium <strong><strong>de</strong>r</strong> Justiz (Hrsg.): Staat und Kirche. Refe<strong>ra</strong>te <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Tagung <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Richte<strong>ra</strong>ka<strong>de</strong>mie in Trier vom 6. bis 12. November 1983, S. 75 ff.,<br />

90. In Österreich dagegen wird vertreten, daß Kirchen und Religionsgemeinschaften grds.<br />

mitgemeint seien, wenn durch die staatliche Gesetzgebung Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts angesprochen seien, soweit die gesetzliche Formulierung diese nicht ausschließe,<br />

vgl. Potz, Fn. 206, S. 261.


294<br />

Menschen und an funktionsfähigen Religionsgemeinschaften. 1179 Durch diesen Status sollen<br />

die korporierten Religionsgemeinschaften jedoch nicht schon staatliche Aufgaben o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

staatliche Gewalt ausüben und von Gesetzes wegen einer beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Staatsaufsicht<br />

unterstehen, wie dies sonst zum Wesen öffentlich-rechtlicher Körperschaften gehöre; eine<br />

Einglie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung in <strong>de</strong>n Staat sei ebenfalls nicht anzunehmen. 1180<br />

Gleichwohl wird die Verleihung <strong>de</strong>s öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich<br />

angesichts <strong>de</strong>s schnell wachsen<strong>de</strong>n religiösen Marktes zu einer Art „staatlichem Gütesiegel“<br />

1181 entwickelt, entgegen <strong><strong>de</strong>r</strong> grundgesetzlich normierten Erteilungsvo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />

seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> obergerichtlichen Rechtsprechung zusätzlich an eine gewisse Staatsnähe als<br />

ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal gekoppelt. Dies wird damit begrün<strong>de</strong>t, daß es durch<br />

Verleihung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus zur – wenn auch begrenzten – Übert<strong>ra</strong>gung staatlicher<br />

Hoheitsgewalt komme. Aus diesem Grun<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ant<strong>ra</strong>g <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeugen Jehovas auf<br />

Verleihung <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperschaftsrechte wegen mangeln<strong><strong>de</strong>r</strong> Nähe zum <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen Staat vom<br />

BVerwG abgelehnt, obwohl die Religionsgemeinschaft die geschriebenen drei Vo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />

<strong>de</strong>s Art. 140 i.V.m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV erfüllt. 1182<br />

1179<br />

Seifert/Hömig/Bergmann, GG, Art. 140, Rdnr. 12; Friesenhahn, Fn. 1178, S. 77. So lasse<br />

die Anerkennung die Wertschätzung <strong>de</strong>s Staates für die von ihm anerkannten Religionsgemeinschaften<br />

erkennen und hebe diese Gemeinschaften um ihrer beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Be<strong>de</strong>utung<br />

für die öffentliche Gesamtordnung willen gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gemeinschaften, auch <strong>de</strong>n<br />

privatrechtlichen Religionsgemeinschaften, hervor; vgl. BVerfGE 18, S. 385 ff., 387; 42,<br />

S. 312 ff., 333; 66, S. 1 ff., 20; BVerwG, NJW 1997, S. 2396 ff., 2397, vgl. an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits<br />

aber auch Schmidt-Eichstaedt, Kirchen als Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts?, Köln –<br />

Berlin – Bonn – München 1975, <strong><strong>de</strong>r</strong> einige Spannungsfel<strong><strong>de</strong>r</strong> zwischen öffentlich-rechtlichem<br />

Kirchenstatus und <strong>de</strong>m Neut<strong>ra</strong>litätsprinzip aufzeigt.<br />

1180<br />

Seifert/Hömig/Bergmann, GG, Art. 140, Rdnr. 12, unter Verweis auf BVerfGE 42,<br />

S. 312 ff., 332; 55, S. 230 f.; 66, S.19 f.; 70, S. 160 f., sowie BGHZ 12, 323; Bethge,<br />

Fn. 444, S. 78; Friesenhahn, Fn. 1178, S. 85, 89.<br />

1181<br />

Abel, Zeugen Jehovas keine Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts, NJW 1997, S. 2370.<br />

1182<br />

BVerwG, NJW 1997, S. 2396 ff.; vgl. hierzu Abel, Fn. 1181, S. 2370 ff.; Huster,<br />

Körperschaftsstatus unter Loyalitätsvorbehalt? JuS 1998, S. 117 ff.; Link, Zeugen Jehovas<br />

und Körperschaftsstatus, ZevKR 43 (1998), S. 1 ff.; Morlok/Heinig, Parität <strong>im</strong> Leistungsstaat<br />

– Körperschaftsstatus nur bei Staatsloyalität?, NVwZ 1999, S. 697 ff.; Pagels, Die<br />

Zuerkennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft an eine Religionsgemeinschaft<br />

– OVG Berlin, NVwZ 1996, 478, JuS 1996, S. 790 ff.; Tillmanns, Zur<br />

Verleihung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus an Religionsgemeinschaften, DÖV 1999, S. 441 ff. <strong>Das</strong><br />

BVerwG hatte entschie<strong>de</strong>n, daß eine Religionsgemeinschaft, die <strong>de</strong>m <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tisch<br />

verfaßten Staat nicht die für eine dauerhafte Zusammenarbeit unerläßliche Loyalität<br />

entgegenbringt (hier: Verbot <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> an Wahlen), keinen Anspruch


3. Die gemeinschaftsrechtliche Sichtweise<br />

295<br />

Zu klären ist jedoch, ob öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaften gemeinschaftsrechtlich<br />

aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> gewährten Hoheitsrechte als Mitadressaten von Richtlinienbest<strong>im</strong>mungen<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n können, da eine Richtlinie nach Art. 249 (ex-Art. 189) Abs. 3 EGV „für<br />

je<strong>de</strong>n Mitgliedstaat, an <strong>de</strong>n sie gerichtet wird, hinsichtlich <strong>de</strong>s zu erreichen<strong>de</strong>n Ziels<br />

verbindlich“ ist. 1183 Immerhin hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH entschie<strong>de</strong>n, daß alle Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung<br />

einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemein<strong>de</strong>n und <strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen Gebietskörperschaften verpflichtet sind,<br />

unbedingte und hinreichend konkrete Richtlinienbest<strong>im</strong>mungen – ebenso wie ein staatlicher<br />

Arbeitgeber, <strong><strong>de</strong>r</strong> insoweit nicht als Hoheitsträger auftritt 1184<br />

– anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Ein<strong>de</strong>utig zu bejahen ist die Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt durch die Kirchen und damit<br />

die Zuordnung zum Staat je<strong>de</strong>nfalls <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Kirchensteuereinzugs, zumal hier die<br />

steuerrechtlichen Zwangsmittel zum Einsatz gelangen können. 1185 Daher wird in diesem Fall<br />

für Kirchen und Religionsgemeinschaften regelmäßig eine Grundrechtsbindung sowie eine<br />

unmittelbare Wirkung von Richtlinien anzunehmen sein. 1186<br />

IV. Gewinnung eines Unterscheidungskriteriums anhand <strong><strong>de</strong>r</strong> Klagebefugnis?<br />

auf Anerkennung als K.d.ö.R. habe; sie nehme das „Koope<strong>ra</strong>tionsangebot <strong>de</strong>s Staates“ nicht<br />

an. Eine ähnliche Argumentation müßte man <strong>de</strong>mzufolge auch bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Scientology-<br />

Organisation zugrun<strong>de</strong>legen, da diese u.a. Plu<strong>ra</strong>lismus ablehnt, vgl. LG Bonn, NJW 1997,<br />

S. 2958 ff; an<strong><strong>de</strong>r</strong>s dagegen Zuck, Scientology – na und ?, NJW 1997, S. 697 ff., 698.<br />

Problematisch ist auch die Verleihung von Körperschaftsrechten an islamische Vereinigungen,<br />

vgl. hierzu Albrecht, Fn. 125, S. 1 ff.; Huster, a.a.O., S. 120, weist jedoch zu Recht<br />

da<strong>ra</strong>uf hin, daß die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland in <strong>de</strong>n Erteilungsvo<strong>ra</strong>ussetzungen an<br />

Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV gebun<strong>de</strong>n und darüber hinaus zu strikter<br />

Neut<strong>ra</strong>lität verpflichtet sei; diese Grun<strong>de</strong>ntscheidungen dürften nicht durch zusätzliches<br />

Hineinlesen weiterer Verfassungsvo<strong>ra</strong>ussetzungen unterlaufen wer<strong>de</strong>n, wolle man sich nicht<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gefahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Beliebigkeit tagespolitischer Wertungen ausliefern.<br />

1183 Vgl. EuGH, Rs. 103/88 (F<strong>ra</strong>telli Costanzo SpA/Stadt Mailand), Slg. 1989, S. 1839 ff.,<br />

Rz. 28 ff.<br />

1184 EuGH, Rs. 152/84 (Marshall/Southampton and South-West Hampshire Area Health<br />

Authority), Slg. 1986, S. 723 ff., Rz. 49 ff.<br />

1185 So auch Bethge, Fn. 444, S. 79; Robbers, Fn. 181, S. 86.<br />

1186 Ebenso Bleckmann, Fn. 310, S. 24; zu ve<strong>ra</strong>llgemeinernd Rüfner, Fn. 448, S. 496 f.


296<br />

Soweit die Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status nicht<br />

offensichtlich Hoheitsgewalt ausüben, fällt die Einordnung vor allem <strong>de</strong>swegen schwerer,<br />

weil das Gemeinschaftsrecht diese Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung zwischen Staat und juristischer Person <strong>de</strong>s<br />

Privatrechts nicht explizit erwähnt. Aus diesem Grund wird z.B. bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Klagebefugnis i.R.d.<br />

Nichtigkeitsklage <strong>de</strong>s Art. 230 (ex-Art. 173) EGV nur differenziert zwischen <strong>de</strong>n in Abs. 2<br />

genannten privilegierten Klagebefugten, wie z.B. <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten selbst, und <strong>de</strong>n in<br />

Abs. 4 aufgeführten nicht-privilegierten Klagebefugten, zu <strong>de</strong>nen natürliche und juristische<br />

Personen zählen. Für die Untätigkeitsklage nach Art. 232 (ex-Art. 175) Abs. 1, 3 EGV gilt<br />

entsprechen<strong>de</strong>s.<br />

Die Nichterwähnung von Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem<br />

Status unter <strong>de</strong>n privilegierten Klagebefugten kann jedoch nicht als Argument dafür<br />

he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n, daß Kirchen an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als die Mitgliedstaaten zu behan<strong>de</strong>ln seien, mithin<br />

also nicht an Grundrechte gebun<strong>de</strong>n wären. Der EuGH hat <strong>im</strong> Rahmen einer Nichtigkeitsklage<br />

ausdrücklich entschie<strong>de</strong>n, daß auch eine Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts – es han<strong>de</strong>lte<br />

sich konkret um die autonome Region Wallonien – ebenfalls nur als juristische Person i.S.d.<br />

Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 4 EGV, nicht dagegen nach Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 2 EGV<br />

privilegiert klagebefugt ist, 1187 obwohl für öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften eine<br />

Grundrechtsbindung zweifelsohne besteht. 1188<br />

Anhand <strong><strong>de</strong>r</strong> Klagebefugnis läßt sich damit<br />

nicht ein<strong>de</strong>utig festmachen, ob sich Kirchenkörperschaften i.R.d. Richtlinienumsetzung<br />

gemeinschaftsrechtlich als Mitgliedstaaten behan<strong>de</strong>ln lassen müssen.<br />

V. Kirchen und Religionsgemeinschaften als Teil staatlicher Verwaltung?<br />

Gene<strong>ra</strong>lanwalt Walter van Gerven hatte in seinen Schlußanträgen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Foster ebenfalls<br />

hervorgehoben, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH nur eine Zweiteilung zwischen Mitgliedstaat und natürlichen<br />

bzw. juristischen Personen kenne und eine Dreiteilung i.S.d. Anerkennung einer dritten<br />

Zwischengruppe von Personen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Einrichtungen, unter welche z.B. staatliche Universitäten<br />

1187 EuGH, Verb. Rs. 62/87 und 72/87 (Wallon und Glaverbel/Kommission), Slg. 1988,<br />

S. 1573 ff. Allerdings ist insoweit anzumerken, daß die Bun<strong>de</strong>sregierung gemäß § 7 Abs. 1<br />

<strong>de</strong>s Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Angelegenheiten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> vom 12.3.1993, BGBl. 1993 I, S. 313 ff., auf Verlangen <strong>de</strong>s<br />

Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>tes grundsätzlich zur Klage verpflichtet ist, soweit ausschließliche Län<strong><strong>de</strong>r</strong>gesetzgebungsrechte<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> betroffen sind, vgl. Schweitzer, Fn. 39, Rdnr. 393.<br />

1188 Vgl. nur EuGH, Rs. 152/84, Fn. 1184, Rz. 49 ff.


297<br />

und wohl auch öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaften zu subsumieren wären, nicht<br />

durchzuführen ist. 1189<br />

Entschei<strong>de</strong>nd ist daher, ob Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem<br />

Körperschaftsstatus gemeinschaftsrechtlich eher <strong>de</strong>m staatlichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber <strong>de</strong>m nichtstaatlichen<br />

Bereich zugeordnet wer<strong>de</strong>n müssen. In <strong><strong>de</strong>r</strong> soeben genannten Rechtssache<br />

entschied <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, daß selbst eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft bei Vorliegen<br />

gewisser Kriterien gemeinschaftsrechtlich als Teil <strong>de</strong>s Mitgliedstaats angesehen wer<strong>de</strong>n<br />

müsse:<br />

„Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage dieser Erwägungen hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof in einer Reihe von Rechtssachen<br />

anerkannt, daß sich die einzelnen auf unbedingte und hinreichend genaue Best<strong>im</strong>mungen einer<br />

Richtlinie gegenüber Organisationen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Einrichtungen berufen können, die <strong>de</strong>m Staat o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>de</strong>ssen Aufsicht unterstehen o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechten ausgestattet sind, die über<br />

diejenigen hinausgehen, die nach <strong>de</strong>n Vorschriften für die Beziehungen zwischen<br />

Privatpersonen gelten.“ 1190<br />

Die Rechtsform einer Einrichtung ist schon <strong>de</strong>swegen kein geeignetes Abgrenzungskriterium,<br />

da sogar eine privatrechtliche Organisation <strong>im</strong> Hinblick auf die Grundrechtsbindung u.U. als<br />

„Mitgliedstaat“ i.S.d. Art. 249 (ex-Art. 189) Abs. 3 EGV angesehen wer<strong>de</strong>n kann. 1191<br />

Nach<br />

Auffassung <strong>de</strong>s EuGH gilt daher eine Einrichtung als „Mitgliedstaat“ i.S.d. Gemeinschaftsrechts<br />

soweit es sich um<br />

- eine staatliche Einrichtung, d.h. eine Behör<strong>de</strong>,<br />

- eine Einrichtung unter staatlicher Aufsicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> um<br />

- eine gegenüber privatrechtlichen Organisationen privilegierte Einrichtung<br />

han<strong>de</strong>lt.<br />

Während bei Kirchen und Religionsgemeinschaften ein<strong>de</strong>utig die erstgenannte Gruppe ausschei<strong>de</strong>t,<br />

ist das Kriterium <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Kirchenaufsicht bei Staatskirchen <strong>im</strong> Regelfall<br />

erfüllt. Da jedoch die genannten Vo<strong>ra</strong>ussetzungen nicht kumulativ, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich<br />

alternativ vorliegen müssen, sind Kirchen und Religionsgemeinschaften schon dann gemeinschaftsrechtlich<br />

als Teil <strong>de</strong>s Mitgliedstaats anzusehen, soweit ihnen gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

privatrechtlichen Organisationen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Rechte eingeräumt wor<strong>de</strong>n sind. Durch die<br />

1189<br />

GA van Gerven, Rs. C-188/89 (Foster u.a./British Gas), Slg. 1990, S. I-3313 ff., 3332 f.,<br />

Rz. 10.<br />

1190<br />

EuGH, Rs. C-188/89 (Foster u.a./British Gas), Slg. 1990, S. I-3313 ff., 3348, Rz. 18.<br />

1191<br />

EuGH, Rs. C-188/89, Fn. 1190, Rz. 20.


298<br />

Verleihung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus wird Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Gegensatz<br />

zu privatrechtlichen Organisationen neben einem eigenen Satzungsrecht v.a. ein eigenes<br />

Besteuerungsrecht und ein eigenes Dienstrecht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung von<br />

Beamtenverhältnissen zugestan<strong>de</strong>n. Im einzelnen könnte hier auf die durch Konkordate und<br />

Kirchenverträge begrün<strong>de</strong>ten Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechte verwiesen wer<strong>de</strong>n. 1192<br />

Ebendiese Privilegien<br />

müssen bei konsequenter Anwendung <strong>de</strong>s EuGH-Urteils in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Foster <strong>im</strong> Anwendungsbereich<br />

<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zur Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften an<br />

Gemeinschaftsgrundrechte führen; eine Bindung an Richtlinien <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft tritt für<br />

Kirchenkörperschaften – wie für die Mitgliedstaaten selbst – schon vor <strong><strong>de</strong>r</strong>en Umsetzung ein.<br />

VI. Öffentliches Auft<strong>ra</strong>gswesen<br />

1. Gemeinschaftsrechtliche Definition eines öffentlichen Auft<strong>ra</strong>ggebers<br />

Im Gegensatz zur Bindung an das Gemeinschaftsrecht differenziert die gemeinschaftsrechtliche<br />

Gesetzgebung <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s öffentlichen Auft<strong>ra</strong>gswesens <strong>de</strong>nnoch<br />

zwischen Mitgliedstaat, Gebietskörperschaften und sonstigen Einrichtungen <strong>de</strong>s öffentlichen<br />

Rechts, wobei unter letztere u.U. die öffentlich-rechtlichen Kirchenkörperschaften subsumiert<br />

wer<strong>de</strong>n könnten.<br />

Der Begriff <strong>de</strong>s öffentlichen Auft<strong>ra</strong>ggebers 1193 , für <strong>de</strong>n ab einem best<strong>im</strong>mten<br />

Auft<strong>ra</strong>gsvolumen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e gemeinschaftsweite Ausschreibungspflichten bestehen, wird in<br />

Art. 1 lit. b <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 93/37/EWG 1194 – die Vorschrift ist gleichlautend mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 1 lit. b <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 92/50/EWG 1195<br />

– wie folgt <strong>de</strong>finiert:<br />

1192<br />

Vgl. hierzu <strong>de</strong>n Verweis oben Fn. 1128.<br />

1193<br />

Vgl. zu diesem Begriff EuGH, Rs. C-44/96 (Mannesmann Anlagenbau Austria AG<br />

u.a./Strohal Rotationsdruck GmbH) Slg. 1998, S. I-73 ff., 113 f., Rz. 20 ff. = NJW 1998,<br />

S. 3261 ff. = EuZW 1998, S. 120 ff.; Rs. C-360/96 (Gemeente Arnhem u. Gemeente<br />

Rhe<strong>de</strong>n/BFI Holding BV), Slg. 1998, S. I-6846 ff., Rz. 62 = EuZW 1999, S. 16 ff.;<br />

Rs. C-353/96 (Kommission/Irland), Slg. 1998, S. I-8580 ff., 8583, Rz. 6; 8592, Rz. 32.<br />

1194<br />

Richtlinie <strong>de</strong>s Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfahren zur Vergabe<br />

öffentlicher Bauaufträge, ABl. 1993, Nr. L 199, S. 54 ff.; abgedruckt bei Prieß, <strong>Das</strong><br />

öffentliche Auft<strong>ra</strong>gswesen in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Köln – Berlin – Bonn – München<br />

1994, Anhang 1, S. 163 ff. Zum 1.1.1999 ist in Deutschland das Vergaberechtsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungs-


299<br />

„Im Sinne dieser Richtlinie<br />

[...]<br />

b) gelten als öffentliche Auft<strong>ra</strong>ggeber: <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat, Gebietskörperschaften, Einrichtungen <strong>de</strong>s<br />

öffentlichen Rechts und Verbän<strong>de</strong>, die aus einer o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehreren dieser Körperschaften o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Einrichtungen bestehen. Als Einrichtung <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts gilt je<strong>de</strong> Einrichtung,<br />

- die zu <strong>de</strong>m beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Zweck gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, <strong>im</strong> Allgemeininteresse liegen<strong>de</strong><br />

Aufgaben zu erfüllen, die nicht gewerblicher Art sind, und<br />

- die Rechtspersönlichkeit besitzt und<br />

- die überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften o<strong><strong>de</strong>r</strong> von an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Einrichtungen<br />

<strong>de</strong>s öffentlichen Rechts finanziert wird o<strong><strong>de</strong>r</strong> die hinsichtlich ihrer Leitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufsicht<br />

durch letztere unterliegt o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>en Verwaltungs- Leitungs- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Aufsichtsorgan mehrheitlich<br />

aus Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n besteht, die vom Staat, <strong>de</strong>n Gebietskörperschaften o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Einrichtungen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts ernannt wor<strong>de</strong>n sind.<br />

Die Verzeichnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Einrichtungen und Kategorien <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts, die die in<br />

Unte<strong>ra</strong>bsatz 2 genannten Kriterien erfüllen, sind in Anhang I enthalten.“<br />

a) Erfüllung <strong>im</strong> Allgemeininteresse liegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgaben<br />

Unter die Definition <strong>de</strong>s „öffentlichen Auft<strong>ra</strong>ggebers“ könnten auch Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en Einrichtungen fallen, soweit sie <strong>im</strong> Allgemeininteresse<br />

liegen<strong>de</strong> Aufgaben erfüllen. Hierunter wer<strong>de</strong>n in erster Linie alle Tätigkeiten verstan<strong>de</strong>n, die<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Staat für seine Bürger erbringt o<strong><strong>de</strong>r</strong> erbringen läßt. 1196 Der Begriff <strong>de</strong>s „öffentlichen<br />

Auft<strong>ra</strong>ggebers“ ist jedoch nicht <strong>im</strong> organisationsrechtlichen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>im</strong> funktionellen Sinne<br />

zu verstehen. 1197<br />

Viele <strong><strong>de</strong>r</strong> von Kirchen und Religionsgemeinschaften versehenen Aufgaben stellen zugleich<br />

auch staatliche Aufgaben dar, die dieser häufig auf gemeindlicher Ebene wahrn<strong>im</strong>mt (vgl.<br />

Art. 83 BayVerf, Art. 57 Abs. 1 BayGO), z.B. die Schaffung von Einrichtungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Wohlfahrtspflege, die Jugendfürsorge, die Ehe- und Mütterbe<strong>ra</strong>tung sowie die Erhaltung<br />

gesetz als 4. Teil <strong>de</strong>s GWB in K<strong>ra</strong>ft getreten, vgl. hierzu Prieß, <strong>Das</strong> Öffentliche Auft<strong>ra</strong>gswesen<br />

in <strong>de</strong>n Jahren 1997 und 1998, EuZW 1999, S. 196 ff.<br />

1195<br />

Richtlinie <strong>de</strong>s Rates vom 18. Juni 1992 über die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge,<br />

ABl. 1992, Nr. L 209, S. 1 ff.<br />

1196<br />

Vgl. Lampe-Helbig/Wörmann, Handbuch <strong><strong>de</strong>r</strong> Bauvergabe. Verfahren – Überprüfung –<br />

Scha<strong>de</strong>nsersatz, 2. Aufl., München 1995, Rdnr. 28.<br />

1197<br />

EuGH, Rs. C-360/96, Fn. 1193, Rz. 62.


300<br />

ortsgeschichtlicher Denkmäler und Bauten. 1198 Die von <strong><strong>de</strong>r</strong> CSU-Landtagsf<strong>ra</strong>ktion gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />

„allgemeine Solida<strong>ra</strong>bgabe“ für Nichtkirchenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> wird übrigens genau mit <strong>de</strong>m<br />

Argument begrün<strong>de</strong>t, daß die Kirchen infolge <strong><strong>de</strong>r</strong> vielen Kirchenaustritte <strong>im</strong>mer weniger Geld<br />

für ihre sozialen, kulturellen und erzieherischen Aufgaben hätten, welche sie <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft<br />

abnähmen. 1199<br />

Es muß davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, daß Kirchen und freie Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> <strong>im</strong><br />

Allgemeininteresse liegen<strong>de</strong> Aufgaben erfüllen, da dies <strong>im</strong>mer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> als<br />

Rechtfertigungsgrund für die Erteilung <strong>de</strong>s öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus bzw. die<br />

Staatsleistungen angeführt wird.<br />

b) Eigene Rechtspersönlichkeit<br />

Kirchenkörperschaften besitzen als juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts eine eigene<br />

Rechtspersönlichkeit und erfüllen damit auch die zweite Vo<strong>ra</strong>ussetzung eines „öffentlichen<br />

Auft<strong>ra</strong>ggebers“.<br />

c) Enge Anbindung an <strong>de</strong>n Staat<br />

Die Anbindung an <strong>de</strong>n Staat kann sich schließlich alternativ auf zwei verschie<strong>de</strong>ne Weisen<br />

dokumentieren:<br />

aa) Überwiegen<strong>de</strong> staatliche Zuwendungen<br />

Der Erhalt staatlicher Zuwendungen müßte für Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>de</strong>n<br />

überwiegen<strong>de</strong>n Teil ihrer Finanzierung ausmachen. Dies ist je<strong>de</strong>nfalls für Staatskirchen wie<br />

die Griechisch-Orthodoxe Kirche zu bejahen. Für die Kirchen in Deutschland dagegen bil<strong>de</strong>t<br />

die Haupteinnahmequelle nach wie vor die Kirchensteuer mit ca. ¾ <strong><strong>de</strong>r</strong> Einnahmen. 1200<br />

1198 Dies bejaht auch v. Campenhausen, Fn. 74, S. 412.<br />

1199 PNP Nr. 17 vom 22.01.1999, S. 7.<br />

1200 Vgl. Böttcher, Kirchensteuer – Fakten und Verpflichtungen. Am Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelisch-<br />

Lutherischen Kirche in Bayern, in: Fahr (Hrsg.), Fn. 118, S. 92, 94. Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n<br />

sonstigen Staatsleistungen kann man die Kirchensteuer nicht als eine solche ansehen, da es<br />

sich hier um einen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>beit<strong>ra</strong>g han<strong>de</strong>lt, <strong><strong>de</strong>r</strong> nur durch die staatlichen Finanzämter<br />

eingezogen wird. Allenfalls das Zurverfügungstellen <strong>de</strong>s staatlichen Finanzappa<strong>ra</strong>ts zum<br />

Kirchensteuereinzug ist als weitere staatliche Zuwendung anzusehen, vgl. hierzu die<br />

Ausführungen unten K.III.6.c)ee).


301<br />

bb) Staatsaufsicht<br />

Hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge einer Staatsaufsicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften wird<br />

man ebenfalls nach <strong>de</strong>n unterschiedlichen religionsrechtlichen Systemen, aber auch nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften innerhalb dieser<br />

Systeme unterschei<strong>de</strong>n müssen: Für Kirchen, die nicht Staatskirchen sind, z.B. für die<br />

<strong>de</strong>utschen Kirchen, fin<strong>de</strong>t eine für staatliche Einrichtungen typische Rechts- und Fachaufsicht<br />

(vgl. Art. 109 BayGO) grundsätzlich nicht statt. 1201<br />

Bei <strong>de</strong>n Staatskirchen ist das Kriterium<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsaufsicht hingegen erfüllt. Allerdings betrifft diese lediglich die offizielle<br />

Staatskirche eines Mitgliedstaats, nicht dagegen die übrigen Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen.<br />

2. Konstitutive Wirkung <strong>de</strong>s Anhangs I <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/37/EWG<br />

Allerdings scheint <strong>de</strong>m Anhang I <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/37/EWG, <strong><strong>de</strong>r</strong> gemäß Art. 35 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL<br />

93/37/EWG aufgrund von Mitteilungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ständig zu aktualisieren ist, eine<br />

konstitutive Wirkung zuzukommen. Im Anhang I wer<strong>de</strong>n die öffentlichen Einrichtungen<br />

län<strong><strong>de</strong>r</strong>weise aufgeführt, wobei z.B. für Belgien unter Ziff. I. <strong>de</strong>s Anhangs I les fabriques<br />

d’église (Kirchenämter) aufgeführt wer<strong>de</strong>n. Da die Griechisch-Orthodoxe Kirche einer<br />

weitreichen<strong>de</strong>n staatlichen Kontrolle unterliegt, müßte sie sich gemäß Ziff. IV. <strong>de</strong>s Anhangs I<br />

ebenfalls an die Ausschreibungspflicht halten. Als <strong>de</strong>utsche Einrichtungen wer<strong>de</strong>n zwar die<br />

juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts, unter ihnen gemäß Ziff. III.1.1. <strong>de</strong>s Anhangs I<br />

auch Körperschaften, als ausschreibungspflichtig aufgeführt, wobei allerdings Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Gegensatz zu <strong>de</strong>n unter Ziff. III.1.2. <strong>de</strong>s Anhangs I benannten<br />

Kultur-, Wohlfahrts-, und Hilfsstiftungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n unter Ziff. III.2.1. <strong>de</strong>s Anhangs I<br />

aufgelisteten sozialen Einrichtungen, wie z.B. Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten, Erholungseinrichtungen und<br />

Altershe<strong>im</strong>en, keine ausdrückliche Erwähnung fin<strong>de</strong>n. Deutsche Kirchen unterliegen damit<br />

m.E. nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsweiten Ausschreibungspflicht von Großaufträgen, wie z.B. bei<br />

Kirchenbauten.<br />

1201 Die Kirchenkörperschaften <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht unterliegen in weiten Bereichen keiner<br />

Staatsaufsicht. Ausnahmen sind insoweit das Besteuerungsrecht sowie staatliche<br />

Einspruchsrechte gegen Kirchengesetze, vgl. hierzu Schmidt-Eichstaedt, Fn. 1179, S. 66.<br />

Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong>n als Ersatz für die Staatsaufsichtsregelungen in <strong>de</strong>n Konkordaten und<br />

Kirchenverträgen sog. „politische Klauseln“ abgeschlossen, die gewährleisten, daß nur<br />

verfassungstreue Amtsträger in höhere Stellungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Großkirchen gelangen, vgl. Schmidt-<br />

Eichstaedt, a.a.O., S. 80 f.


302<br />

VII. Zusammenfassung<br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Körperschaftsstatus nehmen<br />

– soweit sie nicht <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Kirchensteuereinzugs staatliche Hoheitsgewalt ausüben –<br />

eine Zwischenposition zwischen Privatpersonen und <strong>de</strong>m Staat ein. Gemeinschaftsrechtlich<br />

wird jedoch keine Dreiteilung innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten anerkannt, die für die genannten<br />

Institutionen Son<strong><strong>de</strong>r</strong>recht schaffen wür<strong>de</strong>. Vielmehr hat sich diejenige juristische Person als<br />

Teil <strong>de</strong>s Mitgliedstaats behan<strong>de</strong>ln zu lassen, die seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten mit beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Rechten ausgestattet ist, die über diejenigen hinausgehen, die zwischen Privatpersonen gelten.<br />

Aus diesem Grund wird man die öffentlich-rechtlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

in Deutschland hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Bindung an das Gemeinschaftsrecht als Teil <strong>de</strong>s Mitgliedstaats<br />

ansehen müssen. An<strong><strong>de</strong>r</strong>es gilt hingegen bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausschreibungspflicht von<br />

Großaufträgen <strong>im</strong> Bauwesen, da hier <strong>de</strong> lege lata eine enge Anbindung an <strong>de</strong>n Staat, z.B.<br />

durch Staatsaufsicht, gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t wird.


1. In Deutschland<br />

K. Einzelne Integ<strong>ra</strong>tionsbereiche<br />

I. Europäische Integ<strong>ra</strong>tion und kirchliches Arbeitsrecht<br />

303<br />

a) Individualarbeitsrecht<br />

Im Individualarbeitsrecht kommen in Deutschland die allgemeinen arbeitsrechtlichen<br />

Best<strong>im</strong>mungen zur Anwendung, wobei diese allerdings aufgrund von Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regeln, die<br />

aufgrund <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgesellschaften gemäß Art. 140 GG i.V.m.<br />

Art. 137 Abs. 3 WRV gelten, modifiziert wer<strong>de</strong>n. Demzufolge hat das BVerfG für kirchliche<br />

Mitarbeiter Loyalitätspflichten ihrem Dienstherrn gegenüber anerkannt und bei einem Verstoß<br />

hiergegen ein Kündigungsrecht <strong>de</strong>sselben als rechtens angesehen. 1202<br />

b) Kollektives Arbeitsrecht<br />

Die Mitwirkungsrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Arbeitnehmer wer<strong>de</strong>n aufgrund ihres Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts<br />

von <strong>de</strong>n Kirchen selbst festgelegt, da sich ein von Streik und Aussperrungen<br />

geprägtes Arbeitskampfsystem mit <strong>de</strong>m kirchlichen Selbstverständnis als „Dienstgemeinschaft“<br />

nur schwer vereinbaren ließe. Aus diesem Grund beschritten die Evangelischen<br />

Kirchen <strong>de</strong>n sog. Dritten Weg. Dieser sieht die Arbeitsrechtliche Kommission als ein<br />

paritätisch durch Vertreter <strong>de</strong>s Dienstgebers und kirchliche Mitarbeiter besetztes Gremium<br />

vor, <strong>de</strong>ssen Aufgabe es ist, an Stelle eines von Tarifpartnern ausgehan<strong>de</strong>lten Tarifvert<strong>ra</strong>gs<br />

Normen zur Regelung <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelarbeitsverhältnisse zu schaffen. <strong>Das</strong> Pendant auf katholischer<br />

Seite ist die Schaffung einer Kommission für <strong>de</strong>n diözesanen (Bistums-/Regional-KODA)<br />

bzw. überdiözesanen Bereich (Zent<strong>ra</strong>l-KODA).<br />

1202 BVerfGE 70, S. 138 ff., 165 f.; vgl. hierzu z.B. v. Campenhausen, Kirchliches Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />

und Arbeitsrecht, in: Faller/Kirchhof/Träger (Hrsg.), Ve<strong>ra</strong>ntwortlichkeit<br />

und Freiheit, FS Geiger, Tübingen 1989, S. 581 ff., S. 593 ff.; Rüthers, Wie kirchentreu<br />

müssen kirchliche Arbeitnehmer sein?, NJW 1986, S. 356 ff.


304<br />

§ 118 Abs. 2 BetrVG sowie § 1 Abs. 2 S. 2 MitbestG billigen diese kirchlichen Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitarbeitervertretungsordnungen 1203 ausdrücklich. 1204<br />

Hierin wird z.B. geregelt, ob<br />

und in welcher Weise kirchliche Arbeitnehmer in Angelegenheiten, die ihre Interessen<br />

berühren, mitwirken und mitbest<strong>im</strong>men können.<br />

2. Auf EU-Ebene<br />

Eine statistische Übersicht über die Bildungsstätten, Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten in kirchlicher Trägerschaft<br />

und sozialen Einrichtungen in Europa – K<strong>ra</strong>nkenhäuser und Polikliniken, Alten-, Pflege- und<br />

Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>teneinrichtungen sowie Be<strong>ra</strong>tungsstellen – hat Karin R<strong>im</strong>le aufgelistet. 1205<br />

Zwar<br />

besteht keine spezielle Regelungskompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft für das kirchliche<br />

Arbeitsrecht, <strong>im</strong>merhin aber eine generelle Kompetenz <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Arbeits- und<br />

Sozialrechts, welche unmittelbare Auswirkungen auf das kirchliche Arbeitsrecht hat.<br />

a) Individualarbeitsrecht<br />

aa) Freizügigkeit, Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV<br />

(1) Grundsatz<br />

1203 Auf katholischer Seite ist die Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) als Rahmenordnung,<br />

auf evangelischer Seite neben z.T. divergieren<strong>de</strong>n lan<strong>de</strong>seigenen Kirchengesetzen und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitarbeitervertretungsordnung (MVO) für das Diakonische Werk 1992 ein rechtsvereinheitlichen<strong>de</strong>s<br />

„Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen Kirche in<br />

Deutschland“ (Mitarbeitervertretungsgesetz – MVG) geschaffen wor<strong>de</strong>n, vgl. hierzu<br />

Richardi, Mitarbeitervertretungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen, in: Richardi/Wlotzke (Hrsg.), Fn. 260,<br />

§ 189, S. 1191 ff., Rdnrn. 12 ff., 40 ff.<br />

1204 Vgl. z.B. v. Campenhausen, Fn. 1202, S. 587 ff.; Richardi, Die Mitbest<strong>im</strong>mung bei<br />

Kündigungen <strong>im</strong> kirchlichen Arbeitsrecht, NZA 1998, S. 113 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Arbeitsrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirche – Staatliches Arbeitsrecht und kirchliches Dienstrecht, 2. Aufl., München 1992;<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>s., Arbeitsrechtsregelungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen, in: Richardi/Wlotzke (Hrsg.), Fn. 260,<br />

§ 188, Rdnrn. 9 ff., 16 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., <strong>Das</strong> Arbeitsrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche: Die Rechtslage in<br />

Deutschland, in: Runggaldier/Schinkele (Hrsg.), Arbeitsrecht und Kirche – Zur arbeitsrechtlichen<br />

und sozialrechtlichen Stellung von Klerikern, Or<strong>de</strong>nsangehörigen und kirchlichen<br />

Mitarbeitern in Österreich, Wien – New York 1995, S. 281 ff., allerdings mit unzutreffen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

europarechtlicher Würdigung auf S. 299.<br />

1205 In: LThK Bd. 3, Stichwort: Europa, V.


305<br />

Kennzeichen eines Arbeitnehmers i.S.d. Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV ist, daß dieser für<br />

einen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Leistungen erbringt, dabei Weisungen untersteht und als Gegenleistung eine<br />

Vergütung erhält. 1206 Somit fin<strong>de</strong>n die Vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV grds.<br />

auf alle – selbst auf verbeamtete – kirchlichen Arbeitnehmer 1207 Anwendung, zumal <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

gemeinschaftsrechtliche Arbeitnehmerbegriff 1208 weiter als <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utsche ist und neben<br />

Arbeitern und Angestellten auch Beamte umfaßt. 1209<br />

Da die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) EGV – wie alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Freizügigkeitsbest<strong>im</strong>mungen<br />

nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Übergangszeit auch – self-executing ist, d.h. wie eine<br />

Verordnung <strong>im</strong> innerstaatlichen Recht unmittelbar zur Anwendung gelangt, kann sich ein<br />

einzelner gegenüber <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten auf sie berufen, ohne daß es hierzu entsprechen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vorschriften <strong>de</strong>s sekundären Gemeinschaftsrechts bedürfte. 1210<br />

Überdies hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten eine unmittelbare Drittwirkung<br />

anerkannt, soweit Private autonome Regelungsbefugnisse gegenüber einzelnen besitzen. 1211<br />

1206 EuGH, Rs. 66/85 (Lawrie Blum/Land Ba<strong>de</strong>n-Württemberg), Slg. 1986, S. 2121 ff., Rz. 17;<br />

Rs. C-3/87 (The Queen/Ministry of Agriculture, Fisheries and Food, ex parte Agegate Ltd),<br />

Slg. 1989, S. 4459 ff., 4505, Rz. 35.<br />

1207 Vgl. hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Normen <strong>de</strong>s CIC/1983: Koizar, Erbringung „abhängiger Arbeit“ <strong>im</strong><br />

kanonischen Recht, in: Runggaldier/Schinkele (Hrsg.), Arbeitsrecht und Kirche – Zur<br />

arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Stellung von Klerikern, Or<strong>de</strong>nsangehörigen und<br />

kirchlichen Mitarbeitern in Österreich, Wien – New York 1995, S. 43 ff.<br />

1208 Der Begriff <strong>de</strong>s Arbeitnehmers ist vom EG-Recht, nicht vom nationalen Recht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten her zu best<strong>im</strong>men, vgl. EuGH, Rs. 75/63 (Unger/Bedrijfsvereniging voor<br />

<strong>de</strong>tailhan<strong>de</strong>l en ambachten), Slg. 1963, S. 379 ff., 395 ff. Aus diesem Grund sind<br />

beispielsweise die in Art. 7 Abs. 4 SGB IV genannten Kriterien, die zur Sozialversicherungspflicht<br />

scheinselbständiger Mitarbeiter führen, irrelevant. Der Begriff <strong>de</strong>s Arbeitnehmers<br />

nach Art. 39 (ex-Art. 48) EGV hat übrigens nicht nur arbeitsrechtliche, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

auch steuerrechtliche, sozialrechtliche und rentenversicherungsrechtliche Auswirkungen,<br />

vgl. Schweitzer, in: Ran<strong>de</strong>lzhofer u.a., Gedächtnisschrift für Eberhard G<strong>ra</strong>bitz, München<br />

1995, S. 747 ff., 750.<br />

1209 EuGH, Rs. 152/73 (Sotgiu/Deutsche Bun<strong>de</strong>spost), Slg. 1974, S. 153 ff., 163, Rz. 5.<br />

1210 EuGH, st. Rspr. seit Rs. 41/74 (van Duyn/Home Office), Slg. 1974, S. 1337 ff., 1347,<br />

Rz. 5/7; vgl. nur Rs. C-18/95 (T.C. Terhoeve/Inspecteur van <strong>de</strong> Belastingdienst Particulieren/On<strong><strong>de</strong>r</strong>nemingen<br />

buitenland), Urt. vom 26.1.1999, Tätigkeiten EuGH/EuG 2/99,<br />

S. 1 ff., 4; Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 1159.<br />

1211 EuGH, Rs. 36/74 (Wal<strong>ra</strong>ve u. Koch/Association <strong>Union</strong> Cycliste Internationale u.a.),<br />

Slg. 1974, S. 1405 ff.; Rs. C-415/93 (<strong>Union</strong> royale belge <strong>de</strong>s sociétés <strong>de</strong> football association


306<br />

Daher kann die Arbeitnehmerfreizügigkeit grundsätzlich auch nichtstaatliche Arbeitgeber,<br />

unter ihnen auch Kirchen und Religionsgemeinschaften als Dienstherren, bin<strong>de</strong>n.<br />

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 (ex-Art. 48) EGV ist nicht nur während <strong>de</strong>s<br />

jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses relevant, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n gilt schon <strong>im</strong> Rahmen seiner<br />

Anbahnung. Aus diesem Grun<strong>de</strong> darf <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugang von <strong>Union</strong>sbürgern zu einer Beschäftigung<br />

in einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaat nicht behin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n. Durch die Art. 3 und 4 <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

VO Nr. 1612/68 wird das Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot <strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 2 EGV, das<br />

die „Abschaffung je<strong><strong>de</strong>r</strong> auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit beruhen<strong>de</strong>n unterschiedlichen Behandlung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen“<br />

umfaßt, näher konkretisiert: Gemäß Art. 3 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO Nr. 1612/68 dürfen z.B. keine<br />

Rechts- und Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten angewandt wer<strong>de</strong>n, die das Stellenangebot<br />

und <strong>de</strong>n Zugang zur Beschäftigung durch ausländische <strong>Union</strong>sbürger einschränken.<br />

Art. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO 1612/68 verbietet die Anwendung von Auslän<strong><strong>de</strong>r</strong>quoten auf <strong>Union</strong>sbürger. 1212<br />

Für das <strong>Religionsrecht</strong> be<strong>de</strong>utet dies beispielsweise, daß sich ein <strong>Union</strong>sbürger eines an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Mitgliedstaats, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich als Lehrk<strong>ra</strong>ft in einer kirchlichen Bildungseinrichtung bewirbt, auf die<br />

gemeinschaftsrechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit ebenso berufen kann, wie eine<br />

Sozialarbeiterin aus einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaat, die sich für eine seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Caritas<br />

ausgeschriebene Stelle interessiert.<br />

<strong>Das</strong> Gemeinschaftsrecht untersagt <strong>im</strong> Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) EGV nicht<br />

nur offene Diskr<strong>im</strong>inierungen, d.h. solche, in <strong>de</strong>nen die Ungleichbehandlung ausdrücklich<br />

aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit erfolgt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch versteckte o<strong><strong>de</strong>r</strong> mittelbare<br />

Diskr<strong>im</strong>inierungen. 1213<br />

Von einer solchen spricht man, wenn eine nationale Regelung zwar<br />

formal nicht auf das Kriterium <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit abstellt, und daher auf inländische<br />

gleichermaßen wie auf ausländische Arbeitnehmer anzuwen<strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>nnoch aber <strong>de</strong>n Zweck<br />

verfolgt, Angehörige an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Mitgliedstaaten vom Zugang zur angebotenen Stelle<br />

fernzuhalten, was sich darin äußert, daß von <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Regelung in ihrer konkreten<br />

Umsetzung prozentual sehr viel mehr ausländische als inländische Arbeitnehmer betroffen<br />

sind. <strong>Das</strong> Verbot mittelbarer Diskr<strong>im</strong>inierungen aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit wird in<br />

Art. 3 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO Nr. 1612/68 konkretisiert. Versteckte Diskr<strong>im</strong>inierungen sind nur dann<br />

ASBL/Bosman, Royal club liégeois SA/Bosman u.a.), Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rz. 82 f.;<br />

Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 804, 1057.<br />

1212<br />

Vgl. zu dieser Problematik EuGH, Rs. 36/74, Fn. 1211; Rs. 13/76 (Donà/Mantero),<br />

Slg. 1976, S. 1333; Rs. C-415/93, Fn. 1211.<br />

1213<br />

Vgl. z.B. EuGH, Rs. 152/73, Fn. 1209, S. 164, Rz. 11.; Rs. C-350/96 (Clean Car<br />

Autoservice GmbH/Lan<strong>de</strong>shauptmann von Wien), Slg. 1998, S. I-2521 ff.; 2546, Rz. 27;<br />

v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Wölker, Bd. 1, Art. 48, Rdnrn. 31 ff.


307<br />

zulässig, wenn sie aus objektiv-sachlichen Grün<strong>de</strong>n gerechtfertigt sind, 1214 wozu v.a.<br />

Sp<strong>ra</strong>chkenntnisse 1215 o<strong><strong>de</strong>r</strong> best<strong>im</strong>mte berufliche Fähigkeiten 1216 zählen. Hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichen Sp<strong>ra</strong>chkenntnisse – vgl. Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO 1612/68 – wird man<br />

verlangen müssen, daß diese für die Erfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> konkreten Tätigkeit tatsächlich erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich<br />

sind, wie dies bei Lehrern selbstre<strong>de</strong>nd <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist. 1217<br />

Die in <strong>de</strong>n Konkordaten und Kirchenverträgen enthaltenen Staatsangehörigkeitsklauseln 1218 –<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> z.B. auch § 5 Abs. 1 <strong>de</strong>s österreichischen RelUG, <strong><strong>de</strong>r</strong> das Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis <strong><strong>de</strong>r</strong> österreichischen<br />

Staatsbürgerschaft für die Bestellung zum Religionslehrer aufstellt 1219 – stehen als<br />

offene Diskr<strong>im</strong>inierungen in klarem Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, die es<br />

verbietet, einem <strong>Union</strong>sbürger eines an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaats eine Anstellung mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Begründung zu verwehren, er sei Auslän<strong><strong>de</strong>r</strong>. 1220<br />

(2) Ausnahmen<br />

(i) Keine Arbeitnehmereigenschaft<br />

Soweit es sich um eine rein ehrenamtliche Tätigkeit von kirchlichen Mitarbeitern han<strong>de</strong>lt, ist<br />

das Merkmal <strong><strong>de</strong>r</strong> „Vergütung als Gegenleistung“ und damit eine wichtige Vo<strong>ra</strong>ussetzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Arbeitnehmerschaft nicht erfüllt. 1221<br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften, in <strong>de</strong>nen<br />

Laiendienste nicht pekuniär entlohnt wer<strong>de</strong>n, sind insofern von <strong><strong>de</strong>r</strong> Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Freizügigkeitsregeln entbun<strong>de</strong>n.<br />

1214 EuGH, Rs. 1/78 (Kenny/Insu<strong>ra</strong>nce Officer), Slg. 1978, S. 1489 ff., 1498, Rz. 18 – 20.<br />

1215 EuGH, Rs. C-379/87 (Groener/Minister for Education and the City of Dublin Educational<br />

Committee), Slg. 1989, S. 3967 ff., 3994, Rz. 24.<br />

1216 EuGH, Rs. 149/79 (Kommission/Belgien), Slg. 1980, S. 3881 ff., 3901, Rz. 13.<br />

1217 EuGH, Rs. C-379/87, Fn. 1215, S. 3993, Rz. 20.<br />

1218 Vgl. nur Art. 14 Abs. 2 Nr. 1, 15 Abs. 2 Reichskonkordat; Art. 13 § 1 Bay. Konkordat vom<br />

29.3.1924; Art. 26 Bay. Vert<strong>ra</strong>g mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 15.11.1924;<br />

Art. VII Abs. 1 Bad. Konkordat vom 12.10.1932; Art. V Abs. 1 Bad. Kirchenvert<strong>ra</strong>g vom<br />

14.11.1932; Art. 9 Abs. 1 Preuß. Konkordat vom 14.6.1929; Art. 8 Abs. 1 Preuß. Kirchenvert<strong>ra</strong>g<br />

vom 11.5.1931, vgl. Robbers, Fn. 181, dort Fn. 21.<br />

1219 Vgl. hierzu Kalb, Fn. 393, S. 95.<br />

1220 EuGH, Rs. 149/79, Fn. 1216, S. 3901, Rz. 13; Schweitzer, Fn. 1208, S. 751.<br />

1221 Vgl. EuGH, Rs. C-159/90 (Society for the Protection of Unborn Children Ireland/Stephen<br />

Grogan), Slg. 1991, S. I-4685 ff., 4741, Rz. 31; in <strong>de</strong>m Urteil verneinte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bei<br />

unentgeltlicher Tätigkeit das Vorliegen einer gemeinschaftsrechtlichen Dienstleistung und<br />

damit <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts.


308<br />

(ii) Teilnahme am Wirtschaftsleben<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Donà hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH entschie<strong>de</strong>n, daß eine Teilnahme am Wirtschaftsleben i.S.d.<br />

Art. 2 (ex-Art. 2) EGV, und damit die Anwendbarkeit <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs, nur gegeben ist,<br />

soweit eine ausgeübte Tätigkeit zugleich eine entgeltliche Arbeits- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Dienstleistung<br />

darstellt. 1222<br />

Wür<strong>de</strong>n Mitarbeiter von Kirchen und Religionsgemeinschaften ausschließlich ehrenamtlich<br />

tätig, nähmen diese nicht am Wirtschaftsleben teil, was zur Folge hätte, daß die<br />

Grundfreiheiten <strong>im</strong> allgemeinen und die Arbeitnehmerfreizügigkeit <strong>im</strong> speziellen nicht zur<br />

Anwendung gelangten.<br />

Je<strong>de</strong> entgeltliche Tätigkeit <strong>im</strong> Wirtschaftsleben – mit Ausnahme von gewissen<br />

Beschäftigungen <strong>im</strong> Nuklearbereich 1223 – fällt dagegen unter die Freizügigkeitsregeln. 1224<br />

Maßgeblich ist hierfür allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses; unbeachtlich ist es<br />

beispielsweise, ob die Tätigkeit sportlichen, kulturellen o<strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Zwecken dient, die<br />

<strong>de</strong>m ersten Anschein nach <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s Wirtschaftslebens nicht unterzuordnen sind. 1225<br />

Der EuGH hat <strong>de</strong>mzufolge die Teilnahme am Wirtschaftsleben in mehreren Urteilen auch für<br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften bejaht. 1226 Immer dann, wenn Kirchen und religiöse<br />

Gemeinschaften Arbeitsverträge abschließen, liegt eine Tätigkeit „<strong>im</strong> Wirtschaftsleben“ vor,<br />

die unter Art. 39 (ex-Art. 48) EGV zu subsumieren ist. 1227<br />

Dies ist nicht nur konsequent für Arbeitnehmer außerhalb <strong>de</strong>s eigentlichen kirchlichen und<br />

religiösen Bereichs, z.B. reine Finanzunternehmen wie die Administ<strong>ra</strong>tionen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

1222<br />

EuGH, Rs. 13/76 (Gaetano Donà/Mario Mantero), Slg. 1976, S. 1333 ff., 1340, Rz. 12/13.<br />

1223<br />

Vgl. die gemäß Art. 96 Abs. 2 EAGV a.F. erlassene Richtlinie vom 5. März 1962 über <strong>de</strong>n<br />

Zugang zu qualifizierten Beschäftigungen <strong>im</strong> Nuklearbereich, ABl. 1962, S. 1650.<br />

1224<br />

Ebenso Robbers, Fn. 442, S. 178 für <strong>de</strong>n Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> wirtschaftlichen Tätigkeit, in <strong>de</strong>n<br />

dieser auch die karitative Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen einbezieht.<br />

1225<br />

So auch Birk, Fn. 454, § 18, Rdnr. 94.<br />

1226<br />

EuGH, Rs. 41/74 (Yvonne van Duyn/Home Office), Slg. 1974, S. 1337 ff. (s.o. C.II.1);<br />

Rs. 300/84 (Van Roosmalen/Bedrijfsvereniging voor <strong>de</strong> Gezondheid), Slg. 1986, S. 3097 ff.<br />

(s.o. C.II.3), Rs. 196/87 (Steymann/Staatssecretaris van Justitie), Slg. 1988, S. 6159 ff. (s.o.<br />

C.II.4).<br />

1227<br />

Vgl. auch v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Wölker, Bd. 1, Vorbemerkung zu Art. 48 – 50,<br />

Rdnrn. 32 f.


309<br />

Vatikanbank 1228 , son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch für Mitarbeiter kirchlicher Stiftungen und<br />

Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>, da diese sämtliche Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>s Arbeitnehmerbegriffs erfüllen<br />

und daher je<strong>de</strong>nfalls am Wirtschaftsleben teilnehmen. 1229 Zwar liegen Triebfe<strong><strong>de</strong>r</strong> und<br />

Ursprung <strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit letztgenannter Einrichtungen oftmals in <strong><strong>de</strong>r</strong> p<strong>ra</strong>ktischen christlichen<br />

Nächstenliebe begrün<strong>de</strong>t. Soweit die einzelnen Mitarbeiter jedoch gegen Entgelt tätig wer<strong>de</strong>n,<br />

müssen sie sich – wie ihre säkularen Kollegen auch – als Arbeitnehmer einstufen lassen. 1230<br />

(iii) Der Vorbehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit, Art. 39 (ex-Art. 48)<br />

Abs. 3 EGV<br />

Die Vorschrift wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n EWG-Vert<strong>ra</strong>g eingefügt, um <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten zur Wahrung<br />

ihrer nationalen Interessen gewissermaßen ein „Sicherheitsventil“ 1231<br />

zu schaffen. Diesen<br />

wird also <strong>im</strong> Einzelfall die Möglichkeit eingeräumt, von einer an und für sich verbindlichen<br />

Gemeinschaftsrechtsregel abzuweichen. Während die „öffentliche Gesundheit“ zur<br />

Rechtfertigung nationaler Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelungen <strong>im</strong> Hinblick auf das <strong>Religionsrecht</strong> generell<br />

ausschei<strong>de</strong>t, könnte die „öffentliche Sicherheit“ <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Schutz religiöser<br />

Versammlungen v.a. unter freiem H<strong>im</strong>mel relevant wer<strong>de</strong>n; allerdings wird hierdurch in aller<br />

Regel die Freizügigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer i.S.d. Art. 39 (ex-Art. 48) EGV nicht berührt sein.<br />

1228 Im Jahre 1997 erzielte <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl selbst einen Gewinn von <strong>im</strong>merhin 10,85 Mio. US-$;<br />

vgl. Benz, Der Papst als Boß, RM Nr. 52 vom 25.12.1998, S. 13. Dieser ist nicht zu<br />

verwechseln mit <strong>de</strong>m Staat <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikanstadt“, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> gleichen Zeit<strong>ra</strong>um 21,4 Mio. US-$ an<br />

Gewinn verbuchte.<br />

1229 Dies ist auch in Deutschland gelten<strong>de</strong>s Recht: So hat das BVerwG in NJW 1998, S. 1166 ff.<br />

bestätigt, daß die Scientology-Organisation die han<strong>de</strong>lsrechtlichen Rechtsformen einhalten<br />

müsse, da sie einen Geschäftsbetrieb unterhalte; ebenso hat das OVG Bremen in NVwZ-RR<br />

1997, S. 408 ff., Scientology eine Gewinnerzielungsabsicht unterstellt und daher die Pflicht<br />

zur Vornahme einer Gewerbeanmeldung angenommen. In diesen bei<strong>de</strong>n Fällen war die<br />

Einordnung von Scientology als Wirtschaftsunternehmen unabhängig von <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge bejaht<br />

wor<strong>de</strong>n, ob diese nun eine Religionsgemeinschaft sei und ihr Tätigwer<strong>de</strong>n als<br />

Religionsausübung verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n müsse o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob dies nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall sei; vgl. Abel,<br />

Fn. 214, NJW 1999, S. 332. Blum, Fn. 814, S. 87, 89, will dagegen zwischen allgemeiner<br />

wirtschaftlicher Betätigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und „Religionsausübung in Form von p<strong>ra</strong>ktizierter<br />

Nächstenliebe“ unterschei<strong>de</strong>n, da es sich bei karitativen Einrichtungen um „Zuschußbetriebe“<br />

han<strong>de</strong>le. Soweit diese Zuschüsse jedoch überwiegend aus staatlicher Quelle<br />

fließen, erscheint eine Gleichstellung mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wirtschaftlichen Unternehmen in<strong>de</strong>s<br />

gerechtfertigt.<br />

1230 So z.T. polemisch, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache selbst jedoch zutreffend: Neumann, Fn. 448, S. 56.<br />

1231 So v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Wölker, Bd. 1, Art. 48, Rdnr. 91.


310<br />

Hingegen bedarf <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „öffentlichen Ordnung“ einer näheren Erläuterung. Dieser<br />

orientiert sich nicht an <strong>de</strong>m <strong>im</strong> romanischen Rechtskreis geläufigen „ordre public-Vorbehalt“,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist gemeinschaftsrechtlich auszulegen. 1232 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 64/221 1233 sowie in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH 1234 wur<strong>de</strong> die „öffentliche Ordnung“ näher konkretisiert. Der<br />

Begriff ist eng zu verstehen 1235 und setzt je<strong>de</strong>nfalls vo<strong>ra</strong>us, daß neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Störung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

öffentlichen Ordnung, die schon mit je<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesetzesverletzung gegeben ist, eine tatsächliche<br />

und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft<br />

berührt. 1236 Dabei ist ausnahmslos das persönliche Verhalten <strong><strong>de</strong>r</strong> in Bet<strong>ra</strong>cht kommen<strong>de</strong>n<br />

Einzelpersonen maßgeblich, vom Einzelfall losgelöste „gene<strong>ra</strong>lpräventive“ Erwägungen<br />

dürfen als Rechtfertigungsgrund einer nationalen Maßnahme nicht in Bet<strong>ra</strong>cht kommen. 1237<br />

(iv) Der Vorbehalt zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Verwaltung, Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV<br />

Grundsätzlich fin<strong>de</strong>n die Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts nicht nur auf private,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n gleichermaßen auch auf öffentliche Unternehmen Anwendung, wie es ausdrücklich in<br />

Art. 86 (ex-Art. 90) Abs. 1 EGV normiert ist. 1238<br />

Eine Durchbrechung <strong>de</strong>s Grundsatzes <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmerfreizügigkeit für Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status könnte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausnahmebest<strong>im</strong>mung<br />

<strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV zu sehen sein. Der EuGH hat jedoch entschie<strong>de</strong>n,<br />

daß Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV nur für klassisch-hoheitliche Tätigkeitsfel<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten, wie z.B. Militär, Justiz, Polizei, eingreifen kann. 1239<br />

Für sonstige öffentlichrechtliche<br />

Beschäftigungsverhältnisse gelangt Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV nicht zur<br />

1232<br />

Vgl. v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Wölker, Bd. 1, Art. 48, Rdnr. 93.<br />

1233<br />

RL 64/221/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Son<strong><strong>de</strong>r</strong>vorschriften<br />

für die Einreise und <strong>de</strong>n Aufenthalt von Auslän<strong><strong>de</strong>r</strong>n, soweit sie aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, ABl. 1964, Nr. 56,<br />

S. 850 ff.<br />

1234<br />

EuGH, Rs. 41/74 (Yvonne van Duyn/Home Office), Slg. 1974, S. 1337 ff. (s.o. C.II.2);<br />

Rs. 67/74 (Bonsignore/Oberstadtdirektor <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt Köln), Slg. 1975, S. 297 ff.; Rs. 36/75<br />

(Roland Rutili/Minister <strong>de</strong>s Innern), Slg. 1975, S. 1219 ff.; Rs. 30/77 (Pierre Bouchereau),<br />

Slg. 1977, S. 1999 ff.; Verb. Rs. 115 u. 116/81 (Adoui u. Cornuaille/Belgischer Staat),<br />

Slg. 1982, S. 1665 ff.<br />

1235<br />

EuGH, Rs. 41/74, Fn. 1234 (s.o. C.II.2), Rz. 18/19; Rs. 36/75, Fn. 1234, Rz. 26/28.<br />

1236<br />

EuGH, Rs. 30/77, Fn. 1234, LS 4; Verb. Rs. 115 u. 116/81, Fn. 1234, Rz. 8.<br />

1237<br />

EuGH, Rs. 67/74, Fn. 1234, LS 2 u. 3; vgl. <strong>im</strong> übrigen die Ausführungen oben unter C.II.2.<br />

1238<br />

Vgl. hierzu Badu<strong>ra</strong>, Fn. 597, S. 298 f.<br />

1239<br />

EuGH, Rs. 149/79, Fn. 1216, S. 3900, Rz. 10 f.


311<br />

Anwendung. 1240 Entschei<strong>de</strong>nd ist somit allein eine funktionale Bet<strong>ra</strong>chtungsweise <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

speziellen Tätigkeit <strong>de</strong>s Arbeitnehmers. 1241<br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Rechtsstatus könnten sich<br />

nur dort auf die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV berufen, soweit sie<br />

1242<br />

hoheitliche Befugnisse <strong>de</strong>s Staates ausüben. Da die kirchlichen K.d.ö.R. <strong>de</strong>m Staat we<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

eingeglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t noch einer staatlichen Kirchenhoheit unterworfen sind, 1243 muß die<br />

Anwendbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bereichsausnahme für <strong>de</strong>n kirchlichen Wirkungskreis in weitem Umfange<br />

ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n. 1244 Damit beinhaltet die bloße Existenz öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse<br />

für Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht die Möglichkeit, sich auf<br />

Art. 39 (ex-Art. 48) EGV zu berufen. 1245 Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> gebotenen funktionalen Bet<strong>ra</strong>chtungsweise<br />

können sich nur die Kirchensteuerstellen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen mit öffentlich-rechtlichem<br />

Körperschaftsstatus auf die Bereichsausnahme berufen, da diese bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung von<br />

Verwaltungszwang echte Hoheitsgewalt ausüben. 1246 Angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> gebotenen funktionalen<br />

Bet<strong>ra</strong>chtungsweise erscheint es dagegen angeb<strong>ra</strong>cht, die Anstalts- und Militärseelsorge nicht<br />

unter Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV zu subsumieren. 1247<br />

1240<br />

EuGH, Rs. 149/79, Fn. 1216, S. 3900, Rz. 19.<br />

1241<br />

Schweitzer, Fn. 1208, S. 753. Zur Konkretisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung hat die Kommission<br />

eine Mitteilung <strong>im</strong> Hinblick auf die Freizügigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer und <strong>de</strong>n Zugang zur<br />

Beschäftigung in <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Verwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten erlassen (ABl. 1988,<br />

Nr. C 72, S. 2 ff.). In ihr heißt es ausdrücklich: „Nach Ansicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission fallen<br />

aufgrund <strong>de</strong>s gegenwärtigen Stan<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s Gerichtshofs [...] unter die in<br />

Artikel 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegte Ausnahme: Die Streitkräfte; die Polizei und<br />

sonstige Ordnungskräfte; die Rechtspflege; die Steuerverwaltung und die Diplomatie.<br />

Außer<strong>de</strong>m gilt die Ausnahme für Stellen, die in die Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen<br />

Ministerien, <strong><strong>de</strong>r</strong> Regionalregierungen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Gebietskörperschaften und sonstiger gleichgestellter<br />

Organe sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Zent<strong>ra</strong>lbanken fallen, sofern es sich um Personal han<strong>de</strong>lt, das<br />

Tätigkeiten <strong>im</strong> Zusammenhang mit hoheitlichen Befugnissen <strong>de</strong>s Staates o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer<br />

sonstigen juristischen Person <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts wie die Ausarbeitung von<br />

Rechtsakten, die Durchführung dieser Rechtsakte, die Überwachung ihrer Anwendung und<br />

die Beaufsichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> nachgeordneten Stellen ausübt.“<br />

1242<br />

Bleckmann, Fn. 484, 5. Aufl., Rdnr. 457; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., 6. Aufl., Rdnr. 759, ist hier nicht<br />

zuzust<strong>im</strong>men, da er – <strong>im</strong> Gegensatz zu seinen früheren Ausführungen, vgl. Fn. 310, S. 22 –<br />

nicht mehr zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausübung echter Hoheitsbefugnisse und bloßem öffentlichrechtlichen<br />

Körperschaftsstatus unterschei<strong>de</strong>t.<br />

1243<br />

So auch Hollerbach, Fn. 17, S. 278; vgl. hierzu die Ausführungen unten J.III.2.<br />

1244<br />

Ebenso Link, Fn. 100, S. 141.<br />

1245<br />

Ebenso Kalb, Fn. 393, S. 95.<br />

1246<br />

Vgl. insoweit zutreffend Bleckmann, Fn. 310, S. 22.<br />

1247<br />

A.A. Robbers, Fn. 341, S. 328.


312<br />

(v) Leitungsaufgaben innerhalb <strong>de</strong>s kirchlichen Dienstes i.e.S.<br />

F<strong>ra</strong>glich ist weiter, ob die kirchlichen Arbeitsverträge ausnahmslos <strong>de</strong>n<br />

Freizügigkeitsregelungen <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs zu unterstellen sind, d.h. unabhängig davon, ob sie<br />

zur Erfüllung geistlicher o<strong><strong>de</strong>r</strong> weltlicher Aufgaben abgeschlossen wur<strong>de</strong>n. Während sich<br />

Kirchen auf eine Ausnahme für Leitungs- und Be<strong>ra</strong>tungsaufgaben innerhalb <strong>de</strong>s eigentlichen<br />

kirchlichen Dienstes berufen, da das kultische und sak<strong>ra</strong>ment<strong>ra</strong>le Wirken je<strong>de</strong>nfalls zum<br />

Kernbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsausübung gehöre und insofern auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft eine strikte<br />

Neut<strong>ra</strong>lität abverlange, 1248 wird in <strong><strong>de</strong>r</strong> europarechtlichen Lite<strong>ra</strong>tur z.T. ohne nähere<br />

Begründung vertreten, daß eine solche Unterscheidung zwischen kirchlichen und sonstigen<br />

Arbeitgebern nicht durchzuführen sei. 1249<br />

Bei Subsumtion <strong><strong>de</strong>r</strong> Kriterien <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV und unter Berücksichtigung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH besteht jedoch kein Zweifel da<strong>ra</strong>n, daß es sich selbst bei<br />

geistlichen Wür<strong>de</strong>nträgern, wie z.B. bei Bischöfen, um Arbeitnehmer <strong>im</strong> gemeinschaftsrechtlichen<br />

Sinne han<strong>de</strong>ln muß, zumal auch diese für einen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en (die Kirche) Leistungen<br />

erbringen, hierbei – wie die Diskussion um einen Ausstieg aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwangerschaftsbe<strong>ra</strong>tung<br />

<strong>de</strong>utlich gezeigt hat 1250 – Weisungen (z.B. aus Rom) unterstehen und als Gegenleistung eine<br />

Vergütung erhalten. 1251 Auch wenn die Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften „nicht<br />

von dieser Welt“, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ethisch-mo<strong>ra</strong>lisch höherstehend als diejenigen vieler an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />

Beschäftigungsverhältnisse sein mögen, so han<strong>de</strong>lt es sich <strong>de</strong>nnoch um solche. 1252<br />

Die Auffassung, eine Erstreckung <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeitsregeln auf öffentlich-rechtliche<br />

Kirchenkörperschaften sei vom EG-Vert<strong>ra</strong>g nicht vorgesehen, so daß eine Lücke vorliege, die<br />

nunmehr durch analoge Anwendung <strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV geschlossen wer<strong>de</strong>n<br />

ist angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> funktionalen Bet<strong>ra</strong>chtungsweise, die Lücken ausschließt, abzu-<br />

müsse, 1253<br />

1248<br />

Gemeinsame Stellungnahme, Fn. 510, S. 22.<br />

1249<br />

Vgl. v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Wölker, Bd. 1, Vorbemerkung zu Art. 48 – 50,<br />

Rdnr. 33.<br />

1250<br />

So wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Juni 1999 von <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bischofskonferenz – aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mißbilligung <strong>de</strong>s Vatikans <strong>im</strong> Januar 1999 – ausgehan<strong>de</strong>lte Kompromiß, wonach die von<br />

<strong>de</strong>n katholischen Be<strong>ra</strong>tungsstellen ausgestellten Be<strong>ra</strong>tungsscheine nicht zur Durchführung<br />

st<strong>ra</strong>ffreier Abtreibungen verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n können, durch eine neuerliche Erklärung <strong>de</strong>s<br />

Vatikans vom 16.9.1999 untersagt, vgl. PNP Nr. 218 vom 18.9.1999, S. 5.<br />

1251<br />

EuGH, Rs. 66/85, s.o. Fn. 1206 sowie Rs. 196/87, s.o. Fn. 1226.<br />

1252<br />

So <strong>im</strong> Ergebnis auch Link, Fn. 100, S. 140 f.; Robbers, Fn. 181, S. 89; Streinz, Fn. 77,<br />

S. 75 f.<br />

1253<br />

So Bleckmann, Fn. 133, S. 6.


313<br />

lehnen. Vielmehr sollen die Grundfreiheiten grds. in allen mitgliedstaatlichen Bereichen zur<br />

Anwendung gelangen, für die keine pr<strong>im</strong>ärrechtlichen Ausnahmebest<strong>im</strong>mungen vorgesehen<br />

sind. Außer<strong>de</strong>m wäre eine analoge Anwendung <strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV nur auf<br />

öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaften gleichheitswidrig gegenüber privatrechtlich<br />

organisierten Kirchen und Religionsgemeinschaften.<br />

(vi) Kirchliches Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />

Da Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV eine Ausnahme <strong>im</strong> wesentlichen nur für <strong>de</strong>n speziellen<br />

Bereich <strong>de</strong>s Kirchensteuerrechts schafft, käme grundsätzlich 1254<br />

Art. 39 (ex-Art. 48) EGV<br />

unmittelbar zur Anwendung, und zwar sowohl <strong>im</strong> allgemeinen kirchlichen Arbeits- und<br />

Dienstrecht als auch <strong>im</strong> innerkirchlichen Bereich.<br />

Daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

Gemeinschaftsgrundrechte als allgemeine Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts anerkennt,<br />

darf allerdings nicht vernachlässigt wer<strong>de</strong>n: Im Umfange <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsgemeinschaften nach <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen 1255 kann dieses<br />

die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV ausschließen. 1256<br />

bb) Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung von Mann und F<strong>ra</strong>u auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Lohngleichheit,<br />

Art. 141 (ex-Art. 119) EGV<br />

Art. 141 (ex-Art. 119) EGV, <strong><strong>de</strong>r</strong> vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Amsterdamer Regierungskonferenz lediglich F<strong>ra</strong>gen<br />

<strong>de</strong>s „gleichen Entgelts für Männer und F<strong>ra</strong>uen bei gleicher Arbeit“ regelte, besitzt unmittelbare<br />

Drittwirkung, was be<strong>de</strong>utet, daß Religionsgemeinschaften bzw. ihre Einrichtungen als<br />

private Arbeitgeber durch diese Vorschrift unmittelbar verpflichtet wer<strong>de</strong>n. 1257<br />

1254 Immerhin hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, Rs. C-55/95 (Gebhard/Consiglio <strong>de</strong>ll‘ Ordine <strong>de</strong>gli Avvocati e<br />

Procu<strong>ra</strong>tori di Milano), Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rz. 35, entschie<strong>de</strong>n, daß die zwingen<strong>de</strong>n<br />

Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse <strong>im</strong> Allgemeininteresse <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten über Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 3 u.<br />

Abs. 4 EGV hinaus Eingriffe in das Freizügigkeitsrecht erlauben.<br />

Infolge <strong>de</strong>s<br />

Vert<strong>ra</strong>gs von Amsterdam wur<strong>de</strong> Art. 141 EGV n.F. dahingehend geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t, daß ein gleiches<br />

Entgelt nicht nur bei „gleicher“, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch bei „gleichwertiger“ Arbeit gezahlt wer<strong>de</strong>n<br />

1255 S. hierzu die Ausführungen unten L.III.<br />

1256 So auch Hollerbach, Fn. 17, S. 277 f.; Robbers, Fn. 181, S. 90.<br />

1257 EuGH, Rs. 143/83 (Kommission/Dänemark), Slg. 1985, S. 427 ff., 433 ff.


314<br />

muß; 1258 <strong><strong>de</strong>r</strong> erweiterte Teil <strong>de</strong>s Art. 141 EGV n.F. ist somit ebenfalls unmittelbar<br />

anwendbar. 1259<br />

Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten berechtigt, nach Art. 141 Abs. 4 EGV n.F. zur vollen<br />

Gleichstellung von Männern und F<strong>ra</strong>uen <strong>im</strong> Arbeitsleben „spezifische Vergünstigungen“ von<br />

F<strong>ra</strong>uen beizubehalten o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu beschließen. Die Zulässigkeit positiver Diskr<strong>im</strong>inierungen von<br />

F<strong>ra</strong>uen 1260 in Bereichen, in <strong>de</strong>nen diese t<strong>ra</strong>ditionell unterrepräsentiert sind, wird damit als<br />

Antwort auf das Kalanke-Urteil <strong>de</strong>s EuGH 1261 nunmehr <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht – und weitergehen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

als bisher in Art. 2 Abs. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 76/207/EWG 1262<br />

– anerkannt.<br />

Im Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Art. 141 (ex-Art. 119) EGV verbietet das Gemeinschaftsrecht<br />

ebenso wie bei Art. 39 (ex-Art. 48) EGV nicht nur offene Diskr<strong>im</strong>inierungen, d.h. solche, in<br />

<strong>de</strong>nen die Ungleichbehandlung ausdrücklich aufgrund <strong>de</strong>s Geschlechts erfolgt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch<br />

1258 Pr<strong>im</strong>ärrechtlich wird damit <strong><strong>de</strong>r</strong> seit langem bestehen<strong>de</strong>n sekundärrechtlichen Gleichstellung<br />

in Art. 1 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 75/117/EWG, ABl. 1975, Nr. L 45, S. 19 ff., abgedruckt in<br />

Sartorius II, Nr. 187, Rechnung get<strong>ra</strong>gen.<br />

1259 Ebenso Ukrow, Fn. 548, S. 150.<br />

1260 Zwar ist Art. 141 (ex-Art. 119) Abs. 4 EGV geschlechtsneut<strong>ra</strong>l („<strong>de</strong>s unterrepräsentierten<br />

Geschlechts“) abgefaßt; gemäß <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Erklärung Nr. 28 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte zum<br />

Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g sollen die Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten aber „in erster Linie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>uen <strong>im</strong> Arbeitsleben dienen“.<br />

1261 EuGH, Rs. C-450/93 (Eckhard Kalanke/Freie Hansestadt Bremen, unterstützt durch Heike<br />

Glißmann) Slg. 1995, S. I-3051 ff. = NJW 1995, S. 3109 = EuZW 1995, S. 762 m. Anm.<br />

Loritz; vgl. hierzu Vachek, Fn. 343, S. 410 ff. Suhr, Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung: Zur<br />

Vereinbarkeit von F<strong>ra</strong>uenquoten mit <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht, EuGRZ 1998, S. 121 ff.,<br />

geht schon auf die Rechtslage nach <strong>de</strong>m Urteil <strong>de</strong>s EuGH, Rs. C-409/95 (Hellmut<br />

Marschall/Land Nordrhein-Westfalen), Slg. 1997, S. I-6363 ff. = EuGRZ 1997, S. 563 ff. =<br />

EuR 1998, S. 199 ff., ein. Es muß davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> Urteil<br />

Marschall vom 11.11.1997 von seiner ursprünglichen Rechtsprechung, die noch <strong>de</strong>m<br />

Kalanke-Urteil sowie <strong>de</strong>n Schlußanträgen <strong>de</strong>s Gene<strong>ra</strong>lanwalts Jacobs in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Marschall,<br />

Slg. 1997, S. I-6365 ff., zugrun<strong>de</strong> lag, abgewichen ist, um einen künftigen Konflikt seiner<br />

Judikatur mit <strong>de</strong>n neuen Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 141 (ex-Art. 119) Abs. 4 EGV sowie Art. 3<br />

(ex-Art. 3) Abs. 2 EGV zu vermei<strong>de</strong>n, welche am 2.10.1997 – also kurz vor<br />

Urteilsverkündung – durch die Unterzeichnung <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs in <strong>de</strong>n<br />

EG-Vert<strong>ra</strong>g eingefügt wur<strong>de</strong>n. In diese Richtung auch Suhr, a.a.O., S. 121, 128.<br />

1262 S. sogleich unten Fn. 1266. Auch Art. 2 Abs. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG sollte <strong>de</strong> lege ferenda<br />

explizit Quotenregelungen mit Öffnungsklauseln vorsehen, vgl. die Initiative <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kommission, ABl. 1996, Nr. C 179, S. 8 ff.


315<br />

versteckte o<strong><strong>de</strong>r</strong> mittelbare Diskr<strong>im</strong>inierungen. 1263 Von letzterer spricht man, wenn eine<br />

nationale Regelung zwar formal neut<strong>ra</strong>l formuliert ist und daher auf Männer gleichermaßen<br />

wie auf F<strong>ra</strong>uen anzuwen<strong>de</strong>n ist, jedoch in <strong><strong>de</strong>r</strong> konkreten Umsetzung prozentual sehr viel mehr<br />

weibliche als männliche Arbeitnehmer betrifft. Versteckte Diskr<strong>im</strong>inierungen sind nur dann<br />

zulässig, wenn sie aus objektiven Grün<strong>de</strong>n, die nichts mit einer Diskr<strong>im</strong>inierung aufgrund <strong>de</strong>s<br />

Geschlechts zu tun haben, gerechtfertigt sind. 1264<br />

Durch <strong>de</strong>n Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g sind auch an an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Stelle <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs Neuerungen<br />

geschaffen wor<strong>de</strong>n, die zur Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichstellung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschlechter <strong>im</strong><br />

Arbeitsleben einen wesentlichen Beit<strong>ra</strong>g leisten sollen. 1265<br />

cc) Gleichbehandlungsrichtlinie<br />

Die RL 76/207/EWG vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung von<br />

Männern und F<strong>ra</strong>uen hinsichtlich <strong>de</strong>s Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsausbildung und<br />

zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen 1266 , die <strong>im</strong> Lichte <strong>de</strong>s<br />

höher<strong>ra</strong>ngigen Art. 141 Abs. 4 EGV n.F. auszulegen ist, erfaßt je<strong>de</strong><br />

Geschlechtsdiskr<strong>im</strong>inierung vor, während o<strong><strong>de</strong>r</strong> nach einem Arbeitsverhältnis. 1267<br />

Dabei stellt<br />

1263<br />

S.o. Fn. 1213.<br />

1264<br />

Z.B. EuGH, Rs. C-243/95 (Kathleen Hill u. Ann Stapleton/The Revenue Commissioners u.<br />

Department of Finance), Slg. 1998, S. I-3739 ff.; s. auch Hirsch, Fn. 92, S. 16.<br />

1265<br />

So wur<strong>de</strong> in Art. 2 (ex-Art. 2) EGV die Gleichstellung von Männern und F<strong>ra</strong>uen als<br />

Zielbest<strong>im</strong>mung aufgenommen. Im Anschluß an <strong>de</strong>n Aufgabenkatalog <strong>de</strong>s Art. 3 (ex-Art. 3)<br />

EGV wur<strong>de</strong> ein neuer Absatz 2 als sog. Querschnittsklausel eingefügt, wonach die<br />

Gemeinschaft bei allen in Abs. 1 genannten Tätigkeiten da<strong>ra</strong>uf hinwirken soll,<br />

Ungleichbehandlungen zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und F<strong>ra</strong>uen zu<br />

för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Schließlich ist Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV zu erwähnen, wonach <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat einst<strong>im</strong>mig<br />

Vorkehrungen treffen kann, um Diskr<strong>im</strong>inierungen aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Geschlechts zu<br />

bekämpfen.<br />

1266<br />

ABl. 1976, Nr. L 39, S. 40 ff.<br />

1267<br />

Vgl. Reich, Anmerkung zum Urteil <strong>de</strong>s EuGH, Rs. C-185/97 (Belinda Jane Coote/G<strong>ra</strong>nada<br />

Hospitality Ltd), Slg. 1998, S. I-5199 ff. = EuZW 1999, S. 43 ff., 45. In Rs. C-185/97,<br />

a.a.O., S. I-5220, Rz. 22, stellte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH klar, daß die Mitgliedstaaten eine effektive<br />

gerichtliche Kontrolle zur Einhaltung <strong>de</strong>s Grundsatzes <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung auch für<br />

nachvert<strong>ra</strong>gliche arbeitsrechtliche Verpflichtungen (Zeugniserteilung) sicherzustellen<br />

haben.


316<br />

Art. 2 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG ebenso wie Art. 141 EGV n.F. einen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Anwendungsbereich<br />

<strong>de</strong>s Gleichheitsgrundsatzes dar. 1268<br />

Da Richtlinien <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung gleicher rechtlicher Verhältnisse in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten durch<br />

Rechtsangleichung dienen, sind sie – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als pr<strong>im</strong>ärrechtliche Diskr<strong>im</strong>inierungs- und<br />

Beschränkungsverbote, die einen grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Bezug vo<strong>ra</strong>ussetzen – auch auf rein<br />

innerstaatliche Sachverhalte anwendbar, besitzen also nach ihrer Umsetzung unmittelbare<br />

Drittwirkung. Dies ergibt sich schon aus Art. 1 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG, wonach es<br />

erklärtes Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> besagten Richtlinie ist, in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong>de</strong>n Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung<br />

von Männern und F<strong>ra</strong>uen zu verwirklichen.<br />

Der Gleichheitsgrundsatz nach Art. 2 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG steht <strong>im</strong> Gegensatz zur<br />

Theologie und P<strong>ra</strong>xis vieler Glaubensgemeinschaften, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e zur Position <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-<br />

Kath. Kirche, die <strong>de</strong>n Zugang zum Priesterdienst und zu allen nachfolgen<strong>de</strong>n höheren<br />

geistlichen Ämtern – mit Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Äbtissin – an die Priesterweihe knüpft, welche<br />

ausnahmslos <strong>de</strong>m männlichen Geschlecht vorbehalten ist.<br />

Zwar gewährt Art. 2 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten die Befugnis, solche<br />

beruflichen Tätigkeiten vom Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie auszunehmen, „für die das<br />

Geschlecht auf Grund ihrer Art o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bedingungen ihrer Ausübung eine unabdingbare<br />

Vo<strong>ra</strong>ussetzung darstellt“. <strong>Das</strong> Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis einer männlichen Priesterschaft erscheint – sieht<br />

man einmal von einer eventuellen theologischen Notwendigkeit ab – allerdings um so weniger<br />

unabdingbare Vo<strong>ra</strong>ussetzung <strong>de</strong>s kirchlichen Dienstes, je mehr Religionsgemeinschaften eine<br />

Ordination von Pastorinnen o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar Bischöfinnen gestatten. 1269<br />

1268 EuGH, Rs. C-13/94 (P/S u. Cornwall County Council), Slg. 1996, S. I-2143 ff., 2165,<br />

Rz. 18 f. = EuZW 1996, S. 398 f.: „Die Richtlinie ist somit nur eine Ausprägung <strong>de</strong>s<br />

Gleichheitssatzes, <strong><strong>de</strong>r</strong> eines <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundprinzipien <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts darstellt, in <strong>de</strong>m<br />

betreffen<strong>de</strong>n Bereich. Wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof außer<strong>de</strong>m bereits wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt festgestellt hat,<br />

stellt das Recht, nicht aufgrund <strong>de</strong>s Geschlechts diskr<strong>im</strong>iniert zu wer<strong>de</strong>n, eines <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Grundrechte <strong>de</strong>s Menschen dar, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Einhaltung er zu sichern hat (vgl. EuGH, Slg. 1978,<br />

1365, Rz. 26 u. 27 – Defrenne; EuGH, Slg. 1984, 1509, Rz. 16 – Razzouk u.<br />

Beydoun/Kommission).“ In <strong><strong>de</strong>r</strong> soeben zitierten Entscheidung hielt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof selbst<br />

die Entlassung einer t<strong>ra</strong>nssexuellen Person aus einem mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Umwandlung ihres<br />

Geschlechts zusammenhängen<strong>de</strong>n Grund für unvereinbar mit <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG.<br />

1269 A.A. Robbers, Fn. 341, S. 329, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Ausnahmebest<strong>im</strong>mung nach Art. 2 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL als<br />

erfüllt ansieht. Über die Anerkennung eines kirchlichen Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts können<br />

m.E. ebenso, aber dogmatisch sauberer, die gleichen Freiräume für Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

erreicht wer<strong>de</strong>n.


317<br />

Daß eine Richtlinienbest<strong>im</strong>mung wie Art. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG genauso leicht geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n kann, wie sie gesetzt wur<strong>de</strong>, 1270<br />

mag theoretisch zutreffend sein, entspricht jedoch<br />

nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Neuerungen <strong>de</strong>s Art. 141 EGV n.F. sowie<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 2 (ex-Art. 2) EGV, Art. 3 Abs. 2 EGV n.F. durch <strong>de</strong>n Amsterdamer<br />

Vert<strong>ra</strong>g wur<strong>de</strong> pr<strong>im</strong>ärrechtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> mit Erlaß <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG eingeschlagene Weg<br />

nochmals bekräftigt und forciert. Nunmehr gilt erst recht, daß Art. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG als<br />

Sekundärrechtsakt gelten<strong>de</strong>m Pr<strong>im</strong>ärrecht nicht wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen darf.<br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften muß jedoch aufgrund eines auch i.R.d. Gemeinschaftsrechts<br />

anzuerkennen<strong>de</strong>n Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts in eigenen Angelegenheiten 1271 die<br />

Möglichkeit eröffnet sein, sich insoweit auf eine ungeschriebene, höher<strong>ra</strong>ngige Ausnahme von<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG zu berufen. Ohne die Anerkennung eines solchen<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts müßte bei besserer Qualifikation einer F<strong>ra</strong>u nach strikter<br />

Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG eine F<strong>ra</strong>uenordination erfolgen, selbst wenn eine solche<br />

nach <strong>de</strong>m theologischen Selbstverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong>n Religionsgemeinschaft überhaupt<br />

nicht vorgesehen ist. 1272 Kirchlicherseits wäre es nämlich nicht möglich, eine bessere<br />

Qualifikation von F<strong>ra</strong>uen zur Ausübung <strong>de</strong>s Priesterberufs von vornherein dadurch zu<br />

konterkarieren, in<strong>de</strong>m diesen die Möglichkeit zur Erlangung einer adäquaten Ausbildung –<br />

z.B. am Priesterseminar – verweigert wür<strong>de</strong>; <strong><strong>de</strong>r</strong> gleiche Zugang zur Beschäftigung umfaßt<br />

schon <strong>de</strong>n gleichen Zugang zur Ausbildung. 1273<br />

Im Falle genereller Nichtberücksichtigung<br />

weiblicher Bewerberinnen müßte – selbst für <strong>de</strong>n Fall, daß sie auch bei unterlassener<br />

Diskr<strong>im</strong>inierung eine Stelle als Priesterin nicht erhalten hätten – an diese sogar ein<br />

1270<br />

Joseph H. Kaiser, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 106.<br />

1271<br />

Zum Umfang s.u. L.III.<br />

1272<br />

Rüfner, Fn. 448, S. 488, spricht sarkastisch von <strong><strong>de</strong>r</strong> „katholischen Priesterin k<strong>ra</strong>ft<br />

europäischen Rechts“. Hingegen überzeugt sein Ansatz, ein gemeinschaftsrechtliches<br />

Verbot solcher Maßnahmen über Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 1 EGV zu konstruieren, nicht<br />

beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s, zumal er auf S. 492 <strong>im</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch hierzu ausführt, daß das Gemeinschaftsrecht<br />

zwar einige Kompetenzen <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur besitze, nicht jedoch <strong>im</strong><br />

Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen.<br />

1273<br />

Die in Dänemark vom Minister für Kirchenangelegenheiten <strong>im</strong> Einvernehmen mit <strong>de</strong>m<br />

Folketing erlassene Ausnahmevorschrift, die es allen Religionsgemeinschaften ermöglicht,<br />

weiterhin nur männliche Priester einzusetzen, vgl. Schäfer, Fn. 1106, S. 83, wäre daher<br />

grds. wegen Verstoßes gegen <strong>de</strong>n höher<strong>ra</strong>ngigen Art. 2 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG<br />

unwirksam, soweit nicht auf Gemeinschaftsrechtsebene durch die Anerkennung eines<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften die Möglichkeit zur<br />

Aufrechterhaltung dieser geschlechtsspezifischen Unterscheidung bestün<strong>de</strong>.


318<br />

Scha<strong>de</strong>nsersatz von max<strong>im</strong>al drei Monatsgehältern geleistet wer<strong>de</strong>n, 1274<br />

soweit ein kirchliches<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht nicht bestün<strong>de</strong>.<br />

Der EuGH hat in<strong>de</strong>s eine weitere Ausnahme vom Gleichheitsgrundsatz <strong>de</strong>s Art. 2 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

RL 76/207/EWG dann anerkannt, wenn es gegen die Mo<strong>ra</strong>l einer gewachsenen Gesellschaft<br />

verstieße, geschlechtsspezifische Unterscheidungen zu unterbin<strong>de</strong>n. 1275<br />

Ob diese Grundsätze,<br />

die angesichts <strong>de</strong>s Berufsbil<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Hebamme entwickelt wur<strong>de</strong>n, hier Anwendung fin<strong>de</strong>n,<br />

erscheint angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> freiwilligen F<strong>ra</strong>uenordination, die bei vielen Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften in <strong>de</strong>n letzten Jahren Einzug gehalten hat, wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um f<strong>ra</strong>glich.<br />

Jedoch gelangt man über die Anerkennung eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts für Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften zu <strong>de</strong>m zutreffen<strong>de</strong>n Ergebnis, daß diese Institutionen hierfür selbst<br />

die notwendigen Vo<strong>ra</strong>ussetzungen schaffen müssen und keine Oktroyierung von außen<br />

erfolgen darf.<br />

dd) Zusammenfassung<br />

Unter <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff fallen auch kirchliche Mitarbeiter,<br />

soweit sie nicht ehrenamtlich tätig sind. Aus diesem Grun<strong>de</strong> können sie sich gegenüber <strong>de</strong>n<br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften auch auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit,<br />

Art. 39 (ex-Art. 48) ff. EGV, berufen, zumal diesen Best<strong>im</strong>mungen unmittelbare Drittwirkung<br />

zukommt, da die genannten Institutionen autonome Regelungsbefugnisse besitzen.<br />

Staatsangehörigkeitsklauseln in Konkordaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenverträgen stehen daher <strong>im</strong><br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zum Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit. Auch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gleichheitsgrundsatz zwischen Mann und F<strong>ra</strong>u wäre von <strong>de</strong>n Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften eigentlich innerhalb <strong>de</strong>s kirchlichen Dienstes zu beachten.<br />

Allerdings kommt hier das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht in eigenen Angelegenheiten zum T<strong>ra</strong>gen.<br />

aa) Europäischer Betriebs<strong>ra</strong>t<br />

b) Kollektives Arbeitsrecht<br />

1274 So EuGH, Rs. C-180/95 (D<strong>ra</strong>ehmpaehl/U<strong>ra</strong>nia), Slg. 1997, S. I-2195 ff., 2224, Rz. 37 =<br />

EuZW 1997, S. 340 ff. = NZA 1997, S. 645 ff. = NJW 1997, S. 1839 ff.; vgl. hierzu Abele,<br />

Scha<strong>de</strong>nsersatz wegen geschlechtsbezogener Diskr<strong>im</strong>inierung eines Stellenbewerbers,<br />

NZA 1997, S. 641 ff.; Worzalla, Die Haftung <strong>de</strong>s Arbeitgebers wegen geschlechtsspezifischer<br />

Diskr<strong>im</strong>inierung bei Einstellung nach <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH,<br />

NJW 1997, S. 1809 ff.<br />

1275 EuGH, Rs. 165/82 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Slg. 1983, S. 3431 ff. =<br />

NJW 1985, S. 539 f., vgl. hierzu Schäfer, Fn. 1106, S. 81 f.


319<br />

Nach<strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwurf <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. „Vre<strong>de</strong>ling-Richtlinie“ 1276 – diese ermächtigte in Art. 8 Abs. 2<br />

lit. a <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie die Mitgliedstaaten zum Erlaß von Son<strong><strong>de</strong>r</strong>best<strong>im</strong>mungen für Unternehmen<br />

und Betriebe, <strong><strong>de</strong>r</strong>en unmittelbare und überwiegen<strong>de</strong> Ziele u.a. in <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchführung religiöser,<br />

humanitärer, karitativer und erzieherischer Aufgaben bestan<strong>de</strong>n – nicht weiterverfolgt wur<strong>de</strong>,<br />

kam es zur Ve<strong>ra</strong>bschiedung <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie über die Einsetzung eines <strong>Europäischen</strong><br />

Betriebs<strong>ra</strong>ts 1277<br />

. Da die RL 94/45/EG eine gewerkschaftliche Betätigung zuläßt, die<br />

beispielsweise in <strong>de</strong>n aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> §§ 118 Abs. 2 BetrVG, 1 Abs. 4 S. 2 MitbestG erlassenen<br />

kirchlichen Mitbest<strong>im</strong>mungsgesetzen ausgeschlossen war, könnte hierdurch <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. „Dritte<br />

Weg“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen betroffen sein.<br />

Während noch <strong>im</strong> Richtlinienentwurf <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission über die Einsetzung eines<br />

<strong>Europäischen</strong> Betriebs<strong>ra</strong>tes 1278 nicht geson<strong><strong>de</strong>r</strong>t auf kirchliche Belange eingegangen wor<strong>de</strong>n<br />

war, gestattet die endgültige Fassung <strong>de</strong>s Art. 8 Abs. 3 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 94/45/EG <strong>de</strong>n nationalen<br />

Gesetzgebern <strong>im</strong>merhin <strong>de</strong>n Erlaß von Ausnahmeregelungen für sog. Ten<strong>de</strong>nzbetriebe, d.h.<br />

Unternehmen, die „in bezug auf Berichterstattung und Meinungsäußerung unmittelbar und<br />

überwiegend eine best<strong>im</strong>mte weltanschauliche Ten<strong>de</strong>nz verfolgen“. Diese Ausnahme gilt<br />

jedoch nur, soweit die innerstaatlichen Rechtsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Best<strong>im</strong>mungen bis zum<br />

22. September 1994 – hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um <strong>de</strong>n Tag <strong><strong>de</strong>r</strong> Annahme <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 94/45/EG<br />

durch <strong>de</strong>n Rat – bereits vorgesehen haben. 1279<br />

Die <strong>de</strong>utschen Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften, <strong><strong>de</strong>r</strong>en kollektivarbeitsrechtliche Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung bisher nicht über<br />

die Rechtsfigur <strong>de</strong>s Ten<strong>de</strong>nzbetriebes i.S.d. § 118 Abs. 1 BetrVG, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n über ihr<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s § 118 Abs. 2 BetrVG eigens anerkannt<br />

war, müssen sich künftig gemeinschaftsrechtlich als Ten<strong>de</strong>nzbetrieb behan<strong>de</strong>ln lassen, um<br />

ihre bisherige Ausnahmeposition <strong>im</strong> Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 94/45/EG überhaupt weiter<br />

aufrechterhalten zu können. Da Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong>mer auch<br />

Überzeugungen einer best<strong>im</strong>mten weltanschaulichen Ten<strong>de</strong>nz vertreten, ist eine Subsumtion<br />

unter diesen Oberbegriff in<strong>de</strong>s ohne größere Schwierigkeiten möglich.<br />

1276 Vorschlag <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission für eine Richtlinie <strong>de</strong>s Rates über die Unterrichtung und<br />

Anhörung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer vom 13. Juli 1983, ABl. Nr. C 217, S. 3 ff.; vgl. hierzu<br />

Schäfer, Fn. 1106, S. 114.<br />

1277 Richtlinie 94/45/EG <strong>de</strong>s Rates vom 22. September 1994 über die Einsetzung eines<br />

<strong>Europäischen</strong> Betriebs<strong>ra</strong>tes o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und<br />

Anhörung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operieren<strong>de</strong>n Unternehmen und Unternehmensgruppen,<br />

ABl. 1994, Nr. L 254, S. 64 ff.; vgl. hierzu allgemein Gaul, <strong>Das</strong> neue<br />

Gesetz über die <strong>Europäischen</strong> Betriebsräte, NJW 1996, S. 3378 ff.<br />

1278 ABl. 1990, Nr. C 39, S. 10 ff.<br />

1279 Diese Einschränkung wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> nachhinein durch <strong>de</strong>n vom EP geän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Standpunkt<br />

durchgesetzt, ABl. 1994 Nr. C 276, S. 14 ff., 16; vgl. auch Schäfer, Fn. 1106, S. 114 f.


320<br />

Allerdings bezieht sich die RL 94/45/EG ihrem Anwendungsbereich nach nur auf<br />

„gemeinschaftsweit operieren<strong>de</strong> Unternehmen“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Unternehmensgruppen“. Gemäß<br />

Art. 2 Abs. 1 lit. a – c <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 94/45/EG wer<strong>de</strong>n nur Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen<br />

mit min<strong>de</strong>stens 1000 Arbeitnehmern innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU erfaßt, wobei zusätzlich min<strong>de</strong>stens<br />

150 Arbeitnehmer in min<strong>de</strong>stens zwei Mitgliedstaaten beschäftigt sein müssen. Die kumulativ<br />

erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche zweite Vo<strong>ra</strong>ussetzung ist zwar für die meisten Kirchen und kirchlichen Werke<br />

innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU, nicht aber für die Presbyterianische Kirche auszuschließen, die für<br />

Nordirland und Irland gleichermaßen zuständig ist. 1280 Zum Teil wird sogar vertreten, daß<br />

kirchliche Wohlfahrtseinrichtungen aufgrund ihrer beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en sozialen Funktion nicht unter<br />

<strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s „Unternehmens“ i.S.d. RL 94/45/EG zu subsumieren seien, da insoweit das<br />

Wirtschaftlichkeitsmoment zurücktrete. 1281 Letztgenannte Ansicht erscheint angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

bisherigen Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH kaum haltbar. 1282<br />

Durch das Gesetz über europäische Betriebsräte vom 28. Oktober 1996 (EBRG) wur<strong>de</strong> die<br />

RL 94/45/EG inzwischen von Deutschland innerstaatlich umgesetzt. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Ermächtigung<br />

in Art. 8 Abs. 3 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 94/45/EG sieht § 34 EBRG eine Ausnahmebest<strong>im</strong>mung<br />

zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen vor.<br />

bb) Gemeinschaftscharta <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer vom 3. Dezember 1989<br />

Die auf <strong>de</strong>m St<strong>ra</strong>ßburger Gipfel von 1989 proklamierte Sozialcharta sieht u.a. <strong>de</strong>n Zugang <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gewerkschaften zu Institutionen verschie<strong>de</strong>nster Art vor. Jedoch konnte sie – gescheitert am<br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand Großbritanniens – nur als rechtlich unverbindliche Erklärung ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n. 1283 Auch die Erwähnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftscharta in Art. 136 Abs. 1 EGV n.F. än<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

hie<strong>ra</strong>n nichts. Zumin<strong>de</strong>st mißverständlich ist daher die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinsamen Stellungnahme<br />

verwandte Formulierung, nach welcher Art. 141 (ex-Art. 119) EGV „i.V. auch mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> Sozialcharta“ für das Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />

unmittelbare Geltung zukomme. 1284<br />

cc) Sozialvorschriften <strong>im</strong> Titel XI <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs<br />

1280<br />

So Ehnes, Fn. 248, S. 50.<br />

1281<br />

So Schäfer, Fn. 1106, S. 117, 121.<br />

1282<br />

Vgl. EuGH, Rs. 196/87 (Steymann/Staatssecretaris van Justitie), Slg. 1988, S. 6159 ff. (s.o.<br />

C.II.4).<br />

1283<br />

Eichenhofer, <strong>Das</strong> <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g über die europäische <strong>Union</strong> angefügte „Protokoll über die<br />

Sozialpolitik“, S. 151 ff., S. 156.<br />

1284<br />

Gemeinsame Stellungnahme, Fn. 510, S. 22.


321<br />

Aufgrund <strong>de</strong>s Wahlsiegs <strong><strong>de</strong>r</strong> Labour-Party und <strong>de</strong>m damit verbun<strong>de</strong>nen Politikwechsel<br />

konnte das Abkommen über die Sozialpolitik vom 7. Februar 1992 1285 durch <strong>de</strong>n Amsterdamer<br />

Vert<strong>ra</strong>g vergemeinschaftet wer<strong>de</strong>n und mit einigen Erweiterungen als Titel XI in <strong>de</strong>n<br />

EG-Vert<strong>ra</strong>g eingefügt wer<strong>de</strong>n. 1286 Somit wur<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialpolitik ein „Europe<br />

à <strong>de</strong>ux vitesses“ und damit ein dauerhaftes Son<strong><strong>de</strong>r</strong>gemeinschaftsrecht nur für eine<br />

Teilgemeinschaft verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>t. 1287<br />

(1) Anwendbarkeit gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie kirchlicher<br />

Unternehmen<br />

Die Vorschriften <strong>de</strong>s Titels XI gelten unterschiedslos und mit unmittelbarer Geltung für das<br />

Verhältnis kirchlicher Arbeitgeber und Arbeitnehmer außerhalb <strong>de</strong>s klerikalen Bereichs, für<br />

<strong>de</strong>n insoweit das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften eingreift. Wür<strong>de</strong>n<br />

B<strong>ra</strong>uereien o<strong><strong>de</strong>r</strong> Banken, die nach erwerbswirtschaftlichen Kriterien gewinnmax<strong>im</strong>ierend<br />

arbeiten, nur <strong>de</strong>shalb an<strong><strong>de</strong>r</strong>s behan<strong>de</strong>lt, weil ihre Geschäftsanteile einer Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsgemeinschaft gehören, wäre dies als Verstoß gegen <strong>de</strong>n Gleichheitsgrundsatz<br />

anzusehen. Gleiches muß auch für die freien Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> gelten, die mit sonstigen<br />

privaten Anbietern am Markt in Konkurrenz treten.<br />

Auch wenn hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> durch Titel XI geregelten Materien grundsätzlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendungsbereich<br />

<strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips eröffnet ist, da die Materien nicht in die ausschließliche<br />

Gemeinschaftszuständigkeit fallen, 1288 erweist sich Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 2 EGV<br />

schon dann nicht als Sch<strong>ra</strong>nke für ein gesetzgeberisches Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, wenn<br />

sich zwar das <strong>de</strong>utsche Sozialsystem auf einem hohen Standard befän<strong>de</strong>, dasjenige an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />

Mitgliedstaaten hingegen nicht ausreichend wäre. 1289<br />

In einem solchen Fall wäre die Gemeinschaft<br />

zum Erlaß einheitlicher Min<strong>de</strong>stvorschriften berechtigt, vgl. Art. 137 Abs. 2 UAbs. 1<br />

EGV (ex-Art. 2 Abs. 2 UAbs. 1 <strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik).<br />

1285<br />

Einzelheiten zur Entstehungsgeschichte, <strong>de</strong>m institutionellen Rang und <strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s<br />

Sozialprotokolls für die künftige europäische Entwicklung bei Eichenhofer, Fn. 1283,<br />

S. 151 ff.<br />

1286<br />

SZ Nr. 116 vom 23.5.1997, S. 9: „Die Europhobie ist vorbei“; sowie SZ Nr. 101 vom<br />

6.5.1997, S. 6: „London billigt EU-Sozialcharta – Labour-Regierung will Vereinbarung<br />

unterzeichnen.“<br />

1287<br />

Allerdings begünstigen die ebenfalls durch <strong>de</strong>n Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g eingefügten<br />

Best<strong>im</strong>mungen i.R.d. sog. „Flexibilität“ gemäß Art. 43 (ex-Art. K.15) , Art. 44<br />

(ex-Art. K.16) EUV sowie Art. 11 (ex-Art. 5a) EGV erneut ein solches „Europa <strong><strong>de</strong>r</strong> zwei<br />

Geschwindigkeiten“.<br />

1288<br />

So auch Eichenhofer, Fn. 1283, S. 163, für das Sozialabkommen.<br />

1289<br />

Vgl. insoweit die Ausführungen oben G.III.


322<br />

(2) Fortbestand <strong>de</strong>s „Dritten Weges“?<br />

Art. 136 UAbs. 2 EGV (ex-Art. 1 <strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik) sieht ausdrücklich<br />

vor, daß „die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten Maßnahmen durchführen, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Vielfalt<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> einzelstaatlichen Gepflogenheiten, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e in <strong>de</strong>n vert<strong>ra</strong>glichen Beziehungen [...]<br />

Rechnung t<strong>ra</strong>gen.“ Als eine solche einzelstaatliche Gepflogenheit könnte auch <strong><strong>de</strong>r</strong> „Dritte<br />

Weg“ mit seiner speziellen Ausprägung <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmermitbest<strong>im</strong>mung o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong><br />

Bereich <strong>de</strong>s Kündigungsschutzes angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

Eine Rechtsangleichung mit qualifizierter Mehrheit <strong>im</strong> Verfahren nach Art. 251<br />

(ex-Art. 189b) EGV kommt außer<strong>de</strong>m nur in <strong>de</strong>n in Art. 137 Abs. 1 EGV (ex-Art. 2 Abs. 1<br />

<strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik) enume<strong>ra</strong>tiv aufgezählten Materien in Bet<strong>ra</strong>cht.<br />

Abgesehen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeit, Regelungen für „Arbeitsbedingungen“ zu erlassen, han<strong>de</strong>lt<br />

es sich dabei <strong>im</strong> wesentlichen um Gebiete, für welche die Gemeinschaft schon vor Abschluß<br />

<strong>de</strong>s Sozialabkommens tätig gewor<strong>de</strong>n ist. 1290<br />

Sonstige Materien, die in Art. 137 Abs. 3 EGV (ex-Art. 2 Abs. 3 <strong>de</strong>s Abkommens über die<br />

Sozialpolitik) genannt wer<strong>de</strong>n – z.B. Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer bei Beendigung <strong>de</strong>s Arbeitsvert<strong>ra</strong>gs<br />

1291<br />

, Vertretung und kollektive Wahrnehmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer- und<br />

Arbeitgeberinteressen, einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitbest<strong>im</strong>mung – bedürfen nach wie vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Einst<strong>im</strong>migkeit. In Art. 137 Abs. 6 EGV (ex-Art. 2 Abs. 6 <strong>de</strong>s Abkommens über die<br />

Sozialpolitik) wird jedoch ausdrücklich festgelegt, daß Regelungen über das Arbeitsentgelt,<br />

das Koalitionsrecht, das Streikrecht sowie das Aussperrungsrecht nicht einmal einst<strong>im</strong>mig<br />

getroffen wer<strong>de</strong>n dürfen.<br />

Der „Dritte Weg“, <strong>de</strong>n die <strong>de</strong>utschen Kirchen – gegenüber <strong>de</strong>m üblichen Mo<strong>de</strong>ll bestehend<br />

aus Gewerkschaften einerseits und Arbeitgeberverbän<strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits – als Mitbest<strong>im</strong>mungsmo<strong>de</strong>ll<br />

gewählt haben, scheint zunächst aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 137 Abs. 6 EGV<br />

(ex-Art. 2 Abs. 6 <strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik) vor existenzgefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen<br />

Harmonisierungsbestrebungen weitgehend verschont wor<strong>de</strong>n zu sein.<br />

Ungeachtet <strong>de</strong>ssen besitzt die Gemeinschaft für die in Art. 137 Abs. 3 EGV (ex-Art. 2 Abs. 3<br />

<strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik) genannten Materien die Möglichkeit <strong>de</strong>s Erlasses von<br />

1290 Eichenhofer, Fn. 1283, S. 151. Insofern hat das Sozialabkommen die Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft nicht „erheblich ausgeweitet“, wie Robbers, Fn. 181, S. 91, dies ann<strong>im</strong>mt.<br />

1291 Grds. könnte das Kündigungsschutzrecht gemeinschaftsrechtlich harmonisiert wer<strong>de</strong>n, was<br />

mitunter für die Loyalitätsanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>im</strong> kirchlichen Arbeitsrecht Folgen haben könnte,<br />

so auch Rüfner, Fn. 448, S. 489.


323<br />

verbindlichen Richtlinien. 1292<br />

Außer<strong>de</strong>m können sich Gefahren für <strong>de</strong>n „Dritten Weg“ infolge<br />

von Vereinbarungen zwischen <strong>de</strong>n Sozialpartnern ergeben.<br />

(3) Kirchen als „Sozialpartner“ i.S.d. Gemeinschaftsrechts?<br />

Gemäß Art. 138 f. (ex-Art. 118a, 118b) EGV bzw. <strong>de</strong>n Art. 3 und 4 <strong>de</strong>s bisherigen<br />

Abkommens über die Sozialpolitik bemüht sich die Kommission darum, <strong>de</strong>n Dialog zwischen<br />

<strong>de</strong>n Sozialpartnern auf europäischer Ebene zu entwickeln. Nach gängigem Verständnis<br />

wer<strong>de</strong>n als Sozialpartner die an arbeitsrechtlichen Kollektivvereinbarungen beteiligten<br />

Arbeitgeberverbän<strong>de</strong> und Gewerkschaften einschließlich ihrer Spitzenorganisationen<br />

bezeichnet. 1293 Die Großkirchen in Deutschland sind keine an arbeitsrechtlichen Kollektivvereinbarungen<br />

beteiligten Arbeitgeberverbän<strong>de</strong>; ihnen ist die Trennung zwischen<br />

Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die oftmals zu Konfrontation und Verhärtung auf bei<strong>de</strong>n<br />

Seiten führt, fremd. Aus diesem Grun<strong>de</strong> wird überwiegend die Auffassung vertreten, bei <strong>de</strong>n<br />

Kirchen han<strong>de</strong>le es sich nicht um Sozialpartner i.S. <strong>de</strong>s Art. 139 (ex-Art. 118b) EGV bzw.<br />

nach Art. 3, 4 <strong>de</strong>s Sozialabkommens, da sie – zumin<strong>de</strong>st <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit – nicht tarifwillig seien. 1294<br />

(4) Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen an Vereinbarungen zwischen <strong>de</strong>n Sozialpartnern?<br />

Auch wenn eine kollektive Wahrnehmung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen<br />

gemäß Art. 137 Abs. 6 EGV (ex-Art. 2 Abs. 6 <strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik) nicht<br />

Gegenstand gemeinschaftsrechtlicher Regelungen ist, kann es nach Art. 139 Abs. 1 und 2<br />

EGV (ex-Art. 4 Abs. 1 und 2 <strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik) hierüber zu Vereinbarungen<br />

zwischen <strong>de</strong>n Sozialpartnern auf Gemeinschaftsebene kommen, falls diese es<br />

wünschen. Ob eine Bindung an Regelungen, die von <strong>de</strong>n Sozialpartnern <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s<br />

Art. 139 Abs. 2 EGV (ex-Art. 4 Abs. 2 <strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik) auf Gemeinschaftsebene<br />

vereinbart wur<strong>de</strong>n, dadurch verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n kann, daß die Kirchen sich nicht<br />

an <strong>de</strong>n freiwilligen Verhandlungen beteiligen 1295<br />

, erscheint f<strong>ra</strong>glich. Vielmehr ist zu<br />

befürchten, daß einer durch europaweite Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen<br />

1292<br />

Hie<strong>ra</strong>n erinnert Schäfer, Fn. 1106, S. 23.<br />

1293<br />

Creifelds, Stichwort: Sozialpartner. Eine Übersicht über die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbän<strong>de</strong><br />

auf EG-Ebene fin<strong>de</strong>t sich bei Schäfer, Fn. 1106, S. 41.<br />

1294<br />

So auch Robbers, Fn. 181, S. 93. Nach Schäfer, Fn. 1106, S. 43, suchen die Kirchen <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit<br />

noch nach ihrem Platz in <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Sozialordnung. Ob es für diese sinnvoll sei, sich<br />

am europäischen Dialog <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialpartner zu beteiligen, was u.U. die Aufgabe <strong>de</strong>s „Dritten<br />

Weges“ mit sich bringen könnte, müsse von diesen abgewogen wer<strong>de</strong>n.<br />

1295<br />

So aber Robbers, Fn. 181, S. 94.


324<br />

getroffene Regelung gemeinschaftsweit Gültigkeit zukommt – ohne Rücksichtnahme auf <strong>de</strong>n<br />

„Dritten Weg“. 1296<br />

dd) Zusammenfassung<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 94/45/EG über <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Betriebs<strong>ra</strong>t, die auch für das kirchliche<br />

Arbeitsrecht außerhalb <strong>de</strong>s innerkirchlichen Dienstes Anwendung fin<strong>de</strong>t, kommen – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />

als bisher <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht – Son<strong><strong>de</strong>r</strong>vorschriften für kirchliche Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> nicht<br />

aufgrund eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich über die Rechtsfigur <strong>de</strong>s Ten<strong>de</strong>nzbetriebes<br />

zur Anwendung. Eine Gefahr für <strong>de</strong>n „Dritten Weg“ stellt das vergemeinschaftete<br />

ehemalige Abkommen über die Sozialpolitik, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e gemeinschaftsweit ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>te<br />

Abkommen <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialpartner gemäß Art. 139 Abs. 2 EGV n.F., dar.<br />

II. Europäische Integ<strong>ra</strong>tion und kirchliches Wohlfahrtswesen<br />

1. Kirchliches Wohlfahrtswesen in Deutschland<br />

Die Kirchen und Religionsgemeinschaften verstehen ihren religiös motivierten sozialen<br />

Dienst – auch wenn hierdurch z.T. öffentliche Aufgaben erfüllt wer<strong>de</strong>n – vor<strong>ra</strong>ngig als<br />

Religionsausübung bzw. als „Liebestätigkeit“. 1297<br />

Häufig sind die freien Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>,<br />

mit Hilfe <strong><strong>de</strong>r</strong>er die Kirchen und Religionsgemeinschaften ihre diakonischen Dienste vor<strong>ra</strong>ngig<br />

ausführen, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsform <strong>de</strong>s Vereins- und Stiftungsrechts, seltener als Genossenschaften<br />

organisiert.<br />

In Deutschland stellen freie Träger ohne staatliche Verpflichtung ein vielfältiges soziales<br />

Angebot sicher, wodurch <strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzip prinzipiell am ehesten Rechnung get<strong>ra</strong>gen<br />

wird. 1298<br />

Allerdings kann das Subsidiaritätsprinzip <strong>de</strong>s Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV kein<br />

Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, soweit einige Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />

ein effektives Angebot an sozialen Diensten nicht sicherzustellen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage sind, da in<br />

1296<br />

Der Ansicht ist auch Schäfer, Fn. 1106, S. 25.<br />

1297<br />

Vgl. nur v. Campenhausen, Fn. 74, S. 180 ff.; 412; Ehnes, Fn. 248, S. 48. Der griechische<br />

Ursprung <strong>de</strong>s Wortes Diakonie (= διακονια) meint schließlich nichts an<strong><strong>de</strong>r</strong>es als <strong>de</strong>n aus<br />

Glauben motivierten p<strong>ra</strong>ktischen Dienst bzw. tätige Liebe.<br />

1298<br />

Gemeinsame Stellungnahme, Fn. 510, S. 12; v. Campenhausen, Fn. 74, S. 190.


325<br />

diesem Fall die „Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> in Bet<strong>ra</strong>cht gezogenen Maßnahmen auf Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

nicht ausreichend erreicht wer<strong>de</strong>n können.“ 1299<br />

2. Kommissionsentwurf einer „économie sociale“<br />

Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts soll nun für alle Vereine ein einheitliches neues<br />

Vereinsrecht geschaffen wer<strong>de</strong>n. Die Kommission je<strong>de</strong>nfalls war Impulsgeber für einen<br />

Vorschlag über das Statut <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Vereins (EUV) vom 6. März 1992. 1300 Pa<strong>ra</strong>llel<br />

hierzu hat diese auch eine Initiative über das Statut <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Genossenschaft<br />

(EUGEN) eingeb<strong>ra</strong>cht. 1301<br />

Diese bisher <strong>im</strong> Entwurfsstadium steckengebliebenen Vorschläge<br />

wur<strong>de</strong>n, da spezielle Regelungskompetenzen <strong>de</strong>s Vereins-, Stiftungs- und<br />

Genossenschaftsrechts nicht zur Verfügung stan<strong>de</strong>n, auf Art. 95 (ex-Art. 100a) EGV gestützt.<br />

Den Kommissionsentwürfen liegt das <strong>de</strong>m romanischen Rechtskreis entstammen<strong>de</strong> Konstrukt<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> „économie sociale“ zugrun<strong>de</strong>, worunter man die Gesamtheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Unternehmungen in Form<br />

von Vereinen, Genossenschaften und Gegenseitigkeitsgesellschaften versteht, <strong>de</strong>nen das<br />

Nichtvorhan<strong>de</strong>nsein einer Gewinnorientierung ebenso gemeinsam ist wie die Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Solidarität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Beteiligung aller Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. 1302<br />

Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, daß sich die in<br />

freier Trägerschaft tätigen kirchlichen Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> bisher zur Erfüllung ihrer Ziele<br />

meist <strong>de</strong>s Vereins- bzw. <strong>de</strong>s Stiftungsstatus bedienten, kommt diesen Verordnungsvorschlägen,<br />

nach <strong>de</strong>nen Vereinen, Stiftungen und Genossenschaften die Möglichkeit eröffnet<br />

wer<strong>de</strong>n soll, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft grenzüberschreitend tätig zu wer<strong>de</strong>n, selbstre<strong>de</strong>nd große<br />

p<strong>ra</strong>ktische Relevanz zu. Exemplarisch sollen <strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>n Rechtsnatur und Wirkungen <strong>de</strong>s<br />

EUV näher analysiert wer<strong>de</strong>n.<br />

1299<br />

Vgl. die Ausführungen oben G.I.2.<br />

1300<br />

ABl. 1992, Nr. C 99, S. 1 ff.; geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch Vorschlag vom 6.7.1993, ABl. 1993, Nr. C<br />

236, S. 1 ff.<br />

1301<br />

Vorschlag für eine Verordnung <strong>de</strong>s Rates vom 6. März 1992 über das Statut <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> Genossenschaft, ABl. 1992, Nr. C 99, S. 17 ff., geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch Vorschlag<br />

vom 6.7.1993, ABl. 1993, Nr. C 236, S. 17 ff.<br />

1302<br />

So Weisbrod, Europäisches Vereinsrecht – Eine rechtsvergleichen<strong>de</strong> Studie, F<strong>ra</strong>nkfurt a.M.<br />

u.a. 1994, S. 254 f.


326<br />

3. Der Europäische Verein<br />

Die Gründung <strong>de</strong>s EUV soll gemäß Art. 1 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO <strong>de</strong>m dauerhaften Zusammenschluß<br />

von natürlichen und/o<strong><strong>de</strong>r</strong> juristischen Personen zur Verfolgung gemeinnütziger Zwecke o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

aber zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung beruflicher Interessen seiner Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> dienen. Eine Gleichstellung dieser<br />

bei<strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>gstypen erfolgt laut Erwägungsgrund Nr. 7 daher, weil heutzutage viele Vereine<br />

und Stiftungen zwecks Verwirklichung ihrer Ziele durch Ausübung einer wirtschaftlichen<br />

Haupt- und Nebentätigkeit gegen Entgelt am Wirtschaftsleben teilnähmen.<br />

Ungeachtet <strong>de</strong>ssen, daß kirchliche Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> ihr Tätigwer<strong>de</strong>n als nichtgewinnorientierte<br />

Religionsausübung bet<strong>ra</strong>chten, sieht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommissionsentwurf <strong>de</strong>s EUV für<br />

diese die gleiche Rechtsform vor, wie sie für sonstige gewerbliche Verbän<strong>de</strong> üblich ist.<br />

Generell darf eine solche Gleichstellung nicht übermäßig kritisch bewertet wer<strong>de</strong>n, da sich<br />

kirchliche Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> auch nach nationalem Vereins- und Stiftungsrecht in einer<br />

Rechtsform konstituieren müssen, die sie formal mit Vereinen an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Zielsetzung<br />

gleichstellt. Im <strong>de</strong>utschen Vereinsrecht wur<strong>de</strong> – <strong>im</strong> Gegensatz zum EUV 1303<br />

– bisher jedoch<br />

streng zwischen <strong>de</strong>m Wirtschaftlichen Verein (§ 22 BGB) und <strong>de</strong>m I<strong>de</strong>alverein (§ 21 BGB)<br />

unterschie<strong>de</strong>n.<br />

Die Gründungsvo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>s EUV, <strong><strong>de</strong>r</strong> gemäß Art. 2 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO eine eigene<br />

Rechtspersönlichkeit besitzt und gemäß Art. 2 Abs. 3 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO nur mit <strong>de</strong>m Vereinsvermögen<br />

haftet, wer<strong>de</strong>n in Art. 3 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO aufgezählt. Demnach muß es sich um einen Zusammenschluß<br />

von zwei juristischen o<strong><strong>de</strong>r</strong> min<strong>de</strong>stens sieben natürlichen Personen han<strong>de</strong>ln, die ihren Sitz in<br />

wenigstens zwei unterschiedlichen Mitgliedstaaten haben müssen. Ein EUV kann aber auch<br />

durch Umwandlung eines nationalen Vereins entstehen, sofern dieser bereits über eine<br />

Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassung in einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaat verfügt. Gemäß Art. 7 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 S. 2<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> VO ist ferner die Eint<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s EUV vorgeschrieben, durch welche dieser seine<br />

Rechtsfähigkeit erlangt.<br />

In einem auf Art. 44 (ex-Art. 54) EGV gestützten Vorschlag für eine Richtlinie zur Ergänzung<br />

<strong>de</strong>s Statuts <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Vereins hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer vom<br />

6. März 1992 1304<br />

hat die Kommission F<strong>ra</strong>gen <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmermitbest<strong>im</strong>mung geregelt. Nach<br />

Art. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL kann <strong><strong>de</strong>r</strong> EUV erst einget<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n, wenn ein Mitbest<strong>im</strong>mungsmo<strong>de</strong>ll<br />

1303<br />

Immerhin darf <strong><strong>de</strong>r</strong> EUV auch keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten, vgl.<br />

Art. 1 Abs. 2 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO, sowie Hohloch/Hohloch, EU-Handbuch Gesellschaftsrecht,<br />

Sup<strong>ra</strong>nationales Recht, Rdnr. 94.<br />

1304<br />

ABl. 1992, Nr. C 99, S. 14 ff., geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch <strong>de</strong>n Vorschlag vom 6.7.1993, ABl. 1993,<br />

Nr. C 236, S. 14 ff.


327<br />

gemäß Art. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL o<strong><strong>de</strong>r</strong> zumin<strong>de</strong>st ein Informations- und Konsultationsverfahren gemäß<br />

Art. 3 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL festgelegt wur<strong>de</strong>. Die Mitbest<strong>im</strong>mung, die sich nach <strong>de</strong>n Rechts- und<br />

Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten in <strong>de</strong>n Aufsichts- und Verwaltungsorganen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

nationalen Unternehmen regelt, wür<strong>de</strong> in Deutschland auf § 87 BetrVG verweisen; für eine<br />

Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelung <strong>de</strong>s kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts, wie sie <strong><strong>de</strong>r</strong> „Dritte Weg“<br />

vorsieht, wäre nur dann noch Raum, soweit die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 118 Abs. 2 BetrVG als<br />

ausdrückliche Ausnahmebest<strong>im</strong>mung zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften von Art. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

RL ebenfalls mitumfaßt wäre. Je<strong>de</strong>nfalls ist in <strong><strong>de</strong>r</strong> RL über das Statut <strong>de</strong>s EUV selbst keine<br />

Best<strong>im</strong>mung über ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Ten<strong>de</strong>nzschutz kirchlicher<br />

Einrichtungen enthalten. 1305<br />

In kirchlichen Kreisen besteht daher zu Recht die Befürchtung, daß sich durch das Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s<br />

EUV g<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong> Auswirkungen <strong>de</strong>s bisherigen Rechtsstatus ergeben könnten, zumal <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EUV nicht zwischen <strong>de</strong>n verfolgten Vereinszwecken unterschei<strong>de</strong>t und gemeinnützigen<br />

Vereinen <strong>im</strong> Gegensatz zu wirtschaftlichen Vereinen eine klare Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung einräumt, 1306<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n bei<strong>de</strong> Typen gleichbehan<strong>de</strong>lt. Außer<strong>de</strong>m sieht <strong><strong>de</strong>r</strong> EUV <strong>im</strong> Gegensatz zum <strong>de</strong>utschen<br />

Wohlfahrtswesen keine finanziellen Ausgleichsmechanismen für freie o<strong><strong>de</strong>r</strong> kirchliche Wohlfahrtsträger<br />

vor, was von Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen als Verletzung ihres Selbstverständnisses<br />

angesehen wird. 1307<br />

Als Hauptgrund für <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Ausgleichsmaßnahmen wird gemeinhin<br />

angesehen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat durch die Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> von Aufgaben entlastet<br />

wird, die er ansonsten – die kirchlichen Aktivitäten weggedacht – verbun<strong>de</strong>n mit einem hohen<br />

Kostenaufwand selbst wahrnehmen müßte.<br />

Da die Erklärung Nr. 23 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Maastricht vorsieht, daß die<br />

gemeinschaftsrechtlichen Ziele auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialpolitik in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n<br />

Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>n erreicht wer<strong>de</strong>n sollen, kann es nur <strong>im</strong> Interesse letzterer liegen, ihren<br />

Standpunkt gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft <strong>de</strong>utlich zum Ausdruck zu bringen.<br />

Immerhin heißt es <strong>im</strong> letzten Erwägungsgrund <strong>de</strong>s Entwurfs <strong><strong>de</strong>r</strong> VO: „Die Inanspruchnahme<br />

dieses Statuts ist wahlfrei.“ Dies be<strong>de</strong>utet, daß bisherige nationale Vereine und Stiftungen<br />

etwa nach §§ 21 – 88 BGB unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t bestehen bleiben können. Nationales Vereins- und<br />

Stiftungsrecht wird daher durch <strong>de</strong>n EUV nicht ersetzt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich ergänzt. 1308<br />

Diese<br />

Wahlfreiheit ähnelt insofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Situation bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> wirtschaftlichen<br />

1305<br />

Ebenso Kalb, Fn. 393, S. 94.<br />

1306<br />

Vgl. Ehnes, Fn. 248, S. 49.<br />

1307<br />

Vgl. Gemeinsame Stellungnahme, Fn. 510, S. 13.<br />

1308<br />

Hierin liegt zugleich auch die Schwäche <strong>de</strong>s EUV: Da vielfältige etablierte Organisationsformen<br />

zur Verfügung stehen, besteht eigentlich kein Bedürfnis für diese neue „Sozialwirtschaft“,<br />

vgl. Weisbrod, Fn. 1302, S. 280 ff.


328<br />

Interessenvereinigung (EWIV), die gemäß <strong><strong>de</strong>r</strong> VO Nr. 2137/85 1309 geschaffen wur<strong>de</strong>, und<br />

durch welche <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherige Numerus Clausus <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Personengesellschaftsformen<br />

(BGB-Gesellschaft; Partnerschaftsgesellschaft; OHG; KG) nicht beschränkt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n erweitert<br />

wur<strong>de</strong>. In<strong>de</strong>s konnte die EWIV die bisherigen Gesellschaftstypen <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Rechts nicht<br />

ernsthaft verdrängen. 1310<br />

4. „Gemeinnützigkeit“<br />

Wenn die Gemeinschaft nun zur Regelung <strong>de</strong>s Vereins- und Genossenschaftsrechts über<br />

Art. 95 (ex-Art. 100a) EGV rechtssetzend tätig wird, obwohl ihr pr<strong>im</strong>ärrechtlich keine<br />

spezielle Kompetenz zur Regelung von F<strong>ra</strong>gen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinnützigkeit zusteht, besteht die<br />

Gefahr, daß sie nicht nur in <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsform, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch steuerlich alle EUVs<br />

gleichbehan<strong>de</strong>lt.<br />

Art. 6 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO sieht <strong>im</strong> Grundsatz vor, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EUV <strong>de</strong>n Best<strong>im</strong>mungen dieser Verordnung<br />

unterliegt. Soweit diese o<strong><strong>de</strong>r</strong> keine Best<strong>im</strong>mung trifft, gelangen aber nach Art. 6 Abs. 1<br />

lit. c <strong><strong>de</strong>r</strong> VO die gesetzlichen Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten zur Anwendung, die in<br />

Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> die EUV betreffen<strong>de</strong>n Gemeinschaftsmaßnahmen erlassen wur<strong>de</strong>n. Für einen<br />

EUV mit Sitz in Deutschland sind daher subsidiär die §§ 21 – 89 BGB maßgeblich. Im<br />

Kapitel IV (Art. 36 ff. <strong><strong>de</strong>r</strong> VO) wird nicht geregelt, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> EUV steuerlich zu behan<strong>de</strong>ln ist.<br />

Art. 41 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO legt lediglich fest, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EUV zu allen Finanzierungsformen unter <strong>de</strong>n<br />

günstigsten Bedingungen Zugang haben muß, wie sie für Vereine <strong>im</strong> Sitzstaat gelten. Damit<br />

wird je<strong><strong>de</strong>r</strong> EUV steuerlich <strong>de</strong>m I<strong>de</strong>alverein gleichgestellt, da dieser steuerlich günstiger ist als<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaftliche Verein. Dies könnte zur Folge haben, daß viele wirtschaftliche Vereine die<br />

Rechtsform <strong>de</strong>s EUV wählen, um steuerlich die Vorzüge <strong>de</strong>s I<strong>de</strong>alvereins zu erhalten,<br />

wodurch mittelbar die Position <strong>de</strong>s I<strong>de</strong>alvereins geschwächt wür<strong>de</strong>.<br />

1309 Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 <strong>de</strong>s Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer<br />

<strong>Europäischen</strong> wirtschaftlichen Interessenvereinigung, ABl. 1985, Nr. L 199, S. 1 ff.<br />

1310 So wur<strong>de</strong>n seit Wirksamwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> VO Nr. 2137/85 <strong>im</strong> Juli 1989 bis einschließlich<br />

Februar 1997 lediglich 796 EWIV in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten gegrün<strong>de</strong>t, von <strong>de</strong>nen bis zu<br />

diesem Zeitpunkt nur noch 741 EWIV (davon 65 EWIV in Deutschland) bestan<strong>de</strong>n, vgl.<br />

Neye, Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung – eine Zwischenbilanz, DB<br />

1997, S. 861 ff.


5. <strong>Das</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungsrecht <strong>de</strong>s Art. 43 ff. (ex-Art. 52 ff.) EGV<br />

329<br />

An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als die sich in kirchlicher Hand befindlichen erwerbswirtschaftlichen Unternehmen<br />

(z.B. Verlage, Gärtnereien, B<strong>ra</strong>uereien, Bankhäuser), die mit Gewinnerzielungsabsicht am<br />

Wirtschaftsleben teilhaben, könnten kirchliche Einrichtungen, die in einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Mitgliedstaat Tätigkeiten karitativer, religiöser o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar missionarischer Art versehen, u.U.<br />

wegen fehlen<strong>de</strong>m Erwerbszweck an einer freien Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassung gehin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n. 1311 Jedoch<br />

darf nicht die Gewinnerzielungsabsicht das entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kriterium für die Anwendung <strong>de</strong>s<br />

Art. 43 (ex-Art. 52) EGV sein. Vielmehr muß die Entgeltlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Dienst- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Arbeitsleistung genügen; diese liegt vor, wenn kosten<strong>de</strong>kkend Zahlungen erfolgen, worunter<br />

auch freiwillige Spen<strong>de</strong>n zu fassen sind. 1312<br />

6. Zusammenfassung<br />

Der Entwurf eines auf die Vorstellungen <strong><strong>de</strong>r</strong> „économie sociale“ zurückgehen<strong>de</strong>n Statuts <strong>de</strong>s<br />

<strong>Europäischen</strong> Vereins unterschei<strong>de</strong>t nicht danach, ob die von <strong>de</strong>m EUV verfolgten Ziele<br />

gemeinnütziger o<strong><strong>de</strong>r</strong> wirtschaftlicher Natur sind. Bei<strong>de</strong> Arten wer<strong>de</strong>n gleichbehan<strong>de</strong>lt. Zwar<br />

besteht Wahlfreiheit zwischen <strong>de</strong>m EUV und <strong>de</strong>n bisherigen Gesellschaftstypen. Da selbst ein<br />

wirtschaftlich orientierter EUV steuerlich wie ein I<strong>de</strong>alverein zu behan<strong>de</strong>ln wäre, könnte dies<br />

zur Aushöhlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinnützigkeit führen.<br />

1. In Deutschland<br />

III. Europäische Integ<strong>ra</strong>tion und Kirchenfinanzierung<br />

Die Kirchensteuer (KiSt) ist eine Abgabe zur Finanzierung kirchlicher Aufgaben 1313<br />

und<br />

ersetzt als solche <strong>de</strong>n seit <strong>de</strong>m 5. Jh. n.Chr. auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage von 4. Mose 18, 21 ff.<br />

p<strong>ra</strong>ktizierten Kirchenzehnt, <strong><strong>de</strong>r</strong> tatsächlich vorsah, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> zehnte Teil aus Erträgen und<br />

Früchten von Vieh und Grundstücken an die Kirche abgegeben wer<strong>de</strong>n und <strong><strong>de</strong>r</strong> – je nach<br />

Region – erst aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>nzösischen Revolution von 1789 bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Revolution 1848/49<br />

1311<br />

Vgl. Ran<strong>de</strong>lzhofer, in: G<strong>ra</strong>bitz (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vert<strong>ra</strong>g, Art. 52, Rdnr. 13.<br />

1312<br />

Ran<strong>de</strong>lzhofer, Fn. 1312, Art. 52, Rdnr. 15; Robbers, Fn. 181, S. 90.<br />

1313<br />

Herrmann, Wörterbuch Kirchenrecht, Stichwort: Kirchensteuer.


330<br />

abgeschafft wur<strong>de</strong>. 1314 Wie sonstige Staatsleistungen auch, wird die KiSt gemeinhin als<br />

Kompensation für die Enteignung kirchlichen Vermögens durch die Säkularisationen infolge<br />

<strong>de</strong>s Reichs<strong>de</strong>putationshauptschlusses vom 25. Februar 1803 begrün<strong>de</strong>t. 1315<br />

Kirchensteuererhebungsberechtigt „aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

lan<strong>de</strong>srechtlichen Best<strong>im</strong>mungen“ sind nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV<br />

diejenigen Religionsgesellschaften, die <strong>de</strong>n Status einer K.d.ö.R. innehaben; das Recht besteht<br />

somit nicht nur für die bei<strong>de</strong>n Großkirchen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n darüber hinaus für alle weiteren als<br />

K.d.ö.R. anerkannten Religionsgemeinschaften. 1316 Einzelheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt regeln die Lan<strong>de</strong>sgesetze<br />

und kirchliche Steuersatzungen, z.B. die Kirchensteuerordnungen. Die KiSt wird<br />

überwiegend 1317 <strong>de</strong>n Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen, die vom KiSt-Einzugsverfahren Geb<strong>ra</strong>uch<br />

machen, gemäß Art. 51a EStG als Anhangsteuer in Höhe von 8 % bzw. 9 % zur Einkommensteuer<br />

zugeschlagen. 1318 In Deutschland ist die KiSt bislang als Son<strong><strong>de</strong>r</strong>ausgabe nach<br />

§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG abzugsfähig. 1319 Mit <strong>de</strong>m Einzug <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt haben die grds. selbst<br />

einzugsberechtigten Religionsgemeinschaften i.d.R. die staatlichen Finanzämter beauft<strong>ra</strong>gt,<br />

wofür diese eine Entschädigung i.H.v. 3 – 5 % <strong>de</strong>s Kirchensteue<strong>ra</strong>ufkommens erhalten. 1320<br />

<strong>Das</strong> Kirchensteuersystem in Deutschland weist in dieser Hinsicht Züge eines<br />

Staatskirchentums auf. 1321<br />

1314<br />

Köbler, Fn. 65, Stichworte: Kirchensteuer/Kirchenzehnt.<br />

1315<br />

Petersen, Kirchensteuer in <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskussion, Hannover 1995, S. 22 f.; vgl. auch Zippelius,<br />

Fn. 2, S. 128 ff.; weitere Einzelheiten bei Puza, Modalitäten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenfinanzierung in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, ÖAKR (42) 1993, S. 178 ff., 185.<br />

1316<br />

Vgl. <strong>de</strong>n Überblick über die steuerberechtigten Kirchen, Religionsgemeinschaften und<br />

Weltanschauungsgesellschaften bei Giloy/Walter, Kirchensteuerrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis,<br />

Neuwied – Kriftel/Ts. – Berlin 1993, S. 14 ff., 16 ff.; Petersen, Fn. 1315, S. 34 ff.<br />

1317<br />

Daneben existieren an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Kirchenfinanzierungsformen, <strong>de</strong>nen allerdings nur untergeordnete<br />

Be<strong>de</strong>utung zukommt, so z.B. ein Zuschlag zur Vermögenssteuer o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Kirchgeld.<br />

1318<br />

Vgl. z.B. Giloy/Walter, Fn. 1316, S. 41 ff., 81 f.; List, Kirchensteuer – Rechtsgrundlagen<br />

und neuere Rechtsprechung, BB 1997, S. 17 ff., 21. Aufgrund ihrer Akzessorietät zur<br />

Einkommensteuer kommt die KiSt, die die individuelle Leistungsfähigkeit berücksichtigt,<br />

von ihrer Verteilung her <strong>de</strong>m Gerechtigkeitsmaßstab recht nahe.<br />

1319<br />

Vgl. hierzu Kirchhof, Die Kirchensteuer <strong>im</strong> System <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Staatsrechts, in: Fahr<br />

(Hrsg.), Fn. 118, S. 53 ff., 75 f.; Kirchhof/Söhn, Bd. 7, § 10, Rdnrn. G 6 ff., G 17, G 57 f.<br />

1320<br />

Dieses bequeme und gegenüber <strong>de</strong>m kircheneigenen Verwaltungseinzug wie in Österreich<br />

vergleichsweise günstige Verfahren geht in<strong>de</strong>s aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung zur Offenbarung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit gegenüber Staat und Arbeitgeber zu Lasten an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Religionsgemeinschaften,<br />

s.u. K.III.5.c).<br />

1321<br />

So han<strong>de</strong>lt es sich bei <strong>de</strong>n übrigen KiSt erheben<strong>de</strong>n Kirchen in Skandinavien um (z.T. in<br />

Auflösung begriffene) Staatskirchen. Vgl. überdies Erwin Fischer, Fn. 6, S. 216 ff. m.w.N.,


331<br />

Die Vorteile <strong>de</strong>s KiSt-Einzugsverfahrens für die Kirchen selbst liegen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand: <strong>Das</strong><br />

leicht berechenbare System zur Erhebung von Finanzmitteln ermöglicht infolge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Koppelung <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt an die Einkommen- bzw. Lohnsteuer relativ verläßlich und ohne großen<br />

Verwaltungsaufwand kalkulierbare Einnahmen. 1322 Diese betrugen 1997 nach Abzug <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verwaltungskosten für die EKD knapp 7,6 Mrd. DM, für die Röm.-Kath. Kirche 7,85 Mrd.<br />

DM. 1323<br />

Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Großkirchen initiierten Kirchenerklärung wur<strong>de</strong> ge<strong>ra</strong><strong>de</strong><br />

auch die Sicherung <strong>de</strong>s KiSt-Erhebungsverfahrens, das an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten überwiegend<br />

fremd ist, angestrebt. 1324 Dabei ist die KiSt-Erhebung zur ernsthaften und effizienten<br />

Erfüllung <strong>de</strong>s missionarisch-diakonischen Auft<strong>ra</strong>gs nicht zwingend erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich: So wird z.B.<br />

von <strong>de</strong>n meisten <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> VEF verbun<strong>de</strong>nen Kirchen bewußt auf eine KiSt-Erhebung von<br />

ihren Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n verzichtet, obwohl sie als K.d.ö.R. hierzu von Rechts wegen berechtigt<br />

wären. Diese Freikirchen mit ihren nur 300.000 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland betreiben<br />

<strong>im</strong>merhin 30 K<strong>ra</strong>nkenhäuser, 70 Alten- und Pflegehe<strong>im</strong>e, 20 the<strong>ra</strong>peutische Einrichtungen,<br />

14 Be<strong>ra</strong>tungsstellen sowie eine Vielzahl von Tagesstätten und Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten. 1325 Auch ein<br />

Blick nach USA zeigt <strong>de</strong>utlich, daß spen<strong>de</strong>nerheben<strong>de</strong> Kirchen sich sehr wohl selbst<br />

finanzieren können, sofern nur eine I<strong>de</strong>ntifikation <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit Lehre und Zielen ihrer<br />

Kirche vermittelt wer<strong>de</strong>n kann. 1326<br />

Im übrigen bestehen aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendbarkeit <strong>de</strong>s<br />

z.B. S. 218: „Den vom Staat völlig unabhängigen Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften<br />

aber bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ermittlung, Einziehung und Beitreibung <strong><strong>de</strong>r</strong> Beiträge<br />

mit öffentlich-rechtlichen Mitteln staatliche Hilfe zu gewähren, be<strong>de</strong>utet die partielle<br />

Gewährung einer staatskirchlichen Rechtsform.“ Diese ist durch Art. 140 GG i.V.m.<br />

Art. 137 Abs. 1 WRV ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> ausgeschlossen.<br />

1322<br />

Z.B. Marx, Die Kirchensteuer und die Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche, KuR 410, S. 1 ff., 4.<br />

1323<br />

Quelle: Statistisches Jahrbuch 1998, S. 96 f. Im Vergleich hierzu betrug das Kirchensteue<strong>ra</strong>ufkommen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Großkirchen zusammen <strong>im</strong> Jahr 1992 allerdings noch 17,1 Mrd.<br />

DM, vgl. Robbers, Fn. 177, S. 74.<br />

1324<br />

Voigt, Fn. 600, S. 109.<br />

1325<br />

Burkart, Fn. 115, S. 55.<br />

1326<br />

<strong>Das</strong> stereotyp wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kehren<strong>de</strong> Argument, das Spen<strong>de</strong>n- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kollektensystem beinhalte die<br />

Gefahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Abhängigkeit von einigen wenigen Kirchenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n, so z.B. bei v. Campenhausen,<br />

Fn. 74, S. 283, mit Verweis auf ein Votum <strong>de</strong>s Abgeordneten <strong><strong>de</strong>r</strong> We<strong>im</strong>arer<br />

Nationalversammlung Dr. Quarck; Feldhoff, Kirchensteuer in <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskussion – Publizistisch,<br />

politisch, volkswirtschaftlich, rechtlich und theologisch, Köln 1996, S. 56; Marx,<br />

Fn. 1322, S. 35 f.; Petersen, Fn. 1315, S. 69; Rüfner, Fn. 448, S. 495; mag seine<br />

Berechtigung allenfalls in Gesellschaftstypen mit k<strong>ra</strong>ssem Wohlstandsgefälle wie z.B. in<br />

<strong>de</strong>n USA haben; in europäischen Freikirchen dagegen sind <strong><strong>de</strong>r</strong>artige „Gefahren“ kaum<br />

auszumachen.


332<br />

Verwaltungszwangs 1327 bei KiSt-Einzug, <strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> neutestamentlichen Freiwilligkeit <strong>de</strong>s<br />

Gebens 1328 wenig gemein hat, Be<strong>de</strong>nken an <strong>de</strong>ssen Verfassungsmäßigkeit; ist doch allgemein<br />

anerkannt, daß intensive Grundrechtseingriffe wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltungszwang einer Ermächtigung<br />

durch <strong>de</strong>n parlamentarischen Gesetzgeber bedürfen. 1329 Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Eigenschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt als<br />

res mixta 1330 muß dieses Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis – unabhängig von <strong>de</strong>m Selbstverwaltungsrecht in<br />

eigenen Angelegenheiten – auch hier gelten, was bei <strong>de</strong>n i.d.R. nicht gänzlich durch<br />

<strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tische Wahl zusammengesetzten katholischen Diözesen <strong>im</strong> Gegensatz zu<br />

evangelischen Syno<strong>de</strong>n nicht erfüllt ist. 1331<br />

Darüber hinaus erscheint problematisch, daß sich<br />

für einen Katholiken keine Alternative zur KiSt bietet, da dieser nach kanonischem Recht<br />

nicht aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche austreten kann, vgl. can. 87 CIC/1917; geschieht dies faktisch <strong>de</strong>nnoch<br />

durch Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>ruf <strong><strong>de</strong>r</strong> äußeren Kirchenmitgliedschaft, han<strong>de</strong>lt es sich hierbei um eine<br />

schwerwiegen<strong>de</strong> Verfehlung gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Gemeinschaft. Der Gläubige steht<br />

daher ohne je<strong>de</strong> Alternative vor <strong>de</strong>m „Alles-o<strong><strong>de</strong>r</strong>-nichts-Prinzip“, d.h. <strong>de</strong>m Ausschluß von<br />

allen Gna<strong>de</strong>nmitteln einerseits o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Zahlen <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits.<br />

1327 HdbStKirchR/Robbers, För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen durch <strong>de</strong>n Staat, Erster Bd., § 31, S. 867 ff.,<br />

887, weist zwar zutreffend da<strong>ra</strong>uf hin, daß eine privatrechtliche Konstruktion <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>beiträge<br />

<strong>de</strong>n Zwang lediglich verlagert. In diesem Falle könnten die Verpflichtungen<br />

jedoch ohne weiteres als Natu<strong>ra</strong>lobligation ausgestaltet wer<strong>de</strong>n, was ihnen <strong>de</strong>n<br />

Zwangscha<strong>ra</strong>kter nähme, wie dies bei <strong>de</strong>n Beit<strong>ra</strong>gsverpflichtungen innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> englischen<br />

Kirche („voluntary – but due“), vgl. Marré, Die Systeme <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenfinanzierung in<br />

Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> und in <strong>de</strong>n USA, ZevKR 42 (1997), S. 338 ff., 346, o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>de</strong>n „nur mo<strong>ra</strong>lisch verpflichten<strong>de</strong>n“ Beit<strong>ra</strong>gssystemen in F<strong>ra</strong>nkreich o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist, vgl. Rüfner, Fn. 448, S. 486.<br />

1328 Vgl. nur 2. Kor. 9, 7; hierzu sehr ausführlich und zu Recht die Freiwilligkeit betonend:<br />

Hübner, Die alte Kirche und das Geld, in: Fahr (Hrsg.), Fn. 118, S. 9 ff., 14, 21, 30 f.<br />

Geldsammlungen sind übrigens nach urchristlichem Verständnis für eine Kirche nicht<br />

unschicklich, vgl. 1. Kor. 16, 1 ff.; ebenso P<strong>ra</strong>ntl, Fn. 118, S. 89; a.A. ist wohl Marx,<br />

Fn. 1322, S. 6.<br />

1329 In BVerfGE 49, S. 126 f.; 83, S. 142 ff., 152, gelangt das BVerfG vom Gesetzesvorbehalt<br />

(Art. 20 Abs. 3 GG) zur „Wesentlichkeitstheorie“ und damit zum Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis eines Parlamentsvorbehalts<br />

bei intensiven Grundrechtseingriffen, vgl. statt vieler nur Seifert/Hömig/<br />

Dellmann, GG, vor Art. 70, Rdnr. 3.<br />

1330 Vgl. BVerfGE 19, S. 206 ff., 217; Listl, <strong>Das</strong> kirchliche Besteuerungsrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> neueren<br />

Rechtsprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, in: Isensee/Rüfner/Rees<br />

(Hrsg.), Fn. 112, S. 733; Starck, Fn. 448, S. 1427.<br />

1331 So schon Barion, Die religionsrechtliche Problematik <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirchensteuer,<br />

DÖV 1968, S. 532 ff., 536 f.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Die religionsrechtliche Problematik <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen<br />

Kirchensteuer – Erste Bilanz, DÖV 1971, S. 31 ff., 32.


333<br />

Auch wenn eine Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Einnahmesystems insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e für die <strong>de</strong>utschen Großkirchen<br />

viele Annehmlichkeiten und Selbstverständlichkeiten vergangener Jahrzehnte entzöge, 1332<br />

weil hierdurch zumin<strong>de</strong>st kurzfristig ein weiterer Rückgang kirchlicher Einnahmen zu<br />

erwarten wäre, 1333 muß angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>zeitigen Überlegungen einer Reform <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt mit<br />

<strong>de</strong>m Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhöhung kirchlicher Einnahmen auch darüber nachgedacht wer<strong>de</strong>n, ob die KiSt,<br />

die in <strong>de</strong>n meisten Mitgliedstaaten unbekannt ist, um je<strong>de</strong>n Preis beibehalten wer<strong>de</strong>n<br />

sollte. 1334 Allerdings müßten <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Überlegungen in erster Linie durch die Kirchen selbst<br />

erfolgen, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat das bestehen<strong>de</strong> Kirchensteuerrecht in Deutschland zwar än<strong><strong>de</strong>r</strong>n kann, <strong>im</strong><br />

Grundsatz aber an Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV gebun<strong>de</strong>n ist. 1335<br />

<strong>Das</strong> sog.<br />

1332<br />

Schon aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> jetzigen Steue<strong>ra</strong>usfälle <strong>de</strong>nkt nicht nur die Bayerische Evangelisch-<br />

Lutherische Lan<strong>de</strong>skirche über Einsparungsmöglichkeiten durch Lohnverzicht und „sozialverträglichen<br />

Personalabbau“ nach, vgl. Glees, SZ Nr. 53 vom 5.3.1997, S. 51; vgl. zu<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>en Finanzsituation auch Böttcher, Fn. 1200, S. 92 ff.; Meier, Kirchliche Aufgaben und<br />

ihre Finanzierung, in: Fahr (Hrsg.), Fn. 118, S. 110 ff.<br />

Not kann aber auch erfin<strong><strong>de</strong>r</strong>isch machen: Ein verstärkter Einsatz von Teilzeitkräften sowie<br />

die Ausweitung <strong>de</strong>s Einsatzes Ehrenamtlicher, wie er in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten und<br />

Religionsgemeinschaften schon lange p<strong>ra</strong>ktiziert wird, könnte durchaus auch positive<br />

Folgen für die <strong>de</strong>utschen Großkirchen haben, wobei <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikan – mißbilligt durch die<br />

Deutsche Bischofskonferenz – aufgrund eines mit beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Autorität versehenen Schreibens<br />

zu <strong>de</strong>n Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Laien-Mitarbeit innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche in dieser Richtung nur wenig<br />

Spiel<strong>ra</strong>um beläßt, vgl. SZ Nr. 262 vom 14.11.1997, S. 8.<br />

1333<br />

Dies ist wohl das eigentliche Argument <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfechter <strong><strong>de</strong>r</strong> Beibehaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt, auch<br />

wenn es selten unverblümt be<strong>im</strong> Namen genannt wird, wohl aber bei Kleindienst/Bin<strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />

<strong>Das</strong> Finanzwesen <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>,<br />

BayVBl. 1999, S. 197 ff., 207; Marx, Fn. 1322, S. 5.<br />

1334<br />

Ebenso z.B. Henkel, in: Deutsche Sektion <strong><strong>de</strong>r</strong> Internationalen Juristen-Kommission (Hrsg.),<br />

Religionsfreiheit, Hei<strong>de</strong>lberg 1996, S. 103. Persönlich bezweifle ich die Richtigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Aussage Robbers, Fn. 1327, S. 889, wonach eine infolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Abschaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt ärmere<br />

Kirche „eine Kirche <strong><strong>de</strong>r</strong> wenigen und eine Kirche für wenige“ sei. Berichte aus sog.<br />

„Erweckungsgebieten“ (z.B. in Südamerika) sprechen eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Sp<strong>ra</strong>che.<br />

1335<br />

Seifert/Hömig/Bergmann, GG, Art. 140, Rdnr. 13; BVerfGE 19, S. 206 ff., 218. Zwar<br />

könnten Bun<strong>de</strong>stag und Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>t die Kirchensteuer theoretisch durch eine verfassungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong><br />

Mehrheit i.S.d. Art. 79 Abs. 2 GG abschaffen, die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />

wäre jedoch gemäß Art. 123 Abs. 2 GG bis zu einer Beendigung <strong>de</strong>s Reichskonkordats an<br />

<strong>de</strong>ssen Best<strong>im</strong>mungen in Art. 2 Abs. 1 S. 1 und Art. 13 (Schlußprotokoll) gebun<strong>de</strong>n, vgl.<br />

Kleindienst/Bin<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 1333, S. 203. <strong>Das</strong> Reichskonkordat geht <strong>de</strong>m EG-Recht auch nach<br />

Art. 307 (ex-Art. 234) EGV grds. vor; bei Unvereinbarkeit mit <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht<br />

bestün<strong>de</strong> aber die Verpflichtung zu <strong>de</strong>ssen Anpassung bzw. Kündigung, vgl. I.I.2.a).


334<br />

Lohnabzugsverfahren 1336 fin<strong>de</strong>t sich dagegen in dieser Vorschrift nicht; vielmehr war <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Staat <strong><strong>de</strong>r</strong> We<strong>im</strong>arer Republik lediglich verpflichtet, <strong>de</strong>n Kirchen die heutzutage nicht mehr<br />

existenten bürgerlichen Steuerlisten zur Verfügung zu stellen. 1337<br />

2. In an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten 1338<br />

Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU bestehen<br />

z.T. g<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong> Unterschie<strong>de</strong>:<br />

In Belgien wer<strong>de</strong>n Gehälter und Pensionen von Geistlichen und Laien anerkannter<br />

Religionsgemeinschaften gemäß Art. 181 Belg.Verf. – seit 1993 sogar diejenigen <strong><strong>de</strong>r</strong> gesetzlich<br />

anerkannten nicht-konfessionellen Weltanschauungen – vom Staat get<strong>ra</strong>gen, was die<br />

religiös-weltanschauliche Neut<strong>ra</strong>lität <strong>de</strong>s belgischen Staates beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong>de</strong>utlich hervorhebt.<br />

Außer<strong>de</strong>m beteiligt sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Belgische Staat überwiegend an <strong>de</strong>n Kosten <strong><strong>de</strong>r</strong> theologischen<br />

Fakultäten. Aufgrund dieser aus Steuermitteln gewährten staatlichen „Finanzspritze“ ist das<br />

Spen<strong>de</strong>nverhalten <strong><strong>de</strong>r</strong> belgischen Bevölkerung verständlicherweise nicht übermäßig<br />

ausgeprägt. 1339<br />

In Dänemark kann gemäß Art. 68 Dän.Verf. nur <strong><strong>de</strong>r</strong>jenige zu kirchlichen Verpflichtungen<br />

einer Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n, wenn er dieser zugehört.<br />

Hauptfinanzierungsquelle ist die Kirchensteuer 1340<br />

, welche von allen Steuerpflichtigen zu<br />

entrichten ist. Daneben wer<strong>de</strong>n staatliche Zuschüsse zu Gehältern und Pensionen von<br />

1336<br />

Vgl. hierzu v. Campenhausen, Fn. 74, S. 267.<br />

1337<br />

So auch P<strong>ra</strong>ntl, Fn. 118, S. 89; Robbers, Fn. 177, S. 73; Starck, Fn. 448, S. 1428.<br />

1338<br />

Vgl. hierzu Marré, Fn. 1327, ZevKR 42 (1997), S. 338 ff.; Petersen, Die Finanzierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchen in Europa – insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e in Italien und Spanien, KuR 140, S. 33 ff.; sehr ausführlich<br />

– wenn auch mittlerweile etwas ve<strong>ra</strong>ltet – P<strong>ra</strong><strong>de</strong>l, Kirche ohne Kirchenbeit<strong>ra</strong>g –<br />

Mittel und Metho<strong>de</strong>n kirchlicher Finanzierung. Dokumentation aus 75 Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Wien –<br />

München 1981; speziell zur Finanzierung kirchlichen Unterrichtswesens: Università <strong>de</strong>gli<br />

studi di Milano (Hrsg.), Stati e confessioni religiose in Europa – mo<strong>de</strong>lli di finanziamento<br />

pubblico – scuola e fattore religioso/Church and state in Europe – state financial support –<br />

religion and the school, Milano 1992.<br />

1339<br />

Vgl. Torfs, Fn. 195, S. 32 f.<br />

1340<br />

Diese ist jedoch in <strong>de</strong>n Kommunalsteuern enthalten und wird nicht eigens als Kirchensteuer<br />

ausgewiesen, vgl. Petersen, Fn. 1315, S. 79.


335<br />

Geistlichen <strong><strong>de</strong>r</strong> dänischen Volkskirchen bzw. zur Restaurierung von <strong><strong>de</strong>r</strong>en Kirchengebäu<strong>de</strong>n<br />

gewährt; an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Bekenntnisse erhalten grds. keine staatlichen Zuschüsse. 1341<br />

In Finnland sind sowohl die Evangelisch-Lutherische als auch die Orthodoxe Kirche zur<br />

Erhebung von Kirchensteuern berechtigt. Eine Kirchensteuerpflicht besteht für natürliche wie<br />

juristische Personen gleichermaßen. 1342<br />

In F<strong>ra</strong>nkreich wer<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Vergleich zu Deutschland nur wenige kirchliche Einrichtungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Wohlfahrtspflege, wie z.B. K<strong>ra</strong>nkenhäuser o<strong><strong>de</strong>r</strong> Altenhe<strong>im</strong>e, unterhalten, weil die Finanzierung<br />

mangels einer staatlichen Finanzierung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuer überwiegend aus privaten<br />

Mitteln, d.h. über Schenkungen, Stiftungen und vor allem durch Kollekten erfolgen muß. 1343<br />

Ca. 25 % <strong>de</strong>s Finanzbedarfs wird über <strong>de</strong>n <strong>de</strong>nier <strong>de</strong> culte ge<strong>de</strong>ckt, einen freiwilligen Beit<strong>ra</strong>g<br />

zum Unterhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Priester und Laien in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche, <strong><strong>de</strong>r</strong> jährlich einmal erhoben wird und z.T.<br />

von <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuer abgesetzt wer<strong>de</strong>n kann. 1344 Auch Schulgeistliche müssen hiervon bezahlt<br />

wer<strong>de</strong>n, da diese ebenfalls keinen finanziellen Unterhalt vom Staat erhalten. 1345 Indirekte<br />

staatliche Hilfen gibt es nur für Anstaltsgeistliche, für <strong>de</strong>n Unterhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen<br />

Kirchengebäu<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Diözesanvereine sowie durch die Zuerkennung einer steuerlichen<br />

Gemeinnützigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kult- und Diözesanvereine. 1346<br />

Son<strong><strong>de</strong>r</strong>best<strong>im</strong>mungen gelten jedoch für<br />

die östlichen Départements: Hier wer<strong>de</strong>n katholische Geistliche aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Weitergeltung<br />

<strong>de</strong>s Napoleonischen Konkordats nach wie vor vom Staat besol<strong>de</strong>t.<br />

In Griechenland existiert keine Kirchensteuer; vielmehr muß je<strong>de</strong> Religionsgemeinschaft –<br />

mit Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Griechisch-Orthodoxen Kirche – ihre Ausgaben durch Spen<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> durch<br />

Einkünfte aus Grundbesitz selbst <strong>de</strong>cken. Die Finanzen <strong><strong>de</strong>r</strong> vorherrschen<strong>de</strong>n Kirche wer<strong>de</strong>n<br />

dagegen fast gänzlich vom Staat übernommen durch Subventionen, Besoldung und<br />

Pensionszahlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Geistlichen sowie Steuerbefreiungen. 1347<br />

In Irland legt Art. 44 Abs. 2 Ziff. 2 Irl.Verf. fest, daß keiner Religionsgemeinschaft eine<br />

finanzielle Unterstützung gewährt wer<strong>de</strong>n darf. Aus diesem Grun<strong>de</strong> müssen Kirchen und<br />

religiöse Gruppen die finanziellen Mittel für die Errichtung und <strong>de</strong>n Unterhalt von<br />

Gotteshäusern ebenso wie für die Bezahlung von Pastoren eigenhändig aufbringen. Lediglich<br />

eine staatliche Unterstützung an kirchliche Privatschulen wird nicht ausgeschlossen, wobei<br />

1341 Dübeck, Fn. 133, S. 56.<br />

1342 Einzelheiten bei Heikkilä/Knuutila/Scheinin, Fn. 147, S. 314.<br />

1343 Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 139 f., 149.<br />

1344 Vgl. Puza, Fn. 1315, S. 183 f.<br />

1345 Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 143.<br />

1346 Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 149 f.<br />

1347 Papastathis, Fn. 141, S. 92 f.


336<br />

diese allerdings nach Art. 44 Abs. 2 Ziff. 4 Irl. Verf. nicht hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Leitung durch<br />

verschie<strong>de</strong>ne Religionsbekenntnisse differenzieren darf. Immerhin wer<strong>de</strong>n Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften von <strong><strong>de</strong>r</strong> Schenkungs- und Erbschaftsteuer befreit. 1348<br />

In Italien trägt <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat die finanziellen Lasten, die durch die Unterrichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen<br />

Religionslehre in Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten, Grundschulen und höheren Schulen entstehen. Aufwendungen<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Religionsgemeinschaften wer<strong>de</strong>n dagegen nicht get<strong>ra</strong>gen, selbst wenn diese staatliche<br />

Anerkennung gefun<strong>de</strong>n haben. 1349 Im übrigen genießen die anerkannten kirchlichen<br />

Körperschaften steuerliche Vergünstigungen; auch sind Spen<strong>de</strong>n an diese steuerlich absetzbar.<br />

1350<br />

Erwähnung fin<strong>de</strong>n soll an dieser Stelle etwas ausführlicher die seit <strong>de</strong>m 1. Januar 1990 in<br />

Italien – teilweise gegen <strong>de</strong>n Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Bischöfe – eingeführte Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit,<br />

welche die am 31. Dezember 1986 weggefallene staatliche Zahlung <strong><strong>de</strong>r</strong> congrua an die<br />

Geistlichen partiell kompensieren sollte. Je<strong><strong>de</strong>r</strong> italienische Steuerpflichtige – unabhängig von<br />

seiner Kirchenzugehörigkeit – kann bei <strong><strong>de</strong>r</strong> jährlichen Einkommensteuererklärung durch<br />

Ankreuzen eines mehrerer Kästchen wählen, wem er 0,8 % <strong><strong>de</strong>r</strong> von ihm zu entrichten<strong>de</strong>n<br />

Einkommensteuer (IRPEF) zukommen lassen will. 1351 So kann er diese alternativ <strong>de</strong>m<br />

Italienischen Staat für außeror<strong>de</strong>ntliche Maßnahmen gegen <strong>de</strong>n Hunger in <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

gegen Naturkatastrophen bzw. zur Flüchtlingshilfe o<strong><strong>de</strong>r</strong> zur Erhaltung von Kulturgütern<br />

zukommen lassen. Er hat aber auch die Möglichkeit, die sog. otto per mille <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Röm.-Kath. Kirche für gottesdienstliche Zwecke, <strong>de</strong>n Unterhalt <strong>de</strong>s Klerus o<strong><strong>de</strong>r</strong> für <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

karitative Maßnahmen bzw. einer <strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen sechs Konfessionen zuzuwen<strong>de</strong>n, die vom<br />

Italienischen Staat als kirchliche Körperschaft anerkannt sind. 1352<br />

Soweit vom Steuer-<br />

pflichtigen keine Wahl getroffen wur<strong>de</strong>, wird <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong> Anteil an <strong><strong>de</strong>r</strong> IRPEF<br />

proportional auf die verschie<strong>de</strong>nen Empfänger nach <strong>de</strong>m Prozentsatz <strong><strong>de</strong>r</strong>er, die eine Wahl<br />

1348<br />

Vgl. Casey, Fn. 166, S. 177.<br />

1349<br />

Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 195 f.<br />

1350<br />

Vgl. <strong>im</strong> einzelnen Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 201 f.<br />

1351<br />

Hierzu kam es durch <strong>de</strong>n <strong>ra</strong>tifizierten konkordatsähnlichen Zusatzvert<strong>ra</strong>g vom 15.11.1984,<br />

vgl. zu <strong>de</strong>n Einzelheiten: Puza, Fn. 1315, S. 189 f.<br />

1352<br />

Vgl. hierzu die prozentualen Aufteilungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahre 1990 – 1993 bei Petersen, Fn. 1338,<br />

S. 40 f. Diese zeigt, daß die Steuerpflichtigen durch ihre Wahl inzwischen weniger <strong>de</strong>n<br />

Staat (1993: 17,7 %) als vielmehr die Religionsgemeinschaften (Röm.-Kath. Kirche:<br />

79,8 %; Adventisten: 2,0 %; Pfingstler: 0,5 %) unterstützen, wobei sich die t<strong>ra</strong>nsparente<br />

Rechnungslegung positiv auf die Mitve<strong>ra</strong>ntwortung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> auswirkt, vgl.<br />

Petersen, a.a.O., S. 41; sowie Puza, Fn. 1315, S. 191.


337<br />

getroffen haben, aufgeteilt. 1353 Darüber hinaus existiert durch die offerta <strong>de</strong>ducibile die<br />

Möglichkeit, freiwillige persönliche und konkrete Beträge an die Kirchen zu leisten, die<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um bis zu einem best<strong>im</strong>mten Bet<strong>ra</strong>g steuerlich absetzbar sind. 1354<br />

In Luxemburg wer<strong>de</strong>n die kirchlichen Amtsträger (Bischöfe, Priester und Laien) aller staatlich<br />

anerkannten Religionsgemeinschaften aufgrund Art. 106 Lux.Verf. ebenso wie in Belgien<br />

durch <strong>de</strong>n Luxemburgischen Staat unterhalten. 1355<br />

In <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n finanzieren sich die Röm.-Kath. und Evangelische Kirche zu 70 % aus<br />

freiwilligen Spen<strong>de</strong>n und Kollekten, welche die einzelnen Kirchengemein<strong>de</strong>n erhalten, z.T.<br />

aber an die Gesamtkirche weiterleiten. Seit 1981 wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n die Besoldung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Geistlichen, die Pensionen, Studiengel<strong><strong>de</strong>r</strong> und Verwaltungskosten nicht mehr vom<br />

Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen Staat übernommen, da diese Staatsleistungen (<strong>de</strong> on<strong><strong>de</strong>r</strong>schei<strong>de</strong>n<br />

kerkgenootschappen) seit diesem Zeitpunkt durch eine Einmalzahlung in Höhe von 250 Mio.<br />

Gul<strong>de</strong>n an die berechtigten Kirchen abgegolten wur<strong>de</strong>n. 1356 Der Staat unterstützt finanziell<br />

jedoch nach wie vor karitative Einrichtungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen ebenso wie konfessionelle<br />

Schulen. 1357<br />

In Österreich können Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>garten und Privatschulen in kirchlicher Trägerschaft finanziell<br />

geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n. 1358 Außer<strong>de</strong>m leistet die Republik Österreich aufgrund vert<strong>ra</strong>glicher<br />

Vereinbarungen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis <strong>de</strong>s Art. 26 <strong>de</strong>s Staatsvert<strong>ra</strong>gs von 1955 an einige Religionsgemeinschaften<br />

zur Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gutmachung finanzieller Schä<strong>de</strong>n während <strong><strong>de</strong>r</strong> NS-Zeit in nicht<br />

unbeträchtlicher Höhe Entschädigungsleistungen und för<strong><strong>de</strong>r</strong>t überdies die Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften durch Steuerbegünstigungen. 1359<br />

Schließlich sind die Römisch-<br />

Katholische, Altkatholische und Evangelische Kirche aufgrund <strong>de</strong>s nationalsozialistischen<br />

Kirchenbeit<strong>ra</strong>gsgesetzes vom 1. Mai 1939 – dieses war von seiner Zielrichtung her zur<br />

Zerschlagung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen gedacht, bewirkte in <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis jedoch eher das Gegenteil – zur<br />

Erhebung von Kirchenbeiträgen ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> berechtigt, wobei die aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

1353<br />

Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 200. Die Baptistengemein<strong>de</strong>n haben ebenso wie die jüdischen Gemein<strong>de</strong>n<br />

auf die Zuwendungsmöglichkeit verzichtet; die vier übrigen anerkannten Bekenntnisse<br />

verwen<strong>de</strong>n diese Einkünfte ausschließlich für soziale und humanitäre Maßnahmen, da sie<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung sind, die Finanzierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche und ihrer Geistlichen müsse allein durch<br />

freiwillige Spen<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gläubigen sichergestellt wer<strong>de</strong>n, vgl. Fer<strong>ra</strong>ri, a.a.O., S. 201.<br />

1354<br />

Vgl. Puza, Fn. 215, S. 69 f.<br />

1355<br />

Vgl. Pauly, Fn. 199, S. 225.<br />

1356<br />

Vgl. zu <strong>de</strong>n Einzelheiten Walf, Fn. 170, S. 96 f.<br />

1357<br />

Vgl. Petersen, Fn. 1315, S. 81; Walf, Fn. 170, S. 97.<br />

1358<br />

Vgl. Potz, Fn. 206, S. 264 f.<br />

1359<br />

Potz, Fn. 206, S. 273 ff.


338<br />

Beit<strong>ra</strong>gsanordnung nicht geleisteten Beit<strong>ra</strong>gsrückstän<strong>de</strong> grds. auf <strong>de</strong>m Zivilrechtsweg geltend<br />

gemacht wer<strong>de</strong>n können. 1360<br />

Hiernach wer<strong>de</strong>n 1,15 % <strong>de</strong>s zu versteuern<strong>de</strong>n Einkommens<br />

direkt von <strong>de</strong>n Diözesen eingezogen. Zwar ist insofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltungsaufwand höher als<br />

be<strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Kirchensteuersystem; <strong>im</strong> Unterschied zu letzterem entsteht hierdurch aber<br />

keine Kollision mit <strong>de</strong>n religiösen Freiheitsrechten An<strong><strong>de</strong>r</strong>sgläubiger.<br />

In Portugal muß sich die Kirche neben einem Spen<strong>de</strong>n- und Kollektensystem <strong>im</strong> wesentlichen<br />

aus <strong>de</strong>n Erträgen kircheneigener Besitzungen finanzieren, da hier kein System öffentlicher<br />

Subventionierung von Religionsgemeinschaften besteht; allerdings gehört <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath.<br />

Kirche in Portugal rund 20 % <strong><strong>de</strong>r</strong> landwirtschaftlich genutzten Fläche. 1361 Im übrigen<br />

profitiert diese – <strong>im</strong> Gegensatz zu allen übrigen Kirchen und Religionsgemeinschaften – von<br />

großzügigen Steuerbefreiungen. 1362<br />

In Schwe<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> seit <strong>de</strong>m 1. Januar 2000 die bisher bestehen<strong>de</strong> Gemein<strong>de</strong>kirchensteuer 1363<br />

durch einen Kirchenbeit<strong>ra</strong>g ersetzt, <strong><strong>de</strong>r</strong> jedoch, ähnlich wie die <strong>de</strong>utsche KiSt, über das<br />

allgemeine Steuersystem erhoben wird. Diese Möglichkeit wird an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Konfessionen<br />

ebenfalls eröffnet. 1364<br />

In Spanien 1365 wur<strong>de</strong> zur Ablösung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatszuwendungen, welche zur Entschädigung <strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> 2. Hälfte <strong>de</strong>s 19 Jh. statthaben<strong>de</strong>n Säkularisationen gezahlt wur<strong>de</strong>n, am 3. Januar 1979 ein<br />

Vert<strong>ra</strong>g zwischen <strong>de</strong>m Hl. Stuhl und <strong><strong>de</strong>r</strong> spanischen Regierung geschlossen, <strong><strong>de</strong>r</strong> ein<br />

dreiphasiges Kirchenfinanzierungsmo<strong>de</strong>ll vorsieht: In <strong><strong>de</strong>r</strong> 1. Phase sollte die Röm.-Kath.<br />

Kirche noch gänzlich durch <strong>de</strong>n spanischen Staat finanziert wer<strong>de</strong>n. Die zweite Phase, in die<br />

1988 eingetreten wur<strong>de</strong>, geht vom Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Doppelfinanzierung aus. Konkret heißt das, daß<br />

zunächst <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuerpflichtige wie i.R.d. italienischen Kultussteuer eine Zweckbest<strong>im</strong>mung<br />

darüber trifft, ob 0,5239 % seiner Einkommensteuer <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber<br />

sonstigen sozialen Zwecken zugeführt wer<strong>de</strong>n soll. Problematisch hierbei ist, daß diese<br />

gebun<strong>de</strong>ne Einkommensteuer – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als be<strong>im</strong> italienischen Mo<strong>de</strong>ll <strong><strong>de</strong>r</strong> otto per mille – nur<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche, nicht aber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften zugeführt wer<strong>de</strong>n<br />

Wird von <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen keine Wahl über die Verwendung <strong>de</strong>s<br />

darf. 1366<br />

1360<br />

Potz, Fn. 206, S. 274.<br />

1361<br />

Vgl. Petersen, Fn. 1315, S. 79.<br />

1362<br />

Vgl. Canas, Fn. 202, S. 297.<br />

1363<br />

Ärmere Kirchengemein<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n hierbei über Ausgleichszuschüsse kirchengemeindlicher<br />

Kirchenfinanzierungsfonds unterstützt, vgl. Schött, Fn. 149, S. 328.<br />

1364<br />

Schött, Fn. 149, S. 325 f.<br />

1365<br />

Vgl. hierzu Ibán, Fn. 220, S. 117 ff.; Petersen, Fn. 1338, S. 42 ff.<br />

1366<br />

Die EKMR, BNr. 17522/90, E. v. 10.1.1992, DR 72, S. 256 ff., hat in<strong>de</strong>s in einem<br />

vergleichbaren Fall eine Diskr<strong>im</strong>inierung aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion hinsichtlich einer auf


339<br />

Son<strong><strong>de</strong>r</strong>bet<strong>ra</strong>ges getroffen, so wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Bet<strong>ra</strong>g nicht etwa wie in Italien proportional aufgeteilt,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist vom Staat für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e soziale Zwecke zu verwen<strong>de</strong>n. Darüber hinaus erhält die<br />

katholische Kirche <strong>de</strong>n nicht durch die Kultussteuer abge<strong>de</strong>ckten Finanzbedarf direkt aus<br />

staatlichen Haushaltsmitteln. 1367 Eine dritte Phase sieht eigentlich <strong>de</strong>n Wegfall <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Staatsleistungen vor, wobei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Einkommensteuer<br />

zugewen<strong>de</strong>te Prozentsatz pa<strong>ra</strong>llel zum italienischen Mo<strong>de</strong>ll auf min<strong>de</strong>stens 0,8 % erhöht<br />

wer<strong>de</strong>n müßte, um <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche ausreichen<strong>de</strong> Einnahmen zu sichern. Erwähnt sei<br />

noch, daß die Spanische Regierung überdies Lehrer an konfessionellen Schulen sowie<br />

Anstaltsgeistliche unterstützt; dies gilt jedoch nur für die katholische Kirche 1368<br />

Im Vereinigten Königreich dagegen genießen Kirchen zwar einige Steuerbefreiungen, jedoch<br />

existieren keine Zahlungen <strong>de</strong>s Staates für die Gehälter und Pensionen <strong>de</strong>s Klerus o<strong><strong>de</strong>r</strong> für die<br />

Betriebskosten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen. Lediglich zur Erhaltung historischer Gebäu<strong>de</strong> vergibt <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat<br />

Zuschüsse. 1369<br />

Die Ausgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen wer<strong>de</strong>n daher zu über 90 % durch Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />

beiträge sowie durch eigenes Vermögen ge<strong>de</strong>ckt, das allerdings nicht unerheblich ist, da –<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als in vielen europäischen Mitgliedstaaten – <strong>im</strong> Vereinigten Königreich keine<br />

Säkularisationen stattfan<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>n ehemaligen kommunistischen Staaten Osteuropas, die als Beitrittskandidaten vor <strong>de</strong>n<br />

Toren <strong><strong>de</strong>r</strong> EU stehen, ist eine Selbstfinanzierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen ge<strong>ra</strong><strong>de</strong>zu selbstverständlich. So<br />

will <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>ger Kardinal Miroslav Vlk die Finanzierung <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche unabhängig<br />

vom Tschechischen Staat sichern, da diese in <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistischen Unterdrückung auch ohne<br />

viel Geld überlebt habe. 1370 Vlks Position könnte insofern auch für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Kirchen Europas<br />

wegweisend sein, als ihm als Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s CCEE 1371 eine nicht unerhebliche Vorbildfunktion<br />

zukommt. Auch in Polen und Ungarn finanziert sich die katholische Kirche durch freiwillige<br />

Beiträge und Spen<strong>de</strong>n und erhält keine Unterstützung von Seiten <strong>de</strong>s Staates, 1372 sieht man<br />

von <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultussteuer in Ungarn einmal ab. 1373<br />

ein Konkordat zurückzuführen<strong>de</strong>n steuerlichen Son<strong><strong>de</strong>r</strong>behandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche<br />

in Spanien abgelehnt, vgl. Frowein/Peukert, Fn. 679, Art. 14, Rdnr. 43.<br />

1367<br />

Vgl. Petersen, Fn. 1315, S. 80.<br />

1368<br />

Einzelheiten bei Ibán, Fn. 220, S. 118 f.<br />

1369<br />

McClean, Fn. 136, S. 347 f.<br />

1370<br />

Riedlaicher, PNP Nr. 260 vom 11.11.1996, S. 3.<br />

1371<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen B.III.1.c).<br />

1372<br />

Vgl. Orszulik, Fn. 753, S. 103, Leitsatz 4; Erdö, Fn. 753, S. 149, LS 4.<br />

1373<br />

S. hierzu sogleich unten Fn. 1382.


340<br />

3. Ergebnis und Folgerung<br />

Es kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, daß die Kirchenfinanzierung auf <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Ebene<br />

in stark differieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise geregelt ist. <strong>Das</strong> Kirchensteuersystem stellt dabei nur eine von<br />

etwa sechs bis sieben verschie<strong>de</strong>nen Möglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenfinanzierung dar, die in <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten häufig miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> kombiniert wer<strong>de</strong>n. 1374<br />

<strong>Das</strong> ursprünglichste, auf Gemein<strong>de</strong>beträgen und Spen<strong>de</strong>n beruhen<strong>de</strong> christliche<br />

Kirchenfinanzierungssystem, ist heute nicht etwa überholt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wird beispielsweise in <strong>de</strong>n<br />

Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n und Irland, in F<strong>ra</strong>nkreich, in <strong>de</strong>n bisher kommunistisch beherrschten Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

Mittel- und Osteuropas, z.T. in Großbritannien und Portugal, aber auch in Freikirchen und<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen sowie überwiegend in <strong>de</strong>n USA p<strong>ra</strong>ktiziert. 1375 Eine<br />

Kirchenfinanzierung aus Gebühren hatte bislang in <strong>de</strong>n lutherischen Staatskirchen<br />

Skandinaviens einige Be<strong>de</strong>utung, da Pfarreien zugleich als unterste staatliche<br />

Verwaltungsbehör<strong>de</strong> fungierten und als solche Verwaltungsakte vornehmen konnten. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

zunehmen<strong>de</strong>n Trennung von Staat und Kirche ist diese Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenfinanzierung i.R.d.<br />

EU ebensowenig repräsentativ wie eine staatliche Al<strong>im</strong>entation <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche, wie sie z.B.<br />

Dänemark und Griechenland als Mitgliedstaaten mit echtem Staatskirchentum kennen. Die<br />

Entstehung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU aus einer Wirtschaftsgemeinschaft he<strong>ra</strong>us zeigt <strong>de</strong>utlich auf, daß eher <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Trennungs-, als <strong><strong>de</strong>r</strong> Inkorpo<strong>ra</strong>tionsvariante auf Gemeinschaftsebene die Zukunft gehört.<br />

Daneben ist die Kirchenfinanzierung durch eigenes Vermögen zu erwähnen. Dieser kommt<br />

zwar künftig eine gewisse Be<strong>de</strong>utung zu, sofern die einzelnen Religionsgemeinschaften einen<br />

beträchtlichen Vermögensstamm (Grundbesitz etc.) besitzen, was in Anbet<strong>ra</strong>cht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Säkularisationen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit zumeist nicht mehr <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist. 1376<br />

Daher wird diese<br />

1374<br />

Vgl. hierzu Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len, Die unterschiedlichen Systeme <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenfinanzierung in Europa, in:<br />

Fahr (Hrsg.), Fn. 118, S. 36 ff.<br />

1375<br />

Vgl. Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len, Fn. 1374, S. 39 ff. Dabei haftet <strong>de</strong>m Spen<strong>de</strong>n- und Kollektensystem nicht<br />

system<strong>im</strong>manent als wesentlicher Nachteil an, daß viele Geber pr<strong>im</strong>är die eigene Pfarrei<br />

unterstützen und somit ein Finanzgefälle zwischen finanzkräftigen und -armen Pfarreien<br />

bzw. eine Vernachlässigung überregionaler Aufgaben eintreten muß, so aber Kleindienst/<br />

Bin<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 1333, S. 201. Ohne weiteres könnte trotz <strong>de</strong>s Spen<strong>de</strong>nsystems ein Finanzausgleich<br />

zwischen <strong>de</strong>n Pfarreien o<strong><strong>de</strong>r</strong> Diözesen durchgeführt wer<strong>de</strong>n, wie dies in Schwe<strong>de</strong>n<br />

bislang mit guten Erfahrungen p<strong>ra</strong>ktiziert wird, vgl. Schött, Fn. 149, S. 328. Auch wäre<br />

<strong>de</strong>nkbar, daß fixe Beträge seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Kirchengemein<strong>de</strong>n zugunsten überregionaler<br />

Einrichtungen abgeführt wer<strong>de</strong>n, so z.B. bei vielen Freikirchen in Deutschland.<br />

1376<br />

So wäre das Kapitalvermögen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bayerischen Evangelisch-Lutherischen Lan<strong>de</strong>skirche in<br />

Höhe von ca. 245 Mio. DM bereits nach rund vier Monaten aufgeb<strong>ra</strong>ucht, wenn man allein<br />

hiervon die laufen<strong>de</strong>n Personalkosten abzu<strong>de</strong>cken hätte, vgl. Meier, Fn. 1332, S. 114.


341<br />

Finanzierungsform überwiegend ergänzen<strong>de</strong>n Cha<strong>ra</strong>kter haben. Eine sinnvolle<br />

Kirchenfinanzierung durch <strong>de</strong>n Staat kann bei <strong>de</strong>n res mixtae, <strong>de</strong>n gemeinsamen<br />

Angelegenheiten von Staat und Religionsgemeinschaft erfolgen, wie dies beispielsweise i.R.d.<br />

Finanzierung <strong>de</strong>s Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Militär- und<br />

Anstaltsseelsorge geschieht. Allerdings kann auch die staatliche Finanzierung nur eine<br />

ergänzen<strong>de</strong> sein, da auch für diejenigen (innerkirchlichen) Angelegenheiten, die keine<br />

gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche mehr darstellen, ebenfalls eine Finanzierung<br />

gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n muß.<br />

Damit bleibt – neben <strong>de</strong>m meinerseits favorisierten Mo<strong>de</strong>ll einer Kirchenfinanzierung durch<br />

freiwillige Gemein<strong>de</strong>beiträge und Spen<strong>de</strong>n 1377<br />

– als Mo<strong>de</strong>ll, das sich <strong>im</strong> Falle einer stärkeren<br />

Vergemeinschaftung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s auf Gemeinschaftsebene, wie auch i.R.d. faktischen<br />

Angleichung künftig in Europa etablieren könnte, nur die staatliche Besteuerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger<br />

zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften zu nennen.<br />

Hierbei muß unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n zwischen <strong>de</strong>m starren Kirchensteuersystem einerseits, wie<br />

es sich in Deutschland und in <strong>de</strong>n skandinavischen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n he<strong>ra</strong>usgebil<strong>de</strong>t hat – wobei das<br />

Kirchensteuersystem in Schwe<strong>de</strong>n allerdings <strong>de</strong>m eines Kirchenbeit<strong>ra</strong>gs angenähert ist 1378 –<br />

und <strong><strong>de</strong>r</strong> flexiblen Kultussteuer an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits, wie sie insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Spanien seit En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er<br />

bzw. Italien seit Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre kennen. 1379<br />

Die Kultussteuer ist gegenüber <strong>de</strong>m herkömmlichen Kirchensteuersystem insofern flexibler,<br />

als sie <strong>de</strong>m Bürger die Wahl beläßt, ob er einen best<strong>im</strong>mten Teil seiner Steuer einer<br />

anerkannten Kirche zuwen<strong>de</strong>n will o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber hiermit sonstige soziale o<strong><strong>de</strong>r</strong> kulturelle Zwecke<br />

för<strong><strong>de</strong>r</strong>n will, d.h. in gewisser Weise auch <strong>de</strong>m Freiwilligkeitsaspekt Rechnung trägt. Auch in<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>en europäischen Staaten, wie z.B. in Österreich 1380 , <strong><strong>de</strong>r</strong> Schweiz 1381 sowie Ungarn 1382<br />

1377<br />

Die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sbürger befürwortet schon seit langem die Abschaffung <strong>de</strong>s<br />

heutigen Kirchensteuersystems zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung eines Systems, bei <strong>de</strong>m sich die<br />

Kirchen durch freiwillige Zahlungen ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> finanzieren, vgl. SPIEGEL-Umf<strong>ra</strong>ge,<br />

in: DER SPIEGEL Nr. 25/1992, S. 36 ff., 57. Nach dieser Umf<strong>ra</strong>ge sp<strong>ra</strong>chen sich 1992<br />

64 % für freiwillige Zahlungen aus (ggü. 35 % <strong>im</strong> Jahre 1980). Heute wären die Zahlen<br />

sicherlich noch signifikanter.<br />

1378<br />

Vgl. v. Campenhausen, Fn. 74, S. 392.<br />

1379<br />

<strong>Das</strong> italienische Mo<strong>de</strong>ll hat <strong>im</strong> Vergleich zum spanischen <strong>de</strong>n entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Vorteil, die<br />

Parität <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen anerkannten Religionsgemeinschaften sicherzustellen. Im übrigen<br />

erscheint <strong><strong>de</strong>r</strong> spanische Prozentsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> für die Kirche best<strong>im</strong>mten Mehrwertsteuer allzu<br />

niedrig.<br />

1380<br />

Vgl. Potz, Fn. 206, S. 273, dort Fn. 45.<br />

1381<br />

Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>berger, Fn. 80, S. 298.


342<br />

und Polen 1383 bestehen Überlegungen einer Übernahme dieses fortschrittlichen Systems, das<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Selbstve<strong>ra</strong>ntwortung mündiger Bürger eher gerecht wird als eine starre, die Freiwilligkeit<br />

<strong>de</strong>s Gebens allenfalls sehr mittelbar berücksichtigen<strong>de</strong> Kirchensteuer. 1384<br />

Der große Vorteil <strong>de</strong>s KiSt-Systems, nicht von <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbun<strong>de</strong>nheit <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen<br />

Gemein<strong>de</strong>glie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche abhängig zu sein, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>n „Säumigen und Geizigen“<br />

gleichsam als Kirchenfinancier he<strong>ra</strong>nziehen zu können, 1385<br />

erweist <strong>de</strong>n KiSt erheben<strong>de</strong>n<br />

Großkirchen nur kurzfristig einen Freundschaftsdienst. Auch entbehrt das Argument, daß es<br />

1382 Inzwischen hat die Kultussteuer auch in <strong>de</strong>m Beitrittskandidaten Ungarn einen konkreten<br />

Nachahmer gefun<strong>de</strong>n, vgl. FAZ Nr. 140 vom 20.6.1997, S. 8. So kann nunmehr je<strong><strong>de</strong>r</strong> ungarische<br />

Steuerzahler 1 % <strong><strong>de</strong>r</strong> zu entrichten<strong>de</strong>n Einkommensteuer einer Religionsgemein-<br />

schaft o<strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinnützigen Organisation zuweisen.<br />

1383 Vgl. Puza, Fn. 1315, S. 194.<br />

1384 Es erscheint allzu weit hergeholt, KiSt erheben<strong>de</strong> Kirchen als „in einem tieferen Sinne<br />

Freiwilligkeitskirchen“ zu bezeichnen, da viele ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> – obwohl keine Kirchgänger<br />

– freiwillig das Band zur Kirche aufrechterhalten wür<strong>de</strong>n, so aber v. Campenhausen,<br />

Fn. 74, S. 281 f. Es ist bekanntermaßen nicht möglich, keine KiSt zu leisten und <strong>de</strong>nnoch<br />

Mitglied in einer <strong><strong>de</strong>r</strong> Volkskirchen zu bleiben; es han<strong>de</strong>lt sich hier um <strong>de</strong>n klassischen<br />

Anwendungsbereich kirchlich-hoheitlichen Verwaltungszwangs. Zu Recht betont daher<br />

Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len, Fn. 1374, S. 50: „In stärkerem Maße als <strong>im</strong> Falle <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuer können sich<br />

die von <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultussteuer profitieren<strong>de</strong>n Kirchen aber auf die Freiwilligkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuerzahler<br />

berufen, die zwar <strong><strong>de</strong>r</strong> Zahlung an sich nicht ausweichen können, die aber nicht aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirche austreten müssen, wenn sie ihre Zahlungen nicht Zwecken <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche zufließen<br />

lassen wollen.“<br />

1385 Dies ist ein be<strong>de</strong>nkenswertes Hauptargument bei Kirchhof, Fn. 1319, S. 55. Ebenso richtig<br />

ist, daß durch die Einbeziehung „geiziger“ Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Überst<strong>ra</strong>pazierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

finanziellen Leistungsk<strong>ra</strong>ft „gebewilliger“ Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n kann, vgl. Kirchhof,<br />

Fn. 1319, S. 63. Allerdings kann auf kirchliche, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e christliche Finanzen nicht<br />

ohne weiteres das in staatsrechtlicher Hinsicht unbe<strong>de</strong>nkliche Prinzip eines non olet ohne<br />

Rücksicht auf die Herkunft <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzquelle angewandt wer<strong>de</strong>n, vgl. Jesaja 1, 11 u. 17. Da<br />

eine „mit Unwillen o<strong><strong>de</strong>r</strong> aus Zwang“ dargeb<strong>ra</strong>chte Gabe nicht besser als gar keine ist (vgl.<br />

2. Kor. 9, 7), darf die höhere Ert<strong>ra</strong>gsk<strong>ra</strong>ft nicht alleiniger Maßstab für die Akzeptanz o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Nichtakzeptanz eines Kirchenfinanzierungssystems sein. Eine ärmere, aber konsequente<br />

Kirche wür<strong>de</strong> vermutlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Verkündigung Jesu besser entsprechen und auf die Mitmenschen<br />

überzeugen<strong><strong>de</strong>r</strong> wirken, vgl. Neuner, Thesen zum Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuer aus<br />

dogmatisch-ekklesiologischer Sicht, in: Fahr (Hrsg.), Fn. 118, S. 143 ff., 144, 150. Zugegebenermaßen<br />

könnte sie wohl auch nicht in <strong>de</strong>m Umfange die Aufgaben erfüllen, die eine<br />

Volkskirche erfüllt; es sei <strong>de</strong>nn, es gelänge ihr, in größerem Maße ehrenamtliche Mitarbeiter<br />

zu motivieren.


343<br />

sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultussteuer <strong>im</strong> Gegensatz zur KiSt eine „verkappte Staatsfinanzierung“ 1386<br />

han<strong>de</strong>le, insoweit seiner Grundlage, als ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> in Deutschland in großem Umfange<br />

Staatsleistungen direkt an die Großkirchen t<strong>ra</strong>nsferiert wer<strong>de</strong>n, während die Kultussteuer<br />

alleine von <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuerpflichtigen abhängig ist und ohne je<strong>de</strong> staatliche Beeinflußbarkeit<br />

<strong>de</strong>n Kirchen viel o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch nur wenig Finanzen zur Verfügung stellt. Langfristig muß<br />

– das haben nicht nur die Austrittswellen <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre 1387 und das österreichische<br />

Kirchenvolksbegehren gezeigt – eine innere I<strong>de</strong>ntifikation <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit ihren<br />

Kirchen stattfin<strong>de</strong>n; eine neue Anschubk<strong>ra</strong>ft könnte dabei generell die Aufnahme von<br />

„Elementen <strong><strong>de</strong>r</strong> dynamischeren Freiwilligkeitskirche“ in die „statischere Amtskirche“ sein. 1388<br />

Von einer Akzeptanz <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultussteuer in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung ist je<strong>de</strong>nfalls auszugehen, da die<br />

Wahlfreiheit <strong>de</strong>m heutigen plu<strong>ra</strong>listischen Gesellschaftstypus am nächsten kommt 1389 und die<br />

KiSt-Abführungspflicht als conditio sine qua non für eine verwaltungszwangfreie<br />

Kirchenmitgliedschaft nicht kennt. 1390 Aus diesem Grun<strong>de</strong> kann nur bedauert wer<strong>de</strong>n, daß die<br />

KiSt in <strong>de</strong>n neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n gegen <strong>de</strong>n Willen vieler Pfarrer eingeführt wur<strong>de</strong>, die bis<br />

zur Wen<strong>de</strong> auf ein funktionieren<strong>de</strong>s System freiwilliger Zahlungen zurückblicken konnten 1391<br />

und auch keine Möglichkeit zur Zahlung einer zweckgebun<strong>de</strong>nen KiSt an best<strong>im</strong>mte<br />

missionarische, karitative o<strong><strong>de</strong>r</strong> diakonische Werke in kirchlicher Trägerschaft besteht.<br />

Weil eine Kultussteuer überdies – wie eine Beit<strong>ra</strong>gserhebung österreichischen Zuschnitts auch<br />

– unnötige Konflikte mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit An<strong><strong>de</strong>r</strong>sgläubiger vermei<strong>de</strong>t, 1392<br />

die infolge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

1386<br />

So Petersen, Fn. 1338, S. 44.<br />

1387<br />

Bei 72 % aller Kirchenaustritte wird nach einer vom Institut für Demoskopie in Allensbach<br />

durchgeführten Bef<strong>ra</strong>gung als Motiv hierfür die Existenz <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt angegeben, vgl. Puza, Fn.<br />

1315, S. 188; HK 47 (1993), S. 550 ff. Alleine <strong>im</strong> Jahre 1997 t<strong>ra</strong>ten in Deutschland 124.000<br />

Katholiken und 225.000 Protestanten aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche aus, vgl. Gabriel, Weil sie <strong>im</strong>mer<br />

weniger einnehmen: Auch die Kirchen <strong>de</strong>nken über eine Steuerreform nach, PNP Nr. 164<br />

vom 17.7.1999, S. 2.<br />

1388<br />

Zitat bei Müller-Volbehr, Fn. 24, S. 349.<br />

1389<br />

So auch Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len, Fn. 1374, S. 51.<br />

1390<br />

Vgl. Puza, Fn. 1315, S. 193 f.<br />

1391<br />

Die „Überstülpung“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuer hat in <strong>de</strong>n neuen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>mzufolge zu einer neuen<br />

Flut von Kirchenaustritten geführt, vgl. Müller-Volbehr, Fn. 24, S. 346; P<strong>ra</strong>ntl, Fn. 118,<br />

S. 87.<br />

1392<br />

Ebenso Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 201; Ramler, in: P<strong>ra</strong><strong>de</strong>l, Fn. 1338, S. 335, ist sich ebenso <strong>de</strong>s<br />

Konflikts <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuer mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Glaubens- und Gewissensfreiheit an<strong><strong>de</strong>r</strong>er bewußt,<br />

spricht sich dann allerdings für das Lohnabzugsverfahren mit folgen<strong><strong>de</strong>r</strong>, ehrlicher Begründung<br />

aus: „Man könnte sich sozusagen die Hän<strong>de</strong> in Unschuld waschen und wür<strong>de</strong> doch zu<br />

seinem Geld kommen.“ Zum Konflikt <strong>de</strong>s Lohnabzugsverfahrens mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />

unten K.III.5.c).


344<br />

Angabe <strong>de</strong>s religiösen Bekenntnisses auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Lohnsteuerkarte o<strong><strong>de</strong>r</strong> durch das kirchliche<br />

Mel<strong>de</strong>wesen entstehen, wäre es zu begrüßen, wenn diese sich – neben <strong><strong>de</strong>r</strong> urchristlichen<br />

Finanzierungsform durch freiwillige Spen<strong>de</strong>n 1393 als künftiges europäisches Mo<strong>de</strong>ll <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchenfinanzierung dauerhaft in <strong>de</strong>n einzelnen Mitgliedstaaten etablieren wür<strong>de</strong>. 1394<br />

Abzulehnen wäre dagegen in Deutschland eine Verfassungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, wonach nur von<br />

Konfessionslosen bzw. Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n von Kirchen, welche keine KiSt erheben, eine Kultur-<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialsteuer erhoben wür<strong>de</strong>. Eine solche „allgemeine Solida<strong>ra</strong>bgabe“ wur<strong>de</strong> erst vor<br />

kurzem von <strong><strong>de</strong>r</strong> CSU-Landtagsf<strong>ra</strong>ktion für Personen, die aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche ausgetreten sind,<br />

gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t. 1395 <strong>Das</strong> scheinbare Argument, daß diese Gruppe finanziell he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n<br />

müsse, da sie auch ohne KiSt-Zahlung von kirchlichen Einrichtungen – wie z.B. kirchlichen<br />

Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten o<strong><strong>de</strong>r</strong> K<strong>ra</strong>nkenhäusern – profitiere, die durch Kirchengel<strong><strong>de</strong>r</strong> mitfinanziert wor<strong>de</strong>n<br />

seien, läßt u.a. außer Acht, daß es sich mit <strong>de</strong>m Grundgesetz nur schwer vereinbaren läßt,<br />

Bürger mit einer Steuer zu belasten, nur weil sie keine Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> einer best<strong>im</strong>mten<br />

Religionsgemeinschaft sind. 1396<br />

Ebenso abzulehnen ist <strong><strong>de</strong>r</strong> jüngste Vorstoß <strong>de</strong>s Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bischofskonferenz,<br />

Bischof Karl Lehmann, wonach die Kirchen vom Staat direkt einen Teil <strong>de</strong>s<br />

1393 Kleindienst/Bin<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 1333, S. 204, wür<strong>de</strong>n die Kultussteuer wohl auch akzeptieren,<br />

jedoch nicht anstelle <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n neben ihr, für <strong>de</strong>n Fall <strong><strong>de</strong>r</strong> Ablösung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsleistungen<br />

nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 WRV. Dem kann nicht gefolgt wer<strong>de</strong>n.<br />

1394 Torfs, Fn. 1735, S. 6, zeigt auf, daß Mitgliedschaft und lebenslange Zugehörigkeit zu einer<br />

Kirche nicht mehr die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Faktoren einer künftigen, <strong>de</strong>n Individualismus<br />

för<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Kirche sein wer<strong>de</strong>n. Auch Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len, Fn. 1374, S. 52, sowie Puza, Fn. 1315,<br />

S. 195, räumen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Kirchensteuer <strong>im</strong> europäischen Vergleich weniger Chancen<br />

ein, als <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultussteuer. Zwar kritisiert Marré, Die Kirchensteuer als Pa<strong>ra</strong>digma staatlicher<br />

Kirchenför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, KuR 410, S. 11 ff., 18; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 1338, S. 351, daß dieser Finanzierungsform<br />

eine mitgliedschaftliche Komponente sowie die Verbindlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchensteuerzahlung fehle, welche eine Gleichbehandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

ga<strong>ra</strong>ntiere. M.E. gehört bei<strong>de</strong>s jedoch nicht zwingend zum Wesen christlicher Kirche, vgl.<br />

1. Könige 10, 10 – 12 u. Joh. 19, 39 einerseits bzw. Mt. 6,3 u. Mk. 12, 43 an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits.<br />

1395 PNP Nr. 17 vom 22.1.1999, S. 7.<br />

1396 So zu Recht Feldhoff, Fn. 1326, S. 41 ff., mit weiteren Gegenargumenten. Immerhin muß<br />

eingeräumt wer<strong>de</strong>n, daß Schwe<strong>de</strong>n zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit, als dort noch das Staatskirchentum bestand<br />

(an<strong><strong>de</strong>r</strong>s Art. 137 Abs. 1 WRV), von Nichtmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n aufgrund <strong>de</strong>s Gedankens <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilhabe<br />

an gemeinnützigen Leistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche 30 % <strong>de</strong>s KiSt-Bet<strong>ra</strong>ges erhob, vgl. Petersen,<br />

Fn. 1315, S. 82. Allerdings hat es <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR, Nr. 187 (Darby/Schwe<strong>de</strong>n), E. v. 23.10.1990,<br />

EuGRZ 1990, S. 504, als Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 EMRK angesehen, wenn von Nichtmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

an eine religiöse Organisation Steuern zu zahlen sind.


345<br />

MwSt-Aufkommens erhalten sollten, da die sozialen Leistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen auch <strong>de</strong>n<br />

Bürgern zugute kämen, die keine KiSt zahlten. 1397 Zum einen wür<strong>de</strong> es sich hierbei um wohl<br />

eine gemeinschaftsrechtlich unzulässige staatliche Beihilfe han<strong>de</strong>ln, da sie die<br />

Wettbewerbsfähigkeit kirchlicher gegenüber sonstigen privaten Einrichtungen erhöhen wür<strong>de</strong>.<br />

Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en ist nicht ersichtlich, warum eventuell erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Unterhaltsmehrbeträge nicht<br />

direkt über höhere Nutzungsentgelte auf die konkreten Nutznießer <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen<br />

Einrichtungen umgelegt wer<strong>de</strong>n sollen. 1398 Überdies wird hierin teilweise eine Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsfreiheit gesehen, da <strong><strong>de</strong>r</strong> zur konfessionellen Neut<strong>ra</strong>lität verpflichtete Staat die Mittel,<br />

die er von allen Bürgern zwangsweise erhebt, so einzusetzen habe, daß sie nicht nur<br />

Einwohnern einer best<strong>im</strong>mten Gesinnung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion zugute kommen. 1399<br />

Rechtlich unbe<strong>de</strong>nklich erscheint dagegen eine Koppelung <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt an das Bruttoeinkommen<br />

anstatt wie bisher an die Einkommensteuerschuld, wodurch <strong><strong>de</strong>r</strong> Kreis <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuerzahler<br />

von bisher nur 1/3 <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf ein <strong>de</strong>utlich höheres Niveau ausgeweitet wer<strong>de</strong>n<br />

könnte. 1400<br />

1397 Vgl. Gabriel, Fn. 1387, PNP Nr. 164 vom 17.7.1999, S. 2.<br />

1398 Neumann, Fn. 448, S. 65, weist da<strong>ra</strong>ufhin, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Bau bzw. Ausbau kirchlicher<br />

Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten – ebenso wie be<strong>im</strong> Bau bzw. Ausbau eines städtischen Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gartens –<br />

üblicherweise in vollem Umfang von <strong><strong>de</strong>r</strong> kommunalen Gebietskörperschaft get<strong>ra</strong>gen wür<strong>de</strong>;<br />

auch erhielten kirchliche wie staatliche Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten pro Kind einen jährlichen<br />

Sachkostenzuschuß durch die Kommune in Höhe von ca. DM 300,-. Überdies bestreite das<br />

jeweilige Bun<strong>de</strong>sland ca. 30 %, die Kommune zusätzlich 35 % <strong>de</strong>s laufen<strong>de</strong>n Unterhalts.<br />

<strong>Das</strong> letzte Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterhaltsleistungen wer<strong>de</strong> überwiegend durch Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gartenbeiträge<br />

finanziert, so daß <strong><strong>de</strong>r</strong> min<strong>im</strong>ale Kirchensteue<strong>ra</strong>nteil, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit tatsächlich in diese<br />

kirchlichen Einrichtungen fließe – bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> angedachte künftige Anteil aus <strong><strong>de</strong>r</strong> MwSt –<br />

häufig dazu diene, die kirchlichen Einrichtungen gegenüber <strong>de</strong>nen, die allein von <strong>de</strong>n<br />

öffentlichen Haushalten bzw. <strong>de</strong>n Nutzungsgebühren leben müssen, att<strong>ra</strong>ktiver zu machen<br />

und somit einen Konkurrenzvorteil als „Zünglein an <strong><strong>de</strong>r</strong> Waage“ <strong>im</strong> Hinblick auf die Wahl<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> potentiellen Nutznießer schaffe.<br />

1399 Honegger, Fn. 210, S. 45 f. <strong>Das</strong> Argument, das Angebot <strong><strong>de</strong>r</strong> privilegierten Kirchen stün<strong>de</strong><br />

auch Nichtmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n zur Verfügung, überzeugt nur teilweise, da Eltern, die einer Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitenreligion<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar keiner Religion angehören, nicht selten Schwierigkeiten damit<br />

haben, ihre Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> in katholischen Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten einer Heiligen- und Marienverehrung<br />

auszusetzen, die sie selbst aufgrund ihres Glaubens o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihrer Weltanschauung nicht teilen.<br />

1400 Vgl. die aktuelle politische Diskussion bei Gabriel, PNP Nr. 164 vom 17.7.1999, S. 2.


346<br />

4. Auf EU-Ebene<br />

Gemeinschaftsrechtlich nicht unproblematisch ist neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Indienstnahme privater<br />

Arbeitgeber, welche die KiSt gemeinsam mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Lohnsteuer einbehalten und an das<br />

Finanzamt abführen müssen, vor allem das staatliche KiSt-Einzugsverfahren, das g<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong><br />

datenschutzrechtliche Probleme schafft. Gemeinschaftsrechtlich be<strong>de</strong>nklich erscheint es<br />

weiterhin, daß in Deutschland Kirchensteuern und Spen<strong>de</strong>n nur dann abzugsfähig sind, soweit<br />

sie an eine Religionsgemeinschaft geleistet wer<strong>de</strong>n, die inländische juristische Person <strong>de</strong>s<br />

öffentlichen Rechts ist.<br />

Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> divergieren<strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen Behandlung zwischen direkten und<br />

indirekten Steuern, 1401<br />

ist eine Differenzierung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Steue<strong>ra</strong>rten geboten.<br />

a) Indirekte Steuerharmonisierung<br />

Die Gemeinschaft besitzt gemäß Art. 93 (ex-Art. 99) EGV eine Kompetenz zur<br />

Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> indirekten Steuern; hierdurch sollen Wettbewerbsverfälschungen in <strong>de</strong>n<br />

innergemeinschaftlichen Wirtschaftsbeziehungen <strong>de</strong>s Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und<br />

Kapitalverkehrs vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Harmonisierung be<strong>de</strong>utet in diesem Zusammenhang nicht<br />

Vereinheitlichung i.S.v. vollständiger Steueri<strong>de</strong>ntität, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich Festlegung<br />

best<strong>im</strong>mter Min<strong>de</strong>st- und Höchstgrenzen. 1402<br />

Als indirekte Steuern wer<strong>de</strong>n jedoch nur Steuern<br />

angesehen, die an formale Verkehrsvorgänge anknüpfen, wie z.B. Mehrwert- und<br />

Verb<strong>ra</strong>uchssteuern. Die KiSt fällt nicht hierunter.<br />

b) Direkte Steuerharmonisierung<br />

aa) Definition<br />

Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt han<strong>de</strong>lt es sich vielmehr – wie bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Einkommensteuer auch – um eine direkte<br />

Steuer, da sie unmittelbar bei <strong>de</strong>mjenigen erhoben wird, <strong>de</strong>n sie wirtschaftlich treffen soll;<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>s ausgedrückt: Steuerzahler und Steuerträger sind bei direkten Steuern i<strong>de</strong>ntisch. 1403<br />

Die Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit liegt nun bei <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt in ihrer Akzessorietät zur Einkommensteuer:<br />

Einerseits kann die Höhe <strong>de</strong>s KiSt-Satzes per se abgeän<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n; an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits wür<strong>de</strong> die<br />

1401<br />

Vgl. nur Bieg, Der Gerichtshof <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften und sein Einfluß auf das<br />

<strong>de</strong>utsche Steuerrecht, S. 27.<br />

1402<br />

Weitere Einzelheiten bei: Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 1439 ff.<br />

1403<br />

Mössner, Einwirkung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts auf die direkten Steuern, S. 113.


347<br />

KiSt aufgrund ihrer Koppelung an die Einkommensteuer in <strong>de</strong>m Maße eine Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

erfahren, in <strong>de</strong>m letztere modifiziert wird. Auch eine Kultussteuer, wie sie in Italien und<br />

Spanien erhoben wird, stellt übrigens eine direkte Steuer dar.<br />

bb) Gemeinschaftskompetenz zum Erlaß von Rechtsvorschriften <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten<br />

Steuern<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Schumacker 1404 hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH unter Bezugnahme auf <strong>de</strong>n Entscheidungstenor einer<br />

früheren Entscheidung 1405 wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt, daß „<strong><strong>de</strong>r</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuer als solcher be<strong>im</strong><br />

gegenwärtigen Stand <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts nicht in die Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />

fällt.“ Der Hauptgrund dafür, daß die Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft eine Kompetenz<br />

hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuern nicht gleichzeitig mit <strong>de</strong>n indirekten Steuern übert<strong>ra</strong>gen<br />

haben, ist darin zu sehen, daß erstgenannte Steue<strong>ra</strong>rt die Souveränität <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

stärker berührt, zumal sie ein mit <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Rechts- und Gesellschaftsordnung eng<br />

verflochtenes und beliebtes politisches Lenkinstrument <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaft ist, wie es in <strong>de</strong>m<br />

illust<strong>ra</strong>tiven Sinnspruch „The power to tax is the power to govern“ 1406<br />

zum Ausdruck kommt.<br />

Ein Steuerfindungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft i.S.d. Steuergesetzgebungshoheit besteht daher<br />

grundsätzlich nicht – we<strong><strong>de</strong>r</strong> auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Einkünfte natürlicher Personen, wie z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Einkommensteuer, noch für die KiSt o<strong><strong>de</strong>r</strong> für die Einführung einer Kultussteuer italienischen<br />

Zuschnitts.<br />

Unabhängig von <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, daß eine Gemeinschaftskompetenz zur Harmonisierung<br />

direkter Steuern prinzipiell nicht besteht, bewirkt <strong><strong>de</strong>r</strong>en ten<strong>de</strong>nzielle Verlagerung hin zu <strong>de</strong>n<br />

indirekten Steuern 1407 eine sukzessive Vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt-Einnahmen. Maßgebend<br />

hierfür ist mitunter die Gemeinschaftskompetenz zur Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen<br />

Mehrwertsteuersysteme. 1408<br />

1404 EuGH, Rs. C-279/93 (FA Köln-Altstadt/Roland Schumacker), Slg. 1995, S. I-249 ff., 257,<br />

Rz. 21; vgl. hierzu z.B. <strong>de</strong> Weerth, EG-Recht und direkte Steuern – Jahresübersicht 1996,<br />

RIW 1997, S. 482 ff.<br />

1405 EuGH, Rs. C-249/89 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Slg. 1991, S. I-4585, Rz. 12.<br />

1406 Zitat bei Bieg, Fn. 1401, S. 25; Knobbe-Keuk, Die Einwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeit und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungsfreiheit auf die beschränkte Steuerpflicht, EuZW 1991, S. 649 ff., 650.<br />

1407 Durch die am 19.3.1999 beschlossene Steuerreform wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitzensteuersatz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Einkommensteuer in Deutschland von <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit 53 % schrittweise auf 51 % <strong>im</strong> Jahr 2000 und<br />

48,5 % <strong>im</strong> Jahr 2002 gesenkt, während umgekehrt die MwSt von 14 % über 15 % (ab<br />

1.1.1993) auf 16 % (ab 1.4.1997) angehoben wur<strong>de</strong> und angesichts bestehen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Haushalts<strong>de</strong>fizite weitere Steigerungen zu erwarten sind.<br />

1408 So auch Link, Fn. 100, S. 150; Robbers, Fn. 442, S. 180; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 341, S. 332.


348<br />

cc) Harmonisierungsmaßnahmen bei Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Gemeinsamen Marktes<br />

Ungeachtet <strong><strong>de</strong>r</strong> obigen Ausführungen können nach Art. 94 (ex-Art. 100) EGV gleichwohl<br />

einst<strong>im</strong>mige Harmonisierungsmaßnahmen zur Angleichung <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuern beschlossen<br />

wer<strong>de</strong>n, sofern nationale Systeme <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuererhebung das Funktionieren <strong>de</strong>s<br />

Gemeinsamen Marktes behin<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 1409 So hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH entschie<strong>de</strong>n, daß „die Mitgliedstaaten<br />

die ihnen verbliebenen Befugnisse jedoch unter Wahrung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts ausüben<br />

müssen.“ 1410 Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e dürfen <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Grundfreiheit keine nationalen Rechtsvorschriften <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuern<br />

entgegenstehen. 1411 Dies wäre <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall, soweit eine erheblich unterschiedliche Besteuerung<br />

zwischen zwei Mitgliedstaaten vorläge, da eine solche ein ernsthaftes Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nis für<br />

ausländische <strong>Union</strong>sbürger bzw. für Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong> bei grenzüberschreiten<strong>de</strong>m Bezug 1412 an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Aufnahme einer nichtselbständigen Tätigkeit <strong>im</strong> Inland darstellen wür<strong>de</strong>. 1413<br />

Eine Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuern kann allerdings nur aufgrund von<br />

Art. 94 (ex-Art. 100) EGV 1414 sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> sehr eng gefaßten Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 96 (ex-Art.<br />

101) EGV 1415<br />

erfolgen, wobei bei<strong>de</strong> Normen <strong>im</strong> Gegensatz zu Art. 95 (ex-Art. 100a) EGV<br />

zunächst Einst<strong>im</strong>migkeit <strong>im</strong> Rat vo<strong>ra</strong>ussetzen.<br />

Die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 95 (ex-Art. 100a) Abs. 1 EGV, nach <strong><strong>de</strong>r</strong> eine Harmonisierung von<br />

Rechtsvorschriften schon mit qualifizierter Mehrheit vorgenommen wer<strong>de</strong>n kann, ist gemäß<br />

Art. 95 (ex-Art. 100a) Abs. 2 EGV für die Harmonisierung mitgliedstaatlicher Steuervorschriften<br />

ausdrücklich ausgeschlossen.<br />

Im folgen<strong>de</strong>n soll ein kurzer Überblick über <strong>de</strong>n Entwicklungsstand <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuern <strong>im</strong><br />

Gemeinschaftsrecht vermittelt wer<strong>de</strong>n:<br />

1409<br />

Vgl. hierzu Bieg, Fn. 1401, S. 42; Tsourouflis, Die Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperschaftsteuer<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. u.a. 1997, S. 142 ff.<br />

1410<br />

EuGH, Rs. C-279/93, Fn. 1404, S. I-257, Rz. 21.<br />

1411<br />

EuGH, Rs. C-279/93, Fn. 1404, S. I-266, Rz. 59.<br />

1412<br />

EuGH, Rs. 115/78 (Knoors/Staatssekretär für Wirtschaft), Slg. 1979, S. 399 ff., 410,<br />

Rz. 24/26; Rs. C-107/94 (Asscher/Staatssecretaris van Financiën), Slg. 1996, S. I-3089 ff.,<br />

3123, Rz. 34.<br />

1413<br />

Mössner, Fn. 1403, S. 117.<br />

1414<br />

Vgl. hierzu Tsourouflis, Fn. 1409, S. 182 ff.<br />

1415<br />

Vgl. hierzu Tsourouflis, Fn. 1409, S. 184 ff.


349<br />

(1) Unternehmenssteuern<br />

Die meisten <strong><strong>de</strong>r</strong> auf Art. 94 (ex-Art. 100) EGV gestützten Harmonisierungsmaßnahmen<br />

beschränken sich <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit noch auf <strong>de</strong>n Unternehmensbereich. 1416<br />

Naturgemäß kam es in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vergangenheit hier zu <strong>de</strong>n häufigsten Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s gemeinsamen Marktes.<br />

(2) Einkommensteuer<br />

Im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Besteuerung natürlicher Personen hat die Kommission einen<br />

Richtlinienvorschlag i.R.d. Einkommensteuer 1417<br />

gemacht, <strong><strong>de</strong>r</strong> allerdings bislang nicht<br />

weiterverfolgt wor<strong>de</strong>n ist.<br />

Eine Ten<strong>de</strong>nz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen nationalen<br />

Einkommensteuersysteme läßt sich <strong>im</strong> Augenblick noch nicht erkennen. Jedoch wäre selbst<br />

bei einer Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Einkommensteuer das bestehen<strong>de</strong> Kirchensteuersystem als<br />

solches noch nicht prinzipiell in F<strong>ra</strong>ge gestellt, da <strong>im</strong> Anschluß an eine Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Einkommensteuer, durch welche die direkten Steuern gesenkt wür<strong>de</strong>n, nach wie vor eine<br />

Anhebung <strong>de</strong>s KiSt-Hebesatzes möglich bliebe. 1418 Allerdings müßten hierzu die einzelnen<br />

Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> zust<strong>im</strong>men. Höchst f<strong>ra</strong>glich erscheint es allerdings, ob eine solche Anhebung<br />

politisch durchsetzbar wäre, 1419<br />

da bei vielen Bun<strong>de</strong>sbürgern diesbezüglich eine<br />

„Schmerzgrenze“ erreicht ist; die Anhebung <strong>de</strong>s – <strong>im</strong> europäischen Vergleich ohnehin mit<br />

1416<br />

Vgl. auch Klein/Wolffgang, in: Carl Otto Lenz, EG-Vert<strong>ra</strong>g, Vorbem. Art. 95-99,<br />

Rdnrn. 19 ff.<br />

Ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n i.R.d. direkten Unternehmenssteuern bis dato die sog. „Bilanz-<br />

Richtlinien“, ABl. 1978, Nr. L 222, S. 11 ff.; ABl. 1983, Nr. L 193, S. 1 ff.; ABl. 1984,<br />

Nr. L 126, S. 20 ff., die sog. „Fusionsrichtlinie“ 90/434/EWG, ABl. 1990, Nr. L 225,<br />

S. 1 ff., die „Mutter-Tochter-Richtlinie“ 90/435/EWG, ABl. 1990, Nr. L 226, S. 6 ff., sowie<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Entwurf <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. „Verlust-Richtlinie“, ABl. 1991, Nr. C 53, S. 30 ff. Nähere Einzelheiten<br />

bei Bieg, Fn. 1401, S. 51 ff., sowie Tsourouflis, Fn. 1409, S. 37 ff.<br />

1417<br />

Vorschlag einer Richtlinie <strong>de</strong>s Rates zur Harmonisierung von Regelungen <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Einkommensteuer <strong>im</strong> Hinblick auf die Freizügigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft,<br />

ABl. 1980, Nr. C 21, S. 6 ff., betreffend die Einkünfte von Grenzgängern und nichtansässiger<br />

Arbeitnehmer.<br />

1418<br />

Vgl. Marré, Fn. 1394, S. 17; Starck, Fn. 448, S. 1431. Vgl. zum Nord-Süd-Gefälle be<strong>im</strong><br />

Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern Tsourouflis, Fn. 1409, S. 375 ff.,<br />

sowie die tabellarische Übersicht bei <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 1409, S. 410.<br />

1419<br />

So auch Link, Fn. 100, S. 150; Rüfner, Fn. 448, S. 492.


350<br />

Abstand höchsten – Kirchensteuersatzes 1420 um weitere Prozentpunkte wür<strong>de</strong> gewiß mit<br />

weiteren Austritten quittiert. 1421<br />

(3) Kirchensteuer<br />

Als eine aufgrund nationaler Rechtsvorschriften erlassene direkte Steuer, die gemäß<br />

Art. 94 (ex-Art. 100) EGV harmonisiert wer<strong>de</strong>n könnte, muß auch die KiSt selbst angesehen<br />

wer<strong>de</strong>n, und das selbst dann, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft keine spezielle religionsrechtliche<br />

Kompetenz zukommt. Da allerdings die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten kaum von <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenfinanzierung<br />

über die KiSt Geb<strong>ra</strong>uch gemacht haben und dies auch nicht zu erwarten ist, wird man<br />

eine Harmonisierung in diesem Bereich wohl ausschließen können. 1422 Überdies ist nur<br />

schwer vorstellbar, wie die KiSt, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Aufkommen nur die Kirchen, nicht aber <strong>de</strong>n Staat<br />

begünstigt, Grundfreiheiten <strong>de</strong>s Gemeinsamen Marktes beeinträchtigen soll. 1423<br />

c) Vereinbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung von Arbeitgebern zur KiSt-Abführung mit <strong>de</strong>m<br />

gemeinschaftsrechtlichen Diskr<strong>im</strong>inierungs- und Beschränkungsverbot<br />

Da die Mitgliedstaaten die ihnen verbliebenen Befugnisse unter Wahrung <strong>de</strong>s Gemeinschafts-<br />

rechts ausüben müssen, 1424<br />

sind sie selbst dann zur Beachtung <strong>de</strong>s gemeinschaftlichen<br />

Diskr<strong>im</strong>inierungsverbots verpflichtet, wenn ihnen die Kompetenz zum Erlaß von Vorschriften<br />

bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuern verblieben ist. Als Diskr<strong>im</strong>inierung von ausländischen<br />

<strong>Union</strong>sbürgern bzw. von Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>n bei grenzüberschreiten<strong>de</strong>m Bezug könnte sich <strong>de</strong>shalb die<br />

Verpflichtung privater Arbeitgeber auswirken, die als „verlängerter Arm“ <strong>de</strong>s Fiskus die KiSt<br />

mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Lohnsteuer einzubehalten und an die Finanzämter abzuführen haben. Problematisch<br />

ist diese Indienstnahme Privater zumin<strong>de</strong>st aus zwei Gesichtspunkten:<br />

Zum einen wird <strong>de</strong>n Arbeitgebern die hie<strong>ra</strong>us resultieren<strong>de</strong> Meh<strong>ra</strong>rbeit in keiner Form<br />

vergütet, obwohl sie durch das „lautlose Inkasso“ <strong>de</strong>n KiSt erheben<strong>de</strong>n Kirchen originäre<br />

Kirchenverwaltungsaufgaben abnehmen. Während die Großkirchen <strong>de</strong>m Staat 3 – 4 % <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

1420<br />

Wenn in Deutschland die KiSt 8 % bzw. 9 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Einkommensteuerschuld beträgt, führt<br />

dies bei einem durchschnittlichen Einkommensteuersatz von 30 % zu einer KiSt in Höhe<br />

von umgerechnet ca. 2,5 % <strong>de</strong>s zu versteuern<strong>de</strong>n Einkommens. In Schwe<strong>de</strong>n dagegen wird<br />

KiSt bislang aus 1,25 %, in Österreich nur aus 1,15 % <strong>de</strong>s steuerpflichtigen Einkommens<br />

erhoben; die italienische bzw. spanische Kultussteuer macht dagegen lediglich 0,8 % bzw.<br />

0,5239 % <strong>de</strong>s zu versteuern<strong>de</strong>n Einkommens aus.<br />

1421<br />

Diese Befürchtung teilt auch Gabriel, Fn. 1387, PNP Nr. 164 vom 17.7.1999, S. 2.<br />

1422<br />

Ähnlich Petersen, Fn. 1315, S. 77.<br />

1423<br />

Ebenso Hollerbach, Fn. 17, S. 279 f.; Starck, Fn. 448, S. 1431.<br />

1424<br />

EuGH, Rs. C-279/93, Fn. 1404, S. I-257, Rz. 21.


351<br />

Kirchensteuereinnahmen als Pauschalbet<strong>ra</strong>g überweisen, wird ein Aufwendungsersatz an die<br />

Arbeitgeber nicht geleistet, obwohl diese bei konsequenter Anwendung <strong>de</strong>s Rechtsgedankens<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> ersparten Aufwendungen einen Anspruch da<strong>ra</strong>uf hätten, von Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong>n<br />

Kirchen hierfür finanziell entschädigt zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en besteht diese Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber selbst dann, wenn diese die KiSt<br />

aufgrund ihrer persönlichen Glaubensüberzeugung mißbilligen sollten. Daß hier die in<br />

Art. 4 GG grundsätzlich vorbehaltlos gewährleistete Religionsfreiheit, die auch einen status<br />

negativus umfaßt, ohne weiteres gegenüber einem bloßen finanziellen Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Großkirchen, welches nicht einmal in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV ve<strong>ra</strong>nkert ist,<br />

weichen soll, kann nicht vorschnell mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung abgetan wer<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber<br />

leiste seine Pflicht religionsneut<strong>ra</strong>l <strong>de</strong>m Staat und nicht <strong>de</strong>n Kirchen gegenüber; ist doch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Staat in diesem Fall selbst – wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber auch – nur Erfüllungsgehilfe <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche.<br />

Daß die Berechnung und Abführung <strong>im</strong> Zeitalter elektronischer Datenve<strong>ra</strong>rbeitung „p<strong>ra</strong>ktisch<br />

ohne zusätzlichen Aufwand“ zu leisten sei, 1425 zeugt von einer einseitigen Sichtweise.<br />

Bewertet man <strong>de</strong>n Aufwand <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber mit ½ <strong>de</strong>s Aufwan<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzämter, so<br />

müßten an diese Gruppe korrekterweise ca. 2 % <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt-Einnahmen als Aufwandsentschädigung<br />

abgeführt wer<strong>de</strong>n. 1426 Sofern man aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Annahme einer staatsgerichteten<br />

Pflicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber vertritt, daß die Entschädigung nicht von <strong>de</strong>n Kirchen selbst zu leisten<br />

sei, 1427 müßte in diesem Umfang kirchlicherseits eine Erhöhung <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Aufwandsentschädigung<br />

erfolgen, da es sich bei <strong>de</strong>m KiSt-Einzug <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s Lohnabzugsverfahrens<br />

ansonsten um eine Dienstleistung zu Vorzugsbedingungen und damit um eine unzulässige<br />

Beihilfe han<strong>de</strong>ln könnte. 1428<br />

aa) Tatbestandsvo<strong>ra</strong>ussetzungen einer Diskr<strong>im</strong>inierung<br />

Art. 12 (ex-Art. 6) EGV verbietet in seinem Regelungsbereich je<strong>de</strong> Art von Diskr<strong>im</strong>inierung,<br />

d.h. je<strong>de</strong> unterschiedliche Behandlung zweier vergleichbarer Gruppen, die zu einer<br />

Schlechterstellung für einen „Angehörigen“ einer <strong><strong>de</strong>r</strong> beteiligten Gruppen führt. 1429<br />

Um festzustellen,<br />

ob überhaupt eine Ungleichbehandlung vorliegt, muß i.R.d. Art. 12 (ex-Art. 6) EGV<br />

– ähnlich wie bei Art. 3 Abs. 1 GG – geprüft wer<strong>de</strong>n, ob eine Vergleichsgruppe besteht, die in<br />

tatsächlicher bzw. rechtlicher Hinsicht mit wesentlichen Merkmalen <strong><strong>de</strong>r</strong> betroffenen Gruppe<br />

1425<br />

So Starck, Fn. 448, S. 1432.<br />

1426<br />

Bei ca. 16 Mrd. DM KiSt-Einnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Großkirchen <strong>im</strong> Jahr 1997 wären dies<br />

<strong>im</strong>merhin ca. 320 Mio. DM jährlich.<br />

1427<br />

So Link, Fn. 100, S. 151.<br />

1428<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen unten K.III.6.c)ee).<br />

1429<br />

G<strong>ra</strong>bitz/Hilf/v. Bogdandy, Art. 6, Rdnr. 8.


352<br />

übereinst<strong>im</strong>mt, sodann, ob letztgenannte Gruppe an<strong><strong>de</strong>r</strong>s behan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n ist, als die<br />

Vergleichsgruppe. Um eine unzulässige Diskr<strong>im</strong>inierung han<strong>de</strong>lt es sich, wenn die betroffene<br />

Gruppe gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergleichsgruppe durch die unterschiedliche Behandlung benachteiligt<br />

wird, 1430 wobei auch eine mittelbare Diskr<strong>im</strong>inierung 1431 ausreicht. <strong>Das</strong> dogmatische Konzept<br />

i.R.d. subsidiären Art. 12 (ex-Art. 6) EGV zur Prüfung eines Verstoßes gegen das<br />

Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot ist auf die spezielleren Grundfreiheiten übert<strong>ra</strong>gbar. 1432<br />

Zwar kann aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit eine<br />

diskr<strong>im</strong>inieren<strong>de</strong> mitgliedstaatliche Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelung ausnahmsweise gerechtfertigt sein; 1433<br />

nicht hierunter fällt jedoch <strong><strong>de</strong>r</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt.<br />

bb) Subsumtion<br />

<strong>Das</strong> <strong>de</strong>utsche Einkommensteuerrecht orientiert sich heute nur noch sehr selten an <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit,<br />

1434<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n knüpft die Steuerpflicht regelmäßig an die Ansässigkeit <strong>im</strong><br />

Bun<strong>de</strong>sgebiet. Gleiches gilt daher für die KiSt als Anhangsteuer zur Einkommensteuer. Eine<br />

mittelbare Diskr<strong>im</strong>inierung könnte darin erblickt wer<strong>de</strong>n, daß ausländische <strong>Union</strong>sbürger, die<br />

sich in Deutschland als Selbständige nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelassen haben, entschädigungslos KiSt für ihre<br />

Arbeitnehmer abführen müssen, während diese Verpflichtung für Arbeitgeber in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Mitgliedstaaten – z.B. in F<strong>ra</strong>nkreich o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n – nicht besteht. Als relevante<br />

Vergleichsgruppe dürfen jedoch nicht die Arbeitgeber mit einer Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassung in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Mitgliedstaaten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur die übrigen Arbeitgeber in Deutschland he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Ein in Deutschland nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelassener f<strong>ra</strong>nzösischer Unternehmer wird korrekterweise ebenso<br />

wie ein <strong>de</strong>utscher Unternehmer behan<strong>de</strong>lt, <strong><strong>de</strong>r</strong> die KiSt seiner Arbeitnehmer ebenfalls<br />

entschädigungslos an die Finanzämter abzuführen verpflichtet ist.<br />

cc) Allgemeines Beschränkungsverbot<br />

1430<br />

Vergleiche zu <strong>de</strong>n drei genannten Kriterien (Vergleichsgruppe, unterschiedliche Behandlung,<br />

Benachteiligung) Bieg, Fn. 1401, S. 89.<br />

1431<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen oben unter Fn. 1213.<br />

1432<br />

Bieg, Fn. 1401, S. 92, m.w.N.; EuGH, verb. Rs. 110 u. 111/78 (Ministère public u.<br />

Chambre Syndicale <strong>de</strong>s Agents artistiques et Impresarii <strong>de</strong> Belgique, ASBL/Willy van<br />

Wesemael u.a.), Slg. 1979, S. 35 ff., 52, Rz. 27; Rs. 246/80 (Broekmeulen/Huisarts<br />

Regist<strong>ra</strong>tie Commissie), Slg. 1981, S. 2311 ff., 2329, Rz. 20; Rs. 279/80 (St<strong>ra</strong>fverfahren<br />

gegen Alfred John Webb), Slg. 1981, S. 3305 ff., 3324, Rz. 14.<br />

1433<br />

Vgl. <strong>im</strong> einzelnen Bieg, Fn. 1401, S. 96 ff.<br />

1434<br />

An<strong><strong>de</strong>r</strong>s noch § 1 Abs. 3 EStG a.F.


353<br />

<strong>Das</strong> Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot läßt in<strong>de</strong>s unberücksichtigt, daß selbst bei Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>gleichbehandlung<br />

eine faktische Beeinträchtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> wirtschaftlichen Aktivitäten<br />

ausländischer <strong>Union</strong>sbürger gegeben sein kann, da Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse <strong>im</strong> Wirtschaftsverkehr ihren<br />

Ursprung oftmals in <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterschiedlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Rechtsordnungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten haben, für welche – wie z.B. bei <strong>de</strong>n direkten Steuern – eine<br />

Gemeinschaftskompetenz nicht besteht. 1435 Aus diesem Grun<strong>de</strong> ist mittlerweile in Lite<strong>ra</strong>tur<br />

und Rechtsprechung anerkannt, daß die Grundfreiheiten nicht nur ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n darüber hinaus auch ein allgemeines Beschränkungsverbot beinhalten. 1436 Dies<br />

be<strong>de</strong>utet, daß auch nichtdiskr<strong>im</strong>inieren<strong>de</strong> Beschränkungen verboten sind, soweit sie nicht<br />

durch zwingen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> bzw. Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse <strong>de</strong>s Allgemeinwohls gerechtfertigt sind und das<br />

mil<strong>de</strong>ste Mittel zur Zielerreichung darstellen, d.h. verhältnismäßig sind. 1437<br />

(1) Zwingen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Allgemeinwohls<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Gouda 1438<br />

hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH einen ausführlichen Überblick über diejenigen Grün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Allgemeinwohls gegeben, die er bereits in früheren Entscheidungen anerkannt hatte, wobei<br />

hier we<strong><strong>de</strong>r</strong> die KiSt noch eine vergleichbare Materie aufgeführt wird.<br />

Ebenfalls in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Gouda hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH allerdings an späterer Stelle auch eine<br />

mitgliedstaatliche Kulturpolitik als zwingen<strong>de</strong>n Grund <strong>de</strong>s Allgemeininteresses anerkannt,<br />

durch welche die Meinungsfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen gesellschaftlichen, kulturellen,<br />

religiösen und geistigen Strömungen geschützt wer<strong>de</strong>n solle. 1439<br />

Für die vorliegen<strong>de</strong><br />

1435<br />

So auch Bieg, Fn. 1401, S. 93.<br />

1436<br />

Zuerst anerkannte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, daß nichtdiskr<strong>im</strong>inieren<strong>de</strong>, d.h. unterschiedslos auf<br />

inländische und eingeführte Waren angewandte, mitgliedstaatliche Regelungen mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Warenverkehrsfreiheit unvereinbar sein können, vgl. EuGH, Rs. 8/74 (Staatsanwalt/<br />

<strong>Das</strong>sonville), Slg. 1974, S. 837 ff., soweit sie nicht hingenommen wer<strong>de</strong>n müssen, um<br />

zwingen<strong>de</strong>n Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen <strong><strong>de</strong>r</strong> Allgemeinheit gerecht zu wer<strong>de</strong>n; EuGH, Rs. 120/78<br />

(Rewe/Bun<strong>de</strong>smonopolverwaltung für B<strong>ra</strong>nntwein) –„Cassis <strong>de</strong> Dijon“ –, Slg. 1979,<br />

S. 649 ff., 662, Rz. 8, vgl. bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelheiten: Schweitzer/Hummer, Fn. 35,<br />

Rdnrn. 1116 ff., 1134 ff., 1138.<br />

1437<br />

EuGH, Rs. 205/84 (Kommission/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Slg. 1986, S. 3755 ff., 3803,<br />

Rz. 29; Rs. C-55/95 (Gebhard/Consiglio <strong>de</strong>ll‘ Ordine <strong>de</strong>gli Avvocati e Procu<strong>ra</strong>tori di<br />

Milano), Slg. 1995, S. I-4165 ff.; vgl. nur Bieg, Fn. 1401, S. 94; Ja<strong>ra</strong>ss, Elemente einer<br />

Dogmatik <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten, EuR 1995, S. 214 ff.; Schweitzer/Hummer, Fn. 35,<br />

Rdnr. 1075.<br />

1438<br />

EuGH, Rs. C-288/89 (Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda u.a./Commissariaat<br />

voor <strong>de</strong> Media), Slg. 1991, S. I-4007 ff., 4041, Rz. 14.<br />

1439<br />

EuGH, Rs. C-288/89, Fn. 1438, S. I-4043, Rz. 22 f.


354<br />

Problematik kann höchstens entnommen wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>de</strong>n Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Plu<strong>ra</strong>lität<br />

religiöser Auffassungen sicherstellen will. Nicht übert<strong>ra</strong>gen läßt sich das vorgenannte Urteil<br />

auf das Einzugsverfahren <strong>im</strong> wesentlichen zweier Großkirchen, das die Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

übrigen Religionsgemeinschaften zur Offenbarung ihrer religiösen Überzeugungen bzw. die<br />

Arbeitgeber zur entschädigungslosen Erfüllungsgehilfentätigkeit – u.U. sogar für eine frem<strong>de</strong><br />

Religionsgemeinschaft – verpflichtet.<br />

Allerdings hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH auch nationale Eigenarten als Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Dienstleistungsverkehrsfreiheit<br />

anerkannt. 1440 Immerhin ließe sich begrün<strong>de</strong>n, daß das KiSt-Einzugsverfahren<br />

über private Arbeitgeber bis En<strong>de</strong> 1999 eine exklusiv <strong>de</strong>utsche Erscheinungsform<br />

darstellte, 1441<br />

wobei es schwerfällt, ein <strong><strong>de</strong>r</strong>artiges rein organisatorisches Proce<strong><strong>de</strong>r</strong>e als<br />

nationale Eigenart einzustufen.<br />

(2) Verhältnismäßigkeit<br />

Ungeachtet <strong>de</strong>s Vorhan<strong>de</strong>nseins eines zwingen<strong>de</strong>n Grun<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s Allgemeinwohls, muß sich<br />

die nationale Ausnahmeregelung – ähnlich wie <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht – an <strong>de</strong>m<br />

Beurteilungsmaßstab <strong><strong>de</strong>r</strong> Geeignetheit, Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit und Angemessenheit <strong>im</strong> Hinblick auf<br />

<strong>de</strong>n mit ihr verfolgten Zweck messen lassen. 1442<br />

(i) Geeignetheit<br />

<strong>Das</strong> Lohnabzugsverfahren ist je<strong>de</strong>nfalls geeignet, das nach Art. 140 GG i.V.m.<br />

Art. 137 Abs. 6 WRV zulässige Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuererhebung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlich-rechtlichen<br />

Kirchenkörperschaften zu erreichen.<br />

(ii) Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit<br />

<strong>Das</strong> angestrebte Regelungsziel dürfte nicht durch eine mil<strong><strong>de</strong>r</strong>e, weniger einschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Maßnahme, die ebenso wirksam ist, erreicht wer<strong>de</strong>n können. Als solche könnte zum einen die<br />

Kultussteuer, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en ein kircheneigener Einzug <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt angeführt wer<strong>de</strong>n. Anerkannt<br />

ist jedoch, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaat dann, wenn eine Maßnahme unsicherer ist, auch die<br />

1440<br />

EuGH, Rs. 178/84 (Kommission/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland), Slg. 1987, S. 1227 ff.,<br />

1271, Rz. 35.<br />

1441<br />

Seit 1.1.2000 wur<strong>de</strong> das KiSt-Einzugsverfahren auch in Schwe<strong>de</strong>n eingeführt.<br />

1442<br />

Der für Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft gelten<strong>de</strong> Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 3 EGV ist insoweit<br />

analog anzuwen<strong>de</strong>n.


355<br />

intensivere Maßnahme wählen darf, sofern diese sicherer zum Ziel führt, 1443<br />

wobei<br />

Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV allerdings keine best<strong>im</strong>mte Einnahmenhöhe<br />

ga<strong>ra</strong>ntiert. Anerkanntermaßen wür<strong>de</strong> ein kircheneigener KiSt-Einzug zu geringeren Einnahmen<br />

führen. Die teilweise ins Spiel geb<strong>ra</strong>chten 30 % – 40 % <strong>de</strong>s KiSt-Aufkommens<br />

erscheinen in<strong>de</strong>s bei weitem überhöht, da Österreich trotz gemein<strong>de</strong>eigenen Kirchenbeit<strong>ra</strong>gssystems<br />

lediglich 10 – 15 % an Beitreibungskosten verzeichnet. Wer<strong>de</strong>n letztgenanntem<br />

Bet<strong>ra</strong>g die ersparten Leistungen an Finanzämter und an Arbeitgeber gegenübergestellt – auch<br />

letztere sind konsequenterweise in Abzug zu bringen –, so stellt sich <strong><strong>de</strong>r</strong> finanzielle<br />

Unterschied bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Systeme nicht mehr <strong><strong>de</strong>r</strong>art g<strong>ra</strong>vierend dar.<br />

(iii) Angemessenheit<br />

Soweit man das Lohnabzugsverfahren überhaupt als erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ansieht, dürfte <strong><strong>de</strong>r</strong> zu<br />

erwarten<strong>de</strong> Erfolg <strong><strong>de</strong>r</strong> Maßnahme schließlich nicht außer Verhältnis zur Beeinträchtigung<br />

einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechtsposition stehen, wobei Vor- und Nachteile <strong><strong>de</strong>r</strong> beabsichtigten Maßnahme<br />

gegeneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> abzuwägen sind. 1444<br />

Wenn eine direkte Steuer o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Art ihrer Erhebung<br />

gegen die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungsfreiheit verstößt, wür<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendungsvor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts gegenüber nationalem Recht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge <strong><strong>de</strong>r</strong> Unanwendbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

innerstaatlichen Best<strong>im</strong>mung eingreifen.<br />

Eine Indienstnahme ausländischer Arbeitgeber wäre m.E. allenfalls dann gerechtfertigt, wenn<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>en Tätigkeit seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt erheben<strong>de</strong>n Kirchen durch eine aufwandsangemessene<br />

Entschädigungszahlung vergütet wür<strong>de</strong>.<br />

d) Vereinbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Abzugsfähigkeit von Spen<strong>de</strong>n und Kirchensteuer mit <strong>de</strong>m allgemeinen<br />

Beschränkungsverbot<br />

aa) Abzugsfähigkeit von Spen<strong>de</strong>n<br />

Als Beschränkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten stellt sich außer<strong>de</strong>m die Tatsache dar, daß in<br />

Deutschland Spen<strong>de</strong>n an Religionsgemeinschaften nur dann als abzugsfähige Son<strong><strong>de</strong>r</strong>ausgaben<br />

zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung kirchlicher Zwecke gemäß Art. 10b EStG anerkannt wer<strong>de</strong>n, soweit sie <strong>de</strong>n<br />

Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>s § 54 AO entsprechen. Hierzu muß die Spen<strong>de</strong> da<strong>ra</strong>uf gerichtet sein, eine<br />

Religionsgemeinschaft, die Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts ist, selbstlos zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />

Gemäß § 51 S. 2 AO wer<strong>de</strong>n als Körperschaft nur die Körperschaften i.S.d. KStG verstan<strong>de</strong>n.<br />

1443<br />

EuGH, Rs. 9/85 (Nordbutter/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland), Slg. 1986, S. 2831 ff., 2848,<br />

Rz. 15.<br />

1444<br />

EuGH, Rs. 5/73 (Balkan-Import-Export/Hauptzollamt Berlin-Packhof), Slg. 1973,<br />

S. 1091 ff., 1111 f., Rz. 22.


356<br />

§ 1 Abs. 1 KStG setzt vo<strong>ra</strong>us, daß die Körperschaft bzw. Personenvereinigung ihren Sitz <strong>im</strong><br />

Inland hat. Dies benachteiligt die in Deutschland beschäftigten <strong>Union</strong>sbürger eines an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Mitgliedstaats, die ihre kirchliche He<strong>im</strong>atgemein<strong>de</strong> finanziell unterstützen wollen, gegenüber<br />

Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>n und stellt <strong>de</strong>mnach einen Verstoß gegen das allgemeine Beschränkungsverbot<br />

dar. 1445<br />

bb) Abzugsfähigkeit von Kirchensteuer<br />

Eine pa<strong>ra</strong>llele Problematik stellt sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> ausschließlichen Abzugsfähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt nach<br />

§ 10d EStG i.V.m. § 3 Abs. 1 AO nur für inländische öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaften.<br />

1446<br />

5. Kirchensteuer und Datenschutz<br />

a) In Deutschland<br />

Über die Eint<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s religiösen Bekenntnisses auf <strong><strong>de</strong>r</strong> vom Einwohnermel<strong>de</strong>amt<br />

ausgestellten Lohnsteuerkarte wer<strong>de</strong>n durch <strong>de</strong>n Staat vom Bürger Daten erhoben, die seinen<br />

privaten Lebensbereich berühren. Die Daten wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m jeweiligen Arbeitgeber zugänglich<br />

gemacht, damit dieser <strong>de</strong>n Steue<strong>ra</strong>bzug für die KiSt als Anhangsteuer zur Lohnsteuer<br />

vornehmen und gemeinsam mit dieser <strong>de</strong>m Wohnsitzfinanzamt zuleiten kann. Dieses<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um greift auf die Daten für die Zuordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gel<strong><strong>de</strong>r</strong> an die betreffen<strong>de</strong> Religionsgemeinschaft<br />

zurück und leitet sie weiter. Durch das beschriebene sog. Lohnabzugsverfahren<br />

wird damit in die grundsätzlich sch<strong>ra</strong>nkenlos gewährte Religionsfreiheit, welche gemäß<br />

Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 WRV auch das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Auskunftsverweigerung über<br />

Glaubens- und Bekenntnisf<strong>ra</strong>gen ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch gegenüber staatlichen Einrichtungen und <strong>de</strong>m<br />

Arbeitgeber umfaßt, eingegriffen. 1447<br />

<strong>Das</strong> BDSG 1448<br />

ist schon vor <strong>de</strong>n Harmonisierungsbestrebungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft erlassen<br />

wor<strong>de</strong>n, um nach § 1 BDSG „<strong>de</strong>n einzelnen davor zu schützen, daß er durch <strong>de</strong>n Umgang mit<br />

seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird.“ <strong>Das</strong><br />

Gesetz soll für öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften jedoch grds. nicht zur<br />

Anwendung gelangen, da es sich hierbei we<strong><strong>de</strong>r</strong> um öffentliche Stellen i.S.d. § 1 Abs. 2 BDSG<br />

1445<br />

An<strong>de</strong>utungsweise schon Gaertner, Fn. 354, S. 11.<br />

1446<br />

Vgl. Kirchhof/Söhn/Söhn, Bd. 7, § 10, Rdnr. G 20.<br />

1447<br />

<strong>Das</strong> BVerfG hat in E 49, S. 375 ff., das Lohnabzugsverfahren allerdings gebilligt, vgl. nur<br />

Listl, Fn. 112, S. 744.<br />

1448<br />

Vom 20.12.1990, BGBl. 1990 I, S. 2954; abgedruckt unter Sartorius I, Nr. 245.


357<br />

bzw. § 15 Abs. 1 BDSG noch um nicht-öffentliche Stellen i.S.d. § 2 Abs. 4 BDSG han<strong>de</strong>le, da<br />

die Kirchen keine „Aufgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Verwaltung“ i.S.d. § 2 Abs. 4 BDSG<br />

wahrnähmen. 1449 Soweit die Anwendbarkeit <strong>de</strong>s BDSG verneint wird, 1450 kommt <strong>de</strong>n<br />

kirchlichen Datenschutzgesetzen wie <strong><strong>de</strong>r</strong> KDO (Katholische Kirche) 1451 , <strong>de</strong>m KiDSG bzw.<br />

DSG-EKD (Evangelische Kirche) 1452 o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DSO-EmK (Evangelisch-Methodistische<br />

Kirche), die sich an <strong>de</strong>n datenschutzrechtlichen Normen <strong>de</strong>s BDSG für öffentliche Stellen<br />

orientieren, 1453 <strong>im</strong> Hinblick auf das – auch innerkirchlich gelten<strong>de</strong> 1454<br />

– Grundrecht auf<br />

1449<br />

Schatzschnei<strong><strong>de</strong>r</strong>, Kirchenautonomie und Datenschutzrecht, Hei<strong>de</strong>lberg 1984, S. 18 ff., führt<br />

auf S. 27 ff. aus, warum es sich bei Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlichrechtlichem<br />

Status nach <strong>de</strong>utschem Recht nicht um <strong>de</strong>m Staat inkorporierte Gebil<strong>de</strong> und<br />

somit nicht um „öffentliche Stellen“ i.S.d. BDSG han<strong>de</strong>le. Vgl. außer<strong>de</strong>m Dammann, Die<br />

Anwendung <strong>de</strong>s neuen Bun<strong>de</strong>sdatenschutzgesetzes auf die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften,<br />

NVwZ 1992, S. 1147 ff., 1148, sowie Robbers, <strong>Das</strong> Datenschutzrecht und<br />

die Kirchen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, in: Robbers (Hrsg.), Europäisches<br />

Datenschutzrecht und die Kirchen, S. 33 ff., 36 ff. Immerhin erfüllen die Kirchen „<strong>im</strong><br />

Allgemeininteresse liegen<strong>de</strong> Aufgaben“, vgl. die Ausführungen oben J.VI.1.a).<br />

1450<br />

Nach Dammann, Fn. 1449, S. 1151, führe das in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV<br />

ve<strong>ra</strong>nkerte Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgesellschaften nur zu einer Exemtion bei<br />

organisationsinternen Angelegenheiten bzgl. ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> und Funktionsträger; soweit<br />

dagegen personenbezogene Daten <strong>im</strong> allgemeinen Rechtsverkehr anfielen, gelange das<br />

BDSG zur Anwendung, da insofern <strong><strong>de</strong>r</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgesellschaft nicht<br />

berührt wer<strong>de</strong>; <strong>de</strong>m wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spricht Robbers, Fn. 1449, S. 38, 43, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung, daß<br />

darüber hinaus auch personenbezogene Daten kirchlicher Arbeitnehmer aufgrund ihrer<br />

Loyalitätspflicht vom BDSG ausgenommen wer<strong>de</strong>n müßten, da sich das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgesellschaften auch hie<strong>ra</strong>uf erstrecke.<br />

1451<br />

Vgl. hierzu Fachet, Datenschutz in <strong><strong>de</strong>r</strong> Katholischen Kirche, KuR 580, S. 13 ff.; vgl. auch<br />

can. 220 CIC/1983.<br />

1452<br />

Vgl. hierzu Claessen, <strong>Das</strong> neue Datenschutzgesetz <strong><strong>de</strong>r</strong> evangelischen Kirche, KuR 580,<br />

S. 1 ff.<br />

1453<br />

Vgl. z.B. Hoeren, Kirchen und Datenschutz, Essen 1986, S. 31.<br />

1454<br />

Auf die Thematik, inwieweit sich einzelne Gläubige innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche auf<br />

Grundrechte (z.B. das Recht auf informationelle Selbstbest<strong>im</strong>mung) berufen können, kann<br />

hier nicht <strong>im</strong> einzelnen eingegangen wer<strong>de</strong>n. Schatzschnei<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 1449, S. 22 ff., ist m.E.<br />

zu Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht, daß eine mittelbare Drittwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte auch Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften bin<strong>de</strong>, wobei i.d.R. allerdings von einem Einverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gläubigen hinsichtlich <strong>de</strong>s Datenschutzes auszugehen sei; nur bei beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s elementaren<br />

Grundrechtsverletzungen trete die grundsätzlich unbeschränkte Glaubensfreiheit zurück.<br />

Ein Überblick über <strong>de</strong>n Meinungsstand fin<strong>de</strong>t sich bei Hoeren, Fn. 1453, S. 47 ff., 48, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> Verleihung staatlicher Hoheitsgewalt <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Kirchensteuerrechts


358<br />

„informationelle Selbstbest<strong>im</strong>mung“ 1455 beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Be<strong>de</strong>utung zu. An<strong><strong>de</strong>r</strong>e Freikirchen haben<br />

keine eigenen Datenschutzbest<strong>im</strong>mungen erlassen, weil sie trotz öffentlich-rechtlichem<br />

Körperschaftsstatus auf ein Besteuerungsrecht verzichten. Da in diesem Fall keine<br />

personenbezogenen Daten an externe Stellen übermittelt wer<strong>de</strong>n, bedarf es lediglich<br />

Datensicherungsmaßnahmen hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>karteien. 1456<br />

b) In an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten<br />

An <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Trier fand <strong>im</strong> Juni 1993 eine Tagung zum Thema „Datenschutz und<br />

Kirchen“ statt, an <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Mitgliedstaaten über ihr jeweiliges staatliches<br />

und ggf. kirchliches Datenschutzrecht berichteten und religionsrechtliche Bezüge herstellten;<br />

auf diese rechtsvergleichen<strong>de</strong>n Ausführungen wird hier verwiesen. 1457<br />

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß in allen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten zum damaligen<br />

Zeitpunkt so gut wie keine kirchlichen Datenschutzgesetze bestan<strong>de</strong>n, sieht man für die<br />

Röm.-Kath. Kirche einmal von <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s can. 220 CIC/1983 ab; vielmehr fin<strong>de</strong>n die<br />

dortigen staatlichen Datenschutzgesetze auf Religionsgemeinschaften gleichermaßen<br />

Anwendung.<br />

c) Auf EU-Ebene<br />

Die sowohl auf <strong>de</strong>n öffentlichen als auch <strong>de</strong>n privaten Bereich anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, die nach fast zwei Jahrzehnten langer Untätigkeit<br />

Datenschutzrichtlinie 1458<br />

sowie <strong>de</strong>s Urteils <strong>de</strong>s BVerfG zum Volkszählungsgesetz ebenfalls von einer Grundrechtsbindung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen ausgeht, Hoeren, a.a.O., S. 49 f.; vgl. <strong>im</strong> übrigen zur Problematik die<br />

Ausführungen unten M.I.3.a).<br />

1455<br />

Vgl. hierzu BVerfGE 65, S. 1 ff. – Volkszählungsgesetz.<br />

1456<br />

Vgl. Schatzschnei<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 1449, S. 16 f., dort insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Fn. 56.<br />

1457<br />

Robbers (Hrsg.), Europäisches Datenschutzrecht und die Kirchen, Berlin 1994; vgl. hierzu<br />

<strong>de</strong>n Tagungsbericht von Meyer, ZevKR (38) 1993, S. 323 ff., sowie die Buchbesprechung<br />

von Szczekalla, DVBl. 1997, S. 132 f. Als datenschutzrechtlich be<strong>de</strong>nklich muß vor allem<br />

die in Griechenland obligatorische Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft<br />

<strong>im</strong> Personalausweis angesehen wer<strong>de</strong>n, vgl. Spyropoulos, Fn. 144, S. 45 ff., 48.<br />

1458<br />

Richtlinie 95/46/EG <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom 24. Oktober 1995<br />

zum Schutz natürlicher Personen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>rbeitung personenbezogener Daten und zum<br />

freien Datenverkehr, ABl. 1995 Nr. L 281, S. 31. Allgemein zur Datenschutzrichtlinie:<br />

Schild, Die EG-Datenschutz-Richtlinie, EuZW 1996, S. 549 ff.; S<strong>im</strong>itis, Die EU-<br />

Datenschutzrichtlinie – Stillstand o<strong><strong>de</strong>r</strong> Anreiz?, NJW 1997, S. 281 ff. [Inzwischen wur<strong>de</strong><br />

ebenfalls die Richtlinie 97/66/EG <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom


359<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission auf diesem Gebiet ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> und sich an die<br />

Europa<strong>ra</strong>tskonvention zum Datenschutz 1459 anlehnt, erweitert <strong>de</strong>n Anwendungsbereich für<br />

sog. personenbezogene Daten gegenüber <strong>de</strong>m bisherigen BDSG erheblich. 1460<br />

Der Wer<strong>de</strong>gang <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG vom Entwurfsstadium bis zu seiner endgültigen Fassung<br />

belegt in eindrücklicher Weise die Notwendigkeit für Kirchen und Religionsgemeinschaften,<br />

sich intensiv mit gemeinschaftsrechtlichen Gesetzgebungsvorhaben auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>zusetzen,<br />

wollen diese nicht vollen<strong>de</strong>ten Tatsachen ins Auge sehen müssen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> gebotenen<br />

Weise auf <strong>de</strong>n Erlaß von Gemeinschaftsrechtsakten Einfluß nehmen. So hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinienvorschlag<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission die Datenerhebung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit aus<br />

Datenschutzgesichtspunkten noch verboten und für die vom Lohnabzugsverfahren Geb<strong>ra</strong>uch<br />

machen<strong>de</strong>n Kirchen keine Exemtion vorgesehen; 1461 <strong><strong>de</strong>r</strong> ursprüngliche Vorschlag bezweckte<br />

eine einheitliche Regelung <strong>de</strong>s gesamten Datenschutzrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft und enthielt keine Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelungen für das Staat-Kirche-Verhältnis. 1462<br />

Dies<br />

hätte jedoch das <strong>de</strong>utsche System <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt-Erhebung <strong>im</strong> sog. Lohnabzugsverfahren in F<strong>ra</strong>ge<br />

15. Dezember 1997 über die Ve<strong>ra</strong>rbeitung personenbezogener Daten und <strong>de</strong>n Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Privatsphäre <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Telekommunikation, ABl. 1998, Nr. L 24, S. 1 ff., ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t.<br />

Diese erfaßt jedoch vorwiegend <strong>de</strong>n – Kirchen und Religionsgesellschaften nicht<br />

speziell betreffen<strong>de</strong>n – Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienste<br />

einschließlich <strong>de</strong>s ISDN und <strong><strong>de</strong>r</strong> digitalen Mobilfunknetze, nicht dagegen <strong>de</strong>n hier<br />

relevanteren Hör- und Fernsehfunk, vgl. Art. 2 lit. d <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 97/66/EG; vgl. hierzu allgemein<br />

vgl. Schild, Die Richtlinie über die Ve<strong>ra</strong>rbeitung personenbezogener Daten und <strong>de</strong>n Schutz<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Privatsphäre <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Telekommunikation, EuZW 1999, S. 69 ff.]<br />

1459 Konvention 108 – Übereinkommen zum Schutz <strong>de</strong>s Menschen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> automatischen<br />

Ve<strong>ra</strong>rbeitung personenbezogener Daten vom 28.1.1981, BGBl. 1985 II, S. 538; vgl. hierzu<br />

Kopp, Der Entwurf einer Datenschutzrichtlinie <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft, in: Robbers<br />

(Hrsg.), Fn. 1457, S. 9 ff., 11.<br />

1460 Schild, Fn. 1460, S. 550; Gegenüberstellung <strong>de</strong>s BDSG und <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG in NJW-CoR<br />

1997, S. 47 f.; S<strong>im</strong>itis, Fn. 1460, S. 287, weist auf das bisher bestehen<strong>de</strong> Datenschutz<strong>de</strong>fizit<br />

<strong>de</strong>s BSHG <strong>im</strong> nicht-öffentlichen Bereich hin.<br />

1461 Vgl. KOM(92), 422 endg.; ABl. 1992, Nr. C 311 ff.; vgl. hierzu Robbers, Fn. 1449, S. 42 f.<br />

1462 Vgl. Robbers, Gene<strong>ra</strong>lbericht: Datenschutzrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> und die<br />

Kirchen, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 1457, S. 185 ff., 188. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Rechtsprechung<br />

<strong>de</strong>s EuGH, nach <strong><strong>de</strong>r</strong> sich Kirchen grds. als Wirtschaftsunternehmen behan<strong>de</strong>ln<br />

lassen müssen, vgl. Rs. 196/87 „Bhagwan-Urteil“, s.o. C.II.4, hätte die Datenschutzrichtlinie<br />

in ihrer ursprünglichen Form auch auf Kirchen angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n müssen,<br />

sofern man nicht schon eine Ausnahme aufgrund <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />

und Religionsgemeinschaften ann<strong>im</strong>mt; a.A. ist wohl Starck, Fn. 448, S. 1433.


360<br />

gestellt. 1463 Die bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Großkirchen for<strong><strong>de</strong>r</strong>ten daher eine Bereichsausnahme für<br />

Kirchen bzw. erläutern<strong>de</strong> Zusätze bei <strong>de</strong>n vorgesehenen Ausnahmemöglichkeiten, um etwaige<br />

Auslegungsschwierigkeiten von vornherein zu unterbin<strong>de</strong>n 1464 – und sie wur<strong>de</strong> ihnen gewährt.<br />

Abgesehen davon hätte die ursprünglich vorgesehene Fassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Datenschutzrichtlinie das<br />

Seelsorgegehe<strong>im</strong>nis gefähr<strong>de</strong>t, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Datenschutzbehör<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugriff auf<br />

innerkirchliche Aktenbestän<strong>de</strong> und Daten zur Kontrolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Einhaltung <strong>de</strong>s Datenschutzes<br />

gestattet wor<strong>de</strong>n wäre. 1465<br />

Nach Art. 8 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG ist nunmehr die Erhebung und Ve<strong>ra</strong>rbeitung von Daten<br />

über religiöse Überzeugungen grundsätzlich nach wie vor untersagt:<br />

„(1) Die Mitgliedstaaten untersagen die Ve<strong>ra</strong>rbeitung personenbezogener Daten, aus <strong>de</strong>nen die<br />

<strong>ra</strong>ssische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse o<strong><strong>de</strong>r</strong> philosophische<br />

Überzeugungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie von Daten über<br />

Gesundheit und Sexualleben.“<br />

Allerdings sieht Art. 8 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG Ausnahmen von diesem Verbot vor. Für Kirchen<br />

und Religionsgemeinschaften ist Art. 8 Abs. 2 lit. d <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG von Be<strong>de</strong>utung:<br />

„(2) Absatz 1 fin<strong>de</strong>t in folgen<strong>de</strong>n Fällen keine Anwendung:<br />

[...]<br />

d) die Ve<strong>ra</strong>rbeitung erfolgt auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage angemessener Ga<strong>ra</strong>ntien durch eine politisch,<br />

philosophisch, religiös o<strong><strong>de</strong>r</strong> gewerkschaftlich ausgerichtete Stiftung, Vereinigung o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

sonstige Organisation, die keinen Erwerbszweck verfolgt, <strong>im</strong> Rahmen ihrer rechtmäßigen<br />

Tätigkeiten und unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Vo<strong>ra</strong>ussetzung, daß sich die Ve<strong>ra</strong>rbeitung nur auf die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Organisation o<strong><strong>de</strong>r</strong> auf Personen, die <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong><strong>de</strong>r</strong>en Tätigkeitszweck regelmäßige<br />

Kontakte mit ihr unterhalten, bezieht und die Daten nicht ohne Einwilligung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

betroffenen Person an Dritte weitergegeben wer<strong>de</strong>n;“<br />

Grundsätzlich sind eigene Beit<strong>ra</strong>gserhebungen durch Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

von Art. 8 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG ge<strong>de</strong>ckt, nicht dagegen die KiSt-Ve<strong>ra</strong>nlagung durch die<br />

staatlichen Finanzämter i.R.d. Lohnabzugsverfahrens. 1466<br />

1463<br />

So Ehnes, Fn. 248, S. 47. In an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten, wie z.B. Griechenland, sahen<br />

Religionsgemeinschaften keinen Anlaß, für eine Ausnahme <strong>de</strong>s Richtlinienvorschlags zu<br />

kämpfen, vgl. nur Spyropoulos, Fn. 144, S. 45 ff., 49.<br />

1464<br />

Gemeinsame Stellungnahme, Fn. 510, S. 25.<br />

1465<br />

So Robbers, Fn. 103, S. 623.<br />

1466<br />

So auch Starck, Fn. 448, S. 1434.


361<br />

Zusätzlich sieht Art. 8 Abs. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG jedoch vor, daß die Mitgliedstaaten<br />

vorbehaltlich angemessener Ga<strong>ra</strong>ntien aus Grün<strong>de</strong>n eines wichtigen öffentlichen Interesses <strong>im</strong><br />

Wege einer nationalen Rechtsvorschrift an<strong><strong>de</strong>r</strong>e als die in Absatz 2 genannten Ausnahmen<br />

vorsehen können.<br />

Dabei hätte man grds. davon ausgehen müssen, daß die Einziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt <strong>im</strong> Lohnabzugsverfahren<br />

nicht als wichtiges öffentliches Interesse angesehen wer<strong>de</strong>n kann. 1467<br />

Es wäre daher<br />

nur möglich gewesen, an<strong><strong>de</strong>r</strong>e – gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Datenschutzrichtlinie höher<strong>ra</strong>ngige –<br />

Prinzipien, wie z.B. das Subsidiaritätsprinzip, zur Sicherung <strong>de</strong>s bisherigen KiSt-<br />

Einzugsverfahrens zu bemühen.<br />

Aufgrund einer massiven Intervention <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Großkirchen wur<strong>de</strong> in die Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Endfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG nachfolgend genannter 35. Erwägungsgrund eingefügt, was zur<br />

Folge hat, daß die Datenve<strong>ra</strong>rbeitung zur KiSt-Erhebung <strong>im</strong> Lohnabzugsverfahren als ein<br />

solches wichtiges öffentliches Interesse anerkannt wer<strong>de</strong>n kann:<br />

„(35) Die Ve<strong>ra</strong>rbeitung personenbezogener Daten durch staatliche Stellen für verfassungsrechtlich<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> völkerrechtlich nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegte Zwecke von staatlich anerkannten Religionsgesellschaften<br />

erfolgt ebenfalls <strong>im</strong> Hinblick auf ein wichtiges öffentliches Interesse.“<br />

Der 35. Erwägungsgrund gehört zwar nicht unmittelbar zum Text <strong><strong>de</strong>r</strong> Datenschutzrichtlinie,<br />

kann aber vom EuGH zur Auslegung <strong>de</strong>s Art. 8 Abs. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG he<strong>ra</strong>ngezogen<br />

wer<strong>de</strong>n. Subsumiert man die gegenwärtige <strong>de</strong>utsche Rechtslage unter <strong>de</strong>n 35.<br />

Erwägungsgrund, so besteht für <strong>de</strong>n umfassen<strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>rbeitung in Art. 2 Ziff. b<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> RL95/46/EG eine Legal<strong>de</strong>finition, wonach u.a. das Erheben und Speichern, die<br />

Aufbewahrung, das Abf<strong>ra</strong>gen und die Weitergabe von Daten erfaßt wer<strong>de</strong>n. Als<br />

personenbezogene Daten gelten gemäß Art. 2 Ziff. a <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG alle Informationen über<br />

eine best<strong>im</strong>mte o<strong><strong>de</strong>r</strong> best<strong>im</strong>mbare natürliche Person, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e durch Zuordnung zu<br />

spezifischen Elementen, die Ausdruck u.a. ihrer kulturellen o<strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen I<strong>de</strong>ntität sind,<br />

hierunter fällt auch die Religionszugehörigkeit. Die <strong>im</strong> 35. Erwägungsgrund genannte<br />

staatliche Stelle ist das Finanzamt, welches für staatlich anerkannte Religionsgesellschaften –<br />

vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV – tätig wird. Als verfassungsrechtlich<br />

nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegter Zweck wird durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV ausdrücklich <strong>de</strong>n<br />

Religionsgesellschaften mit öffentlich-rechtlichem Status die Berechtigung zuerkannt, nach<br />

Maßgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> lan<strong>de</strong>srechtlichen Best<strong>im</strong>mungen Kirchensteuern zu erheben. <strong>Das</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

KiSt-Erhebung ist für die Röm.-Kath. Kirche zusätzlich über die verschie<strong>de</strong>nen Konkordate<br />

1467 Starck, Fn. 448, S. 1434 f., weist zu Recht da<strong>ra</strong>uf hin, daß zwar generell die Erhebung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchensteuer durch Religionsgemeinschaften, nicht jedoch das Lohnabzugsverfahren nach<br />

Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV grundgesetzlich vorgesehen ist.


362<br />

<strong>de</strong>s Hl. Stuhls abgesichert; hie<strong>ra</strong>uf stellt <strong><strong>de</strong>r</strong> völkerrechtlich nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegte Zweck <strong>im</strong> 35.<br />

Erwägungsgrund ab. Als „völkerrechtlich nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegte Zwecke“ können die Ga<strong>ra</strong>ntien in <strong>de</strong>n<br />

Kirchenverträgen <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen Kirchen mit <strong>de</strong>n einzelnen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n mangels<br />

Völkerrechtssubjektivität <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Gliedkirchen nicht gewertet wer<strong>de</strong>n. 1468<br />

Dieser<br />

unterschiedlichen völkerrechtlichen Behandlung käme jedoch erst bei einer Aufhebung o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV Be<strong>de</strong>utung zu.<br />

Allerdings wird das Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> aufgrund von Art. 95 (ex-Art. 100a) EGV erlassenen<br />

Datenschutzrichtlinie, die Erreichung eines einheitlichen europäischen Datenschutzniveaus<br />

durch Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen nationalen Datenschutzstandards 1469 durch<br />

mitgliedstaatliche Ausnahmeregelungen gemäß Art. 8 Abs. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG wie<strong><strong>de</strong>r</strong> unterlaufen.<br />

1470 So (pekuniär) wertvoll sich eine nationale Ausnahmebest<strong>im</strong>mung für Kirchen, die<br />

vom Kirchensteuereinzugsverfahren Geb<strong>ra</strong>uch machen, darstellen mag, so kritisch muß eine<br />

solche Ausnahme <strong>de</strong>s Datenschutzes für sensible Daten wie die Religionszugehörigkeit bzw.<br />

religiöse Überzeugungen gesehen wer<strong>de</strong>n. 1471<br />

Daher stellt <strong><strong>de</strong>r</strong> 34. Erwägungsgrund – auf diesen bezieht sich auch <strong><strong>de</strong>r</strong> 35. Erwägungsgrund –<br />

für solcherlei Ausnahmen vom Verbot <strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>rbeitung sensibler Datenkategorien die<br />

folgen<strong>de</strong> Verpflichtung auf:<br />

„Die Mitgliedstaaten müssen jedoch geeignete beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ga<strong>ra</strong>ntien zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte<br />

und <strong><strong>de</strong>r</strong> Privatsphäre von Personen vorsehen.“<br />

Der Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte, <strong><strong>de</strong>r</strong> hier angesprochen ist, bezieht sich insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auf die<br />

Religionsfreiheit. Die Pflicht zur Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Lohnsteuerkarte<br />

hat für Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> von Religionsgemeinschaften, welche nicht vom KiSt-Einzugsverfahren<br />

1468 Vgl. insoweit die Ausführungen oben I.I.1.c).<br />

1469 Vgl. Kopp, Fn. 1459, S. 10.<br />

1470 So Geis, Internet und Datenschutzrecht, NJW 1997, S. 288 ff., 289.<br />

1471 So auch S<strong>im</strong>itis, Fn. 1460, S. 287, <strong><strong>de</strong>r</strong> sogar davon spricht, daß vom „kategorisch<br />

gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Verbot“ <strong>de</strong>s Art. 8 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG durch die genannten<br />

Ausnahmebest<strong>im</strong>mungen nach Abs. 2 u. 4 „zu guter Letzt nichts übrig“ bleibt; ebenso<br />

Kaissis, Datenschutz in Griechenland?, in: Yessiou-Faltsi/Jost/Kaissis/Apalagaki (Hrsg.),<br />

S. 253 ff., 277: „Die große Anzahl von Ausnahmen macht die beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s schutzwürdigen<br />

sensitiven Daten p<strong>ra</strong>ktisch wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu normalen Daten.“ Auch innerkirchlich ist Datenve<strong>ra</strong>rbeitung<br />

ein „zweischneidiges Schwert“, vgl. die Ausführungen von Hoeren, Fn. 1453,<br />

S. 217 ff., <strong><strong>de</strong>r</strong> auf die „davidische Versuchung“, 2. Sam. 24, 2 – 4, 8, 9a, 10, hinweist.


363<br />

Geb<strong>ra</strong>uch machen, die Preisgabe <strong>de</strong>s Schutzes äußerst sensibler Daten zur Folge – ein Opfer,<br />

das von <strong>de</strong>n Befürwortern <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt meist als Selbstverständlichkeit vo<strong>ra</strong>usgesetzt wird. 1472<br />

Die Religionsfreiheit umfaßt hingegen nicht nur die korpo<strong>ra</strong>tiven Rechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Großkirchen zur<br />

Sicherung <strong>de</strong>s Lohnabzugsverfahrens, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch die Religionsfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht von<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt Geb<strong>ra</strong>uch machen<strong>de</strong>n Religionsgemeinschaften sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Diese<br />

können sich auf das – aus <strong>de</strong>m allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleiteten – Freiheitsrecht<br />

auf informationelle Selbstbest<strong>im</strong>mung berufen. 1473<br />

Die hierdurch entstehen<strong>de</strong> Grundrechtskollision 1474 darf nicht von vornherein einseitig das<br />

Nachgeben <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtspositionen <strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen zur Folge haben. 1475<br />

Vielmehr muß<br />

1472<br />

So verweist Robbers, Fn. 1449, S. 33, in seinem Beit<strong>ra</strong>g über die religionsrechtliche Situation<br />

in Deutschland auf die „Existenz zweier Großkirchen“, ohne das Vorhan<strong>de</strong>nsein<br />

kleinerer Kirchen, wie z.B. Freikirchen, auch nur zu erwähnen. Ein in Österreich durchgeführter<br />

Testversuch zum Abzug <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt auf <strong>de</strong>m Wege <strong>de</strong>s Lohnabzugs stieß dagegen bei<br />

95,7 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Beschäftigten auf Ablehnung o<strong><strong>de</strong>r</strong> zumin<strong>de</strong>st Indifferenz, vgl. P<strong>ra</strong><strong>de</strong>l, Fn. 1338,<br />

S. 334 f., da diese – zu Recht – Religion streng als Privatsache bet<strong>ra</strong>chteten, die „nicht ins<br />

Lohnbüro“ ihres Arbeitgebers gehöre.<br />

1473<br />

Im Gemeinschaftsrecht wur<strong>de</strong> dieses Grundrecht durch <strong>de</strong>n EuGH zwar noch nicht explizit<br />

festgestellt. Allerdings hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Existenz <strong>de</strong>s Grundrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Privatsphäre in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. 136/79 (National Panasonic/Kommission), Slg. 1980, S. 2033 ff.,<br />

2056 f., festgestellt, unter welches das Recht auf informationelle Selbstbest<strong>im</strong>mung<br />

ebenfalls subsumiert wer<strong>de</strong>n kann.<br />

1474<br />

So auch Giannoulis, Die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s „Europa <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger“ und ihre Be<strong>de</strong>utung für <strong>de</strong>n<br />

Grundrechtsschutz, in: Vorträge, Re<strong>de</strong>n und Berichte aus <strong>de</strong>m Europa-Institut, Sektion<br />

Rechtswissenschaft, hrsg. von Ress/Stein, Saarbrücken 1992, Nr. 268, S. 64; Kopp,<br />

Fn. 1459, S. 12. Giannoulis, a.a.O., weist zutreffend da<strong>ra</strong>uf hin, daß die Grundrechte, die<br />

<strong>de</strong>n Datenschutz for<strong><strong>de</strong>r</strong>n, keinen geringeren Schutz genießen, als die Grundrechte, die i.R.d.<br />

Wirtschaftsfreiheit [o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit] die Datenve<strong>ra</strong>rbeitung for<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Eine Bevorzugung<br />

auf Kosten <strong>de</strong>s Datenschutzes sei verfassungsrechtlich nicht haltbar.<br />

1475<br />

Dies wur<strong>de</strong> in Deutschland zuletzt durch das „Kruzifix-Urteil“, BVerfGE 93, S. 1 ff., 24,<br />

bestätigt; vgl. auch Geldbach, Fn. 189, S. 8, 10, <strong><strong>de</strong>r</strong> ebenfalls betont, daß die Religionsfreiheit<br />

ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> als Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitenschutz Verfassungsbestandteil ist. Wür<strong>de</strong> dagegen unter<br />

Berufung auf die Religionsfreiheit einseitig <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit eine Rechtsposition gewährt, so<br />

ginge dieser Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitenschutz ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> verloren. Für Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> kleinerer Religionsgemeinschaften<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Sekten“ kann die Pflicht zur Offenbarung ihrer Religionszugehörigkeit<br />

durchaus berufliche Nachteile mit sich bringen. Gleiches gilt u.U. dann, wann<br />

anstelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugehörigkeit zu einer <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Großkirchen gegenüber <strong>de</strong>m Arbeitgeber<br />

„keine“ angegeben wird.


364<br />

i.R.d. Grundrechtsabwägung nach Wegen gesucht wer<strong>de</strong>n, wie die Interessen bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppen<br />

von Religionsgemeinschaften zu einem schonen<strong>de</strong>n Ausgleich geführt wer<strong>de</strong>n könnten, wobei<br />

nicht allein zahlenmäßige Kriterien entschei<strong>de</strong>nd sein dürfen. Vielmehr muß berücksichtigt<br />

wer<strong>de</strong>n, daß das <strong>im</strong> Hinblick auf Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV als verfassungsrechtlich<br />

be<strong>de</strong>nklich einzustufen<strong>de</strong> Lohnabzugsverfahren 1476 als organisatorische Maßnahme<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedsbeit<strong>ra</strong>gseinziehung nur einen äußeren Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> korpo<strong>ra</strong>tiven Religionsfreiheit<br />

berührt, 1477 wohingegen die Pflicht zur Offenbarung <strong>de</strong>s Religionsbekenntnisses <strong>de</strong>n<br />

Schutzbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen Religionsfreiheit <strong>im</strong> Kern trifft. Die Auffassung Gerhard<br />

Robbers’, die Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit „wäre auch dann wesentlich, wenn die<br />

Kirchen in eigener Regie die Kirchensteuer erheben wür<strong>de</strong>n“ 1478 , wozu sie gemäß<br />

Art. 140 i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV „auf Grund <strong><strong>de</strong>r</strong> bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> lan<strong>de</strong>srechtlichen Best<strong>im</strong>mungen“ berechtigt wären, 1479 ist nicht zwingend. Da es keine<br />

bürgerlichen Steuerlisten mehr gibt, muß die Vorschrift <strong><strong>de</strong>r</strong> WRV – i.R.d. p<strong>ra</strong>ktischen<br />

Konkordanz mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit Dritter in Einklang geb<strong>ra</strong>cht – dahingehend ausgelegt<br />

wer<strong>de</strong>n, daß sie nur einen Einblick <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften in die Steuerlisten ihrer<br />

Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> gewährt. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften müßten eigentlich ihre<br />

Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>listen <strong>de</strong>m Finanzamt vorlegen, das da<strong>ra</strong>ufhin – ebenfalls gegen eine<br />

Aufwandsentschädigung – diesen das zu versteuern<strong>de</strong> Einkommen ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> nennt,<br />

wo<strong>ra</strong>uf die Einziehung <strong>de</strong>s maßgeblichen Bet<strong>ra</strong>ges erfolgt. Über die Religionszugehörigkeit<br />

müßten die Arbeitgeber in diesem Fall überhaupt nicht informiert wer<strong>de</strong>n. 1480<br />

Dies entspricht <strong><strong>de</strong>r</strong> ohnehin <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht p<strong>ra</strong>ktizierten und bewährten Rechtslage,<br />

die für die EG-Beamten in Art. 26 Abs. 4 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts ausdrücklich festlegt: „Die<br />

1476<br />

Vgl. z.B. Erwin Fischer, Fn. 6, S. 222.<br />

1477<br />

Es ist allgemein anerkannt, daß das kirchliche Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht nicht in <strong>de</strong>n Kern-,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong>de</strong>n Randbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit fällt, vgl. nur Bleckmann, in: Christoph,<br />

Fn. 139, S. 416; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 133, S. 14.<br />

1478<br />

Robbers, Fn. 1449, S. 41.<br />

1479<br />

Vgl. hierzu Czermak, Fn. 184, S. 476.<br />

1480<br />

Die Kenntnis <strong>de</strong>s Arbeitgebers von <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit erscheint schon nach<br />

nationalem Verfassungsrecht be<strong>de</strong>nklich. So lautet Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 GG<br />

wörtlich: „Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behör<strong>de</strong>n<br />

haben nur soweit das Recht, nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu<br />

f<strong>ra</strong>gen, als davon Rechte und Pflichten abhängen o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine gesetzlich angeordnete<br />

statistische Erhebung dies erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t.“ Die „Rechte und Pflichten“ nach Art. 136 Abs. 3 S. 2<br />

WRV müssen <strong>im</strong> Hinblick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbest<strong>im</strong>mung<br />

restriktiv ausgelegt wer<strong>de</strong>n und können sich <strong>im</strong> übrigen nur auf die Beziehungen zwischen<br />

Bürger und Staat beziehen; so auch Erwin Fischer, Fn. 6, S. 222.


365<br />

Personalakte darf keinerlei Angaben über die politischen, weltanschaulichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen<br />

Überzeugungen <strong>de</strong>s Beamten enthalten.“ 1481<br />

Der 35. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Datenschutzrichtlinie ist m.E. daher mit höher<strong>ra</strong>ngigem<br />

Gemeinschaftsrecht, zu welchen die Religionsfreiheit gemäß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />

i.V.m. Art. 9 EMRK zählt, unvereinbar.<br />

d) Exkurs: Datenschutz und kirchliches Mel<strong>de</strong>wesen<br />

Ähnlich kritisch <strong>im</strong> Hinblick auf datenschutzrechtliche Gesichtspunkte muß die Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionszugehörigkeit <strong>im</strong> staatlichen Mel<strong>de</strong>wesen beurteilt wer<strong>de</strong>n. Die Pflicht zur Angabe<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit be<strong>im</strong> Einwohnermel<strong>de</strong>amt wird kirchlicherseits stets damit<br />

gerechtfertigt, das lan<strong>de</strong>skirchliche System <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen Kirchen sei da<strong>ra</strong>uf angewiesen,<br />

daß die staatlichen Mel<strong>de</strong>behör<strong>de</strong>n bei einem Umzug eines ihrer Kirchenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in das<br />

Einzugsgebiet einer neuen Lan<strong>de</strong>skirche, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> Umziehen<strong>de</strong> automatisch wer<strong>de</strong>,<br />

dieser die Mel<strong>de</strong>bescheinigung übersen<strong>de</strong>. 1482 Die Verpflichtung zur Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionszugehörigkeit <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Mel<strong>de</strong>wesens stellt – vergleichbar mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Pflicht zur<br />

Angabe <strong>de</strong>s religiösen Bekenntnisses auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Lohnsteuerkarte – einen Eingriff in das Recht<br />

auf informationelle Selbstbest<strong>im</strong>mung für die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> von Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen dar, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich<br />

nicht schon aufgrund <strong>de</strong>s Art. 140 i.V.m. 137 Abs. 3 WRV rechtfertigen läßt, zumal es sich<br />

bei <strong>de</strong>n Betroffenen nicht um eigene Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Großkirchen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n um Dritte<br />

han<strong>de</strong>lt. 1483<br />

1481<br />

Die Unterscheidung zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Überzeugung <strong>de</strong>s Arbeitnehmers und seiner<br />

Konfessionszugehörigkeit, wie sie v. Campenhausen, Fn. 74, S. 268, durchführt, wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n<br />

Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Überzeugung, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Konfessionszugehörigkeit<br />

manifestiert, unterlaufen, da es ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> <strong>im</strong> Hinblick auf einen wachsen<strong>de</strong>n Plu<strong>ra</strong>lismus unter<br />

Religionsgemeinschaften zu einer untrennbaren Vermischung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Merkmale kommt. So<br />

differiert z.B. die religiöse Überzeugung eines Baptisten von <strong><strong>de</strong>r</strong> eines Methodisten nur<br />

unwesentlich, macht sich aber exakt in <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen Konfession fest. Aus diesem<br />

Grun<strong>de</strong> sollen nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Entschließung zur Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, ABl. 1996, Nr. C 320, S. 36 ff., 56. Erwägungsgrund, vgl. oben<br />

Fn. 366, alle Informationen persönlichen Cha<strong>ra</strong>kters von einem Kontrollsystem ausgeschlossen<br />

wer<strong>de</strong>n, wobei hier die Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit ebenso wie die<br />

Speicherung religiöser Überzeugungen genannt wird.<br />

1482<br />

Robbers, Fn. 1449, S. 41 f., sieht wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um nur <strong>de</strong>n Aufwand, <strong>de</strong>n es ansonsten für die<br />

Kirchen darstellen wür<strong>de</strong>, ein eigenes Mel<strong>de</strong>wesen aufzubauen. Freikirchen z.B. gelingt die<br />

Aufrechterhaltung eines Mel<strong>de</strong>wesens ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> jedoch ohne größere Schwierigkeiten.<br />

1483<br />

Aus diesem Grund ist § 2 Abs. 1 Nr. 11 MRRG bzw. die entsprechen<strong>de</strong> lan<strong>de</strong>srechtliche<br />

Vorschrift, z.B. Art. 3 Abs. 1 Nr. 11, Abs. 2 Nr. 2, 18 Abs. 1, 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 5, S. 3


366<br />

Wür<strong>de</strong> dagegen europaweit ein Weg über eine Kultussteuer italienischen Zuschnitts in<br />

Ergänzung zu einem Spen<strong>de</strong>n- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Beit<strong>ra</strong>gssystem 1484 beschritten, stellten sich <strong><strong>de</strong>r</strong>artige<br />

Probleme nicht mehr. 1485 Insofern verschleiert die Bezeichnung <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt als bloßen<br />

„Mitgliedsbeit<strong>ra</strong>g“ 1486<br />

<strong>de</strong>n Blick für die datenschutzrechtlichen Probleme, die allein <strong>de</strong>shalb<br />

entstehen, weil die KiSt nicht von <strong>de</strong>n Kirchen selbst eingezogen wird, wie dies bei<br />

Mitgliedsbeiträgen die Regel ist.<br />

e) Exkurs: Art. 286 (ex-Art. 213b) EGV<br />

Durch <strong>de</strong>n Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g wur<strong>de</strong> eine eigene Datenschutznorm durch die neue<br />

Vorschrift Art. 286 (ex-Art. 213b) EGV in das Gemeinschaftsrecht eingefügt. Hintergrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schaffung einer solchen Best<strong>im</strong>mung war, daß die Datenschutzrichtlinie wie je<strong>de</strong> Richtlinie<br />

nur die Mitgliedstaaten selbst bin<strong>de</strong>t, vgl. Art. 249 (ex-Art. 189) Abs. 3 EGV, und daher auf<br />

Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane selbst keine Anwendung fin<strong>de</strong>t. 1487<br />

Art. 286<br />

(ex-Art. 213b) Abs.1 EGV sieht daher vor, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Datenschutz nach <strong>de</strong>m Sekundärrecht, d.h.<br />

BayMel<strong>de</strong>G, wonach die rechtliche Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen<br />

Religionsgesellschaft <strong>im</strong> Mel<strong><strong>de</strong>r</strong>egister gespeichert und übermittelt wer<strong>de</strong>n darf, ebenfalls<br />

verfassungs- sowie gemeinschaftsrechtlich als sehr be<strong>de</strong>nklich einzustufen. Noch <strong>de</strong>utlich<br />

steht in F<strong>ra</strong>nkreich <strong><strong>de</strong>r</strong> Mißb<strong>ra</strong>uch religiöser Daten durch die Vichy-Regierung sowie die<br />

<strong>de</strong>utsche Besatzungsmacht vor Augen, <strong>de</strong>nen die damals vorhan<strong>de</strong>nen Register über die<br />

jüdischen Mitbürger eine wesentliche Erleichterung zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en Auffindung b<strong>ra</strong>chte; das<br />

Vorhan<strong>de</strong>nsein von Daten über die Religionszugehörigkeit trug somit in nicht unerheblichem<br />

Umfange zur „Endlösung“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Ju<strong>de</strong>nf<strong>ra</strong>ge bei. Da für die Zukunft nicht mit allerletzter<br />

Sicherheit vo<strong>ra</strong>usgesagt wer<strong>de</strong>n kann, daß sich pa<strong>ra</strong>llele politische Entwicklungen<br />

niemals wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holen, muß <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufbau einer staatlichen Datenbank mit <strong><strong>de</strong>r</strong>art sensiblen<br />

Daten m.E. schon <strong>im</strong> Ke<strong>im</strong> erstickt wer<strong>de</strong>n.<br />

1484<br />

Feldhoff, Fn. 1326, S. 47, dagegen regt neben <strong>de</strong>m KiSt-System ein Spen<strong>de</strong>nsystem an. Die<br />

Gebefreudigkeit dürfte sich jedoch angesichts <strong>de</strong>s Zwangscha<strong>ra</strong>kters <strong>de</strong>s ersteren Systems,<br />

das – angekoppelt an die Einkommensteuer – ohnehin eine Progression bei wachsen<strong>de</strong>m<br />

Einkommen kennt, in Grenzen halten.<br />

1485<br />

In Österreich wur<strong>de</strong>n ursprünglich <strong>de</strong>n Kirchen und Religionsgemeinschaften die<br />

Haushaltslisten zur Erhebung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bet<strong>ra</strong>gspflichtigen zugänglich gemacht. Mit <strong>de</strong>m Wegfall<br />

dieser Listen teilt <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat diesen wie<strong><strong>de</strong>r</strong> die Angabe <strong>de</strong>s Religionsbekenntnisses auf einem<br />

Mel<strong>de</strong>zettelabschnitt mit. Da man sich dort <strong><strong>de</strong>r</strong> datenrechtssensiblen Lage bewußt ist,<br />

bestehen konkrete Überlegungen zur Einführung einer Kultusabgabe, vgl. Potz, Fn. 206,<br />

S. 273, dort Fn. 45.<br />

1486<br />

Vgl. Feldhoff, Fn. 1326, S. 44 f.; 47.<br />

1487<br />

Vgl. Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 26.


367<br />

nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Datenschutzrichtlinie, ab 1. Januar 1999 auch auf Gemeinschaftsorgane und<br />

-einrichtungen erweitert wird. Gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift wer<strong>de</strong>n die<br />

Gemeinschaftsorgane durch eine unabhängige Kontrollinstanz auf die Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Datenschutzbest<strong>im</strong>mungen hin überwacht; für die bisher schon durch die<br />

Datenschutzrichtlinie verpflichteten Mitgliedstaaten ist eine solche Kontrolle schon aufgrund<br />

<strong>de</strong>s Art. 28 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG vorgesehen. Für die Religionsgemeinschaften dürfte die neue<br />

Vorschrift jedoch keine negativen Rechtsfolgen haben, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n allenfalls zum Schutz <strong>de</strong>s<br />

religiösen Bekenntnisses ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> beit<strong>ra</strong>gen.<br />

6. Staatliche Beihilfen<br />

a) Ursprünge und Wesen <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsleistungen an die Großkirchen in Deutschland<br />

Die Evangelischen Lan<strong>de</strong>skirchen und die Röm.-Kath. Kirche in Deutschland genießen<br />

beträchtliche Staatsleistungen, unabhängig davon, daß bei<strong>de</strong>n Kirchen mit <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt eigene<br />

Finanzierungsinstrumente zur Verfügung stehen. So erhalten sie vom Staat direkte<br />

Geldleistungen für die Gehälter ihrer Bischöfe und Lan<strong>de</strong>sbischöfe, Kirchenräte und<br />

Domkapitel, Militär-, Polizei- und Anstaltsgeistlichkeit; ebenso für Religionslehrer,<br />

Professoren von Theologischen Fakultäten sowie die Lehrkörper <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Hoch- und<br />

Privatschulen. 1488 Abgesehen davon wer<strong>de</strong>n Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten, K<strong>ra</strong>nkenhäuser und Altenhe<strong>im</strong>e in<br />

kirchlicher Trägerschaft fast zur Gänze unterhalten. Ferner sind negative Subventionen durch<br />

Steuerbefreiungen (Vermögen-, Körperschaft-, Erbschaft- und Grundsteuer) sowie Gebühren-<br />

und Kostenbefreiungen zu nennen. 1489 Die wohl wichtigste aktuelle Sachleistungspflicht ist<br />

die staatliche Baulast. 1490<br />

Als Ursprung dieser Staatsleistungen 1491 wer<strong>de</strong>n gemeinhin die Säkularisationen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Reformationszeit sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahre nach <strong>de</strong>m Reichs<strong>de</strong>putationshauptschluß von 1803 genannt,<br />

da sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>sherr, <strong>de</strong>m das säkularisierte Kirchengut – z.B. Abteien, Klöster, Stiftungen,<br />

bischöfliche Domänen – zugefallen war, um die finanziellen Belange seiner Lan<strong>de</strong>skirche<br />

kümmerte. 1492<br />

Seit etwa Mitte <strong>de</strong>s 19. Jh. leistete <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat Zuschüsse zur Pfarrbesoldung und<br />

-versorgung.<br />

1488<br />

So Neumann, Fn. 448, S. 56.<br />

1489<br />

Vgl. Robbers, Fn. 1327, S. 869 f.<br />

1490<br />

RGG/Weber, Bd. 6, Stichwort: Staatsleistungen an die Kirchen, Sp. 316 f.<br />

1491<br />

Vgl. hierzu instruktiv Schmidt-Eichstaedt, Fn. 1179, S. 90 ff.<br />

1492<br />

Allerdings enthielt Art. 35 <strong>de</strong>s Reichs<strong>de</strong>putationshauptschlusses lediglich einen Vorbehalt<br />

zugunsten Ausstattung <strong><strong>de</strong>r</strong> Domkirchen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Pensionen <strong><strong>de</strong>r</strong> aufgehobenen Geistlichkeit,


368<br />

b) Pflicht zur Ablösung von Staatsleistungen<br />

Schon Art. 138 Abs. 1 S. 1 WRV for<strong><strong>de</strong>r</strong>te die Ablösung <strong><strong>de</strong>r</strong> auf Gesetz, Vert<strong>ra</strong>g o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechtstiteln beruhen<strong>de</strong>n Staatsleistungen an die Kirchen. Der Grund hierfür lag<br />

darin, daß in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit nur die Lan<strong>de</strong>skirchen eine finanzielle För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung erhalten<br />

hatten, da sich die <strong>de</strong>utschen Lan<strong>de</strong>sfürsten ausschließlich mit <strong>de</strong>n christlichen Großkirchen<br />

verbun<strong>de</strong>n fühlten, während <strong>de</strong>n kleinen Glaubensgemeinschaften jegliche Dotation<br />

verweigert wor<strong>de</strong>n war; diese Ungleichbehandlung wollte die We<strong>im</strong>arer Reichsversammlung<br />

been<strong>de</strong>n. 1493 Bis zum Erlaß eines entsprechen<strong>de</strong>n Reichsgesetzes, Art. 138 Abs. 1 S. 2 WRV,<br />

sollten die Staatsleistungen noch bestehen bleiben, vgl. Art. 173 WRV. Zwar wur<strong>de</strong> lediglich<br />

Art. 138 Abs. 1 WRV, nicht aber Art. 173 WRV, durch Art. 140 GG in das Grundgesetz<br />

übernommen. Da Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 S. 1 WRV jedoch die Ablösung ausdrücklich<br />

verlangt, dürfte hierfür ein einfaches Bun<strong>de</strong>sgesetz genügen. <strong>Das</strong> Grundgesetz kennt<br />

damit ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> nicht die Begründung neuer Leistungspflichten an die Kirchen, 1494 son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

vielmehr die Aufhebung dieser Pflichten. 1495 Die Ablösungspflicht ist Folge <strong>de</strong>s<br />

Paritätsgedankens aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV,<br />

wonach keine Staatskirche existiert. Der <strong>de</strong>utsche Staat hatte aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung zur<br />

Gleichbehandlung aller anerkannten Religionsgesellschaften ab 1919 entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> die bisher leer<br />

ausgehen<strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgesellschaften ebenfalls zu subventionieren o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber – diesen<br />

Weg legte Art. 138 Abs. 1 WRV fest – die Gleichheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgesellschaften durch<br />

Abschaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Staatsleistungen zu verwirklichen. 1496<br />

Der konsequent befolgte<br />

Paritätsgedanke stün<strong>de</strong> übrigens rechtlich sogar einer Ablösung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsleistungen gegen<br />

und galt nur für die Röm.-Kath. Kirche, vgl. B<strong>ra</strong>uns, Staatsleistungen an die Kirchen und<br />

ihre Ablösung, Berlin 1970, S. 16; die genannte Vorschrift wird ebenda unter Fn. 8 zitiert.<br />

1493<br />

Vgl. Schmidt-Eichstaedt, Fn. 1179, S. 94.<br />

1494<br />

So aber z.B. Robbers, Fn. 1327, S. 869, 875, <strong><strong>de</strong>r</strong> überdies – in offenkundigem Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch<br />

zum Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 138 Abs. 1 WRV und einzig infolge <strong><strong>de</strong>r</strong> bislang am Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchen gescheiterten gesetzgeberischen Initiative zur Abschaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsleistungen –<br />

über <strong>de</strong>n Rechtsgedanken <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwirkung eine „faktische wie rechtliche Ga<strong>ra</strong>ntie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Staatsleistungen“ konstruieren will, a.a.O., S. 874.<br />

1495<br />

So schon sehr ausführlich die – kirchlicherseits freilich selten <strong>im</strong> Detail zitierte – Dissertation<br />

von B<strong>ra</strong>uns, Fn. 1492, S. 11.<br />

1496<br />

Vgl. B<strong>ra</strong>uns, Fn. 1492, S. 91, 98 f., 100. Dieser führt zu Recht aus, daß Art. 137 Abs. 1<br />

WRV die „Bevorrechtung einiger weniger Kirchen, durch die <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat die positive<br />

Beurteilung von <strong><strong>de</strong>r</strong>en Glaubenslehren ausdrückte“, verbietet, B<strong>ra</strong>uns, a.a.O., S. 98.


369<br />

Entschädigung entgegen; 1497<br />

dies wäre jedoch politisch kaum durchsetzbar und p<strong>ra</strong>ktisch<br />

unve<strong>ra</strong>ntwortbar.<br />

Mittlerweile wur<strong>de</strong>n auch in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten, wie z.B. in Spanien o<strong><strong>de</strong>r</strong> Italien, die<br />

Staatsleistungen als Kompensation für enteignetes o<strong><strong>de</strong>r</strong> beschlagnahmtes Kirchengut durch<br />

die Kultussteuer abgelöst. Seit 1981 wird in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n die Besoldung <strong><strong>de</strong>r</strong> Geistlichen<br />

ebenfalls nicht mehr übernommen; die bisherigen Staatsleistungen wur<strong>de</strong>n durch eine<br />

Einmalzahlung abgegolten. Auch in Deutschland wäre eine Ablösung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsleistungen,<br />

1498<br />

wie sie Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 WRV verlangt, längst überfällig, zumal<br />

1497<br />

A.A. HdbStKirchR/Isensee, Staatsleistungen an die Kirchen und Religionsgemeinschaften,<br />

Erster Bd., § 35, S. 1009 ff., 1016, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung, <strong><strong>de</strong>r</strong> ersatzlose Wegfall <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Staatsleistungen sei von Verfassungs wegen ausgeschlossen. Aus Art. 138 Abs. 1 WRV<br />

ergibt sich dies in<strong>de</strong>s nicht zwingend. Zu wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen ist Isensee, a.a.O., S. 1036, jedoch<br />

vor allem darin, daß eine Ablösung auch in einer wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kehren<strong>de</strong>n Leistung, etwa in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Zahlung einer „ewigen Rente“, erb<strong>ra</strong>cht wer<strong>de</strong>n könne. Faktisch han<strong>de</strong>lt es sich in einem<br />

solchen Fall m.E. nicht um eine Ablösung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n um die Fortschreibung <strong>de</strong>s Ist-<br />

Zustan<strong>de</strong>s. Schmidt-Eichstaedt, Fn. 1179, S. 97, weist zutreffend unter Verweis auf § 1199<br />

Abs. 2 BGB da<strong>ra</strong>uf hin, daß unter <strong>de</strong>m Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Ablösung nur eine endgültige Aufhebung<br />

vermögenswerter Leistungen gegen eine einmalige Ausgleichsleistung verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Einer solchen Ausgleichszahlung dürfte, an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als dies Kleindienst/ Bin<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn.<br />

1333, S. 204, einfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n, auch nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> 18,6fache Jahreswert <strong><strong>de</strong>r</strong> Dotationen zugrun<strong>de</strong><br />

gelegt wer<strong>de</strong>n. Dieser Vervielfältiger wird nach § 13 Abs. 2 Hs. 1 BewG nur für<br />

<strong>im</strong>merwähren<strong>de</strong> Nutzungen und Leistungen gewährt. Als <strong>im</strong>merwährend sind jedoch nach<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH vom 11.12.1970, BStBl. 1971 II, S. 386, Nutzungen und<br />

Lasten nur dann anzusehen, wenn ihr En<strong>de</strong> von Ereignissen abhängt, von <strong>de</strong>nen ungewiß<br />

ist, ob und wann sie in absehbarer Zeit eintreten. Daß die Staatsleistungen abgelöst wer<strong>de</strong>n<br />

sollen, ist jedoch seit 1919 durch <strong>de</strong>n pouvoir constituant ein<strong>de</strong>utig positiv beantwortet<br />

wor<strong>de</strong>n und somit nicht mehr von einem ungewissen Ereignis abhängig. Außer<strong>de</strong>m sollte<br />

man sich vor Augen führen, daß die Ablösung schon vor über 80 Jahren erfolgen sollte.<br />

Zusätzlich zur Ungleichbehandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenkörperschaften in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit wür<strong>de</strong><br />

eine <strong><strong>de</strong>r</strong>art hohe Ablösung diese Diskr<strong>im</strong>inierung nur noch perpetuieren. Erwin Fischer,<br />

Fn. 6, S. 240, zitiert diesbezüglich Ernst Mahrenholz, nach welchem es Sinn <strong>de</strong>s<br />

Ablösungsbefehls sei, <strong>im</strong> Hinblick auf das Verbot <strong>de</strong>s Staatskirchentums die finanziellen<br />

Beziehungen zwischen Staat und Kirche zu entflechten und insofern die Trennung von Staat<br />

und Kirche zu verwirklichen.<br />

1498<br />

P<strong>ra</strong>ntl, Fn. 118, S. 88 f., weist da<strong>ra</strong>uf hin, daß die Kirchen, die vor knapp 2 Jh. von<br />

Napoleon enteignet wur<strong>de</strong>n, heute weit besser dastehen, als die i.R.d. „Großen Bo<strong>de</strong>nreform“<br />

enteigneten Großgrundbesitzer Ostelbiens. Auch die Abgeordneten <strong><strong>de</strong>r</strong> WRV mit<br />

Ausnahme <strong>de</strong>s Zentrums und <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Rechten waren schon 1919 (!) <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht, daß<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Staat seinen möglicherweise mit <strong>de</strong>n Säkularisationsvorgängen begrün<strong>de</strong>ten Entschä-


370<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>artige Staatsleistungen aufgrund <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> geför<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Großkirchen<br />

nicht mehr Mittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenpolitik, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur noch Mittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Subventionierung<br />

ausgewählter Religionsgesellschaften sein kann, welche aufgrund von Paritätsüberlegungen<br />

ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n soll. 1499<br />

Allerdings wird die Verpflichtung zu Staatsleistungen häufig in Konkordaten 1500 o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchenverträgen 1501 geregelt. Selbst wenn diese eine vert<strong>ra</strong>gliche Verpflichtung von Bund<br />

und Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n zur Gewährung von Staatsleistungen enthalten, bestün<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n Staat eine<br />

Kündigungspflicht nach Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV, soweit durch das<br />

Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht gegen pr<strong>im</strong>äres o<strong><strong>de</strong>r</strong> sekundäres Gemeinschaftsrecht verstoßen wür<strong>de</strong>.<br />

Unerheblich ist, ob die Rechtsgrundlage für die Gewährung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsleistungen schon vor<br />

Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s EWG-Vert<strong>ra</strong>gs bestand o<strong><strong>de</strong>r</strong> erst <strong>im</strong> nachhinein geschaffen wur<strong>de</strong>. 1502<br />

c) Staatliche Beihilfe i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) EGV<br />

aa) Definition einer staatlichen Beihilfe<br />

Unter <strong>de</strong>n weit 1503<br />

auszulegen<strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Beihilfen i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92)<br />

EGV faßt man alle staatlichen „Maßnahmen, die in verschie<strong>de</strong>ner Form die Belastungen<br />

digungspflichten durch die langwähren<strong>de</strong> Unterstützung <strong><strong>de</strong>r</strong> Großkirchen längst Genüge<br />

getan habe, vgl. Schmidt-Eichstaedt, Fn. 1179, S. 94 m.w.N., dort Fn. 138. Ebenso B<strong>ra</strong>uns,<br />

Fn. 1492, S. 137: „Die Kirchen wären jedoch gut be<strong>ra</strong>ten, nicht an ve<strong>ra</strong>lteten Verbindungen<br />

zum Staat und Vergünstigungen durch ihn festzuhalten, die die Glaubwürdigkeit ihres<br />

Auft<strong>ra</strong>ges gefähr<strong>de</strong>n. Aber auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat – heute die He<strong>im</strong>statt aller Bürger unabhängig<br />

von ihrer jeweiligen religiösen Überzeugung – sollte <strong>de</strong>n Abbau heute nur noch historisch<br />

zu rechtfertigen<strong><strong>de</strong>r</strong> Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechte zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen nicht länger hinauszögern – nicht<br />

zuletzt <strong>im</strong> Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> ihm auferlegten konfessionellen Neut<strong>ra</strong>lität.“<br />

1499<br />

So auch B<strong>ra</strong>uns, Fn. 1492, S. 135 f.<br />

1500<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen oben I.I.1.a).<br />

1501<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen oben I.I.1.c).<br />

1502<br />

So Wemmer, Fn. 1020, S. 183, <strong>im</strong> Hinblick auf staatliche Beihilfen.<br />

1503<br />

Vgl. nur Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Vernünftige Investition o<strong><strong>de</strong>r</strong> Beihilfe? – Gemeinschaftsrechtliche<br />

Optionen zur Finanzierung öffentlicher Unternehmen, ZHR 161 (1997), S. 805 ff., 814,<br />

m.w.N.


371<br />

vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, welche ein Unternehmen normalerweise zu t<strong>ra</strong>gen hat.“ 1504 Eine Beihilfe ist also<br />

eine wirtschaftliche Vergünstigung, die unter normalen Marktbedingungen nicht gewährt<br />

wor<strong>de</strong>n wäre. 1505 Hierunter fallen alle Arten von Subventionen, d.h. sowohl Zuschüsse und<br />

Steuererleichterungen als auch unentgeltliche Vorteile ohne Gegenleistung. 1506 Aus diesem<br />

Grun<strong>de</strong> müssen die an kirchliche Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege gezahlten „verlorenen<br />

Zuschüsse“ grundsätzlich 1507 als staatliche Beihilfen i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) EGV<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n. Gleiches muß konsequenterweise auch für Privilegierungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchen 1508<br />

durch Steuerfreiheit – z.B. Freistellung von <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperschaftsteuer, <strong><strong>de</strong>r</strong> Erbschaft-<br />

und Schenkungsteuer – sowie eine Dienstleistung zu Vorzugsbedingungen, wie diese<br />

eventuell in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zurverfügungstellung <strong>de</strong>s staatlichen Finanzappa<strong>ra</strong>ts zum KiSt-Einzug<br />

erblickt wer<strong>de</strong>n kann, gelten.<br />

Daß Staatsleistungen auf „altrechtlichen Titeln“ beruhen, schließt je<strong>de</strong>nfalls ihre Qualifizierung<br />

als Beihilfe noch nicht aus, 1509 da insofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />

eingreift, welcher innerstaatliches Recht verdrängt. 1510<br />

1504<br />

EuGH, Rs. 30/59 (Steenkolenmijnen in L<strong>im</strong>burg/Hohe Behör<strong>de</strong>), Slg. 1961, S. 1 ff., 43.<br />

1505<br />

EuGH, Rs. C-342/96 (Spanien/Kommission), Urteil vom 29.4.1999, Rz. 41; Rs. C-256/97<br />

(Déménagements-Manutention T<strong>ra</strong>nsport SA [DMT]), Urteil vom 29.6.1999, EuZW 1999,<br />

S. 506 ff., 508, Rz. 22.<br />

1506<br />

Vgl. EuGH, Rs. 47/69 (F<strong>ra</strong>nkreich/Kommission), Slg. 1970, S. 487 ff.; Schweitzer/<br />

Hummer, Fn. 35, Rdnr. 1304.<br />

1507<br />

Vgl. aber auch die Ausführungen unten K.III.6.c)ee).<br />

1508<br />

Die von Wemmer, Fn. 1020, S. 188 f., vertretene Auffassung erscheint zunächst insofern<br />

wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüchlich, als dieser einerseits <strong>de</strong>n Unternehmensbegriff <strong>de</strong>s Art. 87 (ex-Art. 92)<br />

EGV weit auslegt und selbst auf öffentlich-rechtliche Körperschaften erstreckt, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits<br />

private Haushalte und – ohne nähere Begründung – Kirchen als K.d.ö.R. hiervon ausn<strong>im</strong>mt.<br />

Grundsätzlich wird man unter <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen Unternehmensbegriff auch die<br />

Kirchen subsumieren müssen, zumal beispielsweise auch Beihilfen zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kultur und <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhaltung <strong>de</strong>s kulturellen Erbes, vgl. Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 3 lit. d EGV,<br />

hierunter fallen; vgl. <strong>im</strong> übrigen auch die Ausführungen oben K.I.2.a)aa)(2)(ii), EuGH,<br />

Rs. 196/87 (Steymann/Staatssecretaris van Justitie), Slg. 1988, S. 6159 ff., sowie unten<br />

Fn. 1589.<br />

1509<br />

A.A. Link, Fn. 100, S. 151.<br />

1510<br />

So auch Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 1503, S. 808 f., <strong><strong>de</strong>r</strong> da<strong>ra</strong>uf hinweist, daß die logische Folge einer<br />

mit <strong>de</strong>m Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfe ihre Rückfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung ist, da hierdurch<br />

<strong>de</strong>m Beihilfeempfänger <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorteil gegenüber <strong>de</strong>n nicht in <strong>de</strong>n Genuß <strong><strong>de</strong>r</strong> Beihilfe<br />

gekommenen „Mitbewerbern“ – hier: an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften – wie<strong><strong>de</strong>r</strong> genommen<br />

wird. Vert<strong>ra</strong>uensschutzgesichtspunkte dürften aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> insoweit ein<strong>de</strong>utigen<br />

Ablösepflicht <strong>de</strong>s Art. 138 Abs. 1 WRV nicht eingreifen.


372<br />

bb) Grundsätzliches Verbot staatlicher Beihilfen<br />

Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 1 EGV stellt <strong>de</strong>n Grundsatz auf, daß aus staatlichen Mitteln<br />

gewährte Beihilfen je<strong><strong>de</strong>r</strong> Art, die durch die Begünstigung best<strong>im</strong>mter Unternehmen <strong>de</strong>n<br />

Wettbewerb verfälschen o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu verfälschen drohen, mit <strong>de</strong>m Gemeinsamen Markt<br />

unvereinbar sind, soweit sie <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>l zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und nicht<br />

eine spezielle Erlaubnis <strong>im</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g – z.B. nach Art. 36 (ex-Art. 42) EGV o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Art. 73 (ex-Art. 77) EGV – diese ausdrücklich gestattet. Eine Wettbewerbsverfälschung kann<br />

dann angenommen wer<strong>de</strong>n, wenn die begünstigten Unternehmen gegenüber nicht-begünstigten<br />

Unternehmen Wettbewerbsvorteile erhalten. 1511 Von einer Beeinträchtigung <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>ls<br />

zwischen <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten muß man ausgehen, wenn durch die Beihilfe die<br />

Wettbewerbsfähigkeit inländischer Unternehmen gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> von Unternehmen an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />

Mitgliedstaaten verbessert wird. 1512 Nicht-begünstigte Kirchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong><br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Mitgliedstaaten können ihre sozialen und karitativen Dienstleistungen u.U. nicht<br />

ebenso günstig anbieten, wie die staatlich geför<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege. Aus<br />

diesem Grun<strong>de</strong> muß <strong>im</strong> Einzelfall eine mögliche Wettbewerbsverfälschung bejaht wer<strong>de</strong>n. 1513<br />

cc) Erlaubte staatliche Beihilfen<br />

Staatliche Beihilfen sind jedoch gemäß Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 2 EGV mit <strong>de</strong>m<br />

Gemeinsamen Markt vereinbar o<strong><strong>de</strong>r</strong> können gemäß Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 3 EGV als mit<br />

<strong>de</strong>m Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen wer<strong>de</strong>n, wenn sie unter eine <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n<br />

Katalogen genannten Ausnahmebest<strong>im</strong>mungen subsumiert wer<strong>de</strong>n können:<br />

(1) Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 2 EGV<br />

Eine Ausnahmebest<strong>im</strong>mung nach Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 2 EGV schei<strong>de</strong>t aus, da die<br />

Zuwendungen an Kirchen und freie Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege nicht <strong>de</strong>n dort aufgeführten<br />

Best<strong>im</strong>mungen zugeordnet wer<strong>de</strong>n können.<br />

(2) Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 3 EGV<br />

1511<br />

Vgl. EuGH, Rs. 730 (Philip Morris/Kommission), Slg. 1980, S. 2671 ff., 2688 f.;<br />

Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 1306.<br />

1512<br />

Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 1307.<br />

1513<br />

Selbst Bleckmann, Fn. 133, S. 4, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung: „Denn ein solcher Wettbewerb kann<br />

etwa für die kirchlichen K<strong>ra</strong>nkenhäuser, vielleicht auch für die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten sicherlich nicht<br />

geleugnet wer<strong>de</strong>n.“; vgl. auch Tempel, Fn. 695, S. 14.


373<br />

Die Zuwendungen könnten jedoch nach Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 3 lit. d EGV als Beihilfen<br />

zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur und <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhaltung <strong>de</strong>s kulturellen Erbes als mit <strong>de</strong>m Gemeinsamen<br />

Markt vereinbar angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

(i) Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

Auch wenn das <strong>Religionsrecht</strong> als solches <strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 151 (ex-Art. 128) EGV<br />

nicht zugeordnet wer<strong>de</strong>n kann, 1514<br />

bestehen grds. keine Be<strong>de</strong>nken, <strong>de</strong>n religiösen Kultus von<br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften unter <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92)<br />

Abs. 3 lit. 3 d EGV zu subsumieren, da insoweit von einem umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kulturbegriff<br />

auszugehen ist.<br />

Staatliche Zuwendungen zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Denkmalschutzes an religiösen Bauten können<br />

unproblematisch als Beihilfen zur Erhaltung <strong>de</strong>s kulturellen Erbes angesehen wer<strong>de</strong>n. Daß<br />

auch die Gemeinschaft religiöse Bauten zum kulturellen Erbe zugehörig ansieht, wird u.a.<br />

da<strong>ra</strong>n <strong>de</strong>utlich, daß sie – gemäß Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 2, 2. Spiegelstrich EGV för<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

und ergänzt sie die Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhaltung und <strong>de</strong>s Schutzes<br />

von kulturellem Erbe von europäischer Be<strong>de</strong>utung – in ihr För<strong><strong>de</strong>r</strong>prog<strong>ra</strong>mm zur Erhaltung <strong>de</strong>s<br />

architektonischen Erbes Europas <strong>im</strong> Jahre 1995 explizit „Religiöse Bauten“ aufgenommen<br />

hat.<br />

Allerdings ist eine Beihilfe – auch wenn sie <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhaltung <strong>de</strong>s kulturellen Erbes dient –<br />

gemeinschaftsrechtlich nur zulässig, soweit sie <strong>de</strong>n Wettbewerbsbedingungen innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft nicht zuwi<strong><strong>de</strong>r</strong>läuft. Da durch die Staatsleistungen nur einige <strong><strong>de</strong>r</strong> grds.<br />

gleichberechtigten Religionsgemeinschaften – maßgebliches Kriterium <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung<br />

müßte insoweit die Gewährung <strong>de</strong>s Status einer K.d.ö.R. o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer ähnlichen staatlichen<br />

Anerkennung sein 1515<br />

– subventioniert wer<strong>de</strong>n, kommt es innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten <strong>de</strong>s<br />

öfteren zu Wettbewerbsverzerrungen; diese führen zur Unzulässigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Beihilfen.<br />

(ii) Freie Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege<br />

1514 Vgl. hierzu die Ausführungen unter F.<br />

1515 Bei einem System <strong>de</strong>s Staatskirchentums ist eine Subventionierung nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatskirche<br />

gerechtfertigt, da dieser <strong>im</strong> Gegensatz zu <strong>de</strong>n übrigen Religionsgemeinschaften eine he<strong>ra</strong>us<strong>ra</strong>gen<strong>de</strong><br />

Position zukommt; an<strong><strong>de</strong>r</strong>s dagegen stellt sich die Situation in Mitgliedstaaten dar,<br />

die sich von Verfassungs wegen zur Neut<strong>ra</strong>lität gegenüber allen Religionsgemeinschaften<br />

verpflichtet haben und die verschie<strong>de</strong>ne Kirchen und Religionsgemeinschaften aufgrund<br />

eines einheitlichen Status offiziell anerkennen.


374<br />

Die Zuwendungen an freie Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege können dagegen we<strong><strong>de</strong>r</strong> als Beihilfe<br />

zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 3 lit. d EGV noch als eine sonstige<br />

Beihilfe i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 3 lit. e EGV angesehen wer<strong>de</strong>n, da letzterenfalls ein<br />

Ratsbeschluß mit qualifizierter Mehrheit erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich wäre. Allenfalls könnte man annehmen,<br />

daß es sich hierbei um eine Beihilfe zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung gewisser<br />

Wirtschaftszweige i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 3 lit. b han<strong>de</strong>lt, wobei sich auch hier das<br />

Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> paritätischen Mittelverteilung stellt.<br />

dd) Bereichsausnahme nach Art. 86 (ex-Art. 90) Abs. 2 EGV<br />

Duopolartige Unternehmen wie Caritas und Diakonisches Werk können sich auch nicht auf<br />

die Bereichsausnahme nach Art. 86 (ex-Art. 90) Abs. 2 EGV berufen, da ihre<br />

Dienstleistungen nicht von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse sind. 1516<br />

Auch han<strong>de</strong>lt es sich nicht um „öffentliche Unternehmen“ i.S.d. <strong><strong>de</strong>r</strong> Legal<strong>de</strong>finition <strong>de</strong>s Art. 2<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> auf Art. 86 (ex-Art. 90) Abs. 3 EGV gestützten T<strong>ra</strong>nsparenzrichtlinie 1517 . Hierunter zu<br />

subsumieren ist nur ein solches „Unternehmen, auf das die öffentliche Hand aufgrund<br />

Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonstiger Best<strong>im</strong>mungen, die die Tätigkeit<br />

<strong>de</strong>s Unternehmens regeln, unmittelbar o<strong><strong>de</strong>r</strong> mittelbar einen beherrschen<strong>de</strong>n Einfluß ausüben<br />

kann“. Die Mittelzuweisungen <strong>de</strong>s Staates per se stellen noch keine Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitsbeteiligungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Hand an <strong>de</strong>n freien Trägern <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege dar. 1518<br />

ee) Vorliegen einer Beihilfe<br />

1516 Ein allgemeines wirtschaftliches Interesse liegt nur vor, wenn die Dienstleistungen<br />

gegenüber sämtlichen Nutzern <strong>im</strong> gesamten Mitgliedstaat (Bun<strong>de</strong>sgebiet) erb<strong>ra</strong>cht wer<strong>de</strong>n,<br />

wie dies z.B. bei Dienstleistungen von Bahn, Post und Sen<strong>de</strong>anstalten zu bejahen ist.<br />

Ausgeschlossen sind jedoch in je<strong>de</strong>m Fall solche Tätigkeiten, die ausschließlich<br />

nichtwirtschaftlichen, d.h. karitativen, fürsorglichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> kulturellen Zwecken dienen, wie<br />

dies für die freien Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege anzunehmen ist, vgl. v.d.Groeben/Thiesing/<br />

Ehlermann/Hochbaum, Bd. 2, Art. 90, Rdnrn. 46, 48; Bartosch, Öffentlich-rechtliche<br />

Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht, EuZW 1999, S. 176 ff., 178 f. Dies än<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />

jedoch nichts da<strong>ra</strong>n, daß es sich bei <strong>de</strong>n freien Trägern <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege um einen Teil<br />

<strong>de</strong>s Wirtschaftslebens i.S.d. Art. 2 (ex-Art. 2) EGV han<strong>de</strong>lt.<br />

1517 Richtlinie 80/723/EWG über die T<strong>ra</strong>nsparenz <strong><strong>de</strong>r</strong> finanziellen Beziehungen zwischen <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten und <strong>de</strong>n öffentlichen Unternehmen vom 25. Juni 1980, ABl. 1980,<br />

Nr. L 195, S. 35 ff., geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch RL 85/413/EWG, ABl. 1985, Nr. L 229, S. 20 ff.<br />

1518 Vgl. hierzu allgemein Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 1503, S. 816.


375<br />

Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Prüfung wur<strong>de</strong> jedoch unterstellt, daß es sich bei <strong>de</strong>n direkten staatlichen<br />

Zuwendungen an kirchliche o<strong><strong>de</strong>r</strong> freie Träger um Beihilfen i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 1<br />

EGV han<strong>de</strong>lt. Problematisch erscheint allein das dort genannte Merkmal <strong><strong>de</strong>r</strong> Begünstigung.<br />

Diese soll nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH nämlich überhaupt nicht vorliegen, wenn die<br />

Zuwendung lediglich die Gegenleistung für eine von ihrem Empfänger erb<strong>ra</strong>chte Leistung<br />

ist. 1519 Wür<strong>de</strong>n die Kirchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> freien Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege die als öffentlich zu<br />

qualifizieren<strong>de</strong>n sozialen Aufgaben nicht erbringen, so müßte diese <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat selbst<br />

wahrnehmen. Somit könnte die staatliche Zuwendung u.U. als Gegenleistung hierfür<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge, daß eine Begünstigung entfiele. 1520<br />

Da außer<strong>de</strong>m nicht nur die unmittelbaren Staatsleistungen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch die staatlichen<br />

Dienstleistungen zu Vorzugsbedingungen unter <strong>de</strong>n Beihilfenbegriff <strong>de</strong>s Art. 87 (ex-Art. 92)<br />

Abs. 1 EGV fallen, wenn diese eine Belastung min<strong><strong>de</strong>r</strong>n, die ein Unternehmen eigentlich zu<br />

t<strong>ra</strong>gen hat, könnte die Zurverfügungstellung <strong>de</strong>s staatlichen Finanzappa<strong>ra</strong>ts an die<br />

kirchensteuererheben<strong>de</strong>n Kirchen zum Lohnsteuereinzug gleichfalls als Beihilfe angesehen<br />

wer<strong>de</strong>n, soweit die Vergütung für die Mitwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzämter geringer als <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

tatsächlicher Aufwand wäre. 1521 Da die Kirchen ohne staatliche Hilfe ihren „Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>beit<strong>ra</strong>g“<br />

selbst einziehen müßten, was zu erheblich höheren Kosten führen wür<strong>de</strong>, erscheint<br />

f<strong>ra</strong>glich, ob hier nur die gezahlte Aufwandsvergütung von 3 - 5 % <strong>de</strong>s<br />

Kirchensteue<strong>ra</strong>ufkommens angesetzt wer<strong>de</strong>n kann. 1522 Zunächst wäre zu ermitteln, ob die<br />

Aufwandsvergütung <strong>de</strong>m tatsächlichen Aufwand entspricht o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihn gar leicht<br />

überkompensiert. 1523<br />

Bei einem Tätigwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Staates für die Allgemeinheit sind grds. nur<br />

die Kosten für <strong>de</strong>n tatsächlichen Aufwand anzusetzen; bei <strong>de</strong>n nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Allgemeinheit<br />

dienen<strong>de</strong>n sonstigen Fiskalgeschäften <strong>de</strong>s Staates muß <strong>im</strong> Gegensatz hierzu eine gewisse<br />

Gewinnspanne zum tatsächlichen Aufwand hinzugerechnet wer<strong>de</strong>n. Damit könnte die<br />

Begünstigung <strong>im</strong> Verzicht <strong>de</strong>s Staates auf einen möglichen Gewinn zu sehen sein. Für die<br />

Allgemeinheit wür<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat in religiöser Hinsicht nur dann tätig, wenn er allen öffentlich-<br />

1519<br />

EuGH, Rs. 240/83 (Procureur <strong>de</strong> la République/ADBHU), Slg. 1985, S. 531 ff., 550,<br />

Rz. 18; Rs. 47/69, Fn. 1506, S. 487 ff.<br />

1520<br />

Diese Argumentation hat Bartosch, Fn. 1516, S. 177 f., für die Finanzierung <strong>de</strong>s öffentlichrechtlichen<br />

Rundfunks entwickelt. Sie läßt sich aber ohne weiteres auch auf die staatliche<br />

Kirchenfinanzierung übert<strong>ra</strong>gen.<br />

1521<br />

So auch Starck, Fn. 448, S. 1431.<br />

1522<br />

Immerhin spricht selbst Robbers, Fn. 1327, S. 886, von einer „staatlichen För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>im</strong><br />

finanziellen Bereich [...] mittels <strong>de</strong>s staatlichen Kirchensteuereinzuges“, die zu einer Entlastung<br />

kirchlicher Kräfte führe.<br />

1523<br />

So je<strong>de</strong>nfalls Link, Fn. 100, S. 150.


376<br />

rechtlichen Kirchenkörperschaften die Möglichkeit <strong>de</strong>s KiSt-Einzugsverfahrens anbieten<br />

wür<strong>de</strong>. 1524<br />

Grundsätzlich je<strong>de</strong>nfalls müßte sowohl für alle direkten Staatsleistungen an freie und<br />

kirchliche Träger als auch für das Zurverfügungstellen <strong>de</strong>s staatlichen Finanzappa<strong>ra</strong>ts zu <strong>de</strong>n<br />

gegenwärtigen Konditionen an letztere ein sog. Market-Investor-Test angestellt wer<strong>de</strong>n, durch<br />

welchen festgestellt wer<strong>de</strong>n kann, ob ein privater Investor sein Kapital zu ähnlichen<br />

Bedingungen zur Verfügung gestellt hätte. 1525 Allerdings soll auf die Durchführung eines<br />

solchen Tests dann verzichtet wer<strong>de</strong>n können, soweit es sich um die Erfüllung spezifischer<br />

öffentlicher Aufgaben eines Mitgliedstaats han<strong>de</strong>lt; in diesem Fall kann nämlich die<br />

Gegenleistung einen Ausgleich für die mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgabenerfüllung verbun<strong>de</strong>nen Lasten<br />

darstellen. 1526<br />

ff) Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> Quantifizierung<br />

In einem weiteren Schritt müßte geklärt wer<strong>de</strong>n, in welchem Maße Kirchen und freie Träger<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege tatsächlich öffentliche Aufgaben wahrnehmen. <strong>Das</strong> EuG hat als<br />

beihilferechtlich anzuerkennen<strong>de</strong> Gegenleistung lediglich eine Kompensation für die mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Erfüllung <strong>de</strong>s öffentlichen Auft<strong>ra</strong>gs verbun<strong>de</strong>nen Nachteile anerkannt. 1527 Aus diesem Grun<strong>de</strong><br />

müßten die Zuwendungsempfänger theoretisch aufschlüsseln, in welcher Höhe ihnen durch<br />

die Erfüllung öffentlicher Aufgaben finanzieller Aufwand entstan<strong>de</strong>n ist und ob dieser<br />

Aufwand die staatlichen Zuwendungen übersteigt o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht. Der überschießen<strong>de</strong> Bet<strong>ra</strong>g wäre<br />

als staatliche Beihilfe i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 1 EGV zu werten. Aufgrund <strong>de</strong>s weiten<br />

mitgliedstaatlichen Beurteilungsspiel<strong>ra</strong>ums sollten allerdings nur offensichtliche<br />

Überkompensationen <strong>de</strong>s Staates erfaßt wer<strong>de</strong>n. 1528<br />

1524<br />

Nach Art. 15 Abs. 1 <strong>de</strong>s bayerischen Kirchensteuergesetzes vom 26.11.1954 i.d.F. vom<br />

15.3.1967 (BayGVBl. 1967, S. 317), wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenlohnsteue<strong>ra</strong>bzug dagegen beispielsweise<br />

nur <strong>de</strong>njenigen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften gestattet, die in<br />

Bayern mehr als 25.000 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> haben. Eine solche Unterscheidung bringt einige<br />

bevorzugte Gruppen hervor und erfüllt <strong>de</strong>shalb nicht mehr das Kriterium <strong>de</strong>s Tätigwer<strong>de</strong>ns<br />

für die Allgemeinheit.<br />

1525<br />

Vgl. z.B. EuGH, Rs. C-303/88 (Italienische Republik/Kommission), Slg. 1991,<br />

S. I-1433 ff., 1476, Rz. 21; Rs. C-261/89 (Italienische Republik/Kommission), Slg. 1991,<br />

S. I-4437 ff., 4458 f., Rz. 7 ff.; Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 1503, S. 817 ff.<br />

1526<br />

EuG, Rs. T-95/96 (Gestevisión Telecinco SA/Kommission), Slg. 1998, S. II-3410 ff., 3431,<br />

Rz. 83; Bartosch, Fn. 1516, S. 178.<br />

1527<br />

EuG, Rs. T-95/96, Fn. 1526, Bartosch, Fn. 1516, S. 178.<br />

1528<br />

So auch Bartosch, Fn. 1516, S. 178.


7. Zusammenfassung<br />

377<br />

Zukunft i.R.d. verschie<strong>de</strong>nen europäischen Kirchenfinanzierungsmo<strong>de</strong>lle hat entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> eine<br />

Finanzierung über Gemein<strong>de</strong>beträge und Spen<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber ein System <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuererhebung,<br />

wie dies einerseits das <strong>de</strong>utsche KiSt-System, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits die italienische Kultussteuer<br />

repräsentiert, wobei letztere <strong>de</strong>m Freiwilligkeitsaspekt besser Rechnung trägt und unnötige<br />

Konflikte mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit An<strong><strong>de</strong>r</strong>sgläubiger vermei<strong>de</strong>t.<br />

Sowohl bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Einkommensteuer als auch bei <strong><strong>de</strong>r</strong> an diese gekoppelte KiSt han<strong>de</strong>lt es sich<br />

um direkte Steue<strong>ra</strong>rten, für welche die Gemeinschaft nach Art. 94 (ex-Art. 100) EGV nur<br />

insoweit Kompetenzen innehat, als es durch sie zu einer Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Gemeinsamen<br />

Marktes kommen wür<strong>de</strong>. Problematisch erscheint eher, daß Mitgliedstaaten wie Deutschland<br />

zum Ausgleich für eine gemeinschaftsrechtlich gebotene sukzessive Erhöhung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mehrwertsteuer <strong>de</strong>n Einkommensteuersatz schrittweise absenken, was aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Akzessorietät <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt von <strong><strong>de</strong>r</strong> Einkommensteuer zu Min<strong><strong>de</strong>r</strong>einnahmen bei <strong>de</strong>n KiSt<br />

erheben<strong>de</strong>n Kirchen führt. Die Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber zur entschädigungslosen KiSt-<br />

Abführung kann sich <strong>im</strong> Einzelfall als Verstoß gegen das allgemeine Beschränkungsverbot<br />

darstellen, da hierfür zum einen kein zwingen<strong><strong>de</strong>r</strong> Grund <strong>de</strong>s Allgemeinwohls besteht und eine<br />

entschädigungslose Verpflichtung zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en unverhältnismäßig erscheint.<br />

Vor <strong>de</strong>m Erlaß <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG (Datenschutzrichtlichtlinie) galten – mit Ausnahme<br />

Deutschlands – in allen Mitgliedstaaten auch für die Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

staatliche Datenschutzgesetze. Auf Betreiben <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Großkirchen wur<strong>de</strong> in die RL<br />

95/46/EG ein 35. Erwägungsgrund eingeführt, wonach <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt-Einzug durch die staatlichen<br />

Finanzämter als „wichtiges öffentliches Interesse“ i.S.d. Art. 8 Abs. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG angesehen<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Allerdings ist auch <strong><strong>de</strong>r</strong> 34. Erwägungsgrund zu beachten, wonach bei<br />

Ausnahmebest<strong>im</strong>mungen vom Datenschutz beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ga<strong>ra</strong>ntien zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte<br />

– hier ist die Religionsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbest<strong>im</strong>mung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Angehörigen von Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitsreligionen zu erwähnen – zu gewähren sind. Diese<br />

Grundrechtskollision darf nicht einseitig zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Großkirchen entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

Der Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „staatlichen Beihilfen“ i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) EGV ist weit auszulegen<br />

und umfaßt auch die Leistungen an freie Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege und Kirchen. Da jedoch<br />

Beihilfen zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhaltung <strong>de</strong>s kulturellen Erbes jedoch mit <strong>de</strong>m<br />

Gemeinsamen Markt grds. als vereinbar angesehen wer<strong>de</strong>n können, sind staatliche Leistungen<br />

für <strong>de</strong>n kirchlichen Denkmalschutz und <strong>de</strong>n Kultus von Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

zulässig, soweit sie nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Staatliche Leistungen an freie<br />

Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege können jedoch nicht unter <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s „allgemeinen<br />

wirtschaftlichen Interesses“ i.S.d. Art. 86 (ex-Art. 90) Abs. 2 EGV subsumiert wer<strong>de</strong>n. Daher<br />

kommt es entschei<strong>de</strong>nd da<strong>ra</strong>uf an, inwieweit diese <strong>im</strong> Einzelfall öffentliche Aufgaben<br />

wahrnehmen. Soweit dies <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist, liegt schon tatbestandlich keine Beihilfe, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n eine<br />

Gegenleistung für erb<strong>ra</strong>chte Leistungen vor.


378<br />

IV. Europäische Integ<strong>ra</strong>tion und kirchliches Bildungswesen<br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften besitzen oftmals eigene Bildungseinrichtungen, die von<br />

Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten über Schulen bis hin zu theologischen Fakultäten reichen. In einigen Mitgliedstaaten<br />

gibt es sogar Universitäten in kirchlicher Trägerschaft, wie z.B. Leuven und Louvain<br />

(Belgien) o<strong><strong>de</strong>r</strong> Eichstätt (Deutschland).<br />

1. Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft <strong>im</strong> Bildungswesen<br />

Die EG besitzt Kompetenzen <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Bildungswesens, vgl. Art. 149 f. (ex-Art. 126 f.)<br />

EGV, die jedoch eine Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechts- und Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

nicht beinhalten, vgl. Art. 149 (ex-Art. 126) Abs. 4, Art. 150 (ex-Art. 127) Abs. 4<br />

EGV. Während <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufsbildungspolitik, vgl. Art. 150 (ex-Art. 127) EGV,<br />

Maßnahmen zur Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong>de</strong>s Art. 150 (ex-Art. 127) EGV erlassen wer<strong>de</strong>n<br />

können, gestattet Art. 149 (ex-Art. 126) EGV <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Bildungspolitik nur<br />

För<strong><strong>de</strong>r</strong>maßnahmen und Empfehlungen.<br />

Allerdings bringen Art. 149 (ex-Art. 126) Abs. 1 und Art. 150 (ex-Art. 127) Abs. 1 EGV<br />

<strong>de</strong>utlich zum Ausdruck, daß die Mitgliedstaaten die Ve<strong>ra</strong>ntwortung für die Lehrinhalte und<br />

die Gestaltung <strong>de</strong>s Bildungssystems bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> beruflichen Bildung haben und die<br />

Gemeinschaft nur unterstützend und ergänzend tätig wird. Bildungseinrichtungen von Kirchen<br />

und Religionsgemeinschaften sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsunterricht an staatlichen Schulen wer<strong>de</strong>n<br />

von <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen Regeln in ihren Lehrinhalten nicht betroffen. Die „Achtung<br />

vor Gott“, wie sie z.B. als bayerisches Erziehungsziel anerkannt ist, wird somit vom<br />

Gemeinschaftsrecht ebensowenig tangiert wie die Existenz christlicher Bekenntnisschulen.<br />

Allerdings darf nicht verkannt wer<strong>de</strong>n, daß die Gemeinschaft durch konkrete<br />

För<strong><strong>de</strong>r</strong>maßnahmen mittelbar sehr wohl Einfluß auf ihr genehme Lehrinhalte ausüben kann.<br />

Im Bildungssektor haben jedoch neben Art. 149 (ex-Art. 126) f. EGV auch Art. 39<br />

(ex-Art. 48) EGV sowie die VO Nr. 1612/68 Be<strong>de</strong>utung. 1529<br />

1529 Vgl. insoweit die obigen Ausführungen unter K.I.


2. Rechtsverhältnisse an Theologischen Fakultäten<br />

379<br />

a) Stu<strong>de</strong>nten<br />

Für Stu<strong>de</strong>nten an Theologischen Fakultäten gilt die revidierte Stu<strong>de</strong>ntenrichtlinie 1530 , <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Art. 1 <strong>de</strong>n Stu<strong>de</strong>nten aus an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten einen nichtdiskr<strong>im</strong>inieren<strong>de</strong>n Zugang zur<br />

beruflichen Bildung gewährt. Eine Benachteiligung aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit ist<br />

damit unzulässig, was <strong>im</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zu <strong>de</strong>n sog. Staatsangehörigkeitsklauseln 1531<br />

in vielen<br />

Konkordaten steht.<br />

Für Berufe mit einer min<strong>de</strong>stens dreijährigen Hochschulausbildung, die nicht bereits<br />

Gegenstand einer speziellen Richtlinie sind – so auch die evangelische und katholische<br />

Theologie – fin<strong>de</strong>n die Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 89/48/EWG über eine allgemeine<br />

Regelung zur Anerkennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Hochschuldiplome 1532<br />

Anwendung.<br />

b) Lehrstuhlmitarbeiter<br />

Lehrstuhlmitarbeiter an Theologischen Fakultäten fallen in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Freizügigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer nach Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV. Eine Berufung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Universitäten auf die Bereichsausnahme <strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV schei<strong>de</strong>t von<br />

vornherein aus, da es sich hierbei nicht um Hoheitsverwaltung i.e.S. han<strong>de</strong>lt.<br />

c) Hochschullehrer; insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Problematik <strong><strong>de</strong>r</strong> Konkordatslehrstühle<br />

Hochschullehrer Theologischer Fakultäten müssen – ebenfalls als Arbeitnehmer i.S.d.<br />

Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV – die Vo<strong>ra</strong>ussetzungen sowohl <strong>de</strong>s Staates durch Habilitation<br />

als auch die <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Großkirche durch die Missio canonica bzw. Vocatio erfüllen.<br />

Als gemeinschaftsrechtlich heikel stellen sich die 21 bayerischen Konkordatslehrstühle dar:<br />

Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um „Professuren nichttheologischer Lehrfächer in <strong>de</strong>n Fachbereichen<br />

Philosophie, Gesellschaftswissenschaften und Pädagogik, d.h. Lehrstühle außerhalb<br />

Theologischer Fakultäten, die mit Persönlichkeiten zu besetzen sind, <strong><strong>de</strong>r</strong>en kirchlicherseits<br />

1530 Richtlinie 93/96/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 29. Oktober 1993 über das Aufenthaltsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Stu<strong>de</strong>nten, ABl. 1993, Nr. L 317, S. 59 ff.; die ursprüngliche Richtlinie 90/366/EWG <strong>de</strong>s<br />

Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht für Stu<strong>de</strong>nten wur<strong>de</strong> vom EuGH durch<br />

Urteil vom 7.7.1992, Rs. C-295/90 (EP/Rat), Slg. 1992, S. I-4193 ff., für nichtig erklärt.<br />

1531 Vgl. insoweit die Ausführungen oben unter Fn. 1218.<br />

1532 ABl. 1989, Nr. L 19, S. 16 ff.; abgedruckt unter Sartorius II, Nr. 192.


380<br />

gebilligter katholischer Standpunkt zweifelsfrei ist.“ 1533 Gerechtfertigt wer<strong>de</strong>n solche<br />

Konkordatslehrstühle mit <strong>de</strong>m Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis <strong><strong>de</strong>r</strong> Rekrutierung <strong>de</strong>s Lehrernachwuchses für<br />

konfessionelle Privatschulen, die in diesen Bereichen eine kirchenloyale Ausbildung genießen<br />

müßten. 1534 Zwar liegt <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit noch kein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vor, da das<br />

allgemeine Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot nach Art. 12 (ex-Art. 6) EGV nur Diskr<strong>im</strong>inierungen<br />

aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit erfaßt und durch die Richtlinie 76/207/EWG 1535 nur die<br />

Gleichbehandlung von Männern und F<strong>ra</strong>uen hinsichtlich <strong>de</strong>s Zugangs zur Beschäftigung<br />

vorgeschrieben wird. Dies könnte sich durch <strong>de</strong>n Erlaß von Antidiskr<strong>im</strong>inierungsmaßnahmen<br />

aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung nach Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV jedoch än<strong><strong>de</strong>r</strong>n, da<br />

durch die Konkordatslehrstühle gleichqualifizierte habilitierte Bewerber an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Konfessionen<br />

mittelbar benachteiligt wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>n konkordatären Regelungen han<strong>de</strong>lt es sich in<strong>de</strong>s um –<br />

gegenüber <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht – bevorrechtigte „Altverträge“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> nach<br />

Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV, wobei insoweit künftig eine Pflicht zur Kündigung nach<br />

Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV eingreifen könnte. 1536<br />

1. In Deutschland<br />

V. Europäische Integ<strong>ra</strong>tion und Sonn- und Feiertagsschutz<br />

Gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV genießen <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntag sowie die staatlich<br />

anerkannten Feiertage in Deutschland „als Tage <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitsruhe und seelischen Erhebung“<br />

Schutz als klassische „institutionelle Ga<strong>ra</strong>ntie“. 1537<br />

1533<br />

So v. Campenhausen, Fn. 831, S. 399 f., Rdnr. 49; vgl. hierzu Czermak, Fn. 184,<br />

S. 478 m.w.N.<br />

1534<br />

Vgl. v. Campenhausen, Fn. 831, S. 400, Rdnr. 49.<br />

1535<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen oben K.I.2.a)cc).<br />

1536<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen oben I.I.1.b) sowie I.I.2.a).<br />

1537<br />

Vgl. zum Sonn- und Feiertagsschutz Hollerbach, Freiheit kirchlichen Wirkens, in:<br />

Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch <strong>de</strong>s Staatsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland,<br />

Bd. VI, Hei<strong>de</strong>lberg 1989, § 140, Rdnrn. 60 ff.; HdbStKirchR/Kästner, Der Sonntag und die


381<br />

Im Arbeitszeitgesetz wer<strong>de</strong>n die Sonn- und Feiertage ebenfalls geschützt, da diese<br />

Vo<strong>ra</strong>ussetzungen für körperliche Regenerierung, aber auch für Muße zu religiöser Sammlung<br />

schaffen. 1538 Ergänzend hierzu ist § 105b GewO zu beachten, welcher die Ruhezeit an Sonn-<br />

und Feiertagen in enume<strong>ra</strong>tiv aufgezählten Gewerbebetrieben festlegt, in <strong>de</strong>n §§ 105c bis<br />

105j GewO allerdings wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zahlreiche Ausnahmen zuläßt. 1539<br />

In <strong>de</strong>n unterschiedlichen Lan<strong>de</strong>sverfassungen sind überdies – vergleichbar <strong>de</strong>n oben zitierten<br />

Grundgesetzbest<strong>im</strong>mungen – Ga<strong>ra</strong>ntien <strong>de</strong>s Sonn- und Feiertagsschutzes enthalten, 1540 welche<br />

durch die Feiertagsgesetze <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> näher konkretisiert wer<strong>de</strong>n. 1541<br />

Nichts<strong>de</strong>stoweniger leisten in Deutschland aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> bestehen<strong>de</strong>n Ausnahmevorschriften<br />

<strong>im</strong> Arbeitszeitgesetz ca. 10 % aller Arbeitnehmer regelmäßig Sonn- und Feiertagsarbeit. 1542<br />

Dabei han<strong>de</strong>lt es sich längst nicht mehr nur um die Eisen- und Stahlindustrie, die mit <strong>de</strong>m<br />

Argument <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong>mensen Kosten <strong><strong>de</strong>r</strong> Abschaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Produktionsanlagen einen Rund-umdie-Uhr-Betrieb<br />

durchgesetzt hatten. Heutzutage schreitet die Erosion <strong><strong>de</strong>r</strong> verfassungsrechtlichen<br />

Sonntagsruhe in wettbewerbsorientierten High-Tech-Unternehmen durch<br />

Sonntagsarbeit ebenso vo<strong>ra</strong>n, wie <strong>im</strong> Pressewesen und auf <strong>de</strong>m Bewirtungs- und<br />

Freizeitsektor. 1543 Aber auch größere Kaufhäuser sträuben sich neuerdings gegen das seit<br />

1. November 1996 gelten<strong>de</strong> sog. gelockerte La<strong>de</strong>nschlußgesetz und öffnen angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

hohen Nachf<strong>ra</strong>ge be<strong>im</strong> Kun<strong>de</strong>n sogar unter Inkaufnahme von Zwangsgel<strong><strong>de</strong>r</strong>n ihre Geschäfte<br />

sonntags. 1544<br />

kirchlichen Feiertage, Zweiter Bd., § 51, S. 337 ff., 339 f.; Pahlke, Sonn- und<br />

Feiertagsschutz als Verfassungsgut, EssGespr. (24) 1990, S. 53 ff.; Richardi, Der Sonn- und<br />

Feiertagsschutz <strong>im</strong> Arbeitsleben, EssGespr. (24) 1990, S. 117 ff., sowie das Gemeinsame<br />

Wort <strong>de</strong>s Rates <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD und <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bischofskonferenz vom 16. September 1985<br />

unter <strong>de</strong>m Titel „Der Sonntag muß geschützt bleiben“, EssGespr. (24) 1990, S. 186 f.<br />

1538<br />

Vgl. zur Problematik <strong>de</strong>s Arbeitszeitgesetzes Richardi, Fn. 1537, S. 146 f.<br />

1539<br />

Vgl. hierzu Richardi, Fn. 1537, S. 132 f.<br />

1540<br />

Vgl. hierzu die Übersicht bei Häberle, Feiertagsga<strong>ra</strong>ntien als kulturelle I<strong>de</strong>ntitätselemente<br />

<strong>de</strong>s Verfassungsstaates, Berlin 1987, S. 53, dort Fn. 78.<br />

1541<br />

Vgl. hierzu die Übersicht bei Kästner, Fn. 1537, S. 359, dort Fn. 89.<br />

1542<br />

Vgl. Heinze, Europäische Einflüsse auf das nationale Arbeitsrecht, RdA 1994, S. 1 ff., 19,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> für 1991 einen Faktor von 8,8 % errechnet hat.<br />

1543<br />

Vgl. auch Pahlke, Fn. 1537, S. 53.<br />

1544<br />

Vgl. nur PNP Nr. 178 vom 3.8.1999, S. 11; so haben sich bei einer TED-Umf<strong>ra</strong>ge <strong>de</strong>s RTL-<br />

Mittagsjournals „Punkt 12“ am 2.8.1999 67,6 % <strong><strong>de</strong>r</strong> 46.330 Anrufer für <strong>de</strong>n Einkaufsbummel<br />

am Sonntag ausgesprochen.


382<br />

<strong>Das</strong> BVerfG schließlich hat die Streichung <strong>de</strong>s Buß- und Bettages als ehemals staatlich<br />

anerkannter Feiertag als verfassungsgemäß anerkannt, da Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV<br />

keine Gewährleistung für das Fortbestehen best<strong>im</strong>mter Feiertage, also eine Bestandsga<strong>ra</strong>ntie<br />

für einen konkreten Feiertag o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine best<strong>im</strong>mte Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong>selben gewähre. Allerdings bin<strong>de</strong><br />

die genannte Vorschrift <strong>de</strong>n Gesetzgeber und verpflichte ihn, eine angemessene Zahl<br />

kirchlicher Feiertage staatlich anzuerkennen und durch gesetzliche Regelung zu gewährleisten,<br />

daß sie als Tage <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitsruhe und <strong><strong>de</strong>r</strong> seelischen Erhebung dienen können, wozu<br />

auch die Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme an kultischen Handlungen und religiösen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

weltanschaulichen Feiern und Gebräuchen gehöre. 1545<br />

2. Auf EU-Ebene<br />

a) Richtlinie 93/104/EG über die Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) 1546<br />

aa) Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG<br />

Die auf Art. 138 (ex-Art. 118a) EGV gestützte Arbeitszeitrichtlinie 1547 regelt neben <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

wöchentlichen Höchstarbeitszeit (Art. 6 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG) vor allem die Dauer <strong><strong>de</strong>r</strong> täglichen<br />

(Art. 3 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG) und wöchentlichen (Art. 5 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG) Min<strong>de</strong>struhezeiten,<br />

wobei die wöchentliche Min<strong>de</strong>struhezeit von 35 Stun<strong>de</strong>n – aufgrund einer <strong>de</strong>utschen<br />

Initiative 1548<br />

– in Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG wie folgt erweitert wur<strong>de</strong>:<br />

„Die Min<strong>de</strong>struhezeit schließt grundsätzlich <strong>de</strong>n Sonntag ein.“<br />

Angesichts <strong>de</strong>s Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisses <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntagsarbeit für 10 % <strong><strong>de</strong>r</strong> abhängig Erwerbstätigen in<br />

Deutschland konnte es sich hierbei nur um einen Grundsatz han<strong>de</strong>ln. Trotz<strong>de</strong>m bestand Grund<br />

1545<br />

BVerfG, NJW 1995, S. 3378 f., E. v. 18.9.1995; vgl. hierzu Kelm, Der gestrichene Bußund<br />

Bettag, Ju<strong>ra</strong> 1997, S. 598 ff.; vgl. auf <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Seite zu <strong>de</strong>n verlängerten La<strong>de</strong>nöffnungszeiten<br />

an Sonn- und Feiertagen aus Anlaß <strong><strong>de</strong>r</strong> Allerheiligenmesse: BVerwG, Urt. v.<br />

17.12.1998, NJW 1999, S. 1567 ff.<br />

1546<br />

Richtlinie 93/104/EG <strong>de</strong>s Rates vom 23. November 1993 über best<strong>im</strong>mte Aspekte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Arbeitszeitgestaltung, ABl. 1993 Nr. L 307, S. 18 ff.<br />

1547<br />

Allgemein hierzu: Balze, Die Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung, EuZW 1994,<br />

S. 205 ff.<br />

1548<br />

Der Passus zum Sonntagsschutz fand sich in <strong>de</strong>m ursprünglichen Kommissionsvorschlag<br />

nicht, vgl. hierzu BR-Drucks. 713/90 vom 14.12.1990 sowie BT-Drucks. 12/315 vom<br />

25.3.1991.


383<br />

zur Annahme, daß die einzelnen Mitgliedstaaten verpflichtet gewesen sein könnten, <strong>de</strong>m<br />

Sonntagsschutz <strong>im</strong> Rahmen ihrer nationalen Umsetzungsgesetze so weit wie möglich<br />

Rechnung zu t<strong>ra</strong>gen. 1549<br />

Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> christlichen Kirchen ließ die Arbeitszeitrichtlinie in<strong>de</strong>s Wünsche offen, da<br />

Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG durch Aufnahme folgen<strong>de</strong>n – von <strong><strong>de</strong>r</strong> britischen Regierung<br />

durchgesetzten – 10. Erwägungsgrun<strong>de</strong>s in die Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeitrichtlinie faktisch<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> eingeschränkt wur<strong>de</strong>:<br />

„Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> wöchentlichen Ruhezeit muß <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterschiedlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> kulturellen, ethnischen,<br />

religiösen und an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Faktoren in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten hinreichend Rechnung get<strong>ra</strong>gen<br />

wer<strong>de</strong>n. Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e fällt es in <strong>de</strong>n Zuständigkeitsbereich eines je<strong>de</strong>n Mitgliedstaats, letztlich<br />

darüber zu befin<strong>de</strong>n, ob und in welchem Maße <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntag in die wöchentliche Ruhezeit<br />

einzubeziehen ist.“<br />

Unter Berücksichtigung dieses 10. Erwägungsgrun<strong>de</strong>s konnte die Wortwahl „grundsätzlich“<br />

in Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG nicht mehr ausschließlich dahingehend verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n,<br />

daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntag als Ruhetag einzuhalten wäre, soweit nicht die Arbeitnehmer aus Grün<strong>de</strong>n<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Auslastung von Produktionsanlagen o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en anzuerkennen<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Einhaltung <strong>de</strong>s Sonntags gehin<strong><strong>de</strong>r</strong>t sind, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n muß vielmehr be<strong>de</strong>uten, daß statt <strong>de</strong>s Sonntags<br />

„grundsätzlich“ auch ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Tag als Ruhetag best<strong>im</strong>mt wer<strong>de</strong>n könnte. 1550 Die<br />

Aufnahme <strong>de</strong>s 10. Erwägungsgrun<strong>de</strong>s ist schon daher enttäuschend, als je<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> gegenwärtig<br />

fünfzehn Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft <strong>de</strong>mselben t<strong>ra</strong>ditionell-christlichen Hintergrund<br />

entstammt. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonn- und Feiertage in<br />

<strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten nie in vergleichbarer Weise wie in Deutschland gewährleistet<br />

war. Daher hätte man in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung von Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG zu Recht von einem<br />

kleinen „ersten gemeinsamen Schritt zur europaweiten Sicherung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntagsruhe“ 1551<br />

sprechen können, wenn nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH einer Klage Großbritanniens entsprochen hätte und<br />

ebendiesen Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung für nichtig erklärt hätte, daß<br />

„<strong><strong>de</strong>r</strong> Rat nicht dargetan [habe], warum <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntag als wöchentlicher Ruhetag in engerem<br />

Zusammenhang mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheit und <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicherheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer stehen solle als ein<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Arbeitstag“ 1552<br />

.<br />

1549<br />

So Heinze, Fn. 1542, S. 21.<br />

1550<br />

So GA Léger in <strong>de</strong>n Schlußanträgen zur Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich/Rat),<br />

Slg. 1996, S. I-5755 ff., 5786, Rz. 139.<br />

1551<br />

Heinze, Fn. 1542, S. 23.<br />

1552<br />

EuGH, Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich/Rat), Slg. 1996, S. I-5755 ff., 5805 f., Rz. 37.


384<br />

Es ist korrekt, daß die Festlegung eines best<strong>im</strong>mten Wochentags als Ruhezeit mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz nichts zu tun hat. <strong>Das</strong> Urteil <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH ist<br />

insoweit folgerichtig, als Art. 5 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG für nichtig erklärt wer<strong>de</strong>n mußte, da<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft – je<strong>de</strong>nfalls nach Art. 138 (ex-Art. 118a) EGV – je<strong>de</strong> Kompetenz zur<br />

Festlegung <strong>de</strong>s Feiertagsschutzes abgesprochen wer<strong>de</strong>n muß. 1553<br />

Nach<strong>de</strong>nklich st<strong>im</strong>mt<br />

allerdings, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> an dieser Stelle das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten<br />

Ermächtigung so konsequent angewen<strong>de</strong>t hat, während er bei an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Materien eher gemäß<br />

<strong>de</strong>m Motto in dubio pro communitate entschei<strong>de</strong>t.<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. „Entschließung zur Sonntagsarbeit“ for<strong><strong>de</strong>r</strong>te das EP <strong>im</strong> Anschluß an das Urteil die<br />

„Mitgliedstaaten und Sozialpartner auf, bei ihrer Umsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeitrichtlinie <strong>de</strong>n<br />

T<strong>ra</strong>ditionen sowie <strong>de</strong>n kulturellen, sozialen, religiösen und familiären Bedürfnissen ihrer<br />

Bürger angemessen Rechnung zu t<strong>ra</strong>gen und <strong>de</strong>n beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Cha<strong>ra</strong>kter <strong>de</strong>s Sonntags als<br />

Ruhetag anzuerkennen“ 1554 , was insofern <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Formulierung <strong>de</strong>s Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

RL 93/104/EG entsprochen hätte. Allerdings muß diese Entschließung offenkundig als<br />

Kompromiß verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, da das EP die Mitgliedstaaten ebenfalls auffor<strong><strong>de</strong>r</strong>te, „zu<br />

berücksichtigen, daß es in einer multikulturellen Gesellschaft auch Religionsgemeinschaften<br />

gibt, die möglicherweise einen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Ruhetag vorziehen“ 1555<br />

.<br />

bb) Art. 17 Abs. 1 lit. c <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG<br />

Art. 17 <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeitrichtlinie, <strong><strong>de</strong>r</strong> einen umfangreichen Ausnahmekatalog von <strong>de</strong>n<br />

Regelungen <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG vorsieht, ermächtigt die Mitgliedstaaten zu Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelungen<br />

insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auch für die <strong>im</strong> liturgischen Bereich von Kirchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften<br />

beschäftigten Arbeitnehmer:<br />

„(1) Unter Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Grundsätze <strong>de</strong>s Schutzes <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicherheit und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gesundheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer können die Mitgliedstaaten von <strong>de</strong>n Artikeln 3, 4, 5, 6, 8 und 16<br />

abweichen, wenn die Arbeitszeit wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Merkmale <strong><strong>de</strong>r</strong> ausgeübten Tätigkeit<br />

nicht gemessen und/o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht <strong>im</strong> vo<strong>ra</strong>us festgelegt wird o<strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong>de</strong>n Arbeitnehmern selbst<br />

festgelegt wer<strong>de</strong>n kann, und zwar insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e in bezug auf nachstehen<strong>de</strong> Arbeitnehmer:<br />

[...]<br />

c) Arbeitnehmer, die <strong>im</strong> liturgischen Bereich von Kirchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften<br />

beschäftigt sind.“<br />

1553<br />

Aus diesem Grun<strong>de</strong> sollte auch nicht von einer „Feiertagsrichtlinie“ gesprochen wer<strong>de</strong>n, da<br />

eine Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur Harmonisierung nicht besteht; unpräzise daher<br />

Robbers, Fn. 107, S. 357.<br />

1554<br />

ABl. 1997, Nr. C 20, S. 140, Ziff. 1.<br />

1555<br />

Vgl. Fn. 1554, Ziff. 4.


385<br />

Aus diesem Grun<strong>de</strong> können z.B. Pfarrer, die eine Mitternachtsmesse abhalten o<strong><strong>de</strong>r</strong> an einer<br />

längeren Wallfahrt teilnehmen, von <strong>de</strong>n Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen <strong><strong>de</strong>r</strong> Einhaltung best<strong>im</strong>mter Ruhezeiten<br />

befreit wer<strong>de</strong>n.<br />

Die offensichtlich nicht <strong>im</strong> liturgischen Bereich angesie<strong>de</strong>lte Tätigkeit z.B. eines Mitarbeiters<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Caritas wird dagegen grds. vom Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG erfaßt. 1556<br />

b) Sonntagsverkaufsverbot<br />

In <strong>de</strong>n sog. „sunday working cases“ 1557 nahm <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH zum englischen Sonntagsverkaufsverbot<br />

Stellung, <strong>de</strong>m das Shops Act 1950 zugrun<strong>de</strong> liegt. Nach diesem Gesetz muß sonntags<br />

grundsätzlich je<strong>de</strong>s Geschäft geschlossen bleiben, soweit keine <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Fünften Anhang <strong>de</strong>s<br />

Gesetzes vorgesehene Ausnahmeregelung eingreift. In <strong>de</strong>n frühen Entscheidungen judizierte<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH unter Berufung auf die Rs. Cinéthèque 1558 , daß Art. 28 (ex-Art. 30) E(W)GV dahin<br />

auszulegen sei, daß das von ihm ausgesprochene Verbot nicht für eine nationale Regelung<br />

gelte, die es Einzelhändlern verbiete, ihre Geschäfte am Sonntag zu öffnen, wenn die sich<br />

hie<strong>ra</strong>us möglicherweise ergeben<strong>de</strong>n beschränken<strong>de</strong>n Wirkungen auf <strong>de</strong>n<br />

innergemeinschaftlichen Han<strong>de</strong>l <strong>de</strong>n Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> einer solchen Regelung eigentümlichen<br />

Wirkungen nicht überschreiten wür<strong>de</strong>. 1559 Zwar rechtfertigte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Ausnahme von<br />

Art. 28 (ex-Art. 30) E(W)GV damit, daß die Sonn- und Feiertagsregelungen „Ausdruck<br />

best<strong>im</strong>mter politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen“ und als solche <strong>de</strong>n<br />

„lan<strong>de</strong>sweiten o<strong><strong>de</strong>r</strong> regionalen sozialen und kulturellen Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten“ 1560<br />

angepaßt seien,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>en Beurteilung <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten obliege; ein darüber hinausgehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenhang<br />

zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonn- und Feiertagsruhe und <strong>de</strong>m <strong>Religionsrecht</strong> selbst, in <strong>de</strong>ssen Gefüge diese<br />

1556<br />

A.A. Kalb, Fn. 393, S. 89, dort Fn. 6, unter Verweis auf die Wortwahl „insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e“.<br />

Allerdings muß einer allzu extensiven Auslegung Einhalt geboten wer<strong>de</strong>n, soll es nicht<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> – wie vor <strong>de</strong>m Erlaß <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeitrichtlinie – <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten überlassen sein,<br />

welchen Bereich sie selbst als Ausnahme <strong>de</strong>klarieren.<br />

1557<br />

EuGH, Rs. C-145/88 (Torfaen Borough Council/B & Q plc), Slg. 1989, S. I-3851 ff.;<br />

Rs. C-169/91 (Council of the City of Stoke-on-Trent u. Norwich City Council/B & Q plc)<br />

Slg. 1991, S. I-6635 ff. = DVBl. 1995, S. 33.<br />

1558<br />

EuGH, verb. Rs. 60 u. 61/84 (Cinéthèque SA/Fédé<strong>ra</strong>tion nationale <strong>de</strong>s cinémas f<strong>ra</strong>nçais),<br />

Slg. 1985, S. 2605 ff., 2618.<br />

1559<br />

EuGH, Rs. C-145/88, Fn. 1557, S. I-3889, Rz. 17.<br />

1560<br />

EuGH, Rs. C-145/88, Fn. 1557, S. I-3889, Rz. 14; Rs. C-169/91, Fn. 1557, S. I-6658,<br />

Rz. 11.


386<br />

Ruhezeiten eingebettet sind, vgl. Art. 140 GG i.V.m. 139 WRV, wird vom EuGH nicht<br />

hergestellt. 1561<br />

Soweit die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Cinéthèque-Rechtsprechung auf <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n Fall vom EuGH<br />

abgelehnt wor<strong>de</strong>n wäre, hätte sich das Sonntagsverkaufsverbot als verhältnismäßige<br />

Ausnahmeregelung <strong><strong>de</strong>r</strong> Warenverkehrsfreiheit darstellen müssen. Hiervon ist auszugehen,<br />

wenn das nationale Interesse an <strong><strong>de</strong>r</strong> Erreich-ung <strong>de</strong>s Sonntagsschutzes gegenüber <strong>de</strong>m<br />

Gemeinschaftsinteresse am freien Warenverkehr i.R.d. durchzuführen<strong>de</strong>n Abwägung als<br />

höher<strong>ra</strong>ngig eingestuft wird. 1562 Allerdings wür<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheit und <strong>de</strong>s<br />

Wohlbefin<strong>de</strong>ns <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer für sich bet<strong>ra</strong>chtet wohl noch keine nationale Ausnahme<br />

rechtfertigen. 1563<br />

Der eigentliche Grund für die Sonntagsverkaufsverbote wurzelt in erster Linie nicht <strong>im</strong><br />

Gesundheitsschutz, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>im</strong> <strong>Religionsrecht</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten. 1564 Gene<strong>ra</strong>lanwalt Walter<br />

van Gerven anerkennt in seinen Schlußanträgen daher „das Bestreben, [...], <strong>de</strong>n Bürgern an<br />

ein und <strong>de</strong>mselben Tag die Möglichkeit zu gewähren, sich Zeit für die verschie<strong>de</strong>nsten<br />

(nichtberuflichen, unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em religiösen) Betätigungen und menschlichen Kontakte zu<br />

nehmen“, als selbständiges „zwingen<strong>de</strong>s Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis“ i.S.d. Art. 30 (ex-Art. 36) E(W)GV. 1565<br />

Ein solcher t<strong>ra</strong>ditionell eingeräumter allgemeiner Ruhetag wird daher für notwendig und<br />

angemessen e<strong>ra</strong>chtet. 1566<br />

1561<br />

In diese Richtung auch Kalb, Fn. 393, S. 93.<br />

1562<br />

EuGH, Rs. C-169/91, Fn. 1557, S. I-6658 f., Rz. 11 u. 15. GA van Gerven führt in seinen<br />

Schlußanträgen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. C-306/88 (Rochdale Borough Council/Stewart John An<strong><strong>de</strong>r</strong>s),<br />

Slg. 1992, S. I-6463 ff., 6472, Rz. 16, unter Verweis auf verschie<strong>de</strong>ne Urteile <strong>de</strong>s EuGH<br />

aus, daß diesem Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis Genüge sei, wenn die betreffen<strong>de</strong> nationale Regelung ein<strong>de</strong>utig<br />

in einem nur äußerst entfernten Zusammenhang mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einfuhr aus an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten<br />

stehe, wovon be<strong>im</strong> Sonntagsverkaufsverbot angesichts <strong>de</strong>ssen Zielrichtung auszugehen<br />

ist.<br />

1563<br />

Schlußanträge <strong>de</strong>s GA van Gerven, Rs. C-145/88, Fn. 1557, S. I-3882, Rz. 31. Insoweit sind<br />

die Pa<strong>ra</strong>llelen zum oben besprochenen Urteil <strong>de</strong>s EuGH zu Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeitrichtlinie<br />

offensichtlich, vgl. EuGH, Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich/Rat), Slg. 1996,<br />

S. I-5755 ff., 5805 f., Rz. 37.<br />

1564<br />

So wer<strong>de</strong>n die Hintergrün<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntagsga<strong>ra</strong>ntie in Art. 25 Verf. Nordrhein-Westfalen<br />

zutreffend mit <strong>de</strong>n Schlagworten „Gottesverehrung, seelische Erhebung, körperliche<br />

Erholung und Arbeitsruhe“ umschrieben, vgl. hierzu Häberle, Fn. 1540, S. 55.<br />

1565<br />

Schlußanträge <strong>de</strong>s GA, Rs. C-145/88, Fn. 1557, S. I-3882, Rz. 30 u. 31.<br />

1566<br />

So auch Häberle, Fn. 1540, S. 58 f.


387<br />

Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntagsruhe und <strong>de</strong>m damit zusammenhängen<strong>de</strong>n Verkaufsverbot han<strong>de</strong>lt es sich um<br />

ein t<strong>ra</strong>ditionell-religiöses Element gesamtabendländischer Kultur, <strong>de</strong>ssen sich die Gemeinschaft<br />

nicht einfach – vergleichbar <strong>de</strong>m Reinheitsgebot für Bier – infolge einer etwaigen<br />

Unvereinbarkeit mit Art. 28 (ex-Art. 30) EGV entledigen kann. Ein Verbot <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Aufrechterhaltung nationaler Schutzgesetze zugunsten best<strong>im</strong>mter Sonn- und Feiertage hätte<br />

aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> faktisch zu erwarten<strong>de</strong>n Repressalien <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber für viele Arbeitnehmer<br />

eine massive Beeinträchtigung ihres – auch gemeinschaftsrechtlich ga<strong>ra</strong>ntierten und<br />

gegenüber <strong>de</strong>n Freizügigkeitsrechten grundsätzlich höher<strong>ra</strong>ngigen – Grundrechts <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsfreiheit zur Folge, da sie nicht mehr gemeinsam mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gläubigen in<br />

Gottesdiensten ihren Glauben p<strong>ra</strong>ktizieren könnten. Eine ausschließlich auf die<br />

Warenverkehrsfreiheit gestützte Argumentation wird <strong>de</strong>n Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s<br />

daher nicht gerecht.<br />

Im Anschluß an die Entscheidung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Keck 1567 , durch welche Verkaufsmodalitäten 1568<br />

generell aus <strong>de</strong>m – infolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Das</strong>sonville-Formel – fast grenzenlosen<br />

Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Art. 28 (ex-Art. 30) EGV ausgenommen wur<strong>de</strong>n, entschied <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EuGH in einem späteren Urteil 1569 in bezug auf italienische Rechtsvorschriften über <strong>de</strong>n<br />

Geschäftsschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelhan<strong>de</strong>lsgeschäfte an Sonntagen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong>artige nationale<br />

Vorschriften, die die Verkaufsmodalitäten beschränkten, nicht in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s<br />

Art. 28 (ex-Art. 30) EGV fallen. 1570<br />

1567<br />

EuGH, verb. Rs. C-267 u. C-268/91 (Keck u. Mithouard), Slg. 1993, S. I-6097 ff.<br />

1568<br />

Verkaufsmodalitäten regeln die F<strong>ra</strong>gen, wann, wie, wo und von wem Waren verkauft<br />

wer<strong>de</strong>n dürfen; vgl. hierzu Ackermann, Warenverkehrsfreiheit und „Verkaufsmodalitäten“,<br />

RIW 1994, S. 189 ff., 191; weiterführend: Lü<strong><strong>de</strong>r</strong>, Die Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Keck-Rechtsprechung,<br />

EuZW 1996, S. 615 ff.<br />

1569<br />

EuGH, verb. Rs. C-69/93 u. C-258/93 (Punto Casa SpA/Sindaco <strong>de</strong>l Comune di Capena<br />

u.a.), Slg. 1994, S. I-2355 ff.<br />

1570<br />

EuGH, verb. Rs. C-69/93 u. C-258/93, Fn. 1569, S. I-2368, Rz. 11 f.: „Nach ständiger<br />

Rechtsprechung ist je<strong>de</strong> Regelung, die geeignet ist, <strong>de</strong>n innergemeinschaftlichen Han<strong>de</strong>l<br />

unmittelbar o<strong><strong>de</strong>r</strong> mittelbar, tatsächlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> potentiell zu behin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, als Maßnahme mit<br />

gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen (Urteil vom 11. Juli<br />

1974 in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache 8/74, <strong>Das</strong>sonville, Slg. 1874, 837, Randnr. 5). Hingegen ist die<br />

Anwendung nationaler Best<strong>im</strong>mungen, die best<strong>im</strong>mte Verkaufsmodalitäten beschränken<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> verbieten, auf Erzeugnisse aus an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten nicht geeignet, <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>l<br />

zwischen <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>s Urteils <strong>Das</strong>sonville unmittelbar o<strong><strong>de</strong>r</strong> mittelbar,<br />

tatsächlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> potentiell zu behin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, sofern diese Best<strong>im</strong>mungen für alle betroffenen<br />

Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit <strong>im</strong> Inland ausüben, und sofern sie <strong>de</strong>n<br />

Absatz <strong><strong>de</strong>r</strong> inländischen Erzeugnisse und <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzeugnisse aus an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten<br />

rechtlich wie tatsächlich in <strong><strong>de</strong>r</strong> gleichen Weise berühren. [...] Diese Regelungen fallen daher


388<br />

3. Zusammenfassung<br />

Im Gegensatz zu Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV kennen die meisten Verfassungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

übrigen Mitgliedstaaten ein Gebot <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntagsruhe nicht. Ein erster Schritt in Richtung eines<br />

europäischen Sonntagsschutzes hätte die Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG sein<br />

können, wonach die Min<strong>de</strong>struhezeit <strong>de</strong>n Sonntag grds. einschließt, die jedoch vom EuGH<br />

aufgehoben wur<strong>de</strong>. Nationale Sonntagsverkaufsverbote, die <strong>im</strong>mer in einem gewissen<br />

Spannungsverhältnis zur Warenverkehrsfreiheit <strong>de</strong>s Art. 28 (ex-Art. 30) EGV stan<strong>de</strong>n, sind<br />

seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Keck-Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH als Verkaufsmodalität und damit als Ausnahme vom<br />

Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Warenverkehrsfreiheit anerkannt.<br />

VI. Europäische Integ<strong>ra</strong>tion und soziale Kommunikation/ Medienwesen<br />

1. In Deutschland<br />

Soziale Kommunikation und Medienwesen stellen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik nach Art. 30, 70 GG<br />

ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>n Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n zugewiesene Hoheitsbereiche dar, auch wenn teilweise Staatsverträge<br />

zwischen <strong>de</strong>n Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n abgeschlossen wor<strong>de</strong>n sind, in welche <strong><strong>de</strong>r</strong> Bund einbezogen wur<strong>de</strong>.<br />

Die nationalen Rechtsgrundlagen gestehen <strong>de</strong>n Kirchen be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rechte zu. Zu erwähnen<br />

ist in erster Linie die Einräumung von Sen<strong>de</strong>zeiten für Gottesdienste und sonstige kirchliche<br />

Ve<strong>ra</strong>nstaltungen (Kirchentage etc.); außer<strong>de</strong>m existieren Prog<strong>ra</strong>mmgrundsätze, welche die<br />

kirchlichen Anliegen för<strong><strong>de</strong>r</strong>n, wie z.B. <strong>de</strong>n Schutz von Familie und Jugend o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Achtung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Überzeugung. 1571<br />

nicht in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich von Artikel 28 (ex-Artikel 30 )E(W)G-Vert<strong>ra</strong>g (vgl. Urteil<br />

vom 24. November 1993 in <strong>de</strong>n verbun<strong>de</strong>nen Rechtssachen C-267/91 und C-268/91, Keck<br />

und Mithouard, Slg. 1993, I-6097, Rdnrn. 16 und 17).“<br />

1571 Vgl. hierzu HdbStKirchR/Link, Die gesetzlichen Regelungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />

in <strong>de</strong>n Einrichtungen <strong>de</strong>s Rundfunks und Fernsehens, Zweiter Bd., § 49, S. 285 ff.


2. Auf EU-Ebene<br />

389<br />

a) Allgemeines<br />

Durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Maastricht wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft eine Kulturkompetenz gemäß<br />

Art. 151 (ex-Art. 128) EGV eingeräumt, die innerhalb Deutschlands insoweit zum Reizthema<br />

gewor<strong>de</strong>n ist, als <strong><strong>de</strong>r</strong> Bund hier über Län<strong><strong>de</strong>r</strong>kompetenzen verfügt hat. Trotz<strong>de</strong>m ist die<br />

Gemeinschaft 1572 schon vor Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>gs am 1. November 1993 durch <strong>de</strong>n<br />

Erlaß <strong><strong>de</strong>r</strong> auf Art. 47 (ex-Art. 57) Abs. 2 i.V.m. Art. 55 (ex-Art. 66) EGV gestützten Fernsehrichtlinie<br />

1573 rechtsgestaltend tätig gewor<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m er Medien als Wirtschaftsgüter<br />

qualifizierte und die Fernsehtätigkeit als grenzüberschreiten<strong>de</strong> Dienstleistung einstufte. In<br />

dieser Pauschalität erscheint dies beispielsweise bei Fernsehgottesdiensten <strong>im</strong> Hinblick auf<br />

die Entgeltlichkeit von Dienstleistungen <strong>im</strong>merhin f<strong>ra</strong>glich. Inzwischen wur<strong>de</strong> die<br />

Fernsehrichtlinie novelliert, wobei sich die Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsrichtlinie 1574<br />

ebenfalls auf das<br />

Dienstleistungskapitel als Rechtsgrundlage stützte, zumal Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 5 EGV<br />

eine Harmonisierung von Rechtsvorschriften, wie sie Richtlinienbest<strong>im</strong>mungen <strong>im</strong>manent ist,<br />

ausgeschlossen hätte.<br />

b) Fernsehwerbung<br />

Art. 11 Abs. 5 <strong><strong>de</strong>r</strong> geän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten RL 89/552/EWG sieht nunmehr vor, daß die Übert<strong>ra</strong>gung von<br />

Gottesdiensten nicht durch Werbung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Teleshopping 1575<br />

(kursives eingefügt durch die<br />

Novellierung) unterbrochen wer<strong>de</strong>n darf. Gleiches gilt für Sendungen religiösen Inhalts unter<br />

1572<br />

Im Rahmen <strong>de</strong>s Europa<strong>ra</strong>ts wur<strong>de</strong> am 5.5.1989 das Europäische Übereinkommen über das<br />

grenzüberschreiten<strong>de</strong> Fernsehen (ERÜ) zur Unterzeichnung aufgelegt, welches <strong>im</strong> Gegensatz<br />

zur Fernsehrichtlinie nur grenzüberschreiten<strong>de</strong> Sendungen erfaßt, vgl. Link, Fn. 1571,<br />

S. 311 f.<br />

1573<br />

Richtlinie 89/552/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung best<strong>im</strong>mter<br />

Rechts- und Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten über die Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Fernsehtätigkeit,<br />

ABl. 1989, Nr. L 298, S. 23 ff.; vgl. hierzu allgemein Bogdandy, Europäischer<br />

Protektionismus <strong>im</strong> Medienbereich – Zu Inhalt und Rechtmäßigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Quotenregelungen<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> Fernsehrichtlinie, EuZW 1992, S. 9 ff.<br />

1574<br />

Richtlinie 97/36/EG <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom 30. Juni 1997 zur<br />

Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 89/552/EWG <strong>de</strong>s Rates zur Koordinierung best<strong>im</strong>mter Rechts- und<br />

Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten über die Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Fernsehtätigkeit,<br />

ABl. 1997 Nr. L 202, S. 60 ff.<br />

1575<br />

Gemäß Art. 1 lit. f <strong><strong>de</strong>r</strong> RL sind dies „Sendungen direkter Angebote an die Öffentlichkeit für<br />

<strong>de</strong>n Absatz von Waren o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich<br />

unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt.“


390<br />

30 Minuten Dauer. Gemäß Art. 12 lit. c <strong><strong>de</strong>r</strong> geän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten RL 89/552/EWG dürfen<br />

Fernsehwerbung und Teleshopping nicht gegen religiöse Überzeugungen verstoßen. Im<br />

Gegensatz zu Art. 2 lit. f. ERÜ, <strong><strong>de</strong>r</strong> auch die i<strong>de</strong>elle Werbung erfaßt, wird von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Fernsehrichtlinie gemäß Art. 1 lit. b <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 89/552/EWG nur die Wirtschaftswerbung<br />

erfaßt. 1576<br />

c) Prog<strong>ra</strong>mmauswahl<br />

Durch die Fernsehrichtlinie wer<strong>de</strong>n religiöse Interessen nur in bezug auf Fernsehwerbung und<br />

Teleshopping explizit geschützt. F<strong>ra</strong>glich ist, inwieweit die Prog<strong>ra</strong>mmauswahl selbst religiöse<br />

Interessen wahren muß. Hierbei muß zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen<br />

Sen<strong>de</strong>anstalten unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

Öffentlich-rechtliche Anbieter repräsentieren einen Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Exekutive und<br />

sind damit Verpflichtete <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie; als solche haben sie bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Umsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Fernsehrichtlinie <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit Rechnung zu t<strong>ra</strong>gen. 1577<br />

Außer<strong>de</strong>m haben die Mitgliedstaaten nach Art. 22 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 89/552/EWG dafür zu<br />

sorgen, „daß die Sendungen nicht zu Haß aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Nationalität aufreizen“. In Deutschland gilt <strong>im</strong> übrigen auch das Gebot <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen<br />

Neut<strong>ra</strong>lität gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften. 1578<br />

Die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten Jahre hin zu <strong>de</strong>n nach hoher Einschaltquote heischen<strong>de</strong>n privaten<br />

Sen<strong>de</strong>anstalten gibt <strong>im</strong> Hinblick auf die Prog<strong>ra</strong>mmauswahl eher Anlaß zur Befürchtung, da<br />

diese nicht Verpflichtete <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie sind, zumal <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine horizontale Wirkung von<br />

Richtlinien generell ablehnt. 1579<br />

Zwar bin<strong>de</strong>t die gemeinschaftsrechtliche Religionsfreiheit<br />

ausnahmsweise private Anbieter, die als rechtlich autonomer Verband grenzüberschreitend<br />

Dienstleistungen anbieten, allerdings nur, soweit durch diese gemeinschaftsrechtliche<br />

1576<br />

Vgl. zu <strong>de</strong>n Problemen, die sich aufgrund Art. 2 lit. f ERÜ ergeben können, Link, Fn. 1571,<br />

S. 313.<br />

1577<br />

S.o. E.IV.1.a)cc)(2)(ii).<br />

1578<br />

Allerdings hat das OVG Münster, NJW 1997, S. 1176 f., entschie<strong>de</strong>n, daß auch ein äußerst<br />

kirchenkritischer Fernsehbeit<strong>ra</strong>g einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt nicht gegen<br />

die Religionsfreiheit verstoße, da Glaubensanhänger nicht davor geschützt seien, daß sich<br />

einzelne Sendungen kritisch mit Glaubensinhalten auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzten. Nur das Gesamtprog<strong>ra</strong>mm<br />

eines solchen öffentlich-rechtlichen Sen<strong><strong>de</strong>r</strong>s müsse die religiöse Neut<strong>ra</strong>lität<br />

wahren.<br />

1579<br />

EuGH, Rs. C-91/92 (Paola Faccini Dori/Recreb Srl.), Slg. 1994, S. I-3325 ff., 3355 ff.; a.A.<br />

Gene<strong>ra</strong>lanwalt Carl Otto Lenz in seinen Schlußanträgen, Rs. C-91/92, a.a.O., S. I-3328 ff.,<br />

3338 ff.


391<br />

Grundfreiheiten eingeschränkt zu wer<strong>de</strong>n drohen. 1580 Darüber hinaus können die<br />

Mitgliedstaaten die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen, die in ihrem Mitgliedstaat<br />

ausgest<strong>ra</strong>hlt wer<strong>de</strong>n und gegen Art. 22 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 89/552/EWG verstoßen, aber unter <strong>de</strong>n<br />

Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>s Art. 2 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 89/552/EWG aussetzen, da sie für die Einhaltung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Fernsehrichtlinie zu sorgen haben; man bezeichnet dies als sog.<br />

Sen<strong>de</strong>staatsprinzip. 1581 Hierbei müssen die Mitgliedstaaten als Vollzugsorgane <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

RL 89/552/EWG die gemeinschaftsrechtliche Religionsfreiheit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Rundfunkfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Anbieter abwägen. 1582<br />

Insofern entsprechen die Vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Fernsehrichtlinie <strong><strong>de</strong>r</strong> – aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s<br />

Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV gemeinschaftsrechtlich zu beachten<strong>de</strong>n – Rechtsprechung <strong>de</strong>s<br />

EGMR: Dieser hat die Beschlagnahme eines Filmes mit aggressiv-antiklerikaler bzw.<br />

blasphemischer Ten<strong>de</strong>nz („<strong>Das</strong> Liebeskonzil“) durch <strong>de</strong>n österreichischen Staat nicht als<br />

Verstoß gegen die Meinungsfreiheit <strong>de</strong>s Art. 10 EMRK beurteilt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

schweren Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Gefühle <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Bevölkerungsmehrheit <strong>de</strong>n<br />

Schutz religiösen Frie<strong>de</strong>ns zu Recht als höher<strong>ra</strong>ngig eingestuft. 1583<br />

3. Zusammenfassung<br />

Die auf das Dienstleistungskapitel gestützte Fernsehrichtlinie wahrt an einigen Stellen<br />

ausdrücklich religiöse Rechtspositionen. So darf Werbung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Teleshopping beispielsweise<br />

keine Gottesdienste o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sendungen religiösen Inhalts unter 30 Minuten Dauer unterbrechen.<br />

Während die öffentlich-rechtlichen Sen<strong>de</strong>anstalten unmittelbar an die Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

1580 Vgl. hierzu die Ausführungen oben E.IV.1.a)cc)(3)(iii).<br />

1581 Vgl. hierzu Link, Fn. 100, S. 146; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 1571, S. 312.<br />

1582 Der 15. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 97/36/EG, Fn. 1574 sieht vor: „Nach Art. 6 (ex-Art. F)<br />

Abs. 2 EUV achtet die <strong>Union</strong> die Grundrechte, wie sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK gewährleistet sind, als<br />

allgemeine Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts. Je<strong>de</strong> Maßnahme zur Beschränkung <strong>de</strong>s<br />

Empfangs und/o<strong><strong>de</strong>r</strong> zur Aussetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Weiterverbreitung von Fernsehsendungen nach<br />

Artikel 2a <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 89/552/EWG in <strong><strong>de</strong>r</strong> durch diese Richtlinie geän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Fassung muß mit<br />

diesen Grundsätzen vereinbar sein.“<br />

1583 EGMR, Série A 1994, Nr. 295-A (Otto-Preminger-Institut/Österreich), Rz. 56; vgl. hierzu<br />

G<strong>ra</strong>benwarter, Filmkunst <strong>im</strong> Spannungsfeld zwischen Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Meinungsäußerung und<br />

Religionsfreiheit, Anmerkungen zum Urteil <strong>de</strong>s EGMR vom 20.9.1994 <strong>im</strong> Fall Otto-<br />

Preminger-Institut, ZaöRV 55 (1995), S. 128 ff.; Her<strong>de</strong>gen, Fn. 40, Rdnr. 36; Frowein,<br />

Fn. 819, S. 9.


392<br />

Fernsehrichtlinie gebun<strong>de</strong>n sind, können die Mitgliedstaaten private Sen<strong><strong>de</strong>r</strong> gemäß<br />

Art. 2 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL an <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausst<strong>ra</strong>hlung extrem antiklerikaler Fernsehsendungen hin<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />

VII. Europäische Integ<strong>ra</strong>tion und religiös-weltanschaulicher Meinungsplu<strong>ra</strong>lismus<br />

1. In Deutschland<br />

1996 wur<strong>de</strong> vom Bun<strong>de</strong>stag die Enquête-Kommission „Sogenannte Sekten und<br />

Psychogruppen“ eingesetzt 1584 , <strong><strong>de</strong>r</strong>en Zwischenbericht inzwischen vorliegt. 1585 In diesem<br />

Bericht, <strong><strong>de</strong>r</strong> gemäß § 56 GOBT zur Vorbereitung von Entscheidungen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages dienen<br />

soll, wer<strong>de</strong>n Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitenreligionen danach beurteilt, inwieweit sie sich von <strong>de</strong>n<br />

t<strong>ra</strong>ditionellen Lehren <strong><strong>de</strong>r</strong> großen christlichen Kirchen, <strong>de</strong>m säkularen Weltbild <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

gesellschaftlichen Umwelt sowie <strong>de</strong>m Wirklichkeitsverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> anerkannten<br />

Wissenschaften unterschei<strong>de</strong>n 1586 , während die Gefahren dieser religiös-weltanschaulichen<br />

Gruppen für die öffentliche Sicherheit nur am Ran<strong>de</strong> berührt wur<strong>de</strong>n. 1587<br />

2. Auf EU-Ebene<br />

Auf Gemeinschaftsrechtsebene wur<strong>de</strong> vom <strong>Europäischen</strong> Parlament eine „Entschließung zu<br />

<strong>de</strong>n Sekten in Europa“ 1588 veröffentlicht. Im Gegensatz zu <strong>de</strong>m Bericht <strong><strong>de</strong>r</strong> Enquête-<br />

Kommission differenziert die Entschließung zwischen legalen Gruppierungen und solchen,<br />

<strong>de</strong>nen illegale o<strong><strong>de</strong>r</strong> kr<strong>im</strong>inelle Machenschaften vorzuwerfen sind. Nur <strong>im</strong> Hinblick auf letztere<br />

wur<strong>de</strong> an die Mitgliedstaaten die Empfehlung ausgesprochen, gewährte Steuervorteile zu<br />

kappen, <strong>de</strong>n Status einer religiösen Gemeinschaft aufzuheben und die Zuwendung<br />

gemeinschaftsrechtlicher Beihilfen auszuschließen. 1589<br />

1584<br />

BT-Drucks. 13/1477.<br />

1585<br />

BT-Drucks. 13/8170; vgl. hierzu Kriele, Sektenjagd, ZRP 1998, S. 231 ff.<br />

1586<br />

BT-Drucks. 13/8170, S. 65.<br />

1587<br />

So Kriele, Fn. 1585, S. 231, 233.<br />

1588<br />

ABl. 1996, Nr. C 78, S. 31; s.o. Fn. 366; s.u. Fn. 1677.<br />

1589<br />

Wobei dies ein Beleg dafür ist, daß Zuwendungen an Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

sehr wohl als Beihilfen angesehen wer<strong>de</strong>n können, vgl. hierzu die Ausführungen oben<br />

K.III.6.c)aa).


393<br />

a) Neut<strong>ra</strong>lität <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten, die nur eine Staatskirche kennen, wird durch die<br />

Gemeinschaft keine best<strong>im</strong>mte Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion in <strong>de</strong>n Gründungsverträgen favorisiert.<br />

Dies <strong>im</strong>pliziert, daß sich die Gemeinschaft – wenn überhaupt – auf ein Trennungs- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll festgelegt hat, da nur in diesen bei<strong>de</strong>n Mo<strong>de</strong>llen eine Bevorzugung einer<br />

best<strong>im</strong>mten Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion ausgeschlossen ist. Hie<strong>ra</strong>us muß gefolgert wer<strong>de</strong>n, daß <strong>im</strong><br />

Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Neut<strong>ra</strong>lität und Gleichbehandlung<br />

aller Kirchen und Religionsgemeinschaften gilt, unabhängig davon, ob die<br />

Mitgliedstaaten diese Grundsätze positivrechtlich in ihren Verfassungsüberlieferungen<br />

ve<strong>ra</strong>nkert haben. Aus <strong>de</strong>m Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Neut<strong>ra</strong>lität <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft resultiert, daß alle<br />

Gemeinschaftsorgane bei ihren Rechtshandlungen, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e be<strong>im</strong> Erlaß von<br />

Sekundärrecht, diesem Grundsatz Rechnung t<strong>ra</strong>gen müssen und keine best<strong>im</strong>mte Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsgemeinschaft bevorzugen dürfen. 1590<br />

Da gemeinschaftsrechtlich nicht nur das Grundrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch das<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Meinungsäußerungsfreiheit verbürgt ist, 1591<br />

muß aber z.B. „Sektenbeauft<strong>ra</strong>gten“ <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

bei<strong>de</strong>n Großkirchen zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, sich auf sachliche Art und Weise über<br />

konkurrieren<strong>de</strong> religiöse Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten – umgekehrt gilt dies ebenso – negativ zu äußern,<br />

selbst wenn <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Stellungnahmen geeignet erscheinen mögen, <strong>de</strong>n Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zuwachs <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

kritisierten Kirchen, Religionsgemeinschaften o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sekten zu hemmen.<br />

b) Einflußnahmemöglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />

aa) Warn- bzw. Einschreitpflicht<br />

Den einzelnen Mitgliedstaaten obliegt die Pflicht zur Aufrechterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen<br />

Sicherheit und Ordnung sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> St<strong>ra</strong>fverfolgung in ihrem Hoheitsgebiet. Aus diesem<br />

Grun<strong>de</strong> wird diesen die Kompetenz zum Erlaß sowohl von präventiven Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Aufklärung und Warnung vor individuell o<strong><strong>de</strong>r</strong> kollektiv schädlichen religiösen Gruppierungen<br />

als auch von repressiven St<strong>ra</strong>fverfolgungsmaßnahmen zugestan<strong>de</strong>n, sofern religiöse Gruppierungen<br />

die Rechte an<strong><strong>de</strong>r</strong>er bzw. Rechtspositionen <strong>de</strong>s Gemeinwesens verletzen.<br />

Die Fürsorgepflicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft für seine <strong>Union</strong>sbürger ist in<strong>de</strong>s aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> nur<br />

einzelne Teilaspekte umfassen<strong>de</strong>n Schutzfunktion <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>sbürgerschaft gemäß<br />

Art. 17 (ex-Art. 8) ff. EGV weit weniger ausgeprägt als <strong>im</strong> innerstaatlichen Recht.<br />

1590 Vgl. auch Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts, s.o. C.I.3.a).<br />

1591 Vgl. EuGH, verb. Rs. 43 u. 63/82 (VBVB u. VBBB/Kommission), Slg. 1984, S. 19 ff., 62.


394<br />

Als Rechtfertigungsgrund für <strong><strong>de</strong>r</strong>artige präventive Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ließe sich<br />

höchstens Art. 152 (ex-Art. 129) Abs. 1 UAbs. 2 u. 3 EGV anführen, soweit Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Warnung und Aufklärung vor religiösen Gruppierungen als „Gesundheitsinformation“ zur<br />

Verhütung von K<strong>ra</strong>nkheiten aufgefaßt wer<strong>de</strong>n könnten, was man lediglich für die sog.<br />

„Psychosekten“ bejahen kann.<br />

Bei st<strong>ra</strong>frechtlich relevantem Verhalten von Sekten bestehen unionsrechtliche Befugnisse v.a.<br />

nach Art. 30 (ex-Art. K.2) Abs. 1 lit. a EUV zur Koordinierung <strong><strong>de</strong>r</strong> ope<strong>ra</strong>tiven Zusammenarbeit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> zuständigen mitgliedstaatlichen Behör<strong>de</strong>n <strong>im</strong> präventiven und repressiven Bereich<br />

i.R.d. Europol.<br />

bb) Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Einflußnahme<br />

Ähnlich wie <strong>im</strong> nationalen Bereich wird man eine Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur<br />

inhaltlichen Beurteilung und zum Erlaß beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er präventiver Warnhinweise <strong>im</strong> Hinblick<br />

auf Religionsgemeinschaften und Sekten nur dort bejahen können, wo diese nachweislich<br />

psychische Schä<strong>de</strong>n bei ihren Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n herbeiführen o<strong><strong>de</strong>r</strong> sich außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechtsordnung bewegen, wovon nur <strong>im</strong> Ausnahmefall auszugehen sein wird. Die<br />

Gemeinschaft besitzt jedoch keine Kompetenz zur Stellungnahme darüber, inwieweit<br />

Religionsgemeinschaften o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sekten von <strong>de</strong>n Großkirchen abweichen<strong>de</strong> Leh<strong>ra</strong>uffassungen<br />

vertreten. 1592<br />

3. Zusammenfassung<br />

Im Gegensatz zu einigen nationalen Rechtsordnungen favorisiert das Gemeinschaftsrecht<br />

keine best<strong>im</strong>mte Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist zur strikten Neut<strong>ra</strong>lität und<br />

Gleichbehandlung verpflichtet; dies gilt insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e be<strong>im</strong> Erlaß von Sekundärrecht. Die<br />

Gemeinschaft ist zu präventiven Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufklärung und Warnung vor religiösen<br />

Gruppierungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sekten berechtigt, soweit diese psychische Schä<strong>de</strong>n bei ihren Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

hervorrufen; repressive Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> i.R.d. Europol sind möglich, wenn sich diese<br />

außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsordnung bewegen. Eine Kompetenz zur inhaltlichen Beurteilung von<br />

Leh<strong>ra</strong>uffassungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften steht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nicht zu.<br />

1592 Ähnlich Kriele, Fn. 1585, S. 232, 234, bezogen auf <strong>de</strong>n Mitgliedstaat.


395


396<br />

L. Gemeinschaftsrechtliche Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung für Kirchen<br />

und Religionsgemeinschaften<br />

I. Exemtion für das <strong>Religionsrecht</strong><br />

Reine Exemtionen, d.h. Bereiche, die vom Gemeinschaftsrecht gänzlich ausgespart wer<strong>de</strong>n,<br />

sind heutzutage selten gewor<strong>de</strong>n, 1593<br />

zumal die Vergemeinschaftung einzelner, bisher <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten vorbehaltener, Rechtsgebiete stetig vo<strong>ra</strong>nschreitet.<br />

1. Bereichsausnahme aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Bosman 1594 hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine Exemtion für <strong>de</strong>n Sport nicht aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit <strong><strong>de</strong>r</strong> Materie anerkannt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n das Argument <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sregierung, <strong>de</strong>m<br />

Berufssport komme pr<strong>im</strong>är kein wirtschaftlicher Cha<strong>ra</strong>kter zu, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sei <strong>de</strong>m Kulturbereich<br />

i.w.S. zuzurechnen, ausdrücklich abgelehnt. 1595 Ebensowenig ließ <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH gelten, daß<br />

Sportverbän<strong>de</strong> nach nationalem Recht über eine Eigenständigkeit außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen<br />

Rechtsordnung verfügen. Vielmehr vertritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof, eine sportliche Betätigung könne<br />

nur dann vom Geltungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsverträge ausgenommen sein, soweit es sich<br />

um eine unentgeltliche Tätigkeit han<strong>de</strong>le; ansonsten gehöre diese zum Wirtschaftsleben i.S.d.<br />

Art. 2 (ex-Art. 2) EGV. 1596<br />

Diese Erwägungen lassen sich ohne weiteres auf das Religions-<br />

1593<br />

So auch Streinz, Fn. 77, S. 56.<br />

1594<br />

EuGH, Rs. C-415/93 (<strong>Union</strong> royale belge <strong>de</strong>s sociétés <strong>de</strong> football association<br />

ASBL/Bosman, Royal club liégeois SA/Bosman u.a.), Slg. 1995, S. I-4921 ff. = JZ 1996,<br />

S. 248 ff. m. Anm. Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>.<br />

1595<br />

EuGH, Rs. C-415/93, Fn. 1594, Rz. 72.<br />

1596<br />

EuGH, Rs. C-415/93, Fn. 1594, Rz. 73 – 76; 81 – 83. Auch die soziale Funktion <strong>de</strong>s<br />

Berufssports rechtfertigt ebensowenig wie die Tatsache, daß es sich hierbei nicht um einen<br />

„typischen“ Wirtschaftsbereich han<strong>de</strong>lt, die Zulässigkeit einer Bereichsausnahme, vgl.<br />

Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 319, S. 35 ff., 38 f., <strong><strong>de</strong>r</strong>s., JZ 1996, S. 254.


397<br />

recht übert<strong>ra</strong>gen: Auch eine <strong>im</strong> Rahmen einer Religionsgemeinschaft erb<strong>ra</strong>chte entgeltliche<br />

Arbeits- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Dienstleistung eröffnet prinzipiell <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs. 1597<br />

2. Bereichsausnahme für das <strong>Religionsrecht</strong> <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />

a) Kirchenerklärung<br />

Die Kirchenerklärung könnte von ihrem Wortlaut her grds. als Bereichsausnahme für das<br />

<strong>Religionsrecht</strong> angesehen wer<strong>de</strong>n. Dem steht allerdings schon ihre rechtliche<br />

Unverbindlichkeit entgegen. 1598<br />

b) Sonstiges Gemeinschaftsrecht<br />

Auch <strong>im</strong> sonstigen pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrecht fin<strong>de</strong>t sich keine Exemtion für das<br />

<strong>Religionsrecht</strong> als solches. Die vorgenannte Materie stellt damit keinen per se<br />

gemeinschaftsrechtsfreien Bereich dar. Eine generelle Bereichsausnahme wür<strong>de</strong> eine<br />

ausdrückliche Normierung in <strong>de</strong>n Gründungsverträgen selbst erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 1599<br />

Da <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Freizügigkeitsrechte auch auf Religionsgemeinschaften anwen<strong>de</strong>t und eine<br />

Exemtion gemäß Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 3 bzw. 4 EGV nicht eingreift, 1600<br />

müßten<br />

kirchliche Arbeitnehmer selbst <strong>im</strong> liturgischen Bereich konsequenterweise wie gewöhnliche<br />

Arbeitnehmer behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Dies hätte z.B. die Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Geschlechtergleichbehandlung zur Folge, was i.R.d. <strong>Religionsrecht</strong>s zu unbilligen und von<br />

keinem Mitgliedstaat gewollten Ergebnissen führen wür<strong>de</strong>.<br />

II. Berücksichtigung religionsrechtlicher Belange durch Anerkennung eines<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

1597 So auch Link, Fn. 100, S. 136; Streinz, Fn. 77, S. 63 f.<br />

1598 Vgl. hierzu die Ausführungen oben D.IV.10.<br />

1599 Ebenso Streinz, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. 31 (1997), S. 97.<br />

1600 A.A. Bleckmann, Fn. 484, 5. Aufl., Rdnr. 457; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., 6. Aufl., Rdnr. 759; dieser ist – entgegen<br />

einer früheren, differenzierteren Ansicht, vgl. Bleckmann, Fn. 310, S. 22 – <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Auffassung, <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorbehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> „öffentlichen Verwaltung“, Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV,<br />

bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> „öffentlichen Gewalt“, Art. 45 (ex-Art. 55) EGV, greife generell zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchen ein, soweit diese nur einen öffentlich-rechtlichen Status innehaben.


398<br />

Alexan<strong><strong>de</strong>r</strong> Hollerbach hatte schon <strong>im</strong> Jahre 1990 erkannt, daß es vor<strong>ra</strong>ngiges Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />

sein müsse, ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zu ve<strong>ra</strong>nkern. 1601 Dieses Ziel wur<strong>de</strong> durch die Kirchenerklärung,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>en Intention lediglich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicherung <strong>de</strong>s status quo bestand, nicht<br />

verwirklicht. 1602 Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n Sportvereinen mit Berufsfußballspielern, die in vollem<br />

Umfang die Grundfreiheiten beachten müssen, wird man zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften anführen können, daß diese sich auf das Gemeinschaftsgrundrecht<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit berufen können und aus diesem Grund eine ungleich stärkere Position<br />

besitzen. 1603<br />

1. Ansätze eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften <strong>im</strong><br />

Gemeinschaftsrecht<br />

a) Pr<strong>im</strong>äres Gemeinschaftsrecht<br />

Im pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrecht fin<strong>de</strong>n sich keinerlei Best<strong>im</strong>mungen, die unmittelbar auf das<br />

Bestehen eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts von Religionsgemeinschaften hin<strong>de</strong>uten wür<strong>de</strong>n.<br />

b) Sekundäres Gemeinschaftsrecht<br />

Im sekundären Gemeinschaftsrecht fin<strong>de</strong>n sich vereinzelt Vorschriften, die in Teilbereichen<br />

eine Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften anerkennen. Im Regelfall wird diese<br />

Position nicht über ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n i.R.d.<br />

Ten<strong>de</strong>nzschutzes eingeräumt, so z.B. bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie über die <strong>Europäischen</strong><br />

Betriebsräte. 1604<br />

Ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften als<br />

solches wird sekundärrechtlich nicht anerkannt; vielmehr wird teilweise lediglich eine<br />

Ermächtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Mitgliedstaaten ausgesprochen, i.R.d. Richtlinienumsetzung für<br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften eine Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung zu schaffen.<br />

1601<br />

Hollerbach, Fn. 17, S. 273: „Insofern müßte es gelingen, dasjenige, was sich in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechtsprechung <strong>de</strong>s BVerfG als Entfaltung <strong>de</strong>s grundrechtlichen Sachgehalts <strong>de</strong>s<br />

kirchlichen Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts darstellt, in die Judikatur <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gerichtshofs<br />

gewissermaßen hineinzut<strong>ra</strong>gen.“<br />

1602<br />

Die bloße Wahrung <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen Status ist weniger als ein<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht: Soweit letzteres innerstaatlich nicht gewährt wird, ist es auch auf<br />

Gemeinschaftsebene nicht zugestan<strong>de</strong>n.<br />

1603<br />

So auch Streinz, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. (31) 1997, S. 91.<br />

1604<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen oben K.I.2.b)aa).


399<br />

2. Gemeinsame Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten gemäß Art. 6<br />

(ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />

a) Bereich <strong>de</strong>s Kultus bzw. innerkirchlicher Angelegenheiten<br />

aa) Rechtsvergleichen<strong>de</strong> Untersuchung 1605<br />

Die belgische Verfassung gewährleistet in Art. 21 Belg.Verf. ausdrücklich ein<br />

Selbstverwaltungsrecht für innerkirchliche Angelegenheiten. Weltliche Gerichte sind hier auf<br />

die Überprüfbarkeit rein formaler F<strong>ra</strong>gen, wie z.B. die Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Stelle,<br />

1606<br />

beschränkt.<br />

Durch Art. 67 Dän.Verf. gesteht Dänemark einzelnen Bürgern das Recht zur Bildung von<br />

Vereinigungen zum Zwecke <strong><strong>de</strong>r</strong> Gottesverehrung entsprechend ihrer Überzeugung zu.<br />

In Deutschland wird Religionsgesellschaften über Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV<br />

das weitgehen<strong>de</strong> Recht eingeräumt, ihre Angelegenheiten innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Sch<strong>ra</strong>nken <strong>de</strong>s „für<br />

alle gelten<strong>de</strong>n Gesetzes“ selbst zu ordnen und zu verwalten.<br />

Ein kirchliches Selbstverwaltungsrecht ist in Finnlands Verfassung nicht direkt vorgesehen,<br />

da Art. 83 Finn.Verf., <strong><strong>de</strong>r</strong> zu<strong>de</strong>m unter einem Gesetzesvorbehalt steht, keine eigenen Rechte<br />

einräumt. Allerdings folgen die vom Parlament erlassenen Kirchengesetze für die bei<strong>de</strong>n<br />

Staatskirchen <strong>de</strong>m von <strong>de</strong>n Gene<strong>ra</strong>lversammlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen vorgeschlagenen Wortlaut;<br />

das Gesetz über die Religionsfreiheit schützt die Rechte religiöser und nichtreligiöser Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten.<br />

1607<br />

F<strong>ra</strong>nkreich kennt von Verfassungs wegen kein explizites Selbstverwaltungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsgemeinschaften, da Art. 2 S. 3 F<strong>ra</strong>nz.Verf. von 1958 nur Individualcha<strong>ra</strong>kter besitzt;<br />

allerdings wird ein solches Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Selbstorganisation faktisch anerkannt.<br />

Griechenland kennt nur ein eingeschränktes Recht auf Selbstverwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche, da <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

staatliche Gesetzgeber die Grundordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Orthodoxen Kirche vorgibt und <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Einhaltung überdies vom Staats<strong>ra</strong>t überprüft wird. Ein weitergehen<strong>de</strong>s Selbstverwaltungsrecht<br />

1605<br />

Ansätze hierzu fin<strong>de</strong>n sich schon bei Pernice, Fn. 17, S. 780, dort Fn. 63.<br />

1606<br />

Vgl. Torfs, Fn. 195, S. 22 f.<br />

1607<br />

Heikkilä/Knuutila/Scheinin, Fn. 147, S. 309.


400<br />

besteht jedoch für <strong>de</strong>n Berg Athos und für die Religionsgemeinschaften außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Griechisch-Orthodoxen Kirche.<br />

Irland erwähnt in Art. 44 Abs. 2 Ziff. 5 Irl.Verf. ausdrücklich ein Selbstverwaltungsrecht<br />

sowie eine Eigentumsga<strong>ra</strong>ntie für je<strong>de</strong> religiöse Konfession. Diese wird damit gerechtfertigt,<br />

daß <strong>de</strong>n Staat F<strong>ra</strong>gen kirchlicher Verwaltung nicht tangierten, da er keinerlei finanzielle<br />

Unterstützung für Kirchen und Religionsgemeinschaften leiste. 1608<br />

Italien enthält in Art. 7 Abs. 1 Ital.Verf. für die Röm-Kath. Kirche die Gewährleistung ihrer<br />

Unabhängigkeit vom Staat in eigenen Angelegenheiten; anerkannten nichtkatholischen<br />

Konfessionen gesteht Art. 8 Abs. 2 Ital.Verf. ausdrücklich das Recht zu, sich gemäß ihrer<br />

eigenen Satzungen zu organisieren, soweit diese nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> italienischen Rechtsordnung<br />

wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen. Zwar besteht für Religionsgemeinschaften, die die Rechtsform <strong>de</strong>s<br />

nichtrechtsfähigen Vereins gemäß Art. 36 ff. CC. wählen, die weitestgehen<strong>de</strong> Möglichkeit zur<br />

Selbstverwaltung, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits aber auch keine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Rechtsstellung. Der Italienische<br />

Staat schließt nämlich nur Vereinbarungen über weitergehen<strong>de</strong> Rechte mit Konfessionen<br />

i.S.d. Art. 8 Ital.Verf., wobei hierzu die Erlangung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus aufgrund <strong>de</strong>s<br />

Gesetzes Nr. 1159/1929 erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist; <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperschaftsstatus erlaubt jedoch weitreichen<strong>de</strong><br />

staatliche Kontrollen und Aufsichtsrechte. 1609 Soweit einer Konfession allerdings aufgrund<br />

einer Vereinbarung eine Rechtsposition zuerkannt wur<strong>de</strong>, kann sie vom Staat grds. nicht mehr<br />

einseitig wi<strong><strong>de</strong>r</strong>rufen wer<strong>de</strong>n. 1610<br />

Luxemburg gewährleistet mit Art. 19 Lux.Verf. die Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsausübung. Ein<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht wird nicht ausdrücklich von Verfassungs wegen erwähnt.<br />

Die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> anerkennen durch Art. 6 Abs. 1 Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>l.Verf. ein Recht zur<br />

Religionsausübung in Gemeinschaft mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en. Ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht zur Regelung<br />

eigener Angelegenheiten ist dies zwar noch nicht. Allerdings schreitet die Entflechtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Staat-Kirche-Beziehungen – wie die Ablösung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsleistungen zeigt – <strong>im</strong>mer mehr in<br />

Richtung Eigenve<strong>ra</strong>ntwortlichkeit und Selbstbest<strong>im</strong>mung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften fort.<br />

Österreich gewährt anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften ein<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht zur selbständigen Ordnung und Verwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen inneren<br />

Angelegenheiten nach Art. 15 StGG. Dieses wird durch die für die jeweiligen<br />

1608 Vgl. Casey, Fn. 166, S. 169.<br />

1609 Vgl. Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 191 ff.<br />

1610 Vgl. Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 194 f.


401<br />

Religionsgemeinschaften erlassenen Gesetze konkretisiert; in diesem Bereich ist eine<br />

staatliche Überprüfung durch staatliche Gerichte nicht möglich. 1611<br />

Den Kirchen und Religionsgemeinschaften wird in Portugal ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />

ausdrücklich nach Art. 41 Abs. 4 Port.Verf. gewährt, wonach diese vom Staat unabhängig<br />

sind und die Freiheit besitzen, ihre eigenen Gebräuche und ihre Anbetung zu organisieren und<br />

auszuüben.<br />

In Schwe<strong>de</strong>n ist in Kapitel 1, Art. 2 Abs. 4 Schwed.Verf. das Recht religiöser Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten<br />

ve<strong>ra</strong>nkert, das diesen die Bewahrung und Entwicklung eines eigenen kulturellen und sozialen<br />

Lebens ga<strong>ra</strong>ntiert. Für die Kirche von Schwe<strong>de</strong>n selbst bestand diese Autonomie in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vergangenheit nicht: Noch das Kirchengesetz von 1992 – dieses regelte u.a. die<br />

Mitgliedschaft in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche von Schwe<strong>de</strong>n sowie Personalf<strong>ra</strong>gen – wur<strong>de</strong> als Rahmengesetz<br />

vom schwedischen Parlament erlassen. Mittlerweile allerdings hat das Parlament<br />

innerkirchliche Angelegenheiten (z.B. F<strong>ra</strong>gen <strong>de</strong>s Gesangbuchs, <strong><strong>de</strong>r</strong> Gottesdienstordnung und<br />

Liturgie) an die kirchliche Gene<strong>ra</strong>lsyno<strong>de</strong> <strong>de</strong>legiert. 1612<br />

Die <strong><strong>de</strong>r</strong>zeitigen<br />

Trennungsbestrebungen wer<strong>de</strong>n zusätzlich zur Ausweitung <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts auch<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche von Schwe<strong>de</strong>n beit<strong>ra</strong>gen.<br />

Die Verfassung Spaniens ga<strong>ra</strong>ntiert in Art. 16 Abs. 1 Span.Verf. die kollektive<br />

Religionsfreiheit. Im übrigen wird diese durch jeweilige Abkommen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsgemeinschaften mit <strong>de</strong>m Spanischen Staat auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage <strong>de</strong>s Art. 16 Abs. 3 S. 2<br />

Span.Verf. i.V.m. <strong>de</strong>m Ausführungsgesetz über die Religionsfreiheit näher konkretisiert.<br />

Allerdings wird von Verfassungs wegen ein volles Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsgemeinschaften nicht anerkannt.<br />

Da sich das Vereinigte Königreich keine geschriebene Verfassung gegeben hat, existieren<br />

auch keine formell verfassungsrechtlichen Ga<strong>ra</strong>ntien für das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften. Diese wer<strong>de</strong>n vielmehr freiwilligen Vereinigungen<br />

gleichgestellt; ein öffentlich-rechtlicher Status bzw. eine formelle Anerkennung ist <strong>im</strong><br />

Vereinigten Königreich unbekannt. Während sich das englische Parlament eine Kontrolle über<br />

kirchliche Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche von England vorbehält, wer<strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kirchen einzelne<br />

Freiheiten gottesdienstlichen Han<strong>de</strong>lns eingeräumt, d.h. bei diesen Religionsgemeinschaften<br />

unterläßt es die Staatsgewalt, geistliche Funktionen auszuüben. 1613<br />

bb) Ergebnis<br />

1611 Vgl. Potz, Fn. 206, S. 255 f., 260, 262.<br />

1612 Schött, Fn. 149, S. 322 f.<br />

1613 McClean, Fn. 136, S. 337 ff.


402<br />

Im Gegensatz zu <strong>de</strong>m Befund <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD aus <strong>de</strong>m Jahre 1991 1614 läßt sich rechtsvergleichend<br />

innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Mitgliedstaaten ein Trend hin zur Anerkennung eines<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts für Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

unmittelbaren Religionsausübung erkennen. Zwar besteht in Staaten, die <strong>de</strong>m System <strong>de</strong>s<br />

Staatskirchentums anhängen, ein Letztentscheidungsrecht <strong>de</strong>s Staates in religiösen<br />

Angelegenheiten. Zum einen respektieren jedoch selbst diese Mitgliedstaaten das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gründung neuer Religionsgemeinschaften, die dieser weitgehen<strong>de</strong>n staatlichen Einflußnahme<br />

nicht unterworfen sind. Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en sind sie <strong>im</strong> Begriff, <strong>de</strong>n Staatskirchen die gleichen<br />

Freiheiten wie <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften einzuräumen. 1615<br />

Rechtsvergleichend ist daher für Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> kultischen<br />

Kernbereich ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht zur selbständigen Ordnung und Verwaltung ihrer<br />

eigenen Angelegenheiten anzuerkennen, zumal gemeinschaftsrechtlich ein Min<strong>im</strong>alstandard<br />

abgelehnt wer<strong>de</strong>n muß. 1616 Aus diesem Grun<strong>de</strong> sind diese Institutionen <strong>im</strong><br />

Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts berechtigt, in innerkirchlichen Angelegenheiten<br />

autonomes Recht zu setzen. Dies hat zur Folge, daß hier allgemeinere Vorschriften <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts, wie z.B. Art. 39 (ex-Art. 48) EGV, nicht zur Anwendung gelangen. 1617<br />

Im übrigen wird man mit Streinz 1618 und van Bijsterveld 1619 auch das Abschließen<strong>de</strong><br />

Dokument <strong>de</strong>s Wiener KSZE-Folgetreffens vom 15. Januar 1989, das alle Mitgliedstaaten<br />

unterzeichnet haben, 1620<br />

trotz ihrer mangeln<strong>de</strong>n Rechtsverbindlichkeit als Indiz für ein<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften auf<br />

Gemeinschaftsrechtsebene he<strong>ra</strong>nziehen können, da es in <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüchlich erschiene,<br />

wenn die Mitgliedstaaten einerseits auf KSZE-Ebene ein weitgehen<strong>de</strong>s<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften anerkennen wür<strong>de</strong>n, dieser gehobene<br />

Grundrechtsstandard an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits aber nicht gemeinschaftsrechtliches Gemeingut sein sollte.<br />

1614<br />

Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD (Hrsg.), Fn. 395, S. 376, These 2: „So kennt die Verfassungsordnung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als die <strong><strong>de</strong>r</strong> meisten an<strong><strong>de</strong>r</strong>en europäischen Staaten,<br />

über die Ga<strong>ra</strong>ntie <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit hinaus ein vom Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />

ausgehen<strong>de</strong>s System institutioneller staatskirchenrechtlicher Ga<strong>ra</strong>ntien [...].“<br />

1615<br />

In diesem Sinne auch v. Campenhausen, Fn. 177, S. 69; Robbers, Fn. 107, S. 353, 360;<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 598, S. 52.<br />

1616<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen oben E.II.3.a).<br />

1617<br />

Ebenso Hollerbach, Fn. 17, S. 277.<br />

1618<br />

Vgl. Streinz, Fn. 77, S. 65.<br />

1619<br />

Van Bijsterveld, Fn. 607, S. 29 f.<br />

1620<br />

Hierin wur<strong>de</strong> u.a. die Achtung <strong>de</strong>s Rechts religiöser Gemeinschaften <strong>im</strong> Hinblick auf ihre<br />

Selbstorganisation anerkannt, s.o. A.II.1.a)aa).


) Allgemeineres Dienst- und Arbeitsrecht<br />

403<br />

aa) Rechtsvergleichen<strong>de</strong> Untersuchung<br />

Im folgen<strong>de</strong>n soll untersucht wer<strong>de</strong>n, inwieweit <strong>de</strong>n Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong><br />

innerstaatlichen <strong>Religionsrecht</strong> die Kompetenz zum Erlaß eigener Rechtsvorschriften <strong>im</strong><br />

Bereich <strong>de</strong>s kirchlichen Arbeitsrechts zugestan<strong>de</strong>n wird. Ist dies nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall, so ist zu<br />

untersuchen, ob das staatliche Arbeitsrecht spezielle Verhaltensanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an kirchliche<br />

Mitarbeiter außerhalb geistlicher Ämter anerkennt.<br />

Obwohl Belgien durch Art. 21 Belg.Verf. ausdrücklich ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsgemeinschaften anerkennt, bezieht sich dies nur auf „kirchliche Organisationen <strong>im</strong><br />

striktesten Sinne“; <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheitsfürsorge o<strong><strong>de</strong>r</strong> Erziehung beispielsweise sind<br />

Kirchen an die gelten<strong>de</strong> staatliche Gesetzgebung gebun<strong>de</strong>n. 1621 Selbst die Tätigkeit von<br />

Geistlichen wird – soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber kein religiöser Or<strong>de</strong>n ist – mittlerweile<br />

arbeitsvert<strong>ra</strong>gsrechtlich gewürdigt. Auch ist die Anwendung von Tarifverträgen auf kirchliche<br />

Laien unproblematisch möglich. 1622 Hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Loyalität kirchlicher Arbeitnehmer<br />

wer<strong>de</strong>n Abstufungen gemacht: Während wie<strong><strong>de</strong>r</strong>verhei<strong>ra</strong>teten Lehrern an konfessionellen<br />

Schulen aus diesem Grund grds. nicht gekündigt wer<strong>de</strong>n darf, ergibt sich an<strong><strong>de</strong>r</strong>es nur bei<br />

Religionslehrern. 1623<br />

Dänemark gewährt <strong><strong>de</strong>r</strong> dänischen Volkskirche ohnehin kein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht, da die<br />

maßgeblichen Entscheidungen durch das Folketing und <strong>de</strong>n Minister für<br />

Kirchenangelegenheiten beschlossen wer<strong>de</strong>n. Die Rechtsverhältnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Geistlichen wer<strong>de</strong>n<br />

<strong>im</strong> Beamtengesetz geregelt, das vor 1969 sogar Spezifika wie die Höhe <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezahlung vorsah.<br />

Auch <strong>im</strong> kollektiven Arbeitsrecht gibt es kein kirchliches Son<strong><strong>de</strong>r</strong>recht; vielmehr besitzen die<br />

Geistlichen – soweit sie nicht unmittelbar in <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsverwaltung tätig sind – ein Streikrecht.<br />

Die prinzipielle Anwendbarkeit <strong>de</strong>s staatlichen Mitbest<strong>im</strong>mungsrechts scheitert in <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis<br />

i.d.R. allerdings an <strong><strong>de</strong>r</strong> Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer einzelner Kirchengemein<strong>de</strong>n. 1624<br />

Auch die<br />

sonstigen anerkannten Religionsgemeinschaften besitzen kein über <strong>de</strong>n Kultus<br />

hinausgehen<strong>de</strong>s Selbstverwaltungsrecht.<br />

In Deutschland dagegen wird das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen nicht nur auf <strong>de</strong>n<br />

engen innerkirchlichen Bereich beschränkt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf religiös motiviertes Tätigwer<strong>de</strong>n<br />

i.w.S. – z.B. <strong>im</strong> Bereich von K<strong>ra</strong>nkenhäusern, Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Altershe<strong>im</strong>en – ausge<strong>de</strong>hnt.<br />

1621 Vgl. Torfs, Fn. 195, S. 24.<br />

1622 Torfs, Fn. 195, S. 30 f.<br />

1623 Vgl. Schäfer, Fn. 1106, S. 95 m.w.N.<br />

1624 Dübeck, Fn. 133, S. 54 f.


404<br />

<strong>Das</strong> Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht soll jedoch nicht nur <strong>de</strong>n verfaßten Kirchen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch<br />

rechtlich selbständigen Organisationen mit privatrechtlicher Rechtsform, zukommen. 1625 Dies<br />

ist in<strong>de</strong>s nicht unumstritten, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV<br />

ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht nur <strong>de</strong>n Religionsgesellschaften selbst einräumt. 1626 Nicht<br />

unproblematisch ist insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e das <strong>de</strong>n Freien Trägern <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege individualrechtlich<br />

eingeräumte Kündigungsrecht, soweit sich ein Mitarbeiter <strong>im</strong> nicht-theologischen<br />

Bereich in seinem privaten Lebenswan<strong>de</strong>l o<strong><strong>de</strong>r</strong> durch öffentliche Äußerungen <strong>de</strong>n<br />

Leh<strong>ra</strong>uffassungen seines Dienstherrn wi<strong><strong>de</strong>r</strong>setzt. 1627 Es ist nicht ganz zu Unrecht die F<strong>ra</strong>ge<br />

gestellt wor<strong>de</strong>n, welche Religionsausübung durch die Nicht-Kirchenzugehörigkeit eines<br />

Buchhalters eines K<strong>ra</strong>nkenhauses in kirchlicher Trägerschaft gestört wer<strong>de</strong>n kann. 1628<br />

Angesichts einer weitgehen<strong>de</strong>n Monopolstellung kirchlicher Einrichtungen <strong>im</strong><br />

sozialpflegerischen Bereich 1629 ist die Annahme dieses weitreichen<strong>de</strong>n kirchlichen<br />

Arbeitsrechts durchaus als be<strong>de</strong>nklich einzustufen. Im kollektiven Arbeitsrecht kommt für<br />

kirchliche Einrichtungen i.w.S. staatliches Mitbest<strong>im</strong>mungsrecht nicht zur Anwendung,<br />

vielmehr wird diesen ein sog. „Dritter Weg“ zugestan<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> we<strong><strong>de</strong>r</strong> Streikrecht noch<br />

Aussperrung kennt. 1630<br />

In Finnland wird das Personal <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Staatskirchen verbeamtet, soweit nicht privatrechtliche<br />

Arbeitsverträge abgeschlossen wer<strong>de</strong>n, wie sie für die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften<br />

ohnehin üblich sind. <strong>Das</strong> Arbeitsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatskirchen wird in <strong>de</strong>n<br />

1625<br />

Vgl. Bethge, Fn. 444, S. 79 f.; Jurina, <strong>Das</strong> Dienst- und Arbeitsrecht <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Berlin 1979, S. 17 ff.; 92 ff.; Robbers, Fn. 177, S. 67 f.<br />

1626<br />

Wieland, Die verfassungsrechtliche Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen als Arbeitgeber, DB 1987,<br />

S. 1633, vertritt daher die Auffassung, daß sich das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht in ein<br />

„Fremdbest<strong>im</strong>mungsrecht“ verwan<strong>de</strong>le, soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtskreis <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgesellschaften<br />

überschritten und eine Rechtsbeziehung zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechtssubjekten geknüpft wer<strong>de</strong>.<br />

1627<br />

Vgl. hierzu BVerfGE 70, S. 138 ff., 162. Mittlerweile scheint das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />

jedoch zunehmend eine Einengung zu erfahren. So hat das BAG, NJW 1995, S. 275 ff., die<br />

Kündigung eines homosexuellen Mitarbeiters <strong>im</strong> nicht-theologischen Bereich wegen<br />

Verstoßes gegen § 242 BGB als unwirksam angesehen.<br />

1628<br />

So Struck, Entwicklung und Kritik <strong>de</strong>s Arbeitsrechts <strong>im</strong> kirchlichen Bereich, NZA 1991,<br />

S. 249 ff., 253.<br />

1629<br />

Konkrete Nachweise bei Neumann, Fn. 448, S. 64, 66. Für die meisten <strong><strong>de</strong>r</strong> ca. 850.000<br />

vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter in konfessionellen K<strong>ra</strong>nkenhäusern, Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten, bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Caritas o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Diakonischen Werk han<strong>de</strong>lt es sich bei ihrer beruflichen Tätigkeit um eine<br />

normale Arbeitsstelle, nicht dagegen um Religionsausübung. Kirchliches Son<strong><strong>de</strong>r</strong>recht<br />

außerhalb <strong>de</strong>s innerkirchlichen Bereichs wird daher nicht ohne Grund als „intole<strong>ra</strong>bel“<br />

bezeichnet, vgl. P<strong>ra</strong>ntl, Fn. 118, S. 90.<br />

1630<br />

Einzelheiten s.o. K.I.1.b).


405<br />

staatlichen Kirchengesetzen fixiert. Darüber hinaus sind auch tarifliche Vereinbarungen<br />

üblich. 1631<br />

Ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong>im</strong> kirchlichen Arbeitsrecht wird in F<strong>ra</strong>nkreich grds. nur dort<br />

anerkannt, wo es sich um klerikale Mitarbeiter han<strong>de</strong>lt. 1632 Der Rechtsstatus von<br />

Arbeitnehmern in einer konfessionell ausgerichteten Klinik richtet sich nach <strong>de</strong>m staatlichen<br />

Recht und <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n Tarifverträgen. Während für die pasto<strong>ra</strong>le Geistlichkeit ein<br />

Arbeitnehmerstatus und damit staatliches Arbeitsrecht nicht zur Anwendung gelangt, gilt<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>es schon bei theologischen Laien, wobei letztere zusätzlich <strong>im</strong> Besitz einer kirchlichen<br />

Missio sein müssen. 1633 Eine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Loyalitätspflicht wird in Abweichung von Art. 122-45<br />

Co<strong>de</strong> du T<strong>ra</strong>vail – hiernach sind religiöse Überzeugungen eines Arbeitnehmers ohne Einfluß<br />

auf die Beziehung zu seinem Arbeitgeber – aufgrund Art. L 122-35 Co<strong>de</strong> du T<strong>ra</strong>vail nur an<br />

theologisches Personal sowie an kirchliche Privatschullehrer aufgrund ihres wichtigen<br />

Erziehungsauft<strong>ra</strong>gs, nicht aber an sonstiges kirchliches Personal gestellt. 1634 Daher kann<br />

einem sonstigen kirchlichen Mitarbeiter nicht aufgrund seines persönlichen Lebenswan<strong>de</strong>ls<br />

gekündigt wer<strong>de</strong>n, soweit dieser seinen Arbeitgeber nicht offensichtlich provoziert. 1635<br />

In Griechenland besteht aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> engen Verflechtung zwischen Staat und Kirche keine<br />

Bereichsausnahme von staatlichem Recht. Im übrigen unterhält nicht die Orthodoxe Kirche,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Griechische Staat selbst Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten und Schulen, wobei allerdings bis 1988 nur<br />

Angehörige <strong><strong>de</strong>r</strong> Griechisch-Orthodoxen Konfession <strong>de</strong>n Lehrer- bzw. Erzieherberuf ausüben<br />

durften. 1636<br />

In Irland wird zwar das kirchliche Selbstverwaltungsrecht ga<strong>ra</strong>ntiert, vgl. Art. 44 Abs. 2<br />

Ziff. 1 u. 5 Irl.Verf., jedoch erstreckt sich dieses nicht auf das Arbeitsrecht. Die Beendigung<br />

von Arbeitsverhältnissen kirchlicher Laienmitarbeiter muß sich daher ebenso wie diejenige<br />

von Mitarbeitern <strong>im</strong> Schul- und K<strong>ra</strong>nkenhausbereich am allgemeinen irischen Arbeitsrecht<br />

(Unfair Dismissal Act 1977) messen lassen, wobei allerdings an Lehrpersonal in kirchlichen<br />

Einrichtungen best<strong>im</strong>mte Verhaltensanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen gestellt wer<strong>de</strong>n dürfen. 1637<br />

1631<br />

Heikkilä/Knuutila/Scheinin, Fn. 147, S. 313.<br />

1632<br />

Hout-Pleuroux, in: Christoph, Fn. 139, S. 418.<br />

1633<br />

Hout-Pleuroux, in: Christoph, Fn. 139, S. 418; Schäfer, Fn. 1106, S. 93, m.w.N.<br />

1634<br />

Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 140, 146 ff.; Schäfer, Fn. 1106, S. 92 f. Der Lehrstuhlinhaberin<br />

für Kirchengeschichte an einer privaten theologischen Fakultät konnte daher<br />

gekündigt wer<strong>de</strong>n, vgl. Schäfer, Fn. 1106, S. 93, m.w.N.<br />

1635<br />

Schäfer, Fn. 1106, S. 94, m.w.N.<br />

1636<br />

Vgl. Papastathis, Fn. 141, S. 89.<br />

1637<br />

Casey, Fn. 166, S. 175 f.; Treanor, in: Christoph, Fn. 139, S. 422 f.


406<br />

In Italien dagegen existiert für kirchliche Einrichtungen kein eigenes Dienst- und<br />

Arbeitsrecht; lediglich für Or<strong>de</strong>nsangehörige wird ein kirchliches Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />

anerkannt. 1638 Im übrigen gelangt nach Art. 831 CC. staatliches Individualarbeitsrecht zur<br />

Anwendung. Soweit kirchliche Organisationen ein ausdrückliches religiöses Gepräge besitzen<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> ein beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Erziehungsauft<strong>ra</strong>g von kirchlichen Arbeitnehmern wahrgenommen wird,<br />

können jedoch gewisse Loyalitätsanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an das kirchliche Personal gestellt<br />

wer<strong>de</strong>n. 1639<br />

Luxemburg kennt ebenfalls kein spezielles kollektives Arbeitsrecht für kirchliche<br />

Einrichtungen.<br />

In <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n besteht zwar für Kirchen ein Selbstverwaltungsrecht; jedoch gilt<br />

staatliches Arbeits- und Sozialrecht für sämtliche kirchlichen Mitarbeiter mit Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Inhaber geistlicher Ämter. <strong>Das</strong> staatliche Mitarbeitervertretungsgesetz (Wet op <strong>de</strong><br />

on<strong><strong>de</strong>r</strong>nemings<strong>ra</strong>a<strong>de</strong>n), das keine Ausnahme für die Kirchen vorsieht, kommt nur <strong>de</strong>shalb<br />

nicht zur Anwendung, weil bislang die vorgeschriebene Min<strong>de</strong>stanzahl von Arbeitnehmern<br />

nicht erreicht wur<strong>de</strong>. 1640 Im Gegensatz zu Loyalitätsobliegenheiten, die an das lehren<strong>de</strong><br />

Personal an kirchlichen Hochschulen gestellt wer<strong>de</strong>n können, rechtfertigen allein religiöse<br />

Motive keine Entlassung kirchlicher Mitarbeiter in nichtreligiösen Funktionen. 1641<br />

Österreich anerkennt mit § 132 Abs. 4 ArbVG die Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtanwendung einiger<br />

Mitwirkungsbest<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s kollektiven Arbeitsrechts auf Unternehmen und Betriebe, die<br />

konfessionellen Zwecken dienen. Allerdings sind diese Ausnahmebest<strong>im</strong>mungen nicht so<br />

weitreichend wie in Deutschland, da Kirchen und Religionsgemeinschaften – und vor allem<br />

Vereine nach <strong>de</strong>m Vereinsgesetz, wie die Diözesan-Caritas – gemäß Art. 7 ArbVG kollektivvert<strong>ra</strong>gsfähig<br />

sind. 1642<br />

Im Individualarbeitsrecht steht <strong>de</strong>n öffentlich-rechtlichen Kirchen und<br />

1638<br />

Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 195, 198, 204; Michaeler, in: Christoph, Fn. 139, S. 419 f.<br />

1639<br />

Vgl. Art. 4 Abs. 1 S. 2 <strong>de</strong>s Gesetzes zu Individualkündigungen vom 11.5.1990, Nr. 108,<br />

welches eine allgemeine Ten<strong>de</strong>nzschutzklausel enthält, allerdings in einem Spannungsfeld<br />

zu Art. 3 <strong>de</strong>sselben Gesetzes steht, wonach alle diskr<strong>im</strong>inieren<strong>de</strong>n Kündigungen nichtig<br />

sind. Im Falle einer Kündigung eines Lehrers an einer katholischen Privatschule, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich<br />

nur weltlich, nicht aber kirchlich t<strong>ra</strong>uen ließ, wur<strong>de</strong> höchstrichterlich <strong>de</strong>m Schutz<br />

kirchlicher Loyalitätsvorstellungen Vor<strong>ra</strong>ng eingeräumt, vgl. Schäfer, Fn. 1106, S. 95 f.<br />

m.w.N. Außerhalb eines solchen Erziehungsauft<strong>ra</strong>gs wäre eine Kündigung kirchlicher<br />

Arbeitnehmer außerhalb <strong>de</strong>s religiösen Amtes unzulässig, soweit sie sich ausschließlich auf<br />

die Verletzung von Loyalitätsobliegenheiten stützen wür<strong>de</strong>.<br />

1640<br />

Backbier, in: Christoph, Fn. 139, S. 424 f.<br />

1641<br />

Van Bijsterveld, Fn. 170, S. 243; Walf, Fn. 170, S. 91.<br />

1642<br />

Vgl. Schinkele, Fn. 854, S. 12, 18.


407<br />

Religionsgesellschaften keine Dienstherrnfähigkeit und damit nicht die Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Begründung öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse zu; die privatrechtlichen<br />

Dienstverhältnisse sind an das staatliche Arbeitsrecht gebun<strong>de</strong>n, 1643 wobei eine bestehen<strong>de</strong><br />

Treuepflicht <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Mitarbeiter je nach Nähe zum kirchlichen Verkündigungsauft<strong>ra</strong>g<br />

abgestuft wird. 1644<br />

Die Verfassung Portugals gewährt in Art. 41 Port.Verf. <strong>de</strong>n Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht für die eigenen Gebräuche und die<br />

Anbetung, d.h. <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Kultus, nicht dagegen <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s kirchlichen<br />

Arbeitsrechts.<br />

In Schwe<strong>de</strong>n existiert für Pfarrer kein kirchliches Son<strong><strong>de</strong>r</strong>recht; sie gelten als Arbeitnehmer<br />

und sind größtenteils gewerkschaftlich organisiert. Im Gegenzug ist die Vereinigung von<br />

Gemein<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen von Schwe<strong>de</strong>n als Arbeitgebervereinigung anzusehen. 1645<br />

Ein ein<strong>de</strong>utiger Befund dahingehend, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Spanische Staat ein erweitertes<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Arbeitsrechts respektieren wür<strong>de</strong>, läßt<br />

sich <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit noch nicht erkennen.<br />

Auch <strong>im</strong> Vereinigten Königreich gibt es keine verfassungsrechtliche Ga<strong>ra</strong>ntie <strong>de</strong>s kirchlichen<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts; vielmehr gelangt das staatliche Arbeitsrecht (Employment<br />

Protection Act 1978; Equal Pay Act 1970; Sex Discr<strong>im</strong>ination Act 1975) zur Anwendung,<br />

wobei letztgenanntes Gesetz für Kirchen und Religionsgemeinschaften Ausnahmen vorsieht,<br />

die in<strong>de</strong>s nur für kirchliche Amtsträger, nicht aber für gewöhnliche kirchliche Arbeitnehmer<br />

eingreifen. 1646 Verstöße gegen kirchliche Loyalitätsobliegenheiten sind daher lediglich be<strong>im</strong><br />

Klerus sanktionierbar. 1647<br />

bb) Ergebnis<br />

Kein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Mitgliedstaat kennt ein <strong><strong>de</strong>r</strong>art weitreichen<strong>de</strong>s kirchliches Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht,<br />

wie es in Deutschland über Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV selbst für<br />

<strong>de</strong>n kirchlich-sozialen Bereich anerkannt ist. 1648<br />

Aus Ten<strong>de</strong>nzschutzerwägungen he<strong>ra</strong>us<br />

1643<br />

Vgl. Schinkele, Fn. 854, S. 19.<br />

1644<br />

Vgl. Potz, Fn. 206, S. 270 f.<br />

1645<br />

Vgl. Schött, Fn. 149, S. 328.<br />

1646<br />

McClean, Fn. 136, S. 345 f.<br />

1647<br />

Pearce, in: Christoph, Fn. 139, S. 420 f.<br />

1648<br />

So auch Bleckmann, Fn. 310, S. 24, <strong><strong>de</strong>r</strong> ebenfalls zum Ergebnis gelangt, daß sich in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Mitgliedstaaten ähnliche weite Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen wie in Deutschland nicht fin<strong>de</strong>n


408<br />

gewähren die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten <strong>de</strong>n kirchlichen Organisationen in diesem Bereich<br />

allenfalls die Möglichkeit, Loyalitätspflichten ihrer Arbeitnehmer einzufor<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />

<strong>Das</strong> Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen wür<strong>de</strong> durch die Einräumung einer<br />

gemeinschaftsrechtlichen 1649 Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung <strong>im</strong> sozial-diakonischen Bereich<br />

überst<strong>ra</strong>paziert. 1650<br />

Die Rechtsvergleichung hat <strong>de</strong>utlich gezeigt, daß die nationalen<br />

Rechtsordnungen – mit Ausnahme Deutschlands und teilweise Österreichs – für <strong>de</strong>n sozial-<br />

lassen; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 133, S. 152, aufgrund umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong> rechtsvergleichen<strong><strong>de</strong>r</strong> Untersuchungen:<br />

„Grundsätzlich wird man trotz<strong>de</strong>m annehmen dürfen, daß in <strong>de</strong>n meisten Staaten das<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht auf die „inneren Angelegenheiten“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen beschränkt ist.“ Zu<br />

<strong>de</strong>n gleichen Ergebnissen gelangen auch Birk, in: Christoph, 2. Tagung über „Europäisches<br />

Gemeinschaftsrecht – kirchliches Dienst- und Arbeitsrecht“, ZevKR 36 (1991), S. 395 f.,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> auf die spärlich vorhan<strong>de</strong>nen Ten<strong>de</strong>nzschutzvorschriften <strong>im</strong> Individual- und Kollektivarbeitsrecht<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten eingeht; ebenso Link, Fn. 100, S. 134 f.; Rißmann,<br />

Europäische Integ<strong>ra</strong>tion und das kirchliche Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht in Deutschland,<br />

europablätter 1997, S. 53 ff., 57, weist da<strong>ra</strong>uf hin, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, führte er hinsichtlich <strong>de</strong>s<br />

kirchlichen Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts eine rechtsvergleichen<strong>de</strong> Gesamtschau <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassungen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten durch, wahrscheinlich zu einer Rechtsprechung käme, „die <strong>im</strong><br />

Vergleich zu <strong>de</strong>n verfassungsrechtlichen Regelungen Deutschlands eine eher laizistische<br />

Ten<strong>de</strong>nz verfolgt, weil dies mehr <strong><strong>de</strong>r</strong> staatskirchenrechtlichen Ordnung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Mitgliedstaaten<br />

(z.B. F<strong>ra</strong>nkreichs) entspräche.“; ebenso Streinz, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. 31<br />

(1997), S. 97. A.A. ist dagegen Schäfer, Fn. 1106, S. 97, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich aber zu sehr von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>de</strong>utschen Vorstellung einer christlichen Dienstgemeinschaft leiten läßt.<br />

1649<br />

Selbst <strong>im</strong> bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Recht spricht sich schon Czermak, Fn. 184, S. 477, für eine<br />

Über<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>s Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV aus.<br />

1650<br />

A.A. Hollerbach, Fn. 17, S. 278 f.: So solle aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Respektierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />

bzw. Kirchenfreiheit folgen, daß gemeinschaftsrechtlich je<strong>de</strong>nfalls in seiner Substanz<br />

dasjenige gewährleistet sei, was in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Rechtsordnung mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts gekennzeichnet wer<strong>de</strong>. Die von Hollerbach nicht näher belegte<br />

These ist schon <strong>de</strong>swegen abzulehnen, weil auch aus <strong>de</strong>m Repräsentationsprinzip <strong>de</strong>s Art. 9<br />

EMRK eine kollektive Religionsfreiheit nur für <strong>de</strong>n innerkirchlichen Bereich folgt, s.o.<br />

E.III.2.b)bb). Darüber hinaus wer<strong>de</strong>n vom Gemeinschaftsrecht nicht zwangsläufig alle<br />

nationalen Errungenschaften per se in ihrer Substanz gewahrt, soweit gemeinschaftsrechtliche<br />

Kompetenzen bestehen; dies hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, verb. Rs. C-46 u. 48/93 (B<strong>ra</strong>sserie du<br />

pêcheur/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland u.a.), Slg. 1996, S. I-1029 ff., <strong>im</strong> Hinblick auf das<br />

t<strong>ra</strong>ditionelle Reinheitsgebot für Bier hinreichend <strong>de</strong>utlich gemacht. Eine Substanzwahrung<br />

ist gemeinschaftsrechtlich nur <strong>im</strong> Hinblick auf die Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen I<strong>de</strong>ntität gemäß<br />

Art. 6 Abs. 3 EUV n.F., verfassungsrechtlich allein bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsgüter <strong>de</strong>s<br />

Art. 79 Abs. 3 GG gesichert.


409<br />

diakonischen Bereich kein kirchliches Recht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur die staatliche Gesetzgebung<br />

kennen, welche über die Anerkennung best<strong>im</strong>mter Verhaltensanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>n kirchlichen<br />

Interessen hinreichend Rechnung trägt. Über die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />

be<strong>de</strong>utet dies, daß – <strong>im</strong> Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts – auf die Rechtsverhältnisse<br />

<strong>im</strong> sozial-diakonischen Bereich ebenfalls kein kirchliches, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr<br />

säkulares, sup<strong>ra</strong>nationales Recht anzuwen<strong>de</strong>n ist.<br />

Eine p<strong>ra</strong>ktische Folge dieser Unterscheidung zwischen geistlichen Amtsträgern und<br />

kirchlichen Mitarbeitern <strong>im</strong> sozial-diakonischen Bereich ist beispielsweise, daß sich letztere<br />

auf die Freizügigkeitsrechte berufen können, weil das Gemeinschaftsrecht hier grds.<br />

anwendbar ist.<br />

Durch rechtsvergleichen<strong>de</strong> Untersuchung lassen sich hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen<br />

Mitarbeiterschaft außerhalb <strong>de</strong>s kultischen Dienstes zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften allerdings abgestufte Loyalitätspflichten dieser Mitarbeiter<br />

konstatieren:<br />

Soweit kirchliche Mitarbeiter einen Leh<strong>ra</strong>uft<strong>ra</strong>g zur Vermittlung religiöser Inhalte – z.B. als<br />

ReligionslehrerInnen, als Lehrbeauft<strong>ra</strong>gte an einer theologischen Fakultät 1651<br />

und u.U. auch<br />

als Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärtnerInnen – wahrnehmen, besteht ein anzuerkennen<strong>de</strong>s Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften, die Nichtbeachtung ihres religiösen Selbstverständnisses zu<br />

sanktionieren, um nicht <strong>im</strong> Inneren konturenarm und nach außen hin unglaubwürdig zu<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Nicht möglich ist es dagegen, Loyalitätspflichten für sämtliche kirchlichen Arbeitnehmer, vor<br />

allem solche <strong>im</strong> sozial-diakonischen Bereich, zu begrün<strong>de</strong>n, es sei <strong>de</strong>nn, man ginge – m.E.<br />

unzutreffend – von einem Max<strong>im</strong>alstandard 1652 <strong>de</strong>s Gemeinschaftsgrundrechts auf Religionsfreiheit<br />

aus. 1653<br />

1651<br />

Vgl. hierzu jüngst Mainusch, Lehrmäßige Beanstandung eines evangelischen Theologieprofessors,<br />

DÖV 1999, S. 677 – 685.<br />

1652<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen oben E.II.3.b).<br />

1653<br />

Ebenso Link, Fn. 100, S. 142; Streinz, Fn. 77, S. 76.


410<br />

3. Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV i.V.m. Art. 9 EMRK<br />

a) Bleckmanns Theorie vom Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen durch Rechtsvergleichung<br />

i.R.d. Art. 9 EMRK<br />

Albert Bleckmann ist da<strong>ra</strong>n gelegen, durch eine Monog<strong>ra</strong>phie 1654 <strong>de</strong>n Nachweis zu erbringen,<br />

daß Art. 9 Abs. 1 EMRK trotz seines ein<strong>de</strong>utigen, nur auf Individualrechte gemünzten<br />

Wortlauts zusätzlich das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen ve<strong>ra</strong>nkere. 1655<br />

Hierzu wählt er die Metho<strong>de</strong> einer rechtsvergleichen<strong>de</strong>n Untersuchung <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen<br />

religionsrechtlichen Systeme <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten. 1656 Die Rechtsvergleichung spiele wie <strong>im</strong><br />

Gemeinschaftsrecht auch bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK eine „he<strong>ra</strong>us<strong>ra</strong>gen<strong>de</strong> Rolle“; dies gehe<br />

zum einen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en aus einem Urteil <strong>de</strong>s EGMR hervor, in<br />

<strong>de</strong>m dieser festgestellt habe, die Tatsache allein, daß eine gesetzliche Regelung in einem<br />

Mitgliedstaat von <strong><strong>de</strong>r</strong> in allen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten gültigen abweiche, indiziere noch<br />

keinen Verstoß gegen die EMRK. 1657<br />

Auch spräche die Ähnlichkeit <strong>de</strong>s Art. 18 Abs. 1 IPbpR mit Art. 9 EMRK – wobei ersterer<br />

nach Auffassung eines Kommentators weit auszulegen sei, so daß unter <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

„Ausübung“ mitunter die Gründung und Unterhaltung von Wohlfahrtseinrichtungen zu<br />

subsumieren sei – dafür, daß gleiches auch <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> „Ausübung religiöser Gebräuche“<br />

<strong>de</strong>s Art. 9 EMRK gelte. 1658<br />

Außer<strong>de</strong>m könne sich neuerdings eine Kirche selbst auf das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />

berufen. 1659<br />

Aus diesem Grund stelle sich die Religionsfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK als Doppelgrundrecht<br />

mit individual- und kollektivrechtlicher Komponente dar, wobei das<br />

Selbstverwaltungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen über die Verrichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> kultisch-liturgischen Angelegen-<br />

1654<br />

Bleckmann, Von <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen Religionsfreiheit <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK zum Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen – Ansätze zu einem „<strong>Europäischen</strong> Staatskirchenrecht“, s.o.<br />

Fn. 133.<br />

1655<br />

Hollerbach, Trennung von Staat und Kirche: Internationale Aspekte und <strong>de</strong>utsche<br />

Erfahrungen, in: Carlen (Hrsg.), Trennung von Kirche und Staat – Sépa<strong>ra</strong>tion <strong>de</strong> l’église et<br />

<strong>de</strong> l’état, Freiburg (Schweiz) 1994, S. 21 ff., 32, weist dagegen – m.E. zu Recht – da<strong>ra</strong>uf<br />

hin, daß eine universale Geltung beanspruchen<strong>de</strong> Ga<strong>ra</strong>ntie <strong>de</strong>s kirchlichen bzw. religionsgemeinschaftlichen<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts noch nicht besteht.<br />

1656<br />

Bleckmann, Fn. 133, S. 11, 66, 73 ff.<br />

1657<br />

Bleckmann, Fn. 133, S. 13.<br />

1658<br />

Bleckmann, Fn. 133, S. 22 ff.<br />

1659<br />

Bleckmann, Fn. 133, S. 27, unter Verweis auf Frowein/Peukert, Fn. 679, Art. 9, Rdnr. 8.


411<br />

heiten hinausgehe. 1660 Hierbei sei zu beachten, daß einige Mitgliedstaaten (Dänemark,<br />

Griechenland, Großbritannien) aufgrund <strong>de</strong>s dortigen Staatskirchentums weitgehen<strong>de</strong><br />

Eingriffsrechte in <strong>de</strong>n Status dieser Kirchen besäßen, die über die Sch<strong>ra</strong>nken <strong>de</strong>s<br />

Art. 9 Abs. 2 EMRK hinausreichten. 1661 Dieser Konflikt könne nur <strong><strong>de</strong>r</strong>art gelöst wer<strong>de</strong>n, daß<br />

das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht nach Art. 9 EMRK entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> restriktiv ausgelegt wer<strong>de</strong>, um nicht<br />

das <strong>Religionsrecht</strong> dieser Mitgliedstaaten in F<strong>ra</strong>ge zu stellen 1662 o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber – wofür Bleckmann<br />

plädiert – weit ausgelegt wer<strong>de</strong>n müsse, wobei die Kirchenorgane <strong>im</strong> Verhältnis zu <strong>de</strong>n<br />

Staatsorganen stillschweigend über Art. 9 Abs. 2 EMRK hinausreichen<strong>de</strong> Eingriffsrechte<br />

gewährten, und es somit zu einem partiellen Verzicht auf das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht nur für<br />

Vert<strong>ra</strong>gsstaaten mit einem Staatskirchentum komme. 1663<br />

Dabei könnten die mitgliedstaatlichen Kirchen ihre eigenen Angelegenheiten selbst<br />

<strong>de</strong>finieren, so daß eine Aus<strong>de</strong>hnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsausübung auf <strong>de</strong>n Betrieb z.B. von<br />

K<strong>ra</strong>nkenhäusern möglich sei, auch wenn dies nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> gelten<strong>de</strong>n P<strong>ra</strong>xis in allen<br />

Mitgliedstaaten entspreche. 1664<br />

Als Sch<strong>ra</strong>nke <strong><strong>de</strong>r</strong> korpo<strong>ra</strong>tiven Religionsfreiheit könnten sich zwar die „Rechte und Freiheiten<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>er“ und damit auch die individuelle Religionsfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Mitarbeiter<br />

darstellen. 1665 Jedoch gäbe es ergänzen<strong>de</strong> Prinzipien, die das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchen <strong>de</strong>n Rechten <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer vorgehen lasse. 1666<br />

b) Würdigung und Kritik<br />

Die eben dargestellte Auffassung Bleckmanns kann in<strong>de</strong>s nicht unwi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprochen<br />

hingenommen wer<strong>de</strong>n. Vor allem lei<strong>de</strong>t die These Bleckmanns, Art. 9 EMRK ve<strong>ra</strong>nkere das<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen, schon an einer unzutreffen<strong>de</strong>n Prämisse: Eine<br />

Rechtsvergleichung gehört ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> nicht zu <strong>de</strong>n Auslegungsmetho<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nen sich die<br />

St<strong>ra</strong>ßburger Organe – <strong>im</strong> Gegensatz zum EuGH – in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit häufig bedient haben:<br />

Während <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR über einen ausführlichen Grundrechtskatalog verfügt, <strong><strong>de</strong>r</strong> erstens eine<br />

Orientierung ermöglicht und zweitens regelmäßig durch nachfolgen<strong>de</strong> Protokolle um weitere<br />

spezifische Grundrechtsverbürgungen ergänzt wird, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH mangels eines solchen<br />

Kataloges gezwungen, die Gemeinschaftsgrundrechte durch Rechtsvergleichung über die<br />

1660<br />

Bleckmann, Fn. 133, S. 30, unter Verweis auf Blum, Fn. 814, S. 170, 175.<br />

1661<br />

Bleckmann, Fn. 133, S. 42.<br />

1662<br />

Bleckmann, in: Christoph, Fn. 1648, S. 398 f.<br />

1663<br />

Bleckmann, Fn. 133, S. 45; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., in: Christoph, Fn. 1648, S. 399.<br />

1664<br />

Bleckmann, Fn. 133, S. 47 f.<br />

1665<br />

Bleckmann, Fn. 133, S. 64; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., in: Christoph, Fn. 139, S. 416.<br />

1666<br />

Bleckmann, Fn. 133, S. 64.


412<br />

allgemeinen Rechtsgrundsätze aus <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

he<strong>ra</strong>uszufiltern. Es kann daher keinesfalls davon gesprochen wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechtsvergleichung i.R.d. EMRK ebenso wie <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht eine he<strong>ra</strong>us<strong>ra</strong>gen<strong>de</strong><br />

Rolle zukommen müßte. Im übrigen überzeugen die wenigen Zitate in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung<br />

<strong>de</strong>s EGMR hierfür nicht. Wenn dieser judiziert, daß die gesetzliche Regelung in einem<br />

Mitgliedstaat, welche von <strong><strong>de</strong>r</strong> in allen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten gültigen abweiche, noch<br />

keinen Verstoß gegen die EMRK indiziere, kann dies nur so verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß<br />

hierdurch eben ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> nicht die rechtsvergleichen<strong>de</strong> Schau <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtslage in einzelnen<br />

Mitgliedstaaten entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Kriterium für die Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK ist; ansonsten wäre<br />

die überwiegend unterschiedliche Auslegung in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> ein Indiz für die<br />

Rechtswidrigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> gesetzlichen Regelung in <strong>de</strong>m einen Mitgliedstaat.<br />

Da das mitgliedstaatliche <strong>Religionsrecht</strong> stark voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> divergiert und die EMRK als<br />

völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g von <strong>de</strong>n nationalen Verfassungstexten abweichen kann, muß man<br />

ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> von einer autonomen Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR ausgehen. Mit dieser<br />

Autonomie ließe es sich nur schwerlich vereinbaren, wür<strong>de</strong> man eine i.R.d. Art. 18 IPbpR<br />

gewonnene Interpretation unmittelbar auf die EMRK übert<strong>ra</strong>gen, zumal es sich hierbei we<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

um <strong>de</strong>n Gesetzestext selbst noch um Rechtsprechung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich um eine Kommentarmeinung<br />

han<strong>de</strong>lt. Abgesehen hiervon verfügt die EMRK von 1950 über ein wesentlich<br />

effektiveres Rechtsschutzsystem und eine viel ausgefeiltere Rechtsprechung <strong>im</strong> Grundrechtsbereich,<br />

als <strong><strong>de</strong>r</strong> erst 1976 in K<strong>ra</strong>ft getretene IPbpR, so daß eine Orientierung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK an<br />

letzterem nur wenig sinnvoll erscheint.<br />

Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> autonomen Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR ebenfalls unvereinbar wäre es,<br />

wenn die Kirchen selbst best<strong>im</strong>men könnten, wann eine eigene Angelegenheit vorläge und<br />

wann nicht. In diesem Fall wür<strong>de</strong>n sie nämlich die Tatbestandsvo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>s<br />

Art. 9 EMRK selbst <strong>de</strong>finieren und könnten so z.B. erwerbswirtschaftliches Han<strong>de</strong>ln als<br />

Religionsausübung <strong>de</strong>klarieren.<br />

Wie an früherer Stelle 1667 nachgewiesen, kann eine Religionsgemeinschaft lediglich<br />

Individualrechte <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. Prozeßstandschaft für ihre Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> geltend machen.<br />

Daher han<strong>de</strong>lt es sich bei Art. 9 EMRK nur insoweit um ein Doppelgrundrecht, als zugleich<br />

<strong>im</strong> Individualbereich eine korrespondieren<strong>de</strong> Rechtsposition <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> einer Religionsgemeinschaft<br />

vorhan<strong>de</strong>n ist, da Kirchen und Religionsgemeinschaften nur durch die ihren<br />

Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n gewährten Rechte aus Art. 9 EMRK in ihrem Recht auf Religionsausübung u.a.<br />

geschützt sind. 1668<br />

Die Probleme, die Bleckmann aufgrund <strong>de</strong>s nicht durch Art. 9 EMRK<br />

1667<br />

Vgl. die Ausführungen oben E.III.2.b)aa).<br />

1668<br />

Tempel, Fn. 695, S. 12 f., führt zutreffend aus, daß es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> letztlich auf Blum,<br />

Fn. 814, S. 170, zurückgehen<strong>de</strong>n Ansicht um eine ausschließlich in Deutschland


413<br />

ge<strong>de</strong>ckten weiten Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts 1669<br />

i.R.d. Eingriffsrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatskirchen nach<br />

Art. 9 Abs. 2 EMRK zu bewältigen hat, sind daher selbstgeschaffen.<br />

Auch die Theorie <strong>de</strong>s stillschweigen<strong>de</strong>n Verzichts muß als theoretisches Konstrukt abgelehnt<br />

wer<strong>de</strong>n; ist doch das Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung eines weiten Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />

lediglich, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Interessen i.R.d. kirchlichen Arbeitsrechts <strong>de</strong>n Rechten <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />

vorgehen zu lassen, was mit <strong>de</strong>m Repräsentationsprinzip schlechterdings unvereinbar wäre.<br />

Da sowohl eine Rechtsvergleichung i.R.d. EMRK abgelehnt wer<strong>de</strong>n muß und ein <strong><strong>de</strong>r</strong>art<br />

weites – zu<strong>de</strong>m noch selbst<strong>de</strong>finiertes – Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht, we<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK noch in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> St<strong>ra</strong>ßburger Organe seine Stütze fin<strong>de</strong>t, muß die Auffassung<br />

Bleckmanns abgelehnt wer<strong>de</strong>n.<br />

III. Umfang <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften<br />

1. <strong>Religionsrecht</strong>liche Strukturen i.e.S.<br />

Unter <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> religionsrechtlichen Strukturen i.e.S. sind v.a. <strong><strong>de</strong>r</strong> liturgische Dienst<br />

sowie das Dienstrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Priester, Pastoren und theologischen Mitarbeiter zu fassen. Es<br />

han<strong>de</strong>lt sich also um Bereiche, die <strong>de</strong>n Kultus <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften direkt berühren.<br />

Hier – und nur hier – ist ein in <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit wurzeln<strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />

anzunehmen, mit <strong>de</strong>m Ergebnis, daß <strong>de</strong>n Kirchen und Religionsgemeinschaften –<br />

vorbehaltlich innerstaatlicher Rechtsnormen – die volle Gestaltungsfreiheit dieser Dienstverhältnisse<br />

obliegt, ohne durch gemeinschaftsrechtliche Vorschriften – mit Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaftsgrundrechte – gebun<strong>de</strong>n zu sein.<br />

2. <strong>Religionsrecht</strong>liche Strukturen i.w.S.<br />

vorherrschen<strong>de</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>meinung han<strong>de</strong>lt, die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EGMR keine Stütze<br />

fin<strong>de</strong>t, da sie mit einem Staatskirchentum nicht vereinbar wäre; ein echtes korpo<strong>ra</strong>tives<br />

Grundrecht verlange eine gewisse Trennung vom Staat.<br />

1669 Auch nach Schäfer, Fn. 1106, S. 5, wer<strong>de</strong> durch Bleckmanns Theorie die T<strong>ra</strong>gfähigkeit <strong>de</strong>s<br />

grundrechtlichen Ansatzes, auf <strong>de</strong>n sich ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht aus Art. 9 Abs. 1<br />

EMRK stütze, überlastet.


414<br />

Als religionsrechtliche Strukturen i.w.S. sind die nicht unmittelbar mit <strong>de</strong>m Kultus<br />

zusammenhängen<strong>de</strong>n Bereiche <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s zu verstehen, wie z.B. die<br />

Kirchenfinanzierung o<strong><strong>de</strong>r</strong> kirchliche Wohlfahrtseinrichtungen, einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> von letzteren<br />

begrün<strong>de</strong>ten Arbeitsverhältnissen. Selbst wenn sich die <strong>de</strong>utschen Großkirchen für <strong><strong>de</strong>r</strong>artige<br />

Materien ebenfalls auf das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen berufen, hat diese<br />

Bet<strong>ra</strong>chtungsweise gemeinschaftsrechtlich i.R.d. Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV we<strong><strong>de</strong>r</strong> über<br />

die gemeinsamen Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten noch über Art. 9 EMRK<br />

Bestand. Vielmehr kann das Gemeinschaftsrecht hier – soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendungsbereich <strong>de</strong>s<br />

Vert<strong>ra</strong>gs eröffnet ist – Geltung beanspruchen; eine generelle Bereichsausnahme ist für <strong>de</strong>n<br />

Bereich <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s i.w.S. nicht anzunehmen. Über die Rechtsfigur <strong>de</strong>s<br />

„Ten<strong>de</strong>nzbetriebes“ kann kirchlichen Interessen in diesem Fall ausreichend Rechnung<br />

get<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n.<br />

IV. Zusammenfassung<br />

Eine gemeinschaftsrechtliche Exemtion für das <strong>Religionsrecht</strong> wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Materie besteht ebensowenig wie eine explizite, unmittelbare Ausnahme in <strong>de</strong>n Gründungsverträgen,<br />

zumal es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung nicht um einen rechtsverbindlichen<br />

Rechtsakt han<strong>de</strong>lt. Allerdings ist rechtsvergleichend über Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV ein<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>s Kultus<br />

und <strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen innerkirchlichen Angelegenheiten anzuerkennen, soweit nicht vom<br />

Min<strong>im</strong>alstandard <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte ausgegangen wird. Die Folge <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts<br />

für Kirchen und Religionsgemeinschaften ist, daß diese sich eine selbständige Ordnung geben<br />

und ihre Angelegenheiten eigenständig verwalten können. Allgemeines Gemeinschaftsrecht,<br />

z.B. Art. 39 (ex-Art. 48) EGV, fin<strong>de</strong>t <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts keine<br />

Anwendung.<br />

Im Bereich <strong>de</strong>s allgemeinen Dienst- und Arbeitsrechts ist dagegen – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als in Deutschland<br />

– <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsvergleichung über Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV kein<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen anzuerkennen. Vielmehr hat das Gemeinschaftsrecht<br />

hier – soweit anwendbar – Einfluß auf die kirchlichen Arbeitsverhältnisse <strong>im</strong> sozialdiakonischen<br />

Bereich. Immerhin bestehen abgestufte Loyalitätsanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>im</strong> Hinblick auf<br />

die konkret ausgeübte nicht-klerikale Tätigkeit.


M. Rechtsschutzmöglichkeiten für<br />

Religionsgemeinschaften und Individuen<br />

I. Rechtsschutz i.R.d. Gemeinschaftsrechts<br />

1. Rechtsschutz gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane<br />

415<br />

a) Verfahren vor <strong>de</strong>m EuGH<br />

Von <strong>de</strong>n möglichen Verfahrensarten vor <strong>de</strong>m EuGH und <strong>de</strong>m EuG 1670<br />

wer<strong>de</strong>n <strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>n<br />

die für die Kirchen und Religionsgemeinschaften wichtigsten zwei Verfahren vor <strong>de</strong>m EuGH<br />

besprochen.<br />

aa) Nichtigkeitsklage<br />

Rechtsschutzziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtigkeitsklage ist die Rechtmäßigkeitskontrolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

einzelnen Gemeinschaftsorgane i.S.d. Art. 7 (ex-Art. 4) und Art. 8 (ex-Art. 4a) EGV v.a. <strong>im</strong><br />

Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Erlaß von gemeinschaftsrechtlichem Sekundärrecht.<br />

(1) Nichtigkeitsgrün<strong>de</strong><br />

Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 1 EGV kennt vier Nichtigkeitsgrün<strong>de</strong>. Von beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Be<strong>de</strong>utung<br />

i.R.d. <strong>Religionsrecht</strong>s sind die bei<strong>de</strong>n Nichtigkeitsgrün<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> „Unzuständigkeit“ und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

„Verletzung dieses Vert<strong>ra</strong>gs o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer bei seiner Durchführung anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Rechtsnorm“.<br />

(i) „Unzuständigkeit“<br />

(a) Äußere Unzuständigkeit<br />

Der Anwendungsfall <strong><strong>de</strong>r</strong> äußeren Unzuständigkeit muß dann bejaht wer<strong>de</strong>n, wenn die<br />

Gemeinschaft für eine Materie überhaupt keine Kompetenz besitzt, die Gemeinschaftsorgane<br />

aber gleichwohl rechtssetzend tätig wer<strong>de</strong>n. Da die Gemeinschaft für viele F<strong>ra</strong>gen <strong>de</strong>s<br />

1670 Vgl. hierzu ausführlich Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 464 ff.


416<br />

<strong>Religionsrecht</strong>s – z.B. zur Regelung eines gemeinschaftseinheitlichen KiSt-Satzes – keine<br />

Kompetenz besitzt, wären Rechtsakte in diesen Tätigkeitsfel<strong><strong>de</strong>r</strong>n durch <strong>de</strong>n EuGH wegen<br />

Verstoßes gegen das „institutionelle Gleichgewicht“ zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten<br />

aufzuheben. 1671<br />

(b) Innere Unzuständigkeit<br />

Soweit die Gemeinschaft eine Kompetenz zur Regelung religionsrechtlicher F<strong>ra</strong>gen besitzt,<br />

diese Kompetenz aber aufgrund <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips eingeschränkt ist o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber nur <strong>de</strong>n<br />

Erlaß von Richtlinien, nicht dagegen <strong>de</strong>n Erlaß von Verordnungen vorsieht, 1672<br />

wür<strong>de</strong> sich die<br />

Art <strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen Tätigwer<strong>de</strong>ns als Verstoß gegen die gemeinschaftsinterne<br />

Kompetenzordnung darstellen.<br />

(ii) „Verletzung dieses Vert<strong>ra</strong>gs o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer bei seiner Durchführung anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Rechtsnorm“<br />

Hierunter wer<strong>de</strong>n als Auffangtatbestand gegenüber <strong>de</strong>m Nichtigkeitsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

„Zuständigkeit“ v.a. Verstöße <strong>de</strong>s Sekundärrechts gegen das <strong>ra</strong>nghöhere geschriebene und<br />

ungeschriebene Pr<strong>im</strong>ärrecht verstan<strong>de</strong>n. 1673<br />

Sofern ein Sekundärrechtsakt z.B. die gemäß<br />

Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV i.V.m. Art. 9 EMRK gewährleistete gemeinschaftsrechtliche<br />

Religionsfreiheit nur unzureichend berücksichtigt, wür<strong>de</strong> hierdurch <strong><strong>de</strong>r</strong> „Vert<strong>ra</strong>g“ – dieser<br />

Begriff ist weit auszulegen – verletzt.<br />

(2) Klagelegit<strong>im</strong>ation<br />

Aktiv klagebefugt sind neben <strong>de</strong>n in Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 2 EGV aufgeführten<br />

Mitgliedstaaten nach Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 4 EGV sowohl natürliche Personen als auch<br />

juristische Personen. Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status<br />

wer<strong>de</strong>n nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH bzw. EuG 1674<br />

<strong>de</strong>n juristischen Personen, nicht<br />

jedoch <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten zugeordnet, weshalb sie einer eigenen Klagebefugnis – vgl. unten<br />

(4) – bedürfen.<br />

1671 Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 484.<br />

1672 Allgemein hierzu Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 484.<br />

1673 Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 486.<br />

1674 Vgl. <strong>im</strong> Hinblick auf die öffentlich-rechtlichen autonomen Gebietskörperschaften<br />

Wallonien bzw. Friaul/Venedig: EuGH, verb. Rs. 62/87 u. 72/87 (Wallon u. Glaverbel/<br />

Kommission), Slg. 1988, S. 1573 ff.; EuG, Rs. T-288/97 (Regione autonoma Friuli<br />

Venezia/Kommission), Tätigkeiten EuGH/EuG Nr. 17/99, S. 30 ff., 31 f.


417<br />

(3) Klagegegenstand<br />

Klagegegenstand können nur verbindliche Rechtshandlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> in Art. 230 (ex-Art. 173)<br />

Abs. 1 EGV genannten Gemeinschaftsorgane sein. Liegt dagegen beispielsweise eine<br />

Entschließung <strong>de</strong>s EP o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Stellungnahme eines an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gemeinschaftsorgans vor, so<br />

sind diese grundsätzlich nicht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtigkeitsklage angreifbar, da es insoweit an ihrer<br />

Rechtsverbindlichkeit mangelt. 1675 Selbst ein als „Entschließung“ bezeichneter Rechtsakt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft könnte jedoch – das Vorliegen <strong><strong>de</strong>r</strong> übrigen Zulässigkeitsvo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />

unterstellt – von natürlichen und juristischen Personen angefochten wer<strong>de</strong>n, soweit dieser<br />

ihnen gegenüber Rechtswirkungen entfaltet. 1676 Auch wenn ein Rechtsakt wie die<br />

„Entschließung zu <strong>de</strong>n Sekten in Europa“ 1677 formal als unverbindliche Stellungnahme<br />

anzusehen ist, könnte dieser einen Eingriff in die Religionsfreiheit religiöser Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sekten beinhalten, soweit die Gemeinschaft hierdurch ihre Verpflichtung zu religiöser<br />

Neut<strong>ra</strong>lität überschritten hätte. Aus diesem Grun<strong>de</strong> müssen alle Rechtsakte, die potentielle<br />

Rechtsverletzungen enthalten, vom EuGH auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft wer<strong>de</strong>n<br />

können, unabhängig von <strong><strong>de</strong>r</strong> konkret gewählten Rechtsform. 1678<br />

(4) Klagebefugnis<br />

Da es sich bei natürlichen und juristischen Personen i.S.d. Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 4 EGV<br />

nicht um sog. „privilegierte“ Klagebefugte han<strong>de</strong>lt, ist für diese Gruppen grds. weiter<br />

erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, daß eine <strong><strong>de</strong>r</strong> folgen<strong>de</strong>n drei Fallgruppen vorliegt:<br />

(i) Klagebefugnis bei einer an <strong>de</strong>n Kläger gerichteten Entscheidung<br />

Wenn eine Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans direkt an eine Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Religionsgemeinschaft gerichtet ist, besteht für diese je<strong>de</strong>nfalls eine Klagebefugnis.<br />

(ii) Klagebefugnis bei einer an eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Person gerichteten Entscheidung, die <strong>de</strong>n Kläger<br />

unmittelbar und individuell betrifft<br />

1675 Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 489.<br />

1676 So auch Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 490 mit Hinweis auf EuGH, Rs. 108/93<br />

(Luxemburg/Parlament), Slg. 1984, S. 1945 ff.<br />

1677 ABl. 1996, Nr. C 78, S. 31; s.o. Fn. 366.<br />

1678 Ebenso Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 497.


418<br />

Der EuGH hat kürzlich ausgeführt, daß ein „Kläger, <strong>de</strong>ssen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Situation [...] bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vornahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Handlung nicht berücksichtigt wur<strong>de</strong> und <strong>de</strong>n diese allgemein und abst<strong>ra</strong>kt und<br />

letztlich wie je<strong>de</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Person betrifft, die sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> gleichen Situation befin<strong>de</strong>t, von dieser<br />

Handlung nicht individuell betroffen ist. Gleiches gilt für die Vereinigungen, die ihre<br />

Klagebefugnis da<strong>ra</strong>uf stützen, daß die Personen, die sie repräsentieren, von <strong><strong>de</strong>r</strong> angefochtenen<br />

Entscheidung individuell betroffen seien.“ 1679<br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften können daher bei nicht an sie adressierten<br />

Entscheidungen gerichtlich ebensowenig als „Sp<strong>ra</strong>chrohr für religiös-ethische Belange“<br />

auftreten, wie z.B. Greenpeace als „Anwalt für die Umwelt“, da <strong><strong>de</strong>r</strong> mo<strong>ra</strong>lische Werteverfall<br />

ebenso wie die Umweltzerstörung nicht nur die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Vereinigungen,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n letztlich je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann betrifft. Entschei<strong>de</strong>nd für die individuelle Betroffenheit ist daher,<br />

daß <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong> Rechtsakt Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften wegen<br />

best<strong>im</strong>mter persönlicher Eigenschaften aus <strong>de</strong>m Kreis aller übrigen Personen he<strong>ra</strong>ushebt und<br />

in ähnlicher Weise individualisiert wie <strong>de</strong>n Adressaten einer Entscheidung. 1680<br />

Von einer an einen Dritten ergangenen Entscheidung sind Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

dagegen <strong>im</strong>mer dann individuell und unmittelbar betroffen, wenn ihnen in<br />

einem vo<strong>ra</strong>ngegangenen Verwaltungsverfahren Beteiligungsrechte zukamen. 1681<br />

(iii) Den Kläger unmittelbar und individuell betreffen<strong>de</strong> Verordnungen<br />

Der EuGH hat wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt entschie<strong>de</strong>n, daß ein einzelner nur dann von einer Verordnung<br />

unmittelbar betroffen ist, wenn „die beanstan<strong>de</strong>te Maßnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft sich auf seine<br />

Rechtsstellung unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung bet<strong>ra</strong>ut<br />

sind, keinerlei Ermessensspiel<strong>ra</strong>um läßt, ihr Erlaß vielmehr rein automatisch erfolgt und sich<br />

allein aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne daß weitere Durchführungsvorschriften<br />

angewandt wer<strong>de</strong>n.“ 1682<br />

1679<br />

EuGH, Rs. C-321/95 (Stichting Greenpeace Council (Greenpeace International) u.a./Kommission),<br />

Slg. 1998, S. I-1651 ff., 1715, Rz. 28 f.<br />

1680<br />

Vgl. z.B. EuGH, Rs. 25/62 (Plaumann/Kommission), Slg. 1963, S. 213 ff., 238; Schweitzer/<br />

Hummer, Fn. 35, Rdnr. 500.<br />

1681<br />

EuGH, Rs. 26/76 (Metro/Kommission), Slg. 1977, S. 1875 ff., 1903.<br />

1682<br />

Vgl. nur EuGH, Rs. C-386/96 (Société Louis Dreyfus/Kommission), Slg. 1998,<br />

S. I-2309 ff., 2370 f., Rz. 43 m.w.N.; Rs. 92/78 (S<strong>im</strong>menthal/Kommission), Slg. 1979,<br />

S. 777 ff., 798.


419<br />

(iv) Klagebefugnis gegen Richtlinien?<br />

Eine Rechtsschutzmöglichkeit von Individuen gegen Richtlinien ist pr<strong>im</strong>ärrechtlich nicht<br />

vorgesehen, da diese we<strong><strong>de</strong>r</strong> Adressaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinien i.S.d. Art. 249 (ex-Art. 189) EGV noch<br />

für <strong><strong>de</strong>r</strong>en Umsetzung innerstaatlich zuständig sind. 1683<br />

Diese Rechtsprechung fin<strong>de</strong>t je<strong>de</strong>nfalls auf privatrechtlich organisierte<br />

Religionsgemeinschaften Anwendung. Kirchenkörperschaften mit öffentlich-rechtlichem<br />

Status dagegen üben einerseits be<strong>im</strong> KiSt-Einzug staatliche Hoheitsgewalt aus. 1684<br />

An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits müssen sie nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH aber auch schon aufgrund ihrer<br />

Bevorzugung gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en privatrechtlichen Rechtspersonen als Teil <strong>de</strong>s Mitgliedstaats<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n. 1685<br />

Öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaften sind daher schon vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Umsetzung einer Richtlinie durch die Mitgliedstaaten an <strong><strong>de</strong>r</strong>en einzelne Best<strong>im</strong>mungen<br />

gebun<strong>de</strong>n, soweit sie diese Kirchen und Religionsgemeinschaften betreffen. Infolge<strong>de</strong>ssen<br />

müßte Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 4 EGV m.E. erweiternd dahin ausgelegt wer<strong>de</strong>n, daß<br />

juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts gegen Richtlinien Klage erheben können, die sie<br />

individuell betreffen. Diese Erweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> Klagebefugnis für juristische Personen <strong>de</strong>s<br />

öffentlichen Rechts rechtfertigt sich aus <strong><strong>de</strong>r</strong> erweiterten Bindung gegenüber juristischen<br />

Personen <strong>de</strong>s Privatrechts.<br />

(5) Klagefrist<br />

Die Nichtigkeitsklage ist gemäß Art. 230 (ex-Art. 173) EGV binnen zwei Monaten ab<br />

Bekanntgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong>n Handlung bzw. ab Kenntniserlangung hiervon zu erheben.<br />

bb) Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahren<br />

(1) Regelungszweck<br />

Im Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 (ex-Art. 177) EGV entschei<strong>de</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH<br />

über die Auslegung von pr<strong>im</strong>ärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht sowie über die<br />

1683<br />

EuGH, Rs. C-10/95 (Asociación Española <strong>de</strong> Empresas <strong>de</strong> la Carne/Rat), Slg. 1995,<br />

S. I-4149 ff., 4159, Rz. 29; 4162, Rz. 41; EuG, Rs. T-99/94 (Asociación Española <strong>de</strong><br />

Empresas <strong>de</strong> la Carne/Rat), Slg. 1994, S. II-871 ff., 878, Rz. 13; 881, Rz. 21 = EuZW 1995,<br />

S. 254 f.; vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 498.<br />

1684<br />

Vgl. die Ausführungen oben J.III.<br />

1685<br />

Vgl. EuGH, Rs. C-188/89 (Foster u.a./British Gas), Slg. 1990, S. I-3313 ff., 3348, Rz. 18,<br />

sowie die Ausführungen oben J.V.


420<br />

Gültigkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht und stellt somit eine einheitliche Auslegung<br />

<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten sicher.<br />

(2) Vorlageberechtigung und Vorlageverpflichtung<br />

Allerdings sind nur die letztinstanzlichen 1686<br />

nationalen Gerichte gemäß Art. 234<br />

(ex-Art. 177) Abs. 3 EGV zur Vorlage an <strong>de</strong>n EuGH verpflichtet, soweit die<br />

Vorlagevo<strong>ra</strong>ussetzungen erfüllt sind; für die übrigen nationalen Gerichte besteht lediglich eine<br />

Vorlageberechtigung, selbst wenn die Vorlagef<strong>ra</strong>ge entscheidungserheblich sein sollte, vgl.<br />

Art. 234 (ex-Art. 177) Abs. 2 EGV.<br />

(3) Ausnahmen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorlagepflicht<br />

Auch ein letztinstanzliches Gericht ist zur Vorlage nicht verpflichtet, soweit die gestellte<br />

Vorlagef<strong>ra</strong>ge nicht entscheidungserheblich ist, <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bereits über die betreffen<strong>de</strong><br />

gemeinschaftsrechtliche Best<strong>im</strong>mung entschie<strong>de</strong>n hat o<strong><strong>de</strong>r</strong> die richtige Anwendung <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong>art offenkundig ist, daß für einen vernünftigen Zweifel keinerlei<br />

Raum bleibt (sog. acte clair-Doktrin). 1687<br />

(4) Möglichkeiten bei Nichtvorlage<br />

Eine Religionsgemeinschaft kann eine Vorlage eines nationalen Gerichts an <strong>de</strong>n EuGH nicht<br />

<strong>im</strong> Wege einer Nichtvorlagebeschwer<strong>de</strong> erzwingen. 1688 Allerdings besteht in Falle einer<br />

willkürlichen Nichtvorlage eines letztinstanzlichen Gerichts die Möglichkeit, be<strong>im</strong> BVerfG<br />

<strong>de</strong>n Entzug <strong>de</strong>s gesetzlichen Richters i.S.d. Art. 101 Abs. 2 GG zu rügen. 1689<br />

(5) Gerichtsbegriff i.S.d. Art. 234 (ex-Art. 177) EGV<br />

1686<br />

Vgl. hierzu Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 530.<br />

1687<br />

Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 529.<br />

1688<br />

Die Schaffung einer solchen Beschwer<strong>de</strong>möglichkeit befürwortet z.B. Chwolik-Lanfermann,<br />

Fn. 630, S. 344 ff. m.w.N.<br />

1689<br />

BVerfGE 73, S. 339 ff., 366; 75, S. 223 ff., 233 f.; vgl. hierzu Chwolik-Lanfermann,<br />

Fn. 630, S. 254 ff.


421<br />

Es muß sich i.R.d. Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahrens um ein „Gericht eines Mitgliedstaats“<br />

han<strong>de</strong>ln, nicht dagegen um ein privates Schiedsgericht. 1690 F<strong>ra</strong>glich ist daher, ob kirchliche<br />

Gerichte nach Art. 234 (ex-Art. 177) EGV vorlageberechtigt und -verpflichtet sind. Die vom<br />

EuGH gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>te enge Verbindung zwischen kirchlicher Gerichtsbarkeit und <strong>de</strong>m allgemeinen<br />

mitgliedstaatlichen Rechtsschutzsystem sieht Detmar Schäfer in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ga<strong>ra</strong>ntie <strong>de</strong>s kirchlichen<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV, welches zugleich<br />

die Existenz kirchlicher Gerichte – v.a. <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Arbeitsrechts – gewährleiste. 1691 Für<br />

die mitarbeitervertretungsrechtlichen Schlichtungsstellen sowie <strong>de</strong>n kirchlichen<br />

Verwaltungsrechtsweg nach § 63 MVG (evangelisch) sowie für die nach § 10 Abs. 2 GrO<br />

(katholisch) eingerichteten kirchlichen Gerichte differenziert Schäfer zwischen einer<br />

Vorlageberechtigung – von <strong><strong>de</strong>r</strong> ausgegangen wer<strong>de</strong>n müsse, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH an einer<br />

einheitlichen Auslegung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts interessiert sei, weshalb er weitestgehend<br />

auch Vorlagen nichtstaatlicher Gerichte angenommen habe – und einer Vorlagepflicht für<br />

letztinstanzliche kirchliche Gerichte, die zu verneinen sei, „um einer schwer abschätzbaren<br />

Arbeitsbelastung <strong>de</strong>s EuGH zu begegnen“ und um die kirchliche Selbstbest<strong>im</strong>mung nicht zu<br />

gefähr<strong>de</strong>n. 1692<br />

Eine <strong><strong>de</strong>r</strong>artige „Rosinentheorie“ ist m.E. jedoch abzulehnen: Entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> wird ein kirchliches<br />

Gericht aufgrund seiner engen staatlichen Anbindung als „Gericht“ i.S.d. Art. 234<br />

(ex-Art. 177) EGV angesehen. In diesem Fall wäre es sowohl vorlageberechtigt als auch – in<br />

letzter Instanz – vorlageverpflichtet. O<strong><strong>de</strong>r</strong> man wird, wofür die Rechtslage <strong>im</strong> nationalen<br />

Recht spricht, 1693<br />

schon die Vorlageberechtigung kirchlicher Gerichte verneinen müssen.<br />

Je<strong>de</strong>nfalls kann eine fehlen<strong>de</strong> Vorlagepflicht nicht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitsbelastung <strong>de</strong>s EuGH<br />

begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, da eine solche bei einer Vorlageberechtigung gleichermaßen anfiele,<br />

obwohl hier noch die Möglichkeit einer nachträglichen innerstaatlichen Korrektur besteht.<br />

Auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Hinweis auf das kirchliche Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht überzeugt nicht: Wäre es<br />

einschlägig, wür<strong>de</strong> es eine Ausnahme von <strong>de</strong>n europarechtlichen Verpflichtungen schaffen; in<br />

diesem Falle wäre eine Vorlage an <strong>de</strong>n EuGH von vornherein entbehrlich. Soweit das<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht hingegen nicht <strong><strong>de</strong>r</strong>art weitreichend sein sollte und eine Vorschrift <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts tatsächlich entscheidungserheblich wäre, ist nicht ersichtlich, weshalb<br />

das letztinstanzliche kirchliche Gericht von <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorlagepflicht an <strong>de</strong>n EuGH befreit wer<strong>de</strong>n<br />

sollte.<br />

1690<br />

EuGH, Rs. 102/81 (Nordsee Deutsche Hochseefischerei/Ree<strong><strong>de</strong>r</strong>ei Mond Hochseefischerei<br />

Nordstern), Slg. 1982, S. 1095 ff., 1110 f.; vgl. auch Schweitzer/Hummer, Fn. 35,<br />

Rdnrn. 533 ff.<br />

1691<br />

So Schäfer, Fn. 1106, S. 125.<br />

1692<br />

Schäfer, Fn. 1106, S. 124 ff., 129.<br />

1693<br />

<strong>Das</strong> BVerfG n<strong>im</strong>mt keine Vorlagen kirchlicher Gerichte <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> konkreten Normenkontrolle<br />

nach Art. 100 Abs. 1 GG an, vgl. Maunz/Dürig, GG, Art. 100, Rdnr. 28.


422<br />

cc) Rechtsfolgen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />

(1) Vor<strong>ra</strong>ng <strong><strong>de</strong>r</strong> grundrechtskonformen Auslegung<br />

Der EuGH vertritt die Auffassung, daß diejenige Auslegung, durch welche eine Kollision <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaftsregelung mit einem konkreten Grundrecht ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n kann,<br />

vor<strong>ra</strong>ngig zu berücksichtigen ist, 1694 wobei sich diese grundrechtskonforme Auslegung auf<br />

sämtliches Gemeinschaftsrecht bezieht. 1695<br />

(2) Nichtigkeit bzw. Ungültigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsnorm<br />

Soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH i.R.d. Nichtigkeitsklage eine Handlung eines Gemeinschaftsorgans für<br />

rechtswidrig befin<strong>de</strong>t, da keine grundrechtskonforme Auslegung mehr möglich ist, spricht er<br />

gemäß Art. 231 (ex-Art. 174) Abs. 1 EGV <strong>de</strong>ssen Nichtigkeit aus und hebt die entsprechen<strong>de</strong><br />

Handlung mit ex tunc-Wirkung auf. Im Rahmen eines Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahrens kann <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EuGH bei einem Verstoß einer gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrechtsnorm gegen die<br />

pr<strong>im</strong>ärrechtliche Religionsfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong>en Ungültigkeit feststellen. 1696<br />

(3) Scha<strong>de</strong>nsersatzanspruch gegen die Gemeinschaft<br />

Im grundrechtssensiblen Bereich <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s reicht es oftmals nicht aus, nur die<br />

Ungültigkeit einer Gemeinschaftshandlung auszusprechen; darüber hinaus kann u.U. ein<br />

Amtshaftungsanspruch gemäß Art. 235 (ex-Art. 178) i.V.m. Art. 288 (ex-Art. 215) Abs. 2<br />

EGV gegeben sein. 1697<br />

1694<br />

EuGH, Rs. 249/86 (Kommission/Deutschland), Slg. 1989, S. 1263 ff., Rz. 10 ff.; vgl. auch<br />

Obwexer, Fn. 554, S. 71.<br />

1695<br />

EuGH, Rs. 29/69 (Stau<strong><strong>de</strong>r</strong>/Stadt Ulm, Sozialamt), Slg. 1969, S. 419 ff., 425; Rs. 374/87<br />

(Orkem/ Kommission), Slg. 1989, S. 3283 ff., 3350, Rz. 28; vgl. auch Wetter, Fn. 630,<br />

S. 113 f.<br />

1696<br />

Vgl. allgemein EuGH, Rs. C-280/93 (Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland/Rat), Slg. 1994,<br />

S. I-4973 ff., 4993, Rz. 42.<br />

1697<br />

Vgl. EuGH, Rs. 5/71 (Schöppenstedt/Rat), Slg. 1971, S. 975 ff., Rz. 11; Rs. 145/83<br />

(Adams/Kommission), Slg. 1985, S. 3539 ff., 3592, Rz. 53 – 55.


) Verfahren vor <strong>de</strong>m BVerfG<br />

423<br />

aa) Verfassungsbeschwer<strong>de</strong><br />

Sofern EG-Rechtsakte ausnahmsweise unmittelbar durch die Gemeinschaft vollzogen wer<strong>de</strong>n<br />

– wie dies bei einigen Verordnungen und Entscheidungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist – <strong>de</strong>n unabdingbaren<br />

grundgesetzlichen Grundrechtsstandard <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit nicht mehr gewährleisten<br />

wür<strong>de</strong>n, könnten Kirchen und Religionsgemeinschaften als juristische Personen i.S.d.<br />

Art. 19 Abs. 3 GG Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG erheben. 1698 Sofern<br />

zuvor eine Direktklage be<strong>im</strong> EuGH angestrengt wor<strong>de</strong>n ist, kann das BVerfG als<br />

letztinstanzliches nationales Gericht i.S.d. Art. 234 (ex-Art. 177) Abs. 3 EGV ausnahmsweise<br />

auf eine erneute Vorlage an <strong>de</strong>n EuGH verzichten. 1699<br />

Außer<strong>de</strong>m haben die letztinstanzlichen nationalen Fachgerichte bei Auslegungsschwierigkeiten<br />

<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts grds. eine Vorlagepflicht an <strong>de</strong>n EuGH nach<br />

Art. 234 (ex-Art. 177) EGV. Wird diese Vorlagepflicht verletzt, kann eine<br />

Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG zum BVerfG wegen Entzugs <strong>de</strong>s<br />

gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG erhoben wer<strong>de</strong>n. 1700<br />

bb) Konkrete Normenkontrolle<br />

Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> kommt außer<strong>de</strong>m eine konkrete Normenkontrolle nach<br />

Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG analog in Bet<strong>ra</strong>cht, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsschutz <strong>im</strong> bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen<br />

Rechtssystem insofern lückenhaft ist. 1701 Soweit ein mit einem konkreten Streitfall befaßtes<br />

nationales Fachgericht zur Auffassung gelangt, daß eine Handlung eines<br />

Gemeinschaftsorgans gegen die grundgesetzliche Religionsfreiheit verstößt, ist dieses zur<br />

Vorlage an das BVerfG berechtigt, soweit zuvor <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s<br />

Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahrens angerufen wur<strong>de</strong>. 1702<br />

1698<br />

Vgl. T<strong>ra</strong>utwein, Fn. 483, S. 894.<br />

1699<br />

Einzelheiten bei Zuck/Christofer Lenz, Fn. 474, S. 1199 f.<br />

1700<br />

Vgl. BVerfGE 73, S. 339 ff., 366 f.; 75, S. 223 ff., 233; 82, S. 159 ff., 194 ff.<br />

1701<br />

Vgl. hierzu Vachek, Fn. 437, S. 139 ff.<br />

1702<br />

Vgl. Streinz, Fn. 453, Rdnr. 219.


424<br />

c) Verfahren vor <strong>de</strong>m EGMR<br />

Ein Verfahren vor <strong>de</strong>n St<strong>ra</strong>ßburger Instanzen gegen die Gemeinschaftsgewalt wegen eines<br />

möglichen Verstoßes gegen Art. 9 EMRK ist schon daher unzulässig, weil die EG selbst kein<br />

Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK ist. 1703<br />

2. Rechtsschutz gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

aa) Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahren<br />

a) Verfahren vor <strong>de</strong>m EuGH<br />

(1) Vo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />

<strong>Das</strong> Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 (ex-Art. 177) EGV 1704 stellt das einzig<br />

mögliche Klageverfahren dar, auf <strong>de</strong>m sich Religionsgemeinschaften und Individuen<br />

unmittelbar vor <strong>de</strong>m EuGH gegen eine mögliche Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen<br />

Religionsfreiheit durch die Mitgliedstaaten zur Wehr setzen können; allerdings ist eine<br />

Vorlage <strong>de</strong>s nationalen Gerichts an <strong>de</strong>n Gerichtshof nicht erzwingbar. 1705<br />

(2) Rechtsfolgen<br />

Im Gegensatz zu einer Vert<strong>ra</strong>gsverletzung durch Gemeinschaftsorgane kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Amtshaftungsanspruch<br />

nach Art. 235 (ex-Art. 178), 288 (ex-Art. 215) Abs. 2 EGV bei einem<br />

Verstoß eines Mitgliedstaats gegen die gemeinschaftsrechtliche Religionsfreiheit nicht<br />

angewandt wer<strong>de</strong>n. Statt <strong>de</strong>ssen hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH jedoch einen – <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht selbst<br />

begrün<strong>de</strong>ten – Staatshaftungsanspruch sui generis anerkannt. 1706<br />

1703<br />

EKMR, BNr. 13258/87, Fn. 769, S. 865 ff., 866; EGMR, BNr. 24833/94 (Denise<br />

Matthews/Vereinigtes Königreich), EuZW 1999, S. 308 ff. m. Anm. Christopher Lenz,<br />

Rz. 32; vgl. hierzu die Ausführungen oben E.III.1.d)dd)(1).<br />

1704<br />

Einzelheiten s.o. M.I.1.a)bb).<br />

1705<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen oben M.I.1.a)bb)(4).<br />

1706<br />

EuGH, verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Andrea F<strong>ra</strong>ncovich, Danila Bonifaci u.a./Italienische<br />

Republik), Slg. 1991, S. I-5357 ff. (bei Nichtumsetzung von Richtlinien); Rs. C-392/93<br />

(The Queen/H.M. Treasury, ex parte: British Telecommunications), Slg. 1996, S. I-1631 ff.<br />

(bei fehlerhafter Umsetzung von Richtlinien); verb. Rs. C-46/93 u. 48/93 (B<strong>ra</strong>sserie du<br />

pêcheur/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland u.a.), Slg. 1996, S. I-1029 ff. = EuZW 1996, S. 205 ff.


425<br />

bb) Ant<strong>ra</strong>g bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission auf Einleitung eines Vert<strong>ra</strong>gsverletzungsverfahrens<br />

Unbenommen bleibt es einer Religionsgemeinschaft o<strong><strong>de</strong>r</strong> einem Individuum jedoch, einen<br />

Ant<strong>ra</strong>g bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission auf Einleitung eines Vert<strong>ra</strong>gsverletzungsverfahrens nach<br />

Art. 226 (ex-Art. 169) EGV zu stellen. 1707<br />

Die Kommission wird durch diese Anregung nicht<br />

zu einem Tätigwer<strong>de</strong>n verpflichtet. Führt sie aber <strong>de</strong>nnoch ein Vorverfahren durch und<br />

kommt <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> in diesem Rahmen ergehen<strong>de</strong>n Entscheidung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission<br />

nicht nach , so urteilt <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> anschließen<strong>de</strong>n Hauptverfahren durch Feststellungsurteil<br />

darüber, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong> Mitgliedstaat Gemeinschaftsrecht verletzt hat. Im Falle <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Nichtbefolgung <strong>de</strong>s Urteils besteht die Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhängung eines Zwangsgel<strong>de</strong>s nach<br />

Art. 228 (ex-Art. 171) Abs. 2 UAbs. 3 EGV.<br />

b) Verfahren vor <strong>de</strong>m BVerfG<br />

aa) Verfassungsbeschwer<strong>de</strong><br />

Akte <strong>de</strong>utscher Behör<strong>de</strong>n, durch welche Gemeinschaftsrecht i.R.d. Richtlinienumsetzung<br />

vollzogen wird, müssen bei Auslegungsschwierigkeiten <strong>de</strong>m EuGH grds. nach Art. 234<br />

(ex-Art. 177) EGV vorgelegt wer<strong>de</strong>n. Bei Verletzung dieser Vorlagepflicht, kann eine<br />

Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG wegen Entzugs <strong>de</strong>s gesetzlichen<br />

Richters nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG erhoben wer<strong>de</strong>n. 1708<br />

bb) Konkrete Normenkontrolle<br />

Halten Fachgerichte, die <strong>de</strong>m EuGH <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s Art. 234 (ex-Art. 177) EGV eine<br />

Auslegungsf<strong>ra</strong>ge vorlegt haben, die Auslegung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts für<br />

verfassungswidrig, so können sie von <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeit einer konkreten Normenkontrolle nach<br />

Art. 100 Abs. 1 GG Geb<strong>ra</strong>uch machen, da umgesetztes Gemeinschaftsrecht auch als „Akt<br />

öffentlicher Gewalt“ i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG angesehen wer<strong>de</strong>n muß. 1709<br />

(bei Verstoß gegen Pr<strong>im</strong>ärrecht). Einzelheiten bei Streinz, Anmerkungen zu <strong>de</strong>m EuGH-<br />

Urteil in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache B<strong>ra</strong>sserie du Pêcheur und Factortame, EuZW 1996, S. 201 ff.<br />

1707 Einzelheiten bei Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 466 ff., 477.<br />

1708 Vgl. BVerfGE 73, S. 339 ff., 366 f.; 75, S. 223 ff., 233; 82, S. 159 ff., 194 ff.<br />

1709 Vgl. T<strong>ra</strong>utwein, Fn. 483, S. 894; Zuck/Christofer Lenz, Fn. 474, S. 1197, 1200.


426<br />

c) Verfahren vor <strong>de</strong>m EGMR<br />

aa) Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Rechtsschutzsystems <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />

Infolge <strong>de</strong>s Ink<strong>ra</strong>fttretens <strong>de</strong>s 11. Protokolls am 1. November 1998 hat sich das bisher<br />

komplexe Rechtsschutzsystem <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK, welches bisher aus <strong>de</strong>n drei<br />

Rechtsprechungsorganen EGMR, EKMR und Ministerkomitee bestand, tiefgreifend<br />

gewan<strong>de</strong>lt: So wur<strong>de</strong> die EKMR aufgelöst und die Tätigkeit <strong>de</strong>s Ministerkomitees auf die<br />

Überwachung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Urteile beschränkt, vgl. Art. 46 Abs. 2 EMRK n.F., so daß<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> nunmehr ständige EGMR als einziges Rechtsprechungsorgan <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK verblieben ist.<br />

Die Gerichtsbarkeit <strong>de</strong>s EGMR ist fortan nicht mehr fakultativ, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n für Individual- und<br />

Staatenbeschwer<strong>de</strong> obligatorisch, vgl. Art. 33, 34 EMRK n.F. 1710<br />

bb) Statthafter Rechtsbehelf<br />

Gemäß Art. 34 EMRK n.F. hat eine Einzelperson ebenso wie eine Religionsgemeinschaft als<br />

„nichtstaatliche Organisation o<strong><strong>de</strong>r</strong> Personenvereinigung“ seit kurzem das Recht, <strong>de</strong>n<br />

Gerichtshof direkt über die Individualbeschwer<strong>de</strong> anzurufen, wobei ihr eine Stellung als<br />

Verfahrenspartei zukommt.<br />

cc) Beschwer<strong>de</strong>befugnis<br />

Schon i.R.d. bisherigen Rechtsschutzverfahrens hatte die EKMR anerkannt, daß Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften ein eigenes Beschwer<strong><strong>de</strong>r</strong>echt zu <strong>de</strong>n Rechtsschutzorganen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EMRK besitzen, soweit sie begrün<strong>de</strong>t behaupten können, selbst in Art. 9 EMRK verletzt zu<br />

sein. 1711<br />

dd) Weiteres Verfahren<br />

Soweit die Beschwer<strong>de</strong> nicht schon durch <strong>de</strong>n mit drei Richtern besetzten Ausschuß zur<br />

Vorprüfung – vgl. Art. 27 Abs. 1 S. 2, Art. 28 EMRK n.F. – o<strong><strong>de</strong>r</strong> die mit sieben Richtern<br />

besetzte Kammer, welcher <strong><strong>de</strong>r</strong> für <strong>de</strong>n beklagten Staat gewählte Richter zwingend angehört,<br />

1710 Vgl. hierzu z.B. Frowein/Peukert, Fn. 679, Art. 19, Rdnrn. 2 ff., 9 ff.; Her<strong>de</strong>gen, Fn. 40,<br />

Rdnrn. 20 ff.; Meyer-La<strong>de</strong>wig/Petzold, Fn. 778, S. 1165 f.; Schlette, Fn. 688, S. 222 f.;<br />

Schweitzer, Fn. 39, Rdnrn. 728 ff.<br />

1711 EKMR, BNr. 7805/77 (Pastor X/Church of Scientology), Annuaire 22 (1979), S. 244 ff.;<br />

BNr. 34614/97 (Scientology Kirche Deutschland e.V./Deutschland), EuGRZ 1997,<br />

S. 616 ff., 618; HdbStKirchR/Weber, Fn. 1133, S. 1078; <strong>im</strong> übrigen wird auf die ausführliche<br />

Darlegung oben E.III.2.b)aa) verwiesen.


427<br />

vgl. Art. 27 Abs. 2 EMRK n.F., als offensichtlich unzulässig verworfen wur<strong>de</strong>, wird über sie<br />

in einem meh<strong>ra</strong>ktigen Verfahren entschie<strong>de</strong>n. 1712<br />

ee) <strong>Das</strong> Verhältnis von Art. 9 EMRK zu abgeleitetem Gemeinschaftsrecht<br />

Sowohl die EKMR als auch <strong><strong>de</strong>r</strong> neue ständige EGMR haben übereinst<strong>im</strong>mend entschie<strong>de</strong>n,<br />

daß die Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten die Mitgliedstaaten nicht von <strong><strong>de</strong>r</strong> Einhaltung <strong>de</strong>s<br />

EMRK-Rechtsschutzes – und damit von <strong>de</strong>n Rechtsga<strong>ra</strong>ntien <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK –<br />

entbin<strong>de</strong>t. 1713 Während die Entscheidung <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR noch <strong>de</strong>utliche Pa<strong>ra</strong>llelen zur Solange II-<br />

Entscheidung <strong>de</strong>s BVerfG aufwies, hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR festgestellt, daß ein Mitgliedstaat an die<br />

Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Pflichten unabhängig von entgegenstehen<strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht<br />

gebun<strong>de</strong>n sei und sich nicht damit rechtfertigen könne, aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> sup<strong>ra</strong>nationalen<br />

Regelung keinen Einfluß auf die Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Verpflichtung zu haben. 1714<br />

d) Verfahren vor <strong>de</strong>m IGH<br />

Soweit Konkordatsstreitigkeiten zwischen einem Mitgliedstaat und <strong>de</strong>m Hl. Stuhl infolge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kündigung eines Konkordats auftreten wür<strong>de</strong>n, weil ein Mitgliedstaat hierdurch <strong>de</strong>n<br />

Verpflichtungen nach Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV nachkommen will, könnte hierfür<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Internationale Gerichtshof (IGH) zuständig sein. Allerdings gehört <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl we<strong><strong>de</strong>r</strong> zu<br />

<strong>de</strong>n Signatarstaaten <strong>de</strong>s Statuts <strong>de</strong>s Internationalen Gerichtshofs, 1715 die gemäß Art. 36 Abs. 2<br />

IGH-Statut je<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit die Zuständigkeit <strong>de</strong>s IGH anerkennen können, noch ist er ein Mitglied<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinten Nationen, für die gemäß Art. 35 Abs. 1 IGH-Statut <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugang zum IGH<br />

offensteht, da es <strong>de</strong>m Hl. Stuhl insoweit an <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsqualität i.S.d. Art. 4 UNO-Satzung fehlt.<br />

Gemäß Art. 35 Abs. 3 IGH-Statut wäre unter zwei Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>nkbar, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Hl. Stuhl als Nichtmitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigten Nationen in einem Verfahren vor <strong>de</strong>m IGH als<br />

Streitpartei auftritt: Zum einen müßte er sich durch ad hoc-Vereinbarung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtsbarkeit<br />

<strong>de</strong>s IGH unterwerfen; zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en müßte <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>de</strong>s „Staates“ in Art. 34 Abs. 1<br />

IGH-Statut erweiternd ausgelegt wer<strong>de</strong>n, wogegen keine rechtlichen Be<strong>de</strong>nken bestehen. 1716<br />

1712<br />

Vgl. die weiteren Einzelheiten z.B. bei Schlette, Fn. 688, S. 223 f.<br />

1713<br />

EKMR, BNr. 13258/87, Fn. 769, S. 865 ff., 867; EGMR, Fn. 804, Rz. 32; vgl. hierzu<br />

insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Ausführungen oben Fn. 806.<br />

1714<br />

EGMR, Fn. 804, Rz. 34 f.; vgl. hierzu insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Ausführungen oben Fn. 809.<br />

1715<br />

Vgl. Sartorius II, Nr. 2.<br />

1716<br />

So auch HdbStKirchR/Weber, Fn.1133, S. 1080.


428<br />

3. Rechtsschutz von Individuen gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />

a) Innerkirchliche Gerichtsbarkeit<br />

In rein innerkirchlichen F<strong>ra</strong>gen kommt <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Eigenständigkeit Vor<strong>ra</strong>ng vor <strong>de</strong>m<br />

staatlichen Rechtsschutz zu. 1717 Problematisch ist hierbei die Geltung von Grundrechten<br />

innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche. Überwiegend wird eine Grundrechtsgeltung mit <strong>de</strong>m Argument<br />

abgelehnt, man könne sich <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Gewalt <strong>im</strong> Gegensatz zur staatlichen Gewalt durch<br />

Austritt entziehen. 1718 Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, daß sich die Kirche selbst zu <strong>de</strong>n Grundfreiheiten<br />

und Menschenrechten bzw. <strong>de</strong>n in ihnen zum Ausdruck kommen<strong>de</strong>n<br />

Grundrechtsstandards bekennt, mehren sich neuerdings aber die St<strong>im</strong>men, daß<br />

Menschenrechte nicht nur gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen<br />

Ordnung geltend gemacht wer<strong>de</strong>n können müßten, wolle sich die Kirche nicht um <strong>de</strong>n Genuß<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> ihr eingeräumten Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechte, wie z.B. <strong>de</strong>n öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus,<br />

bringen. 1719<br />

b) Verwaltungsgerichtsbarkeit/Or<strong>de</strong>ntliche Gerichtsbarkeit<br />

Steht dagegen weltliches Recht <strong>im</strong> Streit, so ist für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verwaltungsrechtsweg, für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> or<strong>de</strong>ntliche Rechtsweg<br />

bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit eröffnet, wobei als Grundsatz gilt: <strong>Das</strong><br />

Han<strong>de</strong>ln <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlich-rechtlich organisierten Kirchen ist <strong>de</strong>m öffentlichen Recht zuzuordnen,<br />

privatrechtlich organisierte Kirchen können nicht öffentlich-rechtlich han<strong>de</strong>ln. 1720<br />

1717 Vgl. hierzu HdbStKirchR/Rüfner, Zuständigkeit staatlicher Gerichte in kirchlichen Angelegenheiten,<br />

Zweiter Bd., § 73, S. 1081 ff., 1091.<br />

1718 Vgl. Honecker, Fn. 6, S. 107.<br />

1719 Köck, Menschenrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche – Mit Bezug auf die in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK enthaltenen<br />

europäischen Grundrechtsstandards, ZfRV 1996, S. 89 ff., 106 ff. Für eine ausdrückliche<br />

Normierung innerkirchlicher Grundrechte sprechen sich aus Ehnes, Grundrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirche, in: Rau/Reuter/Schlaich (Hrsg.), <strong>Das</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche, Bd. I, Zur Theorie <strong>de</strong>s<br />

Kirchenrechts, Gütersloh 1997, S. 545 ff., 550; sowie Huber, Grundrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche, in:<br />

Rau/Reuter/Schlaich (Hrsg.), a.a.O., S. 518 ff., 543. Vgl. <strong>im</strong> übrigen die Ausführungen oben<br />

Fn. 1454.<br />

1720 Rüfner, Fn. 1717, S. 1091, 1093. Allerdings müssen Dienstverhältnisse einer öffentlichrechtlichen<br />

Kirchenkörperschaft nicht zwingend beamtenähnlich, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n können auch als<br />

rein privatrechtliches Arbeitsverhältnis ausgestaltet wer<strong>de</strong>n.


429<br />

Im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> res mixtae, <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Aufgaben zwischen Staat und Kirche, ist<br />

generell <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsweg zu <strong>de</strong>n staatlichen Gerichten eröffnet. Gleiches gilt in Angelegenheiten<br />

<strong>de</strong>s kirchlichen Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts, soweit hierdurch Außenwirkungen entstehen,<br />

wie dies v.a. bei Kündigungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist. Von einer Rechtswegszuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen<br />

Gerichte ist ferner auszugehen, soweit Kirchen und Religionsgemeinschaften am allgemeinen<br />

Rechtsverkehr teilnehmen. 1721<br />

Die staatlichen 1722 Gerichte sind zur Beachtung <strong>de</strong>s vor<strong>ra</strong>ngigen Gemeinschaftsrechts<br />

verpflichtet, d.h. sie haben <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache Rechnung zu t<strong>ra</strong>gen, daß hoheitlich han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong><br />

Kirchen gemeinschaftsrechtlich zugleich als Grundrechtsverpflichtete angesehen wer<strong>de</strong>n. 1723<br />

Bei Auslegungsschwierigkeiten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Zweifeln an <strong><strong>de</strong>r</strong> Gültigkeit einer Norm <strong>de</strong>s pr<strong>im</strong>ären o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

sekundären Gemeinschaftsrechts besteht eine Vorlageberechtigung bzw. -pflicht i.R.d.<br />

Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahrens nach Art. 234 (ex-Art. 177) EGV.<br />

Schließlich können Individuen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission die Einleitung eines<br />

Vert<strong>ra</strong>gsverletzungsverfahrens nach Art. 226 (ex-Art. 169) EGV gegen einen Mitgliedstaat<br />

anregen, soweit eine öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaft gegen Gemeinschaftsrecht<br />

verstößt.<br />

c) Verfahren vor <strong>de</strong>m EGMR<br />

Soweit Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status staatliche<br />

Hoheitsbefugnisse ausüben, wie dies <strong>im</strong> Kirchensteuerrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist, sind sie zugleich<br />

Grundrechtsverpflichtete <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK. Daher ist bei einer<br />

Rechtsverletzung durch die Kirchen ein Individualbeschwer<strong>de</strong>verfahren gegen <strong>de</strong>n<br />

betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat möglich. 1724<br />

II. Rechtsschutz i.R.d. <strong>Union</strong>srechts<br />

1721<br />

Vgl. hierzu jüngst Kirchberg, Staatlicher Rechtsschutz in Kirchensachen, NVwZ 1999,<br />

S. 734 f.<br />

1722<br />

Vgl. zur Problematik <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorlagebefugnis kirchlicher Gerichte nach Art. 234 (ex-Art. 177)<br />

EGV die Ausführungen oben M.I.1.a)bb)(5).<br />

1723<br />

Vgl. hierzu die Ausführungen oben E.IV.1.a)cc)(3)(iii) für das hoheitliche Tätigwer<strong>de</strong>n von<br />

Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Kirchensteuereinzugs sowie bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Einschränkung<br />

von Freizügigkeitsrechten, soweit nicht das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht eingreift.<br />

1724<br />

So auch Bleckmann, Fn 310, S. 24.


430<br />

<strong>Union</strong>srecht gilt pr<strong>im</strong>är <strong>im</strong> Verhältnis zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> EU und <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten. Rechtsakte<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> beliehenen Gemeinschaftsorgane i.R.d. <strong>Union</strong>srechts können vom EuGH grundsätzlich<br />

nicht <strong>im</strong> Hinblick auf die Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />

überprüft wer<strong>de</strong>n.<br />

1. Mitgliedstaatliche Verfassungsgerichte<br />

Mitgliedstaatliche Verfassungsgerichte sind nicht befugt, i.R.d. GASP o<strong><strong>de</strong>r</strong> ZBJI ergangene<br />

Sekundärrechtsakte auf die Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit i.S.d. Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2<br />

EUV i.V.m. Art. 9 EMRK zu überprüfen. <strong>Das</strong> BVerfG n<strong>im</strong>mt jedoch seine Gerichtsbarkeit<br />

nur zurück, soweit auf zwischenstaatlicher Ebene ein adäquater Grundrechtsschutz<br />

gewährleistet wird, was i.R.d. <strong>Union</strong>srechts nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist. Daher muß <strong>de</strong>m BVerfG bei<br />

Unvereinbarkeit eines unionsrechtlichen Sekundärrechtsakts mit <strong><strong>de</strong>r</strong> innerstaatlichen<br />

Religionsfreiheit die Kompetenz zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, diesen <strong>im</strong> betreffen<strong>de</strong>n Hoheitsgebiet<br />

für unanwendbar zu erklären. 1725<br />

2. EMRK-Organe<br />

Im <strong>Union</strong>srecht ist kein <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht vergleichbarer Rechtsschutz sichergestellt.<br />

Schon daher kann <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Melchers ausgesprochene Verzicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Überprüfung<br />

nationaler Rechtsakte am Maßstab <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK nicht analog auf die<br />

mitgliedstaatlichen T<strong>ra</strong>nsformationsgesetze unionsrechtlichen Sekundärrechts angewandt<br />

wer<strong>de</strong>n. 1726<br />

III. Zusammenfassung<br />

Im Bereich <strong>de</strong>s Rechtsschutzes muß unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n zwischen Rechtsakten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaftsorgane, <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten und solchen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften:<br />

1725 Vgl. hierzu ausführlich die Ausführungen oben E.V.5.a).<br />

1726 Vgl. hierzu ausführlich die Ausführungen oben E.V.5.b).


431<br />

Gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane kann <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtigkeitsklage<br />

nach Art. 230 (ex-Art. 173) EGV und <strong>de</strong>s Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahrens nach<br />

Art. 234 (ex-Art. 177) EGV angerufen wer<strong>de</strong>n, wobei ein kirchliches Gericht aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

mangeln<strong>de</strong>n engen staatlichen Anbindung nicht als „Gericht“ i.S.d. Art. 234 (ex-Art. 234)<br />

EGV angesehen wer<strong>de</strong>n kann. Vor <strong>de</strong>m BVerfG kann <strong>im</strong> Einzelfall Verfassungsbeschwer<strong>de</strong><br />

nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG sowie konkrete Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1<br />

S. 1 GG analog erhoben wer<strong>de</strong>n.<br />

Gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten be<strong>im</strong> Vollzug von Gemeinschaftsrecht ist eine<br />

Befassung <strong>de</strong>s EuGH über das Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahren sowie das<br />

Vert<strong>ra</strong>gsverletzungsverfahrens nach Art. 226 (ex-Art. 169) EGV durch die Kommission auf<br />

Anregung von Kirchen und Religionsgemeinschaften möglich. <strong>Das</strong> BVerfG kann durch<br />

Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> und konkrete Normenkontrolle ebenso angerufen wer<strong>de</strong>n wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EGMR i.R.d. Individualbeschwer<strong>de</strong>. Außer<strong>de</strong>m könnte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl <strong>im</strong> Hinblick auf<br />

eine konkordatäre Streitigkeit durch ad hoc-Anerkennung <strong>de</strong>s IGH an diesen wen<strong>de</strong>n.<br />

Bei Rechtsakten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften ist zu differenzieren zwischen rein<br />

innerkirchlichen F<strong>ra</strong>gen einerseits, für welche die innerkirchliche Gerichtsbarkeit zuständig<br />

ist, sowie <strong>de</strong>n res mixtae, <strong>de</strong>m kirchlichen Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht bei Außenwirkung und<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen am allgemeinen Rechtsverkehr an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits; für letztere<br />

Angelegenheiten ist die staatliche Gerichtsbarkeit zuständig. Soweit öffentlich-rechtliche<br />

Kirchenkörperschaften Hoheitsbefugnis ausüben, ist eine Anrufung <strong>de</strong>s EGMR <strong>im</strong> Wege einer<br />

Individualbeschwer<strong>de</strong> gegen <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat möglich.<br />

In weiten Bereich <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>srechts ist eine Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH nicht begrün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n.<br />

Aus diesem Grun<strong>de</strong> kann die Solange-Rechtsprechung <strong>de</strong>s BVerfG schon <strong>de</strong>shalb nicht<br />

eingreifen, weil auf <strong>Union</strong>sebene kein adäquater Grundrechtsschutz gewährleistet ist; das<br />

BVerfG kann bei g<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong>n Verstößen gegen Art. 4 GG angerufen wer<strong>de</strong>n. Eine pa<strong>ra</strong>llele<br />

Situation ergibt sich <strong>im</strong> Hinblick auf Art. 9 EMRK hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuständigkeit <strong>de</strong>s EGMR.


432


N. Schaffung eines einheitlichen Status für Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften auf EU-Ebene<br />

433<br />

Teilweise wird die Schaffung eines einheitlichen Status für Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften auf Gemeinschaftsebene als faktische Unmöglichkeit angesehen. So<br />

schließe die – oben unter B. geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>te – Unterschiedlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> religionsrechtlichen<br />

Systeme innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU, die sich vor allem in technischen Details dokumentiere, eine<br />

einheitliche europäische Lösung per se aus. 1727 Der bisherige Weg <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen<br />

Integ<strong>ra</strong>tion ist m.E. jedoch ein Beleg dafür, daß die Einigung auf eine einheitliche europäische<br />

Lösung zu keinem Zeitpunkt an <strong><strong>de</strong>r</strong> Verschie<strong>de</strong>nartigkeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> Komplexität nationaler<br />

Systeme, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n allenfalls an einem entsprechen<strong>de</strong>n politischen Willen gescheitert ist. 1728<br />

<strong>Das</strong> eigentliche Motiv <strong><strong>de</strong>r</strong> Ablehnung eines einheitlichen Status für Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften ist wohl eher an<strong><strong>de</strong>r</strong>swo zu suchen: Dem – auf konkreten<br />

Negativerfahrungen beruhen<strong>de</strong>n – vorschnellen „Ausbrechen“ von Rechtslösungen aus <strong>de</strong>n<br />

Kulturen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten und <strong>de</strong>m an<strong><strong>de</strong>r</strong>weitigen „Einpflanzen“ 1729<br />

in das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> EU<br />

soll <strong><strong>de</strong>r</strong> Riegel vorgeschoben wer<strong>de</strong>n.<br />

Erstaunen mag es hingegen, daß sich das damalige Oberhaupt <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche, Papst<br />

Pius XII., durch das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gung nationaler Hoheitsrechte auf die sup<strong>ra</strong>nationale<br />

Gemeinschaft nicht nur eine wirtschaftliche und kulturelle, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch eine geistige und<br />

religiöse Bereicherung versp<strong>ra</strong>ch. 1730<br />

Ebenso plädiert Ingolf Pernice für eine „Integ<strong>ra</strong>tion <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

1727<br />

Voigt, Fn. 600, S. 109: „We<strong><strong>de</strong>r</strong> die Vielfalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Denominationen noch die Verschie<strong>de</strong>nheit<br />

ihrer geschichtlichen Erfahrungen als Staatskirchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> staatsunabhängige Kirchen, als<br />

Lan<strong>de</strong>skirchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitenkirchen, noch das jeweils spezifische theologische<br />

Proprium, das ihr Selbstverständnis cha<strong>ra</strong>kterisiert, machen es möglich, die Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

christlichen Kirchen und <strong><strong>de</strong>r</strong> nichtchristlichen Religionsgemeinschaften auf <strong>de</strong>m Wege<br />

europaweiter Gesetzgebung zu regeln.“<br />

1728<br />

Vgl. nur die erfolgreiche Rechtsangleichung auf <strong>de</strong>m komplizierten Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> technischen<br />

Harmonisierung und Normung, Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 1233.<br />

1729<br />

Vgl. zu <strong>de</strong>n Begrifflichkeiten Großfeld, Europäisches Erbe als Europäische Zukunft –<br />

System<strong>de</strong>nken und Internationalität, JZ 1999, S. 1 ff., 7.<br />

1730<br />

„Les pays d’Europe, qui ont admis le principe <strong>de</strong> déléguer une partie <strong>de</strong> leur souve<strong>ra</strong>ineté à<br />

un organisme sup<strong>ra</strong>national, entrent, croyons-Nous, dans une voie salutaire, d’où peut sortir<br />

eux-mêmes et pour l’Europe une vie nouvelle dans tous les domaines, un enrichessement<br />

non seulement économique et culturel, mais aussi spirituel et religieux.“; Ansp<strong>ra</strong>che vom<br />

4.11.1957 vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Versammlung <strong><strong>de</strong>r</strong> EGKS; Zitat bei Köck, Fn. 231, S. 746.


434<br />

religiösen Interessen ,in‘ Europa“: Angesichts <strong>de</strong>s staatsübergreifen<strong>de</strong>n Cha<strong>ra</strong>kters sei nicht<br />

nur eine materielle – <strong>im</strong> Lichte <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen Religionsfreiheit zu verstehen<strong>de</strong> –<br />

Gleichbehandlung, „son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch institutionelle Berücksichtigung religiöser Interessen <strong>im</strong><br />

Rahmen eines gemeinschaftlichen <strong>Religionsrecht</strong>s sogar integ<strong>ra</strong>tionspolitisch opportun“. 1731<br />

Dies stellt die direkte Gegenposition zu <strong><strong>de</strong>r</strong> sonst z.T. gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Bereichsausnahme für das<br />

<strong>Religionsrecht</strong> dar. Hierbei darf nicht verkannt wer<strong>de</strong>n, daß auch Pernice die Ve<strong>ra</strong>nkerung<br />

eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften ins Auge gefaßt hat. 1732<br />

solcher einheitlicher Status müßte allerdings <strong>de</strong> lege ferenda <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s<br />

Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsverfahrens geschaffen wer<strong>de</strong>n.<br />

Nachteile bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung einer einheitlichen Lösung auf Gemeinschaftsebene könnten sich<br />

– soweit hierdurch ein durchschnittlicher o<strong><strong>de</strong>r</strong> gehobener Status <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht festgeschrieben<br />

wür<strong>de</strong> – allenfalls für die bisher privilegiertesten Kirchen, wie z.B. die <strong>de</strong>utschen<br />

Großkirchen, ergeben: Daß eine Kirche mit einem Status einer öffentlich-rechtlichen<br />

Körperschaft in Verbindung geb<strong>ra</strong>cht wird, gilt zwar in Deutschland, nicht aber in <strong>de</strong>n<br />

meisten Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU; zum europäischen Gemeingut gehört nämlich kaum mehr, als<br />

daß Kirchen und Religionsgemeinschaften überhaupt eine Form zur Verfügung gestellt<br />

wer<strong>de</strong>n muß, damit diese ihre Botschaft vermitteln können. 1733<br />

Ein offiziell erlangbarer Status für Kirchen und Religionsgemeinschaften – vergleichbar mit<br />

<strong>de</strong>m einer K.d.ö.R. – ebnet bestehen<strong>de</strong> Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n Religionsgemeinschaften<br />

nicht zwangsläufig ein, 1734 da es nach wie vor neue religiöse Bewegungen geben wird, die die<br />

Vo<strong>ra</strong>ussetzungen an einen zu schaffen<strong>de</strong>n neuen Standard nicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht sogleich<br />

erfüllen. 1735<br />

In Deutschland jedoch wur<strong>de</strong>n für die Großkirchen durch Konkordat bzw.<br />

Kirchenvert<strong>ra</strong>g Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechte – wie z.B. die Schaffung eines eigenen Religionsunterrichts o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

die Einrichtung theologischer Lehrstühle an <strong>de</strong>n Universitäten – eingeräumt, die nicht an <strong>de</strong>n<br />

Körperschaftsstatus anknüpften und daher kleineren Religionsgemeinschaften verwehrt<br />

1731<br />

Pernice, Fn. 17, S. 778, 781.<br />

1732<br />

Pernice, Fn. 17, S. 780.<br />

1733<br />

Hans-Joach<strong>im</strong> Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 104.<br />

1734<br />

Aus dieser Befürchtung he<strong>ra</strong>us scheint Conring, Fn. 25, S. 398, die „Implementierung“<br />

eines Status für Kirchen und Religionsgemeinschaften auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />

abzulehnen.<br />

1735<br />

Torfs, Introduction, S. 7.<br />

Ein


435<br />

blieben. Solche gleichheitswidrigen 1736 Privilegien müssen in einem zukünftigen<br />

gemeinsamen Europa vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. 1737<br />

Die Annahme, die Schaffung eines gemeinschaftsweiten Status, <strong><strong>de</strong>r</strong> anhand objektiver<br />

Pa<strong>ra</strong>meter festgelegt wer<strong>de</strong>, sei für die weniger gut verfaßten Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> neuen<br />

religiösen Bewegungen von Nachteil und vergrößere <strong>de</strong>n bisherigen Spalt zwischen <strong>de</strong>n<br />

etablierten Kirchen und neuen religiösen Strömungen ohne formale Strukturen 1738 , ist dann<br />

nicht zwingend, soweit zunächst die Gemeinschaftsorgane die Kriterien, nach <strong>de</strong>nen ein<br />

gemeinschaftseigener Status für Kirchen und Religionsgemeinschaften zuzuerkennen wäre,<br />

strikt einhalten und nicht weitere ungeschriebene Anerkennungsvo<strong>ra</strong>ussetzungen schaffen<br />

wür<strong>de</strong>n, wobei man wohl verlangen darf und muß, daß eine gemeinschaftsrechtlich<br />

anerkannte Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft die Grundprinzipien westlicher Demok<strong>ra</strong>tien<br />

respektiert. 1739<br />

Des weiteren dürfte die Min<strong>de</strong>stanzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> festen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in einzelnen<br />

Mitgliedstaaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsweit nicht <strong><strong>de</strong>r</strong>art hoch angesetzt wer<strong>de</strong>n, daß faktisch<br />

weiterhin nur die bisherigen Großkirchen in <strong>de</strong>n Genuß <strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen Status<br />

kämen.<br />

Soweit eine Religionsgemeinschaft gemeinschaftsrechtlich anerkannt wäre, wür<strong>de</strong> sie<br />

aufgrund <strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitsgebots, konkretisiert durch Art. 13<br />

(ex-Art. 6a) EGV, einen Anspruch auf finanzielle und sonstige För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Umfangs genießen, wie dieser bislang <strong>de</strong>n Großkirchen zuteil wird. Dabei neige ich ebenfalls<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht von Rik Torfs zu, daß nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewährung von Geldmitteln an Kirchen und<br />

religiöse Organisationen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung eines juristisch abgesicherten Status auf<br />

1736 Vgl. beispielsweise zu <strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>nken <strong>im</strong> nationalen Recht gegen die einseitig begünstigen<strong>de</strong>n<br />

Finanzzuwendungen durch das Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht: Schmidt-Eichstaedt, Fn. 1179,<br />

S. 87 ff.<br />

1737 Schmidtchen, Fn. 1168, S. 17, Sp. 5, legt als Nationalökonom überzeugend dar, daß ein<br />

„Wettbewerb“ auf <strong>de</strong>m religiösen Markt die gleichen Vorteile wie auf an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Märkten<br />

biete. Religiöser Plu<strong>ra</strong>lismus för<strong><strong>de</strong>r</strong>e keinesfalls säkulares Denken, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n st<strong>im</strong>uliere <strong>im</strong><br />

Gegenteil religiöse Aktivität; hingegen ziehe religiöser Monopolismus, angereichert durch<br />

Privilegien, eine geringere Innovation, mehr Ineffizienz sowie eine Verselbständigung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Funktionäre nach sich.<br />

1738 So Torfs, Introduction, Fn. 1735, S. 7. Dieser sieht z.B. die Unterhaltung eines ständigen<br />

Büros in Brüssel als unabdingbare Vo<strong>ra</strong>ussetzung für einen offiziellen Status. Dem ist nicht<br />

zuzust<strong>im</strong>men, da auch kleinere Kirchenkörperschaften in Deutschland trotz <strong>de</strong>s ihnen<br />

verliehenen Status in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit kein Bonner Büro eingerichtet hatten.<br />

1739 Ebenso Torfs, Fn. 1735, S. 8.


436<br />

Gemeinschaftsebene Vor<strong>ra</strong>ng zukommt, 1740<br />

wie dies durch die Kirchenerklärung nicht in<br />

ausreichen<strong>de</strong>m Maße geschehen ist.<br />

Die Schaffung eines einheitlichen Status für Kirchen und Religionsgemeinschaften auf<br />

Gemeinschaftsebene wäre keinesfalls als Schritt hin zur „Welteinheitskirche“, wie sie mit<br />

Recht von vielen Gläubigen abgelehnt wird, zu werten. Einer solchen Einheitskirche<br />

europäischen Zuschnitts wür<strong>de</strong> nur dann Vorschub geleistet, wenn es dabei zu Angleichungen<br />

auf <strong><strong>de</strong>r</strong> inhaltlich-theologischen Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Sinne eines<br />

Synkretismus käme, wie ihn vereinzelt Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> ökumenischen Bewegung mit <strong>de</strong>m<br />

Argument <strong><strong>de</strong>r</strong> angeblichen „Erhöhung <strong>de</strong>s christlichen Zeugnisses in <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt“ einfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />

Eine rein äußerliche Gleichbehandlung durch Schaffung eines einheitlichen Rahmens führt<br />

eine Einheitskirche schon <strong>de</strong>swegen nicht herbei, da je<strong>de</strong> Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft<br />

nach wie vor rechtlich selbständig bliebe und keine Vereinigung „unter einem Dach“<br />

gegrün<strong>de</strong>t wür<strong>de</strong>. 1741 Übrigens gehört selbst für <strong>de</strong>n 1948 gegrün<strong>de</strong>ten Ökumenischen Rat <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kirchen (ÖRK) 1742 mit Sitz in Genf – dieser hat weit über 300 Mitgliedskirchen mit<br />

Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche – seit <strong><strong>de</strong>r</strong> „Torontoerklärung“ von 1950 zu <strong>de</strong>ssen<br />

Selbstverständnis: „Der ÖRK ist und wird keine Überkirche, er vertritt keine best<strong>im</strong>mte<br />

Ekklesiologie o<strong><strong>de</strong>r</strong> Einheitskonzeption. Die Mitgliedskirchen müssen einan<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht als<br />

Kirchen <strong>im</strong> vollen Sinne anerkennen.“ 1743<br />

Nichts<strong>de</strong>stoweniger müßte es <strong>im</strong> Interesse von Kirchen und Religionsgemeinschaften liegen,<br />

zu einem gewissen Maße gemeinsame Gremien zur Vo<strong>ra</strong>bst<strong>im</strong>mung zu schaffen, damit die<br />

EU-Kommission in ihrer p<strong>ra</strong>ktischen Gesetzgebungsarbeit auf die Positionen verschie<strong>de</strong>ner<br />

Kirchen und Religionsgemeinschaften besser eingehen kann. 1744<br />

Als erster Schritt in diese<br />

Richtung kann die Aufhebung <strong><strong>de</strong>r</strong> gegenseitigen Verurteilung zwischen Katholiken und<br />

Luthe<strong>ra</strong>nern durch die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ <strong>de</strong>s Lutherischen<br />

Weltbun<strong>de</strong>s (Genf) bzw. <strong>de</strong>s Päpstlichen Rates für die Einheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Christen (Rom) vom<br />

25. Juni 1998 angesehen wer<strong>de</strong>n, die am 30. Oktober 1999 in Augsburg unterzeichnet<br />

1740<br />

Vgl. Torfs, Fn. 228, S. 87 f.<br />

1741<br />

Auch wenn ein einheitlicher Status für Kirchen und Religionsgemeinschaften – vergleichbar<br />

einem harmonisierten Vereinstypus – geschaffen wür<strong>de</strong>, be<strong>de</strong>utet dies keinesfalls, daß<br />

alle Vereine infolge<strong>de</strong>ssen dieselben Ziele verfolgen müßten; die bisherige Plu<strong>ra</strong>lität vom<br />

Kaninchenzüchterverein über <strong>de</strong>n Kegelverein bis hin zum Kulturför<strong><strong>de</strong>r</strong>verein bliebe nach<br />

wie vor erhalten.<br />

1742<br />

Vgl. ausführlich hierzu Stiller, Der Ökumenische Rat <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen, seine Rechtsnatur und<br />

seine Rechtsbeziehungen zur Evangelischen Kirche in Deutschland, ZevKR 43 (1998),<br />

S. 71 ff.<br />

1743<br />

Vgl. auch HdbStKirchR/K<strong>im</strong>minich, Fn. 46, S. 239 f.<br />

1744<br />

So auch schon Hans-Joach<strong>im</strong> Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 104.


437<br />

wur<strong>de</strong> 1745 und durch welche ein Schlußstrich unter einen fast 500 Jahre dauern<strong>de</strong>n<br />

Kirchenstreit gezogen wur<strong>de</strong>. 1746<br />

<strong>Das</strong> bisherige Fehlen einer formalen Position für Kirchen und Religionsgemeinschaften führt<br />

ebenfalls zu Nachteilen 1747<br />

, was sich z.B. darin manifestiert, daß Kirchen und<br />

Religionsgemeinschaften über die strikte Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeitsregeln mit<br />

gewöhnlichen Arbeitgebern gleichgestellt wer<strong>de</strong>n und <strong>im</strong> Hinblick auf ein<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen in eigenen Angelegenheiten viele F<strong>ra</strong>gen offen sind.<br />

Vor einem – unter Vernachlässigung <strong>de</strong>s Individualrechtscha<strong>ra</strong>kters <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit –<br />

auf die alleinige Durchsetzung institutioneller Rechtspositionen gerichteten Vorstoß, wie er in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong>de</strong>n Großkirchen initiierten Kirchenerklärung zum Ausdruck kam, ist<br />

bezeichnen<strong><strong>de</strong>r</strong>weise schon vor Ve<strong>ra</strong>bschiedung <strong>de</strong>s konkreten Wortlauts <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung<br />

gewarnt wor<strong>de</strong>n. 1748<br />

Diese vo<strong>ra</strong>usschauen<strong>de</strong> Kritik ist durchaus berechtigt, da die<br />

Religionsfreiheit – wie dies für Art. 9 EMRK und Art. 4 GG anerkannt ist – neben ihrer<br />

individuellen Ausformung auch ein korpo<strong>ra</strong>tives Element enthält. Ein ausdrückliches<br />

Erwähnen <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit mit seiner individualrechtlichen und institutionellen Seite<br />

anstelle o<strong><strong>de</strong>r</strong> neben <strong>de</strong>m Inhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung hätte mit Sicherheit zu einer besseren<br />

Berücksichtigung religiöser Interessen <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht geführt. Zur Ve<strong>ra</strong>nkerung eines<br />

gemeinschaftseinheitlichen Status für Kirchen und Religionsgemeinschaften auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene<br />

<strong>de</strong>s Pr<strong>im</strong>ärrechts sollte daher ein neuerlicher Versuch unternommen wer<strong>de</strong>n.<br />

1745<br />

SZ Nr. 253 vom 2.11.1999, S. 2.<br />

1746<br />

Vgl. Drobinski; <strong>Das</strong> En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verdammnis – Katholiken und Luthe<strong>ra</strong>ner heben die<br />

gegenseitige Verurteilung auf, SZ Nr. 167 vom 23.7.1998, S. 1, sowie ausführlich<br />

Hilbe<strong>ra</strong>th/Pannenberg (Hrsg.), Zur Zukunft <strong><strong>de</strong>r</strong> Ökumene – Die „Gemeinsame Erklärung<br />

zur Rechtfertigungslehre“, Regensburg 1999; vgl. außer<strong>de</strong>m die „Gemeinsame offizielle<br />

Feststellung“ <strong>de</strong>s Lutherischen Weltbun<strong>de</strong>s und <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche vom 11.6.1999 zur<br />

Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre, MD 1999, S. 78 f.<br />

1747<br />

Torfs, Fn. 1735, S. 7.<br />

1748<br />

Bernd-Otto Kuper, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 102.


438


1. Art. 6 (ex-Art. F) EUV<br />

O. Anhang<br />

I. Ausgewählte Best<strong>im</strong>mungen aus <strong>de</strong>m EUV<br />

439<br />

(1) Die <strong>Union</strong> beruht auf <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Freiheit, <strong><strong>de</strong>r</strong> Demok<strong>ra</strong>tie, <strong><strong>de</strong>r</strong> Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze<br />

sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam.<br />

(2) Die <strong>Union</strong> achtet die Grundrechte, wie sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> am 4. November 1950 in Rom<br />

unterzeichneten <strong>Europäischen</strong> Konvention zum Schutze <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und<br />

Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus <strong>de</strong>n gemeinsamen<br />

Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze <strong>de</strong>s<br />

Gemeinschaftsrechts ergeben.<br />

(3) Die <strong>Union</strong> achtet die nationale I<strong>de</strong>ntität ihrer Mitgliedstaaten.<br />

2. Art. 7 (ex-Art. F.1) EUV<br />

(1) Auf Vorschlag eines Drittels <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission und nach<br />

Zust<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat, <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Zusammensetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staats- und Regierungschefs tagt, einst<strong>im</strong>mig feststellen, daß<br />

eine schwerwiegen<strong>de</strong> und anhalten<strong>de</strong> Verletzung von in Artikel 6 Absatz 1<br />

genannten Grundsätzen durch einen Mitgliedstaat vorliegt, nach<strong>de</strong>m er die Regierung<br />

<strong>de</strong>s betroffenen Mitgliedstaats zu einer Stellungnahme aufgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t hat.<br />

(2) Wur<strong>de</strong> eine solche Feststellung getroffen, so kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat mit qualifizierter Mehrheit<br />

beschließen, best<strong>im</strong>mte Rechte auszusetzen, die sich aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung dieses<br />

Vert<strong>ra</strong>gs auf <strong>de</strong>n betroffenen Mitgliedstaat herleiten, einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> St<strong>im</strong>mrechte<br />

<strong>de</strong>s Vertreters <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierung dieses Mitgliedstaats <strong>im</strong> Rat. Dabei berücksichtigt er<br />

die möglichen Auswirkungen einer solchen Aussetzung auf die Rechte und Pflichten<br />

natürlicher und juristischer Personen.<br />

Die sich aus diesem Vert<strong>ra</strong>g ergeben<strong>de</strong>n Verpflichtungen <strong>de</strong>s betroffenen<br />

Mitgliedstaats sind für diesen auf je<strong>de</strong>n Fall weiterhin verbindlich.


440<br />

(3) Der Rat kann zu einem späteren Zeitpunkt mit qualifizierter Mehrheit beschließen,<br />

nach Absatz 2 getroffene Maßnahmen abzuän<strong><strong>de</strong>r</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> aufzuheben, wenn in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Lage, die zur Verhängung dieser Maßnahmen geführt hat, Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen eingetreten<br />

sind.<br />

(4) Für die Zwecke dieses Artikels han<strong>de</strong>lt <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat ohne Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> St<strong>im</strong>me<br />

<strong>de</strong>s Vertreters <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierung <strong>de</strong>s betroffenen Mitgliedstaats. Die St<strong>im</strong>menthaltung<br />

von anwesen<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> vertretenen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n steht <strong>de</strong>m Zustan<strong>de</strong>kommen von<br />

Beschlüssen nach Absatz 1 nicht entgegen. Als qualifizierte Mehrheit gilt <strong><strong>de</strong>r</strong>selbe<br />

Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> gewogenen St<strong>im</strong>men <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong>n Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Rates, <strong><strong>de</strong>r</strong> in Artikel<br />

205 Absatz 2 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft festgelegt<br />

ist.<br />

Dieser Absatz gilt auch, wenn St<strong>im</strong>mrechte nach Absatz 2 ausgesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

(5) Für die Zwecke dieses Artikels beschließt das Europäische Parlament mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mehrheit von zwei Dritteln <strong><strong>de</strong>r</strong> abgegebenen St<strong>im</strong>men und mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit seiner<br />

Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>.<br />

3. Art. 46 (ex-Art. L) EUV<br />

Die Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft, <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs<br />

über die Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft für Kohle und Stahl und <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur<br />

Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Atomgemeinschaft betreffend die Zuständigkeit <strong>de</strong>s Gerichtshofs<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften und die Ausübung dieser Zuständigkeit gelten nur für<br />

folgen<strong>de</strong> Best<strong>im</strong>mungen dieses Vert<strong>ra</strong>gs:<br />

a) die Best<strong>im</strong>mungen zur Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Wirtschaftsgemeinschaft <strong>im</strong> Hinblick auf die Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Gemeinschaft, <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs über die Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft für<br />

Kohle und Stahl und <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Atomgemeinschaft;<br />

b) die Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Titels VI nach Maßgabe <strong>de</strong>s Artikels 35;<br />

c) die Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Titels VII nach Maßgabe <strong>de</strong>s Artikels 11 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur<br />

Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft und <strong>de</strong>s Artikels 40 dieses Vert<strong>ra</strong>gs;<br />

d) Artikel 6 Absatz 2 in bezug auf Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Organe, sofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof <strong>im</strong><br />

Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften und <strong>im</strong><br />

Rahmen dieses Vert<strong>ra</strong>gs zuständig ist;<br />

e) die Artikel 46 bis 53.


4. Art. 49 (ex-Art. O) Abs. 1 EUV<br />

441<br />

Je<strong><strong>de</strong>r</strong> europäische Staat, <strong><strong>de</strong>r</strong> die in Artikel 6 Absatz 1 genannten Grundsätze achtet, kann<br />

beant<strong>ra</strong>gen, Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> zu wer<strong>de</strong>n. Er richtet seinen Ant<strong>ra</strong>g an <strong>de</strong>n Rat; dieser<br />

beschließt einst<strong>im</strong>mig nach Anhörung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission und nach Zust<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s<br />

<strong>Europäischen</strong> Parlaments, das mit <strong><strong>de</strong>r</strong> absoluten Mehrheit seiner Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> beschließt.<br />

1. Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV<br />

II. Ausgewählte Best<strong>im</strong>mungen aus <strong>de</strong>m EGV<br />

(1) Die Gemeinschaft wird innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzen und <strong><strong>de</strong>r</strong> ihr in diesem Vert<strong>ra</strong>g zugewiesenen<br />

Befugnisse und gesetzten Ziele tätig.<br />

(2) In <strong>de</strong>n Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die<br />

Gemeinschaft nach <strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> in Bet<strong>ra</strong>cht gezogenen Maßnahmen auf Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten nicht<br />

ausreichend erreicht wer<strong>de</strong>n können und daher wegen ihres Umfangs o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihrer<br />

Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht wer<strong>de</strong>n können.<br />

(3) Die Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft gehen nicht über das für die Erreichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele<br />

dieses Vert<strong>ra</strong>gs erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Maß hinaus.<br />

2. Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV<br />

Unbescha<strong>de</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen Best<strong>im</strong>mungen dieses Vert<strong>ra</strong>gs kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat <strong>im</strong> Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> durch<br />

<strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g gegebenen Zuständigkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft auf Vorschlag <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission und<br />

nach Anhörung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments einst<strong>im</strong>mig geeignete Vorkehrungen treffen, um<br />

Diskr<strong>im</strong>inierungen aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Geschlechts, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rasse, <strong><strong>de</strong>r</strong> ethnischen Zugehörigkeit,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Glaubens, einer Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, <strong>de</strong>s Alters o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> sexuellen Ausrichtung<br />

zu bekämpfen.<br />

3. Art. 151 (ex-Art. 128) EGV<br />

(1) Die Gemeinschaft leistet einen Beit<strong>ra</strong>g zur Entfaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kulturen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mitgliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie<br />

gleichzeitiger Hervorhebung <strong>de</strong>s gemeinsamen kulturellen Erbes.


442<br />

(2) Die Gemeinschaft för<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch ihre Tätigkeit die Zusammenarbeit zwischen <strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaaten und unterstützt und ergänzt erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichenfalls <strong><strong>de</strong>r</strong>en Tätigkeit in<br />

folgen<strong>de</strong>n Bereichen:<br />

- Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kenntnis und Verbreitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur und Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

europäischen Völker,<br />

- Erhaltung und Schutz <strong>de</strong>s kulturellen Erbes von europäischer Be<strong>de</strong>utung,<br />

- nichtkommerzieller Kultu<strong>ra</strong>ustausch<br />

- künstlerisches und lite<strong>ra</strong>risches Schaffen, einschließlich <strong>im</strong> audiovisuellen<br />

Bereich.<br />

(3) Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten för<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Zusammenarbeit mit dritten<br />

Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n und <strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Kulturbereich zuständigen internationalen Organisationen,<br />

insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e mit <strong>de</strong>m Europa<strong>ra</strong>t.<br />

(4) Die Gemeinschaft trägt bei ihrer Tätigkeit aufgrund an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Best<strong>im</strong>mungen dieses<br />

Vert<strong>ra</strong>gs <strong>de</strong>n kulturellen Aspekten Rechnung, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e zur Wahrung und<br />

För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vielfalt ihrer Kulturen.<br />

(5) Als Beit<strong>ra</strong>g zur Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele dieses Artikels erläßt <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat<br />

- gemäß <strong>de</strong>m Verfahren <strong>de</strong>s Artikels 251 und nach Anhörung <strong>de</strong>s Ausschusses <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Regionen För<strong><strong>de</strong>r</strong>maßnahmen unter Ausschluß jeglicher Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechts- und Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten. Der Rat beschließt <strong>im</strong><br />

Rahmen <strong>de</strong>s Verfahrens <strong>de</strong>s Artikels 251 einst<strong>im</strong>mig;<br />

- einst<strong>im</strong>mig auf Vorschlag <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission Empfehlungen.<br />

4. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV<br />

(1) Die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor Ink<strong>ra</strong>fttreten dieses Vert<strong>ra</strong>gs<br />

zwischen einem o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehreren Mitgliedstaaten einerseits und einem o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehreren<br />

dritten Staaten an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits geschlossen wur<strong>de</strong>n, wer<strong>de</strong>n durch diesen Vert<strong>ra</strong>g nicht<br />

berührt.<br />

(2) Soweit diese Übereinkünfte mit diesem Vert<strong>ra</strong>g nicht vereinbar sind, wen<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> die betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten alle geeigneten Mittel an, um die festgestellten<br />

Unvereinbarkeiten zu beheben. Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichenfalls leisten die Mitgliedstaaten zu<br />

diesem Zweck einan<strong><strong>de</strong>r</strong> Hilfe; sie nehmen gegebenenfalls eine gemeinsame Haltung<br />

ein.


443<br />

5. Protokoll Nr. 30 über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verhältnismäßigkeit<br />

PROTOKOLL<br />

ÜBER DIE ANWENDUNG DER GRUNDSÄTZE DER SUBSIDIARITÄT<br />

UND DER VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT<br />

DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN –<br />

ENTSCHLOSSEN, die Bedingungen für die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> in Artikel 5 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur<br />

Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft ve<strong>ra</strong>nkerten Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verhältnismäßigkeit festzulegen, um die Kriterien für ihre Anwendung zu präzisieren, und die<br />

strikte Beachtung und kohärente Anwendung dieser Grundsätze durch alle Organe zu<br />

gewährleisten,<br />

IN DEM WUNSCH sicherzustellen, daß Entscheidungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> so bürgernah wie<br />

möglich getroffen wer<strong>de</strong>n,<br />

IN ANBETRACHT <strong><strong>de</strong>r</strong> Interinstitutionellen Vereinbarung vom 25. Oktober 1993 zwischen<br />

<strong>de</strong>m <strong>Europäischen</strong> Parlament, <strong>de</strong>m Rat und <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission über die Verfahren zur<br />

Anwendung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips,<br />

HABEN BEKRÄFTIGT, daß die Schlußfolgerungen <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Rates von<br />

Birmingham vom 16. Oktober 1992 und das vom <strong>Europäischen</strong> Rat auf seiner Tagung am<br />

11.-12. Dezember 1992 in Edinburgh vereinbarte Gesamtkonzept für die Anwendung <strong>de</strong>s<br />

Subsidiaritätsprinzips weiterhin die Richtschnur für das Han<strong>de</strong>ln <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane<br />

sowie für die Weiterentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips bil<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n –<br />

SIND zu diesem Zweck über folgen<strong>de</strong> Best<strong>im</strong>mungen ÜBEREINGEKOMMEN, die <strong>de</strong>m<br />

Vert<strong>ra</strong>g zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft beigefügt sind:<br />

1. Je<strong>de</strong>s Organ gewährleistet bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausübung seiner Befugnisse die Einhaltung <strong>de</strong>s<br />

Subsidiaritätsprinzips. Je<strong>de</strong>s Organ gewährleistet ferner die Beachtung <strong>de</strong>s<br />

Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, <strong>de</strong>mzufolge die Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nicht<br />

über das für die Erreichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Maß hinausgehen<br />

dürfen.<br />

2. Die Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit wer<strong>de</strong>n unter Beachtung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Best<strong>im</strong>mungen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs angewandt, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

unter voller Wahrung <strong>de</strong>s gemeinschaftlichen Besitzstands und <strong>de</strong>s institutionellen


444<br />

Gleichgewichts; dabei wer<strong>de</strong>n die vom Gerichtshof aufgestellten Grundsätze für das<br />

Verhältnis zwischen einzelstaatlichem Recht und Gemeinschaftsrecht nicht berührt,<br />

und Artikel 6 Absatz 4 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs über die Europäische <strong>Union</strong>, wonach sich die<br />

<strong>Union</strong> mit <strong>de</strong>n Mitteln ausstattet, ,,die zum Erreichen ihrer Ziele und zur<br />

Durchführung ihrer Politiken erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sind“, sollte Rechnung get<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n.<br />

3. <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip stellt nicht die Befugnisse in F<strong>ra</strong>ge, über die die Europäische<br />

Gemeinschaft aufgrund <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs entsprechend <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong>de</strong>s Gerichtshofs<br />

verfügt. Die in Artikel 5 Absatz 2 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs genannten Kriterien gelten für<br />

Bereiche, für die die Gemeinschaft nicht die ausschließliche Zuständigkeit besitzt. <strong>Das</strong><br />

Subsidiaritätsprinzip ist eine Richtschnur dafür, wie diese Befugnisse auf Gemeinschaftsebene<br />

auszuüben sind. Die Subsidiarität ist ein dynamisches Konzept und sollte<br />

unter Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Vert<strong>ra</strong>g festgelegten Ziele angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Nach<br />

<strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzip kann die Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft <strong>im</strong> Rahmen ihrer<br />

Befugnisse sowohl erweitert wer<strong>de</strong>n, wenn die Umstän<strong>de</strong> dies erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n, als auch<br />

eingeschränkt o<strong><strong>de</strong>r</strong> eingestellt wer<strong>de</strong>n, wenn sie nicht mehr gerechtfertigt ist.<br />

4. Je<strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschlag für gemeinschaftliche Rechtsvorschriften wird begrün<strong>de</strong>t, um zu<br />

rechtfertigen, daß dabei die Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit<br />

eingehalten wer<strong>de</strong>n; die Feststellung, daß ein Gemeinschaftsziel besser auf<br />

Gemeinschaftsebene erreicht wer<strong>de</strong>n kann, muß auf qualitativen o<strong><strong>de</strong>r</strong> – soweit möglich<br />

– auf quantitativen Kriterien beruhen.<br />

5. Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft sind nur gerechtfertigt, wenn bei<strong>de</strong> Bedingungen <strong>de</strong>s<br />

Subsidiaritätsprinzips erfüllt sind: Die Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> in Bet<strong>ra</strong>cht gezogenen Maßnahmen<br />

können nicht ausreichend durch Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten <strong>im</strong> Rahmen ihrer<br />

Verfassungsordnung erreicht wer<strong>de</strong>n und können daher besser durch Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft erreicht wer<strong>de</strong>n.<br />

Folgen<strong>de</strong> Leitlinien sollten bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Prüfung <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge, ob die genannte Vo<strong>ra</strong>ussetzung<br />

erfüllt ist, befolgt wer<strong>de</strong>n:<br />

- Der betreffen<strong>de</strong> Bereich weist t<strong>ra</strong>nsnationale Aspekte auf, die durch Maßnahmen<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten nicht ausreichend geregelt wer<strong>de</strong>n können,<br />

- alleinige Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Fehlen von<br />

Gemeinschaftsmaßnahmen wür<strong>de</strong>n gegen die Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs<br />

(beispielsweise Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis <strong><strong>de</strong>r</strong> Korrektur von Wettbewerbsverzerrungen, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vermeidung verschleierter Han<strong>de</strong>lsbeschränkungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Stärkung <strong>de</strong>s<br />

wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts) verstoßen o<strong><strong>de</strong>r</strong> auf sonstige Weise<br />

die Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigen,<br />

- Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene wür<strong>de</strong>n wegen ihres Umfangs o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihrer<br />

Wirkungen <strong>im</strong> Vergleich zu Maßnahmen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

<strong>de</strong>utliche Vorteile mit sich bringen.


445<br />

6. Für Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ist eine möglichst einfache Form zu wählen, wobei<br />

da<strong>ra</strong>uf geachtet wer<strong>de</strong>n muß, daß das Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Maßnahme in zufrie<strong>de</strong>nstellen<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise<br />

erreicht wird und die Maßnahme tatsächlich zur Anwendung gelangt. Die<br />

Rechtsetzungstätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft sollte über das erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Maß nicht<br />

hinausgehen. Dementsprechend wäre unter sonst gleichen Gegebenheiten eine<br />

Richtlinie einer Verordnung und eine Rahmenrichtlinie einer <strong>de</strong>taillierten Maßnahme<br />

vorzuziehen. Richtlinien nach Maßgabe <strong>de</strong>s Artikels 249 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs, die für je<strong>de</strong>n<br />

Mitgliedstaat, an <strong>de</strong>n sie gerichtet sind hinsichtlich <strong>de</strong>s zu erreichen<strong>de</strong>n Ziels<br />

verbindlich sind, überlassen <strong>de</strong>n innerstaatlichen Stellen die Wahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Form und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mittel.<br />

7. Was Art und Umfang <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lns <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft betrifft, so sollte bei<br />

Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft so viel Raum für nationale Entscheidungen bleiben,<br />

wie dies <strong>im</strong> Einklang mit <strong>de</strong>m Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Maßnahme und <strong>de</strong>n Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s<br />

Vert<strong>ra</strong>gs möglich ist. Unter Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften<br />

sollten bewährte nationale Regelungen sowie Struktur und Funktionsweise <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rechtssysteme <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten geachtet wer<strong>de</strong>n. Den Mitgliedstaaten sollten in<br />

<strong>de</strong>n Gemeinschaftsmaßnahmen Alternativen zur Erreichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Maßnahmen<br />

angeboten wer<strong>de</strong>n, sofern dies für eine ordnungsgemäße Durchführung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Maßnahmen angemessen und erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist.<br />

8. Führt die Anwendung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips dazu, daß ein Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gemeinschaft unterbleibt, so müssen die Mitgliedstaaten bei ihren Tätigkeiten <strong>de</strong>n<br />

allgemeinen Vorschriften <strong>de</strong>s Artikels 10 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs genügen, in<strong>de</strong>m sie alle<br />

geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g treffen<br />

und alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs gefähr<strong>de</strong>n<br />

könnten, unterlassen.<br />

9. Unbescha<strong>de</strong>t ihres Initiativrechts sollte die Kommission<br />

- vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Untertreibung von Vorschlägen für Rechtsvorschriften außer <strong>im</strong> Falle<br />

beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Dringlichkeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>ulichkeit umfassen<strong>de</strong> Anhörungen durchführen<br />

und in je<strong>de</strong>m geeigneten Fall Konsultationsunterlagen veröffentlichen;<br />

- die Sachdienlichkeit ihrer Vorschläge unter <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips<br />

begrün<strong>de</strong>n; hierzu sind erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichenfalls in <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung <strong>de</strong>s Vorschlags<br />

ausführliche Angaben zu machen. Wird eine Gemeinschaftsmaßnahme ganz o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

teilweise aus <strong>de</strong>m Gemeinschaftshaushalt finanziert, so ist eine Erläuterung<br />

erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich;<br />

- gebührend berücksichtigen, daß die finanzielle Belastung und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verwaltungsaufwand <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

örtlichen Behör<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaft und <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger so gering wie möglich gehalten<br />

wer<strong>de</strong>n und in einem angemessenen Verhältnis zu <strong>de</strong>m angestrebten Ziel stehen<br />

müssen;<br />

- <strong>de</strong>m <strong>Europäischen</strong> Rat, <strong>de</strong>m <strong>Europäischen</strong> Parlament und <strong>de</strong>m Rat jährlich einen<br />

Bericht über die Anwendung <strong>de</strong>s Artikels 5 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs vorlegen. Dieser Jahres-


446<br />

bericht ist auch <strong>de</strong>m Ausschuß <strong><strong>de</strong>r</strong> Regionen und <strong>de</strong>m Wirtschafts- und<br />

Sozialausschuß zuzuleiten.<br />

10. Der Europäische Rat berücksichtigt <strong>de</strong>n Bericht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission nach Nummer 9<br />

vierter Gedankenstrich <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s Berichts über die Fortschritte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>, <strong>de</strong>n<br />

er gemäß Artikel 4 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs über die Europäische <strong>Union</strong> <strong>de</strong>m <strong>Europäischen</strong><br />

Parlament vorzulegen hat.<br />

11. <strong>Das</strong> Europäische Parlament und <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat prüfen unter strikter Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

gelten<strong>de</strong>n Verfahren als Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> umfassen<strong>de</strong>n Prüfung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommissionsvorschläge,<br />

ob diese mit Artikel 5 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs <strong>im</strong> Einklang stehen. Dies gilt sowohl für <strong>de</strong>n<br />

ursprünglichen Vorschlag <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission als auch für vom <strong>Europäischen</strong> Parlament<br />

und vom Rat in Bet<strong>ra</strong>cht gezogene Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an <strong>de</strong>m Vorschlag.<br />

12. <strong>Das</strong> Europäische Parlament wird <strong>im</strong> Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfahren nach<br />

<strong>de</strong>n Artikeln 251 und 252 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs durch die Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Grün<strong>de</strong>, die <strong>de</strong>n Rat zur<br />

Festlegung seines gemeinsamen Standpunkts ve<strong>ra</strong>nlaßt haben, über die Auffassung<br />

<strong>de</strong>s Rates hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung <strong>de</strong>s Artikels 5 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs unterrichtet. Der<br />

Rat teilt <strong>de</strong>m <strong>Europäischen</strong> Parlament mit, weshalb seiner Auffassung nach ein<br />

Kommissionsvorschlag ganz o<strong><strong>de</strong>r</strong> teilweise <strong>im</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zu Artikel 5 <strong>de</strong>s<br />

Vert<strong>ra</strong>gs steht.<br />

13. Die Einhaltung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips wird gemäß <strong>de</strong>n Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s<br />

Vert<strong>ra</strong>gs geprüft.<br />

6. Protokoll Nr. 33 über <strong>de</strong>n Tierschutz und das Wohlergehen <strong><strong>de</strong>r</strong> Tiere<br />

PROTOKOLL<br />

ÜBER DEN TIERSCHUTZ UND DAS WOHLERGEHEN DER TIERE<br />

DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN –<br />

IN DEM WUNSCH sicherzustellen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Tierschutz verbessert und das Wohlergehen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Tiere als fühlen<strong>de</strong> Wesen berücksichtigt wird –<br />

SIND über folgen<strong>de</strong> Best<strong>im</strong>mung ÜBEREINGEKOMMEN, die <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g zur Gründung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft beigefügt ist:


447<br />

Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Festlegung und Durchführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft in <strong>de</strong>n Bereichen<br />

Landwirtschaft, Verkehr, Binnenmarkt und Forschung t<strong>ra</strong>gen die Gemeinschaft und die<br />

Mitgliedstaaten <strong>de</strong>n Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen <strong>de</strong>s Wohlergehens <strong><strong>de</strong>r</strong> Tiere in vollem Umfang Rechnung;<br />

sie berücksichtigen hierbei die Rechts- und Verwaltungsvorschriften und die Gepflogenheiten<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e in bezug auf religiöse Riten, kulturelle T<strong>ra</strong>ditionen und das<br />

regionale Erbe.<br />

III. Ausgewählte Erklärungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte zum Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g<br />

1. Erklärung Nr. 11 zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften<br />

Die <strong>Union</strong> achtet <strong>de</strong>n Status, <strong>de</strong>n Kirchen und religiöse Vereinigungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaften<br />

in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten nach <strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechtsvorschriften genießen und läßt ihn unangetastet.<br />

Ebenso achtet die <strong>Union</strong> <strong>de</strong>n Status von weltanschaulichen und nichtkonfessionellen<br />

Organisationen.<br />

2. Erklärung Nr. 38 zu freiwilligen Diensten<br />

Die Konferenz erkennt an, daß die freiwilligen Dienste einen wichtigen Beit<strong>ra</strong>g zur<br />

Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Solidarität leisten.<br />

Die Gemeinschaft wird die europäische D<strong>im</strong>ension freiwilliger Vereinigungen för<strong><strong>de</strong>r</strong>n und<br />

dabei beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Wert auf <strong>de</strong>n Austausch von Informationen und Erfahrungen sowie die<br />

Mitwirkung von Jugendlichen und älteren Menschen an freiwilliger Arbeit legen.<br />

IV. Ausgewählte Erklärungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte zum Vert<strong>ra</strong>g von Maastricht<br />

Erklärung Nr. 23 zur Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>n<br />

Die Konferenz betont, daß zur Erreichung <strong><strong>de</strong>r</strong> in Artikel 136 (ex-Art. 117) <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur<br />

Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft genannten Ziele eine Zusammenarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft mit <strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege und <strong>de</strong>n Stiftungen als<br />

Trägern sozialer Einrichtungen und Dienste von großer Be<strong>de</strong>utung ist.


448<br />

1. Art. 9 EMRK<br />

Authentische Sp<strong>ra</strong>chen<br />

V. Ausgewählte Best<strong>im</strong>mungen aus EMRK, IPbpR und ErklMR<br />

1. Englisch:<br />

Everyone has the right to freedom of thought, conscience and religion; this right inclu<strong>de</strong>s<br />

freedom to change this religion or belief and freedom, either alone or in community with<br />

others and in public or private, to manifest his religion or belief, in worship, teaching, p<strong>ra</strong>ctice<br />

and observance.<br />

Freedom to manifest one’s religion or beliefs shall be subject only to such l<strong>im</strong>itations as are<br />

prescribed by law and are necessary in a <strong>de</strong>moc<strong>ra</strong>tic society in the interests of public safety,<br />

for the protection of public or<strong><strong>de</strong>r</strong>, health or mo<strong>ra</strong>ls, or for the protection of the rights and<br />

freedoms of others.<br />

2. F<strong>ra</strong>nzösisch:<br />

Toute personne a droit à liberté <strong>de</strong> pensée, <strong>de</strong> conscience et <strong>de</strong> religion; ce droit <strong>im</strong>plique la<br />

liberté <strong>de</strong> changer <strong>de</strong> religion ou <strong>de</strong> conviction, ainsi que la liberté <strong>de</strong> manifester sa religion ou<br />

sa conviction individuellement ou collectivement, en public ou en privé, par le culte,<br />

l’enseignement, les p<strong>ra</strong>tiques et l’accomplissement <strong>de</strong>s rites.<br />

La liberté <strong>de</strong> manifester sa religion ou ses convictions ne peut faire l’objet d’autres restrictions<br />

que celles qui, prévues par la loi, constituent <strong>de</strong>s mesures nécessaires dans une société<br />

démoc<strong>ra</strong>tique, à la sécurité publique, à la protection <strong>de</strong> l’ordre, <strong>de</strong> la santé ou <strong>de</strong> la mo<strong>ra</strong>le<br />

publiques, ou à la protection <strong>de</strong>s droits et libertés d’autrui.<br />

Deutsche Übersetzung<br />

Je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht<br />

umfaßt die Freiheit <strong>de</strong>s einzelnen zum Wechsel <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung sowie<br />

die Freiheit, seine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung einzeln o<strong><strong>de</strong>r</strong> in Gemeinschaft mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

öffentlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Beachtung religiöser<br />

Gebräuche auszuüben.<br />

Die Religions- und Bekenntnisfreiheit darf nicht Gegenstand an<strong><strong>de</strong>r</strong>er als vom Gesetz<br />

vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen Gesellschaft notwendige<br />

Maßnahmen <strong>im</strong> Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Sicherheit, <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung, Gesundheit<br />

und Mo<strong>ra</strong>l o<strong><strong>de</strong>r</strong> für <strong>de</strong>n Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte und Freiheiten an<strong><strong>de</strong>r</strong>er sind.


2. Art. 14 EMRK<br />

449<br />

Der Genuß <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ist ohne<br />

Benachteiligung zu gewährleisten, die insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>im</strong> Geschlecht, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rasse, Hautfarbe,<br />

Sp<strong>ra</strong>che, Religion, in <strong>de</strong>n politischen o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen Anschauungen, in nationaler o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

sozialer Herkunft, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugehörigkeit zu einer nationalen Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit, <strong>im</strong> Vermögen, in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Geburt o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> sonstigen Status begrün<strong>de</strong>t ist.<br />

3. Art. 18 IPbpR<br />

Je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht<br />

umfaßt die Freiheit, eine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

anzunehmen, und die Freiheit, seine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung allein o<strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />

Gemeinschaft mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en, öffentlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser<br />

Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekun<strong>de</strong>n.<br />

Niemand darf einem Zwang ausgesetzt wer<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> seine Freiheit, eine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine<br />

Weltanschauung seiner Wahl zu haben o<strong><strong>de</strong>r</strong> anzunehmen, beeinträchtigen wür<strong>de</strong>.<br />

Die Freiheit, seine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung zu bekun<strong>de</strong>n, darf nur <strong>de</strong>n gesetzlich<br />

vorgesehenen Einschränkungen unterworfen wer<strong>de</strong>n, die zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen<br />

Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, Sittlichkeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte und -freiheiten an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />

erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sind.<br />

Die Vert<strong>ra</strong>gsstaaten verpflichten sich, die Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Eltern und gegebenenfalls <strong>de</strong>s<br />

Vormunds o<strong><strong>de</strong>r</strong> Pflegers zu achten, die religiöse und sittliche Erziehung ihrer Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />

Übereinst<strong>im</strong>mung mit ihren eigenen Überzeugungen sicherzustellen.<br />

4. Art. 26 IPbpR<br />

Alle Menschen sind vor <strong>de</strong>m Gesetz gleich und haben ohne Diskr<strong>im</strong>inierung Anspruch auf<br />

gleichen Schutz durch das Gesetz. In dieser Hinsicht hat das Gesetz je<strong>de</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung zu<br />

verbieten und allen Menschen gegen je<strong>de</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung, wie insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e wegen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Rasse, <strong><strong>de</strong>r</strong> Hautfarbe, <strong>de</strong>s Geschlechts, <strong><strong>de</strong>r</strong> Sp<strong>ra</strong>che, <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion, <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

sonstigen Anschauung, <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen o<strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Herkunft, <strong>de</strong>s Vermögens, <strong><strong>de</strong>r</strong> Geburt<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s sonstigen Status, gleichen und wirksamen Schutz zu gewährleisten.<br />

5. Art. 27 IPbpR


450<br />

In Staaten mit ethnischen, religiösen o<strong><strong>de</strong>r</strong> sp<strong>ra</strong>chlichen Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten darf Angehörigen<br />

solcher Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten nicht das Recht vorenthalten wer<strong>de</strong>n, gemeinsam mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu<br />

bekennen und auszuüben o<strong><strong>de</strong>r</strong> sich ihrer eigenen Sp<strong>ra</strong>che zu bedienen.<br />

6. Art. 2 Abs. 1 ErklMR<br />

Je<strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkün<strong>de</strong>ten Rechte und Freiheiten,<br />

ohne irgen<strong>de</strong>ine Unterscheidung, wie etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Sp<strong>ra</strong>che, Religion,<br />

politischer und sonstiger Überzeugung, nationaler o<strong><strong>de</strong>r</strong> sozialer Herkunft, nach Eigentum,<br />

Geburt o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen Unterschie<strong>de</strong>n.<br />

7. Art. 18 ErklMR<br />

Je<strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheitdieses Recht<br />

umfaßt die Freiheit, seine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit,<br />

seine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> seine Überzeugung allein o<strong><strong>de</strong>r</strong> in Gemeinschaft mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en, in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Öffentlichkeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten<br />

zu bekun<strong>de</strong>n.


Zusammenfassung<br />

451<br />

1. Es ist angeb<strong>ra</strong>cht, für die Gesamtheit aller staatlichen bzw. sup<strong>ra</strong>nationalen Normen, die<br />

religiösen Interessen Rechnung t<strong>ra</strong>gen, anstelle <strong>de</strong>s Begriffs <strong>de</strong>s „Staatskirchenrechts“<br />

<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s „<strong>Religionsrecht</strong>s“ zu verwen<strong>de</strong>n.<br />

2. <strong>Das</strong> <strong>Religionsrecht</strong> in <strong>de</strong>n einzelnen Mitgliedstaaten ist sehr unterschiedlich ausgeprägt:<br />

Neben <strong>de</strong>n Extrempositionen einer strikten Trennung von Staat und Kirche einerseits und<br />

<strong>de</strong>m Staatskirchentum an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits bestehen Formen <strong><strong>de</strong>r</strong> Koope<strong>ra</strong>tion zwischen Staat und<br />

Kirche trotz grundsätzlicher Trennung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtskreise. Insgesamt kann<br />

rechtsvergleichend eine Entflechtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat-Kirche-Beziehungen festgestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

3. Der Kernbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> über Art. 140 GG inkorporierten religionsrechtlichen Vorschriften<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> WRV wird nur insoweit durch Art. 79 Abs. 3 GG gewährleistet, als <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Rechtspositionen zugleich auch in Art. 4 GG enthalten sind. Ein gemeinschaftsrechtlicher<br />

Rechtsakt, durch welchen eine religionsrechtliche Materie geregelt wird, wäre in<br />

Deutschland unanwendbar, soweit für diesen entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> gar kein Kompetenztitel besteht<br />

(ult<strong>ra</strong> vires-Rechtsakt) o<strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 4 GG in seinem Wesensgehalt beeinträchtigt wür<strong>de</strong>.<br />

4. <strong>Das</strong> <strong>Religionsrecht</strong> stellt eine typische Querschnittsmaterie dar und weist somit vielfach<br />

Berührungspunkte zu Materien auf, in <strong>de</strong>nen die Gemeinschaft Regelungskompetenzen<br />

innehat, wobei diese funktional zu verstehen sind.<br />

5. Obwohl die Kirchenerklärung als gemeinsame Erklärung ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, kann sie<br />

nicht zum verbindlichen pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrecht gerechnet wer<strong>de</strong>n. Durch die<br />

Erklärung wur<strong>de</strong>n keine neuen Rechte auf Gemeinschaftsebene verliehen, die Chance<br />

einer „Fortschreibung“ bisheriger Rechtspositionen nicht genutzt.<br />

6. Aus Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV kann eine Bindung <strong>de</strong>s EuGH an <strong>de</strong>n konkreten<br />

Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> materiellen EMRK-Vorschriften ebensowenig gefolgert wer<strong>de</strong>n, wie an die<br />

Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR. Um für die Mitgliedstaaten Kollisionen<br />

zwischen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen und solchen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />

auszuschließen, ist jedoch eine strikte Orientierung <strong>de</strong>s EuGH an <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR geboten.<br />

7. Dem Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK zufolge wer<strong>de</strong>n lediglich verschie<strong>de</strong>ne Arten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

individuellen Religionsfreiheit geschützt. Die Rechtsprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR anerkennt<br />

jedoch auch eine Aktivlegit<strong>im</strong>ation von Kirchen und Religionsgemeinschaften, soweit


452<br />

diese als Repräsentanten ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> auftreten und die Verletzung von Rechten ihrer<br />

Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> geltend machen. Kirchliche Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> können sich nicht auf einen<br />

erweiterten Ten<strong>de</strong>nzschutz aus Art. 9 EMRK stützen.<br />

8. Unter Zugrun<strong>de</strong>legung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />

müssen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts je<strong>de</strong>nfalls ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus<br />

Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Glaubens sowie die individuelle und kollektive<br />

Religionsfreiheit anerkannt wer<strong>de</strong>n.<br />

9. Grundrechtsträger <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit sind neben Individuen<br />

und juristischen Personen <strong>de</strong>s Privatrechts grundsätzlich auch Drittstaatsangehörige<br />

sowie Kirchenkörperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts.<br />

10. Obwohl das „gemeinsame kulturelle Erbe“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten gemäß Art. 151<br />

(ex-Art. 128) Abs. 1 EGV zu weiten Teilen auf religiös motiviertem Han<strong>de</strong>ln beruht,<br />

kann das <strong>Religionsrecht</strong> selbst nur als aliud zur Kulturkompetenz <strong>de</strong>s Art. 151 (ex-Art.<br />

128) EGV angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

11. Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Konkretisierung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips durch das Subsidiaritätsprotokoll<br />

bestehen aufgrund <strong>de</strong>s weiten Beurteilungsspiel<strong>ra</strong>ums <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane<br />

Be<strong>de</strong>nken an <strong><strong>de</strong>r</strong> Effizienz <strong>de</strong>s Prinzips.<br />

12. Konkordate können sog. Altverträge i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV darstellen.<br />

Kirchenverträge mit <strong>de</strong>n Evangelischen Lan<strong>de</strong>skirchen sind mangels Völkerrechtsfähigkeit<br />

letzterer nicht unter Art. 307 (ex-Art. 234) EGV zu subsumieren.<br />

13. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausstattung mit beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechten müssen die öffentlich-rechtlichen<br />

Kirchenkörperschaften in Deutschland gemeinschaftsrechtlich als Teil <strong>de</strong>s Mitgliedstaats<br />

ansehen wer<strong>de</strong>n.<br />

14. Unter <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff fallen auch kirchliche<br />

Mitarbeiter, soweit sie nicht ehrenamtlich tätig sind. Hinsichtlich <strong>de</strong>s<br />

Gleichbehandlungsgrundsatzes ist in innerkirchlichen Angelegenheiten das<br />

Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften zu beachten.<br />

15. Der Entwurf eines auf die Vorstellungen <strong><strong>de</strong>r</strong> „économie sociale“ zurückgehen<strong>de</strong>n Statuts<br />

<strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Vereins kann zur Aushöhlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinnützigkeit führen.


453<br />

16. Zukunft i.R.d. verschie<strong>de</strong>nen europäischen Kirchenfinanzierungsmo<strong>de</strong>lle haben eine<br />

Finanzierung über Gemein<strong>de</strong>beträge und Spen<strong>de</strong>n sowie ein System <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuererhebung,<br />

wobei die Kultussteuer <strong>de</strong>m Freiwilligkeitsaspekt besser Rechnung trägt, als die KiSt und<br />

zu<strong>de</strong>m unnötige Konflikte mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit An<strong><strong>de</strong>r</strong>sgläubiger vermei<strong>de</strong>t.<br />

17. Im Hinblick auf das <strong>Religionsrecht</strong> ist nicht nur <strong><strong>de</strong>r</strong> 35. Erwägungsgrund, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> 34. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG von Be<strong>de</strong>utung. Hiernach sind für Ausnahmebest<strong>im</strong>mungen<br />

vom Datenschutz beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ga<strong>ra</strong>ntien zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte,<br />

insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e für Angehörige von Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitsreligionen, zu gewähren.<br />

18. Der Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „staatlichen Beihilfen“ i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) EGV ist weit<br />

auszulegen und umfaßt auch die Leistungen an freie Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege und<br />

Kirchen.<br />

19. Ein erster Schritt in Richtung eines europäischen Sonntagsschutzes hätte die Best<strong>im</strong>mung<br />

<strong>de</strong>s Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG sein können, die jedoch vom EuGH aufgehoben wur<strong>de</strong>.<br />

Nationale Sonntagsverkaufsverbote sind seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Keck-Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH als<br />

Ausnahme vom Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Warenverkehrsfreiheit anerkannt.<br />

20. Über Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV ist rechtsvergleichend ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>s Kultus und <strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen<br />

innerkirchlichen Angelegenheiten – <strong>im</strong> Gegensatz zum allgemeinen Dienst- und Arbeitsrecht<br />

– anzuerkennen.<br />

21. Die Schaffung eines einheitlichen Status für Kirchen und Religionsgemeinschaften auf<br />

Gemeinschaftsebene dient <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwirklichung <strong>de</strong>s Gleichheitssatzes, wobei die<br />

Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen hie<strong>ra</strong>n nicht übermäßig hoch gesteckt wer<strong>de</strong>n dürfen.


454<br />

Résumé<br />

«<br />

1. Il se<strong>ra</strong>it opportun d’opter en faveur <strong>de</strong> l’application <strong>de</strong> la notion <strong>de</strong>s «droits <strong>de</strong>s religions» à<br />

la place <strong>de</strong> la notion <strong>de</strong> «droit ecclésiastique soutenu par l’Etat» („Staatskirchenrecht“) à<br />

l’ensemble <strong>de</strong>s normes nationales et sup<strong>ra</strong>nationales régissant les intérêts religieux.<br />

2. Les droits <strong>de</strong>s religions ne connaîssent pas le même t<strong>ra</strong>itement dans les différents Etatsmembres:<br />

A côté <strong>de</strong> <strong>de</strong>ux positions extrêmes, l’une en faveur d’une stricte sépa<strong>ra</strong>tion entre<br />

l’Etat et l’Eglise et l’autre en faveur d’un système conçu sur la religion d’Etat, il existe <strong>de</strong>s<br />

formes <strong>de</strong> coopé<strong>ra</strong>tion entre l’Etat et l’Eglise malgré une sépa<strong>ra</strong>tion <strong>de</strong> principe entre les<br />

<strong>de</strong>ux entités <strong>de</strong> droit. En compa<strong>ra</strong>nt les différents systèmes <strong>de</strong> droit, on constate, dans<br />

l’ensemble, une certaine tendance à la sépa<strong>ra</strong>tion dans les relations Etat-Eglise.<br />

3. Le principal champ d’application <strong>de</strong>s dispositions <strong>de</strong> la Constitution <strong>de</strong> We<strong>im</strong>ar relatives<br />

aux droits <strong>de</strong>s religions et qui sont incorporées dans l’Article 140 <strong>de</strong> la Loi Fondamentale,<br />

ne jouit <strong>de</strong> la couverture <strong>de</strong> l’Article 79, alinéa 3 <strong>de</strong> la Loi Fondamentale que dans la<br />

mesure où ses positions juridiques sont également contenues dans l’Article 4 <strong>de</strong> la Loi<br />

Fondamentale. Un acte juridique en matière <strong>de</strong>s droits <strong>de</strong>s religions à l’échelle<br />

communautaire se<strong>ra</strong>it inapplicable en Allemagne, soit parce qu’il manque une justification<br />

<strong>de</strong> compétence à ce effet (acte ult<strong>ra</strong> vires) soit parce qu’il porte<strong>ra</strong>it atteinte à la substancemême<br />

<strong>de</strong> l’Article 4 <strong>de</strong> la Loi Fondamentale.<br />

4. Les droits <strong>de</strong>s religions constituent un cadre géné<strong>ra</strong>l multidisciplinaire et, en cette qualité, il<br />

couvre d’autres b<strong>ra</strong>nches <strong>de</strong> droit relevant <strong>de</strong> la compétence <strong>de</strong> la Communauté, tout au<br />

moins sur un plan purement fonctionnel.<br />

5. Bien que la décla<strong>ra</strong>tion sur l’Eglise ait été adoptée communément, elle ne sau<strong>ra</strong>it toutefois<br />

s’<strong>im</strong>poser <strong>de</strong> en tant que droit communautaire pr<strong>im</strong>aire. La décla<strong>ra</strong>tion n'a pas en effet<br />

engendré <strong>de</strong> nouveaux droits à l’échelle communautaire et l’occasion qu’elle a offerte <strong>de</strong><br />

procé<strong><strong>de</strong>r</strong> à une «réévaluation» <strong>de</strong>s positions juridiques existantes jusque-là n’a pas été<br />

saisie.<br />

6. Par référence à l’Article 6 (ancien Article F), alinéa 2 du T<strong>ra</strong>ité <strong>de</strong> l’<strong>Union</strong> européenne, on<br />

ne sau<strong>ra</strong>it conclure à une obligation <strong>de</strong> la Cour <strong>de</strong> Justice <strong>de</strong>s Communautés Européennes<br />

<strong>de</strong> se conformer à la lettre aux dispositions <strong>de</strong> la Convention Européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong><br />

l’Homme et encore moins d’exiger d’elle une interprétation <strong>de</strong> la dite Convention. En vue,<br />

cependant, d’éviter aux Etats-membres <strong>de</strong>s conflits entre leurs obligations au titre du droit<br />

communautaire et celles issues <strong>de</strong> la Convention Européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme, il<br />

se<strong>ra</strong>it recommandable que la Cour <strong>de</strong> Justice <strong>de</strong>s Communautés Européennes fasse


455<br />

strictement sienne l’interprétation que fait la Cour européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme <strong>de</strong> la<br />

Convention Européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme.<br />

7. Aux termes <strong>de</strong> l’Article 9 <strong>de</strong> la Convention Européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme, seules<br />

quelques cas relatifs à la liberté religieuse individuelle peuvent bénéficier <strong>de</strong> la protection<br />

légale. La jurispru<strong>de</strong>nce <strong>de</strong> la Commission Européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme reconnait<br />

cependant une habilitation d’agir aux églises et communautés religieuses, pour autant que<br />

celles-ci aient qualité <strong>de</strong> représenter leurs adhérents et qu’elles fassent valoir <strong>de</strong>s atteintes<br />

aux droits <strong>de</strong> ces <strong><strong>de</strong>r</strong>niers. Les organismes ecclésiastiques <strong>de</strong> bienfaisance ne peuvent<br />

prétendre à l’extension <strong>de</strong> la protection juridique en leur faveur en vertu <strong>de</strong> l’Article 9 <strong>de</strong> la<br />

Convention Européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme.<br />

8. Par référence aux dispositions constitutionnelles communes <strong>de</strong>s Etats-membres, il<br />

<strong>im</strong>porte<strong>ra</strong>it en tout cas <strong>de</strong> reconnaître dans le cadre du droit communautaire l’interdiction <strong>de</strong><br />

toute discr<strong>im</strong>ination pour cause <strong>de</strong> religion ou <strong>de</strong> confession ainsi que la liberté religieuse,<br />

individuelle et collective.<br />

9. Les titulaires du droit fondamental que constitue la liberté religieuse dans la cadre du droit<br />

communautaire sont, en principe, les personnes physiques et les personnes juridiques <strong>de</strong><br />

droit privé ainsi que les ressortissants d’Etats tiers et les corpo<strong>ra</strong>tions ecclésiastiques <strong>de</strong><br />

droit public.<br />

10. Bien que «l’héritage culturel commun» <strong>de</strong>s Etats-membres repose, en vertu <strong>de</strong> l’Article 151<br />

(ancien Article 128), alinéa 1 du T<strong>ra</strong>ité <strong>de</strong> la Communauté Economique Européenne, en<br />

g<strong>ra</strong>n<strong>de</strong> partie sur <strong>de</strong>s motivations religieuses incontestables, les droits <strong>de</strong>s religions ne peut<br />

être considéré que comme aliud par <strong>ra</strong>pport au champ <strong>de</strong> compétence culturelle prévu à<br />

l’Article 151 (ancien Article 128) du T<strong>ra</strong>ité <strong>de</strong> la Communauté Economique Européenne.<br />

11. Malgré la concrétisation du principe <strong>de</strong> subsidiarité par le biais du Protocole sur la<br />

subsidiarité, il subsiste encore <strong>de</strong>s doutes quant à l’efficience <strong>de</strong> ce principe en <strong>ra</strong>ison du<br />

large champ d’interprétation laissé aux organes <strong>de</strong> la Communauté.<br />

12. Les concordats sont à considérer comme les «anciens t<strong>ra</strong>ités» au sens <strong>de</strong> l’Article 307<br />

(ancien Article 234), alinéa 1 du T<strong>ra</strong>ité <strong>de</strong> la Communauté Economique Européenne. Les<br />

conventions conclues avec les églises protestantes à l’échelle <strong>de</strong>s Laen<strong><strong>de</strong>r</strong> ne peuvent être<br />

soumises à l’Article 307 (ancien Article 234) du T<strong>ra</strong>ité <strong>de</strong> la Communauté Economique<br />

Européenne et ce, pour manque <strong>de</strong> capacité juridique <strong>de</strong> droit international.


456<br />

13. Dotés <strong>de</strong> droits particuliers, les corpo<strong>ra</strong>tions ecclésiastiques <strong>de</strong> droit public en Allemagne<br />

doivent être considérées, en vertu du droit communautaire, comme faisant partie intég<strong>ra</strong>nte<br />

<strong>de</strong> l’Etat-membre.<br />

14. La notion d’employé au sens du droit communautaire s’applique également aux employés<br />

<strong>de</strong> l’Eglise pour autant qu’ils n'interviennent pas à titre bénévole. En vertu du principe <strong>de</strong><br />

l’égalité <strong>de</strong> t<strong>ra</strong>itement, il y a lieu <strong>de</strong> respecter le droit d’autodétermination <strong>de</strong>s églises et <strong>de</strong>s<br />

communautés religieuses pour ce qui est <strong>de</strong> la gestion <strong>de</strong> leurs affaires intérieures.<br />

15. Le projet <strong>de</strong> statuts <strong>de</strong> l’Association Européenne selon les projections d’une «économie<br />

sociale» peut, à terme, vi<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong> son sens le principe <strong>de</strong> l’intérêt public.<br />

16. Dans le cadre <strong>de</strong>s différents modèles européens <strong>de</strong> financement <strong>de</strong>s églises, le financement<br />

se fe<strong>ra</strong> à l’avenir au moyen <strong>de</strong> re<strong>de</strong>vances paroissiennes et <strong>de</strong> dons ainsi que par un système<br />

d’<strong>im</strong>position, étant entendu que l’<strong>im</strong>pôt cultuel tient plus compte du ca<strong>ra</strong>ctère volontaire <strong>de</strong><br />

son paiement que l’<strong>im</strong>pôt ecclésiastique et permet en outre d’éviter les inutiles conflits avec<br />

la liberté religieuse d’autres personnes <strong>de</strong> confession différente.<br />

17. Il y a lieu <strong>de</strong> souligner que le 35ème considé<strong>ra</strong>nt <strong>de</strong> la directive 95/46/CE n'est pas le seul à<br />

présenter <strong>de</strong> l’<strong>im</strong>portance pour les droits <strong>de</strong>s religions, mais aussi le 34ème considé<strong>ra</strong>nt. A<br />

cet égard, il <strong>im</strong>porte<strong>ra</strong>it <strong>de</strong> prévoir en faveur <strong>de</strong>s dispositions dérogatoires <strong>de</strong>s ga<strong>ra</strong>nties<br />

particulières pour protéger les droits fondamentaux, notamment <strong>de</strong>s membres appartenant à<br />

<strong>de</strong>s minorités religieuses, contre l’usage abusif <strong>de</strong>s informations t<strong>ra</strong>itées par ordinateur.<br />

18. La notion d’«ai<strong>de</strong>s étatiques» au sens <strong>de</strong> l’Article 87 (ancien Article 92) du T<strong>ra</strong>ité <strong>de</strong> la<br />

Comunauté Economique Européenne <strong>de</strong>v<strong>ra</strong>it connaître une interprétation plus extensive<br />

pour couvrir également les prestations au profit <strong>de</strong>s oeuvres <strong>de</strong> bienfaisance et <strong>de</strong>s églises.<br />

19. L’Article 5 <strong>de</strong> la directive 93/104/CE au<strong>ra</strong>it pu constituer un premier pas en direction d’une<br />

protection européenne du d<strong>im</strong>anche, mais celui-ci a été annulée par la Cour <strong>de</strong> Justice <strong>de</strong>s<br />

Communautés Européennes. Les interdictions à l’échelle nationale <strong>de</strong>s ventes les d<strong>im</strong>anche<br />

doivent être considérées, <strong>de</strong>puis l’arrêt Keck <strong>de</strong> la Cour européenne <strong>de</strong> justice, comme<br />

dérogeant au champ d’application <strong>de</strong> la liberté <strong>de</strong> vente <strong>de</strong> produits.<br />

20. Sur la base d’une étu<strong>de</strong> comparée <strong>de</strong>s droits, il est reconnu, en vertu <strong>de</strong> l’Article 6 (ancien<br />

Article F), alinéa 2 du T<strong>ra</strong>ité <strong>de</strong> l’<strong>Union</strong> européenne, aux églises et aux communautés<br />

religieuses une autonomie <strong>de</strong> gestion en matière <strong>de</strong> culte et d’affaires intérieures, à l’opposé<br />

<strong>de</strong>s règles géné<strong>ra</strong>les du droit du t<strong>ra</strong>vail et <strong>de</strong>s prestations <strong>de</strong> services.


457<br />

21. La réalisation d’un statut unique commun à l’échelle <strong>de</strong> la Communauté pour l’ensemble<br />

<strong>de</strong>s églises et <strong>de</strong>s communautés religieuses va dans le sens <strong>de</strong> la concrétisation du principe<br />

<strong>de</strong> l’égalité, pour autant que l’on ne formule pas à cet effet <strong>de</strong>s exigences démesurées.


458<br />

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<strong>ra</strong>pport à l’<strong>Union</strong> Européenne – Fin ou renouvellement <strong>de</strong> l’Ère<br />

Constantinienne – Quelles sont les options pour l’avenir?<br />

Zusammengefaßtes unveröffentlichtes Refe<strong>ra</strong>t, gehalten auf <strong>de</strong>m Symposium unter<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Schirmherrschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Universitäten von Löwen (Belgien) und<br />

Tübingen (Deutschland) in Zusammenarbeit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

Ökumenischen Kommission für Kirche und Gesellschaft, Brüssel und <strong><strong>de</strong>r</strong>


465<br />

Bischofskonferenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft (COMECE),<br />

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auch <strong>im</strong> Blick auf die Europäische <strong>Union</strong> – Eine evangelische Selbsteinschätzung.<br />

Zusammengefaßtes unveröffentlichtes Refe<strong>ra</strong>t, gehalten auf<br />

<strong>de</strong>m Symposium unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Schirmherrschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Universitäten von Löwen<br />

(Belgien) und Tübingen (Deutschland) in Zusammenarbeit mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Europäischen</strong> Ökumenischen Kommission für Kirche und Gesellschaft,<br />

Brüssel und <strong><strong>de</strong>r</strong> Bischofskonferenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft<br />

(COMECE), Brüssel unter <strong>de</strong>m Thema: „Die Kirchen, Religionen<br />

und die Europäische <strong>Union</strong> – Gedanken über die künftigen Beziehungen“<br />

vom 7./8. März 1997 in Löwen.<br />

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Szczekalla, Peter: Anmerkung zum Urteil <strong>de</strong>s EuGH, Rs. C-249/96 (Lisa<br />

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506<br />

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<strong><strong>de</strong>r</strong> Schirmherrschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Universitäten von Löwen (Belgien) und<br />

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Ökumenischen Kommission für Kirche und Gesellschaft, Brüssel und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bischofskonferenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft (COMECE),<br />

Brüssel unter <strong>de</strong>m Thema: „Die Kirchen, Religionen und die Europäische<br />

<strong>Union</strong> – Gedanken über die künftigen Beziehungen“ vom 7./8. März<br />

1997 in Löwen.<br />

Torfs, Rik: Staat und Kirche in Belgien, in: Gerhard Robbers (Hrsg.), Staat und<br />

Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995, S. 15 – 38.<br />

Torfs, Rik: Which relationships between churches and the European <strong>Union</strong>? in:<br />

Hans-Joach<strong>im</strong> Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/Heidrun Tempel/Rik Torfs (Hrsg.), Which<br />

relationships between churches and the European <strong>Union</strong>? – Quelles relations<br />

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T<strong>ra</strong>utwein, Thomas: Zur Rechtsprechungskompetenz <strong>de</strong>s BVerfG auf <strong>de</strong>m<br />

Gebiet <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrechts, JuS 1997, S. 893 – 897.<br />

Tretter, Hannes: Die Menschenrechte <strong>im</strong> Abschließen<strong>de</strong>n Dokument <strong>de</strong>s Wiener<br />

KSZE-Folgetreffens vom 15. Januar 1989, EuGRZ 1989, S. 79 – 85.<br />

Trute, Hans-Heinrich: <strong>Das</strong> Schächten von Tieren <strong>im</strong> Spannungsfeld von Tierschutz<br />

und Religionsausübungsfreiheit – BVerwG – NVwZ 1996, 61 ff –,<br />

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Tsourouflis, Andreas: Die Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperschaftsteuer in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />

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Paris – Wien 1997.<br />

Turowski, Leopold: Staatskirchenrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>? – Überlegungen<br />

zu einer nicht nur für die Kirchen wichtigen Diskussion, KuR<br />

140, S. 1 – 12 (1/95, S. 13 ff.).<br />

Turowski, Leopold: Staatskirchenrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>? – Überlegungen<br />

zu einer nicht nur für die Kirchen wichtigen Diskussion (Teil 2),<br />

KuR 140, S. 13 – 26 (3/95, S. 13 ff.).<br />

Turowski, Leopold: Verbindungsstellen zwischen Staat und Kirchen <strong>im</strong> Bereich<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche, in: Joseph Listl/Dietrich Pirson (Hrsg.), Handbuch<br />

<strong>de</strong>s Staatskirchenrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Zweiter<br />

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Ukrow, Jörg: Die Fortentwicklung <strong>de</strong>s Rechts <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> durch<br />

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507<br />

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and state in Europe – state financial support – religion and the school,<br />

Milano 1992.<br />

Vachek, Marcel: <strong>Das</strong> „Koope<strong>ra</strong>tionsverhältnis“ <strong>im</strong> Bananenstreit – Eine Anmerkung<br />

zum Vorlagebeschluß <strong>de</strong>s Verwaltungsgerichts F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. vom<br />

24.10.1996 an das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht, ZfRV 1997, S. 136 – 152.<br />

Vachek, Marcel: Fallbeispiele zur Anwendung <strong>de</strong>s EuGVÜ <strong>im</strong> Unternehmensbereich,<br />

WiB 1997, S. 54 – 56; 110 – 112; 159 – 160; 220 – 223.<br />

Vachek, Marcel: Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>uenför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

durch Quotenregelungen? – EuGH NJW 1995, 3109, JuS 1997,<br />

S. 410 – 414.<br />

Ved<strong><strong>de</strong>r</strong>, Christoph: Die „verfassungsrechtliche D<strong>im</strong>ension“ – die bisher unbekannte<br />

Grenze für Gemeinschaftshan<strong>de</strong>ln? – Anmerkung zum Gutachten<br />

2/94, EMRK, <strong>de</strong>s EuGH, EuR 1996, S. 309 – 319.<br />

Voigt, Karl Heinz: „Religionsartikel“ für die EU: Fortschreiben statt Festschreiben,<br />

MD 1996, S. 109 – 110.<br />

Wachsmann, Patrick: L’avis 2/94 <strong>de</strong> la Cour <strong>de</strong> justice relatif à l’adhésion <strong>de</strong> la<br />

Communauté européenne à la Convention <strong>de</strong> sauvegar<strong>de</strong> <strong>de</strong>s droits <strong>de</strong><br />

l’homme et <strong>de</strong>s libertés fondamentales, Revue 1996, S. 467 – 491.<br />

Wägenbaur, Rolf: Auf <strong>de</strong>m Wege zur Bildungs- und Kulturgemeinschaft, in:<br />

Albrecht Ran<strong>de</strong>lzhofer/Rupert Scholz/Dieter Wilke (Hrsg.), Gedächtnisschrift<br />

für Eberhard G<strong>ra</strong>bitz, München 1995, S. 851 – 865.<br />

Walf, Knut: Staat und Kirche in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n, in: Richard Puza/Ab<strong>ra</strong>ham<br />

Peter Kustermann (Hrsg.), Staatliches <strong>Religionsrecht</strong> <strong>im</strong> europäischen<br />

Vergleich, Freiburg (Schweiz) 1993, S. 85 – 98.<br />

Weber, Hermann: Die rechtliche Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> christlichen Kirchen <strong>im</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen<br />

<strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen Staat – Staatskirchenrechtliche Aspekte, ZevKR (36)<br />

1991, S. 253 – 275.<br />

Weber, Hermann: Rechtsschutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen durch staatliche Gerichte, in:<br />

Joseph Listl/Dietrich Pirson (Hrsg.), Handbuch <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Zweiter Bd., 2. Aufl., Berlin 1995, § 72<br />

= S. 1047 – 1080.<br />

Weerth <strong>de</strong>, Jan: EG-Recht und direkte Steuern – Jahresübersicht 1996, RIW<br />

1997, S. 482 – 489.


508<br />

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Gemeinschaft, Mainzer Beiträge zur <strong>Europäischen</strong> Einigung, Bd. 13,<br />

Bonn 1992.<br />

Wei<strong>de</strong>nfeld, Werner (Hrsg.): Reform <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> – Materialien zur<br />

Revision <strong>de</strong>s Maastrichter Vert<strong>ra</strong>ges 1996, Gütersloh 1995.<br />

Weiler, Rudolf/Laun, Andreas (Hrsg.): Die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehung<br />

zwischen Kirche und Staat <strong>im</strong> Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen<br />

Kultur und ihre Be<strong>de</strong>utung für die rechtliche und politische Kultur in<br />

Vergangenheit und Zukunft, Refe<strong>ra</strong>te und Diskussionsbeiträge am Forschungsgespräch<br />

vom 27. bis 30. November 1990 in Wien, Wien 1991.<br />

Weis, Hubert: Die außervert<strong>ra</strong>gliche Haftung <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG gemäß Art. 215 II<br />

EWGV, JA 1980, S. 480 – 486.<br />

Weisbrod, Christian: Europäisches Vereinsrecht – Eine rechtsvergleichen<strong>de</strong><br />

Studie, Diss., F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. – Berlin – Bern – New York – Paris – Wien<br />

1994.<br />

Wemmer, Benedikt: Die neuen Kulturklauseln <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>ges, Diss.,<br />

F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. – Berlin – Bern – New York – Paris 1996.<br />

Wetter, Irmgard: Die Grundrechtscharta <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gerichtshofs – Die<br />

Konkretisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftlichen Grundrechte durch die Rechtsprechung<br />

<strong>de</strong>s EuGH zu <strong>de</strong>n allgemeinen Rechtsgrundsätzen, Diss.,<br />

F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. – Berlin – Bern – New York – Paris 1998.<br />

Wieland, Joach<strong>im</strong>: Die verfassungsrechtliche Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen als Arbeitgeber,<br />

DB 1987, S. 1633 – 1638.<br />

Wilhelm, Walter (Hrsg.), Studien zur <strong>Europäischen</strong> Rechtsgeschichte, FS für<br />

Helmut Coing, F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. 1972.<br />

Winkelmann, Ingo: Die Bun<strong>de</strong>sregierung als Sachwalter von Län<strong><strong>de</strong>r</strong>rechten –<br />

Zugleich Anmerkung zum EG-Fernsehrichtlinien-Urteil <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts,<br />

DÖV 1996, S. 1 – 11.<br />

Wörterbuch <strong>de</strong>s Kirchenrechts für Studium und P<strong>ra</strong>xis, Kleines: hrsg. von Horst<br />

Herrmann, Freiburg – Basel – Wien 1972.<br />

Worzalla, Michael: Die Haftung <strong>de</strong>s Arbeitgebers wegen geschlechtsspezifischer<br />

Diskr<strong>im</strong>inierung bei Einstellung nach <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen<br />

Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH, NJW 1997, S. 1809 – 1812.<br />

Yücelen, Yüksel: Was sagt <strong><strong>de</strong>r</strong> Ko<strong>ra</strong>n dazu? – Die Lehren und Gebote <strong>de</strong>s<br />

Heiligen Buches, 2. Aufl., München 1988.


509<br />

Zippelius, Reinhold: Staat und Kirche – Eine Geschichte von <strong><strong>de</strong>r</strong> Antike bis zur<br />

Gegenwart, München 1997.<br />

Zuck, Rüdiger/Lenz, Christopher: Verfassungsrechtlicher Rechtsschutz gegen<br />

Europa – Prozessuale Möglichkeiten vor <strong>de</strong>n Fachgerichten und <strong>de</strong>m<br />

BVerfG gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft, NJW 1997,<br />

S. 1193 – 1200.<br />

Zuck, Rüdiger: Scientology – na und ?, NJW 1997, S. 697 – 699.<br />

Zuleeg, Manfred: Bananen und Grundrechte – Anlaß zum Konflikt zwischen<br />

europäischer und <strong>de</strong>utscher Gerichtsbarkeit, NJW 1997, S. 1201 – 1207.<br />

Zuleeg, Manfred: Die Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Gerichtsbarkeit und <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen<br />

Lehre zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht und<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s Gerichtshofs <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften,<br />

in: Julia Iliopoulos-St<strong>ra</strong>ngas (Hrsg.), Grundrechtsschutz <strong>im</strong><br />

europäischen Raum – Refe<strong>ra</strong>te <strong>de</strong>s internationalen Seminars <strong><strong>de</strong>r</strong> Ma<strong>ra</strong>ngopoulos<br />

Stiftung für Menschenrechte, Athen vom 14. Januar bis<br />

12. Februar 1991, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1993, S. 231 – 247.<br />

Zuleeg, Manfred: Die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> rechtsprechen<strong>de</strong>n Gewalt in <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen<br />

Integ<strong>ra</strong>tion, JZ 1994, S. 1 – 8.<br />

Zulehner, Paul Michael: Eröffnungsrefe<strong>ra</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> Tagung „Europa ohne Kirchen“<br />

in Bad Griesbach, in: Martin Riedlaicher, Europa b<strong>ra</strong>ucht Kirchen auch<br />

nach <strong>de</strong>m Jahr 2000, PNP Nr. 258 vom 8.11.1996, S. 8.

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