Das Religionsrecht der Europäischen Union im ... - ra-arzthaftung.de
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<strong>Das</strong> <strong>Religionsrecht</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong><br />
<strong>im</strong> Spannungsfeld<br />
zwischen mitgliedstaatlichen Kompetenzreservaten<br />
und Art. 9 EMRK<br />
Dissertation zur Erlangung <strong>de</strong>s aka<strong>de</strong>mischen G<strong>ra</strong><strong>de</strong>s<br />
eines Doktors <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtswissenschaft<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Juristischen Fakultät<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Passau<br />
vorgelegt von:<br />
Rechtsanwalt Marcel Vachek<br />
eingereicht bei:<br />
Prof. Dr. Michael Schweitzer<br />
Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht,<br />
Völkerrecht und Europarecht
Für Anja
„<strong>Das</strong> Irdische und das, was am konkreten Menschen diese Welt übersteigt, sind miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
eng verbun<strong>de</strong>n, und die Kirche selbst bedient sich <strong>de</strong>s Zeitlichen, soweit es ihre Sendung<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Doch setzt sie ihre Hoffnung nicht auf Privilegien, die ihr von <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen<br />
Autorität angeboten wer<strong>de</strong>n. Sie wird sogar auf die Ausübung von legit<strong>im</strong> erworbenen<br />
Rechten verzichten, wenn feststeht, daß durch <strong><strong>de</strong>r</strong>en Inanspruchnahme die Lauterkeit ihres<br />
Zeugnisses in F<strong>ra</strong>ge gestellt ist o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te Lebensverhältnisse eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Regelung for<strong><strong>de</strong>r</strong>n.“<br />
Auszug aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Pasto<strong>ra</strong>lkonstitution gaudium et spes vom 7. Dezember 1965, abgedruckt bei<br />
Rahner/Vorgr<strong>im</strong>ler, Kleines Konzilskompendium – Sämtliche Texte <strong>de</strong>s Zweiten<br />
Vatikanums, 23. Aufl. 1991, Freiburg <strong>im</strong> Breisgau 1966, S. 449 ff., 535.<br />
„Ve<strong>ra</strong> autem iustitia non est nisi in ea re publica, cuius conditor rectorque Christus est“.<br />
(Aurelius Augustinus (354 – 430), De civitate Dei, Vol. I, Liber II, Caput XXI.)
Vorwort<br />
Die vorliegen<strong>de</strong> Arbeit wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> September 1999 abgeschlossen und <strong>im</strong> Wintersemester<br />
1999/2000 von <strong><strong>de</strong>r</strong> Juristischen Fakultät <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Passau als Dissertation angenommen.<br />
Aktuelle Entwicklungen in Rechtsprechung, Lite<strong>ra</strong>tur und Gesellschaft konnten bis Februar<br />
2000 berücksichtigt wer<strong>de</strong>n.<br />
Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Michael Schweitzer, <strong><strong>de</strong>r</strong> mich<br />
während <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausarbeitung mit wertvollen Ratschlägen unterstützt und dazu ermutigt hat,<br />
einen eigenen inhaltlichen Standpunkt zu vertreten. Die zweieinhalbjährige Tätigkeit als<br />
wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl habe ich als wertvoll und<br />
horizonterweiternd erlebt. Herrn Privatdozent Dr. Werner Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, LL.M. danke ich für die<br />
zügige Erstellung <strong>de</strong>s Zweitgutachtens und Herrn Prof. Dr. Herbert Bethge für die Aufnahme<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Dissertation in die von ihm he<strong>ra</strong>usgegebene Reihe „Studien und Materialien zum<br />
Öffentlichen Recht“.<br />
Ich danke meinen ehemaligen Lehrstuhlkollegen für ihre Kommentare zu einzelnen<br />
F<strong>ra</strong>gestellungen, allen vo<strong>ra</strong>n Herrn Dr. Michael F<strong>ra</strong>as für <strong>de</strong>n Impuls in bezug auf die<br />
Themenwahl. Weiter danke ich <strong>de</strong>n Lektoren <strong>de</strong>s Sp<strong>ra</strong>chenzentrums <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Passau,<br />
Herrn Dr. Brian Fell und Herrn Ab<strong>de</strong>lhak Me<strong>ra</strong>bet, für ihre Übersetzungstätigkeit. F<strong>ra</strong>u<br />
Andrea Herbst bin ich zu beson<strong><strong>de</strong>r</strong>em Dank dafür verpflichtet, daß sie die große Mühe <strong>de</strong>s<br />
Korrekturlesens auf sich genommen hat. Außer<strong>de</strong>m danke ich <strong><strong>de</strong>r</strong> Kanzlei Wolter und Partner<br />
GbR für die Möglichkeit mehrfachen Ausdrucks <strong>de</strong>s langen Manuskripts.<br />
Meinen Eltern bin ich für ihre langjährige – nicht nur materielle – För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung dankbar. Der<br />
größte Dank gebührt meiner F<strong>ra</strong>u Anja, die mir in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrfachbelastung von<br />
Dissertation, Berufseinstieg und ehrenamtlicher Kirchengemein<strong>de</strong>arbeit stets zur Seite stand,<br />
mir <strong>de</strong>n nötigen Frei<strong>ra</strong>um verschafft und mich <strong>im</strong>mer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> liebevoll motiviert hat. Sie und<br />
unsere bei<strong>de</strong>n Töchter Lisa und Jana Nadine gaben mir bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit Rückhalt und erinnerten<br />
mich <strong>im</strong>mer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> an die wirklich wichtigen Dinge <strong>im</strong> Leben.<br />
Die Arbeit wur<strong>de</strong> freundlicherweise durch einen Druckkostenzuschuß <strong>de</strong>s Auswärtigen Amtes<br />
geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />
Passau, <strong>im</strong> Mai 2000 Marcel Vachek
Anmerkung zur Online-Version <strong>de</strong>s Autors:<br />
Die Arbeit wur<strong>de</strong> vom Erst- und Zweitkorrektor jeweils mit „summa cum lau<strong>de</strong>“ bewertet.<br />
Nach<strong>de</strong>m die 1. Druckauflage <strong>de</strong>s 2000 veröffentlichen Werkes (ISBN 3-631-36380-X)<br />
komplett verkauft wur<strong>de</strong> und keine Neuauflage in Sicht ist, wur<strong>de</strong> mir vom Verlag Peter Lang<br />
– Europäischer Verlag <strong><strong>de</strong>r</strong> Wissenschaften – gestattet, die Veröffentlichungsrechte selbständig<br />
wahrzunehmen.<br />
Es wird ausdrücklich da<strong>ra</strong>uf hingewiesen, daß die Seitenzahlen in <strong>de</strong>m hier vorliegen<strong>de</strong>n<br />
Manuskript (T<strong>im</strong>es New Roman 12 Pt) mit <strong>de</strong>m Schrifttyp <strong><strong>de</strong>r</strong> Veröffentlichung <strong>im</strong> Peter<br />
Lang Verlag (T<strong>im</strong>es New Roman 14 Pt) nicht übereinst<strong>im</strong>mt.
Inhaltsverzeichnis<br />
GLIEDERUNG ....................................................................................................................... XI<br />
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS .................................................................................. XXXIII<br />
A. EINLEITUNG ................................................................................................................... 1<br />
I. EINFÜHRUNG IN DIE THEMATIK (GEGENSTAND UND ZIEL DER UNTER-<br />
SUCHUNG) ........................................................................................................................... 6<br />
II. BEGRIFFSBESTIMMUNGEN ................................................................................................... 9<br />
1. Der Begriff <strong>de</strong>s Europarechts ..................................................................................... 9<br />
a) Europarecht <strong>im</strong> engeren und <strong>im</strong> weiteren Sinne ......................................................... 9<br />
aa) „Europarecht“ i.S.d. OSZE................................................................................. 9<br />
bb) „Europarecht“ i.S.d. Europa<strong>ra</strong>ts ....................................................................... 12<br />
b) Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> ................................................................................. 13<br />
c) Gemeinschaftsrecht und <strong>Union</strong>srecht ....................................................................... 13<br />
2. Staatskirchenrecht – <strong>Religionsrecht</strong> – Kirchenrecht ................................................ 13<br />
a) „Staatskirchenrecht“ ................................................................................................. 13<br />
aa) Kirche ............................................................................................................... 13<br />
bb) Staatskirche ...................................................................................................... 14<br />
cc) Staatskirchenrecht ............................................................................................ 15<br />
b) „<strong>Religionsrecht</strong>“ ....................................................................................................... 17<br />
aa) Religion ............................................................................................................ 17<br />
bb) <strong>Religionsrecht</strong> ................................................................................................... 17<br />
c) Kirchenrecht ............................................................................................................. 19<br />
d) Zusammenfassung .................................................................................................... 20<br />
III. DIE FORTSCHREITENDE INTEGRATION VON DER REINEN WIRTSCHAFTS-<br />
GEMEINSCHAFT HIN ZUR EUROPÄISCHEN UNION .............................................................. 20<br />
1. Ausgangspunkt: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) .............................. 20<br />
a) T<strong>ra</strong>ditionelle Schwerpunkte <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts ............................................. 20<br />
b) Erste Ansätze <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s durch die Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH................ 21<br />
2. Wandlung zur umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>................................................. 21<br />
3. Zusammenfassung .................................................................................................... 23<br />
B. GRUNDTYPEN RELIGIONSRECHTLICHER SYSTEME IN DER<br />
EUROPÄISCHEN UNION ............................................................................................ 25<br />
I. GRUNDSÄTZLICHES ............................................................................................................ 25<br />
1. Katholizismus ........................................................................................................... 26<br />
2. Protestantismus ......................................................................................................... 27<br />
3. Orthodoxie ................................................................................................................ 28<br />
4. Ju<strong>de</strong>ntum .................................................................................................................. 29
5. Islam ......................................................................................................................... 29<br />
6. Atheismus ................................................................................................................. 31<br />
II. RELIGIONSRECHTLICHE SYSTEME DER EINZELNEN MITGLIEDSTAATEN ............................. 32<br />
1. Staatskirchentum ...................................................................................................... 32<br />
a) Dänemark ................................................................................................................. 33<br />
b) Vereinigtes Königreich ............................................................................................. 33<br />
c) Griechenland ............................................................................................................ 34<br />
d) Finnland .................................................................................................................... 36<br />
e) Schwe<strong>de</strong>n.................................................................................................................. 36<br />
2. Striktes Trennungssystem ......................................................................................... 37<br />
a) F<strong>ra</strong>nkreich ................................................................................................................. 37<br />
b) Irland ........................................................................................................................ 40<br />
c) Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> .............................................................................................................. 40<br />
3. Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll ................................................................................................. 41<br />
a) Deutschland .............................................................................................................. 42<br />
aa) Neut<strong>ra</strong>lität, Parität und Tole<strong>ra</strong>nz <strong>de</strong>s Staates in konfessioneller und<br />
religiöser Hinsicht ............................................................................................ 43<br />
bb) Elemente <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbindung und Trennung ......................................................... 44<br />
cc) Gemeinsame Aufgaben (res mixtae) ................................................................ 44<br />
b) Belgien ...................................................................................................................... 45<br />
c) Luxemburg ............................................................................................................... 46<br />
d) Portugal .................................................................................................................... 46<br />
e) Österreich ................................................................................................................. 47<br />
f) Italien ........................................................................................................................ 49<br />
g) Spanien ..................................................................................................................... 50<br />
4. Korrektur dieser Einteilung ...................................................................................... 51<br />
a) Unterschie<strong>de</strong> innerhalb eines Systems ..................................................................... 51<br />
b) Unterschie<strong>de</strong> innerhalb eines Mitgliedstaats ............................................................ 51<br />
c) Ständiger Wan<strong>de</strong>l in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten ................................................................ 51<br />
d) Neue Aspekte durch Osterweiterung ........................................................................ 52<br />
e) Religionsplu<strong>ra</strong>lismus ................................................................................................ 52<br />
f) Folgerungen .............................................................................................................. 52<br />
5. Zusammenfassung .................................................................................................... 53<br />
III. EINRICHTUNGEN DER ZUSAMMENARBEIT DER KIRCHEN AUF EUROPÄ-<br />
ISCHER EBENE ................................................................................................................. 53<br />
1. Römisch-Katholische Kirche ................................................................................... 54<br />
a) Heiliger Stuhl als Völkerrechtssubjekt ..................................................................... 54<br />
b) Katholisches Sekretariat für europäische F<strong>ra</strong>gen (OCIPE) ...................................... 55<br />
c) Rat <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Bischofskonferenzen (CCEE) ............................................... 55<br />
d) Kommission <strong><strong>de</strong>r</strong> Bischofskonferenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft<br />
(ComECE) ................................................................................................................ 56<br />
e) Caritas Europa .......................................................................................................... 57<br />
f) Europäisches Komitee für katholische Erziehung (CEEC) ...................................... 57<br />
2. Evangelische Kirche ................................................................................................. 57<br />
a) Verbindungsbüro <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD ....................................................................................... 57<br />
b) Europäische Ökumenische Kommission für Kirche und Gesellschaft
(EECCS) ................................................................................................................... 57<br />
c) Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) ................................................................. 58<br />
C. GEMEINSCHAFTSRECHTLICHE VERSUS MITGLIEDSTAAT-<br />
LICHE KOMPETENZEN IN BEZUG AUF DAS RELIGIONS-<br />
RECHT............................................................................................................................. 62<br />
I. RELIGIONSRECHTLICHE ANKNÜPFUNGSPUNKTE IM PRIMÄREN UND SEKUN-<br />
DÄREN GEMEINSCHAFTSRECHT ......................................................................................... 62<br />
1. Pr<strong>im</strong>ärrecht ............................................................................................................... 63<br />
a) Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 1 EUV n.F. .......................................................................... 63<br />
b) Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV .................................................................................. 63<br />
c) Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV ...................................................................... 64<br />
d) Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung, Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 1 EGV .................. 64<br />
e) Subsidiaritätsprinzip, Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 2 EGV ............................................. 64<br />
f) Verhältnismäßigkeitsprinzip, Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 3 EGV ................................ 64<br />
g) Spezielles Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot, Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV ................................ 65<br />
h) Kultur, Art. 151 (ex-Art. 128) EGV ......................................................................... 65<br />
i) Verhältnis <strong>de</strong>s EGV zum Kirchenvert<strong>ra</strong>gsrecht, Art. 307 (ex-Art. 234)<br />
EGV .......................................................................................................................... 65<br />
j) Protokoll Nr. 33 über <strong>de</strong>n Tierschutz und das Wohlergehen <strong><strong>de</strong>r</strong> Tiere .................... 66<br />
k) Erklärung Nr. 11 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften („Kirchenerklärung“) ................. 66<br />
l) Erklärung Nr. 38 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs zu freiwilligen<br />
Diensten .................................................................................................................... 66<br />
2. <strong>Das</strong> Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung ............................................................... 67<br />
a) Grundsätzliches ........................................................................................................ 67<br />
aa) Normierungen <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht .......................................................................... 67<br />
bb) Inhalt <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung ............................................ 67<br />
cc) Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Prinzips für die Mitgliedstaaten ............................................... 68<br />
b) Art. 6 Abs. 4 (ex-Art. F Abs. 3) EUV als Kompetenz-Kompetenz? ........................ 70<br />
c) Der EuGH als rechtsfortbil<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> „Motor <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion“ ..................................... 71<br />
d) <strong>Das</strong> „Vert<strong>ra</strong>gslückenschließungsverfahren“ nach Art. 308 (ex-Art. 235)<br />
EGV) ........................................................................................................................ 74<br />
e) Anwendung <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung auf das Religions-<br />
recht .......................................................................................................................... 75<br />
f) Zusammenfassung .................................................................................................... 77<br />
3. Sekundärrecht ........................................................................................................... 78<br />
a) Beamtenstatut <strong><strong>de</strong>r</strong> EG ............................................................................................... 79<br />
b) Europäische Schulen ................................................................................................ 79<br />
c) Richtlinie 76/207/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung von Männern und F<strong>ra</strong>uen hinsichtlich <strong>de</strong>s Zugangs<br />
zur Beschäftigung, zur Berufsausbildung und zum beruflichen Aufstieg so-<br />
wie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (Gleichbehandlungsrichtlinie) ............... 80<br />
d) Sechste Richtlinie 77/388/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmoni-<br />
sierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern<br />
(Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie) .......................................................................... 80<br />
e) Siebzehnte Richtlinie 85/362/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 16. Juli 1985 zur
Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten über die<br />
Umsatzsteuern – Mehrwertsteuerbefreiung <strong><strong>de</strong>r</strong> vorübergehen<strong>de</strong>n Einfuhr<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Gegenstän<strong>de</strong> als Beför<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsmittel (Siebzehnte Mehrwertsteuer-<br />
richtlinie) .................................................................................................................. 81<br />
f) Richtlinie 89/552/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung<br />
best<strong>im</strong>mter Rechts- und Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten über<br />
die Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Fernsehtätigkeit (Fernsehrichtlinie) ............................................ 81<br />
g) Richtlinie 93/37/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge ..................................................... 81<br />
h) Richtlinie 93/104/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 23. November 1993 über best<strong>im</strong>mte<br />
Aspekte <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) ........................................ 81<br />
i) Richtlinie 93/119/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 22. Dezember 1993 über <strong>de</strong>n Schutz<br />
von Tieren zum Zeitpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlachtung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Tötung ......................................... 81<br />
j) Richtlinie 95/46/EG <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom<br />
24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>rbeitung<br />
personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutzricht-<br />
linie) ......................................................................................................................... 82<br />
k) Richtlinie 98/33/EG <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom<br />
22. Juni 1998 zur Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Artikels 12 <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 77/780/EWG <strong>de</strong>s<br />
Rates über die Aufnahme und Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kreditinstitute,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Artikel 2, 5, 6, 7 und 8 sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Anhänge II und III <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie<br />
89/647/EWG <strong>de</strong>s Rates über einen Solvabilitätskoeffizienten für Kredit-<br />
institute und <strong>de</strong>s Artikels 2 sowie <strong>de</strong>s Anhangs II <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 93/6/EWG<br />
<strong>de</strong>s Rates über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapieren<br />
und Kreditinstituten .................................................................................................. 82<br />
l) Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 <strong>de</strong>s Rates vom 20. Dezember 1985 über<br />
die Harmonisierung best<strong>im</strong>mter Sozialvorschriften <strong>im</strong> St<strong>ra</strong>ßenverkehr .................. 84<br />
m) Verordnung (EG) Nr. 1659/98 <strong>de</strong>s Rates vom 17. Juli 1998 über die<br />
<strong>de</strong>zent<strong>ra</strong>lisierte Zusammenarbeit .............................................................................. 84<br />
n) Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 15/99 vom Rat festgelegt am<br />
25. Januar 1999 <strong>im</strong> Hinblick auf <strong>de</strong>n Erlaß <strong><strong>de</strong>r</strong> Verordnung (EG) Nr. ...<br />
/1999 <strong>de</strong>s Rates vom ... zur Festlegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bedingungen für die Durch-<br />
führung von Maßnahmen auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklungszusammen-<br />
arbeit, die zu <strong>de</strong>m allgemeinen Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Fortentwicklung und Festigung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Demok<strong>ra</strong>tie und <strong>de</strong>s Rechtsstaats sowie zur Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschen-<br />
rechte und Grundfreiheiten beit<strong>ra</strong>gen ....................................................................... 85<br />
o) Gemeinsame Maßnahme vom 15. Juli 1996 vom Rat aufgrund von<br />
Art. 31 (ex-Art. K.3) Abs. 2 lit. b EUV .................................................................... 85<br />
p) Äußerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission vom 3. Oktober 1997 auf die schriftliche An-<br />
f<strong>ra</strong>ge Nr. 2680/97 von María Sornosa Martínez und Angela Sier<strong>ra</strong> González<br />
vom 1. September 1997 betreffend einen Verstoß gegen das Gleichheits-<br />
prinzip in <strong><strong>de</strong>r</strong> Aula Dei-Kartause von Sa<strong>ra</strong>gossa ..................................................... 85<br />
q) Entschließungen <strong>de</strong>s EP ........................................................................................... 86<br />
4. Ergebnis .................................................................................................................... 89<br />
II. RECHTSPRECHUNG DES EUGH ZUM RELIGIONSRECHT ...................................................... 89<br />
1. Rs. 130/75 (Vivien P<strong>ra</strong>is/Rat) .................................................................................. 90
a) Sachverhalt ............................................................................................................... 90<br />
b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH ........................................................................................... 91<br />
c) Schlußanträge <strong>de</strong>s Gene<strong>ra</strong>lanwalts ........................................................................... 91<br />
d) Würdigung ................................................................................................................ 91<br />
aa) Abwägung von Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts mit <strong>de</strong>m Gleichheits-<br />
grundsatz .......................................................................................................... 92<br />
bb) Allgemeine Rechtsgrundsätze .......................................................................... 93<br />
(1) Art. 9 EMRK .................................................................................................. 93<br />
(2) Art. 25 lit. c IPbpR .......................................................................................... 93<br />
(3) ErklMR ........................................................................................................... 93<br />
2. Rs. 41/74 (Yvonne van Duyn/Home Office) – „Scientology“ ................................. 94<br />
a) Sachverhalt ............................................................................................................... 94<br />
b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH ........................................................................................... 94<br />
c) Würdigung ................................................................................................................ 94<br />
3. Rs. 300/84 (A.J.M. van Roosmalen/Bestuur van <strong>de</strong> Bedrijfsvereniging<br />
voor <strong>de</strong> Gezondheid) – „Priester-Missionar“ ........................................................... 95<br />
a) Sachverhalt ............................................................................................................... 95<br />
b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH ........................................................................................... 95<br />
c) Würdigung ................................................................................................................ 96<br />
4. Rs. 196/87 (Udo Steymann/Staatssecretaris van Justitie) –<br />
„Bhagwan-Urteil“ ..................................................................................................... 97<br />
a) Sachverhalt ............................................................................................................... 97<br />
b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH ........................................................................................... 98<br />
c) Schlußanträge <strong>de</strong>s Gene<strong>ra</strong>lanwalts ........................................................................... 98<br />
d) Würdigung ................................................................................................................ 98<br />
5. Rs. C-463/93 (Katholische Kirchengemein<strong>de</strong> St. Martinus Elten/<br />
Landwirtschaftskammer Rheinland) ........................................................................ 99<br />
a) Sachverhalt ............................................................................................................... 99<br />
b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH ......................................................................................... 100<br />
c) Würdigung .............................................................................................................. 100<br />
6. Ergebnis .................................................................................................................. 100<br />
III. ZULÄSSIGKEIT UND SCHRANKEN DER INTEGRATIONSERMÄCHTIGUNG<br />
(AM BEISPIEL DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND) .................................................. 101<br />
1. Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Allzuständigkeit ............................................... 101<br />
2. Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten auf die EU als<br />
internationale Organisation .................................................................................... 102<br />
3. Sch<strong>ra</strong>nken <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tionsermächtigung ............................................................... 102<br />
a) Art. 79 Abs. 3 GG als nationales „Reservat“ ......................................................... 102<br />
aa) Menschenwür<strong>de</strong>, Art. 1 Abs. 1 GG ................................................................ 103<br />
bb) Strukturprinzipien <strong>de</strong>s Art. 20 Abs. 1 GG, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e das Bun<strong>de</strong>s-<br />
staatsprinzip .................................................................................................... 103<br />
(1) <strong>Religionsrecht</strong> als Lan<strong>de</strong>sangelegenheit ....................................................... 103<br />
(2) Übert<strong>ra</strong>gung von Lan<strong>de</strong>skompetenzen durch <strong>de</strong>n Bund auf die<br />
Gemeinschaft ................................................................................................ 104<br />
(3) Fortbestand <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sstaats trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gung von Lan<strong>de</strong>s-<br />
zuständigkeiten auf die EU? ......................................................................... 105
) Cont<strong>ra</strong> legem-Erweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong>de</strong>s Art. 79 Abs. 3 GG durch<br />
das BVerfG? ........................................................................................................... 107<br />
aa) Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ................................................... 107<br />
bb) Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 u. 3 GG ............................................ 108<br />
cc) Art. 23 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 1 GG n.F. .............................................................. 108<br />
c) Kernbereiche <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit ......................................................................... 110<br />
IV. DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN GEMEINSCHAFTSRECHT UND NATIONALEM<br />
RECHT ........................................................................................................................... 112<br />
1. Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht ....................................................................... 112<br />
2. Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong>de</strong>s BVerfG ...................................................................................... 115<br />
a) Vor <strong>de</strong>m Solange I-Beschluß .................................................................................. 115<br />
b) Solange I-Beschluß ................................................................................................. 115<br />
c) Solange II-Beschluß ............................................................................................... 117<br />
d) Maastricht-Urteil .................................................................................................... 118<br />
e) Folgerungen für Kompetenzüberschreitungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft .......................... 119<br />
f) Zusammenfassung .................................................................................................. 121<br />
3. Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten ............................................................. 122<br />
V. ANWENDUNG AUF DAS RELIGIONSRECHT ....................................................................... 124<br />
D. DIE ERKLÄRUNG NR. 11 ZUM STATUS DER KIRCHEN UND<br />
WELTANSCHAULICHEN GEMEINSCHAFTEN .................................................. 127<br />
I. ANLAß FÜR DIE SCHAFFUNG EINES KIRCHENARTIKELS ..................................................... 127<br />
II. REFORMVORSCHLÄGE ..................................................................................................... 128<br />
1. Ant<strong>ra</strong>g <strong>de</strong>s Bayerischen Senats zur „Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Reli-<br />
gions- und Weltanschauungsgemeinschaften <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s Euro-<br />
päischen Gemeinschaftsrechts“ .............................................................................. 129<br />
2. Kirchliche Überlegungen <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD über „<strong>Das</strong> <strong>de</strong>utsche Staatskirchen-<br />
recht und die Entwicklung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrechts“ ..................... 129<br />
3. Die „Gemeinsame Stellungnahme zum Verhältnis von Staat und<br />
Kirche <strong>im</strong> Blick auf die Europäische <strong>Union</strong>“ ......................................................... 129<br />
4. <strong>Das</strong> „Memo<strong>ra</strong>ndum zur Rechtsstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religions-<br />
gemeinschaften <strong>im</strong> Vert<strong>ra</strong>gswerk <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>“ ................................. 130<br />
5. Verhandlungsvorschlag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>ts ................................................................. 131<br />
6. Vorschlag <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS und ComECE ..................................................................... 131<br />
III. DURCHSETZBARKEIT EINER VERBINDLICHEN VORSCHRIFT ............................................ 132<br />
IV. RECHTLICHE BEDEUTUNG VON ERKLÄRUNGEN ............................................................. 133<br />
1. Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH ..................................................................................... 133<br />
2. Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung............................................................................... 134<br />
3. Erklärungen innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Systematik <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts ........................... 135<br />
4. Einordnung gemeinsamer Erklärungen in völkerrechtliche Katego-<br />
rien .......................................................................................................................... 136<br />
a) Rechtswirkung völkerrechtlicher Verträge <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht ....................... 136
) Tatbestandsmerkmale eines völkerrechtlichen Vert<strong>ra</strong>gs ........................................ 137<br />
5. Politische Selbstbindung bei gemeinsamen Erklärungen ....................................... 137<br />
6. Gemeinschaftsgewohnheitsrecht ............................................................................ 139<br />
7. Beachtlichkeit einer Erklärung bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung durch <strong>de</strong>n EuGH ..................... 140<br />
8. Beachtlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung i.R.d. Richtlinienumsetzung<br />
durch <strong>de</strong>n nationalen Gesetzgeber .......................................................................... 141<br />
9. Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung als Vorbehalt ..................................................... 142<br />
10. Zusammenfassung .................................................................................................. 143<br />
V. WÜRDIGUNG DES INHALTS DER KIRCHENERKLÄRUNG .................................................... 144<br />
1. Schaffung eigener religionsrechtlicher Begriffe auf Gemeinschafts-<br />
ebene ....................................................................................................................... 144<br />
a) „Kirche“.................................................................................................................. 144<br />
b) „Religiöse Gemeinschaft“ ...................................................................................... 144<br />
c) „Religiöse Vereinigung“ ........................................................................................ 144<br />
d) „Weltanschauliche Organisation“ .......................................................................... 145<br />
e) „Nichtkonfessionelle Organisation“ ....................................................................... 145<br />
f) Folgerungen aus <strong>de</strong>n neuen Begrifflichkeiten ........................................................ 145<br />
2. Gleichstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> weltanschaulichen und nichtkonfessionellen<br />
Organisationen ........................................................................................................ 146<br />
3. Keine Verleihung neuer, originärer Rechte ............................................................ 146<br />
4. Kirchen und Religionsgemeinschaften als „legit<strong>im</strong>e Partner“<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EU? ................................................................................................................... 147<br />
5. Kirchen und Religionsgemeinschaften als „Teil <strong>de</strong>s gemeinsamen<br />
kulturellen Erbes“? ................................................................................................. 148<br />
6. <strong>Das</strong> „Unangetastetlassen“ <strong>de</strong>s rechtlichen Status von Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften ........................................................................................ 149<br />
7. Festschreibung <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n status quo als I<strong>de</strong>allösung? ................................. 151<br />
8. Zusammenfassung und Ausblick ............................................................................ 154<br />
E. RELIGIÖSE GRUNDRECHTE IM RECHT DER EU UNTER<br />
BERÜCKSICHTIGUNG DES ART. 9 EMRK .......................................................... 157<br />
I. ENTWICKLUNG DER GRUNDRECHTE IM GEMEINSCHAFTS- UND UNIONS-<br />
RECHT .............................................................................................................................. 157<br />
1. Bisherige Normierungen <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht ............................................................... 158<br />
a) Grundfreiheiten ...................................................................................................... 158<br />
b) Grundrechte in <strong>de</strong>n Gründungsverträgen ............................................................... 160<br />
c) Fortentwicklung <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes in Präambeln und sonstigem<br />
Pr<strong>im</strong>ärrecht ............................................................................................................. 161<br />
aa) Einheitliche Europäische Akte (EEA) ............................................................ 161<br />
bb) Vert<strong>ra</strong>g von Maastricht ................................................................................... 162<br />
cc) Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam ................................................................................. 164<br />
2. Findung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte durch <strong>de</strong>n EuGH ............................................................ 166<br />
3. Ansätze zur Entstehung eines geschriebenen Grundrechtskatalogs ....................... 168<br />
4. <strong>Das</strong> EuGH-Gutachten 2/94 über die Beitrittsmöglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemein-<br />
schaft zur EMRK .................................................................................................... 169<br />
5. Künftige Möglichkeiten zur Verbesserung <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes<br />
innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft .................................................................................... 171
a) Beitritt zur EMRK durch Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s EGV bzw. EUV...................................... 171<br />
aa) Nachteile eines Beitritts zur EMRK ............................................................... 171<br />
bb) Vorteile eines Beitritts zur EMRK ................................................................. 172<br />
cc) Eigene Stellungnahme .................................................................................... 172<br />
b) Schaffung einer eigenen EU-Grundrechtscharta <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>gsrevision ... 174<br />
aa) Nachteile eines gemeinschaftseigenen Grundrechtskatalogs ......................... 175<br />
bb) Vorteile eines gemeinschaftseigenen Grundrechtskatalogs ........................... 175<br />
cc) Eigene Stellungnahme .................................................................................... 176<br />
c) Ve<strong>ra</strong>bschiedung eines Grundrechtskatalogs durch alle Gemeinschafts-<br />
organe ..................................................................................................................... 177<br />
d) „Gemeinsame Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten“ i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234)<br />
Abs. 2 S. 2 EGV ..................................................................................................... 178<br />
aa) Kollektive Ve<strong>ra</strong>ntwortlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ........................................ 178<br />
bb) Eigene Stellungnahme .................................................................................... 178<br />
e) Gemeinschaftsrechtliche Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> ................................................. 179<br />
6. Zusammenfassung .................................................................................................. 179<br />
II. DIE „GEMEINSAMEN VERFASSUNGSÜBERLIEFERUNGEN DER MITGLIED-<br />
STAATEN“ ALS „ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE DES GEMEINSCHAFTSRECHTS“<br />
I.S.D. ART. 6 (EX-ART. F) ABS. 2 EUV ........................................................................... 180<br />
1. Rechtslage vor Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV ....................................................... 181<br />
2. Definition <strong><strong>de</strong>r</strong> „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen“ ................................. 182<br />
3. Welcher Standard gelangt zur Anwendung? .......................................................... 183<br />
a) Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Min<strong>im</strong>alstandards.............................................................................. 184<br />
b) Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Max<strong>im</strong>alstandards ............................................................................. 184<br />
c) Metho<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> werten<strong>de</strong>n Bet<strong>ra</strong>chtungsweise ........................................................... 186<br />
d) Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s relativierten Max<strong>im</strong>alstandards mit negativer Kontroll-<br />
funktion .................................................................................................................. 187<br />
e) Die EMRK als Min<strong>de</strong>ststandard............................................................................. 187<br />
4. „Gemeinsame Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten“<br />
i.R.d. <strong>Religionsrecht</strong>s ............................................................................................. 187<br />
5. Zusammenfassung .................................................................................................. 191<br />
III. ART. 9 EMRK UND SEINE STELLUNG IM GEMEINSCHAFTSRECHT ÜBER<br />
ART. 6 (EX-ART. F) ABS. 2 EUV ................................................................................... 192<br />
1. Unmittelbare Geltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK und ihrer Aus-<br />
legung durch EGMR und EKMR <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht? ................................... 192<br />
a) Reichweite <strong>de</strong>s Verweises in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV ................................. 192<br />
b) Bindung <strong>de</strong>s EuGH an die EMRK? ........................................................................ 193<br />
aa) Wortlautauslegung.......................................................................................... 193<br />
bb) Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> Funktionsnachfolge ..................................................................... 194<br />
cc) Bezugnahme <strong>de</strong>s EuGH auf die EMRK ......................................................... 195<br />
c) Bindung <strong>de</strong>s EuGH an die Auslegung durch EKMR und EGMR? ........................ 196<br />
d) Möglichkeit divergieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsentscheidungen zwischen EuGH<br />
und <strong>de</strong>n EMRK-Organen ........................................................................................ 198<br />
aa) EMRK als völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234)<br />
EGV ................................................................................................................ 198<br />
bb) Die Mitgliedstaaten als Vollzugsorgane <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts ................ 198
cc) Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten an die Auslegung von EGMR und<br />
EKMR? .......................................................................................................... 199<br />
dd) Dauerhafte Lösung möglicher Kollisionen .................................................... 200<br />
(1) Übernahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong>de</strong>s EGMR durch <strong>de</strong>n EuGH aufgrund<br />
<strong>de</strong>s Vor<strong>ra</strong>ngs <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK .............................................................................. 200<br />
(2) Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Solange-Rechtsprechung für EMRK-Organe gegen-<br />
über <strong>de</strong>m EuGH ............................................................................................ 202<br />
e) Zusammenfassung .................................................................................................. 206<br />
2. Der Grundrechtsgehalt <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK .............................................................. 206<br />
a) Individuelle Religionsfreiheit ................................................................................. 206<br />
aa) Individuelle Religionsfreiheit als Abwehrrecht .............................................. 206<br />
(1) Glaubensfreiheit ............................................................................................ 207<br />
(2) Bekenntnisfreiheit ......................................................................................... 208<br />
(3) Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsausübung .................................................................... 208<br />
(i) Gottesdienst ............................................................................................. 209<br />
(ii) Unterricht ................................................................................................. 209<br />
(iii) Ausübung religiöser Gebräuche ............................................................. 210<br />
(iv) Beachtung religiöser Gebräuche ............................................................. 211<br />
bb) Individuelle Religionsfreiheit als staatliche Schutzpflicht ............................. 211<br />
b) Kollektive Religionsfreiheit ................................................................................... 211<br />
aa) Anwendbarkeit ............................................................................................... 211<br />
bb) Umfang ........................................................................................................... 213<br />
c) Sch<strong>ra</strong>nken <strong>de</strong>s Art. 9 Abs. 2 EMRK ...................................................................... 215<br />
aa) Gesetzliche Grundlage ................................................................................... 216<br />
bb) Zulässige Eingriffszwecke.............................................................................. 216<br />
(1) Öffentliche Sicherheit und Ordnung ............................................................. 216<br />
(2) Gesundheit und Mo<strong>ra</strong>l .................................................................................. 216<br />
(3) Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte und Freiheiten an<strong><strong>de</strong>r</strong>er .................................................... 217<br />
(i) Religionsfreiheit einzelner gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsgemeinschaft ............................................................................ 217<br />
(ii) Religionsfreiheit einzelner gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften ......................................................................... 218<br />
d) Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken ............................................................................................. 218<br />
e) Zusammenfassung .................................................................................................. 218<br />
IV. REICHWEITE DER RELIGIONSFREIHEIT IM GEMEINSCHAFTSRECHT ................................. 219<br />
1. Schutzbereich ......................................................................................................... 219<br />
a) Persönlicher Schutzbereich (Grundrechtsträgerschaft und Grundrechts-<br />
adressaten) .............................................................................................................. 219<br />
aa) Grundrechtsträgerschaft ausländischer Religionsgemeinschaften ................. 219<br />
(1) Religionsgemeinschaften aus einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaat ......................... 219<br />
(2) Religionsgemeinschaften aus Nicht-EU-Staaten .......................................... 219<br />
bb) Grundrechtsträgerschaft von Religionsgemeinschaften mit öffentlich-<br />
rechtlichem Status .......................................................................................... 219<br />
(1) Im <strong>de</strong>utschen Recht ....................................................................................... 220<br />
(2) Im Gemeinschaftsrecht ................................................................................. 221<br />
cc) Grundrechtsverpflichtete <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte .............................. 222<br />
(1) Gemeinschaftsorgane als pr<strong>im</strong>ärer Adressat <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschafts-<br />
grundrechte ................................................................................................... 222
(2) Mitgliedstaaten als Adressaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte ................... 222<br />
(i) Rein nationales Tätigwer<strong>de</strong>n ohne gemeinschaftsrechtlichen<br />
Bezug ....................................................................................................... 222<br />
(ii) Vollzug von Gemeinschaftsrecht durch die Mitgliedstaaten ................... 223<br />
(iii) Sonstige mitgliedstaatliche Rechtshandlungen mit Gemein-<br />
schaftsbezug, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ausnahmeregelungen zu <strong>de</strong>n Grund-<br />
freiheiten ................................................................................................. 225<br />
(3) Private als Adressaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte ................................. 229<br />
(i) Unmittelbare Drittwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte? ................... 229<br />
(ii) Unmittelbare Drittwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten...................................... 230<br />
(iii) Anwendbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Einschränkung von dritt-<br />
wirken<strong>de</strong>n Grundfreiheiten ..................................................................... 230<br />
dd) Zusammenfassung .......................................................................................... 231<br />
b) Sachlicher Schutzbereich ....................................................................................... 231<br />
aa) Individuelle Religionsfreiheit ......................................................................... 231<br />
bb) Kollektive Religionsfreiheit ........................................................................... 231<br />
(1) Entwicklung aus Struktur und Zielen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft? ............................ 231<br />
(2) Der korpo<strong>ra</strong>tive Status über Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV ......................... 232<br />
(3) Die Religionsfreiheit als Teilhaberecht ........................................................ 232<br />
2. Sch<strong>ra</strong>nken ............................................................................................................... 233<br />
a) Gemeinschaftsvorbehalt ......................................................................................... 233<br />
b) Grundrechte an<strong><strong>de</strong>r</strong>er ............................................................................................... 234<br />
3. Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken ............................................................................................. 234<br />
a) Wesensgehaltsga<strong>ra</strong>ntie ........................................................................................... 235<br />
b) Verhältnismäßigkeitsprinzip .................................................................................. 235<br />
aa) Legit<strong>im</strong>es Ziel ................................................................................................. 235<br />
bb) Legit<strong>im</strong>es Mittel ............................................................................................. 235<br />
(1) Geeignetheit .................................................................................................. 236<br />
(2) Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit ............................................................................................. 236<br />
(3) Angemessenheit ............................................................................................ 236<br />
(i) Abwägung <strong>im</strong> Einzelfall .......................................................................... 236<br />
(ii) Grundrechtskollision ............................................................................... 237<br />
c) Zusammenfassung .................................................................................................. 238<br />
4. Rang <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht ................................................ 238<br />
a) Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV i.V.m. <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen<br />
bzw. Art. 9 EMRK ..................................................................................................... 238<br />
aa) Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV als Pr<strong>im</strong>ärrecht .............................................. 238<br />
(1) Verhältnis zum Sekundärrecht ...................................................................... 238<br />
(2) Verhältnis zum Pr<strong>im</strong>ärrecht .......................................................................... 239<br />
bb) Unbest<strong>im</strong>mtheit <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV <strong>im</strong> Hinblick auf<br />
<strong>de</strong>n konkreten Gehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit .......... 240<br />
b) Die EMRK als völkerrechtlicher Altvert<strong>ra</strong>g i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234)<br />
EGV ........................................................................................................................ 241<br />
V. REICHWEITE DER RELIGIONSFREIHEIT IM UNIONSRECHT ................................................. 242<br />
1. Grundrechtsbindung durch Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV .................................... 242<br />
2. Eingeschränkte Kontrollkompetenz <strong>de</strong>s EuGH ...................................................... 243<br />
3. Reichweite <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes <strong>im</strong> <strong>Union</strong>srecht ............................................ 243<br />
4. Grundrechtsrelevanz <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>srechts .................................................................. 243
5. Überprüfung abgeleiteten Sekundärrechts durch mitgliedstaatliche<br />
Verfassungsgerichte bzw. EMRK-Organe? ................................................................... 244<br />
a) Mitgliedstaatliche Verfassungsgerichte .................................................................. 244<br />
b) EMRK-Organe ....................................................................................................... 244<br />
VI. DAS SPEZIELLE DISKRIMINIERUNGSVERBOT DES ART. 13 (EX-ART. 6A)<br />
EGV ............................................................................................................................. 245<br />
1. Regelungsinhalt ...................................................................................................... 245<br />
2. Unmittelbare Anwendbarkeit? ............................................................................... 246<br />
3. Mögliche Auswirkungen auf das <strong>Religionsrecht</strong> ................................................... 247<br />
4. Zusammenfassung .................................................................................................. 250<br />
F. RELIGIONSRECHT ALS „KULTUR“ I.S.D. ART. 151<br />
(EX-ART. 128) EGV? ................................................................................................... 251<br />
I. DER GEMEINSCHAFTSRECHTLICHE KULTUR(GUT)BEGRIFF ................................................ 251<br />
II. DER BEGRIFF DES „KULTURELLEN ERBES“ ...................................................................... 253<br />
III. UNTERSCHIEDE ZWISCHEN RELIGIONSRECHT UND „KULTURELLEM ERBE“ .................... 254<br />
IV. ZUSAMMENFASSUNG ..................................................................................................... 255<br />
G. DER SUBSIDIARITÄTS- UND VERHÄLTNISMÄßIGKEITS-<br />
GRUNDSATZ IM GEMEINSCHAFTSRECHT ....................................................... 257<br />
I. DAS SUBSIDIARITÄTSPRINZIP ........................................................................................... 257<br />
1. Historische Herkunft und Einführung ins Gemeinschaftsrecht .............................. 257<br />
a) Ursprünge <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips ..................................................................... 257<br />
b) Ve<strong>ra</strong>nkerung <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Maastricht .............. 260<br />
c) Erste Konkretisierungen ......................................................................................... 260<br />
d) Weitere Präzisierungen durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam .................................. 261<br />
aa) Protokoll Nr. 30 über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidia-<br />
rität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit ................................................................... 262<br />
bb) Erklärungen .................................................................................................... 263<br />
(1) Erklärung Nr. 43 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte zum Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g zum<br />
Protokoll über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit ............................................................................... 264<br />
(2) Erklärung Deutschlands, Österreichs und Belgiens zur Subsidiarität .......... 264<br />
2. Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips ..................................................................... 264<br />
3. Justitiabilität ........................................................................................................... 266<br />
II. DAS VERHÄLTNISMÄßIGKEITSPRINZIP ............................................................................. 268<br />
III. KONKRETISIERUNG BEIDER PRINZIPIEN IM RAHMEN DES RELIGIONS-<br />
RECHTS ......................................................................................................................... 270<br />
IV. ZUSAMMENFASSUNG ..................................................................................................... 272
H. DER SCHUTZ DER „NATIONALEN IDENTITÄT“ GEMÄß<br />
ART. 6 ABS. 3 (EX-ART. F ABS. 1) EUV .................................................................. 273<br />
I. BEDEUTUNG DES PRINZIPS ............................................................................................... 273<br />
1. Definition <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“ ...................................................................... 273<br />
2. Facetten <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“ ......................................................................... 274<br />
3. Sicherstellung <strong>de</strong>s Prinzips ..................................................................................... 274<br />
II. KONKRETISIERUNG DER „NATIONALEN IDENTITÄT“ I.R.D. RELIGIONS-<br />
RECHTS ........................................................................................................................... 275<br />
III. ZUSAMMENFASSUNG ...................................................................................................... 277<br />
I. ART. 307 (EX-ART. 234) EGV UND DAS KONKORDATS- BZW.<br />
VERTRAGSRECHT DER KIRCHEN ....................................................................... 279<br />
I. BEDEUTUNG DES ART. 307 (EX-ART. 234) EGV .............................................................. 279<br />
1. Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV ........................................................................ 280<br />
a) Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV gegenüber Konkordaten ............ 280<br />
aa) Begriff <strong>de</strong>s „Konkordats“ ............................................................................... 280<br />
bb) Vatikan als „Drittland“ ................................................................................... 282<br />
cc) Konkordat als „Altvert<strong>ra</strong>g“ ............................................................................ 282<br />
dd) Verpflichtung gegenüber <strong>de</strong>m Hl. Stuhl ......................................................... 283<br />
b) Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV gegenüber Abkommen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> .................................................................................................... 283<br />
c) Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV auf sog. Kirchenverträge ........... 284<br />
2. Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV ........................................................................ 286<br />
a) Anpassungsverpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ....................................................... 286<br />
b) Anpassungsverpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft .......................................................... 287<br />
II. ABKOMMEN DER GEMEINSCHAFT MIT RELIGIONSGEMEINSCHAFTEN ............................... 287<br />
III. ZUSAMMENFASSUNG ...................................................................................................... 290<br />
J. KIRCHE ALS TEIL DES MITGLIEDSTAATS DURCH VERLEI-<br />
HUNG DES STATUS EINER K.D.Ö.R.? ................................................................... 291<br />
I. GRUNDSATZ: GRUNDRECHTSBINDUNG NUR DER GEMEINSCHAFT SOWIE DER<br />
MITGLIEDSTAATEN BEIM VOLLZUG DES GEMEINSCHAFTSRECHTS .................................... 291<br />
II. AUSNAHME: BINDUNG AUCH PRIVATER .......................................................................... 291<br />
III. ZWISCHENPOSITION ÖFFENTLICH-RECHTLICHER KIRCHEN UND RELIGIONS-<br />
GEMEINSCHAFTEN .......................................................................................................... 293<br />
1. Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus ........................................................................ 293<br />
2. Die <strong>de</strong>utsche Sichtweise ......................................................................................... 293<br />
3. Die gemeinschaftsrechtliche Sichtweise ................................................................ 295
IV. GEWINNUNG EINES UNTERSCHEIDUNGSKRITERIUMS ANHAND DER KLAGE-<br />
BEFUGNIS? .................................................................................................................... 295<br />
V. KIRCHEN UND RELIGIONSGEMEINSCHAFTEN ALS TEIL STAATLICHER<br />
VERWALTUNG?............................................................................................................... 296<br />
VI. ÖFFENTLICHES AUFTRAGSWESEN .................................................................................. 298<br />
1. Gemeinschaftsrechtliche Definition eines öffentlichen Auft<strong>ra</strong>g-<br />
gebers ...................................................................................................................... 298<br />
a) Erfüllung <strong>im</strong> Allgemeininteresse liegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgaben ........................................... 299<br />
b) Eigene Rechtspersönlichkeit .................................................................................. 300<br />
c) Enge Anbindung an <strong>de</strong>n Staat ................................................................................ 300<br />
aa) Überwiegen<strong>de</strong> staatliche Zuwendungen ......................................................... 300<br />
bb) Staatsaufsicht .................................................................................................. 301<br />
2. Konstitutive Wirkung <strong>de</strong>s Anhangs I <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/37/EWG ..................................... 301<br />
VII. ZUSAMMENFASSUNG .................................................................................................... 302<br />
K. EINZELNE INTEGRATIONSBEREICHE ............................................................... 303<br />
I. EUROPÄISCHE INTEGRATION UND KIRCHLICHES ARBEITSRECHT ...................................... 303<br />
1. In Deutschland ........................................................................................................ 303<br />
a) Individualarbeitsrecht ............................................................................................. 303<br />
b) Kollektives Arbeitsrecht ......................................................................................... 303<br />
2. Auf EU-Ebene ........................................................................................................ 304<br />
a) Individualarbeitsrecht ............................................................................................. 304<br />
aa) Freizügigkeit, Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV ............................................... 304<br />
(1) Grundsatz ...................................................................................................... 304<br />
(2) Ausnahmen ................................................................................................... 307<br />
(i) Keine Arbeitnehmereigenschaft .............................................................. 307<br />
(ii) Teilnahme am Wirtschaftsleben .............................................................. 308<br />
(iii) Der Vorbehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesund-<br />
heit, Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 3 EGV .................................................... 309<br />
(iv) Der Vorbehalt zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Verwaltung, Art. 39<br />
(ex-Art. 48) Abs. 4 EGV ........................................................................ 310<br />
(v) Leitungsaufgaben innerhalb <strong>de</strong>s kirchlichen Dienstes i.e.S. ................... 312<br />
(vi) Kirchliches Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht ..................................................... 313<br />
bb) Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung von Mann und F<strong>ra</strong>u auf <strong>de</strong>m Gebiet<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Lohngleichheit, Art. 141 (ex-Art. 119) EGV ........................................... 313<br />
cc) Gleichbehandlungsrichtlinie ........................................................................... 315<br />
dd) Zusammenfassung .......................................................................................... 318<br />
b) Kollektives Arbeitsrecht ......................................................................................... 318<br />
aa) Europäischer Betriebs<strong>ra</strong>t ................................................................................ 318<br />
bb) Gemeinschaftscharta <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
vom 3. Dezember 1989 .................................................................................. 320<br />
cc) Sozialvorschriften <strong>im</strong> Titel XI <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs ............................................ 320<br />
(1) Anwendbarkeit gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften
sowie kirchlicher Unternehmen .................................................................... 321<br />
(2) Fortbestand <strong>de</strong>s „Dritten Weges“?................................................................ 322<br />
(3) Kirchen als „Sozialpartner“ i.S.d. Gemeinschaftsrechts? ............................. 323<br />
(4) Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen an Vereinbarungen zwischen <strong>de</strong>n Sozial-<br />
partnern? ....................................................................................................... 323<br />
dd) Zusammenfassung .......................................................................................... 324<br />
II. EUROPÄISCHE INTEGRATION UND KIRCHLICHES WOHLFAHRTSWESEN ............................ 324<br />
1. Kirchliches Wohlfahrtswesen in Deutschland ....................................................... 324<br />
2. Kommissionsentwurf einer „économie sociale“ .................................................... 325<br />
3. Der Europäische Verein ......................................................................................... 326<br />
4. „Gemeinnützigkeit“ ................................................................................................ 328<br />
5. <strong>Das</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungsrecht <strong>de</strong>s Art. 43 ff. (ex-Art. 52 ff.) EGV ............................... 329<br />
6. Zusammenfassung .................................................................................................. 329<br />
III. EUROPÄISCHE INTEGRATION UND KIRCHENFINANZIERUNG ............................................ 329<br />
1. In Deutschland ........................................................................................................ 329<br />
2. In an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten ..................................................................................... 334<br />
3. Ergebnis und Folgerung ......................................................................................... 340<br />
4. Auf EU-Ebene ........................................................................................................ 346<br />
a) Indirekte Steuerharmonisierung ............................................................................. 346<br />
b) Direkte Steuerharmonisierung ................................................................................ 346<br />
aa) Definition ....................................................................................................... 346<br />
bb) Gemeinschaftskompetenz zum Erlaß von Rechtsvorschriften <strong>im</strong><br />
Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuern .......................................................................... 347<br />
cc) Harmonisierungsmaßnahmen bei Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Gemeinsamen<br />
Marktes ........................................................................................................... 348<br />
(1) Unternehmenssteuern ................................................................................... 349<br />
(2) Einkommensteuer ......................................................................................... 349<br />
(3) Kirchensteuer ................................................................................................ 350<br />
c) Vereinbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung von Arbeitgebern zur KiSt-Abführung<br />
mit <strong>de</strong>m gemeinschaftsrechtlichen Diskr<strong>im</strong>inierungs- und Beschränkungs-<br />
verbot ...................................................................................................................... 350<br />
aa) Tatbestandsvo<strong>ra</strong>ussetzungen einer Diskr<strong>im</strong>inierung ...................................... 351<br />
bb) Subsumtion ..................................................................................................... 352<br />
cc) Allgemeines Beschränkungsverbot ................................................................ 352<br />
(1) Zwingen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Allgemeinwohls ...................................................... 353<br />
(2) Verhältnismäßigkeit ...................................................................................... 354<br />
(i) Geeignetheit ............................................................................................. 354<br />
(ii) Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit........................................................................................ 354<br />
(iii) Angemessenheit...................................................................................... 355<br />
d) Vereinbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Abzugsfähigkeit von Spen<strong>de</strong>n und Kirchensteuer mit<br />
<strong>de</strong>m allgemeinen Beschränkungsverbot ................................................................. 355<br />
aa) Abzugsfähigkeit von Spen<strong>de</strong>n ........................................................................ 355<br />
bb) Abzugsfähigkeit von Kirchensteuer ............................................................... 356<br />
5. Kirchensteuer und Datenschutz .............................................................................. 356<br />
a) In Deutschland ........................................................................................................ 356<br />
b) In an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten ..................................................................................... 358
c) Auf EU-Ebene ........................................................................................................ 358<br />
d) Exkurs: Datenschutz und kirchliches Mel<strong>de</strong>wesen ................................................ 365<br />
e) Exkurs: Art. 286 (ex-Art. 213b) EGV .................................................................... 366<br />
6. Staatliche Beihilfen ................................................................................................ 367<br />
a) Ursprünge und Wesen <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsleistungen an die Großkirchen in Deutsch-<br />
land ......................................................................................................................... 367<br />
b) Pflicht zur Ablösung von Staatsleistungen ............................................................. 368<br />
c) Staatliche Beihilfe i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) EGV ............................................... 370<br />
aa) Definition einer staatlichen Beihilfe ............................................................... 370<br />
bb) Grundsätzliches Verbot staatlicher Beihilfen ................................................. 372<br />
cc) Erlaubte staatliche Beihilfen .......................................................................... 372<br />
(1) Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 2 EGV .................................................................. 372<br />
(2) Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 3 EGV .................................................................. 372<br />
(i) Kirchen und Religionsgemeinschaften .................................................... 373<br />
(ii) Freie Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege .......................................................... 373<br />
dd) Bereichsausnahme nach Art. 86 (ex-Art. 90) Abs. 2 EGV ............................ 374<br />
ee) Vorliegen einer Beihilfe ................................................................................. 374<br />
ff) Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> Quantifizierung .......................................................................... 376<br />
7. Zusammenfassung .................................................................................................. 377<br />
IV. EUROPÄISCHE INTEGRATION UND KIRCHLICHES BILDUNGSWESEN ................................ 378<br />
1. Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft <strong>im</strong> Bildungswesen .............................................. 378<br />
2. Rechtsverhältnisse an Theologischen Fakultäten ................................................... 379<br />
a) Stu<strong>de</strong>nten ................................................................................................................ 379<br />
b) Lehrstuhlmitarbeiter ............................................................................................... 379<br />
c) Hochschullehrer; insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Problematik <strong><strong>de</strong>r</strong> Konkordatslehrstühle ........... 379<br />
V. EUROPÄISCHE INTEGRATION UND SONN- UND FEIERTAGSSCHUTZ .................................. 380<br />
1. In Deutschland ........................................................................................................ 380<br />
2. Auf EU-Ebene ........................................................................................................ 382<br />
a) Richtlinie 93/104/EG über die Arbeitszeitgestaltung ............................................. 382<br />
aa) Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG ......................................................................... 382<br />
bb) Art. 17 Abs. 1 lit. c <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG .......................................................... 384<br />
b) Sonntagsverkaufsverbot ......................................................................................... 385<br />
3. Zusammenfassung .................................................................................................. 388<br />
VI. EUROPÄISCHE INTEGRATION UND SOZIALE KOMMUNIKATION/MEDIEN-<br />
WESEN ........................................................................................................................... 388<br />
1. In Deutschland ........................................................................................................ 388<br />
2. Auf EU-Ebene ........................................................................................................ 389<br />
a) Allgemeines ............................................................................................................ 389<br />
b) Fernsehwerbung ..................................................................................................... 389<br />
c) Prog<strong>ra</strong>mmauswahl .................................................................................................. 390<br />
3. Zusammenfassung .................................................................................................. 391<br />
VII. EUROPÄISCHE INTEGRATION UND RELIGIÖS-WELTANSCHAULICHER<br />
MEINUNGSPLURALISMUS ..................................................................................................... 392<br />
1. In Deutschland ........................................................................................................ 392<br />
2. Auf EU-Ebene ........................................................................................................ 392
a) Neut<strong>ra</strong>lität <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft gegenüber Kirchen und Religionsgemein-<br />
schaften ................................................................................................................... 393<br />
b) Einflußnahmemöglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ..................................................... 393<br />
aa) Warn- bzw. Einschreitpflicht ......................................................................... 393<br />
bb) Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Einflußnahme ............................................................................. 394<br />
3. Zusammenfassung .................................................................................................. 394<br />
L. GEMEINSCHAFTSRECHTLICHE SONDERSTELLUNG FÜR<br />
KIRCHEN UND RELIGIONSGEMEINSCHAFTEN .............................................. 396<br />
I. EXEMTION FÜR DAS RELIGIONSRECHT .............................................................................. 396<br />
1. Bereichsausnahme aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s ...................... 396<br />
2. Bereichsausnahme für das <strong>Religionsrecht</strong> <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht ........................ 397<br />
a) Kirchenerklärung .................................................................................................... 397<br />
b) Sonstiges Gemeinschaftsrecht ................................................................................ 397<br />
II. BERÜCKSICHTIGUNG RELIGIONSRECHTLICHER BELANGE DURCH ANER-<br />
KENNUNG EINES SELBSTBESTIMMUNGSRECHTS DER KIRCHEN UND RELI-<br />
GIONSGEMEINSCHAFTEN ................................................................................................. 397<br />
1. Ansätze eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaf-<br />
ten <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht ..................................................................................... 398<br />
a) Pr<strong>im</strong>äres Gemeinschaftsrecht ................................................................................. 398<br />
b) Sekundäres Gemeinschaftsrecht ............................................................................. 398<br />
2. Gemeinsame Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
gemäß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV .................................................................... 399<br />
a) Bereich <strong>de</strong>s Kultus bzw. innerkirchlicher Angelegenheiten .................................. 399<br />
aa) Rechtsvergleichen<strong>de</strong> Untersuchung ............................................................... 399<br />
bb) Ergebnis .......................................................................................................... 401<br />
b) Allgemeineres Dienst- und Arbeitsrecht ................................................................ 403<br />
aa) Rechtsvergleichen<strong>de</strong> Untersuchung ............................................................... 403<br />
bb) Ergebnis .......................................................................................................... 407<br />
3. Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV i.V.m. Art. 9 EMRK .............................................. 410<br />
a) Bleckmanns Theorie vom Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen durch<br />
Rechtsvergleichung i.R.d. Art. 9 EMRK ................................................................ 410<br />
b) Würdigung und Kritik ............................................................................................ 411<br />
III. UMFANG DES SELBSTBESTIMMUNGSRECHTS DER RELIGIONSGEMEIN-<br />
SCHAFTEN ..................................................................................................................... 413<br />
1. <strong>Religionsrecht</strong>liche Strukturen i.e.S. ...................................................................... 413<br />
2. <strong>Religionsrecht</strong>liche Strukturen i.w.S. ..................................................................... 413<br />
IV. ZUSAMMENFASSUNG ..................................................................................................... 414<br />
M. RECHTSSCHUTZMÖGLICHKEITEN FÜR RELIGIONSGEMEIN-<br />
SCHAFTEN UND INDIVIDUEN ................................................................................ 415<br />
I. RECHTSSCHUTZ I.R.D. GEMEINSCHAFTSRECHTS ............................................................... 415<br />
1. Rechtsschutz gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane .................................... 415<br />
a) Verfahren vor <strong>de</strong>m EuGH ...................................................................................... 415
aa) Nichtigkeitsklage ............................................................................................ 415<br />
(1) Nichtigkeitsgrün<strong>de</strong> ........................................................................................ 415<br />
(i) „Unzuständigkeit“ ................................................................................... 415<br />
(a) Äußere Unzuständigkeit ...................................................................... 415<br />
(b) Innere Unzuständigkeit ....................................................................... 416<br />
(ii) „Verletzung dieses Vert<strong>ra</strong>gs o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer bei seiner Durchführung<br />
anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Rechtsnorm“ ................................................................. 416<br />
(2) Klagelegit<strong>im</strong>ation ......................................................................................... 416<br />
(3) Klagegegenstand ........................................................................................... 417<br />
(4) Klagebefugnis ............................................................................................... 417<br />
(i) Klagebefugnis bei einer an <strong>de</strong>n Kläger gerichteten Entscheidung .......... 417<br />
(ii) Klagebefugnis bei einer an eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Person gerichteten Ent-<br />
scheidung, die <strong>de</strong>n Kläger unmittelbar und individuell betrifft .............. 417<br />
(iii) Den Kläger unmittelbar und individuell betreffen<strong>de</strong> Verord-<br />
nungen .................................................................................................... 418<br />
(iv) Klagebefugnis gegen Richtlinien? .......................................................... 419<br />
(5) Klagefrist ...................................................................................................... 419<br />
bb) Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahren ........................................................................ 419<br />
(1) Regelungszweck ........................................................................................... 419<br />
(2) Vorlageberechtigung und Vorlageverpflichtung .......................................... 420<br />
(3) Ausnahmen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorlagepflicht .............................................................. 420<br />
(4) Möglichkeiten bei Nichtvorlage ................................................................... 420<br />
(5) Gerichtsbegriff i.S.d. Art. 234 (ex-Art. 177) EGV ....................................... 420<br />
cc) Rechtsfolgen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit ........................................ 422<br />
(1) Vor<strong>ra</strong>ng <strong><strong>de</strong>r</strong> grundrechtskonformen Auslegung ........................................... 422<br />
(2) Nichtigkeit bzw. Ungültigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsnorm ............................... 422<br />
(3) Scha<strong>de</strong>nsersatzanspruch gegen die Gemeinschaft ........................................ 422<br />
b) Verfahren vor <strong>de</strong>m BVerfG .................................................................................... 423<br />
aa) Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> ................................................................................. 423<br />
bb) Konkrete Normenkontrolle............................................................................. 423<br />
c) Verfahren vor <strong>de</strong>m EGMR ..................................................................................... 424<br />
2. Rechtsschutz gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten .............................................. 424<br />
a) Verfahren vor <strong>de</strong>m EuGH ...................................................................................... 424<br />
aa) Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahren ........................................................................ 424<br />
(1) Vo<strong>ra</strong>ussetzungen ........................................................................................... 424<br />
(2) Rechtsfolgen ................................................................................................. 424<br />
bb) Ant<strong>ra</strong>g bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission auf Einleitung eines Vert<strong>ra</strong>gsverletzungs-<br />
verfahrens ....................................................................................................... 425<br />
b) Verfahren vor <strong>de</strong>m BVerfG .................................................................................... 425<br />
aa) Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> ................................................................................. 425<br />
bb) Konkrete Normenkontrolle............................................................................. 425<br />
c) Verfahren vor <strong>de</strong>m EGMR ..................................................................................... 426<br />
aa) Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Rechtsschutzsystems <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK ............................................ 426<br />
bb) Statthafter Rechtsbehelf ................................................................................. 426<br />
cc) Beschwer<strong>de</strong>befugnis ....................................................................................... 426<br />
dd) Weiteres Verfahren ......................................................................................... 426<br />
ee) <strong>Das</strong> Verhältnis von Art. 9 EMRK zu abgeleitetem Gemeinschafts-<br />
recht ................................................................................................................ 427<br />
d) Verfahren vor <strong>de</strong>m IGH .......................................................................................... 427
3. Rechtsschutz von Individuen gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften ........................................................................................ 428<br />
a) Innerkirchliche Gerichtsbarkeit .............................................................................. 428<br />
b) Verwaltungsgerichtsbarkeit/Or<strong>de</strong>ntliche Gerichtsbarkeit ...................................... 428<br />
c) Verfahren vor <strong>de</strong>m EGMR ..................................................................................... 429<br />
II. RECHTSSCHUTZ I.R.D. UNIONSRECHTS ............................................................................ 429<br />
1. Mitgliedstaatliche Verfassungsgerichte .................................................................. 430<br />
2. EMRK-Organe ....................................................................................................... 430<br />
III. ZUSAMMENFASSUNG ...................................................................................................... 430<br />
N. SCHAFFUNG EINES EINHEITLICHEN STATUS FÜR KIRCHEN<br />
UND RELIGIONSGEMEINSCHAFTEN AUF EU-EBENE ................................... 433<br />
O. ANHANG ....................................................................................................................... 439<br />
I. AUSGEWÄHLTE BESTIMMUNGEN AUS DEM EUV .............................................................. 439<br />
1. Art. 6 (ex-Art. F) EUV ........................................................................................... 439<br />
2. Art. 7 (ex-Art. F.1) EUV ........................................................................................ 439<br />
3. Art. 46 (ex-Art. L) EUV ......................................................................................... 440<br />
4. Art. 49 (ex-Art. O) Abs. 1 EUV ............................................................................. 441<br />
II. AUSGEWÄHLTE BESTIMMUNGEN AUS DEM EGV ............................................................. 441<br />
1. Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV ......................................................................................... 441<br />
2. Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV ........................................................................................ 441<br />
3. Art. 151 (ex-Art. 128) EGV ................................................................................... 441<br />
4. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV ................................................................................... 442<br />
5. Protokoll Nr. 30 über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsi-<br />
diarität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit ...................................................................... 443<br />
6. Protokoll Nr. 33 über <strong>de</strong>n Tierschutz und das Wohlergehen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Tiere........................................................................................................................ 446<br />
III. AUSGEWÄHLTE ERKLÄRUNGEN DER SCHLUßAKTE ZUM AMSTERDAMER VERTRAG ....... 447<br />
1. Erklärung Nr. 11 zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und weltanschaulichen<br />
Gemeinschaften ...................................................................................................... 447<br />
2. Erklärung Nr. 38 zu freiwilligen Diensten ............................................................. 447<br />
IV. AUSGEWÄHLTE ERKLÄRUNGEN DER SCHLUßAKTE ZUM VERTRAG VON MAASTRICHT .. 447<br />
Erklärung Nr. 23 zur Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>n .......................... 447<br />
V. AUSGEWÄHLTE BESTIMMUNGEN AUS EMRK, IPBPR UND ERKLMR .............................. 448<br />
1. Art. 9 EMRK .......................................................................................................... 448<br />
2. Art. 14 EMRK ........................................................................................................ 449<br />
3. Art. 18 IPbpR ......................................................................................................... 449<br />
4. Art. 26 IPbpR ......................................................................................................... 449
5. Art. 27 IPbpR ......................................................................................................... 449<br />
6. Art. 2 Abs. 1 ErklMR ............................................................................................. 450<br />
7. Art. 18 ErklMR ...................................................................................................... 450<br />
ZUSAMMENFASSUNG ...................................................................................................... 387<br />
RÉSUMÉ ............................................................................................................................... 390<br />
LITERATURVERZEICHNIS ............................................................................................ 393
Abkürzungsverzeichnis<br />
a.A . an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Ansicht<br />
a.a.O. am angegebenen Ort<br />
a.E. am En<strong>de</strong><br />
a.F. alte Fassung; <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>de</strong>n Gründungsver-trägen EUV,<br />
EGV, EGKSV und EAGV sind die Text-fassungen vor <strong>de</strong>m<br />
Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g gemeint.<br />
AAS Acta Apostolicae Sedis<br />
abl. ablehnend(e, er, es)<br />
ABl. Amtsblatt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften<br />
Abh. Abhandlung<br />
Abs. Absatz<br />
AG Amtsgericht; Aktiengesellschaft<br />
AJDA Actualité Juridique/Droit Administ<strong>ra</strong>tif<br />
alemann. alemannisch(e, er, es)<br />
allg. allgemein(e, er, es)<br />
Alt. Alternative<br />
AnerkG (österr.) Gesetz betreffend die gesetzliche Anerkennung von<br />
Religionsgemeinschaften vom 20.5.1874<br />
Anm. Anmerkung(en)<br />
Annuaire Annuaire <strong>de</strong> la Convention Européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme –<br />
Commission et Cour Européennes <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme = Yearbook<br />
of the European Convention on Human Rights – The European<br />
Commission and European Court of Human Rights, Den Haag 1959<br />
ff.<br />
AnwBl Anwaltsblatt<br />
AO Abgabenordnung vom 16.3.1976 (AO 1977)<br />
AöR Archiv <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts<br />
ArbVG (österr.) Bun<strong>de</strong>sgesetz vom 14.12.1973 betreffend die<br />
Arbeitsverfassung (Arbeitsverfassungsgesetz)<br />
ArchevKR Archiv für evangelisches Kirchenrecht<br />
ArchKathKR Archiv für katholisches Kirchenrecht<br />
Art. Artikel<br />
Aufl. Auflage<br />
AV Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam vom 2.10.1997<br />
AWD Außenwirtschaftsdienst <strong>de</strong>s Betriebs-Be<strong>ra</strong>ters<br />
Az. Aktenzeichen<br />
Bad. Badisch(e, er, es)<br />
BAG Bun<strong>de</strong>sarbeitsgericht<br />
Bay. Bayerisch(e, er, es)<br />
BayGO Bayerische Gemein<strong>de</strong>ordnung i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek. vom 6.1.1993<br />
BayMel<strong>de</strong>G Bayerisches Gesetz über das Mel<strong>de</strong>wesen vom 24.3.1983<br />
BayObLG Bayerisches Oberstes Lan<strong>de</strong>sgericht<br />
BaySen-Drucks. Drucksache(n) <strong>de</strong>s Bayerischen Senats
BayVBl Bayerische Verwaltungsblätter<br />
BayVGH Bayerischer Verwaltungsgerichtshof<br />
BayVerfGH Bayerischer Verfassungsgerichtshof<br />
BB Betriebsbe<strong>ra</strong>ter<br />
Bd(e). Band, Bän<strong>de</strong><br />
BDSG Bun<strong>de</strong>sdatenschutzgesetz vom 20.12.1990 i.d.F. vom 27.12.1993<br />
Bek. Bekanntmachung<br />
Belg.Verf. Belgische Verfassung vom 7.2.1831 i.d.F. von 1970<br />
Beschl. Beschluß<br />
Bespr. Besprechung<br />
betr. betreffend<br />
BetrVG Betriebsverfassungsgesetz in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek. vom 23.12.1988<br />
BewG Bewertungsgesetz<br />
bez. bezüglich<br />
Bf. Beschwer<strong>de</strong>führer<br />
BFH Bun<strong>de</strong>sfinanzhof<br />
BGB Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8.1896<br />
BGB-AT Bürgerliches Gesetzbuch – Allgemeiner Teil<br />
BGBl. Bun<strong>de</strong>sgesetzblatt<br />
BGH Bun<strong>de</strong>sgerichtshof<br />
BGHZ Entscheidungen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofes in Zivilsachen<br />
BNr. Beschwer<strong>de</strong>nummer<br />
BR-Drucks. Drucksache(n) <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>tes<br />
BReg. Bun<strong>de</strong>sregierung<br />
BStBl. Bun<strong>de</strong>ssteuerblatt<br />
BT Deutscher Bun<strong>de</strong>stag<br />
BT-Drucks. Drucksache(n) <strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>stages<br />
BullBReg Bulletin <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sregierung<br />
BullEG Bulletin <strong><strong>de</strong>r</strong> EG<br />
BullEU Bulletin <strong><strong>de</strong>r</strong> EU<br />
BV Verfassung <strong>de</strong>s Freistaates Bayern<br />
BVerfG Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht<br />
BVerfGE Entscheidungen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts<br />
BVerfGG Gesetz über das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht<br />
BVerwG Bun<strong>de</strong>sverwaltungsgericht<br />
BVerwGE Entscheidungen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverwaltungsgerichts<br />
bzw. beziehungsweise<br />
ca. circa<br />
can. canon<br />
cc. canones<br />
CC. Codice Civile (ital. Zivilgesetzbuch)<br />
CCEE Consilium Conferentiarum Episcopalium Europae<br />
(Rat <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Bischofskonferenzen)<br />
CEEC Comité européen pour l’enseignement catholique (Europäisches<br />
Komitee für Katholische Erziehung)<br />
CIC/1917 Co<strong>de</strong>x Iuris Canonici vom 27.5.1917<br />
CIC/1983 Co<strong>de</strong>x Iuris Canonici vom 25.1.1983
C.M.L.R. Common Market Law Reports<br />
Cod. Co<strong>de</strong>x<br />
ComECE Commissio Episcopatuum Communitatis Europaeensis<br />
(Kommission <strong><strong>de</strong>r</strong> Bischofskonferenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Gemeinschaft)<br />
COMECON Council of Mutual Economic Assistance<br />
(Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe)<br />
Dän.Verf. Dänische Verfassung vom 5.6.1953<br />
DB Der Betrieb<br />
d.h. das heißt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>s. <strong><strong>de</strong>r</strong>selbe<br />
dies. dieselbe(n)<br />
Diss. Dissertation<br />
DM Deutsche Mark<br />
DÖV Die Öffentliche Verwaltung<br />
DR Decisions and Reports/Décisions et Rapports (Sammlung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Entscheidungen und Berichte <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR)<br />
DSG-EKD Datenschutzgesetz <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD vom 12.11.1993<br />
DSO-EmK Datenschutzordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelisch-methodistischen Kirche vom<br />
25.10.1980<br />
DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt<br />
DZWir Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht<br />
E. Entscheidung(en)<br />
e.V. einget<strong>ra</strong>gener Verein<br />
E.L.Rev. European Law Review<br />
E.L.Rev.HR European Law Review – Human Rights Survey issue<br />
EA Europa-Archiv<br />
EAG Europäische Atomgemeinschaft (Eu<strong>ra</strong>tom)<br />
EAGV Vert<strong>ra</strong>g über die Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> EAG vom 25.3.1957<br />
EBRG Gesetz über europäische Betriebsräte vom 28.10.1996<br />
ECCSEC Ecumenical Commission for Church and Society in the European<br />
Community (Ökumenische Kommission für Kirche und Gesellschaft<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft)<br />
ECHR European Convention on Human Rights<br />
EEA Einheitliche Europäische Akte vom 28.2.1986<br />
EECCS European Ecumenical Commission for Church and Society<br />
(Europäische Ökumenische Kommission für Kirche und Gesellschaft)<br />
EFTA European Free T<strong>ra</strong><strong>de</strong> Association (Europäische Freihan<strong>de</strong>lszone)<br />
EG Europäische Gemeinschaft<br />
EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl<br />
EGKSV Vert<strong>ra</strong>g über die Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> EGKS vom 18.4.1951<br />
EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte<br />
EGV Vert<strong>ra</strong>g zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft vom 25.3.1957<br />
EI EUROPE-INFOS. Hrsg. von <strong><strong>de</strong>r</strong> ComECE.<br />
Einl. Einleitung
EKD Evangelische Kirche in Deutschland<br />
EKMR Europäische Kommission für Menschenrechte<br />
EMRK Europäische Konvention zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und<br />
Grundfreiheiten vom 4.11.1950<br />
endg. endgültig<br />
engl. englisch(e, er, es)<br />
entspr. entsprechend(e, er, es)<br />
EP Europäisches Parlament<br />
EPZ Europäische Politische Zusammenarbeit<br />
ErklMR Allgemeine Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte vom 10.12.1948<br />
ERÜ Europäisches Übereinkommen über das grenzüberschreiten<strong>de</strong><br />
Fernsehen vom 5.5.1989<br />
EssGespr. Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche. Begr. von<br />
J. K<strong>ra</strong>utscheidt u. H. Marré, Münster/Westf. 1969 ff.<br />
EStG Einkommensteuergesetz vom 7.9.1990<br />
etc. et cete<strong>ra</strong><br />
EU Europäische <strong>Union</strong><br />
EuG Gericht erster Instanz <strong><strong>de</strong>r</strong> EG<br />
EUGEN Europäische Genossenschaft<br />
EuGH Gerichtshof <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften<br />
EuGRZ Europäische Grundrechte-Zeitschrift<br />
EuGVÜ Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die<br />
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und<br />
Han<strong>de</strong>lssachen vom 27.9.1968<br />
EuR Europarecht<br />
EUV Vert<strong>ra</strong>g über die Europäische <strong>Union</strong>; Europäischer Verein<br />
EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht<br />
ev. evangelisch(e, er, es)<br />
ev.-luth. evangelisch-lutherisch(e, er, es)<br />
EVG Europäische Verteidigungsgemeinschaft<br />
EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft<br />
EWGV Vert<strong>ra</strong>g zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.3.1957<br />
EWIV Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung<br />
EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht<br />
ex-Art. ex-Artikel (= Artikelbezeichnung <strong>im</strong> EUV und EGV vor <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g<br />
von Amsterdam)<br />
EZB Europäische Zent<strong>ra</strong>lbank<br />
f. folgen<strong>de</strong> (Seite)<br />
FAZ F<strong>ra</strong>nkfurter Allgemeine Zeitung<br />
ff. folgen<strong>de</strong> (Seiten)<br />
Finn.Verf. Finnische Verfassung vom 17.7.1919<br />
f<strong>ra</strong>nz. f<strong>ra</strong>nzösisch(e, er, es)<br />
F<strong>ra</strong>nz.Verf. F<strong>ra</strong>nzösische Verfassung vom 4.10.1958<br />
Fn. Fußnote(n)<br />
Frhr. Freiherr
FS Festschrift<br />
GA Gene<strong>ra</strong>lanwalt<br />
GASP Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />
GewO Gewerbeordnung i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek. vom 1.1.1987<br />
GG Grundgesetz für die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
vom 23.5.1949<br />
ggf. gegebenenfalls<br />
ggü . gegenüber<br />
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />
grds. grundsätzlich<br />
Griech.Verf. Griechische Verfassung vom 11.6.1975<br />
GrO Grundordnung <strong>de</strong>s kirchlichen Dienstes <strong>im</strong> Rahmen kirchlicher<br />
Arbeitsverhältnisse vom 22.9.1993 (kath.)<br />
GS Gedächtnisschrift<br />
GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek.<br />
vom 20.2.1990<br />
h.L. herrschen<strong>de</strong> Lehre<br />
h.M . herrschen<strong>de</strong> Meinung<br />
Handkom. Handkommentar zum Vert<strong>ra</strong>g über die Europäische <strong>Union</strong><br />
EUV/EGV (EUV/EGV). Hrsg. von K. Hailbronner, E. Klein, S. Magie<strong>ra</strong> u. P.-C.<br />
Müller-G<strong>ra</strong>ff, 2 B<strong>de</strong>., Loseblatt-sammlung, Köln – Berlin – Bonn –<br />
München 1991 ff.<br />
Hbbd. Halbband<br />
HdbBayStKirchR Handbuch <strong>de</strong>s Bayerischen Staatskirchenrechts. Hrsg. von O. J. Voll<br />
unter Mitwirkung von J. Störle, München 1985<br />
Hdb.EU-Wirt- Handbuch <strong>de</strong>s EU-Wirtschaftsrechts. Hrsg. von M.A.<br />
schaftsR Dauses, 2 B<strong>de</strong>., Loseblattsammlung, München 1993 ff.<br />
HdbStKirchR Handbuch <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland,<br />
hrsg. von J. Listl u. D. Pirson, 2. Aufl., 2 B<strong>de</strong>, Berlin 1994 – 1995.<br />
HK Her<strong><strong>de</strong>r</strong>-Korrespon<strong>de</strong>nz<br />
Hl. Stuhl Heiliger Stuhl<br />
HRG Handbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte<br />
Hrsg., hrsg. He<strong>ra</strong>usgeber, he<strong>ra</strong>usgegeben<br />
HS Halbsatz<br />
HStR Handbuch <strong>de</strong>s Staatsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland.<br />
Hrsg. von J. Isensee u. P. Kirchhof, Hei<strong>de</strong>lberg 1987 ff.<br />
ICL International and Compa<strong>ra</strong>tive Law<br />
i.d.F in <strong><strong>de</strong>r</strong> Fassung<br />
i.d.R. in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel<br />
i.e.S. <strong>im</strong> engeren Sinne<br />
IGH Internationaler Gerichtshof<br />
Irl.Verf. Verfassung Irlands vom 1.7.1937<br />
i.R.d. <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s (<strong><strong>de</strong>r</strong>)
i.S.d. <strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>s (<strong><strong>de</strong>r</strong>)<br />
i.S.v. <strong>im</strong> Sinne von<br />
ital. italienisch(e, es, er)<br />
Ital.Verf. Italienische Verfassung vom 22.12.1947<br />
i.V.m. in Verbindung mit<br />
i.w.S. <strong>im</strong> weiteren Sinne<br />
IPbpR Internationaler Pakt über bürgerliche und politische<br />
Rechte vom 19.12.1966<br />
IRPEF <strong>im</strong>posta sul reddito <strong>de</strong>lle persone fisiche<br />
(ital. Einkommensteuer)<br />
ISDN Integ<strong>ra</strong>ted Services Digital Network<br />
JA Juristische Arbeitsblätter<br />
Jg. Jahrgang<br />
Jh. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
Joh. Johannesevangelium<br />
Ju<strong>ra</strong> Juristische Ausbildung<br />
JuS Juristische Schulung<br />
JW Juristische Wochenschrift (1872 – 1939)<br />
JZ Juristenzeitung<br />
K.d.ö.R. Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts<br />
kath. katholisch(e, er, es)<br />
KDO Anordnung über <strong>de</strong>n kirchlichen Datenschutz<br />
vom 22.11.1993 (kath. Datenschutzgesetz)<br />
KEK Konferenz Europäischer Kirchen<br />
KG Kommanditgesellschaft<br />
KiDSG Kirchengesetz über <strong>de</strong>n Datenschutz <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD<br />
vom 10.11.1977 (evangelisches Datenschutzgesetz)<br />
kirchl. kirchlich(e, er, es)<br />
KiSt Kirchensteuer<br />
KOM Dokumente <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften<br />
Kor. Korintherbrief<br />
KSchG Kündigungsschutzgesetz i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek.<br />
vom 25.8.1969<br />
KStG Körperschaftsteuergesetz i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek. vom 11.3.1991<br />
KSZE Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa;<br />
Schlußakte vom 1.8.1975<br />
KultgutSiG Kulturgutsicherungsgesetz vom 25.9.1998<br />
KultgSchG Gesetz zum Schutz <strong>de</strong>utschen Kulturgutes gegen<br />
Abwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ung vom 6.8.1995 i.d.F. vom 23.9.1990<br />
KuR Kirche und Recht<br />
LG Landgericht<br />
lit. lite<strong>ra</strong>
LS Leitsatz<br />
lt. laut<br />
Lux.Verf. Luxemburgische Verfassung vom 17.10.1868<br />
LThK<br />
Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Aufl., Freiburg i. Br.<br />
1993 ff.<br />
m.E. meines E<strong>ra</strong>chtens<br />
m.w.N. mit weiteren Nachweisen<br />
MAVO Mitarbeitervertretungsordnung vom 25.11.1985 (kath.)<br />
MD Materialdienst <strong>de</strong>s Konfessionskundlichen Instituts<br />
Benshe<strong>im</strong><br />
Mio. Million(en)<br />
MitbestG Mitbest<strong>im</strong>mungsgesetz vom 4.5.1976<br />
mittelhochdt. mittelhoch<strong>de</strong>utsch(e, er, es)<br />
Mk. Markusevangelium<br />
Mrd. Milliar<strong>de</strong>(n)<br />
MRRG Mel<strong><strong>de</strong>r</strong>echts<strong>ra</strong>hmengesetz i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek. vom 24.6.1994<br />
Mt. Matthäusevangelium<br />
MVG Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Evangelischen Kirche in Deutschland vom 6.11.1992<br />
(Mitarbeitervertretungsgesetz; MVG)<br />
MwSt Mehrwertsteuer<br />
n.Chr. nach Christus<br />
n.F. neue Fassung; <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>de</strong>n Gründungsverträgen<br />
EUV, EGV, EGKSV und EAGV sind die Neufassungen<br />
aufgrund <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>ges gemeint<br />
NATO North Atlantic Treaty Organization; Nordatlantikpakt<br />
NGO non-governmental organization<br />
Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>l.Verf. Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländische Verfassung vom 17.2.1983<br />
NJ Neue Justiz<br />
NJW Neue Juristische Wochenschrift<br />
NJW-CoR Neue Juristische Wochenschrift Computer-Report<br />
NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report<br />
Nr(n). Nummer(n)<br />
NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht<br />
NVwZ-RR Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht –<br />
Rechtsprechungsreport<br />
NWVBl. Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter<br />
o.ä. o<strong><strong>de</strong>r</strong> ähnlich(e, er, es)<br />
o.g. oben genannt(e, er, es)<br />
ÖAKR Österreichisches Archiv für Kirchenrecht<br />
OCIPE Office catholique d’Information sur les Problèmes<br />
Européens
OECD Organization for Economic Co-ope<strong>ra</strong>tion and Development<br />
(Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und<br />
Entwicklung)<br />
OHG Offene Han<strong>de</strong>lsgesellschaft<br />
OLG Oberlan<strong>de</strong>sgericht<br />
ÖRK Ökumenischer Rat <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />
österr. österreichisch(e, er, es)<br />
Österr.Verf. Österreichische Verfassung vom 1.10.1920 i.d.F. von 1929<br />
OSZE Organisation über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (seit<br />
1.1.1995)<br />
OVG Oberverwaltungsgericht<br />
PNP Passauer Neue Presse<br />
Port.Verf. Portugiesische Verfassung vom 2.4.1976<br />
Preuß. Preußisch(e, er, es)<br />
Rdnr(n). Randnummer(n)<br />
RGBl. Reichsgesetzblatt<br />
RIW Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> internationalen Wirtschaft<br />
RelG Bun<strong>de</strong>sgesetz <strong><strong>de</strong>r</strong> Russischen Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ation „über die Freiheit<br />
<strong>de</strong>s Gewissens und religiösen Vereinigungen“<br />
vom 19.9.1997 (Religionsgesetz)<br />
RelUG (österr.) Bun<strong>de</strong>sgesetz vom 13.7.1949 betreffend <strong>de</strong>n Religionsunterricht<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule (Religionsunterrichtsgesetz)<br />
RGG Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch<br />
für Theologie und Religionswissenschaft (RGG), hrsg.<br />
von Hans Freiherr v. Campenhausen, Erich Dinkler,<br />
Gerhard Gloege, Knut E. Løgstrup, B<strong>de</strong>. 3 u. 6, Tübingen<br />
1959/1962.<br />
RL Richtlinie(n)<br />
RM Rheinischer Merkur<br />
röm.-kath. römisch-katholisch(e, er, es)<br />
Rs. Rechtssache<br />
Rspr. Rechtsprechung<br />
Rz. Randziffer<br />
S. Satz, Sätze; Seite(n)<br />
s.o. siehe oben<br />
s.u. siehe unten<br />
schwed. schwedisch(e, er, es)<br />
Schwed.Verf. Schwedische Verfassung vom 1.1.1975<br />
SdZ St<strong>im</strong>men <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit<br />
SEK Dokumente <strong>de</strong>s Gene<strong>ra</strong>lsekretariats <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften<br />
SGB IV Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialversicherung –<br />
vom 23.12.1976
SIS Schengener Informations-System<br />
Slg. Sammlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH<br />
sog. sogenannt(e, er, es)<br />
Sp. Spalte<br />
span. spanisch(e, er, es)<br />
Span.Verf. Spanische Verfassung vom 27.12.1978, i.d.F.<br />
vom 27.8.1992<br />
st. Rspr. ständige Rechtsprechung<br />
StGG (österr.) Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte<br />
StL<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsbürger vom 21.12.1867<br />
Staatslexikon. Recht, Wirtschaft, Gesellschaft. Hrsg. von <strong><strong>de</strong>r</strong> Görres-<br />
Gesellschaft. 7. Aufl., 7 B<strong>de</strong>., Freiburg i. Br., Basel, Wien 1985-1993<br />
StPO St<strong>ra</strong>fprozeßordnung i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek. vom 7.4.1987<br />
str. streitig<br />
Teilbd(e) Teilband, Teilbän<strong>de</strong><br />
TierSchG Tierschutzgesetz i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Bek. vom 17.2.1993<br />
u. und<br />
u.a. unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em<br />
UAbs. Unte<strong>ra</strong>bsatz<br />
u.U. unter Umstän<strong>de</strong>n<br />
UNO United Nations Organization<br />
Urt. Urteil<br />
USA United States of America<br />
usw. und so weiter<br />
v. vom, von<br />
v.a. vor allem<br />
VEF Vereinigung Evangelischer Freikirchen<br />
verb. Rs. verbun<strong>de</strong>ne Rechtssachen<br />
Verf. Verfassung<br />
VG Verwaltungsgericht<br />
VGH Verwaltungsgerichtshof<br />
vgl. vergleiche<br />
VO Verordnung<br />
Vol. Volume(n)<br />
VR Volksrepublik<br />
VVDStRL Veröffentlichungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Staatsrechtslehrer<br />
VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25.5.1976<br />
WEU Westeuropäische <strong>Union</strong><br />
WiB Wirtschaftsrechtliche Be<strong>ra</strong>tung<br />
WiRO Wirtschaft und Recht in Osteuropa
WRV Verfassung <strong>de</strong>s Deutschen Reichs vom 11.8.1919 (We<strong>im</strong>arer<br />
Reichsverfassung)<br />
z.B. zum Beispiel<br />
z.T. zum Teil<br />
ZaöRV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht<br />
ZBJI Zusammenarbeit in <strong>de</strong>n Bereichen Justiz und Inneres<br />
ZEuS Zeitschrift für Europarechtliche Studien<br />
ZevKR Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht<br />
ZfRV (österr.) Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht<br />
und Europarecht<br />
ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht<br />
ZHR Zeitschrift für das gesamte Han<strong>de</strong>ls- und Wirtschaftsrecht<br />
Ziff. Ziffer(n)<br />
ZÖR (österr.) Zeitschrift für öffentliches Recht<br />
ZP Zusatzprotokoll<br />
ZPO Zivilprozeßordnung<br />
ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik<br />
ZThG Zeitschrift für Theologie und Gemein<strong>de</strong><br />
zust. zust<strong>im</strong>mend(e, er, es)<br />
zutr. zutreffend(e, er, es)
A. Einleitung<br />
Nahezu unbemerkt von <strong><strong>de</strong>r</strong> Weltöffentlichkeit hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Übergang in das neue Jahrtausend ein<br />
großes Jubiläum mit sich geb<strong>ra</strong>cht: 2000 Jahre Christentum. In dieser Ä<strong>ra</strong>, die astrologisch<br />
unter <strong>de</strong>m Aszen<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>s Fisches 1 stand, haben christlicher Glaube und christliche Kirchen<br />
– neben wichtigen Einflüssen <strong>de</strong>s Islam und <strong>de</strong>s Ju<strong>de</strong>ntums – Europa nach <strong><strong>de</strong>r</strong> „konstantinischen<br />
Wen<strong>de</strong>“ 2 sein spezifisches Gepräge gegeben; 3 zu Recht konnte man ab dieser Zeit<br />
vom „christlichen Abendland“ sprechen, obschon <strong>im</strong> Namen <strong>de</strong>s Kreuzes bisweilen auch<br />
abscheuliche Verbrechen begangen wur<strong>de</strong>n, die mitunter auf eine unheilige Allianz zwischen<br />
christlicher Kirche und weltlicher Macht zurückgeführt wer<strong>de</strong>n können. 4 Gleichwohl ist mit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Geschichte untrennbar die Vorstellung verbun<strong>de</strong>n, daß je<strong>de</strong> Person einen ihr<br />
innewohnen<strong>de</strong>n Wert und unveräußerliche Rechte besitzt, die Menschenrechte. 5<br />
1<br />
Dies ist insofern bemerkenswert, als das christliche Erkennungszeichen <strong>de</strong>s Fisches (griech.<br />
ICHTHUS) auf ein Akrostichon aus <strong>de</strong>n ersten Buchstaben <strong><strong>de</strong>r</strong> griechischen Wörter Iesous<br />
CHristos THeou Uios Soter (Jesus Christus Gottes Sohn, Retter) zurückgeht, vgl. Handbuch/Hemer,<br />
Archäologische Erhellung <strong>de</strong>s frühen Christentums, Wuppertal 1979, S. 57.<br />
1<br />
Während<br />
sowohl das antike griechische als auch das römische Recht einer Person als solcher noch<br />
keinen Wert be<strong>im</strong>aßen, ist die Anerkennung einer je<strong>de</strong>m Menschen inhärenten<br />
2 Vgl. hierzu Zippelius, Staat und Kirche – Eine Geschichte von <strong><strong>de</strong>r</strong> Antike bis zur Gegen-<br />
wart, München 1997, S. 20 ff.<br />
3 Vgl. z.B. Göbel, Der Beit<strong>ra</strong>g <strong>de</strong>s kanonischen Rechts zur europäischen Rechtskultur,<br />
ArchkathKR (159) 1990, S. 19 ff.; Landau, Der Einfluß <strong>de</strong>s kanonischen Rechts auf die<br />
europäische Rechtskultur, in: Schulze (Hrsg.), Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte<br />
– Ergebnisse und Perspektiven <strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung, Berlin 1991, S. 39 ff.; Leisching,<br />
Neuzeitliche Strukturen <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehungen zwischen Staat und Kirche in Europa, in: Puza/<br />
Kustermann (Hrsg.), Staatliches <strong>Religionsrecht</strong> <strong>im</strong> europäischen Vergleich, Freiburg<br />
(Schweiz) 1993, S. 19 ff.; Rodé, Kirche und Staat in <strong>de</strong>n ersten christlichen Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ten,<br />
in: Weiler/Laun (Hrsg.), Die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehung zwischen Kirche und Staat <strong>im</strong><br />
Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Kultur und ihre Be<strong>de</strong>utung für die rechtliche und<br />
politische Kultur in Vergangenheit und Zukunft, Wien 1991, S. 4 ff., 7 ff.<br />
4 <strong>Das</strong> mutige „Mea Culpa“ <strong>de</strong>s Papstes Johannes Paul II vom 12.3.2000, abgedruckt <strong>im</strong><br />
vollen Wortlaut in: PNP Nr. 60 vom 13. März 2000, S. 2, spricht einige Verfehlungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
katholischen Kirche in ihrer 2000-jährigen Geschichte offen an.<br />
5 Ce<strong>de</strong>, Grundrechte und Europa, in: Österreichische Juristenkommission (Hrsg.), S. 153 ff.;<br />
dieser <strong>de</strong>finiert Grundrechte generell als diejenigen Menschenrechte, die in nationalen<br />
Verfassungen enthalten und mit einem effektiven Rechtsschutzsystem ausgestattet sind, vgl.<br />
Ce<strong>de</strong>, a.a.O., S. 154.
2<br />
Menschenwür<strong>de</strong> vor allem Errungenschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> christlich-abendländischen Kultur, namentlich<br />
<strong>de</strong>s Dominikaners F<strong>ra</strong>ncisco <strong>de</strong> Vitoria (1492 – 1546), <strong><strong>de</strong>r</strong> sie aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Gottesebenbildlichkeit<br />
<strong>de</strong>s Menschen ableitete. 6 Die Abschaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sklaverei 7 beruht <strong>im</strong> übrigen ebenso wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schutz je<strong>de</strong>n menschlichen Lebens 8<br />
auf wichtigen Grundsätzen christlicher Soziallehre. Auch<br />
6 Hattenhauer, Europäische Rechtsgeschichte, 2. Aufl., Hei<strong>de</strong>lberg 1994, S. 353 f. Philosophisch-humanistische<br />
Einflüsse waren an <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte<br />
gleichfalls in maßgeblichem Umfang beteiligt, vgl. Honecker, Kirchen und Menschenrechte,<br />
MD 1998, S. 103 ff., 104. So seien an dieser Stelle nur das Wirken <strong>de</strong>s Christian<br />
Thomasius (1655 – 1728) gegen Folter und Hexenprozesse sowie die frühen Menschenrechtserklärungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> ehemals aufgrund ihres Glaubens verfolgten Auswan<strong><strong>de</strong>r</strong>er in<br />
Nordamerika erwähnt, vgl. Erwin Fischer, Trennung von Staat und Kirche – Die<br />
Gefährdung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religions- und Weltanschauungsfreiheit in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik, 3. Aufl.,<br />
F<strong>ra</strong>nkfurt a. M. 1984, S. 24 f. In zeitlicher Abfolge bet<strong>ra</strong>chtet muß als Wiege <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Menschenrechtsdiskussion als historisch gesicherter Befund das christliche Gedankengut<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong>ago <strong>de</strong>i angesehen wer<strong>de</strong>n, wobei die Menschenrechtsi<strong>de</strong>e dann aber in einem<br />
Säkularisierungsprozeß vom Humanismus und <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufklärung weiterentwickelt wur<strong>de</strong>, vgl.<br />
K<strong>im</strong>minich, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. (27) 1993, S. 30 f.; Kirchhof, Die Ga<strong>ra</strong>ntie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Menschenwür<strong>de</strong> als Ausdruck gegenwärtiger Rechtskultur, KuR 110, S. 53 ff., 54; Starck,<br />
Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. (27) 1993, S. 24 f.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., <strong>Das</strong> Christentum und die Kirchen<br />
in ihrer Be<strong>de</strong>utung für die I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> und ihrer Mitgliedstaaten,<br />
EssGespr. (31) 1997, S. 5 ff., 16 ff. m.w.N.<br />
Nicht verschweigen darf man jedoch, daß die offizielle Lehrmeinung <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen<br />
Kirche noch bis Anfang <strong>de</strong>s 20. Jh. Menschenrechte als „zügellose Freiheitslehren“<br />
verwarf, ehe sie – angesichts <strong>de</strong>s staatlichen Totalitarismus – die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Menschenrechte und <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit für sich selbst ent<strong>de</strong>ckte, vgl. Rüthers,<br />
Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. (27) 1993, S. 26, sowie die Nachweise bei Honecker,<br />
a.a.O., S. 104 f.; Brieskorn, Menschenrechte und Kirche, SdZ 1999, S. 3 ff., 7 ff.<br />
Äußerungen wie von Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch am 2.5.1987 in<br />
Deutschland: „Gottesrechte und Menschenrechte stehen und fallen miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong>.“, vgl.<br />
Klecatsky, Die Kirche und <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechtsstaat, in: Weiler/Laun (Hrsg.), Fn. 3, S. 23<br />
ff., 25, fußen daher nicht auf langwähren<strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlicher T<strong>ra</strong>dition. Erst die Erklärung über<br />
die Religionsfreiheit dignitatis humanae, die auf <strong>de</strong>m Zweiten Vatikanum am 7. Dezember<br />
1965 verkün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, legte dogmatisch das Fundament für die heutige Sichtweise <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche. Die Erklärung ist abgedruckt bei<br />
Rahner/Vorgr<strong>im</strong>ler, Kleines Konzilskompendium – Sämtliche Texte <strong>de</strong>s Zweiten<br />
Vatikanums, 23. Aufl. 1991, Freiburg <strong>im</strong> Breisgau 1966, S. 661 – 675.<br />
7<br />
Vgl. nur Lean, Wilberforce – Lehrstück christlich-sozialer Reform, Gießen – Basel 1974,<br />
S. 17 ff.<br />
8<br />
Hattenhauer, Fn. 6, S. 696.
war das Christentum maßgeblich an <strong><strong>de</strong>r</strong> He<strong>ra</strong>usbildung eines europäischen Bewußtseins<br />
beteiligt: So bezeichneten sich die christlichen Völkerschaften erstmals in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlacht von<br />
Tours und Poitiers <strong>im</strong> Jahre 732 n.Chr. <strong>im</strong> Kampf gegen die islamischen A<strong>ra</strong>ber als<br />
„Europäer“. 9<br />
Wen<strong>de</strong>t man <strong>de</strong>n Blick von dieser Vergangenheit, in welcher je<strong><strong>de</strong>r</strong> europäische Territorialstaat<br />
mit einer o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehreren christlichen Kirchen eng, oftmals untrennbar miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> verwoben<br />
war, hin zur Gegenwart, so ist einerseits – und dies nicht erst mit <strong>de</strong>m Eintritt in die 3. Stufe<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschafts- und Währungsunion – die wachsen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> mit<br />
ihren sup<strong>ra</strong>nationalen 10 Elementen offenkundig. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits besitzen christliche Kirchen in<br />
Europa als „Werteproduzent“ 11 längst keine Monopolstellung mehr; die Entwicklung zu einer<br />
multireligiösen Gesellschaft scheint unumkehrbar. Haben christliche Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
auch <strong>im</strong> fortwähren<strong>de</strong>n „Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung einer <strong>im</strong>mer engeren <strong>Union</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Völker Europas“ 12 noch Zukunft? 13<br />
Die Beantwortung dieser F<strong>ra</strong>ge hängt <strong>im</strong> wesentlichen von zwei Faktoren ab: In erster Linie<br />
ist innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> zunehmend individualistischen und gleichzeitig plu<strong>ra</strong>listischen europäischen<br />
Gesellschaft eine künftige positive Akzeptanz <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und <strong>de</strong>s christlichen Glaubens von<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung. Die Augen dürfen nicht davor verschlossen wer<strong>de</strong>n, daß in<br />
Gesamteuropa 14 seit mehreren Jahrzehnten eine schleichen<strong>de</strong>, aber kontinuierliche Entchristianisierung<br />
um sich greift, die sich in leeren Gotteshäusern, Kirchenaustritten sowie <strong>de</strong>m<br />
Verlust christlich-ethischer Werte innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft manifestiert. 15<br />
<strong>Das</strong> Menetekel<br />
9<br />
Vgl. K<strong>im</strong>minich, Europa als (geistes-)geschichtliche Erscheinung und politische Aufgabe,<br />
in: EssGespr. (27) 1993, S. 6 ff., 12 f.<br />
10<br />
F<strong>ra</strong>nz.: überstaatlich; vgl. zum Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Sup<strong>ra</strong>nationalität: Breitenmoser, Die Europäische<br />
<strong>Union</strong> zwischen Völkerrecht und Staatsrecht, ZaöRV 55 (1995), S. 951 ff., 972 ff.<br />
11<br />
Riedlaicher, PNP Nr. 260 vom 11.11.1996, S. 3.<br />
12<br />
Präambel <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>gs, 12. Erwägungsgrund.<br />
13<br />
Kissling, in: Loretan (Hrsg.), Kirche – Staat <strong>im</strong> Umbruch. Neuere Entwicklungen <strong>im</strong><br />
Verhältnis von Kirchen und an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften zum Staat, Zürich 1995,<br />
S. 141 ff., geht <strong><strong>de</strong>r</strong> hypothetischen, gleichwohl aber provokativen F<strong>ra</strong>ge nach: „Was wäre,<br />
wenn es die Kirchen nicht mehr gäbe?“; ähnlich: Lübbe, <strong>Das</strong> Christentum, die Kirchen und<br />
die europäische Einigung, EssGespr. (31) 1997, S. 107.<br />
14<br />
Ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch in <strong>de</strong>n osteuropäischen Staaten, die als Beitrittskandidaten vor <strong>de</strong>n Türen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EU stehen, herrscht ein virulenter Werteverfall und eine damit einhergehen<strong>de</strong> Sinnkrise,<br />
vgl. Boda, Die Kirche in Mittelosteuropa und die Zukunft Europas, in: Weiler/Laun (Hrsg.),<br />
Fn. 3, S. 93 ff., 95 f.<br />
15<br />
Vgl. SPIEGEL-Umf<strong>ra</strong>ge: Was glauben die Deutschen, in: Abschied von Gott. DER<br />
SPIEGEL Nr. 25/1992, S. 36 ff.<br />
3
4<br />
<strong>de</strong>s 1984 verstorbenen katholischen Theologen Karl Rahner vom künftigen Deutschland als<br />
einem „heidnischen Land mit christlicher Vergangenheit und christlichen Restbestän<strong>de</strong>n“ 16<br />
kann ohne große Abstriche auf die meisten <strong><strong>de</strong>r</strong> übrigen Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
<strong>Union</strong> übert<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n. Ein Grund hierfür mag in einer je<strong>de</strong> Fremdbest<strong>im</strong>mung durch<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Autoritäten ablehnen<strong>de</strong>n Zeitströmung liegen; mit Sicherheit können als Ursachen<br />
auch eine interne Reformscheu entgegen <strong>de</strong>m reformatorischen Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> ecclesia semper<br />
reformanda sowie ein unatt<strong>ra</strong>ktiv vorgelebtes Christsein seitens vieler aktiver Kirchgänger<br />
lokalisiert wer<strong>de</strong>n.<br />
In zweiter Linie wird für die Zukunft christlicher Kirchen und Religionsgemeinschaften von<br />
Be<strong>de</strong>utung sein, welcher Rahmen ihnen durch die Europäische <strong>Union</strong> gesteckt wird.<br />
Maßgeblich ist hier <strong><strong>de</strong>r</strong> Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen Religionsfreiheit in gleicher Weise wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schutz eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts kirchlicher Institutionen durch <strong>de</strong>n Staatenverbund. 17<br />
Der <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> stün<strong>de</strong> es nicht gut zu Gesicht, die „über<strong>ra</strong>gen<strong>de</strong> Prägek<strong>ra</strong>ft“ 18 <strong>de</strong>s<br />
Christentums als antiquierte Belanglosigkeit beiseite zu schieben, um sich vermeintlich<br />
vordringlicheren Themen besser widmen zu können. Eine nur durch eine gemeinsame Politik,<br />
Währung und Wirtschaft zusammengehaltene <strong>Union</strong> wiese eine <strong>de</strong>utliche Schieflage auf. Die<br />
in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten weitverbreitete Ablehnung <strong><strong>de</strong>r</strong> „Brüsseler Bürok<strong>ra</strong>tie“, die durch<br />
jüngsten Rücktritt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Kommission infolge „Vetternwirtschaft“ nur geschürt<br />
wur<strong>de</strong>, hat mehr als <strong>de</strong>utlich gemacht, daß es unumgänglich ist, „Europa so etwas wie eine<br />
Seele zu geben“. 19<br />
16 Auch Bleistein, Deutschland – Missionsland? Reflexionen zur religiösen Situation,<br />
SdZ 1998, S. 399 ff., sowie Fietz, Bericht über die 30. „Essener Gespräche zum Thema<br />
Staat und Kirche“, KuR 980, S. 11, gestehen nüchtern ein, daß Deutschland wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
„Missionsland“ gewor<strong>de</strong>n sei.<br />
17 Schon früh hat Pernice, <strong>Religionsrecht</strong>liche Aspekte <strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrecht,<br />
JZ 1977, S. 777 ff., 780, die F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong> „Fortschreibung innerstaatlich gewährter<br />
,Privilegien‘ für Religionsgemeinschaften auf europäischer Ebene“ aufgeworfen. Nach<br />
längerem Stillschweigen wur<strong>de</strong> die F<strong>ra</strong>ge von Hollerbach, Europa und das Staatskirchenrecht,<br />
ZevKR 35 (1990), S. 250 ff., neu aufgegriffen und erfuhr ab Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre eine<br />
verstärkte Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung in <strong><strong>de</strong>r</strong> religionsrechtlichen Lite<strong>ra</strong>tur.<br />
18 Diese Terminologie wählte das BVerfG <strong>im</strong> „Kruzifix-Urteil“, BVerfGE 93, S. 1 ff., 22.<br />
Auch Kirchhof, Die Gewaltenbalance zwischen staatlichen und europäischen Organen,<br />
JZ 1998, S. 965, mahnt eine Rückbesinnung auf die Quellen <strong>de</strong>s Europarechts an, die aus<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen T<strong>ra</strong>dition nicht nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufklärung, <strong>de</strong>s Humanismus und <strong>de</strong>s Wirtschaftslibe<strong>ra</strong>lismus,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch <strong>de</strong>s Christentums flössen. Ähnlich: Folkers, Grundwerte<br />
in unserer Verfassung – ihr religiöser Ursprung und Gehalt, KuR 110, S. 73 ff., 74.<br />
19 Delors, Zitat bei Göckenjan, Europäische Ökumenische Kommission für Kirche und<br />
Gesellschaft (EECCS), MD 1996, S. 28 ff., 30.
Ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften können dazu beit<strong>ra</strong>gen, dieses – <strong>de</strong>m<br />
ehemaligen Kommissionspräsi<strong>de</strong>nten Jacques Delors zugeschriebene – Bonmot umzusetzen.<br />
<strong>Das</strong> Entstehen neuer Religionen, Sekten und <strong><strong>de</strong>r</strong> New-Age-Bewegung ist ein hinreichen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Beleg dafür, daß das Bedürfnis <strong>de</strong>s Menschen nach Klärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sinnf<strong>ra</strong>ge und nach<br />
T<strong>ra</strong>nszen<strong>de</strong>nz nicht nur in Westeuropa, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch in <strong>de</strong>m von I<strong>de</strong>ologien und totalitären<br />
Strukturen befreiten Mittel- und Osteuropa nach <strong>de</strong>m Zusammenbruch <strong><strong>de</strong>r</strong> atheistischen<br />
Reg<strong>im</strong>e ungebrochen ist. 20 Der von kirchlicher Seite geäußerte Ausspruch, es seien ge<strong>ra</strong><strong>de</strong><br />
„die Kirchen, <strong>de</strong>nen die schwierige Aufgabe zukomme, die Einheit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Gemeinschaft unter Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterschiedlichkeit bzw. I<strong>de</strong>ntität eines je<strong>de</strong>n nationalen<br />
Gebil<strong>de</strong>s anzukurbeln“, 21 scheint nun vielleicht doch allzu selbstbewußt; treffend ist<br />
gleichwohl geäußert wor<strong>de</strong>n: „Ohne christliche Kirchen wäre Europa ärmer“ 22 , weil dieses –<br />
mehr <strong>de</strong>nn je – glaubhaften Vermittlern <strong><strong>de</strong>r</strong> christlich-ethischen Werte bedarf. 23<br />
Ungeachtet jeglicher Präferenz für eine best<strong>im</strong>mte Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft<br />
gebietet es <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtliche Gleichheitssatz – sofern man nicht analog <strong>de</strong>n<br />
Grundprinzipien <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen <strong>Religionsrecht</strong>s eine Verpflichtung <strong>de</strong>s Gemeinwesens zur<br />
Neut<strong>ra</strong>lität, Parität und Tole<strong>ra</strong>nz statuieren will – je<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft die<br />
notwendigen Ga<strong>ra</strong>ntien zuzugestehen, damit diese in gleicher Weise wie die etablierten<br />
Kirchen von ihrer Religionsfreiheit Geb<strong>ra</strong>uch machen kann.<br />
Der Säkularisierungsprozeß, wie er sich in d<strong>ra</strong>stischer Weise nicht nur in <strong>de</strong>n neuen<br />
Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n dokumentiert, macht <strong>de</strong>utlich, daß die <strong>de</strong>utschen Großkirchen ihrem Anspruch<br />
als „Volkskirche“ schon jetzt nicht mehr gerecht wer<strong>de</strong>n. Im multikulturellen und damit auch<br />
multikonfessionellen Europa heißt es, „endgültig Abschied zu nehmen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstellung, es<br />
gebe nur die bei<strong>de</strong>n Großkirchen und einige kleine, zahlenmäßig unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Sekten“. 24<br />
20 Hafner, Kirchen <strong>im</strong> Kontext <strong><strong>de</strong>r</strong> Grund- und Menschenrechte, S. 99 ff., 106.<br />
21 Dalla Torre, Situation et auto-compréhension <strong>de</strong>s églises et <strong>de</strong>s religions en Europe, S. 4:<br />
„C’est donc aux Églises que revient la tâche difficile, mais pas <strong>im</strong>possible, <strong>de</strong> favoriser<br />
l’unité <strong>de</strong> la communauté politique européenne tout en préservant la diversité – ou plus<br />
exactement, l’i<strong>de</strong>ntité – <strong>de</strong> chacune <strong>de</strong>s entités nationales.“ Ähnlich Hafner, Fn. 20, S. 107,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Standpunkt vertritt, daß „ein wirtschaftlicher und politischer Zusammenschluß<br />
Europas nur dann gelingen kann, wenn darin das religiöse und namentlich das christliche<br />
Element als sinnstiften<strong>de</strong> und Geborgenheit vermitteln<strong>de</strong> K<strong>ra</strong>ft gebührend berücksichtigt<br />
wird.“<br />
22 Zulehner, PNP Nr. 258 vom 8.11.1996, S. 8.<br />
23 Ähnlich Rauch, Der Heilige Stuhl und die Europäische <strong>Union</strong>, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995, S. 109.<br />
24 So Müller-Volbehr, Staatskirchenrecht <strong>im</strong> Umbruch, ZRP 1991, S. 345 ff., 346.<br />
5
6<br />
I. Einführung in die Thematik (Gegenstand und Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Untersuchung)<br />
Nach <strong>de</strong>m erklärten Willen <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ist ein Zusammenwachsen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EU nicht nur in wirtschaftlicher, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch in politischer Hinsicht beabsichtigt.<br />
Dadurch wer<strong>de</strong>n allerdings <strong>im</strong>mer mehr Materien mit nicht-ökonomischem Bezug geregelt,<br />
die bisher <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten vorbehalten waren. Dementsprechend existieren vor allem bei<br />
Institutionen unterhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, z.B. bei <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n, aber<br />
auch bei Kirchen und Religionsgemeinschaften, begrün<strong>de</strong>te Befürchtungen, daß sich<br />
hierdurch eine Eigendynamik entwickeln könnte, die spezifisch nationale Interessen in nur<br />
ungenügen<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise berücksichtigt.<br />
Abgesehen von <strong>de</strong>m in Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV geregelten Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus<br />
religiösen Grün<strong>de</strong>n und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g beigefügten gemeinsamen Erklärung<br />
Nr. 11 zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften bestehen nahezu keine<br />
ausdrücklichen pr<strong>im</strong>ärrechtlichen Regelungen zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften.<br />
Es wird daher zu klären sein, in welchem Umfang das mitgliedstaatliche <strong>Religionsrecht</strong><br />
bislang auf die EU übert<strong>ra</strong>gen wor<strong>de</strong>n ist, ob allgemeinere Vorschriften <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs und<br />
EU-Vert<strong>ra</strong>gs, wie z.B. die Freizügigkeitsregeln, auf Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
unmittelbar Anwendung fin<strong>de</strong>n können o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob für diese eine Art „Bereichsausnahme“<br />
existiert. Da ein geschriebener Grundrechtskatalog <strong><strong>de</strong>r</strong> EU bislang noch nicht ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t<br />
wur<strong>de</strong>, bleibt für die Entwicklung gemeinschaftsrechtlicher Religionsfreiheit ein Rückgriff<br />
über die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV auf die mitgliedstaatlichen<br />
Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen sowie auf Art. 9 <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Menschenrechtskonvention und<br />
<strong>de</strong>ssen Auslegung durch die St<strong>ra</strong>ßburger Menschenrechtsorgane unumgänglich. Allerdings<br />
liegt <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwerpunkt dieser Abhandlung nicht etwa in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsvergleichung, 25<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n bei<br />
<strong>de</strong>n religionsrechtlichen Anknüpfungspunkten <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht selbst.<br />
Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Untersuchung ist es, zu klären, in welchem Maße auf EU-Ebene schon<br />
Ansätze zu einem eigenständigen <strong>Religionsrecht</strong> vorhan<strong>de</strong>n sind. Hierzu sollen einerseits<br />
verschie<strong>de</strong>ne Kompetenzbest<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts einer näheren Bet<strong>ra</strong>chtung<br />
25 So jüngst Conring, Korpo<strong>ra</strong>tive Religionsfreiheit in Europa. Eine rechtsvergleichen<strong>de</strong><br />
Bet<strong>ra</strong>chtung – Zugleich ein Beit<strong>ra</strong>g zu Artikel 9 EMRK, F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. – Berlin – Bern u.a.<br />
1998. Dieser setzt sich <strong>im</strong> wesentlichen mit <strong>de</strong>m <strong>Religionsrecht</strong> in Österreich, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schweizerischen Eidgenossenschaft und <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>, vgl.<br />
Conring, a.a.O., S. 87 – 297.
unterzogen, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits thematisch einzelne Integ<strong>ra</strong>tionsfel<strong><strong>de</strong>r</strong> beleuchtet wer<strong>de</strong>n. Der Reiz –<br />
und gleichzeitig auch Schwierigkeit – dieser Untersuchung besteht darin, daß sich vielerorts<br />
<strong>im</strong> pr<strong>im</strong>ären und sekundären Gemeinschaftsrecht Vorschriften fin<strong>de</strong>n, welche die<br />
Religionsfreiheit bzw. kirchliche Belange zum Teil peripher, zum Teil in hohem Maße,<br />
berühren. Auch wenn in einigen Bereichen die Konturen noch recht schemenhaft ausgeprägt<br />
sein mögen, lassen sich aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenschau <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Best<strong>im</strong>mungen<br />
bereits erste Ansätze eines <strong>Europäischen</strong> <strong>Religionsrecht</strong>s aufzeigen.<br />
Gerhard Robbers, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich wie kaum ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er mit <strong><strong>de</strong>r</strong> hier behan<strong>de</strong>lten Materie<br />
auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>gesetzt hat, 26 spricht zu Recht davon, daß sich – auch wenn dies öffentlich kaum<br />
wahrgenommen wer<strong>de</strong> – in <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Rechtsetzung, Rechtsprechung und Rechtswirklichkeit<br />
ein faktisches Recht über Kirchen und Religion etabliert habe. 27 Gemeinschaftsrecht<br />
und <strong>Religionsrecht</strong> stehen damit nicht als zwei streng zu trennen<strong>de</strong> Materien<br />
nebeneinan<strong><strong>de</strong>r</strong>, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sind mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger stark verzahnt, so wie dies mittlerweile selbst<br />
für das St<strong>ra</strong>frecht, 28 das Zivilprozeßrecht 29 o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Sport 30<br />
angenommen wer<strong>de</strong>n muß. Selbst<br />
wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g eine mitgliedstaatliche Materie „unberührt“ läßt, wie dies für die<br />
Eigentumsordnung in Art. 295 (ex-Art. 222) EGV ausdrücklich normiert wird, ist es durchaus<br />
<strong>de</strong>nkbar, daß durch das Gemeinschaftsrecht massive Eingriffe in eigentumsrelevante<br />
Positionen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten erfolgen können, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Streit um die Bananenmarktordnung<br />
in jüngster Vergangenheit <strong>de</strong>utlich vor Augen geführt hat. Ähnliches muß man auch <strong>im</strong><br />
Hinblick auf die durch <strong>de</strong>n Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>te „Kirchenerklärung“<br />
befürchten. Hierdurch wird <strong>de</strong>utlich, daß das zent<strong>ra</strong>le Anliegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften<br />
die Anerkennung eines eigenen Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts auf EU-Ebene sein muß.<br />
Trotz <strong>de</strong>s Ringens um Objektivität wird die Argumentation i.R.d. religionsrechtlichen<br />
Lite<strong>ra</strong>tur weitgehend vom persönlichen Standort <strong>de</strong>s Verfassers best<strong>im</strong>mt. Nebenprodukt<br />
dieser Untersuchung ist die Erkenntnis, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Dienste einer <strong>de</strong>utschen Großkirche<br />
stehen<strong>de</strong> Amtsträger in aller Regel eine vom säkularen Europarechtler o<strong><strong>de</strong>r</strong> Vertreter einer<br />
26 Vgl. nur die Ausführungen von Böttcher, Kirche und Staat in Europa, ZevKR 42 (1997),<br />
S. 116 ff., 119.<br />
27 Robbers, Europa und die Kirchen – Die Kirchenerklärung von Amsterdam, SdZ 216 (1998),<br />
S. 147 ff., 150.<br />
28 Vgl. Dannecker, Die Entwicklung <strong>de</strong>s St<strong>ra</strong>frechts unter <strong>de</strong>m Einfluß <strong>de</strong>s Gemeinschafts-<br />
rechts, Ju<strong>ra</strong> 1998, S. 79 ff.<br />
29 Vgl. Basedow, Die Harmonisierung <strong>de</strong>s Kollisionsrechts nach <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam,<br />
EuZW 1997, S. 609; Knütel, Ius commune und Römisches Recht vor Gerichten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, JuS 1996, S. 768 ff.; Schlosser, Europarecht und Zivilprozeßrecht,<br />
Ju<strong>ra</strong> 1998, S. 65 ff.<br />
30 Vgl. schon Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Sport und europäische Integ<strong>ra</strong>tion, München 1989, S. 33 ff.<br />
7
8<br />
kleineren Religionsgemeinschaft differieren<strong>de</strong> Position einn<strong>im</strong>mt. Darüber hinaus kann<br />
maßgeblich sein, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweilige Autor einem Mitgliedstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> EU angehört, <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />
und Religionsgemeinschaften bereits weitgehen<strong>de</strong> Rechte eingeräumt hat, o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht.<br />
Während ersterer angesichts <strong>de</strong>s drohen<strong>de</strong>n Rechtsverlusts zumeist auf die Erhaltung <strong>de</strong>s<br />
mitgliedstaatlichen status quo pochen wird, strebt sein Kollege aus <strong>de</strong>m Mitgliedstaat, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n<br />
Religionsgemeinschaften nur geringe Individual- und Körperschaftsrechte zugesteht,<br />
ten<strong>de</strong>nziell eher eine Verbesserung <strong>de</strong>s bisherigen Status auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />
an. 31 Wie das gesamte Thema Glaube und Religion schlechthin, so ist auch das<br />
<strong>Religionsrecht</strong> ein mit starken Emotionen bef<strong>ra</strong>chtetes Ter<strong>ra</strong>in; leicht können die unterschiedlichen<br />
Auffassungen zu Verletzlichkeiten, diese wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um zu Spaltungen führen. 32 Auch <strong>de</strong>m<br />
vorliegen<strong>de</strong>n Beit<strong>ra</strong>g mag aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> freikirchlichen Prägung <strong>de</strong>s Verfassers eine gewisse<br />
Ten<strong>de</strong>nzhaftigkeit zugrun<strong>de</strong> liegen, die u.a. bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchensteuerproblematik zutage tritt. Dies geschieht jedoch nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Absicht, begrün<strong>de</strong>te<br />
Meinungen an<strong><strong>de</strong>r</strong>er abzuqualifizieren o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar zu polemisieren; 33<br />
vielmehr erhofft sich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verfasser einen gegenseitig befruchten<strong>de</strong>n Dialog.<br />
Mehr Licht auf dieses „klan<strong>de</strong>stine <strong>Religionsrecht</strong>“ 34<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> zu werfen und<br />
die Implikationen he<strong>ra</strong>uszuarbeiten, welche die fortschreiten<strong>de</strong> Integ<strong>ra</strong>tion auf das<br />
<strong>Religionsrecht</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten hat, sind die vor<strong>ra</strong>ngigen Ziele, <strong>de</strong>nen diese Abhandlung<br />
gerecht wer<strong>de</strong>n soll.<br />
31<br />
Vgl. Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len, Towards a common legal concept for the relation between churches and state<br />
with respect to the European <strong>Union</strong>, in: Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/Tempel/Torfs (Hrsg.), Which relationships<br />
between churches and the European <strong>Union</strong>? – Quelles relations entre les églises et l’<strong>Union</strong><br />
Européenne, Leuven 1995, S. 7: „When officials of the established German churches,<br />
protestant as well as roman-catholic, think of the European <strong>Union</strong>, they do this with some<br />
anxiety. They feel concerned regarding the future of church-state law in Germany coming<br />
un<strong><strong>de</strong>r</strong> increasing pressure from European legal <strong>de</strong>velopments. When a representative of<br />
French churches, catholics inclu<strong>de</strong>d, thinks of the EU, he or she might feel much concerned<br />
about the preeminence of economic consi<strong><strong>de</strong>r</strong>ations in the construction of Europe, but there<br />
will be little complaints about non-existant legal relations between the churches and the<br />
Community.“<br />
32<br />
Insoweit st<strong>im</strong>me ich Robbers, <strong>Das</strong> Verhältnis von Staat und Kirche in Europa, ZevKR 42<br />
(1997), S. 122 ff., 122, voll zu.<br />
33<br />
Teilweise – auf Namensnennungen soll hier verzichtet wer<strong>de</strong>n – wird auch begrün<strong>de</strong>te<br />
Kritik am status quo <strong>de</strong>utscher Großkirchen leichtfertig als „Polemik“, „Einfalt“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong><br />
Hinblick auf eine „i<strong>de</strong>ologische Herkunft“ abgetan.<br />
34<br />
Robbers, Fn. 27, S. 150.
1. Der Begriff <strong>de</strong>s Europarechts 35<br />
II. Begriffsbest<strong>im</strong>mungen<br />
a) Europarecht <strong>im</strong> engeren und <strong>im</strong> weiteren Sinne<br />
Als Europarecht i.w.S. bezeichnet man das Recht aller europäischen internationalen<br />
Organisationen, gleich ob diese west- 36 , gesamteuropäische 37 o<strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistische 38<br />
Ausrichtung haben. 39<br />
Vom Europarecht i.e.S. spricht man dagegen, wenn das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> in Re<strong>de</strong> steht. Wird nachfolgend <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>de</strong>s Europarechts verwandt,<br />
so ist hiermit ausschließlich das Europarecht i.e.S. gemeint.<br />
Um eine bessere Einordnung i.R.d. <strong>Religionsrecht</strong>s zu ermöglichen, soll an dieser Stelle kurz<br />
auf das Recht an<strong><strong>de</strong>r</strong>er europäischer internationaler Organisationen eingegangen wer<strong>de</strong>n,<br />
soweit sich dort religionsrechtliche Anknüpfungspunkte fin<strong>de</strong>n.<br />
aa) „Europarecht“ i.S.d. OSZE 40<br />
Die am 1. August 1975 in Helsinki von 33 Staaten Europas, <strong>de</strong>n USA und Kanada<br />
41<br />
unterzeichnete Schlußakte <strong><strong>de</strong>r</strong> „Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“<br />
(KSZE) stellt zwar keinen völkerrechtlichen Vert<strong>ra</strong>g, jedoch eine be<strong>de</strong>utsame politische<br />
Absichtserklärung (sog. soft law) dar. In ihr wird u.a. die Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und<br />
Grundfreiheiten – die „Gegenleistung“ <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemaligen Ostblockstaaten für <strong>de</strong>n Import<br />
westlicher Industrieprodukte 42<br />
– als t<strong>ra</strong>gen<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz he<strong>ra</strong>usgestellt. Diese in „Korb I“ <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schlußakte erwähnten Menschenrechte und Grundfreiheiten umfassen unter Ziff. VII<br />
35<br />
Vgl. zu <strong>de</strong>n Begrifflichkeiten: Schweitzer/Hummer, Europarecht, 5. Aufl., Rdnrn. 7 – 9; 20.<br />
36<br />
Z.B. NATO, WEU, OECD, EFTA, EWG, EAG und EGKS.<br />
37<br />
Z.B. Europa<strong>ra</strong>t, OSZE.<br />
38<br />
Z.B. COMECON, Warschauer Pakt.<br />
39<br />
Eine ausführliche Übersicht über die wichtigsten internationalen europäischen Organisationen<br />
fin<strong>de</strong>t sich bei Schweitzer, Staatsrecht III, 6. Aufl. 1997, Rdnr. 15.<br />
40<br />
Allgemein hierzu Her<strong>de</strong>gen, Europarecht, 2. Aufl., München 1999, § 33 = Rdnrn. 478 ff.<br />
41<br />
BullBReg 1975, S. 968.<br />
42<br />
So Hafner, Fn. 20, S. 105.<br />
9
10<br />
ausdrücklich die „Gedanken-, Gewissens-, Religions- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Überzeugungsfreiheit für alle ohne<br />
Unterschied <strong><strong>de</strong>r</strong> Rasse <strong>de</strong>s Geschlechts, <strong><strong>de</strong>r</strong> Sp<strong>ra</strong>che o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion“. 43 Die wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holte<br />
Berufung auf die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte enthaltenen Prinzipien einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />
trug – ungeachtet <strong><strong>de</strong>r</strong> nur politischen Verbindlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte – maßgeblich zur<br />
Erosion <strong>de</strong>s Kommunismus in Osteuropa bei. 44<br />
Mit <strong>de</strong>m Zusammenbruch <strong>de</strong>s Ostblocks hat<br />
die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> KSZE allerdings gleichsam abgenommen.<br />
Auf <strong>de</strong>m dritten Folgetreffen vom 4. November 1986 bis 19. Januar 1989 in Wien<br />
verpflichteten sich die Teilnehmerstaaten <strong>im</strong> Abschließen<strong>de</strong>n Dokument <strong>de</strong>s Wiener KSZE-<br />
Folgetreffens vom 15. Januar 1989 zur Gewährung umfangreicher religiöser Freiheitsrechte.<br />
So wur<strong>de</strong> u.a. die Achtung <strong>de</strong>s Rechts religiöser Gemeinschaften <strong>im</strong> Hinblick auf ihre<br />
Selbstorganisation anerkannt, sofern diese <strong>im</strong> verfassungsmäßigen Rahmen ihres Staates zu<br />
wirken bereit sind. 45 Dieses Abschlußdokument ist vor allem auf die Diplomatie <strong>de</strong>s Heiligen<br />
Stuhls zurückzuführen, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n KSZE-Prozeß als eine <strong><strong>de</strong>r</strong> treiben<strong>de</strong>n Kräfte mitbegleitet<br />
hat. 46<br />
Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> KSZE ist Anfang 1995 die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in<br />
Europa (OSZE) hervorgegangen, welcher am 1. Januar 1997 neben <strong><strong>de</strong>r</strong> USA und Kanada alle<br />
53 europäischen Staaten mit Ausnahme <strong>de</strong>s Staates <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikanstadt – an seiner Stelle ist<br />
43<br />
Vgl. genauen Wortlaut bei Schweitzer/Rudolf, Frie<strong>de</strong>nsvölkerrecht, 2. Aufl., Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n<br />
1979, S. 478.<br />
44<br />
Ce<strong>de</strong>, Fn. 5, S. 155 f.<br />
45<br />
Der vollständige Text <strong>de</strong>s Wiener Abschlußdokuments ist abgedruckt unter EuGRZ 1989,<br />
S. 85 ff., 88 f., wobei Ziff. 16 die Religionsfreiheit in weitem Umfang gewährleistet.<br />
Be<strong>de</strong>utsam ist u.a. das in Ziff. 16.4 genannte Prinzip:<br />
„16. Um die Freiheit <strong>de</strong>s einzelnen zu gewährleisten, sich zu seiner Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Überzeugung<br />
zu bekennen und diese auszuüben, wer<strong>de</strong>n die Teilnehmerstaaten unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em<br />
[...]<br />
16.4. das Recht dieser religiösen Gemeinschaften achten,<br />
- frei zugängliche Andachts- und Versammlungsorte einzurichten und zu erhalten,<br />
- sich nach ihrer eigenen hie<strong>ra</strong>rchischen und institutionellen Struktur zu organisieren,<br />
- ihr Personal in Übereinst<strong>im</strong>mung mit ihren jeweiligen Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen und Normen sowie<br />
mit etwaigen zwischen ihnen und ihrem Staat freiwillig vereinbarten Regelungen<br />
auszuwählen, zu ernennen und auszutauschen [...].“<br />
Allerdings stehen diese Gewährungen unter einem Gesetzesvorbehalt (Ziff. 17), vgl. hierzu<br />
Tretter, Die Menschenrechte <strong>im</strong> Abschließen<strong>de</strong>n Dokument <strong>de</strong>s Wiener KSZE-Folgetreffens<br />
vom 15. Januar 1989, EuGRZ 1989, S. 79 ff., 82.<br />
46<br />
HdbStKirchR/K<strong>im</strong>minich, Die internationalen Beziehungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und das Recht auf<br />
freien Verkehr, § 47, S. 217 ff., 235.
jedoch <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl Mitglied – angehörten, 47 wobei dieser Namenswechsel we<strong><strong>de</strong>r</strong> an <strong>de</strong>n<br />
bisherigen KSZE-Verpflichtungen noch am Status <strong><strong>de</strong>r</strong> KSZE etwas geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t hat. 48<br />
Aus diesem Grund ist z.B. das am 19. September 1997 von <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsduma ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>te<br />
und am 1. Oktober 1997 in K<strong>ra</strong>ft getretene Bun<strong>de</strong>sgesetz <strong><strong>de</strong>r</strong> Russischen Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ation „über die<br />
Freiheit <strong>de</strong>s Gewissens und religiösen Vereinigungen“ (RelG) 49 <strong>im</strong> Hinblick auf die von<br />
Rußland eingegangenen KSZE-Verpflichtungen als sehr be<strong>de</strong>nklich einzustufen, zumal nur<br />
registrierten religiösen Organisationen i.S.d. Art. 8 RelG elementare Rechte nach<br />
Art. 15 ff. RelG (z.B. Verlagsrechte 50 ; Recht zur Einrichtung von Ausbildungsstätten 51 )<br />
gewährt wer<strong>de</strong>n. <strong>Das</strong> offizielle Wirken <strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Organisationen in Rußland muß gemäß<br />
Art. 9 RelG durch eine jährliche Registrierung über einen Zeit<strong>ra</strong>um von min<strong>de</strong>stens 15 Jahren<br />
belegt sein. Dies ist für viele protestantische und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e christliche Glaubensgemeinschaften<br />
nahezu unmöglich, da jegliches Glaubensbekenntnis <strong>im</strong> sozialistischen Reg<strong>im</strong>e nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Orthodoxen<br />
Kirche gestattet war, so daß alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Untergrund<br />
arbeiten mußten. Dies än<strong><strong>de</strong>r</strong>te sich erst mit <strong>de</strong>m libe<strong>ra</strong>len Gesetz <strong><strong>de</strong>r</strong> Russischen Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ation<br />
„über die Gewissensfreiheit und die religiösen Organisationen“ vom Oktober 1990. 52<br />
Abgesehen davon steht das neue Religionsgesetz m.E. ein<strong>de</strong>utig <strong>im</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zu Art. 14<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Russischen Verfassung von 1993, wonach alle Religionsgemeinschaften unabhängig vom<br />
Staat und gleich vor <strong>de</strong>m Gesetz sind, 53<br />
und ist überdies mit Art. 9 <strong><strong>de</strong>r</strong> Konvention zum<br />
Schutze <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (Europäische<br />
47<br />
Schweitzer, Fn. 39, Rdnr. 15.<br />
48<br />
So auch Her<strong>de</strong>gen, Fn. 40, Rdnr. 485.<br />
49<br />
EuGRZ 1997, S. 527 ff.; vgl. hierzu u.a. Hämmerle, Gewissensfreiheit in Rußland – Zum<br />
neuen Gesetz über Gewissensfreiheit und religiöse Vereinigungen, MD 1998, S. 28 ff.<br />
50<br />
Vgl. <strong>im</strong> Gegensatz hierzu das Wiener Abschlußdokument: „[...]<br />
16.10. religiösen Bekenntnissen, Institutionen und Organisationen die Herstellung, Einfuhr<br />
und Verbreitung religiöser Veröffentlichungen und Materialien gestatten“. Sofern hier und<br />
<strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>n einzelne Wörter in Zitaten kursiv gedruckt sind, han<strong>de</strong>lt es sich ausnahmslos<br />
um Hervorhebungen durch <strong>de</strong>n Verfasser.<br />
51<br />
Vgl. hierzu das Wiener Abschlußdokument: „[...]<br />
16.8. die Ausbildung von Personal religiöser Gemeinschaften in geeigneten Institutionen<br />
gestatten“.<br />
52<br />
Vgl. Neubert, SZ Nr. 143 vom 25.7.1997, S. 7; WiRO 1998, S. 30; vgl. zum russischen<br />
Religionsgesetz von 1990: Kowalskij, Die geistigen Grundlagen Europas in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zukunft –<br />
Kirche und Staat <strong>im</strong> Lichte <strong>de</strong>s europäischen Prozesses, in: Weiler/Laun (Hrsg.), Wien<br />
1991, S. 66 ff., 71.<br />
53<br />
Neubert, SZ Nr. 208 vom 10.9.1997, S. 13, spricht zu Recht von einer religiösen „Zwei-<br />
Klassen-Gesellschaft“ infolge <strong>de</strong>s neuen Religionsgesetzes.<br />
11
12<br />
Menschenrechtskonvention, EMRK), welche Rußland am 5. Mai 1998 <strong>ra</strong>tifiziert hat, 54<br />
unvereinbar. 55<br />
bb) „Europarecht“ i.S.d. Europa<strong>ra</strong>ts<br />
Am 5. Mai 1949 wur<strong>de</strong> in London <strong><strong>de</strong>r</strong> Europa<strong>ra</strong>t gegrün<strong>de</strong>t, <strong><strong>de</strong>r</strong> eine „engere Verbindung<br />
zwischen seinen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n zum Schutze und zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>ale und Grundsätze, die<br />
ihr gemeinsames Erbe bil<strong>de</strong>n“ durch <strong>de</strong>n Abschluß von Abkommen sowie „durch <strong>de</strong>n Schutz<br />
und die Fortentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten“ schaffen sollte. 56<br />
Mittlerweile umfaßt <strong><strong>de</strong>r</strong> Europa<strong>ra</strong>t 41 Vert<strong>ra</strong>gsstaaten, die zugleich alle auch Vert<strong>ra</strong>gsstaaten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK sind. 57 Die EMRK stellt das wichtigste Dokument <strong><strong>de</strong>r</strong> über 150 Konventionen <strong>de</strong>s<br />
Europa<strong>ra</strong>tes dar. 58 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit ist die EMRK um ein Zusatzprotokoll 59 sowie um weitere<br />
10 Protokolle ergänzt wor<strong>de</strong>n, 60 wobei das am 1. November 1998 in K<strong>ra</strong>ft getretene Protokoll<br />
Nr. 11 zu einer be<strong>de</strong>utsamen Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Rechtsschutzsystems <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK geführt hat. 61<br />
Die EMRK enthält die klassischen Individualgrundrechte, aber keine sozialen Grundrechte, da<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Europa<strong>ra</strong>t hierfür speziell die Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 62<br />
geschaffen hat. Letztgenannte Konvention ist zwar 1965 in K<strong>ra</strong>ft getreten, kennt allerdings<br />
54<br />
Vgl. EuGRZ 1998, S. 308.<br />
55<br />
Dies räumte selbst <strong><strong>de</strong>r</strong> russische Präsi<strong>de</strong>nt Boris Jelzin ein, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich zunächst weigerte, das<br />
RelG zu unterzeichnen und dies so begrün<strong>de</strong>te: „Viele Passagen <strong>de</strong>s Gesetzes schränken die<br />
Verfassungsrechte und -freiheiten <strong>de</strong>s Bürgers ein, schaffen ein Ungleichgewicht zwischen<br />
<strong>de</strong>n Konfessionen und wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen internationalen Grundsätzen, zu <strong>de</strong>nen sich Rußland<br />
verpflichtet hat.“, vgl. SZ Nr. 142 vom 24.7.1997, S. 6.<br />
56<br />
Vgl. Art. 1 lit. a, b <strong><strong>de</strong>r</strong> Satzung <strong>de</strong>s Europa<strong>ra</strong>tes; abgedruckt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Textsammlung<br />
Sartorius II, Nr. 110; BGBl. 1950 II, S. 263; 1953 II, S. 558.<br />
57<br />
EuGRZ 1999, S. 436.<br />
58<br />
Abgedruckt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Textsammlung Sartorius II, Nr. 130; BGBl. 1954 II, S. 14; vgl. zur<br />
Entstehung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK Conring, Fn. 25, S. 298 ff.<br />
59<br />
Abgedruckt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Textsammlung Sartorius II, Nr. 131; BGBl. 1957 II, S. 226.<br />
60<br />
Abgedruckt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Textsammlung Sartorius II, Nr. 132 ff. Die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
hat die EMRK selbst sowie die Protokolle Nr. 2-6 und 8-11 <strong>ra</strong>tifiziert. Obwohl die EMRK<br />
in Deutschland nur <strong>de</strong>n Rang eines einfachen Gesetzes besitzt, müssen Grundrechte <strong>de</strong>s<br />
Grundgesetzes <strong>im</strong> Einklang mit Text <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK sowie Auslegung durch <strong>de</strong>n EGMR<br />
stehen; vgl. BVerfGE 74, S. 358 ff., 370, sowie Schweitzer, Fn. 39, Rdnrn. 707 ff.; vgl. zur<br />
innerstaatlichen Geltung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK in verschie<strong>de</strong>nen Mitgliedstaaten Conring, Fn. 25,<br />
S. 307 ff.<br />
61<br />
Vgl. hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>s alten zum neuen Verfahren die Ausführungen unten<br />
M.I.2.c).<br />
62<br />
Abgedruckt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Textsammlung Sartorius II, Nr. 115; BGBl. 1964 II, S. 1261; BGBl.<br />
1965 II, S. 1122.
kein eigenes Rechtsschutzsystem zur Geltendmachung ihrer Rechte (z.B. Recht auf Arbeit;<br />
Recht auf Fürsorge). Obwohl alle Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft an die EMRK gebun<strong>de</strong>n<br />
sind, ist es in Irland und <strong>de</strong>m Vereinigten Königreich nicht möglich, sich vor nationalen<br />
Gerichten auf die EMRK zu berufen. 63<br />
b) Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong><br />
Gegenstand dieser Untersuchung wird schwerpunktmäßig das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong><br />
sein. Hierunter ist, wie es <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>g in Art. 1 (ex-Art. A) Abs. 3 EUV ausdrückt, das<br />
Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> drei sup<strong>ra</strong>nationalen <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften EG (vormals EWG), EGKS und<br />
EAG als Grundlage <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>, ergänzt durch die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />
(GASP) sowie die Zusammenarbeit in <strong>de</strong>n Bereichen Justiz und Inneres (ZBJI) zu verstehen.<br />
c) Gemeinschaftsrecht und <strong>Union</strong>srecht 64<br />
<strong>Das</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> drei <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften („Erste Säule“) wird dabei auch als<br />
Gemeinschaftsrecht bezeichnet, um es vom <strong>Union</strong>srecht, also <strong>de</strong>m Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> „Zweiten“<br />
(GASP) und „Dritten Säule“ (ZBJI) abzugrenzen.<br />
2. Staatskirchenrecht – <strong>Religionsrecht</strong> – Kirchenrecht<br />
a) „Staatskirchenrecht“<br />
aa) Kirche<br />
Der Begriff „Kirche“ bezeichnet die <strong>im</strong> christlichen Bekenntnis vereinigte Gemein<strong>de</strong> und<br />
Glaubensgemeinschaft, die <strong>im</strong> Anschluß an das Leben <strong>de</strong>s Religionsstifters Jesus Christus <strong>im</strong><br />
1. Jh. entstan<strong>de</strong>n ist. 65 Dies ergibt sich schon aus <strong><strong>de</strong>r</strong> griechischen Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Wortes<br />
Kirche Kyriake (Κψριακε = <strong>de</strong>m Herrn gehörig) 66<br />
. In allen christlichen Kirchen wird die<br />
Zugehörigkeit zum Herrn Jesus Christus durch die Taufe begrün<strong>de</strong>t bzw. symbolisiert. Die<br />
63 Vgl. Gaja, La Convention Européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme dans les ordres juridiques<br />
<strong>de</strong>s États membres <strong>de</strong> la Communauté Européenne, in: Iliopoulos-St<strong>ra</strong>ngas (Hrsg.), Grund-<br />
rechtsschutz <strong>im</strong> europäischen Raum, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1993, S. 131 ff., 133, dort Fn. 6.<br />
64 Ausführlich zum Verhältnis zwischen EU und <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften:<br />
Pechstein/Koenig, Die Europäische <strong>Union</strong>, Rdnrn. 93 ff.<br />
65 Köbler, Lexikon <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Rechtsgeschichte, Stichwort: Kirche.<br />
66 Alemann.: kilche; mittelhochdt.: kirche; engl.: church; schwed.: kyrka.<br />
13
14<br />
romanischen Sp<strong>ra</strong>chen geb<strong>ra</strong>uchen eher Ableitungen <strong>de</strong>s griechischen Ausdrucks Ecclesia<br />
(εχχλεσια = Versammlung bzw. durch Christus aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt He<strong>ra</strong>usgerufene). 67<br />
Nichtchristliche Religionsgemeinschaften kennen diese Verbun<strong>de</strong>nheit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Person Jesu<br />
Christi verständlicherweise nicht und können schon aus diesem Grun<strong>de</strong> per <strong>de</strong>finitionem nicht<br />
als Kirchen bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Es scheint daher sinnvoller, gemeinschaftsrechtlich von einem<br />
Begriff auszugehen, <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht nur christliche Glaubensgemeinschaften einbezieht – auch wenn<br />
christlicher Glaube und christliche Kirchen Europa in seiner heutigen Form nachhaltig geprägt<br />
haben.<br />
Eine Differenzierung dahingehend, ob eine „Kirche“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber eine sonstige „Religionsgemeinschaft“<br />
vorliegt, 68 b<strong>ra</strong>ucht <strong>im</strong> Hinblick auf die gewählte Themenstellung nicht<br />
getroffen wer<strong>de</strong>n, da das Gemeinschaftsrecht an <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche keine Rechtsfolge<br />
knüpft, die sich von einer Religionsgemeinschaft unterschei<strong>de</strong>t. Etwas an<strong><strong>de</strong>r</strong>es kann nur dort<br />
gelten, wo einer Organisation – etwa <strong><strong>de</strong>r</strong> „Church of Scientology“ 69 – die Anerkennung als<br />
Kirche versagt wird, weil es sich hierbei in erster Linie um ein Wirtschaftsunternehmen<br />
han<strong>de</strong>lt. Die Berufung auf die Religionsfreiheit, die für „Kirchen“ und<br />
„Religionsgemeinschaften“ unabhängig von ihrer Bezeichnung gleichermaßen zur<br />
Anwendung gelangen wür<strong>de</strong>, setzt vo<strong>ra</strong>us, daß es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong>n Organisation nicht<br />
nur ihrem äußeren Erscheinungsbild, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch ihrem geistigen Gehalt nach um eine<br />
solche han<strong>de</strong>lt. 70<br />
bb) Staatskirche<br />
Nach anfänglicher Verfolgung erlangte die christliche Kirche <strong>im</strong> Mailän<strong><strong>de</strong>r</strong> Tole<strong>ra</strong>nzedikt 71<br />
von 313 n.Chr. durch Kaiser Konstantin staatliche Anerkennung und <strong>im</strong> Jahre 391 n.Chr. <strong>de</strong>n<br />
Status einer Staatskirche. Diese enge Verbindung zwischen Staat und Kirche dokumentiert<br />
sich insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e darin, daß weltliches und geistliches Oberhaupt eines Territoriums<br />
zusammenfallen und überdies eine staatliche Aufsicht in kirchlichen Angelegenheiten besteht.<br />
67<br />
Span.: iglesia; f<strong>ra</strong>nz.: église; ital.: chiesa.<br />
68<br />
Vgl. hierzu Solte, Aktuelle F<strong>ra</strong>gen <strong>de</strong>s Schutzes <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen I<strong>de</strong>ntität, KuR 110,<br />
S. 85 ff., 92.<br />
69<br />
So das BAG, NJW 1996, S. 143.<br />
70<br />
Vgl. BVerfGE 88, S. 341 ff., 353.<br />
71<br />
Dieses ve<strong>ra</strong>nkerte schon zu einem frühen Zeitpunkt drei wichtige religionsrechtliche<br />
Grundsätze: Die Religionsfreiheit, die Gleichheit aller Religionen sowie die Rechtssicherheit<br />
vor Repressalien aufgrund einer best<strong>im</strong>mten Glaubensüberzeugung, vgl. hierzu Holze,<br />
Zur Erinnerung: <strong>Das</strong> Mailän<strong><strong>de</strong>r</strong> Edikt von 313 – Christentum in <strong><strong>de</strong>r</strong> Plu<strong>ra</strong>lität <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionen, in: Greive (Hrsg.), „Gott <strong>im</strong> Grundgesetz?“, Loccumer Protokolle 14/1993,<br />
Rehburg-Loccum 1994, S. 88 ff., 89.
Im Mittelalter war <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „Staatskirche“ noch nicht geläufig, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Corpus<br />
Christianum sowohl <strong>de</strong>n geistlichen als auch weltlichen Bereich umfaßte. Erst infolge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
reformatorischen Zwei-Reiche-Lehre 72<br />
spalteten sich kirchliche und staatliche Ordnung in<br />
zwei voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> unabhängige Bereiche auf. Im Laufe <strong>de</strong>s 16. bis 18. Jh. verbreitete sich in<br />
Deutschland schließlich die Auffassung, daß nur eine Religion <strong>im</strong> Staate zu dul<strong>de</strong>n sei; dies<br />
zog zumeist eine sehr enge Verbindung zwischen dieser Kirche und <strong>de</strong>m Staat nach sich.<br />
Cha<strong>ra</strong>kteristikum solcher Staatskirchen ist <strong><strong>de</strong>r</strong>en Alleinherrschaft o<strong><strong>de</strong>r</strong> zumin<strong>de</strong>st <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Dominanz über die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kirchen k<strong>ra</strong>ft staatlicher Anordnung, die Besteuerung aller<br />
Untertanen für diese Staatskirche sowie eine Besetzung leiten<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenämter von Staats<br />
wegen.<br />
cc) Staatskirchenrecht<br />
Obwohl das gelten<strong>de</strong> <strong>de</strong>utsche Recht durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV<br />
festlegt: „Es besteht keine Staatskirche“ 73<br />
, hat sich <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschsp<strong>ra</strong>chigen Raum für das<br />
staatliche Recht zwischen Staat und Religionsgemeinschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>de</strong>s<br />
Staatskirchenrechts durchgesetzt. Die zitierte Verfassungsbest<strong>im</strong>mung bringt hingegen<br />
<strong>de</strong>utlich zum Ausdruck, daß ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> kein lan<strong>de</strong>sherrliches Kirchenreg<strong>im</strong>ent besteht und daß<br />
das Kultusministerium nicht mehr Aufsichtsbehör<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>skirchenamtes ist, wie dies <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechtslage <strong>im</strong> Hinblick auf die Evangelische Lan<strong>de</strong>skirche bis 1918 entsp<strong>ra</strong>ch und selbst in<br />
72 Martin Luther, Von weltlicher Obrigkeit – Schriften zur Bewährung <strong>de</strong>s Christen in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Welt (1523), 3. Aufl. Gütersloh 1978, S. 15 ff., 18 ff.; vgl. kritisch hierzu Fikentscher, Zwei<br />
Wertebenen, nicht zwei Reiche: Gedanken zu einer christlich-säkularen Wertontologie, in:<br />
Resch (Hrsg.), Wertewan<strong>de</strong>l – Rechtswan<strong>de</strong>l. Perspektiven auf die gefähr<strong>de</strong>ten Vo<strong>ra</strong>us-<br />
setzungen unserer Demok<strong>ra</strong>tie, Gräfelfing 1997, S. 121 ff. m.w.N.<br />
73 <strong>Das</strong> BVerfG hat ebenfalls mehrfach bestätigt, daß Kirchen und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Religionsgesellschaften<br />
eigenständige, vom Staat unabhängige Organisationen mit eigenem Wesen und<br />
Aufgabenbereich sind, vgl. BVerfGE 42, S. 312 ff., 321, 332; 55, S. 230 ff.<br />
Aus diesem Grun<strong>de</strong> vermag die Suche Hollerbachs, Staatskirchenrecht o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Religionsrecht</strong>?,<br />
KuR 110, S. 49 ff., 50 f., nach frühen Belegen <strong>de</strong>s Begriffs „Staatskirchenrechts“<br />
nicht überzeugen, da sich die heutige religionsrechtliche Situation nicht mehr mit <strong><strong>de</strong>r</strong> vor<br />
Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong><strong>de</strong>r</strong> WRV vergleichen läßt. Zu<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> 19. Jh. hauptsächlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff<br />
<strong>de</strong>s „Kirchenstaatsrechts“ verwandt. Daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff „<strong>Religionsrecht</strong>“ erstmals in <strong>de</strong>m 1938<br />
gegrün<strong>de</strong>ten „Ausschuß für <strong>Religionsrecht</strong>“ Erwähnung fand, gibt diesem m.E. ebensowenig<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> ebensoviel einen schalen Beigeschmack wie das Faktum, daß das heute noch<br />
gültige Reichskonkordat vom 20.7.1933 (RGBl. 1933 II, S. 679), in K<strong>ra</strong>ft getreten am<br />
10.9.1993, sowie das Gesetz zu <strong>de</strong>ssen Durchführung vom 12.9.1933 (RGBl. 1933 I,<br />
S. 625) vom damaligen Reichskanzler Adolf Hitler unterzeichnet wur<strong>de</strong>.<br />
15
16<br />
<strong>de</strong>n ersten Jahren <strong><strong>de</strong>r</strong> We<strong>im</strong>arer Republik durch die sog. „Korrelatentheorie“ 74<br />
vertreten<br />
wur<strong>de</strong>.<br />
Aus diesem Grun<strong>de</strong> wäre es sogar für das staatliche <strong>de</strong>utsche Recht, welches die Beziehungen<br />
zwischen Staat und Kirchen regelt, angeb<strong>ra</strong>cht, von „<strong>Religionsrecht</strong>“ zu sprechen, 75 zumal<br />
auch die <strong>de</strong>utschen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>verfassungen nicht nur Kirchen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n explizit „Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften 76 “ bzw. nur „Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften“<br />
erwähnen. 77 Der namhafte Kirchenjurist und Präsi<strong>de</strong>nt <strong><strong>de</strong>r</strong> Görres-Gesellschaft Paul Mikat<br />
<strong>de</strong>finierte <strong>Religionsrecht</strong> als die „Gesamtheit <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Rechtsnormen, die <strong>de</strong>n religiösen<br />
Interessen Rechnung t<strong>ra</strong>gen“ 78 , wobei die Religionsfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> „unaufgebbare Kern <strong>de</strong>s<br />
staatlichen <strong>Religionsrecht</strong>s“ 79 sei. Im Gegensatz zum „Staatskirchenrecht“ hat die Verwendung<br />
<strong>de</strong>s Begriffs „<strong>Religionsrecht</strong>“ <strong>de</strong>n Vorteil, nicht nur Rechtspositionen von Kirchen,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch die individuelle Religionsfreiheit ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu umfassen. 80<br />
74<br />
Vgl. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl., München 1996, S. 38, 41 f.<br />
75<br />
Dies vertreten selbst für das <strong>de</strong>utsche „Staatskirchenrecht“ Czermak, „Religions-<br />
(verfassungs)recht“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Staatskirchenrecht“?, NVwZ 1999, S. 743 f.; Häberle,<br />
„Staatskirchenrecht“ als <strong>Religionsrecht</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> verfaßten Gesellschaft, DÖV 1976, S. 73 ff.,<br />
79 f., wobei dieser hierfür das Selbstverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik als eines<br />
„weltanschaulich-religiös-konfessionell neut<strong>ra</strong>len Staates“ zugrun<strong>de</strong>legt, vgl. zu letzterem<br />
z.B. BVerfGE 10, S. 59 ff., 85; 19, S. 206 ff., 216; 30, S. 415 ff., 421, 424; 32, S. 98 ff.,<br />
106; ebenso: Mikat, <strong>Religionsrecht</strong>liche Schriften, Abhandlungen zum Staatskirchenrecht<br />
und Eherecht, Bd. 1, Berlin – München 1974, S. 306, Anm. 9, S. 377, Anm. 1; in Ansätzen<br />
auch Korioth, Islamischer Religionsunterricht und Art. 7 III GG – Zu <strong>de</strong>n Vo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />
religiöser Vielfalt in <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Pflichtschule, NVwZ 1997, S. 1041 ff., 1048. Auch<br />
Conring, Fn. 25, S. 9 ff., bricht mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s „Staatskirchenrechts“ und verwen<strong>de</strong>t<br />
statt <strong>de</strong>ssen <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s „Religionsverfassungsrechts“ – ein Begriff, <strong><strong>de</strong>r</strong> i.R.d. Rechtsvergleichung<br />
durchaus angeb<strong>ra</strong>cht ist, jedoch nicht i.R.d. Gemeinschaftsrechts eingeführt<br />
wer<strong>de</strong>n sollte, da es sich bei <strong>de</strong>n Gründungsverträgen <strong>de</strong>s EGV und EUV um „Verfassungsrecht“<br />
i.e.S. han<strong>de</strong>lt.<br />
76<br />
Der Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „Religionsgemeinschaft“ entspricht dabei <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> „Religionsgesellschaft“,<br />
wie er noch in Art. 137 WRV verwandt wur<strong>de</strong>, drückt allerdings treffen<strong><strong>de</strong>r</strong> aus, daß es sich<br />
hierbei um eine Art Lebensgemeinschaft han<strong>de</strong>lt, vgl. v. Campenhausen, Fn. 74, S. 425.<br />
77<br />
Vgl. einen Überblick über die Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong>verfassungen bei Streinz,<br />
Auswirkungen <strong>de</strong>s Europarechts auf das <strong>de</strong>utsche Staatskirchenrecht, EssGespr. (31) 1997,<br />
S. 53 ff., 59, dort Fn. 33.<br />
78<br />
Mikat, Fn. 75, S. 306, Anm. 9 bzw. S. 377, Anm. 1.<br />
79<br />
Mikat, Fn. 75, S. 309.<br />
80<br />
So auch Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>berger, Staatskirchenrecht in Europa, in: Loretan (Hrsg.), Fn. 13, S. 291.
Auf EU-Ebene sollte <strong><strong>de</strong>r</strong> überkommene Begriff <strong>de</strong>s „Staatskirchenrechts“ erst recht nicht<br />
verwandt wer<strong>de</strong>n. Statt <strong>de</strong>ssen sollte von vornherein von „<strong>Religionsrecht</strong>“ gesprochen<br />
wer<strong>de</strong>n, da es Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU gibt, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Position von einem Staatskirchenrecht sehr<br />
viel weiter entfernt ist, als die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland. Abgesehen davon ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff<br />
<strong>de</strong>s „Staatskirchenrechts“ in Mitgliedstaaten wie F<strong>ra</strong>nkreich selbst in Fachkreisen unbekannt 81<br />
und zu<strong>de</strong>m irreführend, strenggenommen sogar terminologisch unkorrekt. 82<br />
b) „<strong>Religionsrecht</strong>“<br />
aa) Religion<br />
Religion, von Gerhard Köbler <strong>de</strong>finiert als das „Ergriffensein vom Göttlichen“ 83 , ist nicht eng<br />
auf <strong>de</strong>n christlichen Glauben an einen persönlichen Gott fixiert, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n umfaßt auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
monotheistische (z.B. Ju<strong>de</strong>ntum, Islam) o<strong><strong>de</strong>r</strong> polytheistische (z.B. Hinduismus)<br />
Glaubensrichtungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weisheitslehren (z.B. Buddhismus). Im Gegensatz zur<br />
Weltanschauung ist Religion allerdings <strong>im</strong>mer auf einen „Urgrund allen Seins“ ausgerichtet,<br />
während erstere eine allgemeinere Gesamtauffassung von Sinn und Ziel, Be<strong>de</strong>utung allen<br />
<strong>Das</strong>eins sowie von menschlichem Erkennen und Han<strong>de</strong>ln darstellt. 84<br />
bb) <strong>Religionsrecht</strong><br />
Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV verweist auf die Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK und damit auf<br />
Art. 9 EMRK, <strong>de</strong>ssen Absatz 2 nur allgemein von <strong><strong>de</strong>r</strong> Religions- und Bekenntnisfreiheit<br />
spricht. Auch die in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV genannten gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten setzen keinesfalls begrifflich eine o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehrere<br />
Staatskirchen in einem Mitgliedstaat vo<strong>ra</strong>us. Aus diesem Grun<strong>de</strong> wird nachfolgend <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong><br />
Gegensatz zum „Staatskirchenrecht“ weitere und neut<strong>ra</strong>lere Begriff <strong>de</strong>s „<strong>Religionsrecht</strong>s“<br />
81 So Grote, Religionsgemeinschaften und Europäische <strong>Union</strong>, MD 1996, S. 32 f., 33; hier<br />
geb<strong>ra</strong>ucht man <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „droits <strong>de</strong>s religions“.<br />
82 Aus diesem Grun<strong>de</strong> ist Hollerbach, Fn. 17, S. 49, mit Nachdruck zu wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
dafür plädiert, <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s „Staatskirchenrechts“ als „sachgerechte Ausgleichslösung<br />
[...] in das europäische Konzert“ einzubringen.<br />
83 Köbler, Fn. 65, Stichwort: Religion.<br />
84 So Peter Fischer/Köck, Europarecht, 2. Aufl., Wien 1995, S. 185. Je<strong>de</strong> Religion fällt damit<br />
<strong>im</strong>mer auch unter <strong>de</strong>n Oberbegriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung, vgl. Peter Fischer/Köck, a.a.O,<br />
S. 185; vgl. zur Abgrenzung zwischen Religion und Weltanschauung <strong>im</strong> übrigen auch<br />
Erwin Fischer, Fn. 6, S. 27 ff., mit weiteren Definitionsansätzen von Anschütz, Listl,<br />
Maunz, Obermayer und Jaspers.<br />
17
18<br />
geb<strong>ra</strong>ucht, <strong><strong>de</strong>r</strong> neben <strong>de</strong>n Großkirchen auch kleinere christliche, aber auch nichtchristliche<br />
Religionsgemeinschaften einschließt.<br />
Der Begriff <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s, <strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong> neueren europäischen Lite<strong>ra</strong>tur zu diesem Thema<br />
eine zunehmen<strong>de</strong> Präferenz erfährt, 85<br />
umfaßt damit die Gesamtheit aller staatlichen bzw.<br />
sup<strong>ra</strong>nationalen Normen, die religiösen Interessen – sowohl <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen<br />
Religionsfreiheit als auch <strong>de</strong>m institutionellen Verhältnis zwischen Staat und Kirche, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
kollektiven Religionsfreiheit – Rechnung t<strong>ra</strong>gen.<br />
Im übrigen ist in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung Nr. 11 zum Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam sowohl von „Kirchen“ als<br />
auch von „religiösen Vereinigungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaften“ die Re<strong>de</strong>. Schon diese<br />
Gleichstellung verschie<strong>de</strong>ner religiöser Gruppierungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t es, sich bei<br />
einer umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en Bet<strong>ra</strong>chtung nicht eines von vornherein zu engen Begriffes zu bedienen,<br />
mit <strong>de</strong>m sich nichtchristliche Religionsgemeinschaften (z.B. Ju<strong>de</strong>ntum, Islam) nicht<br />
86<br />
i<strong>de</strong>ntifizieren können. Dabei wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>de</strong>s „<strong>Europäischen</strong> <strong>Religionsrecht</strong>s“ völlig<br />
wertfrei, „ohne kämpferische Note“ und nicht <strong>im</strong> Sinne einer „Trennungsi<strong>de</strong>ologie“<br />
da er die Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU zur Neut<strong>ra</strong>lität und Parität <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />
verwandt, 87<br />
85<br />
Vgl. z.B. Kustermann/Puza, Europa und das nationalstaatliche <strong>Religionsrecht</strong>, in: Puza/<br />
Kustermann, Fn. 3, S. 7 ff., 9; Puza, Europa ohne Grenzen – und die Kirche? Europäische<br />
D<strong>im</strong>ensionen <strong>de</strong>s Verhältnisses von Kirche und Staat, Theologische Quartalschrift 173<br />
(1993), S. 9 ff., 15; Streinz, Fn. 77, S. 59 f. Pernice, Fn. 17, S. 781, benutzte schon vor über<br />
20 Jahren mit großer Selbstverständlichkeit <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s.<br />
86<br />
Ebenso: Robbers, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 120.<br />
87<br />
Diese Gefahren sieht Hollerbach, Staatskirchenrecht o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Religionsrecht</strong> – Begriffs- und<br />
problemgeschichtliche Notizen, in: Aymans/Geringer (Hrsg.), Iuri Canonico Promovendo,<br />
FS für Heribert Schmitz zum 65. Geburtstag, Regensburg 1990, S. 869 ff., 886, <strong><strong>de</strong>r</strong> hier<br />
ausführlich zu <strong>de</strong>n geschichtlichen Wurzeln <strong>de</strong>s Begriffes „Staatskirchenrecht“ Stellung<br />
n<strong>im</strong>mt. Zu erwähnen ist beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s das Zitat von Hans Barion bei Hollerbach, a.a.O.,<br />
S. 880: „Neben <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Großkirchen gibt es noch eine Reihe von kleineren Kirchen (die<br />
altkatholische Kirche und die evangelischen Freikirchen) sowie christliche Gemeinschaften,<br />
die keine Kirchen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n Sekten sind. Ferner gibt es auch nichtchristliche religiöse<br />
Gemeinschaften, die mit <strong>de</strong>n christlichen Kirchen und Sekten vom Standpunkt <strong>de</strong>s<br />
mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen, konfessionell neut<strong>ra</strong>len Staates aus formal auf gleicher Stufe stehen. Für ihn sind<br />
alle rechtlich gleichwertige Religionsgemeinschaften. Seine ihnen gewidmete Gesetzgebung<br />
ist daher mit <strong>de</strong>m hergeb<strong>ra</strong>chten Ausdruck Staatskirchenrecht nicht vollständig bezeichnet;<br />
richtiger wür<strong>de</strong> man von staatlichem Religionsgesellschaftsrecht o<strong><strong>de</strong>r</strong> kurz von<br />
<strong>Religionsrecht</strong> sprechen“.
gegenüber allen Religionen wesentlich besser he<strong>ra</strong>usstellt, als dies bei <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s<br />
„<strong>Europäischen</strong> Staatskirchenrechts“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall wäre. 88<br />
Durch <strong>de</strong>n Absatz 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> „Kirchenerklärung“ wer<strong>de</strong>n weltanschauliche und nichtkonfessionelle<br />
Organisationen <strong>de</strong>n erstgenannten Gruppierungen gleichgestellt, was <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtslage in<br />
Deutschland (vgl. Art. 4 Abs. 1 GG; Art. 140 i.V.m. Art. 137 Abs. 7 WRV) entspricht. Da<br />
letztgenannte Gruppierungen nicht <strong>de</strong>n Gegenstand <strong><strong>de</strong>r</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Untersuchung bil<strong>de</strong>n,<br />
wird an dieser Stelle jedoch auf eine unnötig weite Begriffsbest<strong>im</strong>mung verzichtet.<br />
Ebensowenig kann hier nicht vertieft auf die Gewissensfreiheit 89<br />
eingegangen wer<strong>de</strong>n.<br />
c) Kirchenrecht<br />
Im Gegensatz zum staatlichen <strong>Religionsrecht</strong> („Staatskirchenrecht“) versteht man unter <strong>de</strong>m<br />
Kirchenrecht <strong>de</strong>n Oberbegriff für das kirchliche Recht einer Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsgemeinschaft. 90<br />
Durch das Kirchenrecht wird neben <strong><strong>de</strong>r</strong> inneren auch die äußere<br />
Ordnung einer Glaubensgemeinschaft zur Gesellschaft bzw. <strong>de</strong>m Staatswesen geregelt. Oft<br />
wird als Synonym hierfür <strong><strong>de</strong>r</strong> verkürzte Begriff <strong>de</strong>s kanonischen Rechts (von „Kanon“ =<br />
Richtschnur, kirchlicher Rechtssatz) geb<strong>ra</strong>ucht, <strong><strong>de</strong>r</strong> genaugenommen aber nur eine<br />
geschichtliche Perio<strong>de</strong> kirchlicher Rechtswissenschaft <strong>im</strong> Hochmittelalter bezeichnet, die mit<br />
<strong>de</strong>m Reichskonzil von Nicäa aus <strong>de</strong>m Jahre 325 n.Chr. seinen Anfang nahm. Durch ein<br />
88 Hollerbach, Grundlagen <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch<br />
<strong>de</strong>s Staatsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Bd. VI, Hei<strong>de</strong>lberg 1989, § 138, Rdnr. 5,<br />
scheint <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts vor allem <strong>de</strong>swegen <strong>de</strong>n Vorzug geben zu<br />
wollen, um schon begrifflich keine Einebnung zwischen <strong>de</strong>n vorherrschen<strong>de</strong>n christlichen<br />
Großkirchen und <strong>de</strong>n übrigen Religionsgemeinschaften zu schaffen.<br />
89 Vgl. hierzu z.B. Bethge, Gewissensfreiheit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch <strong>de</strong>s<br />
Staatsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Bd. VI, Hei<strong>de</strong>lberg 1989, § 137 = S. 435 ff.<br />
Zur Abgrenzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewissensfreiheit vgl. Kardinal F<strong>ra</strong>nz<br />
König, Religionsbekenntnis und Gewissensfreiheit, in: Matscher (Hrsg.), Folterverbot<br />
sowie Religions- und Gewissensfreiheit <strong>im</strong> Rechtsvergleich, Kehl am Rhein – St<strong>ra</strong>ßburg –<br />
Arlington 1990, S. 15 ff., 17.<br />
90 Herrmann, Wörterbuch Kirchenrecht, Stichwort: Kirchenrecht; vgl. ausführlich hierzu<br />
Dreier, Der Rechtsbegriff <strong>de</strong>s Kirchenrechts in juristisch-rechtstheoretischer Sicht, in:<br />
Rau/Reuter/Schlaich (Hrsg.), S. 171 ff. Teilweise (Creifelds, Stichwort: Kirchenrecht;<br />
Köbler, Fn. 65, Stichwort: Kirchenrecht) wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>de</strong>s Kirchenrechts auch als<br />
Oberbegriff angesehen und in zweifacher Weise verwandt: Einerseits für die Gesamtheit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechtsnormen, die das Verhältnis eines Staates zu Religion und Religionsgemeinschaften<br />
(äußeres Kirchenrecht = <strong>Religionsrecht</strong> bzw. „Staatskirchenrecht“); an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits für<br />
diejenigen Rechtsnormen, welche die inneren Verhältnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen regeln (inneres<br />
Kirchenrecht, i.R.d. katholischen Kirche z.T. als kanonisches Recht bezeichnet).<br />
19
20<br />
gemeinsames „ökumenisches“ (allgemeines) Glaubensbekenntnis, das noch heute in<br />
christlichen Kirchen gesprochen wird, sollte das gesamte Imperium in Glaubensf<strong>ra</strong>gen eine<br />
einheitliche Auffassung entwickeln bzw. bewahren. 91<br />
d) Zusammenfassung<br />
Es ist angeb<strong>ra</strong>cht, für die Gesamtheit aller staatlichen bzw. sup<strong>ra</strong>nationalen Normen, die<br />
religiösen Interessen Rechnung t<strong>ra</strong>gen, <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s „<strong>Religionsrecht</strong>s“ zu verwen<strong>de</strong>n, da es<br />
Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU gibt, die ein System <strong><strong>de</strong>r</strong> strikten Trennung zwischen Staat und Kirche<br />
kennen, welches mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s „Staatskirchenrechts“ nur in irreführen<strong><strong>de</strong>r</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar<br />
unzutreffen<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gegeben wer<strong>de</strong>n kann. Zu<strong>de</strong>m hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>de</strong>s<br />
„<strong>Religionsrecht</strong>s“ <strong>de</strong>n Vorteil, daß er neben <strong>de</strong>n Großkirchen alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en – christlichen und<br />
nichtchristlichen – Religionsgemeinschaften einschließt und überdies neben <strong>de</strong>m<br />
institutionellen Verhältnis zwischen Staat und Kirche auch die individuelle Religionsfreiheit<br />
erfaßt.<br />
III. Die fortschreiten<strong>de</strong> Integ<strong>ra</strong>tion von <strong><strong>de</strong>r</strong> reinen Wirtschaftsgemeinschaft hin zur<br />
<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong><br />
1. Ausgangspunkt: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)<br />
a) T<strong>ra</strong>ditionelle Schwerpunkte <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />
Klassische wirtschaftspolitische Materien, wie z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> freie Warenverkehr, die Abschaffung<br />
von Zöllen und Maßnahmen gleicher Wirkung, die Arbeitnehmerfreizügigkeit und<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Landwirtschaft, prägten über mehrere Jahrzehnte hinweg das Gesicht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft. Der EWG-Vert<strong>ra</strong>g selbst enthielt kaum Bezüge zum kulturellen und sozialen<br />
Leben <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsbürger. Von daher waren Kirche und Religion erst recht nicht von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> wirtschaftspolitischen Zielrichtung dieser sup<strong>ra</strong>nationalen Organisation erfaßt. 92<br />
91<br />
Je<strong>de</strong>s Staatsorgan und je<strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger mußte das nicaenische Glaubensbekenntnis auswendig<br />
kennen und bejahen können. So wur<strong>de</strong>n diejenigen, die es – mit Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Ju<strong>de</strong>n als<br />
„Altes Gottesvolk“ – nicht bejahen konnten, als ketzerische Staatsfein<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n rechtgläubigen<br />
Bürgern getrennt, vgl. Hattenhauer, Fn. 6, S. 3 f.<br />
92<br />
So auch Stotz, Europa und die Kirchen, EuZW 1998, S. 737; Hirsch, Gemeinschaftsgrundrechte<br />
als Gestaltungsaufgabe, S. 9 ff., 13, dagegen sieht die Gemeinschaft von Anfang an<br />
weiter angelegt und begrün<strong>de</strong>t dies mit <strong>de</strong>m 1. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong>de</strong>s EWGV,<br />
welcher die „Grundlagen für einen <strong>im</strong>mer engeren Zusammenschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen<br />
Völker“ geschaffen habe.
Symptomatisch für diese nahezu reine Wirtschaftsgemeinschaft war es, daß das Europäische<br />
Parlament (EP) anfangs eine schwache Position innehatte, was sich auf gesellschaftliche<br />
Gruppen und Verbän<strong>de</strong> – unter ihnen auch die Kirchen – übertrug. 93<br />
b) Erste Ansätze <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s durch die Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH<br />
Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 70er Jahre zeigte sich jedoch, daß auch bei einer Wirtschaftsorganisation<br />
Berührungspunkte zur Religion aufkommen können. 94<br />
Daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH erst verhältnismäßig<br />
spät mit religionsrechtlichen F<strong>ra</strong>gen konfrontiert wur<strong>de</strong>, hat seinen Grund in erster Linie<br />
darin, daß allen drei <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Gedanke einer sektoriellen Integ<strong>ra</strong>tion<br />
zugrun<strong>de</strong> lag: Durch die Vertiefung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit auf einem best<strong>im</strong>mten Sektor<br />
vormals mitgliedstaatlicher Politik sollte die politische Einigung Europas vo<strong>ra</strong>ngetrieben<br />
wer<strong>de</strong>n. Der so gewählte Ansatz schloß von vornherein weitestgehend Themenbereiche wie<br />
Kirche und Religion aus; erst Kollisionen mit dieser Materie erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten eine inhaltliche<br />
Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane hiermit, allen vo<strong>ra</strong>n <strong>de</strong>s EuGH.<br />
2. Wandlung zur umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> 95<br />
Durch die Verwirklichung <strong>de</strong>s Binnenmarktes zum 31. Dezember 1992 als „Raum ohne<br />
Binnengrenzen, in <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> freie Verkehr von Waren, Personen und Dienstleistungen und<br />
Kapital“ gemäß <strong>de</strong>n Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs gewährleistet ist, vgl.<br />
Art. 14 (ex-Art. 7a) EGV, sowie die Schaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschafts- und Währungsunion zum<br />
1. Januar 1999, vgl. Art. 123 (ex-Art. 109l) EGV, wur<strong>de</strong>n zwei lang gehegte<br />
wirtschaftspolitische Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft verwirklicht.<br />
Jedoch verfolgt die durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Maastricht vom 7. Februar 1992 geschaffene<br />
Europäische <strong>Union</strong> (EU) 96<br />
nicht nur wirtschaftspolitische Zielsetzungen, wie dies noch für<br />
<strong>de</strong>n EWG angenommen wer<strong>de</strong>n konnte. Schon <strong><strong>de</strong>r</strong> durch Maastricht in Wegfall geb<strong>ra</strong>chte<br />
Buchstabe <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG hin zur EG kann als Beleg dafür dienen, daß von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nicht<br />
93<br />
Vgl. Bernd-Otto Kuper, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. (27) 1993, S. 102.<br />
94<br />
Vgl. EuGH, Rs. 130/75 (P<strong>ra</strong>is/Rat), Slg. 1976, S. 1589 ff.<br />
95<br />
Vgl. allgemein zum Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion: Hummer, Die Weiterentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
<strong>Union</strong> <strong>im</strong> Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungskonferenz ’96, in: Hummer (Hrsg.), Die Europäische<br />
<strong>Union</strong> nach <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam, Wien 1998, S. 3 ff., 7 – 14.<br />
96<br />
BGBl. 1992 II, S. 1253 ff.; in K<strong>ra</strong>ft getreten am 1. November 1993, BGBl. 1993 II, S. 1947.<br />
21
22<br />
länger eine Beschränkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion auf wirtschaftliche Teilbereiche angestrebt wird. 97<br />
Die Tätigkeitsfel<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> EG, wie sie in Art. 3 (ex-Art. 3) EGV zum Ausdruck kommen, haben<br />
sich nunmehr auch auf Materien (z.B. Umweltpolitik, Gesundheitswesen, Bildung und Kultur)<br />
erstreckt, die mit <strong><strong>de</strong>r</strong> ursprünglichen Wirtschaftsgemeinschaft nur noch wenig gemein haben.<br />
Diese Entwicklung wur<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n am 2. Oktober 1997 unterzeichneten Vert<strong>ra</strong>g von<br />
Amsterdam (AV) 98 , durch welchen – zum Leidwesen eines je<strong>de</strong>n Europarechtlers – en<br />
passant sämtliche Artikel, Titel und Abschnitte <strong>de</strong>s EGV und EUV umnumeriert wur<strong>de</strong>n, 99<br />
weiter fortgesetzt. Nach<strong>de</strong>m mit F<strong>ra</strong>nkreich <strong><strong>de</strong>r</strong> letzte Mitgliedstaat <strong>de</strong>n Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g<br />
nach seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften <strong>ra</strong>tifiziert hatte, konnte dieser gemäß Art. 14<br />
AV am 1. Mai 1999 in K<strong>ra</strong>ft treten, wodurch u.a. die Weichen für die Osterweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU<br />
gestellt sind.<br />
Die Ausweitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftskompetenzen hat zur Folge, daß religionsrechtliche<br />
Materien nicht mehr wie bisher nur peripher tangiert, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n teilweise durch verbindliche<br />
Vorgaben in Form von Richtlinien und Verordnungen mitgeregelt wer<strong>de</strong>n. Als Beispiele seien<br />
an dieser Stelle <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchliche Datenschutz, das kirchliche Arbeitsrecht sowie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Feiertagsschutz aufgezählt. Für die großen Kirchen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, <strong><strong>de</strong>r</strong>en anfängliche<br />
Aufbruchsst<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Hinblick auf die europäische Einigungsbewegung einer gewissen<br />
Ernüchterung Platz machte, 100<br />
97 Vgl. nur <strong>de</strong>n Titel <strong>de</strong>s Aufsatzes von Wägenbaur: „Auf <strong>de</strong>m Wege zur Bildungs- und<br />
Kulturgemeinschaft“, in: Ran<strong>de</strong>lzhofer/Scholz/Wilke (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Eberhard<br />
G<strong>ra</strong>bitz, München 1995, S. 851 ff. Dabei mußte <strong><strong>de</strong>r</strong> EWGV <strong>im</strong> Gegensatz zum EGKSV<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m EAGV vom Ansatz her <strong>im</strong>mer schon als ein ausfüllungsfähiger Rahmenvert<strong>ra</strong>g<br />
angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />
war dies Anlaß für erste konkrete Vorstöße, um auf<br />
Gemeinschaftsebene die Sicherung bisheriger Rechtspositionen zu erreichen, die schließlich<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> schon erwähnten Erklärung Nr. 11 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs ihren<br />
Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag fan<strong>de</strong>n. Prinzipiell sind <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Bemühungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften zu begrüßen, <strong>de</strong>nn <strong>im</strong> Gegensatz zu <strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen<br />
98<br />
ABl. 1997, Nr. C 340, S. 1 ff.; vgl. hierzu Hummer (Hrsg.), Die Europäische <strong>Union</strong> nach<br />
<strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam, Wien 1998; Nanz/Silberberg, St<strong>ra</strong>tegien für das Europa von<br />
morgen – EG-Vert<strong>ra</strong>g und EU-Vert<strong>ra</strong>g in <strong><strong>de</strong>r</strong> Fassung <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Amsterdam – Texte<br />
und Kurzkommentar, Starnberg 1998; Streinz, Der Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam, EuZW 1998,<br />
S. 137 ff.; Thun-Hohenstein, Der Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam, Wien 1997.<br />
99<br />
Vgl. Art. 12 AV bzw. die bei<strong>de</strong>n Übereinst<strong>im</strong>mungstabellen für EGV und EUV <strong>im</strong> Anhang<br />
<strong>de</strong>s AV sowie hierzu Streinz, Aufbau, Struktur und Inhalt <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Amsterdam, in:<br />
Hummer (Hrsg.), S. 47 ff., 50 f.<br />
100<br />
Vgl. Link, Staat und Kirche <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s europäischen Einigungsprozesses, ZevKR 42<br />
(1997), S. 130 f.
Rechtsordnungen han<strong>de</strong>lt es sich be<strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht um eine vergleichsweise junge und<br />
sich weiterhin dynamisch entwickeln<strong>de</strong> Materie, die zu Beginn völlig „religionsblind“ war<br />
und für <strong><strong>de</strong>r</strong>en weitere Entwicklung noch Gestaltungsspiel<strong>ra</strong>um besteht.<br />
Während von alters her bei Staatsgründungen <strong>im</strong> europäischen Raum religionsrechtliche<br />
F<strong>ra</strong>gen eine nicht unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle spielten, war dies bei <strong>de</strong>n sektoriellen<br />
Integ<strong>ra</strong>tionsbestrebungen <strong><strong>de</strong>r</strong> drei Gemeinschaften an<strong><strong>de</strong>r</strong>s. So enthält die Präambel <strong>de</strong>s EGV<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s EUV – vergleichbar mit <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n iberischen Verfassungen – keinen<br />
Erwägungsgrund, in <strong>de</strong>m etwa die Ve<strong>ra</strong>ntwortung gegenüber „Gott“ ausgedrückt wird, wie<br />
dies in vielen Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist; ganz zu schweigen von einer invocatio <strong>de</strong>i wie in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> Irischen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Griechischen Verfassung. 101 Selbst wenn sich die EU, ähnlich<br />
einem freiheitlich-<strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen Staat, zur Neut<strong>ra</strong>lität in konfessioneller bzw. religiöser<br />
Hinsicht bis hin zum Weltbild verpflichten wür<strong>de</strong> – dies <strong>im</strong>pliziert, daß keine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Weltanschauung privilegiert o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar als ausschließlich zulässig vorgeschrieben wer<strong>de</strong>n darf –<br />
bräuchte sie ihren Ursprung als „christliches Abendland“ keinesfalls zu verleugnen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
könnte sich zu ihrer Recht, Kultur und Gesellschaft prägen<strong>de</strong>n christlichen T<strong>ra</strong>dition stellen,<br />
wie es auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong>de</strong>s Grundgesetzes geschehen ist. 102<br />
An dieser Stelle kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, daß aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Wandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> reinen<br />
Wirtschaftsgemeinschaft hin zu einem staatsähnliche Züge aufweisen<strong>de</strong>n Gemeinwesen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EU auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Berücksichtigung geistig-kultureller Elemente verstärkt Rechnung get<strong>ra</strong>gen<br />
wer<strong>de</strong>n sollte.<br />
3. Zusammenfassung<br />
Der Übergang von einer reinen Wirtschaftsgemeinschaft hin zur <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> verstärkt<br />
Kollisionen <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts mit religionsrechtlichen Angelegenheiten und erklärt<br />
<strong>de</strong>n Wunsch <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften nach einer gesicherten<br />
gemeinschaftsrechtlichen Rechtsposition.<br />
101 Vgl. hierzu Häberle, „Gott“ <strong>im</strong> Verfassungsstaat?, in: Fürst/Herzog/Umbach (Hrsg.), FS<br />
für Wolfgang Zeidler, Bd. 1, Berlin – New York 1987, S. 3 ff., 4 ff.<br />
102 Ebenso Herms, „Gott <strong>im</strong> Grundgesetz“ – aus evangelischer Sicht, in: Greive (Hrsg.), „Gott<br />
<strong>im</strong> Grundgesetz?“, Rehburg-Loccum 1994, S. 20 ff.; Steiger, Die Ga<strong>ra</strong>ntie <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />
in bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staaten – P<strong>ra</strong>xis und Theorie, in: Köbler/Heinze/Schapp<br />
(Hrsg.), Gießen 1990, S. 525 ff., 549; a.A. Czermak, „Gott“ <strong>im</strong> Grundgesetz?, NJW 1999,<br />
S. 1300 ff.<br />
23
B. Grundtypen religionsrechtlicher Systeme in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong><br />
I. Grundsätzliches<br />
Beschäftigt man sich mit <strong>de</strong>n Ansätzen zu einem <strong>Europäischen</strong> <strong>Religionsrecht</strong>, so kommt man<br />
nicht umhin, sich gleich zu Beginn einen rechtsvergleichen<strong>de</strong>n Überblick über das<br />
<strong>Religionsrecht</strong> in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> zu verschaffen.<br />
Auch wenn alle europäischen Völker durch Geschehnisse wie die Christianisierung, die<br />
Reformation und Gegenreformation, verschie<strong>de</strong>ne Säkularisationen und Revolutionen geprägt<br />
wur<strong>de</strong>n, variieren die bestehen<strong>de</strong>n religiösen Systeme in Europa erheblich, da ebendiese<br />
Erfahrungen von <strong>de</strong>n europäischen Nationen unterschiedlich bewertet wur<strong>de</strong>n. 103<br />
Trotz<strong>de</strong>m ist die kirchliche Landschaft in Europa seit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 17 Jh. weitgehend<br />
konstant geblieben: So umfaßt Gesamteuropa 104 , d.h. das Europa von Portugal bis zum U<strong>ra</strong>l,<br />
von Island bis Malta ca. 520 Mio. Menschen, von <strong>de</strong>nen ca. 99 Mio. (= 19 %) Menschen –<br />
überwiegend aus <strong>de</strong>m Osten und Südosten Europas – orthodoxen Bekenntnisses sind;<br />
ca. 225 Mio. (= 43 %) <strong><strong>de</strong>r</strong> Einwohner vor allem Süd-, West- u. Mitteleuropas sind <strong>de</strong>m<br />
Katholizismus zugehörig. Ferner gehören ca. 83 Mio. Menschen (= 16 %) aus <strong>de</strong>m Nor<strong>de</strong>n<br />
Europas und aus Zent<strong>ra</strong>leuropa <strong>de</strong>m Protestantismus an; die gleiche Anzahl ist entwe<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
freikirchlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> konfessionslos. 105 Schließlich leben ca. 12 Mio. (= 2,3 %) Moslems<br />
überwiegend in Spanien, F<strong>ra</strong>nkreich und <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik und ca. 2 Mio. (= 0,38 %)<br />
Ju<strong>de</strong>n 106 in Europa. 107<br />
103<br />
Robbers, Partner für die Einigung, HK 1997, S. 622 ff., 624.<br />
104<br />
Die Röm.-Kath. Kirche hat von ihrem Selbstverständnis her Schwierigkeiten mit einem<br />
„Europa <strong><strong>de</strong>r</strong> EG“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> einem „Europa <strong>de</strong>s Europa<strong>ra</strong>ts“, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n meint mit Europa in erster<br />
Linie das durch die christliche Missionierung eine geistige Einheit bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Gesamteuropa,<br />
zu <strong>de</strong>m die byzantinische Ostkirche ebenso wie die römische Westkirche gehört, vgl.<br />
Kowalskij, Fn. 52, S. 66, 74; ebenso: Minne<strong>ra</strong>th, Die Kirche und die <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften,<br />
in: Puza/Kustermann (Hrsg.), Fn. 3, S. 115 ff., 124 f.<br />
105<br />
Zahlen bei Hans Maier, LThK, 3. Bd., Freiburg i. Br. 1993, Stichwort: Europa, Sp. 994 f.,<br />
998.<br />
106<br />
American Jewish Yearbook 1994: 1.924.800.<br />
25
26<br />
In diesem Zusammenhang ist es aufschlußreich, sich die drei in Europa vorherrschen<strong>de</strong>n<br />
Sp<strong>ra</strong>chkreise (angelsächsisch-germanisch, romanisch, slawisch) vor Augen zu führen, die<br />
weitgehend mit <strong>de</strong>n drei fundamentalen religiösen Religionssystemen in Europa (<strong>de</strong>m<br />
Protestantismus <strong>im</strong> Nor<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m Katholizismus <strong>im</strong> Südwesten 108 und <strong>de</strong>m orthodoxen<br />
Christentum <strong>im</strong> Osten) korrespondieren und <strong>de</strong>nen – trotz ihrer Zugehörigkeit zum<br />
übergeordneten Christentum – sehr unterschiedliche Menschen-, Gesellschafts- und<br />
Weltbil<strong><strong>de</strong>r</strong> zugrun<strong>de</strong> liegen. 109 Max Haller führt überzeugend an, daß das Konfliktpotential<br />
zwischen einem zent<strong>ra</strong>listisch-bürok<strong>ra</strong>tischen Mo<strong>de</strong>ll <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> mit einer<br />
starken Rolle <strong>de</strong>s sup<strong>ra</strong>nationalen Zent<strong>ra</strong>lorgans <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission, wie es von F<strong>ra</strong>nkreich<br />
angestrebt wird, und <strong>de</strong>m wi<strong><strong>de</strong>r</strong>steiten<strong>de</strong>n germanisch-angelsächsischen Mo<strong>de</strong>ll eines<br />
fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ativen Europas, seine tiefere Ursache <strong>im</strong> Gegensatz zwischen <strong>de</strong>m globaler<br />
ausgerichteten Katholizismus zum stärker individualistischen Protestantismus habe. 110<br />
Wenn<br />
das religiöse Denkmuster tatsächlich die Vorstellungen über die Verfassung Europas<br />
mitprägen sollte, so ist mit einer weitgehen<strong>de</strong>n künftigen Osterweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU vermutlich<br />
eine Übert<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s <strong>im</strong> orthodoxen Gedankengut verbreiteten Territorialitätsanspruchs auf<br />
Gemeinschaftsebene zu erwarten.<br />
Im folgen<strong>de</strong>n sollen die genannten religiösen Strömungen innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong><br />
etwas genauer beleuchtet wer<strong>de</strong>n.<br />
1. Katholizismus<br />
Bei allen bestehen<strong>de</strong>n nationalen und regionalen Unterschie<strong>de</strong>n, wie z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> starken<br />
Intellektualität in F<strong>ra</strong>nkreich, ist für die Röm.-Kath. Kirche vor allem die Tatsache prägend,<br />
107 Bet<strong>ra</strong>chtet man ausschließlich die Statistik <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU, so sind die Zahlen zu Lasten <strong><strong>de</strong>r</strong> Orthodoxen Kirche wie folgt zu<br />
korrigieren: Katholiken: 58,40 %; Protestanten: 18,40 %; Anglikaner: 11,00 %; Moslems:<br />
2,00 %; Ju<strong>de</strong>n: 0,04 %; Griechisch Orthodoxe: 2,70 %; an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Konfessionen und<br />
Konfessionslose: 7,50 %, vgl. Robbers, Staat und Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, in:<br />
Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995,<br />
S. 351 ff., 352. Allerdings kann es sich hier nur um eine Schätzung han<strong>de</strong>ln, die erneut<br />
aktualisiert wer<strong>de</strong>n müßte.<br />
108 Ausnahmen bestehen insofern für das katholische Irland sowie für Polen und Tschechien.<br />
109 Haller, Ethisch-nationale I<strong>de</strong>ntitäten und Beziehungen <strong>im</strong> neuen Europa, S. 77 ff., 85 f.;<br />
vgl. auch Rendtorff, Wie christlich wird Europa sein?, Zeitschrift für Evangelische Ethik<br />
(36) 1992, S. 99 ff., 100.<br />
110 Haller, Fn. 109, S. 86.
daß es sich bei ihr um eine von Rom zent<strong>ra</strong>l geführte Weltkirche han<strong>de</strong>lt, <strong><strong>de</strong>r</strong> keine nur<br />
europäische Ausrichtung zukommt. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Völkerrechtssubjektivität <strong>de</strong>s Hl. Stuhls, 111<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche, unterschei<strong>de</strong>t sich die Röm.-Kath. Kirche vor allem durch<br />
die Möglichkeit <strong>de</strong>s Abschlusses von Konkordaten von <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kirchen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
<strong>Union</strong>.<br />
Seit <strong>de</strong>m 27. November 1983 ist die Neufassung <strong>de</strong>s katholischen Gesetzbuches, <strong><strong>de</strong>r</strong> Co<strong>de</strong>x<br />
Iuris Canonici (CIC/1983) in K<strong>ra</strong>ft getreten, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Co<strong>de</strong>x Iuris Canonici vom 27. Mai 1917<br />
(CIC/1917) ersetzt und vor allem die Neuerungen <strong>de</strong>s Zweiten Vatikanischen Konzils<br />
(11. Oktober 1962 bis 8. Dezember 1965) 112 berücksichtigt. Der CIC ist das weltweit gelten<strong>de</strong><br />
Gesetzbuch <strong><strong>de</strong>r</strong> lateinischen Kirche <strong>im</strong> Hinblick auf die individuelle und korpo<strong>ra</strong>tive<br />
Religionsfreiheit, unabhängig vom jeweils herrschen<strong>de</strong>n politischen System. In ihm wer<strong>de</strong>n<br />
darüber hinaus das Selbstverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche <strong>im</strong> Hinblick auf ihren Auft<strong>ra</strong>g in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Welt sowie innere und äußere Strukturen festgelegt. 113<br />
2. Protestantismus<br />
Im Gegensatz zur römisch-katholischen Weltkirche herrscht <strong>im</strong> Protestantismus t<strong>ra</strong>ditionell<br />
ein regionaler Aufbau vor. So bestehen in Deutschland Lan<strong>de</strong>skirchen, in Skandinavien eine<br />
lutherische Kirche, in England dagegen die Anglikanische Kirche. Zwar ist <strong>im</strong> Protestantismus<br />
das volkskirchliche Element nicht so stark ausgeprägt wie <strong>im</strong> Katholizismus; doch<br />
begünstigt dieser ten<strong>de</strong>nziell das Entstehen <strong>de</strong>s Staatskirchentums. Ausnahmen bil<strong>de</strong>n<br />
insoweit Deutschland und die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>, da hier neben <strong>de</strong>m Protestantismus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Katholizismus als gleichwertiger Gegenpart <strong>im</strong>mer bestehen blieb. 114<br />
Außer<strong>de</strong>m existieren in <strong>de</strong>n protestantisch geprägten Mitgliedstaaten kleinere protestantische<br />
Kirchen, die für eine Trennung von Staat und Kirche eintreten, die sog. Freikirchen, die in<br />
111 Vgl. hierzu die Ausführungen unten B.III.1.a) sowie I.I.1.a).<br />
112 Vgl. hierzu z.B. Listl, Staat und Kirche in <strong>de</strong>n Aussagen <strong>de</strong>s Zweiten Vatikanischen<br />
Konzils, in: Isensee/Rüfner/Rees (Hrsg.), Kirche <strong>im</strong> freiheitlichen Staat – Schriften zum<br />
Staatskirchenrecht und Kirchenrecht, Zweiter Hbbd., Berlin 1996, S. 968 ff.; Loretan, <strong>Das</strong><br />
Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> römisch-katholischen Kirche zum Staat <strong>im</strong> Kontext <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte, in:<br />
Loretan (Hrsg.), Fn. 13, S. 100 ff.<br />
113 Vgl. hierzu Listl, Die Aussagen <strong>de</strong>s Co<strong>de</strong>x Iuris Canonici vom 25. Januar 1983 zum<br />
Verhältnis von Kirche und Staat, in: Isensee/Rüfner/Rees (Hrsg.), Fn. 112 , S. 1032 ff.,<br />
1034, 1036 ff.<br />
114 Vgl. Robbers, Fn. 107, S. 352.<br />
27
28<br />
Deutschland 300.000 Gemein<strong>de</strong>glie<strong><strong>de</strong>r</strong> zählen (z.B. Baptisten, Methodisten, Mennoniten). 115<br />
Der Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Freikirche entstand bereits <strong>im</strong> Verlauf <strong>de</strong>s 17. Jh. mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Free Church of<br />
Scotland als Gegenbewegung zur Anglikanischen Staatskirche. 116 Zum Selbstverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Freikirchen gehört die Ablehnung von verpflichten<strong>de</strong>n Bindungen an <strong>de</strong>n Staat o<strong><strong>de</strong>r</strong> an Teile<br />
eines staatlichen Appa<strong>ra</strong>ts; 117 die t<strong>ra</strong>ditionelle Ablehnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuer hat seinen Grund<br />
jedoch pr<strong>im</strong>är darin, daß die Freiwilligkeit <strong>de</strong>s Gebens durch die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> gewährleistet<br />
wer<strong>de</strong>n soll. 118<br />
3. Orthodoxie<br />
Die Orthodoxe Kirche in Griechenland, <strong><strong>de</strong>r</strong> weitreichen<strong>de</strong> Privilegien eingeräumt wer<strong>de</strong>n, gilt<br />
dort als „vorherrschen<strong>de</strong> Religion“. Mission durch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Religionsgemeinschaften wur<strong>de</strong> in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit oftmals als „Proselytenmacherei“ scharf kritisiert und von Staats wegen<br />
sanktioniert. Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e bei <strong>de</strong>n osteuropäischen Russisch-Orthodoxen Kirchen wer<strong>de</strong>n<br />
westliche Werte <strong>im</strong> allgemeinen abgelehnt. Derzeit haben in <strong><strong>de</strong>r</strong> EU jedoch die „lateinischen<br />
Kirchen“ das Sagen, was sich erst durch eine ausge<strong>de</strong>hnte Osterweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU – z.B. bei<br />
einem Beitritt von Bulgarien, Rumänien, Uk<strong>ra</strong>ine – ein wenig zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Orthodoxen<br />
Kirchen verschieben könnte, zumal es sich bei <strong>de</strong>n vor<strong>ra</strong>ngigen Beitrittskandidaten mit<br />
westlicherem Wirtschaftssystem (Polen, Tschechien, Slowenien, Ungarn) überwiegend um<br />
vom Katholizismus geprägte Län<strong><strong>de</strong>r</strong> han<strong>de</strong>lt.<br />
115 Vgl. hierzu: Burkart, Die Freikirchen <strong>im</strong> ökumenischen Dialog, MD 1996, S. 54.; Klaiber,<br />
Die Unkenntnis über<strong>ra</strong>scht – Vom Methodisten bis Baptisten: <strong>Das</strong> evangelische Spektrum<br />
umfaßt mehr als nur die Lan<strong>de</strong>skirchen, RM Nr. 25 vom 20.6.1997, S. 24.<br />
116 Weiterführen<strong>de</strong> Hinweise in: Freikirchenforschung, MD 1998, S. 40.<br />
117 Motel in: Gasper/Müller/Valentin (Hrsg.), Lexikon, Stichwort: Freikirchen.<br />
118 Vgl. 2. Kor. 9, 7; aus diesem Grun<strong>de</strong> zeugt es von geringer Kenntnis <strong>de</strong>s freikirchlichen<br />
Systems, wenn v. Campenhausen, Fn. 74, S. 281, ausführt: „Wer die tarifmäßigen Beiträge<br />
[Anm. <strong>de</strong>s Verfassers: Solche existieren gar nicht] in Freikirchen [...] nicht erbringt, wird in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Regel alsbald nicht mehr als Mitglied geführt.“ Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> von Freikirchen geben in<br />
aller Regel ganz freiwillig und ohne Steuerpflicht oft buchstäblich <strong>de</strong>n Zehnten ihres<br />
Einkommens, vgl. auch P<strong>ra</strong>ntl, Der Staat – weltlicher Arm <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche?, in: Fahr (Hrsg.),<br />
Kirchensteuer – Notwendigkeit und Problematik, Regensburg 1996, S. 83 ff., 84.
4. Ju<strong>de</strong>ntum<br />
<strong>Das</strong> Ju<strong>de</strong>ntum spielt heutzutage in Europa als Religionsgemeinschaft nur mehr eine<br />
untergeordnete Rolle. Trotz<strong>de</strong>m ist die jüdische Religion – aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Erkenntnis, daß<br />
dieser in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit mitunter religiöse Verfolgung zuteil gewor<strong>de</strong>n ist, die von<br />
vielfältigen Diffamierungen und Diskr<strong>im</strong>inierungen über verschie<strong>de</strong>ne Pogrome bis hin zum<br />
Holocaust reichte – in <strong>de</strong>n meisten Mitgliedstaaten trotz ihrer geringen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl als<br />
Religionsgemeinschaft offiziell anerkannt. Im Gegensatz zu christlichen Feiertagen, die über<br />
Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV als gesetzliche und damit weltliche Feiertage Schutz<br />
genießen, ist dies selbst bei hohen jüdischen Feiertagen, wie z.B. <strong>de</strong>m Jom Kippur, nicht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Fall. Dies hat zur Folge, daß sich jüdische Schulkin<strong><strong>de</strong>r</strong> an diesen Tagen schulfrei nehmen<br />
müssen, wobei das Fehlen z.B. bei Klassenarbeiten sehr schnell zu neuerlichen Vorurteilen<br />
führen kann und die Integ<strong>ra</strong>tion von Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong> jüdischen Religion weiterhin<br />
behin<strong><strong>de</strong>r</strong>t. 119<br />
5. Islam<br />
Infolge <strong>de</strong>s Zuzugs von Gastarbeitern, vor allem aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Türkei, aber auch aus Pakistan sowie<br />
von Kriegsflüchtlingen, z.B. aus Bosnien o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Kosovo, gewinnen die Einflüsse islamischer<br />
Kultur und Religion in Europa, namentlich in Deutschland, <strong>im</strong>mer mehr an Be<strong>de</strong>utung:<br />
Während die bei<strong>de</strong>n Volkskirchen beständig schrumpfen, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Islam mit ca. 2,5 Mio.<br />
Anhängern zur drittstärksten Religionsgemeinschaft in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik avanciert. 120 <strong>Das</strong><br />
Vordringen <strong>de</strong>s Islams in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU läßt sich beispielsweise an <strong>de</strong>n<br />
rechtlichen Problemfel<strong><strong>de</strong>r</strong>n um <strong>de</strong>n Muezzin-Ruf 121 , das Schächten von Tieren 122<br />
, das<br />
119<br />
Friedman, Die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Glaubensfreiheit aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> jüdischen Religion, in:<br />
Deutsche Sektion <strong><strong>de</strong>r</strong> Internationalen Juristen-Kommission (Hrsg.), Religionsfreiheit,<br />
Hei<strong>de</strong>lberg 1996, S. 81 f.; aus diesem Grund ist gemeinschaftsrechtlich von großer<br />
Be<strong>de</strong>utung, daß Schulen und sonstige staatliche Behör<strong>de</strong>n diesen Feiertagen an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
Religionsgemeinschaften gebührend Rechnung t<strong>ra</strong>gen, vgl. hierzu das Urteil <strong>de</strong>s EuGH in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. P<strong>ra</strong>is, s.u. C.II.1, wonach das Europarecht die religiösen Wurzeln von Feiertagen<br />
beachten muß.<br />
120<br />
Dies stellte schon 1990 Hollerbach, Entwicklungen <strong>im</strong> Verhältnis von Staat und Kirche, in:<br />
Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong>/Steinberg (Hrsg.), Hei<strong>de</strong>lberg 1990, S. 71 ff., 75, fest. Aktuell hierzu Hillgruber,<br />
Der <strong>de</strong>utsche Kulturstaat und <strong><strong>de</strong>r</strong> musl<strong>im</strong>ische Kultur<strong>im</strong>port, JZ 1999, S. 538 ff.<br />
121<br />
Vgl. hierzu Guntau, Der Ruf <strong>de</strong>s Muezzin in Deutschland – Ausdruck <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit?,<br />
ZevKR 43 (1998), S. 369 ff.; Muckel, Streit um <strong>de</strong>n musl<strong>im</strong>ischen Gebetsruf –<br />
29
30<br />
Kopftucht<strong>ra</strong>gen <strong>im</strong> Schulunterricht 123 sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nach einem eigenen islamischen<br />
Religionsunterricht 124<br />
festmachen.<br />
Auf Bun<strong>de</strong>sebene existieren zwei islamische Organe: Der multikulturelle „Zent<strong>ra</strong>l<strong>ra</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Musl<strong>im</strong>e“ – eine Pa<strong>ra</strong>llele zum „Zent<strong>ra</strong>l<strong>ra</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> Ju<strong>de</strong>n“ – sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> überwiegend Türken<br />
vertreten<strong>de</strong> „Islam<strong>ra</strong>t“. Gleichwohl nehmen bei<strong>de</strong> Organe für sich in Anspruch, in<br />
125<br />
Deutschland das Vertretungsorgan aller Musl<strong>im</strong>e zu sein. Zweck solcher Vereinigungen ist<br />
vor allem die Einflußnahme in aktuellen politischen und gesellschaftlichen F<strong>ra</strong>gen, wie z.B.<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Ausgestaltung <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Staatsangehörigkeitsrechts <strong>im</strong> Hinblick auf eine doppelte<br />
Staatsangehörigkeit. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als das Ju<strong>de</strong>ntum hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Islam als Religionsgemeinschaft in<br />
Deutschland keine offizielle Anerkennung durch Verleihung eines öffentlich-rechtlichen<br />
Körperschaftsstatus gefun<strong>de</strong>n. 126<br />
Der Ruf <strong>de</strong>s Muezzin <strong>im</strong> Spannungsfeld von Religionsfreiheit und einfachem Recht,<br />
NWVBl. 1998, S. 1 ff.<br />
122 Vgl. hierzu z.B. Müller-Volbehr, Religionsfreiheit und Tierschutz: Zur Zulässigkeit religiös<br />
motivierten Schächtens – BVerwG, NVwZ 1996, 61, JuS 1997, S. 223 ff.; Trute, <strong>Das</strong><br />
Schächten von Tieren <strong>im</strong> Spannungsfeld von Tierschutz und Religionsausübungsfreiheit –<br />
BVerwG – NVwZ 1996, 61 ff –, Ju<strong>ra</strong> 1996, S. 462 ff.<br />
123 Vgl. hierzu die Ausführungen unten B.II.2.a); E.VI.3.<br />
124 Auch wenn die F<strong>ra</strong>ge <strong>de</strong>s islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen in<br />
letzter Zeit wie<strong><strong>de</strong>r</strong> verstärkt diskutiert wird, vgl. z.B. Korioth, Fn. 75, S. 1041 ff.; Schuck,<br />
Islamischer Religionsunterricht?, MD 1999, S. 21 f., ist die Problematik nicht neu, vgl.<br />
Füssel/Nagel, Islamischer Religionsunterricht und Grundgesetz, EuGRZ 1985, S. 497 ff.<br />
Allerdings hat die bislang eher theoretische F<strong>ra</strong>ge durch ein Urteil <strong>de</strong>s OVG Berlin,<br />
NVwZ 1999, S. 786 ff., in <strong>de</strong>m dieses <strong><strong>de</strong>r</strong> türkisch-musl<strong>im</strong>ischen Organisation „Islamische<br />
Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ation“ das Recht zuerkannt hat, an staatlichen Schulen einen – finanziell durch das<br />
Land Berlin unterstützten – Religionsunterricht zu erteilen, neu an Be<strong>de</strong>utung gewonnen,<br />
vgl. Fechner, Islamischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, NVwZ 1999,<br />
S. 735 ff.; Schuck, a.a.O., S. 21.<br />
125 Vgl. Stahr, Fn. 179, S. 3.<br />
126 Begrün<strong>de</strong>t wird dies damit, daß es <strong>im</strong> Islam verschie<strong>de</strong>ne Strömungen gebe, die eine<br />
einheitliche Anerkennung verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n wür<strong>de</strong>n. So sei die Konkurrenz dieser islamischen<br />
Vereinigungen unter <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>s Rechtsfrie<strong>de</strong>ns als ein Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nis für die Verleihung<br />
eines Status als K.d.ö.R. zu werten, vgl. Albrecht, Die Verleihung <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperschaftsrechte<br />
an islamische Vereinigungen, KuR 210, S. 1 ff. Friedman, Fn. 119, S. 85, sowie Müller-<br />
Volbehr, Fn. 122, S. 226, weisen zutreffend da<strong>ra</strong>uf hin, daß es solcherlei Strömungen auch<br />
<strong>im</strong> Christentum gebe, was freilich die Anerkennung <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen christlichen<br />
Religionsgemeinschaften nicht hin<strong><strong>de</strong>r</strong>e. Rechtlich haltbar erscheint eine Ablehnung <strong>de</strong>s<br />
öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus für islamische Religionsgemeinschaften einzig<br />
und allein bei nachweislicher Demok<strong>ra</strong>tiefeindlichkeit, soweit die sonstigen Vo<strong>ra</strong>ussetz-
Eine Osterweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU um die Türkei, welcher auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Tagung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Rats<br />
am 10./11. Dezember 1999 in Helsinki <strong><strong>de</strong>r</strong> Status eines Beitrittskandidaten eingeräumt<br />
wur<strong>de</strong>, 127 hätte eine verstärkte Zunahme orientalischer und moslemischer<br />
Wertvorstellungen 128<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> EU zur Folge.<br />
6. Atheismus<br />
Im Zusammenhang mit <strong>de</strong>m <strong>Religionsrecht</strong> muß auch eine weitere, ten<strong>de</strong>nziell stark<br />
wachsen<strong>de</strong> Gruppe genannt wer<strong>de</strong>n – diejenige <strong><strong>de</strong>r</strong> Atheisten und Agnostiker. So gehörten<br />
beispielsweise schon <strong>im</strong> Jahre 1990 in Belgien 45 %, in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n 61 %, in<br />
ungen für die Erteilung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus nachgewiesen wer<strong>de</strong>n können. In diese<br />
Richtung Hillgruber, Fn. 120, S. 546; vgl. auch die Ausführungen unten J.III.2. Von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Erteilung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus hängen in<strong>de</strong>s weitere Rechte ab: Korioth, Fn. 75,<br />
S. 1046 ff., kommt zum Schluß, daß die Vo<strong>ra</strong>ussetzungen für die Erteilung islamischen<br />
Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen erst eröffnet seien, wenn musl<strong>im</strong>ische<br />
Gemeinschaften ebendiesen Status erlangt hätten.<br />
127 SZ Nr. 287 vom 11./12.12.1999, S. 1.<br />
128 Zwar soll das islamische Rechtssystem, die Schari c ah, keinen Zwang in<br />
Glaubensangelegenheiten kennen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n Anhängern <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen Religionen das<br />
Recht einräumen, ihren eigenen Glauben zu verkün<strong>de</strong>n und ihre Gotteshäuser zu errichten,<br />
so Razvi, Die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Glaubensfreiheit aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong>de</strong>s Islam, in: Deutsche Sektion<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Internationalen Juristen-Kommission (Hrsg.), Religionsfreiheit, Hei<strong>de</strong>lberg 1996,<br />
S. 35 ff. Die P<strong>ra</strong>xis in islamisch-fundamentalistischen Staaten differiert hiervon allerdings<br />
erheblich. So steht auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Apostasie t<strong>ra</strong>ditionell die To<strong>de</strong>sst<strong>ra</strong>fe. Ein Aus- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Übertritt zu<br />
einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaft ist <strong>de</strong>mnach nicht möglich, so auch Müller-Volbehr,<br />
Fn. 24, S. 347. Grund hierfür ist, daß die Kairoer Islamische Menschenrechtserklärung aus<br />
<strong>de</strong>m Jahre 1990 zwar grds. die Religionsfreiheit gewährleistet, in Art. 24 aber bekräftigt,<br />
daß alle in dieser Erklärung nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegten Rechte und Freiheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Islamischen Schari c ah<br />
unterstellt sind, vgl. Fer<strong>ra</strong>ri, Church and state in Europe. Common pattern and challenges,<br />
in: Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/Tempel/Torfs (Hrsg.), Fn. 31, S. 33 ff., 40.<br />
31
32<br />
Großbritannien 59 % und in F<strong>ra</strong>nkreich 60 % aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Altersgruppe <strong><strong>de</strong>r</strong> 18 – 24jährigen keiner<br />
Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft an. 129<br />
Infolge <strong><strong>de</strong>r</strong> gelockerten Anbindung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>sbürger an <strong>de</strong>n christlichen Glauben wer<strong>de</strong>n die<br />
Versuche von wettbewerbsorientierten Unternehmen <strong>im</strong>mer erfolgreicher, <strong>de</strong>n Sonntag als<br />
„normalen freien Tag“ in die Arbeitswoche einzubeziehen, was jedoch zu einer sukzessiven<br />
Aushöhlung <strong><strong>de</strong>r</strong> verfassungsrechtlich geschützten Sonntagsruhe (vgl. Art. 140 GG i.V.m.<br />
Art. 139 WRV) führt. 130<br />
Auch hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR zur Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland <strong>de</strong>n Atheismus innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EU geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t. So wur<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> atheistischen sozialistischen Gesellschaftsordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> DDR<br />
<strong>de</strong>m marxistisch-leninistischen Weltbild zuwi<strong><strong>de</strong>r</strong>laufen<strong>de</strong> religiöse Überzeugungen<br />
größtenteils als Fremdkörper abgetan und durch areligiöse Formen, z.B. die „Jugendweihe“,<br />
ersetzt. 131<br />
Der beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s von christlichen Kirchen erhoffte Weltbild- und Wertewan<strong>de</strong>l in <strong>de</strong>n<br />
neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach <strong>de</strong>m Zusammenbruch <strong>de</strong>s DDR-Reg<strong>im</strong>es blieb weitgehend aus.<br />
II. <strong>Religionsrecht</strong>liche Systeme <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Mitgliedstaaten<br />
Die religionsrechtlichen Systeme innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten variieren mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger<br />
stark voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong>. Trotz<strong>de</strong>m lassen sich drei Hauptströmungen dieser Systeme ausmachen,<br />
die t<strong>ra</strong>ditionell <strong>de</strong>n Begriffen <strong>de</strong>s Staatskirchentums einerseits, <strong><strong>de</strong>r</strong> strengen Trennung von<br />
Staat und Kirche i.S.d. laïcité an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits sowie <strong>de</strong>m Mittelweg einer Koope<strong>ra</strong>tion von Staat<br />
und Kirche trotz grundsätzlicher Trennung zugeordnet wer<strong>de</strong>n. 132<br />
1. Staatskirchentum<br />
129 Vgl. die Statistik bei Kerkhofs, Der Priestermangel in Europa, in: Kerkhofs/Zulehner<br />
(Hrsg.), Europa ohne Priester, Düsseldorf 1995, S. 11 ff., 21.<br />
130 Vgl. Steiger, Fn. 102, S. 528, 548.<br />
131 Vgl. hierzu Steiger, Fn. 102, S. 529 f., sowie Bleistein, Fn. 16, S. 403.<br />
132 Kustermann/Puza, Fn. 85, S. 11, gelangt aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenfassung bei<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Trennungssysteme (Laizität und Koope<strong>ra</strong>tion) zu einer Zweiteilung.
<strong>Das</strong> System <strong>de</strong>s Staatskirchentums, wie es in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten Dänemark, England,<br />
Griechenland, Finnland und (bis En<strong>de</strong> 1999) Schwe<strong>de</strong>n behe<strong>im</strong>atet ist, ist gekennzeichnet<br />
durch eine enge Verbindung zwischen <strong>de</strong>m Staat und zumeist einer Kirche, welcher zwar<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e staatliche Privilegien zuteil wer<strong>de</strong>n, die sich jedoch eine staatliche<br />
Lenkungsbefugnis hinsichtlich innerer Entscheidungsprozesse, wie z.B. bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ernennung<br />
kirchlicher Wür<strong>de</strong>nträger, gefallen lassen muß.<br />
a) Dänemark 133<br />
Art. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> Dänischen Verfassung (Dän.Verf.) anerkennt ausdrücklich die Ev.-Luth. Kirche als<br />
dänische Volkskirche; nach Art. 6 Dän.Verf. soll auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Monarch ein Mitglied dieser Kirche<br />
sein. Als Volkskirche wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Ev.-Luth. Kirche <strong>im</strong> Gegensatz zu <strong>de</strong>n gemäß<br />
Art. 69 Dän.Verf. anerkannten sonstigen Religionsgemeinschaften (die von <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath.<br />
Kirche bis zur Bahá’i-Religion reichen) staatliche Unterstützung zugesichert. Alle<br />
Kirchenentscheidungen wer<strong>de</strong>n vom staatlichen Parlament, nicht etwa von einem kirchlichen<br />
Vertretungsorgan, etwa einer Syno<strong>de</strong>, gefaßt. Überdies ist die Volkskirche <strong>de</strong>m Minister für<br />
Kirchenangelegenheiten unterstellt. Die Geistlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Volkskirche und <strong><strong>de</strong>r</strong> bisher<br />
anerkannten Religionsgemeinschaften haben trotz ihrer Qualifikation als Religionsgemeinschaft<br />
z.T. staatliche Verwaltungsaufgaben, wie z.B. die Führung <strong><strong>de</strong>r</strong> amtlichen Bücher<br />
134<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> öffentliche Beglaubigungen, durchzuführen. In Dänemark wird Kirchensteuer<br />
erhoben. 135<br />
b) Vereinigtes Königreich 136<br />
Im Vereinigten Königreich, das sich aus drei unterschiedlichen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n (England mit Wales,<br />
Schottland und Nordirland) mit jeweils eigenem Rechtssystem zusammensetzt, existieren<br />
unterschiedliche religionsrechtliche Systeme.<br />
133<br />
Vgl. hierzu Bleckmann, Staat und Kirche in <strong>de</strong>n nordischen Staaten, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e in<br />
Dänemark, in: Von <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen Religionsfreiheit <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK zum Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen – Ansätze zu einem ”<strong>Europäischen</strong> Staatskirchenrecht”, Köln –<br />
Berlin – Bonn – München 1995, S. 77 ff.; Dübeck, Staat und Kirche in Dänemark, in:<br />
Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995, S. 39 ff.<br />
134<br />
Dübeck, Fn. 133, S. 43 ff.<br />
135<br />
Vgl. Dübeck, Fn. 133, S. 48, 56.<br />
136<br />
Vgl. hierzu Bleckmann, <strong>Das</strong> Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Church of England zum britischen Staat,<br />
Fn. 133, S. 123 ff.; McClean, Staat und Kirche <strong>im</strong> Vereinigten Königreich, in: Robbers<br />
(Hrsg.), Fn. 133, S. 333 ff.<br />
33
34<br />
In England manifestiert sich das Staatskirchentum augenscheinlich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
englische Monarch zugleich auch das Oberhaupt <strong><strong>de</strong>r</strong> anglikanischen Church of England ist,<br />
daß 26 anglikanische Bischöfe, die vom Monarchen ernannt wer<strong>de</strong>n, Sitz und St<strong>im</strong>me <strong>im</strong><br />
House of Lords hatten 137 und daß kirchliche Gerichte gewissermaßen staatliche Gerichte<br />
sind. 138 Außer<strong>de</strong>m bedürfen Kirchengesetze <strong><strong>de</strong>r</strong> Gene<strong>ra</strong>l Synod, <strong>de</strong>nen dieselbe Wirkung wie<br />
einem Parlamentsgesetz zukommt, aufgrund <strong>de</strong>s Enabling Act von 1919 <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen<br />
Bestätigung durch das Parlament. 139<br />
In Wales dagegen ist die Anglikanische Kirche ebenso wie in Nordirland entstaatlicht, wobei<br />
letztere Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Anglikanischen Kirche von Irland ist, welche ganz Irland einschließlich<br />
Nordirland umfaßt. Ob die jüngst gestärkte politische Autonomie Nordirlands auch<br />
kirchenverwaltungsmäßige Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen nach sich zieht, bleibt abzuwarten.<br />
In Schottland dagegen dominiert die presbyterianisch verfaßte Kirk of Scotland als<br />
Staatskirche; <strong>im</strong> Vergleich mit dieser führt die Anglikanische Kirche in Schottland ein<br />
Schattendasein. Da mehrere Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>te lang kein eigenes schottisches Parlament existieren<br />
durfte, ist die jährliche Gene<strong>ra</strong>lversammlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche von Schottland mitunter Ausdruck<br />
schottischen Nationalgefühls. 140<br />
c) Griechenland 141<br />
Die auf <strong>de</strong>n Cäsaropapismus zurückgehen<strong>de</strong> enge Verbindung zwischen Staat und Kirche in<br />
Griechenland dokumentiert sich darin, daß das orthodoxe Bekenntnis gemäß Art. 3 § 1 <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
142<br />
Griechischen Verfassung (Griech.Verf.) von 1975 als „vorherrschen<strong>de</strong> Religion“<br />
137<br />
Vgl. McClean, Fn. 136, S. 337; gegen die St<strong>im</strong>men einiger Peers st<strong>im</strong>mte das House of<br />
Lords jedoch am 27.10.1999 seiner weitgehen<strong>de</strong>n Auflösung zu, vgl. SZ Nr. 250 vom<br />
28.10.1999, S. 1.<br />
138<br />
Doe, Churches in the United Kingdom and the Law of Data Protection, in: Robbers (Hrsg.),<br />
Europäisches Datenschutzrecht und die Kirchen, S. 167 ff., 169.<br />
139<br />
McClean, Fn. 136, S. 338; 340 f.; Pearce, in: Christoph, 3. Tagung über „Europäisches<br />
Gemeinschaftsrecht – kirchliches Dienst- und Arbeitsrecht“, ZevKR 37 (1992), S. 415 ff.,<br />
420.<br />
140<br />
McClean, Fn. 136, S. 337.<br />
141<br />
Vgl. hierzu Bleckmann, Die Rechtsstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen nach griechischem Recht, Fn. 133,<br />
S. 131 ff.; Papastathis, Staat und Kirche in Griechenland, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133,<br />
S. 79 ff.<br />
142<br />
Hierunter versteht man, daß das orthodoxe Dogma offizielle Religion <strong>im</strong> griechischen Staat<br />
ist, wodurch <strong><strong>de</strong>r</strong> Orthodoxen Kirche ein öffentlich-rechtlicher Körperschaftsstatus sowie<br />
weitere Son<strong><strong>de</strong>r</strong>behandlungen zuteil wer<strong>de</strong>n, vgl. Papastathis, Fn. 141, S. 82.
ezeichnet wird. Die Verfassung von 1952 hatte sogar noch einen Eid <strong>de</strong>s Monarchen zur<br />
Verteidigung <strong>de</strong>s orthodoxen Bekenntnisses vorgesehen. Staatliche Festlichkeiten wer<strong>de</strong>n<br />
nach wie vor in <strong>de</strong>n gottesdienstlichen Gebräuchen <strong><strong>de</strong>r</strong> Orthodoxen Kirche begangen; <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Staat übern<strong>im</strong>mt die Besoldung (nur) <strong>de</strong>s orthodoxen Klerus.<br />
<strong>Das</strong> Erzbistum Griechenland ist autokephal, d.h. innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> orthodoxen Kirchen mit<br />
eigenem Oberhaupt und eigenständiger Verwaltung versehen, wobei jedoch eine enge<br />
Verbindung mit <strong>de</strong>m ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel und je<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
orthodoxen Kirche besteht. 143 Allerdings wird diese Grundordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Griechisch-<br />
Orthodoxen Kirche vom staatlichen Gesetzgeber vorgegeben 144 und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Einhaltung durch<br />
<strong>de</strong>n Staats<strong>ra</strong>t, das oberste Verwaltungsgericht, überprüft. 145<br />
Eine weitgehen<strong>de</strong><br />
Selbstverwaltung genießt nach Art. 105 Griech.Verf. <strong><strong>de</strong>r</strong> Berg Athos.<br />
Auch wenn Art. 13 Griech.Verf. die Religionsfreiheit an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Bekenntnisse grds. achtet,<br />
verbietet Art. 13 § 2 S. 3 Griech.Verf. ausdrücklich je<strong>de</strong> Art von Proselytismus. 146<br />
143 Vgl. Art. 3 § 1 Griech.Verf. sowie Papastathis, Fn. 141, S. 83 f.<br />
144 Vgl. nur Spyropoulos, Datenschutz und Kirchen in Griechenland, in: Robbers (Hrsg.),<br />
Europäisches Datenschutzrecht und die Kirchen, S. 45 f.<br />
145 Papastathis, Fn. 141, S. 86.<br />
146 Hierunter versteht man die systematische Abwerbung von einer bestehen<strong>de</strong>n religiösen<br />
Überzeugung, vgl. Papastathis, Fn. 141, S. 90. Nicht ohne Grund hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR Gesetze<br />
aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Metaxas-Diktatur, welche die Ahndung von Proselytismus mit<br />
Gefängnisst<strong>ra</strong>fe vorsahen, als mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit nach Art. 9 EMRK für unvereinbar<br />
erklärt, s.u. E.III.2.a). Ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es Gesetz aus dieser Zeit, das vom griechischen Gesetzgeber<br />
noch nicht aufgehoben wur<strong>de</strong>, macht die Einrichtung von Kirchen und Gebetshäusern von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Erlaubnis <strong>de</strong>s örtlichen orthodoxen Metropoliten (Verwalter einer <strong><strong>de</strong>r</strong> 80 griechischen<br />
Kirchenprovinzen) abhängig, die i.d.R. verweigert wird, was für kleinere<br />
Religionsgemeinschaften regelmäßig das Beschreiten <strong>de</strong>s Rechtswegs bis zum Staats<strong>ra</strong>t<br />
notwendig macht, vgl. Papastathis, Fn. 141, S. 90. In seiner Entscheidung vom 26.9.1996,<br />
BNr. 18748/91 (Manoussakis/Griechenland), hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR einen Verstoß gegen<br />
Art. 9 EMRK festgestellt, nach<strong>de</strong>m infolge mehrjähriger Untätigkeit <strong>de</strong>s Metropoliten ein<br />
Kirchengebäu<strong>de</strong> ohne Genehmigung in Betrieb genommen wor<strong>de</strong>n war, was prompt zur<br />
Einleitung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens sowie einer Verurteilung<br />
führte. Vgl. <strong>im</strong> übrigen die Ausführungen unten E.VI.3.<br />
35
36<br />
d) Finnland 147<br />
In Finnland existieren aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> historischen Zugehörigkeit zu Schwe<strong>de</strong>n bzw. Rußland<br />
zwei Staatskirchen: die Ev.-Luth. Kirche, welcher <strong><strong>de</strong>r</strong> überwiegen<strong>de</strong> Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> finnischen<br />
Gesamtbevölkerung angehört, und die Griechisch-Orthodoxe Kirche. Die Organisation und<br />
Verwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ev.-Luth. Kirche wird gemäß Art. 83 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> Finnischen Verfassung<br />
(Finn.Verf.), die <strong><strong>de</strong>r</strong> Orthodoxen Kirche gemäß Art. 83 Abs. 2, Art. 90 Finn.Verf. jeweils<br />
durch ein vom Parlament erlassenes Kirchengesetz geregelt, wobei allerdings <strong><strong>de</strong>r</strong> Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchengesetze von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gene<strong>ra</strong>lversammlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen vorgegeben ist und nur letztere<br />
Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchengesetze vorschlagen können.<br />
148<br />
Die Rahmenbest<strong>im</strong>mungen für die<br />
Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> übrigen Religionsgemeinschaften (Zeugen Jehovas u.a.) wer<strong>de</strong>n durch das<br />
aufgrund Art. 83 Abs. 3 Finn.Verf. erlassene Gesetz über die Religionsfreiheit konkretisiert.<br />
Allerdings ist das Staatskirchentum in Finnland nicht dominanter Natur, wofür die Möglichkeit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Einflußnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatskirchen auf das Kirchengesetz ein Beleg sind mag. Immerhin<br />
aber wer<strong>de</strong>n die Bischöfe bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Besoldung <strong><strong>de</strong>r</strong> finnische Staat übern<strong>im</strong>mt,<br />
vom Staatspräsi<strong>de</strong>nten ernannt. Im übrigen gestaltet die Ev.-Luth. Kirche, die – ebenso wie<br />
die Orthodoxe Kirche – zum staatlichen Kirchensteuereinzugsverfahren berechtigt ist,<br />
Gottesdienste anläßlich beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Staatsfeierlichkeiten.<br />
e) Schwe<strong>de</strong>n 149<br />
Ca. 88 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwe<strong>de</strong>n gehören nominell <strong><strong>de</strong>r</strong> Ev.-Luth. Kirche von Schwe<strong>de</strong>n an. Trotz<strong>de</strong>m<br />
ist religiöses Leben in Schwe<strong>de</strong>n nicht sehr stark ausgeprägt, was sich darin dokumentiert, daß<br />
nur ca. 2 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung <strong>de</strong>n sonntäglichen Gottesdienst besuchen; einen be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n<br />
Anteil hie<strong>ra</strong>n haben überdies Gottesdienstbesucher <strong><strong>de</strong>r</strong> aus <strong>de</strong>n<br />
Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>erweckungsbewegungen <strong>de</strong>s 19. Jh. hervorgegangenen Freikirchen, wie z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
„Mission Bun<strong>de</strong>skirche von Schwe<strong>de</strong>n“. Schwe<strong>de</strong>n verband in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit ein<br />
t<strong>ra</strong>ditionelles Staatskirchentum; dies läßt sich vor allem da<strong>ra</strong>n festmachen, daß erstens <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Monarch <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche von Schwe<strong>de</strong>n zugehören mußte, zweitens das schwedische Parlament<br />
die Kirchengesetze für die Kirche von Schwe<strong>de</strong>n erließ, wobei die kirchliche Gene<strong>ra</strong>lsyno<strong>de</strong><br />
bis 1982 nur teilweise ein Mitsp<strong>ra</strong>cherecht hatte, und drittens vor 1994 geborene Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> grds.<br />
schon dann automatisch Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche von Schwe<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n, wenn ein Elternteil<br />
150<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitglied war.<br />
147<br />
Vgl. Heikkilä/Knuutila/Scheinin, Staat und Kirche in Finnland, in: Robbers (Hrsg.),<br />
Fn. 133, S. 303 ff.<br />
148<br />
Heikkilä/Knuutila/Scheinin, Fn. 147, S. 308 ff.<br />
149<br />
Schött, Staat und Kirche in Schwe<strong>de</strong>n, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133, S. 319 ff.<br />
150<br />
Vgl. zum bisherigen <strong>Religionsrecht</strong>: Schött, Fn. 149, S. 322 ff.
Jüngst haben sich diese engen Verflechtungen zwischen Staat und Kirche gelockert: So hat<br />
1994 eine Parlamentskommission eine Neuordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> zukünftigen Staat-Kirche-<br />
Beziehungen ausgearbeitet, wonach die Kirche von Schwe<strong>de</strong>n insofern entstaatlicht wird, als<br />
ihr ein eigener, staatsunabhängiger Rechtsstatus zuerkannt wird, <strong>de</strong>n auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Konfessionen erlangen können sollen. Kirchliche Gemein<strong>de</strong>n und Pfarrvereinigungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirche von Schwe<strong>de</strong>n sollen ihren eigenen Rechtsstatus behalten, fortan aber keine<br />
kirchlichen lokalen Behör<strong>de</strong>n mehr sein. 151<br />
37<br />
Inzwischen hat <strong><strong>de</strong>r</strong> schwedische Reichstag mit<br />
Zust<strong>im</strong>mung <strong><strong>de</strong>r</strong> Syno<strong>de</strong>, <strong>de</strong>m obersten Beschlußorgan <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwedischen Staatskirche, ein<br />
entsprechen<strong>de</strong>s Gesetz ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t, das zum 1. Januar 2000 in K<strong>ra</strong>ft getreten ist.<br />
2. Striktes Trennungssystem<br />
Typisches Merkmal eines strikten Trennungssystems, wie es F<strong>ra</strong>nkreich, Irland und die<br />
Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> kennen, ist es, daß Kirchen und Religionsgemeinschaften als Organisationen in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung keine Erwähnung mehr fin<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ihnen nur noch <strong><strong>de</strong>r</strong> Status einer<br />
juristischen Person <strong>de</strong>s Zivilrechts zuerkannt wird.<br />
a) F<strong>ra</strong>nkreich 152<br />
F<strong>ra</strong>nkreich ist ein überwiegend katholischer Mitgliedstaat mit nur etwa 750.000 Protestanten.<br />
Neben diesen christlichen Kirchen gibt es ca. 650.000 Ju<strong>de</strong>n, 3.000.000 Moslems sowie<br />
153<br />
ungefähr 600.000 Orthodoxe und Buddhisten.<br />
Im Hexagon gilt seit <strong>de</strong>m Trennungsgesetz vom 9. Dezember 1905 154<br />
, durch welches <strong>de</strong>m –<br />
seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Machtübernahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Republikaner 1879/1880 schwelen<strong>de</strong>n – Kulturkampf in<br />
151<br />
Vgl. zu <strong>de</strong>n Reformbestrebungen Schött, Fn. 149, S. 324 ff.<br />
152<br />
Vgl. hierzu Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Staat und Kirche in F<strong>ra</strong>nkreich, in: Robbers (Hrsg.),<br />
Fn. 133, S. 127 ff.; Bleckmann, Grundzüge <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts in F<strong>ra</strong>nkreich, Fn. 133,<br />
S. 95 ff.; v. Campenhausen, Staat und Kirche in F<strong>ra</strong>nkreich, Göttingen 1962; Grewe,<br />
Religionsfreiheit in <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>nzösischen Rechtsp<strong>ra</strong>xis, in: Deutsche Sektion <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Internationalen Juristen-Kommission (Hrsg.), Religionsfreiheit, Hei<strong>de</strong>lberg 1996, S. 17 ff.;<br />
Messner, Le droit f<strong>ra</strong>nçais <strong>de</strong>s religions, in: Puza/Kustermann (Hrsg.), Fn. 3, S. 33 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />
Le droit appliqué aux églises et religions en F<strong>ra</strong>nce et en RFA, Approche compa<strong>ra</strong>tive <strong>de</strong><br />
certains éléments, in: Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/Tempel/Torfs (Hrsg.), Fn. 31, S. 45 ff.<br />
153<br />
Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 127 f.
38<br />
F<strong>ra</strong>nkreich ein En<strong>de</strong> bereitet wer<strong>de</strong>n sollte, <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> strikten Trennung zwischen<br />
Staat und Kirche. Trotz ausdrücklicher Anerkennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Freiheit <strong>de</strong>s Gewissens und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kultusausübung erhält keine Religionsgesellschaft staatliche Subventionen, Gehaltszahlungen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Privilegien. Während <strong>de</strong>m aufklärerischen Trennungsgedanken ursprünglich eine<br />
kirchenfeindliche Ten<strong>de</strong>nz i.S.d. Laizismus (laïcisme o<strong><strong>de</strong>r</strong> laïcité <strong>de</strong> combat) zugrun<strong>de</strong> lag,<br />
wan<strong>de</strong>lte sich dieser schon bald zur Laizität (laïcité intég<strong>ra</strong>trice bzw. laïcité tolé<strong>ra</strong>nte).<br />
Hierunter versteht man die „Zusicherung <strong>de</strong>s Staates, <strong>de</strong>n sogenannten religiösen Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Privatsphäre <strong>de</strong>s einzelnen zu überlassen und sich je<strong><strong>de</strong>r</strong> weltanschaulichen Stellungnahme für<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> gegen die Religion zu enthalten“ 155 . Diese Entwicklung, die schon 1923 durch eine<br />
gegenüber <strong>de</strong>n Kirchen loyale Rechtsprechung vor allem <strong>de</strong>s Conseil d’Etat 156 einsetzte und<br />
bis heute andauert, wird mit <strong>de</strong>m Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „neut<strong>ra</strong>lité positive“ 157 bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> „sépa<strong>ra</strong>tion<br />
amenagée“ 158 umschrieben. Die Folge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichheit zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Religionen<br />
ist, daß es keine bevorzugte Religion gibt; darüber hinaus besitzt keine Religion einen<br />
öffentlichen Status. 159<br />
Während die laïcité formell in die Verfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Fünften Republik vom 4. Oktober 1958<br />
(F<strong>ra</strong>nz.Verf.) 160<br />
ebenso wie schon zuvor in die Verfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vierten Republik vom<br />
154<br />
Artikel 2 <strong>de</strong>s Gesetzes lautet: „La République ne reconnaît, ne salarie, ni ne subventionne<br />
aucun culte.“ Vgl. hierzu Duffar, La protection <strong>de</strong>s données et les Églises en F<strong>ra</strong>nce, in:<br />
Robbers, (Hrsg.), Europäisches Datenschutzrecht und die Kirchen, S. 81 ff., 82. <strong>Das</strong> Gesetz<br />
wur<strong>de</strong> durch das Gesetz vom 2.1.1907 nachgebessert, weil die Katholiken aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Befürchtung he<strong>ra</strong>us, ihre hie<strong>ra</strong>rchische Struktur zu verlieren, keine sog. Kultvereine<br />
grün<strong>de</strong>ten; diesen allein durfte durch das Gesetz vom 9.12.1905 das frühere Kirchenvermögen<br />
übert<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als <strong>de</strong>n Kultvereine war es Diözesanvereinen nicht<br />
gestattet, das frühere Eigentum zu übernehmen. Aus diesem Grund fiel dieses an <strong>de</strong>n Staat,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sich jedoch <strong>im</strong> Gegenzug an <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gebäu<strong>de</strong> beteiligte. Außer<strong>de</strong>m<br />
existieren in F<strong>ra</strong>nkreich aufgrund <strong>de</strong>s Gesetzes von 1901 über die Vereinsfreiheit sog.<br />
kulturelle Vereinigungen, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Vereinszweck – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als bei Kultvereinen – nicht auf die<br />
Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion beschränkt ist, vgl. Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 133 ff.<br />
155<br />
So v. Campenhausen, Fn. 152, S. 158.<br />
156<br />
Vgl. hierzu Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 135; Gromitsaris, Laizität und Neut<strong>ra</strong>lität in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Schule – Ein Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtslage in F<strong>ra</strong>nkreich und Deutschland, AöR 121 (1996),<br />
S. 359 ff., 369.<br />
157<br />
Vgl. v. Campenhausen, Fn. 152, S. 156; Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 131.<br />
158<br />
Huot-Pleuroux, in: Christoph, Fn. 139, S. 418.<br />
159<br />
Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 132.<br />
160<br />
Art. 1 F<strong>ra</strong>nz.Verf. lautet: „ La F<strong>ra</strong>nce est une République indivisible, laïque, démoc<strong>ra</strong>tique<br />
et sociale. Elle assure l’égalité <strong>de</strong>vant la loi <strong>de</strong> tous les citoyens sans distinction d’origine,<br />
<strong>de</strong> <strong>ra</strong>ce ou <strong>de</strong> religion. Elle respecte toutes les croyances.“
27. Oktober 1946 übernommen wur<strong>de</strong>, existieren seit 1959 in F<strong>ra</strong>nkreich eine staatlich<br />
organisierte Militär- und Anstaltsseelsorge; außer<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n kirchliche Privatschulen<br />
staatlich mitfinanziert. 161 Religionsgemeinschaften erfahren außer<strong>de</strong>m insofern eine<br />
finanzielle För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung durch <strong>de</strong>n Staat, als die seit <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>nzösischen Revolution <strong>im</strong><br />
Staatseigentum stehen<strong>de</strong>n Kirchengebäu<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Diözesanvereine vom Staat<br />
unterhalten wer<strong>de</strong>n, obwohl die Kirchen ein Benutzungsrecht haben. 162 In <strong>de</strong>m sog.<br />
„Tschador-Gutachten“ 163 ging <strong><strong>de</strong>r</strong> Conseil d’Etat ausführlich auf die Problematik <strong>de</strong>s<br />
Kopftucht<strong>ra</strong>gens an öffentlichen Schulen ein. <strong>Das</strong> Gutachten stellt in gewisser Weise eine<br />
Abkehr <strong>de</strong>s f<strong>ra</strong>nzösischen Staates von <strong><strong>de</strong>r</strong> bisher in religiösen F<strong>ra</strong>gen vorherrschen<strong>de</strong>n<br />
„distanzieren<strong>de</strong>n Neut<strong>ra</strong>lität“ 164<br />
dar.<br />
In <strong>de</strong>n drei östlichen Départements (Haut-Rhin, Bas-Rhin, Moselle) gilt hingegen nach wie<br />
vor das am 15. Juli 1801 unterzeichnete Napoleonische Konkordat, welches die Röm.-Kath.<br />
Kirche begünstigt. Dies hat zur Folge, daß Geistliche dieser Départements unmittelbar vom<br />
Staat besol<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Der Grund für die Fortgeltung <strong>de</strong>s Konkordats muß darin gesehen<br />
wer<strong>de</strong>n, daß die erwähnten Départements während <strong>de</strong>s Erlasses <strong>de</strong>s Trennungsgesetzes noch<br />
unter <strong>de</strong>utscher Herrschaft stan<strong>de</strong>n; 1871 war vereinbart wor<strong>de</strong>n, das Napoleonische<br />
Konkordat trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Annexion in K<strong>ra</strong>ft zu lassen. 165<br />
161<br />
Huot-Pleuroux, in: Christoph, Fn. 139, S. 418.<br />
162<br />
HdbStKirchR/v. Campenhausen, Der heutige Verfassungsstaat und die Religion, Erster Bd.,<br />
§ 2, S. 47 ff., 66 ff.<br />
163<br />
Gutachten vom 27.11.1989, AJDA 1990, S. 42; vgl. hierzu Gromitsaris, Fn. 156, S. 360,<br />
381 ff.; Grewe, Die islamischen Kopftücher o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Reinterpretation <strong><strong>de</strong>r</strong> f<strong>ra</strong>nzösischen<br />
Laizität, KuR 140, S. 27 ff.; dies., Fn. 152, S. 27 ff. Der Conseil d’Etat hat in <strong>de</strong>m<br />
Gutachten festgestellt, daß es verboten ist, religiöse Zeichen, wie z.B. die islamischen<br />
Kopftücher allgemein zu verbieten, es sei <strong>de</strong>nn <strong>im</strong> Schulunterricht wür<strong>de</strong>n diese Zeichen<br />
„wegen ihres <strong>de</strong>monst<strong>ra</strong>tiven o<strong><strong>de</strong>r</strong> appellativen Cha<strong>ra</strong>kters“ get<strong>ra</strong>gen und wür<strong>de</strong>n „einen<br />
Druck, eine Provozierung, Prosyletismus o<strong><strong>de</strong>r</strong> Propaganda darstellen“, wobei eine<br />
Entscheidung <strong>im</strong> Einzelfall durch die Schulbehör<strong>de</strong> und nicht mittels genereller Verwaltungsanordnung<br />
erfolgen dürfe.<br />
164<br />
Gromitsaris, Fn. 156, S. 363 m.w.N.<br />
165<br />
Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 131. Vgl. ausführlich zur Rechtslage in diesen Départements:<br />
Leisching, Kirche und Staat in <strong>de</strong>n Rechtsordnungen Europas, Freiburg 1973,<br />
S. 102 ff.<br />
39
40<br />
b) Irland 166<br />
Obwohl die Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> Irischen Verfassung (Irl.Verf.) von 1937 noch die t<strong>ra</strong>ditionelle<br />
167<br />
Invocatio Dei, d.h. die Anrufung <strong>de</strong>s dreieinigen Gottes durch das irische Volk vorsieht,<br />
sind Staat und Kirche seit <strong>de</strong>m Irish Church Act von 1869 getrennt. Vor 1869 war die<br />
anglikanische Kirche von Irland Staatskirche, und dies ungeachtet <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, daß bis heute<br />
noch über 95 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung Anhänger römisch-katholischen Glaubens sind. Allerdings<br />
wur<strong>de</strong> erst durch die 1937 weitgehend übe<strong>ra</strong>rbeitete Verfassung <strong>de</strong>s unabhängigen irischen<br />
Freistaates aus <strong>de</strong>m Jahre 1922 <strong>de</strong>n Gewährleistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit in vollem Umfang<br />
Rechnung get<strong>ra</strong>gen. Während Art. 44 Abs. 1 Nr. 2 Irl.Verf. ursprünglich die „beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Heiligen Katholischen Apostolischen und Römischen Kirche als <strong><strong>de</strong>r</strong> Hüterin <strong>de</strong>s<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> großen Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger bekannten Glaubens“ anerkannte, wur<strong>de</strong> diese<br />
Best<strong>im</strong>mung durch Verfassungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>im</strong> Jahre 1972 aufgehoben; nunmehr darf <strong><strong>de</strong>r</strong> irische<br />
Staat „nieman<strong>de</strong>n aufgrund <strong>de</strong>s religiösen Bekenntnisses, Glaubens o<strong><strong>de</strong>r</strong> Stan<strong>de</strong>s<br />
benachteiligen noch ihm eine sonstige unterschiedliche Behandlung auferlegen“. 168<br />
Gemäß Art. 44 Abs. 2 Ziff. 2 Irl.Verf. ist die finanzielle Unterstützung je<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion durch<br />
<strong>de</strong>n Staat verboten. Da auch eine Kirchensteuer nicht existiert, müssen die Großkirchen<br />
größtenteils auf Laienmitarbeiter zurückgreifen. Eine Ausnahme stellt lediglich die mittelbar<br />
durch Art. 44 Abs. 2 Ziff. 4 Irl.Verf. vorgesehene Subventionierung kirchlicher Schulen<br />
dar. 169<br />
c) Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> 170<br />
Während <strong><strong>de</strong>r</strong> Sü<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> t<strong>ra</strong>ditionell katholisch ist, hält sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Nor<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />
Lan<strong>de</strong>s mehr zu <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen protestantischen Religionen, die – neben <strong>de</strong>n Freikirchen,<br />
wie z.B. <strong>de</strong>n Methodisten und Pfingstlern – aus <strong><strong>de</strong>r</strong> früheren calvinistischen Staatskirche, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ne<strong><strong>de</strong>r</strong>landse Hervorm<strong>de</strong> Kerk, hervorgegangen sind. Im Gegensatz zum Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Katholiken, <strong><strong>de</strong>r</strong> relativ konstant bei ca. 1/3 <strong><strong>de</strong>r</strong> nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen Gesamtbevölkerung liegt, hat<br />
sich <strong><strong>de</strong>r</strong> ursprünglich freisinnige Flügel <strong><strong>de</strong>r</strong> Hervorm<strong>de</strong> Kerk seit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jh. stark<br />
166<br />
Vgl. Bleckmann, Die Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen in Irland, Fn. 133, S. 101 ff.; Casey, Staat und<br />
Kirche in Irland, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133, S. 159 ff.<br />
167<br />
Der Text <strong><strong>de</strong>r</strong> Invocatio Dei fin<strong>de</strong>t sich z.B. bei Casey, Fn. 166, S. 161.<br />
168<br />
Vgl. Casey, Fn. 166, S. 161 ff.<br />
169<br />
Treanor, in: Christoph, Fn. 139, S. 422.<br />
170<br />
Vgl. van Bijsterveld, Staat und Kirche in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133,<br />
S. 229 ff.; Bleckmann, Grundzüge <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n, Fn. 133,<br />
S. 113 f.; Walf, Staat und Kirche in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n, in: Puza/Kustermann (Hrsg.), Fn. 3,<br />
S. 85 ff.
säkularisiert, was dazu geführt hat, daß die frühere Staatskirche, <strong><strong>de</strong>r</strong> gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jh.<br />
noch knapp 2/3 <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamtbevölkerung angehörten, seit diesem Zeitpunkt über die Hälfte<br />
ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> verloren hat. 171 Manche Statistiken sehen mittlerweile sogar 45 % <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bevölkerung we<strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlich noch religiös als gebun<strong>de</strong>n an. Nichts<strong>de</strong>stotrotz besitzen die<br />
nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen Kirchen durch eigene Medien und Hochschulen bislang einen starken<br />
gesellschaftlichen Einfluß. 172<br />
In <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n besteht <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Trennung von Staat und Kirche erst seit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Novellierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen Verfassung von 1983 (Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>l.Verf.) und macht sich u.a.<br />
darin fest, daß das kirchliche Personal nicht mehr vom Staat finanziert wird. Kirchen können<br />
nur noch <strong>de</strong>n Status einer juristischen Person <strong>de</strong>s Zivilrechts erlangen; hierzu bedarf es keiner<br />
vorherigen Anerkennung.<br />
3. Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll<br />
<strong>Das</strong> Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll 173 , das mit Deutschland, Belgien, Luxemburg, Portugal, Österreich,<br />
Italien und Spanien die meisten Vertreter innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU hat, sieht als Mittelweg zwar eine<br />
grundsätzliche Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften vor, diese wird jedoch nicht<br />
strikt durchgehalten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n enthält zugleich Elemente <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbindung und Zusammenarbeit<br />
zwischen bei<strong>de</strong>n Institutionen. 174 Auf Ulrich Stutz geht daher <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff einer „hinken<strong>de</strong>n<br />
Trennung“ von Staat und Kirche zurück. 175 Z.T. wird aber auch von „pays concordataires“<br />
gesprochen, da für diese Staaten <strong>im</strong> Regelfall vert<strong>ra</strong>glich eingeräumte Rechte zwischen Kirche<br />
und Staat cha<strong>ra</strong>kteristisch sind. 176<br />
171 Van Bijsterveld, Fn. 170, S. 229 f.; Walf, Fn. 170, S. 89 f.<br />
172 Van Bijsterveld, Fn. 170, S. 241; Walf, Fn. 170, S. 91.<br />
173 In BVerfGE 42, S. 312 ff., 330, wird das Verhältnis zwischen Staat und Kirche nach<br />
jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>telanger enger Verbindung und zunehmen<strong><strong>de</strong>r</strong> Lockerung nicht als System „feindschaftlicher<br />
Trennung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wechselseitiger Zugewandtheit und Koope<strong>ra</strong>tion“<br />
beschrieben.<br />
174 Vgl. nur B<strong>ra</strong>uburger, „Trennung von Staat und Kirche“, KuR 110, S. 1 ff.<br />
175 Stutz, Die päpstliche Diplomatie unter Leo XIII. nach <strong>de</strong>n Denkwürdigkeiten <strong>de</strong>s Kardinals<br />
Domenico Fer<strong>ra</strong>ta, Abh. Preuß. Aka<strong>de</strong>mie d. Wiss., Jg. 25, 1926, S. 54, Anm. 2.; zitiert u.a.<br />
in BVerfGE 42, S. 312 ff., 331.<br />
176 Vgl. Dalla Torre, Fn. 21, S. 4.<br />
41
42<br />
a) Deutschland 177<br />
In Deutschland stehen sich die Röm.-Kath. Kirche mit 7 Erzbistümern und 20 Bistümern und<br />
die Evangelische Kirche mit 24 Gliedkirchen mit nahezu i<strong>de</strong>ntischer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zahl<br />
178<br />
(27,66 Mio. bzw. 27,53 Mio. Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>) als mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>stärkste Kirchen gegenüber. Neben<br />
<strong>de</strong>n einzelnen Evangelischen Lan<strong>de</strong>skirchen, die zusammen die EKD bil<strong>de</strong>n, existieren einige<br />
kleinere protestantische Freikirchen (z.B. Methodisten, Baptisten, Mennoniten, Herrnhuter<br />
Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>gemeine, Pfingstgemein<strong>de</strong>n), die sich <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD nicht angeschlossen haben. Inzwischen<br />
leben in Deutschland außer<strong>de</strong>m ca. drei Mio. Musl<strong>im</strong>e (davon 2, 3 Mio. Türken), was einem<br />
Anteil von über 3 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamtbevölkerung entspricht. Insgesamt gibt es etwa<br />
30 musl<strong>im</strong>ische Gotteshäuser in Deutschland, wobei allein die Mannhe<strong>im</strong>er Moschee Yavuz<br />
Sultan Sel<strong>im</strong> Platz 2500 Menschen faßt. 179 Die 73 is<strong>ra</strong>elitischen Kultusgemein<strong>de</strong>n zählten<br />
1997 ca. 67.500 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. 180<br />
Über 18 Mio. Menschen in Deutschland gehören überhaupt<br />
keiner Religionsgemeinschaft an, wobei dies neben <strong>de</strong>n großen Austrittswellen Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
90er Jahre vor allem auf die Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung Deutschlands mit <strong>de</strong>n z.T. nahezu<br />
„entchristianisierten“ neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n zurückzuführen ist.<br />
Die Religionsfreiheit wird in Deutschland nicht nur als Individual-, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch als<br />
kollektives Grundrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften anerkannt; nach Art. 137 Abs. 3 WRV<br />
von 1919 – dieser ist gemäß Art. 140 GG Bestandteil <strong>de</strong>s Grundgesetzes – haben die<br />
Religionsgesellschaften das Recht, ihre Angelegenheiten innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Sch<strong>ra</strong>nken <strong>de</strong>s „für<br />
alle gelten<strong>de</strong>n Gesetzes“ selbst zu ordnen und zu verwalten. Als Sch<strong>ra</strong>nke <strong>de</strong>s „für alle<br />
gelten<strong>de</strong>n Gesetzes“ sind nicht nur die nationalen Rechtsnormen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch das<br />
181<br />
Gemeinschaftsrecht anerkannt. Vo<strong>ra</strong>ussetzung ist jedoch weiter, daß es sich um solche<br />
177<br />
Zum <strong>de</strong>utschen <strong>Religionsrecht</strong> vgl. z.B. Bleckmann, Grundzüge <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts in<br />
Deutschland, Fn. 133, S. 83 ff.; v. Campenhausen, Zum Stand <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts in<br />
Deutschland, BayVBl. 1999, S. 65 ff.; Conring, Fn. 25, S. 214 ff.; Robbers, Staat und<br />
Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133, S. 61 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />
<strong>Das</strong> Verhältnis von Staat und Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, in: Zieger (Hrsg.),<br />
Die Rechtsstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen <strong>im</strong> geteilten Deutschland, Köln – Berlin – Bonn – München<br />
1989, S. 7 ff.; Marré, <strong>Das</strong> staatliche <strong>Religionsrecht</strong> in Deutschland, in: Puza/Kustermann<br />
(Hrsg.), Fn. 3, S. 99 ff.; Mikat, Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: Listl/Pirson<br />
(Hrsg.), Handbuch <strong>de</strong>s Verfassungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Teil 2, 2. Aufl.,<br />
Berlin – New York 1995, S. 1425 ff.; Weber, Die rechtliche Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> christlichen<br />
Kirchen <strong>im</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen Staat, ZevKR (36) 1991, S. 253 ff.<br />
178<br />
Quelle: Statistisches Jahrbuch 1998, S. 96.<br />
179<br />
Stahr, Eine He<strong>im</strong>at in <strong><strong>de</strong>r</strong> Frem<strong>de</strong>, PNP Nr. 10 vom 14.1.1999, S. 3.<br />
180<br />
Quelle: Statistisches Jahrbuch 1998, S. 98.<br />
181<br />
Robbers, Die Fortentwicklung <strong>de</strong>s Europarechts und seine Auswirkungen auf die<br />
Beziehungen zwischen Staat und Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, EssGespr (27)<br />
1993, S. 81 ff., 82.
Gesetze han<strong>de</strong>lt, „die für die Kirche dieselbe Be<strong>de</strong>utung haben wie für <strong>de</strong>n Je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann. Trifft<br />
das Gesetz die Kirche dagegen [...] in ihrer Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit als Kirche härter [...], bil<strong>de</strong>t es<br />
insoweit keine Sch<strong>ra</strong>nke.“ 182<br />
aa) Neut<strong>ra</strong>lität, Parität und Tole<strong>ra</strong>nz <strong>de</strong>s Staates in konfessioneller und religiöser Hinsicht<br />
Gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV existiert in Deutschland keine Staatskirche<br />
mehr. Im Staat-Kirche-Verhältnis gilt vielmehr das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen und<br />
weltanschaulichen Neut<strong>ra</strong>lität <strong>de</strong>s Staates, die das BVerfG aus <strong>de</strong>m Gleichheitssatz<br />
(Art. 3 Abs. 1 u. Abs. 3, Art. 33 Abs. 3 GG), <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit (Art. 4, Art. 140 GG i.V.m.<br />
Art. 136 Abs. 1 u. Abs. 4 WRV) und <strong>de</strong>m Verbot <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatskirche (Art. 140 i.V.m.<br />
Art. 137 Abs. 1 WRV) hergeleitet hat. 183 Überdies kommt <strong>de</strong>n Prinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gleichbehandlung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (Parität) 184 und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Tole<strong>ra</strong>nz 185<br />
Be<strong>de</strong>utung zu.<br />
182<br />
BVerfGE 42, S. 312 ff., 334 (st. Rspr.); vgl. BVerfGE 53, S. 366 ff., 399 ff.; 66, S. 1 ff.,<br />
20 f.; 70, S. 138 ff., 164; vgl. hierzu Robbers, Fn. 177, S. 66 f.<br />
183<br />
Vgl. z.B. BVerfGE 19, S. 206 ff., 216; 24, S. 236 ff., 246; 33, S. 23 ff., 28; 93, S. 1 ff., 16 f.<br />
Der Staat darf sich somit nicht mit einer Religion, Konfession o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung<br />
i<strong>de</strong>ntifizieren und Partei ergreifen – sog. „Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Nicht-I<strong>de</strong>ntifikation“ (Herbert<br />
Krüger) – , wohl aber mit Religionsgemeinschaften kooperieren o<strong><strong>de</strong>r</strong> sie för<strong><strong>de</strong>r</strong>n, vgl. z.B.<br />
BVerfGE 93, S. 1 ff., 16 f.; v. Campenhausen, Zur Kruzifix-Entscheidung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts,<br />
AöR 121 (1996), S. 448 ff., 458, 460; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 162, S. 77 ff.;<br />
Schlaich, Neut<strong>ra</strong>lität als verfassungsrechtliches Prinzip – vornehmlich <strong>im</strong> Kulturverfassungs-<br />
und Staatskirchenrecht, Tübingen 1972, S. 129 ff., 187, 236 ff.<br />
184<br />
Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Parität, welche eine Gleichbehandlung religiöser Bekenntnisse und Religionsgemeinschaften<br />
auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage ihrer Gleichwertigkeit i.R.d. Verfassungsordnung<br />
for<strong><strong>de</strong>r</strong>t, folgt das Verbot rechtlicher Bevorzugung best<strong>im</strong>mter Bekenntnisse bzw. Religionsgemeinschaften,<br />
vgl. v. Campenhausen, Fn. 162, S. 75 f. Jedoch darf es hierbei nicht zu<br />
einer nach Größe <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft „gestuften Parität“ kommen, vgl. Czermak,<br />
Bewegung ins Staatskirchenrecht!, ZRP 1990, S. 475 ff., 476 und BVerfGE 93, S. 1 ff., 17:<br />
„Sie [d.h. die oben zitierten Grundgesetznormen] verwehren die Einführung<br />
staatskirchenrechtlicher Rechtsformen und untersagen die Privilegierung best<strong>im</strong>mter<br />
Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung An<strong><strong>de</strong>r</strong>sgläubiger. Auf die zahlenmäßige Stärke<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> die soziale Relevanz kommt es dabei nicht an.“ Nach Carl Schmitt, Der Begriff <strong>de</strong>s<br />
Politischen, Berlin 1963, S. 99, be<strong>de</strong>utet Neut<strong>ra</strong>lität i.S.v. Parität die „gleiche Zulassung<br />
aller in Bet<strong>ra</strong>cht kommen<strong>de</strong>n Gruppen und Richtungen unter gleichen Bedingungen und mit<br />
gleicher Berücksichtigung bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuwendung von Vorteilen o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen staatlichen<br />
Leistungen“, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat mit einer Mehrzahl bestehen<strong><strong>de</strong>r</strong> religiöser und ähnlicher Gruppen<br />
verbun<strong>de</strong>n bleibt. <strong>Das</strong> be<strong>de</strong>utet, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat gleichermaßen mit Großkirchen und kleineren<br />
43
44<br />
bb) Elemente <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbindung und Trennung<br />
In erster Linie ist die Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuerkennung eines öffentlich-rechtlichen<br />
Körperschaftsstatus als Element <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbindung von Staat und Kirche zu erwähnen. Auch<br />
können durch <strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sgesetzgeber christliche Gemeinschaftsschulen 186 – <strong>im</strong> Gegensatz zu<br />
<strong>de</strong>n nur einer christlichen Konfession verpflichteten Bekenntnisschulen – sowie das Schulgebet<br />
187 eingerichtet wer<strong>de</strong>n, sofern obengenannte Schulen für Schüler aller Bekenntnisse<br />
offenstehen bzw. keine Teilnahme am Schulgebet verlangt wird und jeweils sichergestellt ist,<br />
daß keine Diskr<strong>im</strong>inierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtpartizipieren<strong>de</strong>n erfolgt. <strong>Das</strong> BVerfG hat in<br />
Gerichtssälen 188 und – sehr umstritten – in öffentlichen Grundschulen 189 die Anbringung von<br />
Kruzifixen für unzulässig erklärt, weil hierdurch ein „unausweichlicher Zwang“ entstehen<br />
könne, entgegen eigenen religiösen o<strong><strong>de</strong>r</strong> weltanschaulichen Überzeugungen ohne<br />
Ausweichmöglichkeiten „unter <strong>de</strong>m Kreuz“ einen Rechtsstreit führen bzw. lernen zu müssen.<br />
Soweit hier von <strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit mehr Tole<strong>ra</strong>nz abverlangt wird, 190 muß man sie umgekehrt<br />
auch von <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit gegenüber Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten (z.B. in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kopftuchproblematik) einfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Im staatlichen Gerichtsverfahren wird schließlich die Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Beteuerung<br />
von Ei<strong>de</strong>sformeln eröffnet. 191<br />
cc) Gemeinsame Aufgaben (res mixtae)<br />
Religionsgemeinschaften kooperiert, soweit diese ihrerseits die Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>s<br />
staatlichen Koope<strong>ra</strong>tionsangebots erfüllen, was sich in Deutschland in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuerkennung <strong>de</strong>s<br />
öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus ausdrückt; in diese Richtung auch Erwin Fischer,<br />
Fn. 6, S. 207 ff., 210; an<strong><strong>de</strong>r</strong>s z.B. Robbers, Fn. 177, S. 64.<br />
185<br />
Unter <strong>de</strong>m vom Staat zu schützen<strong>de</strong>n Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Tole<strong>ra</strong>nz versteht man eine Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Offenheit und Achtung gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en, gleichberechtigten religiösen Positionen, vgl.<br />
v. Campenhausen, Fn. 162, S. 62.<br />
186<br />
BVerfGE 41, S. 29 ff.; 41, S. 65 ff.; 41, S. 88 ff.<br />
187<br />
BVerfGE 52, S. 233 ff.<br />
188<br />
BVerfGE 35, S. 366 ff., 373 ff.<br />
189<br />
BVerfGE 93, S. 1 ff., 16; vgl. hierzu u.a. Badu<strong>ra</strong>, <strong>Das</strong> Kreuz <strong>im</strong> Schulz<strong>im</strong>mer – Inhalt und<br />
rechtliche T<strong>ra</strong>gweite <strong>de</strong>s Beschlusses <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts vom 16.5.1995,<br />
BayVBl. 1996, S. 33 ff. u. 71 ff.; Geldbach, Von Elefanten und Ameisen. <strong>Das</strong> Kruzifix-<br />
Urteil aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Perspektive einer Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit o<strong><strong>de</strong>r</strong>: Warum das Urteil nicht in F<strong>ra</strong>ge gestellt<br />
wer<strong>de</strong>n darf, ZThG 1996, S. 7 ff.; Heckmann, Eingriff durch Symbole? – Zur Reichweite<br />
grundrechtlichen Schutzes vor geistiger Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung, JZ 1996, S. 880 ff., dort Fn. 5<br />
m.w.N.<br />
190<br />
Z.B. Gromitsaris, Fn. 156, S. 366.<br />
191<br />
Vgl. nur Art. 56 S. 1 GG; § 481 Abs. 1 ZPO; § 66c Abs. 1 StPO.
Die Koope<strong>ra</strong>tion zwischen <strong>de</strong>m Staat und <strong>de</strong>n Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften durch<br />
gemeinsame Angelegenheiten schlägt sich in zahlreichen Bereichen nie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Die Militär- und<br />
Anstaltsseelsorge (Art. 140 GG i.V.m. Art. 141 WRV) ist ebenso zu erwähnen wie das<br />
Friedhofswesen; die Kirchensteuer (Art. 140 i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV) 192 muß hier in<br />
gleicher Weise genannt wer<strong>de</strong>n wie die Erteilung <strong>de</strong>s Religionsunterrichts als or<strong>de</strong>ntliches<br />
Lehrfach (Art. 7 Abs. 2, 3 GG) 193 o<strong><strong>de</strong>r</strong> das kirchliche Mel<strong>de</strong>wesen 194<br />
.<br />
b) Belgien 195<br />
Belgien gilt als ein in weitem Umfang säkularisierter Mitgliedstaat, wobei allerdings ¾ <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bevölkerung nominell <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche angehört. Die Moslems stellen mit einem<br />
Anteil von 1,5 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung ebenso viele Anhänger wie Protestanten (1,0 %), Ju<strong>de</strong>n<br />
196<br />
(0,3 %) und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Religionsgemeinschaften (0,2 %) gemeinsam. Während Art. 19 <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Belgischen Verfassung (Belg.Verf.) die individuelle und kollektive positive Religionsfreiheit<br />
statuiert, wird durch Art. 20 Belg.Verf. zusätzlich die individuelle negative Religionsfreiheit<br />
gewährleistet. Art. 21 Belg.Verf. enthält überdies ein Verbot staatlicher Einmischung in<br />
innerkirchliche Angelegenheiten. Ähnlich wie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik besteht auch für <strong>de</strong>n<br />
belgischen Staat die Verpflichtung zur Neut<strong>ra</strong>lität aufgrund <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n<br />
Religionsplu<strong>ra</strong>lismus. Allerdings darf <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat offiziell anerkannte<br />
Religionsgemeinschaften 197 gemäß Art. 181 Belg.Verf. durch Besoldung <strong><strong>de</strong>r</strong> Geistlichen<br />
finanziell för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Auch ist er verpflichtet, Defizite kirchlicher Verwaltung weltlicher Güter<br />
zu t<strong>ra</strong>gen, so daß man insoweit von einer „positiven Neut<strong>ra</strong>lität“ sprechen kann. 198<br />
192 Vgl. hierzu die Ausführungen unten K.III.1.<br />
193 Vgl. hierzu Oebbecke, Reichweite und Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> grundgesetzlichen Ga<strong>ra</strong>ntie <strong>de</strong>s<br />
Religionsunterrichts, DVBl. 1996, S. 336 ff.<br />
194 Vgl. hierzu die Ausführungen unten K.III.5.c).<br />
195 Bleckmann, Grundzüge <strong>de</strong>s belgischen Staatskirchenrechts, Fn. 133, S. 73 ff.; Torfs, Staat<br />
und Kirche in Belgien, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133, S. 15 ff.<br />
196 Torfs, Fn. 195, S. 15.<br />
197 Vor kurzem wur<strong>de</strong> in Belgien neben <strong>de</strong>n bisher anerkannten Konfessionen <strong>de</strong>s Katholizismus,<br />
Protestantismus, Ju<strong>de</strong>ntums, Anglikanismus, Islams und <strong><strong>de</strong>r</strong> griechisch und russisch<br />
orthodoxen Kirche auch die Freikirche <strong><strong>de</strong>r</strong> Baptisten anerkannt, vgl. KuR 980, S. 131. Die<br />
nicht anerkannten Religionsgemeinschaften sind dagegen weitgehend schutzlos, vgl. Torfs,<br />
Fn. 195, S. 20 f.<br />
198 Torfs, Fn. 195, S. 18.<br />
45
46<br />
c) Luxemburg 199<br />
Der Auslän<strong><strong>de</strong>r</strong>anteil in <strong>de</strong>m kleinsten Mitgliedstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft mit nur 400.000<br />
Einwohnern beträgt rund ein Drittel. Dies erschwert Schätzungen <strong>im</strong> Hinblick auf die<br />
Religionszugehörigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einwohner Luxemburgs, zumal von Gesetzes wegen ein<br />
Erhebungsverbot über die Konfessions- und Religionszugehörigkeit besteht. Allerdings sollen<br />
neben einer kleinen Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit von Luthe<strong>ra</strong>nern, Calvinisten und Ju<strong>de</strong>n ca. 90 % <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
200<br />
Bevölkerung Katholiken sein. Für <strong>de</strong>n größten Teil Luxemburgs wirkt das Napoleonische<br />
Konkordat aus <strong>de</strong>m Jahre 1801 – ebenso wie in Belgien und <strong>de</strong>n drei östlichen Départements<br />
F<strong>ra</strong>nkreichs – mangels formaler Beendigung fort, da Luxemburg zum Zeitpunkt <strong>de</strong>ssen<br />
Abschlusses zur Diözese Metz gehörte. 201<br />
Dies hat u.a. zur Folge, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat die Besoldung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Geistlichen anerkannter Religionsgemeinschaften, <strong>de</strong>nen ein öffentlich-rechtlicher<br />
Rechtsstatus verliehen wur<strong>de</strong>, übern<strong>im</strong>mt.<br />
d) Portugal 202<br />
Während die Röm.-Kath. Kirche bis zum Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> Neuzeit mit <strong>de</strong>m Portugiesischen Staat<br />
203<br />
sehr eng verknüpft war, bet<strong>ra</strong>chten sich heutzutage nur noch 65 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Portugiesen als<br />
katholisch. Vor allem in <strong>de</strong>n Städten erhalten <strong>im</strong> Gegenzug Religionsgemeinschaften wie z.B.<br />
protestantische Kirchen, die Zeugen Jehovas o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch die Maná Kirche und die Universale<br />
Kirche starken Zulauf. 204 Die neue Verfassung Portugals von 1976 (Port.Verf.) enthält in<br />
Art. 41 Abs. 4 Port.Verf. einen klaren Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Trennung zwischen Staat und Kirche und<br />
stellt in Art. 41 Abs. 2 Port.Verf. <strong>de</strong>n Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichheit <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen Konfessionen<br />
auf. In <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis wird diese Gleichbehandlung und Trennung von Staats wegen jedoch<br />
nicht konsequent aufrechterhalten: So gewährt das Konkordat von 1940, das 1975 bestätigt<br />
wur<strong>de</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechte, die keiner an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaft<br />
zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n und somit <strong>im</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zur Verfassung von 1976 stehen. 205<br />
199<br />
Vgl. Bleckmann, Staat und Kirche in Luxemburg, Fn. 133, S. 109 ff.; Pauly, Staat und<br />
Kirche in Luxemburg, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133, S. 211 ff.<br />
200<br />
So Pauly, Fn. 199, S. 211.<br />
201<br />
Pauly, Fn. 199, S. 212, 215.<br />
202<br />
Vgl. Bleckmann, Grundzüge <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts in Portugal, Fn. 133, S. 115 ff.; Canas,<br />
Staat und Kirche in Portugal, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133, S. 281 ff.<br />
203<br />
Dies spiegelt Art. 25 <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten portugiesischen Verfassung von 1822 wi<strong><strong>de</strong>r</strong>: „Die Religion<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> portugiesischen Nation ist <strong><strong>de</strong>r</strong> römische Katholizismus“.<br />
204<br />
Canas, Fn. 202, S. 281 f.<br />
205<br />
Vgl. Canas, Fn. 202, S. 286, 288 f., 292, 298; bezüglich Einzelheiten <strong>de</strong>s Konkordats vgl.<br />
Canas, a.a.O., S. 290 f.
e) Österreich 206<br />
In Österreich gehören knapp über ¾ <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung <strong><strong>de</strong>r</strong> römisch-katholischen Religion an;<br />
ca. 5 % sind evangelischen, 2 % islamischen und 1,5 % orthodoxen Bekenntnisses. <strong>Das</strong><br />
<strong>Religionsrecht</strong> Österreichs stellt sich nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Überwindung <strong>de</strong>s Josephinismus als<br />
Trennungssystem mit koope<strong>ra</strong>tiven Elementen ähnlich <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
dar. Die religionsrechtlichen Vorschriften sind allerdings über viele Gesetze, die teilweise<br />
207<br />
noch aus <strong>de</strong>m 19. Jh stammen, verstreut. Außer<strong>de</strong>m kommt <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK, <strong>de</strong>ssen Art. 9 die<br />
Religionsfreiheit gewährleistet, in Österreich Verfassungs<strong>ra</strong>ng zu. 208<br />
§ 1 AnerkG unterschei<strong>de</strong>t zwischen „historisch anerkannten“ Kirchen und<br />
Religionsgesellschaften, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechtsstellung durch eigene Gesetze fortgebil<strong>de</strong>t wird 209 und<br />
solchen, die bisher nicht anerkannt waren, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Anerkennung aber unter best<strong>im</strong>mten<br />
Vo<strong>ra</strong>ussetzungen – diese ähneln <strong>de</strong>n Erteilungsvo<strong>ra</strong>ussetzungen für <strong>de</strong>n Körperschaftsstatus in<br />
Deutschland – erfolgen wer<strong>de</strong>n kann 210<br />
, wobei die Anerkennung für diese zweite Gruppe von<br />
206<br />
Vgl. hierzu Conring, Fn. 25, S. 88 ff.; Potz, Staat und Kirche in Österreich, in: Robbers<br />
(Hrsg.), Fn. 133, S. 251 ff.; Pree, Österreichisches Staatskirchenrecht, Wien – New York<br />
1984.<br />
207<br />
So z.B. das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsbürger (StGG) vom<br />
21.12.1867, <strong>de</strong>m gemäß Art. 149 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> Öster.Verf. vom 1.10.1920 Verfassungs<strong>ra</strong>ng<br />
zuerkannt wur<strong>de</strong>. Nach <strong>de</strong>ssen Art. 15 besitzt je<strong>de</strong> gesetzlich anerkannte Kirche und<br />
Religionsgemeinschaft das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen öffentlichen Religionsausübung und<br />
kann ihre inneren Angelegenheiten selbständig verwalten. Zu erwähnen ist hier auch das<br />
Gesetz betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften vom<br />
20.5.1874 (AnerkG).<br />
208<br />
Vgl. Österr. BGBl. 1964, Nr. 59; Einzelheiten zu Art. 9 EMRK s.u. E.III.2.<br />
209<br />
Für die Röm.-Kath. Kirche ist hier das Konkordat vom 5.6.1933, österr. BGBl. II 1934,<br />
Nr. 2 zu nennen, durch welches Österreich dieser Kirche weitgehen<strong>de</strong> Rechte einräumt, vgl.<br />
Potz, Fn. 206, S. 253; für die Evangelische Kirche, die Griechisch-Orientalische Kirche, die<br />
Is<strong>ra</strong>elitische Religionsgesellschaft sowie die Anhänger <strong>de</strong>s Islam wur<strong>de</strong>n zwischen 1890<br />
und 1967 einzelne Bun<strong>de</strong>sgesetze mit speziellen Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechten abgeschlossen, vgl. Potz,<br />
Fn. 206, S. 256 f.<br />
210<br />
Selbst wenn die Erteilungsvo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Anerkennung erfüllt sind, besteht kein<br />
Rechtsanspruch hie<strong>ra</strong>uf. Auch ist kein Rechtsmittel vorgesehen, um gegen eine Ablehnung<br />
vorzugehen. Dies läßt sich mit <strong>de</strong>m gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz und<br />
<strong>de</strong>m Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbaren. Zu Recht kritisiert daher<br />
Honegger, Trennung von Staat und Kirche: Ein Schritt zum Ausbau <strong>de</strong>s Rechtsstaates, in:<br />
Carlen (Hrsg.), Trennung von Kirche und Staat – Sépa<strong>ra</strong>tion <strong>de</strong> l’église et <strong>de</strong> l’état,<br />
Freiburg (Schweiz) 1994, S. 37 ff., 43, daß die so oft beschworene Koope<strong>ra</strong>tion zwischen<br />
Staat und Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis meist da<strong>ra</strong>n scheitert, weil es mehr als eine Kirche gibt.<br />
47
48<br />
Religionsgemeinschaften durch Verordnung ausgesprochen wird. 211 Nur anerkannte Kirchen<br />
und Religionsgesellschaften erhalten allerdings vollen Zugang zu <strong>de</strong>n religiösen<br />
Grundrechten. Religionsgesellschaften, <strong>de</strong>nen dieser gesetzliche Status nicht verliehen wur<strong>de</strong>,<br />
konnten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit keinerlei Rechtsfähigkeit erlangen, da § 3a <strong>de</strong>s österreichischen<br />
Vereinsgesetzes von 1951 diese sogar vom Vereinsrecht ausschloß. 212 Inzwischen kann<br />
infolge <strong>de</strong>s österr. Bun<strong>de</strong>sgesetzes vom 10. Dezember 1997 213 die Zwischenstufe einer<br />
„religiösen Bekenntnisgemeinschaft“ erworben wer<strong>de</strong>n, die zwar mehr als ein bloßer<br />
Vereinsstatus, jedoch weniger als eine volle staatliche Anerkennung als Körperschaft <strong>de</strong>s<br />
öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.) be<strong>de</strong>utet; ihr Erwerb setzt eine Min<strong>de</strong>stgröße von 2 ‰ <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
österreichischen Gesamtbevölkerung (ca. 16.000 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>) sowie ein 20-jähriges Bestehen,<br />
davon zehn Jahre als religiöse Bekenntnisgemeinschaft, vo<strong>ra</strong>us. 214<br />
Österreich macht Geb<strong>ra</strong>uch von einem Kirchenfinanzierungssystem durch Erhebung eines<br />
obligatorischen Kirchenbeit<strong>ra</strong>gs, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Zivilrechtsweg eingeklagt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> das Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht, welches <strong>im</strong> Regelfall eine öffentlich-rechtliche Anerkennung<br />
vo<strong>ra</strong>ussetzt, bringt, wie Honegger, a.a.O., S. 43, es ausdrückt, eine „unakzeptable<br />
Diskr<strong>im</strong>inierung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Konfessionen mit sich. Die Angehörigen verschie<strong>de</strong>ner Konfessionen<br />
wer<strong>de</strong>n nicht gleich behan<strong>de</strong>lt, wenn man <strong><strong>de</strong>r</strong>en Konfessionen nicht gleich<br />
behan<strong>de</strong>lt. Damit ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsgleichheit verletzt, aber auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit [...].“ 211 Vgl. die Übersicht über die durch VO<br />
anerkannten Gemeinschaften bei Potz, Fn. 206, S. 261.<br />
211<br />
Vgl. die Übersicht über die durch VO anerkannten Gemeinschaften bei Potz, Fn. 206,<br />
S. 261.<br />
212<br />
Vgl. Helmut Schnizer, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 114. Mittlerweile wird<br />
diesen Religionsgemeinschaften aufgrund von Art. 11 i.V.m. Art. 14 EMRK zumin<strong>de</strong>st die<br />
Bildung von Vereinen mit religiösem Teilzweck gestattet, vgl. Potz, Fn. 206, S. 261, 263.<br />
213<br />
Österr. BGBl. 1998, S. 485.<br />
214<br />
Vgl. hierzu KuR 980, S. 130 f., Abel, „Die aktuelle Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung zu<br />
neueren Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften“, NJW 1999, S. 331 ff., 336. Die<br />
Vo<strong>ra</strong>ussetzung einer Min<strong>de</strong>stgröße ist kritisch zu bewerten, da diese für nicht „historisch<br />
anerkannte“ Religionsgemeinschaften eine große Hür<strong>de</strong> darstellen kann. So stellt die<br />
Is<strong>ra</strong>elitische Glaubensgemeinschaft – die allerdings unter die erstgenannte Gruppe fällt –<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit nur 0,9 ‰ <strong><strong>de</strong>r</strong> österr. Gesamtbevölkerung.
f) Italien 215<br />
Umf<strong>ra</strong>gen zufolge halten sich 88,1 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Italiener <strong>de</strong>m römisch-katholischen Glauben<br />
zugehörig, 9,9 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Italiener sind ungläubig. Die Evangelischen Kirchen unterglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich<br />
in Luthe<strong>ra</strong>ner (12.000 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>), Baptisten (7.500 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>), Adventisten (7.500<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>) und weitere evangelische Freikirchen, von <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenschluß zwischen<br />
216<br />
Wal<strong>de</strong>nsern und Methodisten mit ca. 31.000 Gläubigen am einflußreichsten ist. Außer<strong>de</strong>m<br />
zählen sich ca. 30.000 Gläubige zur Hebräischen Gemeinschaft. 217<br />
Die Italienische Verfassung vom 22. Dezember 1947 (Ital.Verf.) versteht sich als<br />
weltanschaulich neut<strong>ra</strong>l, hebt jedoch die Röm.-Kath. Kirche in Art. 7 Ital.Verf. gegenüber <strong>de</strong>n<br />
übrigen Konfessionen (Art. 8 Ital.Verf.) beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s hervor. Dies erklärt sich z.T. durch<br />
räumliche Nähe <strong>de</strong>s Papsttums zu Italien; einige Liegenschaften <strong>de</strong>s Hl. Stuhls befin<strong>de</strong>n sich<br />
sogar auf italienischem Territorium. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Ermächtigung in Art. 7 Abs. 2 Ital.Verf.<br />
wur<strong>de</strong> 1984 zwischen <strong>de</strong>m Hl. Stuhl und <strong><strong>de</strong>r</strong> Italienischen Regierung das Rahmenkonkordat<br />
von Villa Madama abgeschlossen, welches das bisherige Late<strong>ra</strong>nkonkordat von 1929 ablöst<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche weitreichen<strong>de</strong> Privilegien zugesteht.<br />
Daneben ermöglicht Art. 8 Abs. 3 Ital.Verf. nichtkatholischen Konfessionen <strong>de</strong>n Abschluß<br />
von Vereinbarungen mit <strong>de</strong>m italienischen Staat; Abkommen dieser Art sind mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ev.-<br />
Luth. Kirche, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> jüdischen Gemein<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Wal<strong>de</strong>nsern sowie drei Freikirchen<br />
(Baptisten, Pfingstler, Adventisten) abgeschlossen wor<strong>de</strong>n. Zwar ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> in diesen<br />
Vereinbarungen eingeräumten Rechte nicht so weitgehend, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Abkommens von Villa<br />
Madama; trotz<strong>de</strong>m ist die Rechtsstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Konfessionen, die bisher nach Art. 8 Abs. 3 Ital.<br />
Verf. Vereinbarungen mit <strong>de</strong>m Italienischen Staat abgeschlossen haben, gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> zweit-<br />
und drittgrößten Konfession, <strong>de</strong>n Moslems bzw. Zeugen Jehovas, <strong>de</strong>utlich verbessert.<br />
Die mit <strong>de</strong>m österreichischen Religionssystem vergleichbare Koppelung einzelner kirchlicher<br />
Rechtspositionen (Finanzierung, Seelsorge und Unterricht) an eine staatliche Vereinbarung<br />
mit <strong>de</strong>n Religionsgemeinschaften ist für diese Religionsgesellschaften verständlicherweise<br />
höchst unbefriedigend und <strong>im</strong> Hinblick auf die in Art. 8 Ital.Verf. postulierte Gleichheit aller<br />
Religionsgemeinschaften schon verfassungsrechtlich sehr be<strong>de</strong>nklich. Ein allgemeines Gesetz<br />
für Religionsgemeinschaften, welches die grundsätzlichen Rechtspositionen einheitlich regelt<br />
215<br />
Vgl. hierzu Bleckmann, Grundzüge <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts in Italien, Fn. 133, S. 105 ff.;<br />
Fer<strong>ra</strong>ri, Staat und Kirche in Italien, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133, S. 185 ff.; Musselli,<br />
Hauptprobleme <strong>im</strong> Verhältnis von Staat und religiösen Konfessionen in Italien heute, in:<br />
Puza/Kustermann (Hrsg.), Fn. 3, S. 79 ff.; Puza, <strong>Das</strong> staatliche <strong>Religionsrecht</strong> in Italien, in:<br />
Puza/Kustermann (Hrsg.), Fn. 3, S. 59 ff.<br />
216<br />
Vgl. hierzu Schuck, Evangelische Kirchen in Europa, MD 1999, S. 74.<br />
217<br />
Quelle: Puza, Fn. 215, S. 63 f.<br />
49
50<br />
und nur die konfessionellen Spezifika (z.B. Schächten; Sabbatruhe) geson<strong><strong>de</strong>r</strong>ten<br />
Vereinbarungen vorbehält, könnte diesen Diskr<strong>im</strong>inierungen wirksam begegnen. 218<br />
Italien kennt kein Kirchensteuersystem. Allerdings können seit <strong>de</strong>m 1. Januar 1990 <strong>im</strong><br />
Rahmen einer sog. Kultussteuer 0,8 ‰ <strong><strong>de</strong>r</strong> Einkommensteuerschuld <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
zweckgebun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Staat für humanitäre und soziale Zwecke zugewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. 219<br />
g) Spanien 220<br />
Ebenso wie in Italien wird durch Art. 16 Abs. 3 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> Spanischen Verfassung (Span.Verf.)<br />
die beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche, <strong><strong>de</strong>r</strong> ca. 90 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung angehören,<br />
hervorgehoben. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> knapp 450 Jahre engen Verflechtung politischer und religiöser<br />
Herrschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Befreiung Spaniens von <strong><strong>de</strong>r</strong> musl<strong>im</strong>ischen<br />
Herrschaft kam es in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zweiten Republik von 1931 zu einem vollständigen<br />
Bruch mit <strong>de</strong>m Katholizismus. Gene<strong>ra</strong>l F. Bahamon<strong>de</strong> F<strong>ra</strong>nco, <strong><strong>de</strong>r</strong> als Sieger <strong>de</strong>s Spanischen<br />
Bürgerkriegs (1936 – 1939) hervorging, erhob die Röm.-Kath. Kirche wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n Rang <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Staatskirche, erklärte je<strong>de</strong> Rechtsnorm, die mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehre <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche unvereinbar<br />
war, für nichtig und schloß <strong>im</strong> Jahre 1953 ein extrem prokirchliches Konkordat ab. Nach<br />
seinem To<strong>de</strong> 1975 mußte daher fast zwangsläufig eine erneute Entflechtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehungen<br />
zwischen Staat und Kirche erfolgen, wobei diesmal allerdings behutsamer vorgegangen<br />
221<br />
wur<strong>de</strong>, als dies <strong>im</strong> Jahre 1931 <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall war. Gemäß Art. 16 Abs. 3 S. 1 Span.Verf. von 1978<br />
besteht keine Staatskirche mehr; nach Art. 16 Abs. 3 S. 2 Span.Verf. i.V.m. Art. 7 Abs. 1 <strong>de</strong>s<br />
Ausführungsgesetzes über die Religionsfreiheit von 1980 haben jetzt auch<br />
Religionsgemeinschaften neben <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche die Möglichkeit, Verträge mit <strong>de</strong>m<br />
Staat abzuschließen. Dabei bieten die Verträge, die für alle diese Religionsgemeinschaften<br />
nahezu i<strong>de</strong>ntisch sind, kaum Vorteile <strong>im</strong> Vergleich zu <strong>de</strong>n Gewährleistungen <strong>de</strong>s Art. 16<br />
Span.Verf. 222<br />
218<br />
So zu Recht auch Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 190.<br />
219<br />
Michaeler, in: Christoph, Fn. 139, S. 420; Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 200 f.; s.u. K.III.2.<br />
220<br />
Vgl. Bleckmann, Die Grundlagen <strong>de</strong>s Staatskirchenrechts in Spanien, Fn. 133, S. 119 ff.;<br />
Ibán, Staat und Kirche in Spanien, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 133, S. 99 ff.<br />
221<br />
Vgl. hierzu Ibán, Fn. 220, S. 100 – 103.<br />
222<br />
Vgl. Ibán, Fn. 220, S. 106 f.
4. Korrektur dieser Einteilung<br />
a) Unterschie<strong>de</strong> innerhalb eines Systems<br />
Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Trennung zwischen Staat und Kirche läßt sich die laïcité F<strong>ra</strong>nkreichs nur kaum mit<br />
<strong>de</strong>m t<strong>ra</strong>ditionellen Katholizismus in Irland vergleichen, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich über die unmittelbaren<br />
Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen zum <strong>Religionsrecht</strong> hinaus mitunter <strong>im</strong> irischen<br />
Abtreibungsverbot manifestiert. 223 Auch weist das Staatskirchentum in Griechenland an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Züge als dasjenige Dänemarks auf. G<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong> Unterschie<strong>de</strong> bestehen auch innerhalb <strong>de</strong>s<br />
Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>lls. So ist z.B. die Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche in Belgien <strong>de</strong>utlich<br />
besser, obwohl hier kein Konkordat mit <strong>de</strong>m Hl. Stuhl besteht, als in vielen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Mitgliedstaaten, in <strong>de</strong>nen das Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht stärker ausgeprägt ist. 224<br />
b) Unterschie<strong>de</strong> innerhalb eines Mitgliedstaats<br />
Neben <strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong>n innerhalb eines Systems bestehen sogar Unterschie<strong>de</strong> innerhalb<br />
eines Mitgliedstaats. So besteht unter <strong>de</strong>m Dach <strong>de</strong>s Vereinigten Königreiches eine Art<br />
Cohabitation durch die Anglikanische Staatskirche in England, die entstaatlichte<br />
Anglikanische Kirche in Wales und Nordirland sowie die presbyterianisch verfaßte Kirk of<br />
Scotland. Ähnliches gilt in F<strong>ra</strong>nkreich aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> östlichen<br />
Départements infolge <strong>de</strong>s Napoleonischen Konkordats.<br />
c) Ständiger Wan<strong>de</strong>l in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />
Darüber hinaus unterliegt das religionsrechtliche System eines Mitgliedstaats <strong><strong>de</strong>r</strong> ständigen<br />
Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung. Einerseits lassen sich Entwicklungen vom Staatskirchentum hin zum<br />
Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll am jüngsten Beispiel Schwe<strong>de</strong>n, aber auch anhand <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Iberischen Halbinsel vor einigen Jahren, festmachen. In F<strong>ra</strong>nkreich war dagegen<br />
schon früh eine stetige Entwicklung weg vom kirchenfeindlichen Laizismus hin zur positiven<br />
Neut<strong>ra</strong>lität <strong>de</strong>s Staates erkennbar. Ob man aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung in F<strong>ra</strong>nkreich rechtsvergleichend<br />
schon von einer Konvergenz von extremeren religionsrechtlichen Positionen hin zu<br />
einem Mo<strong>de</strong>ll <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitte wie in Deutschland sprechen kann, 225<br />
223<br />
Vgl. hierzu die Rs. Grogan, s.u. Fn. 918.<br />
224<br />
So z.B. Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 128, S. 34.<br />
225<br />
So z.B. Robbers, Fn. 32, S. 127; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 107, S. 353; Turowski, Staatskirchenrecht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>? – Überlegungen zu einer nicht nur für die Kirchen wichtigen<br />
Diskussion, KuR 140, S. 1 ff., 5.<br />
51<br />
scheint jedoch f<strong>ra</strong>glich.<br />
Vielmehr macht die Entwicklung in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n zur strikten Trennung von Staat und<br />
Kirche <strong>de</strong>utlich, daß <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit eine allgemeine Ten<strong>de</strong>nz hin zur Entflechtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat-Kirche-
52<br />
Beziehungen und zur stärkeren Neut<strong>ra</strong>lität <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten in religionsrechtlichen<br />
Angelegenheiten zu verzeichnen ist.<br />
d) Neue Aspekte durch Osterweiterung<br />
Die osteuropäischen Län<strong><strong>de</strong>r</strong> kennen aufgrund <strong>de</strong>s atheistischen, kommunistischen Reg<strong>im</strong>es<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um an<strong><strong>de</strong>r</strong>e religionsrechtliche Strukturen, die <strong>im</strong> Falle einer<br />
Osterweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU ebenfalls Berücksichtigung fin<strong>de</strong>n müßten.<br />
e) Religionsplu<strong>ra</strong>lismus<br />
Schließlich verschw<strong>im</strong>mt die t<strong>ra</strong>ditionelle Dreiteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> religionsrechtlichen Systeme<br />
angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> sich <strong>im</strong>mer mehr auffächern<strong>de</strong>n Religiosität in Europa, bedingt durch <strong>de</strong>n<br />
Zuzug von Flüchtlingen und Gastarbeitern oftmals islamischen Bekenntnisses, die<br />
wirtschaftliche Globalisierung, aber auch durch das Aufkommen neuer religiöser und<br />
weltanschaulicher Strömungen (Zeugen Jehovas, Mormonen, Anthroposophie, Scientology,<br />
New Age u.a.), <strong>im</strong>mer mehr. Guiseppe Dalla Torre hält die althergeb<strong>ra</strong>chte Dreiteilung in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
société polythéiste, wie sie <strong>im</strong> künftigen Europa mehr und mehr vorherrschen wird, zu Recht<br />
für unzureichend bzw. überholt. 226<br />
f) Folgerungen<br />
Als angemessen kann daher alleine diejenige religionsrechtliche Struktur angesehen wer<strong>de</strong>n,<br />
die das gesamte religiöse Leben in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU, also sowohl <strong>de</strong>n Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Großkirchen als auch <strong>de</strong>njenigen kleinerer Religionsgemeinschaften in zufrie<strong>de</strong>nstellen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Weise gerecht wird. 227 Schwerpunkt in dieser Arbeit soll jedoch nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> rechtsvergleichen<strong>de</strong><br />
Überblick sein; zur besseren Einordnung <strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen <strong>Religionsrecht</strong>s wird<br />
daher weiter an die klassische Dreiteilung angeknüpft. 228<br />
226<br />
Dalla Torre, Fn. 21, S. 4; ähnlich Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 128, S. 33; Robbers, Fn. 32, S. 127.<br />
227<br />
Ähnlich Robbers, Fn. 32, S. 125.<br />
228<br />
Vgl. zu dieser Problematik weiterführend z.B. Torfs, Which relationships between churches<br />
and the European <strong>Union</strong>? in: Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/Tempel/Torfs (Hrsg.), Fn. 31, S. 77 ff., 78 f.
5. Zusammenfassung<br />
<strong>Das</strong> <strong>Religionsrecht</strong> in <strong>de</strong>n einzelnen Mitgliedstaaten ist sehr unterschiedlich ausgeprägt:<br />
Neben <strong>de</strong>n Extrempositionen einer strikten Trennung von Staat und Kirche einerseits und <strong>de</strong>m<br />
Staatskirchentum an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits bestehen Formen <strong><strong>de</strong>r</strong> Koope<strong>ra</strong>tion zwischen Staat und Kirche<br />
trotz grundsätzlicher Trennung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtskreise. Die übliche Dreiteilung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
religionsrechtlichen Systeme trägt allerdings <strong>de</strong>n tatsächlichen Gegebenheiten <strong>de</strong>s<br />
<strong>Religionsrecht</strong>s innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Mitgliedstaaten nur in unzureichen<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise<br />
Rechnung. Insgesamt kann rechtsvergleichend eine Entflechtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat-Kirche-<br />
Beziehungen festgestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
III. Einrichtungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen auf europäischer Ebene<br />
Die Kirchen schenken <strong>de</strong>m <strong>Europäischen</strong> Integ<strong>ra</strong>tionsprozeß, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich längst nicht mehr auf<br />
rein wirtschaftliche Aspekte beschränkt, nach jahrzehntelanger Igno<strong>ra</strong>nz und z.T. starker<br />
Skepsis inzwischen große Aufmerksamkeit. Dies dokumentiert sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung diverser<br />
Organisationen, die in Brüssel ein eigenes Büro unterhalten. Durch die sog.<br />
Verbindungsstellen wollen die Kirchen einerseits ihren Öffentlichkeitsauft<strong>ra</strong>g besser<br />
wahrnehmen, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits aber vor allem in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage sein, zu Gesetzesvorhaben <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft, die sich in irgen<strong>de</strong>iner Weise auf die Rechtsstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> von ihnen vertretenen<br />
Denomination bzw. Institution auswirken könnten, <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s informellen Gesprächs ihre<br />
Position darlegen zu können. Auch die Gemeinschaft selbst schätzt <strong>de</strong>n Dialog mit <strong>de</strong>n<br />
Kirchen und erhofft sich von ihm einen Beit<strong>ra</strong>g für <strong>de</strong>n ethnischen, kulturellen und religiösen<br />
Einigungsprozeß Europas. 229<br />
53<br />
So könnten die Kirchen und Religionsgemeinschaften in <strong>de</strong>n<br />
Bereichen Kultur und Bildung, aber auch zu ethischen F<strong>ra</strong>gen (z.B. Gentechnik) ihre Wertvorstellungen<br />
und Erfahrungen in <strong>de</strong>n europäischen Dialog einbringen. Allerdings wirkt es sich<br />
für die Geltendmachung religionsrechtlicher Positionen negativ aus, daß noch nicht einmal<br />
das Christentum gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> EU eine einheitliche St<strong>im</strong>me besitzt.<br />
229 Schmoll, Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission gef<strong>ra</strong>gt – Die Kirchen und ihr Beit<strong>ra</strong>g zur europäischen<br />
Einigung, FAZ Nr. 234 vom 9.10.1998, S. 16.
54<br />
1. Römisch-Katholische Kirche<br />
a) Heiliger Stuhl als Völkerrechtssubjekt<br />
Im Gegensatz zu allen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en christlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften ist <strong>de</strong>m<br />
Papstamt <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche – unabhängig von einer konkreten Besetzung – als „Heiliger<br />
Stuhl“ (Sancta Se<strong>de</strong>s) bzw. „Apostolischer Stuhl“ (Apostolica Se<strong>de</strong>s), vgl. can. 361<br />
CIC/1983 230 , seit <strong>de</strong>m frühen Mittelalter das Privileg einer eigenen Völkerrechtssubjektivität<br />
als Nicht-Staat 231 zuerkannt wor<strong>de</strong>n. Der „Staat <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikanstadt“ (Stato <strong>de</strong>lla Città <strong>de</strong>l<br />
Vaticano) als dauernd neut<strong>ra</strong>ler Staat 232 ist als weiteres Völkerrechtssubjekt anzusehen. 233<br />
Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Völkerrechtssubjektivität <strong>de</strong>s Hl. Stuhls hat die Röm.-Kath. Kirche die<br />
Möglichkeit, in internationalen Organisationen neben an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Staaten vertreten zu sein, wobei<br />
die Völkerrechtsfähigkeit sich allerdings nicht auf die Röm.-Kath. Kirche als solche bezieht;<br />
diese ist nach can. 113 § 1 CIC/1983 lediglich persona mo<strong>ra</strong>lis.<br />
Seit <strong>de</strong>m 24. November 1970 ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl über <strong>de</strong>n Apostolischen Nuntius von Belgien<br />
bei <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften akkreditiert, <strong><strong>de</strong>r</strong> „gute Beziehungen“ zwischen Rom<br />
und Brüssel aufrechterhalten und v.a. auch zum Fortschritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklungslän<strong><strong>de</strong>r</strong> beit<strong>ra</strong>gen<br />
soll. 234<br />
Darüber hinaus kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl Konkordate 235<br />
, d.h. völkerrechtliche Verträge mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Staaten und nach Art. 300 (ex-Art. 228) EGV theoretisch auch mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />
abschließen. Am 10. Dezember 1962 hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl seine Beitrittsurkun<strong>de</strong> zum<br />
Kultu<strong>ra</strong>bkommen <strong>de</strong>s Europa<strong>ra</strong>ts vom 19. Dezember 1954 hinterlegt und konnte damit zum<br />
230 Der am 25. Januar 1983 promulgierte CIC/1983 ist das offizielle Gesetzbuch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
lateinischen Kirche und löst frühere Rechtsquellen, unter ihnen <strong>de</strong>n CIC/1917, ab; vgl.<br />
AAS 75 (1983), pars II, S. 1 ff.<br />
231 Vgl. Köck, Die völkerrechtliche Stellung <strong>de</strong>s Heiligen Stuhls – Dargestellt an seinen<br />
Beziehungen zu Staaten und internationalen Organisationen, Berlin 1975, S. 18.<br />
232 Vgl. hierzu K<strong>im</strong>minich, Kirchen und Menschenrechte, in: Leibholz/Faller/Mikat/Reis<br />
(Hrsg.), Menschenwür<strong>de</strong> und freiheitliche Rechtsordnung, FS für Willi Geiger zum<br />
65. Geburtstag, Tübingen 1974, S. 499 ff., 510; Köck, Fn. 231, S. 148 ff., 150.<br />
233 Vgl. hierzu HdbStKirchR/K<strong>im</strong>minich, Fn. 46, S. 226 ff.; Listl, Konkordate und Kirchenverträge,<br />
in: Isensee/Rüfner/Rees (Hrsg.), Kirche <strong>im</strong> freiheitlichen Staat – Schriften zum<br />
Staatskirchenrecht und Kirchenrecht, Erster Hbbd., Berlin 1996, S. 469 ff., 473.<br />
234 Vgl. Köck, Fn. 231, S. 743, dort Fn. 12, S. 747 f.; Rauch, Fn. 23, S. 43 ff. Außer<strong>de</strong>m<br />
unterhält <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl eine Son<strong><strong>de</strong>r</strong>gesandtschaft be<strong>im</strong> Europa<strong>ra</strong>t in <strong><strong>de</strong>r</strong> Stellung eines<br />
Ständigen Beobachters, vgl. Hafner, Fn. 20, S. 108; Minne<strong>ra</strong>th, Fn. 104, S. 120.<br />
235 Vgl. hierzu die Ausführungen unten I.I.1.a).
Vollmitglied dieses Abkommens wer<strong>de</strong>n, da dieses in Art. 9 Ziff. 4 eine Beitrittsmöglichkeit<br />
auch für Nichtmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Europa<strong>ra</strong>ts, wie <strong>de</strong>n Hl. Stuhl, eröffnet. 236 Nach<strong>de</strong>nklich st<strong>im</strong>mt<br />
jedoch, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikanstadt als europäischer Staat <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK bisher nicht<br />
beigetreten ist, wo doch <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl <strong>im</strong>mer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte<br />
betont hat. 237<br />
b) Katholisches Sekretariat für europäische F<strong>ra</strong>gen (OCIPE)<br />
<strong>Das</strong> 1956 nach f<strong>ra</strong>nzösischem Vereinsrecht gegrün<strong>de</strong>te OCIPE mit Sitz in St<strong>ra</strong>ßburg und<br />
Büros u.a. in Brüssel stellt eine mehr nach innen gerichtete Einrichtung dar, die innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Röm.-Kath. Kirche über die Vorgänge in Europa informieren und entsprechen<strong>de</strong> Maßnahmen<br />
einleiten soll. Bestrebungen, die OCIPE <strong>im</strong> Jahre 1982 <strong><strong>de</strong>r</strong> ComECE einzuglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n, wur<strong>de</strong>n<br />
jedoch wie<strong><strong>de</strong>r</strong> fallengelassen. 238<br />
c) Rat <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Bischofskonferenzen (CCEE) 239<br />
Dem am 23./24. März 1971 aufgrund <strong>de</strong>s Zweiten Vatikanums gegrün<strong>de</strong>ten Rat <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> Bischofskonferenzen mit seinem Gene<strong>ra</strong>lsekretariat in St. Gallen gehören<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit (Stand: Juni 1999) 34 nationale Bischofskonferenzen aus Gesamteuropa an. Der CCEE<br />
<strong>de</strong>finiert sich selbst als „ein Instrument <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft unter <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Bischofskonferenzen“<br />
und ist eine <strong><strong>de</strong>r</strong> vier internationalen Vereinigungen von Bischofskonferenzen<br />
240<br />
i.S.d. can. 459 CIC/1983.<br />
Die Ziele <strong>de</strong>s CCEE sind gemäß Art. 1 seiner Statuten v.a. eine engere Gemeinschaft und<br />
Zusammenarbeit unter <strong>de</strong>n Bischöfen und Bischofskonferenzen Europas, um die<br />
Neuevangelisierung in Europa zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n, sowie die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> ökumenischen<br />
Zusammenarbeit in Europa zur Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>herstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Einheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Christen.<br />
236<br />
Vgl. Köck, Fn. 231, S. 742; Minne<strong>ra</strong>th, Fn. 104, S. 119. Gleichwohl besteht ein ständiger<br />
Beobachterstatus (Osservatore Permanente) be<strong>im</strong> Europa<strong>ra</strong>t.<br />
237<br />
Vgl. hierzu die Diskussionsbeiträge von Frowein, Hollerbach sowie Rüfner in: EssGespr.<br />
27 (1993), S. 64.<br />
238<br />
So Minne<strong>ra</strong>th, Fn. 104, S. 121; vgl. auch HdbStKirchR/Turowski, Verbindungsstellen<br />
zwischen Staat und Kirchen <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche, Zweiter Bd., § 46,<br />
S. 197 ff., 216.<br />
239<br />
Vgl. hierzu ausführlich Rauch, Fn. 23, S. 62 ff.<br />
240<br />
Näheres bei Puza, Fn. 85, S. 10.<br />
55
56<br />
Zur Verwirklichung dieser Ziele arbeiten die einzelnen Bischofskonferenzen gemäß Art. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Statuten zusammen und pflegen neben einem internen Informationsaustausch <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ökumene auch Kontakte zur Konferenz <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Kirchen (KEK). 241<br />
Außer<strong>de</strong>m soll <strong><strong>de</strong>r</strong> CCEE seinen Auft<strong>ra</strong>g in <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Gesellschaft gegenwärtig<br />
halten. 242 In Erfüllung dieses Öffentlichkeitsauft<strong>ra</strong>gs unterstützte <strong><strong>de</strong>r</strong> CCEE in einer<br />
gemeinsamen Erklärung beispielsweise die Osterweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU <strong>Union</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Begründung, es sei eine „gefährliche Illusion“, zu glauben, „Stabilität und Frie<strong>de</strong>n in einer<br />
westeuropäischen Zita<strong>de</strong>lle bewahren“ zu können, „ohne die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Län<strong><strong>de</strong>r</strong> Europas in die<br />
<strong>Union</strong> zu integrieren.“ Dabei gelte es, nicht nur die institutionellen und materiellen<br />
Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Osterweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU zu schaffen; vielmehr müsse auch eine geistige<br />
Brücke <strong><strong>de</strong>r</strong> Einigung zwischen <strong>de</strong>n Völkern geschaffen wer<strong>de</strong>n. 243<br />
d) Kommission <strong><strong>de</strong>r</strong> Bischofskonferenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft (ComECE)<br />
Eine wichtige Einrichtung in bezug auf die EU stellt die 1980 gegrün<strong>de</strong>te ComECE 244<br />
mit<br />
seinem Gene<strong>ra</strong>lsekretariat in Brüssel und einem weiteren Büro in St<strong>ra</strong>ßburg dar. Die ComECE<br />
setzt sich aus je einem beauft<strong>ra</strong>gten Bischof aus <strong>de</strong>n 14 (Stand: Juni 1999) Episkopaten<br />
zusammen. Seit 1998 entsen<strong>de</strong>t die polnische Bischofskonferenz als Beitrittskandidat<br />
zusätzlich einen Beobachter zu <strong>de</strong>n Vollversammlungen.<br />
Die ComECE verfolgt Ten<strong>de</strong>nzen und Entwicklungen <strong>im</strong> EU-Bereich und informiert die<br />
nationalen Bischofskonferenzen hierüber. Darüber hinaus soll die ComECE die<br />
Zusammenarbeit zwischen einzelnen Episkopaten und Hl. Stuhl in <strong>de</strong>n die EU betreffen<strong>de</strong>n<br />
F<strong>ra</strong>gen för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Sofern ein gemeinsamer Standpunkt in Übereinst<strong>im</strong>mung mit <strong>de</strong>m<br />
Apostolischen Nuntius bei <strong><strong>de</strong>r</strong> EG gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>, wird dieser in einer öffentlichen<br />
Stellungnahme gegenüber <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen zum Ausdruck geb<strong>ra</strong>cht. 245<br />
241<br />
An dieser Stelle ist die europäische ökumenische Versammlung „Frie<strong>de</strong>n in Gerechtigkeit“<br />
<strong>im</strong> Jahre 1989 in Basel ebenso zu erwähnen wie <strong><strong>de</strong>r</strong> für 2006 geplante erste ökumenische<br />
Kirchentag.<br />
242<br />
Quelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Statuten <strong><strong>de</strong>r</strong> CCEE: Amtsblatt <strong><strong>de</strong>r</strong> Österreichischen Bischofskonferenz Nr. 19<br />
vom 20.12.1996.<br />
243<br />
FAZ Nr. 107 vom 10.5.1997, S. 8; s. auch das „Wort zu Europa“ <strong><strong>de</strong>r</strong> CCEE, in HK 31<br />
(1977), S. 405 ff.<br />
244<br />
Vgl. hierzu ausführlich Rauch, Fn. 23, S. 65 ff.<br />
245<br />
Weitere Einzelheiten bei Turowski, Fn. 238, S. 214 f.
e) Caritas Europa<br />
Caritas Europa mit Sitz in Brüssel ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Caritasverbän<strong>de</strong> in<br />
Europa und zugleich <strong><strong>de</strong>r</strong> regionale Zusammenschluß von Caritas Internationalis in Rom. <strong>Das</strong><br />
Büro in Brüssel dient u.a. als Kontaktstelle zu <strong>de</strong>n EU-Organen. 246<br />
f) Europäisches Komitee für katholische Erziehung (CEEC)<br />
Dieser Zusammenschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Koordination <strong>de</strong>s katholischen Erziehungswesens auf<br />
nationaler Ebene beauft<strong>ra</strong>gten Einrichtungen besteht seit 1974 und hat die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Interessen <strong>de</strong>s katholischen Erziehungswesens bei <strong>de</strong>n europäischen Institutionen zum Ziel.<br />
Der Sitz <strong>de</strong>s CEEC ist ebenfalls in Brüssel.<br />
2. Evangelische Kirche<br />
a) Verbindungsbüro <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD<br />
Seit September 1990 unterhält die EKD ein Verbindungsbüro in Brüssel, das <strong>de</strong>m<br />
„Bevollmächtigten <strong>de</strong>s Rates <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft“ untersteht.<br />
Hierdurch sollen Rat und Dienststellen <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD über die Entwicklung <strong>de</strong>s EG-Rechts und<br />
umgekehrt die europäischen Dienststellen über Stellungnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD zu ethischen und<br />
gesellschaftlichen F<strong>ra</strong>gen informiert wer<strong>de</strong>n. 247 Außer<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n Angelegenheiten mit<br />
europarechtlichem Belang vom „Bevollmächtigten <strong>de</strong>s Rates <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD be<strong>im</strong> Bun<strong>de</strong>stag und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sregierung“ wahrgenommen. 248<br />
b) Europäische Ökumenische Kommission für Kirche und Gesellschaft (EECCS)<br />
Als Gegenstück <strong><strong>de</strong>r</strong> ComECE hatte sich auf protestantischer Seite die EECCS, eine<br />
internationale gemeinnützige und kulturelle Vereinigung nach belgischem Recht mit Sitz in<br />
Brüssel gebil<strong>de</strong>t, wobei Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS nicht nur die Evangelische Kirche, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e protestantische Freikirchen waren. Geschichtlich ging diese aus <strong><strong>de</strong>r</strong> 1964<br />
gegrün<strong>de</strong>ten „Ökumenischen Vereinigung für Kirche und Gesellschaft“ hervor, die 1975 zur<br />
„Kommission von Kirchen bei <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften in Brüssel“ wur<strong>de</strong> und sich<br />
1980 als „Ökumenische Kommission für Kirche und Gesellschaft in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
246 Vgl. auch Turowski, Fn. 238, S. 216.<br />
247 Vgl. hierzu HdbStKirchR/Kalinna, Verbindungsstellen zwischen Staat und Kirchen <strong>im</strong><br />
Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen Kirche, Zweiter Bd., § 45, S. 181 ff., 193.<br />
248 Ehnes, Zum Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen zur <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, KuR 140, S. 47 ff., 52.<br />
57
58<br />
Gemeinschaft“ (ECCSEC) neu konstituierte. Da <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchliche Auft<strong>ra</strong>g nicht nur <strong>im</strong> Bereich<br />
<strong>de</strong>s EG-Rechts, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch gegenüber <strong>de</strong>m Europa<strong>ra</strong>t gesehen wur<strong>de</strong>, 249 erfolgte 1982 eine<br />
weitere Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Namens <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission in „Europäische Ökumenische Kommission<br />
für Kirche und Gesellschaft“. Als jedoch – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als erwartet – außer <strong>de</strong>m Schweizerischen<br />
Kirchenbund keine weiteren Kirchen aus Vert<strong>ra</strong>gsstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK beit<strong>ra</strong>ten 250 , wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Name nochmals geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t in „Ökumenische Kommission für Kirche und Gesellschaft in<br />
Westeuropa“, bis endlich <strong><strong>de</strong>r</strong> heutige Name „Europäische Ökumenische Kommission für<br />
Kirche und Gesellschaft“ (EECCS) gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>. 251<br />
Die EECCS wur<strong>de</strong> jedoch am<br />
1. Januar 1999 in die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) – s. sogleich B.III.2.c) –<br />
integriert und bil<strong>de</strong>t dort eine spezielle Abteilung für die kirchlichen Angelegenheiten i.R.d.<br />
<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>. 252<br />
Zuletzt gehörten 14 verschie<strong>de</strong>ne nichtkatholische Kirchen aus allen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> EU und (seit<br />
1982) auch <strong>de</strong>s Europa<strong>ra</strong>ts <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS an. Deutsche Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS sind die EKD<br />
sowie die Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF). Um be<strong>im</strong> Europa<strong>ra</strong>t präsent zu sein,<br />
eröffnete die EECCS in <strong>de</strong>n achtziger Jahren ein eigenes St<strong>ra</strong>ßburger Büro, das von dieser bis<br />
zu ihrer Zusammenführung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> KEK unterhalten wur<strong>de</strong>.<br />
Aufgaben und Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS waren bisher:<br />
• die Mitgliedskirchen über Entwicklungen in <strong>de</strong>n europäischen Institutionen<br />
in F<strong>ra</strong>gen von beson<strong><strong>de</strong>r</strong>em kirchlichen Interesse zu informieren;<br />
• in <strong>de</strong>n europäischen Institutionen Aufmerksamkeit für Anliegen von<br />
Mitgliedskirchen <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS zu wecken; dies geschieht durch halbjährlich<br />
stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Treffen mit Vertretern <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Kommission;<br />
• die ökumenische Zusammenarbeit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> ComECE sowie zwischen <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedskirchen <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 253<br />
c) Konferenz Europäischer Kirchen (KEK)<br />
Der 1959 gegrün<strong>de</strong>ten KEK kommt in erster Linie Brückenfunktion zwischen <strong>de</strong>n<br />
protestantischen und orthodoxen Kirchen in Gesamteuropa zu. Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> KEK als<br />
249 Schmoll, Fn. 229, S. 16.<br />
250 So Hollerbach, Fn. 17, S. 262.<br />
251 Göckenjan, Fn. 19, S. 28; Kalinna, Fn. 247, S. 192 f.<br />
252 Vgl. Ehnes, Fn. 248, S. 52 f.<br />
253 Göckenjan, Fn. 19, S. 29; vgl. auch Kalinna, Fn. 247, S. 193.
europäischem Pendant <strong>de</strong>s Ökumenischen Rates sind 125 protestantische, orthodoxe,<br />
anglikanische und altkatholische Kirchen sowie zahlreiche Freikirchen (z.B. Evangelisch-<br />
Methodistische Kirche; Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemein<strong>de</strong>n; Pfingstgemein<strong>de</strong>n) aus<br />
ganz Europa. Aus diesem Grun<strong>de</strong> stand die KEK, die eine ihrer Hauptaufgaben in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gesamteuropäischen Menschenrechtspolitik sieht, <strong>im</strong>mer schon in einem gewissen<br />
Spannungsverhältnis zur EECCS, <strong><strong>de</strong>r</strong> überwiegend westeuropäische Kirchen angehörten und<br />
die ihren Auft<strong>ra</strong>g vor allem auf westeuropäische Institutionen, namentlich die EU,<br />
ausgerichtet verstand. Da das St<strong>ra</strong>ßburger Büro <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS auch Aufgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> KEK<br />
gegenüber <strong>de</strong>m Europa<strong>ra</strong>t wahrnahm, bestan<strong>de</strong>n schon seit Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre<br />
Überlegungen einer Zusammenführung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Organisationen. 254<br />
Mit Wirkung zum 1. Januar 1999 ist die EECCS in die KEK eingeglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t wor<strong>de</strong>n. Zusammen<br />
mit <strong>de</strong>m bisherigen KEK-Sekretariat „Zeugnis in Kirche und Gesellschaft“ wur<strong>de</strong> aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EECCS die neu gebil<strong>de</strong>te „KEK-Kommission für Kirche und Gesellschaft“ gegrün<strong>de</strong>t. 255<br />
Diese vertritt die Mitgliedskirchen <strong><strong>de</strong>r</strong> KEK nicht nur gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> EU, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n darüber<br />
hinaus auch bei gesamteuropäischen Institutionen wie <strong>de</strong>m Europa<strong>ra</strong>t o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> OSZE und<br />
verfolgt insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Auswirkungen <strong><strong>de</strong>r</strong> EU-Osterweiterung 256 auf Menschen und<br />
Kirchen in <strong>de</strong>n Nicht-EU-Staaten. Ihren Aufgaben entsprechend 257<br />
verfügt die Kommission<br />
über jeweils ein Büro in Genf, Brüssel und St<strong>ra</strong>ßburg.<br />
254<br />
Göckenjan, Fn. 19, S. 30.<br />
255<br />
Brenner, Die neue KEK-Kommission Kirche und Gesellschaft, MD 1998, S. 111; Schmoll,<br />
Fn. 229, S. 16.<br />
256<br />
Der ehemalige Präsi<strong>de</strong>nt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Kommission Jacques Santer stellte <strong>im</strong> Blick auf<br />
diese Aufgabe in seiner Re<strong>de</strong> vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Gene<strong>ra</strong>lversammlung <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS am 12.9.1998 in<br />
Vaalbeek fest: „Damit antizipieren Sie in gewisser Weise die Erweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> und<br />
helfen dadurch, <strong>de</strong>n schwierigen Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion zwischen Ost und West zu<br />
gestalten. Die Konferenz Europäischer Kirchen ist dafür in beson<strong><strong>de</strong>r</strong>em Maße geeignet und<br />
ein Forum für Gespräche und Zusammenarbeit zwischen <strong>de</strong>n christlichen T<strong>ra</strong>ditionen <strong>de</strong>s<br />
Westens und <strong>de</strong>s Ostens.“; Zitat bei Brenner, Fn. 255, S. 111. Dies unterstreicht die<br />
eingangs getroffene Aussage, daß Kirchen und Religionsgemeinschaften zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s<br />
Integ<strong>ra</strong>tionsprozesses i.S.d. Jacques Delors zugeschriebenen Bonmots beit<strong>ra</strong>gen können.<br />
De<strong>ra</strong>rtige Treffen zwischen Vertretern <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und <strong><strong>de</strong>r</strong> EG-Kommission wie in<br />
Vaalbeek fin<strong>de</strong>n seit <strong>de</strong>m 5.11.1990 halbjährlich kurz vor <strong>de</strong>n Sitzungen <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong><br />
Rates <strong><strong>de</strong>r</strong> Staats- und Regierungschefs statt, vgl. Gaertner, Europa: He<strong>ra</strong>usfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an<br />
die Evangelische Kirche, Zeitschrift für Evangelische Ethik, (36) 1992, S. 87 ff., 95.<br />
257<br />
Vgl. zu <strong>de</strong>m offiziell angenommenen Arbeitsprog<strong>ra</strong>mm vom 30.9.1998: Brenner, Fn. 255,<br />
S. 111.<br />
59
60<br />
Im Gegensatz zur hie<strong>ra</strong>rchisch geführten Röm.-Kath. Kirche, <strong><strong>de</strong>r</strong> über <strong>de</strong>n Hl. Stuhl<br />
Völkerrechtssubjektivität zukommt, genießen die protestantischen Vereinigungen nicht<br />
<strong>de</strong>nselben formellen Rang und haben überdies eher mit Partikularinteressen einzelner<br />
Mitgliedskirchen zu kämpfen, was ihre gemeinsame Interessenvertretung gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> erschwert. 258<br />
Neben <strong>de</strong>n hier aufgezählten kirchlichen Einrichtungen existieren weitere kirchliche o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
kirchennahe Büros, z.B. die Vertretung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sarbeitsgemeinschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Freien<br />
Wohlfahrtspflege. 259<br />
258<br />
So auch Hafner, Fn. 20, S. 109. Dies mag dazu beiget<strong>ra</strong>gen haben, daß die EKD trotz ihrer<br />
Mitgliedschaft in <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS ein eigenes Brüsseler Büro eingerichtet hat.<br />
259<br />
Einen Überblick über diese Einrichtungen bieten Albert, LThK, 3. Bd., Stichwort: Europa,<br />
Sp. 994 f., 1001; Hollerbach, Fn. 17, S. 263; Strohm/von Schubert, Le cadre social. Les<br />
églises et l’état dans leurs <strong>ra</strong>pports vis-à-vis <strong>de</strong>s problèmes sociaux actuels, in: Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/<br />
Tempel/Torfs (Hrsg.), Fn. 31, S. 55 ff., 63.
62<br />
C. Gemeinschaftsrechtliche versus mitgliedstaatliche<br />
Kompetenzen in bezug auf das <strong>Religionsrecht</strong><br />
In diesem Kapitel wird zunächst da<strong>ra</strong>uf eingegangen, inwieweit durch Vorschriften <strong>de</strong>s<br />
gemeinschaftlichen Pr<strong>im</strong>är- und Sekundärrechts bzw. aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH<br />
bereits Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> EU <strong>im</strong> Hinblick auf die Rechtsstellung von Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften sowie die individuelle Religionsfreiheit begrün<strong>de</strong>t sind.<br />
Anschließend soll beleuchtet wer<strong>de</strong>n, in welchem Verhältnis diese gemeinschaftsrechtlichen<br />
Kompetenzen zu nationalen Kompetenzen auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s stehen und<br />
welche Inter<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nzen zwischen nationaler und sup<strong>ra</strong>nationaler Rechtsordnung bestehen.<br />
I. <strong>Religionsrecht</strong>liche Anknüpfungspunkte <strong>im</strong> pr<strong>im</strong>ären und sekundären<br />
Gemeinschaftsrecht<br />
Bis Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft seitens kirchennaher Vertreter z.T.<br />
vehement eine Kompetenz in religionsrechtlicher Hinsicht abgesprochen: <strong>Das</strong><br />
Gemeinschaftsrecht schließe keine kompetenzrechtliche Vorschrift zur Regelung kirchlicher<br />
Belange ein; aus diesem Grun<strong>de</strong> könne von einem <strong>Religionsrecht</strong> („Staatskirchenrecht“) <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch nur von religionsrechtlichen („staatskirchenrechtlichen“)<br />
Kompetenzen <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts nicht gesprochen wer<strong>de</strong>n. 260 Aber auch in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> neueren Lite<strong>ra</strong>tur <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s, das sich <strong>de</strong>zidierter mit <strong>de</strong>m <strong>Religionsrecht</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> EU<br />
auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzt, wird betont, das <strong>Religionsrecht</strong> („Staatskirchenrecht“) sei nie ausdrücklich<br />
auf die EG bzw. EU übert<strong>ra</strong>gen wor<strong>de</strong>n und das Pr<strong>im</strong>ärrecht enthalte keine direkten<br />
Regelungsbefugnisse für religionsrechtliche Materien. 261<br />
Durch die mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger pauschale Negierung gemeinschaftsrechtlicher Kompetenzen<br />
wird man jedoch <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache nicht gerecht, daß die Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EG schon vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Maastrichter Regierungskonferenz in verschie<strong>de</strong>nsten Bereichen – z.B. <strong>im</strong> Arbeits- und<br />
260 Z.B. Joseph H. Kaiser, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 105 f.; ähnlich<br />
Richardi, Verfassungsrechtliche Grundlagen <strong>de</strong>s kirchlichen Arbeitsrechts, in: Richardi/<br />
Wlotzke (Hrsg.), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 2, München 1993, § 185 =<br />
S. 1133 ff., Rdnrn. 8, 11.<br />
261 Z.B. v. Campenhausen, Fn. 74, S. 409 f.
Sozialrecht, Steuer- und Bildungsrecht – Kompetenzen übert<strong>ra</strong>gen hatten, in <strong>de</strong>nen nicht<br />
danach differenziert wur<strong>de</strong>, ob sich die betreffen<strong>de</strong> Materie nur auf säkulare o<strong><strong>de</strong>r</strong> darüber<br />
hinaus auch auf kirchliche Belange erstrecken sollte. 262 Aus diesem Grun<strong>de</strong> darf man sehr<br />
wohl davon sprechen, daß sich <strong>im</strong> gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrecht und <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung<br />
<strong>de</strong>s EuGH inzwischen ein „gewisses <strong>Religionsrecht</strong>“ 263<br />
entwickelt hat, auch wenn<br />
dieses zunächst <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht keinen Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag gefun<strong>de</strong>n hat.<br />
Im folgen<strong>de</strong>n sollen diejenigen pr<strong>im</strong>ärrechtlichen Best<strong>im</strong>mungen <strong>im</strong> Gemeinschafts- und<br />
<strong>Union</strong>srecht angesprochen wer<strong>de</strong>n, die zur individualrechtlichen Religionsfreiheit sowie zur<br />
institutionellen Stellung von Kirchen und Religionsgemeinschaften unmittelbar o<strong><strong>de</strong>r</strong> mittelbar<br />
Ausführungen machen. Der genaue Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Vorschriften <strong>de</strong>s Pr<strong>im</strong>ärrechts, die<br />
größtenteils an späterer Stelle (vgl. Fußnotenquerverweis) ausführlicher kommentiert wer<strong>de</strong>n,<br />
ist <strong>im</strong> Anhang abgedruckt.<br />
1. Pr<strong>im</strong>ärrecht<br />
a) Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 1 EUV n.F. 264<br />
Nach dieser Vorschrift achtet die EU neben an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Fundamentalprinzipien die<br />
Menschenrechte, zu welchen auch die Religionsfreiheit zählt. Diese Vorschrift ist be<strong>de</strong>utsam,<br />
weil sich an ihre Nichtbeachtung empfindliche Rechtsfolgen knüpfen: Der Rat kann gegen<br />
einen Mitgliedstaat, <strong><strong>de</strong>r</strong> anhaltend und schwerwiegend die Religionsfreiheit verletzt, sich<br />
ansonsten aber vert<strong>ra</strong>gskonform verhält, die Aussetzung von Vert<strong>ra</strong>gsrechten nach<br />
Art. 7 (ex-Art. F.1) EUV beschließen bzw. <strong>de</strong>n Beitrittsant<strong>ra</strong>g eines aufnahmewilligen Staates<br />
gemäß Art. 49 (ex-Art. O) EUV ablehnen.<br />
b) Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV 265<br />
Gemäß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV achtet die <strong>Union</strong> die Grundrechte – und damit auch die<br />
Religionsfreiheit –, wie sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK gewährleistet sind und wie sie sich aus <strong>de</strong>n<br />
gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ergeben. Art. 46 (ex-Art. L)<br />
lit. d EUV unterstellt die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV nunmehr ausdrücklich<br />
262<br />
So auch Robbers, Fn. 181, S. 82.<br />
263<br />
So Ehnes, Fn. 248, S. 50; dieser geb<strong>ra</strong>ucht hier übrigens ebenfalls nicht <strong>de</strong>n überkommenen<br />
Begriff <strong>de</strong>s „Staatskirchenrechts“.<br />
264<br />
Einzelheiten s.u. E.I.1.c)cc).<br />
265<br />
Einzelheiten s.u. H.<br />
63
64<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH in bezug auf Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane, allerdings<br />
nur soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> Gemeinschafts- und <strong>Union</strong>srecht überhaupt zuständig ist; letzteres<br />
ergibt sich wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um aus <strong>de</strong>m Katalog <strong>de</strong>s Art. 46 (ex-Art. L) EUV.<br />
c) Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV 266<br />
Zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Staatlichkeit und ihrer cha<strong>ra</strong>kteristischen nationalen Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten<br />
achtet die <strong>Union</strong> die nationale I<strong>de</strong>ntität ihrer Mitgliedstaaten. Es wird zu klären sein, ob das<br />
jeweilige <strong>Religionsrecht</strong> zum Kern <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten gehört.<br />
d) Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung, Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 1 EGV 267<br />
Die Gemeinschaft darf nur innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> ihr <strong>im</strong> EGV zugewiesenen Befugnisse<br />
und gesetzten Ziele tätig wer<strong>de</strong>n. Der Erlaß von Richtlinien und Verordnungen auf <strong>de</strong>m<br />
Gebiet <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s ist <strong>de</strong>mnach nur gestattet, soweit sich die Gemeinschaftsorgane<br />
hierfür auf eine ausdrückliche Befugnisnorm bzw. Zielbest<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> EGV stützen können.<br />
e) Subsidiaritätsprinzip, Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 2 EGV 268<br />
Dieses Prinzip besagt, daß die Gemeinschaft in <strong>de</strong>n Bereichen, die nicht in ihre<br />
ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig wer<strong>de</strong>n darf, sofern die gemeinschaftsrechtlichen<br />
Ziele durch mitgliedstaatliche Maßnahmen nicht ausreichend und daher<br />
besser auf Gemeinschaftsebene erreicht wer<strong>de</strong>n können. <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip wird durch<br />
das Protokoll Nr. 30 über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verhältnismäßigkeit<br />
269<br />
näher ausgestaltet. Ob <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Soziallehre entlehnte<br />
Grundsatz sich tatsächlich als „Bollwerk“ gegenüber gemeinschaftsrechtlichen Maßnahmen<br />
auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s erweist, erscheint f<strong>ra</strong>glich.<br />
f) Verhältnismäßigkeitsprinzip, Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 3 EGV 270<br />
Soweit die Gemeinschaft eine entsprechen<strong>de</strong> Befugnis durch <strong>de</strong>n EG-Vert<strong>ra</strong>g zum Erlaß eines<br />
Rechtsaktes i.R.d. <strong>Religionsrecht</strong>s hätte, vgl. Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 1 EGV, und nicht<br />
aufgrund <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips am Tätigwer<strong>de</strong>n gehin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wäre, vgl. Art. 5 (ex-Art. 3b)<br />
266 Einzelheiten s.u. G.III.<br />
267 Einzelheiten s.u. C.I.2.<br />
268 Einzelheiten s.u. G.I.<br />
269 Einzelheiten s.u. G.I.1.d)aa).<br />
270 Einzelheiten s.u. G.II.
Abs. 2 EGV, dürfte sie <strong>de</strong>nnoch nicht über das für die Erreichung <strong>de</strong>s Zieles erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche<br />
Maß hinausgehen.<br />
g) Spezielles Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot, Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV 271<br />
Die durch <strong>de</strong>n Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g neu eingefügte Vorschrift ermächtigt <strong>de</strong>n Rat, i.R. seiner<br />
Zuständigkeiten nach <strong>de</strong>m EG-Vert<strong>ra</strong>g einst<strong>im</strong>mig geeignete Vorkehrungen zu treffen, um<br />
Diskr<strong>im</strong>inierungen u.a. aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Geschlechts, <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion, <strong>de</strong>s Glaubens o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen.<br />
Während die Beseitigung von Diskr<strong>im</strong>inierungen aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s<br />
Glaubens – v.a. für Angehörige von Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Religionsgemeinschaften<br />
– Vorteile bringt, könnte das Verbot von Diskr<strong>im</strong>inierungen aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Geschlechts <strong>de</strong>n<br />
Belangen von Kirchen und Religionsgemeinschaften zuwi<strong><strong>de</strong>r</strong> laufen, die nur die<br />
Priesterordination von Männern kennen. Eine Gleichstellung hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> sexuellen<br />
Ausrichtung dürfte wohl eher religiös-ethische Grundwerte als religionsrechtliche Aspekte<br />
tangieren.<br />
h) Kultur, Art. 151 (ex-Art. 128) EGV 272<br />
Eine weitere Grundf<strong>ra</strong>ge wird es sein, inwieweit das <strong>Religionsrecht</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Mitgliedstaaten<br />
unter <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Kultur zu subsumieren ist. Für letztere besitzt<br />
die Gemeinschaft bereits eine eigene, wenn auch nicht sehr weitreichen<strong>de</strong> Kompetenz.<br />
i) Verhältnis <strong>de</strong>s EGV zum Kirchenvert<strong>ra</strong>gsrecht, Art. 307 (ex-Art. 234) EGV 273<br />
Konkordate <strong>de</strong>s Heiligen Stuhls mit einzelnen Mitgliedstaaten bzw. Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n vor<br />
Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs bzw. <strong>de</strong>m Beitritt dieser Mitgliedstaaten zur EU, könnten <strong>de</strong>m<br />
Gemeinschaftsrecht ebenfalls Grenzen setzen. Allerdings besteht eine Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten, Unvereinbarkeiten mit <strong>de</strong>m EG-Vert<strong>ra</strong>g schnellstmöglich zu beheben.<br />
271 Einzelheiten s.u. E.IV.4.<br />
272 Einzelheiten s.u. F<br />
273 Einzelheiten s.u. I.<br />
65
66<br />
j) Protokoll Nr. 33 über <strong>de</strong>n Tierschutz und das Wohlergehen <strong><strong>de</strong>r</strong> Tiere 274<br />
<strong>Das</strong> vor allem gegen tierquälen<strong>de</strong> Vieht<strong>ra</strong>nsporte erlassene Protokoll berücksichtigt <strong>de</strong>nnoch<br />
religiöse Riten, wie das Schächten von Tieren; hierunter ist eine aufgrund religiöser<br />
275<br />
Überzeugungen gebotene Art <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlachtung ohne Betäubung zu verstehen.<br />
k) Erklärung Nr. 11 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />
weltanschaulichen Gemeinschaften („Kirchenerklärung“) 276<br />
Einer <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwerpunkte <strong>im</strong> Rahmen dieser Untersuchung wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung<br />
gewidmet wer<strong>de</strong>n, zumal sie die erste offizielle Erklärung auf Gemeinschaftsebene darstellt,<br />
welche die Kirchen, religiösen Vereinigungen und Gemeinschaften explizit erwähnt und eine<br />
Aussage über <strong><strong>de</strong>r</strong>en Status trifft.<br />
l) Erklärung Nr. 38 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs zu freiwilligen Diensten<br />
Erwähnung fin<strong>de</strong>n soll überdies die Erklärung über <strong>de</strong>n für Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
ebenfalls be<strong>de</strong>utsamen Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> freiwilligen Dienste. Die Erklärung Nr. 38<br />
erschöpft sich allerdings in <strong><strong>de</strong>r</strong> Aussage, daß die Konferenz <strong>de</strong>n „wichtigen Beit<strong>ra</strong>g“ <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
freiwilligen Dienste „zur Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Solidarität“ anerkenne und daß die<br />
Gemeinschaft die „europäische D<strong>im</strong>ension“ freiwilliger Vereinigungen för<strong><strong>de</strong>r</strong>n wolle. Direkte<br />
finanzielle Unterstützung dürfen freiwillige Vereinigungen seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> EU durch diese<br />
Erklärung jedoch kaum erwarten, da die Erklärung hierzu – einmal ganz abgesehen von ihrem<br />
rechtlichen Gehalt 277<br />
– zu unverbindlich ist und sich die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsabsicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />
eher da<strong>ra</strong>uf erstreckt, freiwilligen Vereinigungen innerhalb <strong>de</strong>s gesamten EU-Gebiets durch<br />
erleichterte Gründungsvorschriften und steuerliche Begünstigungen zu größerer Verbreitung<br />
(„europäische D<strong>im</strong>ension“) zu verhelfen.<br />
274<br />
Vgl. auch die Richtlinie 93/119/EWG, s.u. C.I.3.i).<br />
275<br />
In Deutschland konnten Behör<strong>de</strong>n eine solche Ausnahmegenehmigung, durch welche die<br />
Religionsfreiheit gegenüber <strong>de</strong>m Tierschutz als höher<strong>ra</strong>ngig eingestuft wur<strong>de</strong>, schon seit<br />
längerer Zeit erteilen, vgl. schon § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG i.d.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> ursprünglichen<br />
Bekanntmachung vom 18.8.1986; das TierSchG in seiner jetzigen Fassung ist abgedruckt in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Textsammlung Sartorius II, Nr. 873.<br />
276<br />
Einzelheiten s.u. D.<br />
277<br />
Vgl. zum Rang einer „gemeinsamen Erklärung“ <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht die Ausführungen<br />
zur „Kirchenerklärung“, unten D.IV.
2. <strong>Das</strong> Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung<br />
a) Grundsätzliches<br />
aa) Normierungen <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht<br />
<strong>Das</strong> Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten (Einzel-)Ermächtigung (compétence d’attribution) ist<br />
ausdrücklich in Art. 5 (ex-Art. E) EUV für die EU festgelegt. Art. 7 (ex-Art. 4) Abs. 1 Satz 2<br />
EGV greift es für <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs nochmals auf. Versteckter kommt<br />
das Prinzip außer<strong>de</strong>m in Art. 8 (ex-Art. 4a) und 9 (ex-Art. 4b) EGV für die Europäische<br />
Zent<strong>ra</strong>lbank (EZB) und die Europäische Investitionsbank sowie in Art. 249 (ex-Art. 189)<br />
Abs. 1 EGV i.R.d. Vorschriften zum Erlaß von Sekundärrecht zum Ausdruck.<br />
bb) Inhalt <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung<br />
Die Verträge kennen keine generelle Ermächtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane zum Erlaß von<br />
Rechtshandlungen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur Einzelermächtigungen. Daher können die<br />
Gemeinschaftsorgane – unter ihnen insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat i.R.d. Rechtsetzung – nur tätig<br />
wer<strong>de</strong>n, soweit sie ein Vert<strong>ra</strong>gsziel i.S.d. Art. 2 f. (ex-Art. 2 f.) EGV verfolgen und überdies<br />
eine Ermächtigung zum Tätigwer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Gründungsverträgen vorgesehen ist.<br />
Dies <strong>im</strong>pliziert, daß – ähnlich wie bei <strong>de</strong>n Art. 30, 70 GG – die Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Regelfall, eine Befugnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zum Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ausnahmefall ist. 278<br />
Wo eine Ermächtigung in <strong>de</strong>n Verträgen nicht geregelt – z.B. fin<strong>de</strong>t das<br />
Staatsangehörigkeitsrecht keine Erwähnung – o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar ausdrücklich ausgeschlossen ist – wie<br />
z.B. die mitgliedstaatlichen Eigentumsordnungen aufgrund Art. 295 (ex-Art. 222) EGV –,<br />
dürfen die Gemeinschaftsorgane keine Rechtsakte erlassen.<br />
Eine restriktiv auszulegen<strong>de</strong> Ausnahme hiervon wird in Anlehnung an die <strong>im</strong> amerikanischen<br />
Verfassungsrecht entwickelte <strong>im</strong>plied powers-Lehre 279<br />
lediglich i.R.d. ungeschriebenen<br />
Gemeinschaftskompetenzen gemacht. Diese Lehre besagt, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft neben <strong>de</strong>n<br />
geschriebenen auch alle jene Kompetenzen zustehen müssen, die sie zur Erfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> ihr<br />
gestellten Aufgaben benötigt bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong>en Inanspruchnahme von <strong>de</strong>n geschriebenen<br />
Befugnissen folgerichtig mitumfaßt sein muß, selbst wenn diese Kompetenzen nicht<br />
278<br />
Käppler, Zu <strong>de</strong>n Kompetenzen <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gerichtshofs bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsangleichung<br />
auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s Arbeitsrechts, S. 129 ff., 131.<br />
279<br />
Vgl. hierzu Stadlmeier, Die „Implied Powers“ <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften, ZÖR 52<br />
(1997), S. 353 ff.<br />
67
68<br />
ausdrücklich in Verträgen enthalten sind; es han<strong>de</strong>lt sich damit um eine Variante <strong><strong>de</strong>r</strong> – <strong>im</strong><br />
<strong>de</strong>utschen Recht ebenfalls anerkannten – Annexkompetenz. 280<br />
Um sich das Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis einer ermächtigen<strong>de</strong>n Rechtsgrundlage allgegenwärtig vor Augen zu<br />
führen, muß das han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Organ für beabsichtigte Rechtshandlungen überdies das<br />
Zitiergebot einhalten. 281<br />
cc) Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Prinzips für die Mitgliedstaaten<br />
Durch das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung wird die Hoheitsgewalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaften<br />
„thematisch begrenzt“. 282 Dies ist von entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung, da bei Nichteinhaltung <strong>de</strong>s<br />
Prinzips seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane für die Mitgliedstaaten ansonsten die konkrete<br />
Gefahr bestün<strong>de</strong>, sich aufgrund ihres unumkehrbaren Beitritts zur Gemeinschaft nach und<br />
nach ihrer wichtigsten Kompetenzen zu entledigen, was zu einer schleichen<strong>de</strong>n Preisgabe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Staatlichkeit führte. 283 <strong>Das</strong> Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung ist damit eines <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
wesentlichen Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschafts- und <strong>Union</strong>srechts, um eine Aus<strong>de</strong>hnung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> EU außerhalb <strong>de</strong>s durch die Mitgliedstaaten festgelegten<br />
Integ<strong>ra</strong>tionsprog<strong>ra</strong>mmes und somit die Aushöhlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten zu<br />
Wird das Prinzip dagegen konsequent eingehalten, so ist ein „Umschlag <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 284<br />
280<br />
Z.B. wer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft Außenkompetenzen in <strong>de</strong>n Bereichen zugestan<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen<br />
sie nach innen eine ausdrücklich übert<strong>ra</strong>gene Zuständigkeit besitzt, vgl. EuGH, Rs. 22/70<br />
(AETR), Slg. 1971, S. 263 ff., Rz. 15 ff.; vgl. hierzu auch die Ausführungen unten I.II.<br />
281<br />
Wird die Rechtsgrundlage, auf welche ein Sekundärrechtsakt gestützt wird, nicht<br />
angegeben, so kann insoweit aufgrund mangeln<strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mbarkeit ein Verstoß gegen die<br />
Begründungspflicht für Rechtsakte gemäß Art. 253 (ex-Art. 190) EGV vorliegen; vgl.<br />
hierzu Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 396.<br />
282<br />
Kirchhof, Deutsches Verfassungsrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, EuR-Beiheft<br />
1/1991, S. 11 ff., 12.<br />
283<br />
Ebenso Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Alles unter Karlsruher Kontrolle? – Die Souveränitätsf<strong>ra</strong>ge <strong>im</strong><br />
Maastricht-Urteil <strong>de</strong>s BVerfG, ZfRV 1994, S. 143 ff., 151.<br />
284<br />
Keinesfalls kann daher Kuhn, Die soziale D<strong>im</strong>ension <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft,<br />
Berlin 1995, S. 313, zugest<strong>im</strong>mt wer<strong>de</strong>n, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung ist, aus <strong>de</strong>m Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
begrenzten Ermächtigung könnten keine rechtlichen Folgerungen abgeleitet wer<strong>de</strong>n, und<br />
ihm komme keine materielle Wirkung zu. Die Nichtbeachtung <strong>de</strong>s Prinzips durch die<br />
gesetzgeben<strong>de</strong>n Gemeinschaftsorgane stellt vielmehr einen be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Nichtigkeitsgrund<br />
nach Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 1 EGV wegen äußerer Unzuständigkeit dar; vgl. hierzu die<br />
Ausführungen unten M.I.1.a)aa)(1)(i)(a).
Staatengemeinschaft in einen Staat <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s gleiten<strong>de</strong>n Übergangs kaum <strong>de</strong>nkbar“ 285 , es<br />
sei <strong>de</strong>nn, die Mitgliedstaaten könnten dies aufgrund ihrer nationalen Verfassungsbindungen 286<br />
und wollten diesen Weg über die „große Vert<strong>ra</strong>gsrevision“ nach Art. 48 (ex-Art. N) EUV auch<br />
tatsächlich beschreiten, was zumin<strong>de</strong>st zum jetzigen Zeitpunkt <strong>de</strong>finitiv ausgeschlossen<br />
wer<strong>de</strong>n kann.<br />
<strong>Das</strong> Prinzip stellt klar, daß eine weitere Vertiefung <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion bei <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten als<br />
„Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“ liegen muß und kein „Selbstläufer“ einer integ<strong>ra</strong>tionsfreudigen<br />
Gemeinschaft wer<strong>de</strong>n darf. 287<br />
Be<strong>de</strong>nken hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> strikten Einhaltung <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung sind<br />
nur allzu berechtigt, wenn sogar <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>zeitige Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s EuGH eingeräumt hat, daß es auf<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Hand läge, „daß die Verhältnisse zwischen <strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zuerkannten<br />
Kompetenzen und <strong>de</strong>njenigen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten heute ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>s aussehen wür<strong>de</strong>n, gäbe<br />
es die Rechtsprechung <strong>de</strong>s Gerichtshofs nicht.“ 288<br />
<strong>Das</strong> Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung kann auf verschie<strong>de</strong>ne Art und Weise verletzt sein.<br />
Die erste große Gefahr sind Kompetenz-Kompetenzen. Diese wür<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> die<br />
Möglichkeit zur selbständigen Erweiterung ihrer Kompetenzen ohne vorherige Ermächtigung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten verschaffen. Zum zweiten kann das Prinzip durch die rechtsfortbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
285<br />
Blanke, Der <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>g von Maastricht – Ein Schritt auf <strong>de</strong>m Weg zu einem<br />
europäischen Bun<strong>de</strong>sstaat?, DÖV 1993, S. 412 ff., 418; ausführlich hierzu: K<strong>ra</strong>ußer, <strong>Das</strong><br />
Prinzip begrenzter Ermächtigung <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht als Strukturprinzip <strong>de</strong>s EWG-<br />
Vert<strong>ra</strong>gs, Berlin 1991.<br />
286<br />
Dabei muß unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n zwischen <strong>de</strong>m Integ<strong>ra</strong>tionsziel einer Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> unter Aufgabe bzw. unter Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten.<br />
Während ersteres Ziel von vornherein ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n muß, vgl. hierzu die<br />
Ausführungen unten Fn. 409, wäre ein europäischer Bun<strong>de</strong>sstaat, <strong><strong>de</strong>r</strong> eine Staatlichkeit<br />
sowohl <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> als auch <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Mitgliedstaaten vorsieht, grundsätzlich zulässig,<br />
da er keine Preisgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> unteren Ebene zur Folge hätte. Sichergestellt<br />
wer<strong>de</strong>n müßte aber weiterhin über das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung, daß die EU<br />
keine Kompetenz-Kompetenz erlangt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n daß je<strong>de</strong> Erweiterung ihrer Kompetenzen<br />
nur durch Billigung seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten erfolgt, vgl. Tomuschat, <strong>Das</strong> Endziel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
europäischen Integ<strong>ra</strong>tion – Maastricht ad infinitum?, in: Netteshe<strong>im</strong>/Schie<strong>ra</strong> (Hrsg.), Der<br />
integrierte Staat, Berlin 1999, S. 155 ff., 160 = DVBl. 1996, S. 1073 ff.<br />
287<br />
So auch Peter M. Huber, Der Staatenverbund <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, in: Jörn Ipsen u.a.,<br />
S. 349 ff., 354.<br />
288<br />
Rodríguez Iglesias, Der Gerichtshof <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften als Verfassungsgericht,<br />
EuR 1992, S. 225 ff., 233.<br />
69
70<br />
Weiterbildung von Kompetenznormen durch <strong>de</strong>n EuGH Scha<strong>de</strong>n nehmen. Schließlich stehen<br />
gene<strong>ra</strong>lklauselartige Ermächtigungen <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht, wie z.B. Art. 95 (ex-Art. 100 a) EGV<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 175 (ex-Art. 130s) EGV <strong>de</strong>m Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung entgegen. Diese<br />
Ermächtigungen machen es für <strong>de</strong>n Rat entbehrlich, auf die „Vert<strong>ra</strong>gsabrundungskompetenz“<br />
<strong>de</strong>s Art. 308 (ex-Art. 235) EGV zurückzugreifen, die das BVerfG <strong>im</strong> Maastricht-Urteil scharf<br />
kritisiert hat. 289<br />
b) Art. 6 Abs. 4 (ex-Art. F Abs. 3) EUV als Kompetenz-Kompetenz?<br />
Art. 6 Abs. 4 (ex-Art. F Abs. 3) EUV besagt, daß die <strong>Union</strong> sich mit <strong>de</strong>n Mitteln ausstattet,<br />
die zum Erreichen ihrer Ziele und zur Durchführung ihrer Politiken erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sind. <strong>Das</strong><br />
BVerfG verwen<strong>de</strong>t <strong>im</strong> Maastricht-Urteil große Mühen da<strong>ra</strong>uf, zu begrün<strong>de</strong>n, daß es sich<br />
hierbei nicht etwa um eine „Kompetenz-Kompetenz“ 290 , son<strong><strong>de</strong>r</strong>n um eine prog<strong>ra</strong>mmatische<br />
Aussage han<strong>de</strong>le. 291 Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e sprächen das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelermächtigung sowie das<br />
Fehlen einer verfahrensrechtlichen Ergänzung – so v.a. eine Best<strong>im</strong>mung <strong><strong>de</strong>r</strong> beschließen<strong>de</strong>n<br />
Organe und Mehrheiten – gegen eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Auslegung. 292<br />
Eine Kompetenz-Kompetenz wür<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> die selbständige Erweiterungsmöglichkeit ihrer<br />
Kompetenzen einräumen, was in direktem Gegensatz zu <strong>de</strong>m Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten<br />
Ermächtigung stün<strong>de</strong>, 293<br />
das – wie oben ausgeführt – ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> die Gewähr dafür gibt, daß das<br />
Maß <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tionsdichte <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten nicht aus <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n gleitet, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n diese<br />
hierüber die Kontrolle behalten.<br />
Hans Peter Ipsen 294 ist darin zuzust<strong>im</strong>men, daß Art. 6 Abs. 4 (ex-Art. F Abs. 3) EUV in<br />
räumlichem Zusammenhang mit Art. 5 (ex-Art. E) EUV steht, in <strong>de</strong>m von „Befugnissen“<br />
gesprochen wird, ein Ausdruck, <strong><strong>de</strong>r</strong> in Art. 6 Abs. 4 (ex-Art. F Abs. 3) EUV hingegen fehlt.<br />
Da<strong>ra</strong>us kann man schließen, daß sich Art. 6 Abs. 4 (ex-Art. F Abs. 3) EUV nicht auf<br />
Befugnisse bezieht; somit muß unter <strong><strong>de</strong>r</strong> „Ausstattung mit Mitteln“ etwas an<strong><strong>de</strong>r</strong>es verstan<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n als eine konkrete Handlungsermächtigung. 295<br />
289<br />
BVerfGE 89, S. 155 ff., 210.<br />
290<br />
Unter einer „Kompetenz-Kompetenz“ wird die Befugnis verstan<strong>de</strong>n, die Kompetenzverteilung<br />
zwischen mehreren Trägern öffentlicher Gewalt, <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Fall zwischen<br />
EU und Mitgliedstaaten, zu regeln, vgl. Peter M. Huber, Fn. 287, S. 354.<br />
291<br />
BVerfGE 89, S. 155 ff., 194 f.<br />
292<br />
BVerfGE 89, S. 155 ff., 195; 196 f.; 199.<br />
293<br />
Her<strong>de</strong>gen, Fn. 40, Rdnr. 189, spricht vom „begrifflichen Gegenstück.“<br />
294<br />
Ipsen, Zehn Glossen zum Maastricht-Urteil, EuR 1994, S. 1 ff., 4.<br />
295<br />
Schweitzer, Europäische <strong>Union</strong>: Gefahr o<strong><strong>de</strong>r</strong> Chance für <strong>de</strong>n Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alismus, VVDStRL (53)<br />
1994, S. 48 ff., 55; 97 f., weist allerdings auf die latente Gefahr hin, daß die genannte
c) Der EuGH als rechtsfortbil<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> „Motor <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion“<br />
Nach Art. 220 (ex-Art. 164) EGV kommt <strong>de</strong>m EuGH die Aufgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicherung und<br />
Wahrung <strong>de</strong>s Rechts bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung und Anwendung dieses Vert<strong>ra</strong>gs zu. Ähnlich wie<br />
Art. 20 Abs. 3 GG <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht zwischen Gesetz und Recht differenziert, soll<br />
Art. 220 (ex-Art. 164) EGV auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zwischen Vert<strong>ra</strong>g und<br />
Recht unterschei<strong>de</strong>n; ebenso wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>de</strong>s Rechts hier mehr umfasse als das Gesetz,<br />
solle es dort mehr beinhalten als die Verträge. 296<br />
Zwar besteht für die <strong>de</strong>utschen Rechtsprechungsorgane nicht nur das Recht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n zugleich<br />
die Pflicht, vgl. Art. 19 Abs. 4 GG, selbst <strong>im</strong> Falle einer gesetzlichen Regelungslücke zum<br />
Wohle seiner Bürger Recht zu schaffen; dabei darf die Dritte Gewalt aber nicht in originäre<br />
Gesetzgebungszuständigkeiten eingreifen. Aus diesem Grun<strong>de</strong> haben <strong>de</strong>utsche Zivilgerichte<br />
beispielsweise die Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s § 253 BGB grundsätzlich zu achten, welche eine<br />
Gel<strong>de</strong>ntschädigung für <strong>im</strong>materielle Schä<strong>de</strong>n nur in <strong>de</strong>n gesetzlich best<strong>im</strong>mten Fällen kennt.<br />
Auch wenn durch richterliche Rechtsfortbildung bei schweren Verletzungen <strong>de</strong>s allgemeinen<br />
Persönlichkeitsrechts ein Scha<strong>de</strong>nsersatzanspruch anerkannt ist, 297 müßte <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>stag als<br />
nationaler Gesetzgeber eine Entschädigungspflicht bei leichteren Persönlichkeitsverletzungen<br />
selbst beschließen. Für <strong>de</strong>n Gerichtshof einer zwischenstaatlichen Einrichtung, welcher nur<br />
nach Maßgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründungsverträge Rechte zuerkannt wor<strong>de</strong>n sind, besteht <strong>de</strong>mzufolge<br />
eine stillschweigen<strong>de</strong> Handlungsermächtigung ebenfalls nur <strong>im</strong> Hinblick auf solche – in <strong>de</strong>n<br />
Gründungsverträgen nicht vorgesehene – Schutzpositionen, die absolut unerläßlich sind, um<br />
die Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> einzelner sicherzustellen. Als vom<br />
Vert<strong>ra</strong>g nicht vorgesehene, gleichwohl aber notwendige Schutzpositionen können die vom<br />
EuGH entwickelten Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> unmittelbaren Wirkung von Richtlinien 298<br />
sowie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vorschrift vom EuGH irgendwann als Kompetenzvorschrift interpretiert wer<strong>de</strong>n könnte,<br />
zumal es sich hierbei selbst nach Ansicht <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Rates um einen „Grundsatz“<br />
und nicht nur um eine Zielvorgabe han<strong>de</strong>le; auch sei eine Beschränkung auf „finanzielle<br />
Mittel“ nicht zwingend.<br />
296 Zuleeg, Die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> rechtsprechen<strong>de</strong>n Gewalt in <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Integ<strong>ra</strong>tion, JZ 1994,<br />
S. 1 ff., 6.<br />
297 Vgl. Palandt/Heinrichs, § 253, Rdnr. 1 sowie Palandt/Thomas, § 823, Rdnr. 200.<br />
298 Der EuGH anerkennt die unmittelbare Wirkung einer nicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> fehlerhaft umgesetzten<br />
Richtlinie <strong>im</strong> vertikalen Bereich gegenüber <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten, vgl. EuGH, Rs. 26/62 (van<br />
Gend & Loos/Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländische Finanzverwaltung), Slg. 1963, S. 1 ff., 25; Rs. 57/65 (Alfons<br />
Lütticke/Hauptzollamt Saarlouis), Slg. 1966, S. 257 ff., 266, nicht dagegen <strong>im</strong> horizontalen<br />
Bereich zwischen Gemeinschaftsbürgern, vgl. EuGH, Rs. 152/84 (Marshall/Southhampton<br />
Area Health Authority), Slg. 1986, S. 723 ff.; Rs. C-91/92 (Paola Faccini Dori/Recreb Srl.),<br />
Slg. 1994, S. I-3325 ff., 3355 ff.; a.A. Gene<strong>ra</strong>lanwalt Carl Otto Lenz in seinen Schlußanträgen,<br />
a.a.O., S. I-3328 ff., 3338 ff. Im Kloppenburg-Beschluß hatte das BVerfG die<br />
71
72<br />
gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch sui generis 299<br />
angesehen wer<strong>de</strong>n. In allen<br />
übrigen Fällen ist <strong><strong>de</strong>r</strong> „Gesetzgeber <strong>de</strong>s Pr<strong>im</strong>ärrechts“ – d.h. die Mitgliedstaaten als „Herren<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“ – zum Tätigwer<strong>de</strong>n i.R.d. Vert<strong>ra</strong>gsrevision nach Art. 48 (ex-Art. N) EUV<br />
gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />
Die Verpflichtung <strong>de</strong>s EuGH zur Wahrung <strong>de</strong>s Rechts, Art. 220 (ex-Art. 164) EGV, schafft<br />
in<strong>de</strong>s – sieht man von <strong>de</strong>n genannten zwingen<strong>de</strong>n Schutzpositionen einmal ab – keinesfalls<br />
eine Befugnis, die bestehen<strong>de</strong>n Verträge um nicht vorhan<strong>de</strong>ne Regelungsbereiche zu<br />
erweitern; dies wäre als eklatanter Verstoß gegen das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung zu<br />
werten. Wenn das <strong>Religionsrecht</strong> bzw. einzelne Materien hiervon <strong><strong>de</strong>r</strong> EU seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
nicht übert<strong>ra</strong>gen wor<strong>de</strong>n wären, was noch zu klären ist, müßte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH<br />
Sekundärrechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane, die diesbezüglich eine Regelung treffen, nach<br />
Art. 231 (ex-Art. 174) EGV für nichtig erklären.<br />
Ungeachtet <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung zeigte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit<br />
wenig Skrupel, unvollständige Normen <strong>de</strong>s EWG-Vert<strong>ra</strong>gs, die rein äußerlich <strong>de</strong>n Cha<strong>ra</strong>kter<br />
von unverbindlichen Rechtssätzen aufwiesen (wie z.B. Art. 128 EWGV a.F. 300<br />
), als rechtlich<br />
Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichweite <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgewalt wegen dieser Rechtsfortbildung noch<br />
nicht als überschritten angesehen, vgl. BVerfGE 75, S. 223 ff., 242 f.<br />
299<br />
Vgl. z.B. EuGH, verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Andrea F<strong>ra</strong>ncovich, Danila Bonifaci u.a./<br />
Italienische Republik), Slg. 1991, S. I-5357 ff. (bei Nichtumsetzung von Richtlinien);<br />
Rs. C-392/93 (The Queen/H.M. Treasury, ex parte: British Telecommunications), Slg.1996,<br />
S. I-1631 ff. (bei fehlerhafter Umsetzung von Richtlinien); verb. Rs. C-46/93 u. 48/93<br />
(B<strong>ra</strong>sserie du pêcheur/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland u.a.), Slg. 1996, S. I-1029 ff. =<br />
EuZW 1996, S. 205 ff. (bei Verstoß gegen Pr<strong>im</strong>ärrecht). Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Fülle <strong><strong>de</strong>r</strong> Lite<strong>ra</strong>tur zum<br />
gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch vgl. nur Böhm, Vo<strong>ra</strong>ussetzungen einer<br />
Staatshaftung bei Verstößen gegen pr<strong>im</strong>äres Gemeinschaftsrecht, JZ 1997, S. 53 ff.;<br />
Bröhmer, Die Weiterentwicklung <strong>de</strong>s europäischen Staatshaftungsrechts – EuGH,<br />
EuGRZ 1996, 144, JuS 1997, S. 117 ff.; v. Danwitz, Die gemeinschaftsrechtliche<br />
Staatshaftung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten – Entwicklung, Stand und Perspektiven <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Haftung aus Richterhand, DVBl. 1997, S. 1 ff.; Finke, Die Haftung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten für<br />
die Verletzung von Gemeinschaftsrecht – Zugleich eine Besprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> Urteile <strong>de</strong>s EuGH<br />
„B<strong>ra</strong>sserie du pêcheur u. Factortame“ und „El Corte Inglés“, DZWir 1996, S. 361 ff.;<br />
Saenger, Staatshaftung wegen Verletzung europäischen Gemeinschaftsrechts, JuS 1997,<br />
S. 865 ff.; Streinz, Anmerkungen zu <strong>de</strong>m EuGH-Urteil in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache B<strong>ra</strong>sserie du<br />
Pêcheur und Factortame, EuZW 1996, S. 201 ff.<br />
300<br />
Vgl. i.R.d. Bildungspolitik nur EuGH, Rs. 9/74 (Casag<strong>ra</strong>n<strong>de</strong>/Lan<strong>de</strong>shauptstadt München),<br />
Slg. 1974, S. 773 ff.; Rs. 293/83 (G<strong>ra</strong>vier/Stadt Lüttich), Slg. 1985, S. 593 ff.; Rs. 242/87<br />
(Kommission/Rat), Slg. 1989, S. 1425 ff.
in<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Normen einzustufen und begrün<strong>de</strong>te dies mit integ<strong>ra</strong>tionspolitischen Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen,<br />
wie <strong>de</strong>m effet utile o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n <strong>im</strong>plied powers <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft. So ist das Urteil <strong>de</strong>s EuGH zur<br />
Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>ungspolitik 301 , in <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> kulturellen Einglie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> aus Drittlän<strong><strong>de</strong>r</strong>n eingewan<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Bevölkerungsgruppen als Überschreitung <strong>de</strong>s<br />
Zuständigkeitsbereichs <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft wertete, entgegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Äußerung<br />
Rodríguez Iglesias’ 302 als seltene Ausnahme zu verstehen. Von <strong>de</strong>n bis Mitte <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre<br />
knapp 500 Urteilen <strong>de</strong>s EuGH und <strong>de</strong>s Gerichts 1. Instanz, in <strong>de</strong>nen Gemeinschaftsrechtsakte<br />
wegen Komptenzabgrenzung verworfen wur<strong>de</strong>n, 303 han<strong>de</strong>lte es sich fast ausschließlich um<br />
solche <strong><strong>de</strong>r</strong> horizontalen Kompetenzabgrenzung zwischen <strong>de</strong>n Organen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft; nur<br />
sehr selten wur<strong>de</strong>n Gemeinschaftsrechtsakte wegen ihres Eindringens in das mitgliedstaatliche<br />
Kompetenzgefüge verworfen. 304<br />
Aus diesem Grun<strong>de</strong> lag es durchaus nicht fernab je<strong><strong>de</strong>r</strong> Realität, zu befürchten, <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH<br />
könne die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 6 Abs. 4 (ex-Art. F Abs. 3) EUV als „Art. 308 (ex-Art. 235)<br />
EGV <strong>im</strong> Großformat“ 305<br />
auslegen – einer Interpretation, welcher das BVerfG jedoch a priori<br />
durch das Maastricht-Urteil <strong>de</strong>n Riegel vorgeschoben hat.<br />
Ein erst kürzlich ergangenes Urteil, in <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die <strong>Union</strong>sbürgerschaft als<br />
Auffangtatbestand <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten versteht und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Regelungsgehalt auch außerhalb<br />
ihres persönlichen Anwendungsbereichs auf <strong>Union</strong>sbürger bezieht, 306 stellt einen weiteren<br />
Markstein in <strong><strong>de</strong>r</strong> rechtsfortbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Geschichte <strong>de</strong>s EuGH dar, <strong><strong>de</strong>r</strong> in dieser Weise von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Maastrichter Regierungskonferenz mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung von Art. 17 (ex-Art. 8) Abs. 2 EGV<br />
gewiß nicht beabsichtigt war. 307<br />
301<br />
EuGH, verb. Rs. 281, 283, 284, 285 u. 287/85 (Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland u.a./<br />
Kommission), Slg. 1987, S. 3203 ff.<br />
302<br />
Rodríguez Iglesias, Fn. 288, S. 235.<br />
303<br />
So Zuleeg, Fn. 296, S. 4.<br />
304<br />
Ebenso Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 283, S. 155.<br />
305<br />
Schweitzer, Fn. 295, S. 55.<br />
306<br />
EuGH, Rs. C-85/96 (María Martínez Sala/Freistaat Bayern), Slg. 1998, S. I-2691 ff., 2726,<br />
Rz. 62 – 64; Einzelheiten s.u. Fn. 623. Vgl. auch Füßer, Grundrecht auf wirtschaftliche<br />
Freizügigkeit und Art. 8a EGV als Auffangbeschränkungsverbot <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts,<br />
DÖV 1999, S. 96 ff., 101 ff.<br />
307<br />
In Anlehnung an Hiob 41, 25 und Thomas Hobbes wird daher von Bohnet-Joschko,<br />
Leviathan Europa? – Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alistische und institutionelle Aspekte <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatswerdung<br />
Europas, Marburg 1996, ein Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong> EU mit <strong>de</strong>m alles verschlingen<strong>de</strong>n Seeungeheuer<br />
bemüht.<br />
73
74<br />
d) <strong>Das</strong> „Vert<strong>ra</strong>gslückenschließungsverfahren“ nach Art. 308 (ex-Art. 235) EGV<br />
In diesem Zusammenhang muß auf die vor <strong>de</strong>m Maastricht-Urteil <strong>de</strong>s BVerfG ebenfalls<br />
großzügige Handhabung <strong>de</strong>s Art. 308 (ex-Art. 235) EGV als „Vert<strong>ra</strong>gsabrundungskompetenz“<br />
eingegangen wer<strong>de</strong>n. Diese beruht gleichsam auf <strong>de</strong>m Gedanken <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong>plied powers bzw. <strong>de</strong>s<br />
effet utile, wonach <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft auch nicht ein<strong>de</strong>utig eingeräumte Kompetenzen zustehen<br />
sollen, um <strong><strong>de</strong>r</strong>en Funktionsfähigkeit zu gewährleisten bzw. zu verbessern. Sofern die<br />
Kompetenzergänzungsbest<strong>im</strong>mung zum einen lediglich restriktiv dahingehend verstan<strong>de</strong>n<br />
wird, <strong>de</strong>m Rat nur dort <strong>de</strong>n Erlaß von Rechtsakten zu gestatten, sofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>g hierfür<br />
keine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e konkrete Ermächtigungsnorm enthält, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en ein Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft zwingend erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist, um i.R.d. Gemeinsamen Marktes eines ihrer Ziele zu<br />
verwirklichen, kann auf Art. 308 (ex-Art. 235) EGV zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n. Eine Auslegung<br />
aber, welche <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft das Recht zuspricht, sich beliebig neue Rechtssetzungsbefugnisse<br />
zu verschaffen, dul<strong>de</strong>t das BVerfG nicht; vielmehr unterschei<strong>de</strong>t es strikt<br />
zwischen begrenzt eingeräumter Hoheitsbefugnis einerseits und <strong>de</strong>m<br />
Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsverfahren an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits. Ein Verstoß <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft hiergegen hätte als<br />
ult<strong>ra</strong> vires-Rechtsakt die rechtliche Unverbindlichkeit in Deutschland zur Folge. 308<br />
Wesentliche Erweiterungen <strong>de</strong>s Integ<strong>ra</strong>tionsprog<strong>ra</strong>mmes bedürfen einer Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
durch die Mitgliedstaaten als „Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“. Ten<strong>de</strong>nzen <strong>de</strong>s EuGH, dieses Prinzip zu<br />
unterlaufen, dürfen nicht hingenommen wer<strong>de</strong>n. 309 Für je<strong>de</strong> materielle Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung ist<br />
die erneute Befassung <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Parlamente erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, da eine solche nicht mehr von<br />
<strong>de</strong>m ursprünglichen Zust<strong>im</strong>mungsgesetz nach Art. 23 GG n.F. ge<strong>de</strong>ckt wäre. 310 Die<br />
Auffassung <strong>de</strong>s BVerfG ist nicht neu, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> schon <strong>im</strong> Eurocontrol-Beschluß i.R.d.<br />
Art. 24 GG angewandt. 311<br />
Dem Rechtsgedanken <strong><strong>de</strong>r</strong> „Wesentlichkeitstheorie“ – dieser besagt,<br />
daß das Parlament grundlegen<strong>de</strong> Wertentscheidungen selbst treffen muß und diese nicht<br />
einfach <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung überlassen darf – kommt auch i.R.d. Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten<br />
auf zwischenstaatliche Einrichtungen Be<strong>de</strong>utung zu: Zwar wird die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
„Wesentlichkeitstheorie“ bei Art. 23 GG n.F. kritisiert, weil es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> EU – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong> reinen Regierungsorganisation ohne <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tische Legit<strong>im</strong>ation Eurocontrol – um<br />
308<br />
Vgl. BVerfGE 89, S. 155 ff., 210 sowie die Ausführungen unten C.IV.2.d).<br />
309<br />
Ebenso Schweitzer, Fn. 295, S. 51.<br />
310<br />
Vgl. BVerfGE 89, S. 155 ff., 181. Auch bestün<strong>de</strong> ansonsten die Gefahr, daß national zu<br />
regeln<strong>de</strong> Materien teilweise nur <strong>de</strong>swegen zur Entscheidung auf die europäische Ebene<br />
gehoben wer<strong>de</strong>n, weil sich dort ein Konsens eher abzeichnet als <strong>im</strong> nationalen Gesetzgebungsverfahren<br />
– man <strong>de</strong>nke nur an <strong>de</strong>n Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>tes bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuer- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rentenreform vor und nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>stagswahl vom 27.9.1998; so auch schon Bleckmann,<br />
<strong>Das</strong> Europäische Parlament nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Direktwahl, in: Listl/Schlick (Hrsg.), Wahlen zum<br />
<strong>Europäischen</strong> Parlament, Stellungnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Christen, Kehl am Rhein u.a.<br />
1982, S. 3 ff., 22.<br />
311<br />
BVerfGE 58, S. 1 ff., 37.
eine Einrichtung mit parlamentarischem Organ han<strong>de</strong>le. 312<br />
Da das EP trotz Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>s<br />
Mitentscheidungsverfahrens durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam an <strong><strong>de</strong>r</strong> Entstehung vieler<br />
Rechtsakte nach wie vor nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong>selben Weise beteiligt ist, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat, ist gegen die<br />
analoge Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> „Wesentlichkeitstheorie“ <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Fall jedoch nichts<br />
einzuwen<strong>de</strong>n.<br />
Der EuGH hat zu <strong><strong>de</strong>r</strong> umstrittenen Rechtsetzungsbefugnis nach Art. 308 (ex-Art. 235) EGV in<br />
seinem EMRK-Gutachten zu Recht folgen<strong>de</strong> Klarstellung getroffen, die das bisher Gesagte<br />
unterstreicht:<br />
„Als integrieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Bestandteil einer auf <strong>de</strong>m Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung<br />
beruhen<strong>de</strong>n institutionellen Ordnung kann diese Best<strong>im</strong>mung keine Grundlage dafür bieten,<br />
<strong>de</strong>n Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsbefugnisse über <strong>de</strong>n allgemeinen Rahmen hinaus auszu<strong>de</strong>hnen,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sich aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamtheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>gsbest<strong>im</strong>mungen und insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>njenigen ergibt,<br />
die die Aufgaben und Tätigkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft festlegen. Sie kann je<strong>de</strong>nfalls nicht als<br />
Rechtsgrundlage für <strong>de</strong>n Erlaß von Best<strong>im</strong>mungen dienen, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache nach, gemessen an<br />
ihren Folgen, auf eine Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung ohne Einhaltung <strong>de</strong>s hierfür vom Vert<strong>ra</strong>g<br />
vorgesehenen Verfahrens hinausliefen.“ 313<br />
Es stün<strong>de</strong> <strong>de</strong>m EuGH, will er sich in seiner Auslegung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts einer<br />
größeren Anerkennung bei <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten erfreuen, gut an, nicht einseitig als „Motor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Integ<strong>ra</strong>tion“ zu fungieren, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich die Rolle als Interpret <strong>de</strong>s status quo auszufüllen,<br />
wie es Art. 220 (ex-Art. 164) EGV vorsieht. Je<strong>de</strong> weitere Vertiefung <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion muß von<br />
<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten als „Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>“ ausgehen, vgl. Art. 48 (ex-Art. N) EUV.<br />
e) Anwendung <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung auf das <strong>Religionsrecht</strong><br />
Relativ einfach läßt sich eine Regelungsbefugnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur Regelung<br />
innerkirchlicher Angelegenheiten schon <strong>de</strong>swegen verneinen, weil <strong>de</strong>n meisten<br />
Mitgliedstaaten nach ihrem Verfassungsrecht nicht die Kompetenz zur Regelung dieses<br />
Bereichs zugestan<strong>de</strong>n wird. Fehlt eine solche Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, kann sie<br />
logischerweise nicht auf die Gemeinschaft übert<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n. Vielmehr kann letztere nur dort<br />
Befugnisse erhalten, wo zuvor Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten bestan<strong>de</strong>n haben. 314 Dies ist<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundgedanke <strong><strong>de</strong>r</strong> ult<strong>ra</strong> vires-Rechtsprechung. 315<br />
312<br />
Meessen, Maastricht nach Karlsruhe, NJW 1994, S. 549 ff., 551.<br />
313<br />
Gutachten 2/94 (EMRK), Slg. 1996, S. I-1759 ff., 1783 ff., 1788, Rz. 30 = EuGRZ 1996,<br />
S. 197 ff., 199 = EuR 1996, S. 302 ff.<br />
314<br />
So auch Bleckmann, Fn. 133, S. 7.<br />
315<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen unten C.IV.2.d).<br />
75
76<br />
Schwieriger stellt sich die Kompetenzf<strong>ra</strong>ge auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s staatlichen <strong>Religionsrecht</strong>s<br />
dar. Sieht man einmal von <strong>de</strong>n marginalen Vorschriften, wie z.B. Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> „Kirchenerklärung“, die explizit auf diese Thematik eingehen, ab, scheint es so, als<br />
fehle es an einer Einzelermächtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft <strong>im</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> <strong>im</strong><br />
EU-Vert<strong>ra</strong>g. 316 Daher wird teilweise vertreten, daß die ausschließliche Zuständigkeit zur<br />
Regelung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s bei <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten verbleibe, soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft eine<br />
diesbezügliche volle Sachkompetenz nicht übert<strong>ra</strong>gen wor<strong>de</strong>n sei. 317<br />
Schon das frühe Urteil <strong>de</strong>s EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Wal<strong>ra</strong>ve u. Koch 318 , durch welches dieser <strong>de</strong>n<br />
Profi<strong>ra</strong>dsport in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s E(W)G-Vert<strong>ra</strong>gs einbezogen hatte, obwohl jener<br />
in keiner Vorschrift <strong>de</strong>n Sport erwähnte, läßt Zweifel an <strong><strong>de</strong>r</strong> Haltbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> eben erwähnten<br />
Auffassung aufkommen. Urteilsgrundlage ist die Erkenntnis <strong>de</strong>s EuGH, daß aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Begrenzung <strong>de</strong>s gemeinschaftlichen Tätigwer<strong>de</strong>ns je<strong><strong>de</strong>r</strong> Lebens- bzw. Rechtsbereich<br />
funktionalisiert – d.h. in seine einzelnen Funktionen und Erscheinungsformen aufgeglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
und sodann <strong>de</strong>n Einzelbest<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs zugeordnet – wer<strong>de</strong>n muß. 319<br />
So bet<strong>ra</strong>chtet sind <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft kompetenzrechtlich sehr wohl Ziele und Befugnisse in<br />
einzelnen Tätigkeitsfel<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften zugewiesen. Da<br />
Gemeinschaftskompetenzen grundsätzlich in vollem Umfange realisiert wer<strong>de</strong>n können, trifft<br />
dies prinzipiell auch auf Bereiche wie das <strong>Religionsrecht</strong> zu, selbst wenn die Mitgliedstaaten<br />
hier nach wie vor rechtssetzungsbefugt sind. 320<br />
316<br />
Dieser Ansicht ist z.B. Hollerbach, Fn. 17, S. 268; nach diesem komme <strong><strong>de</strong>r</strong> EG nicht die<br />
Aufgabe zu, „einen gemeinsamen Religions- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenmarkt herzustellen o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine<br />
religiös-kirchliche <strong>Union</strong> mit einheitlichen staatskirchenrechtlichen Strukturen ins Werk zu<br />
setzen“; ähnlich Kruttschnitt, Europa: Christentum <strong>im</strong> Vollzug – Eine theologische Analyse<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen Kirche in Deutschland <strong>im</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Gemeinschaft, München 1993, S. 132, 134 f.<br />
317<br />
So z.B. Link, Fn. 100, S. 134; Turowski, Fn. 225, S. 6.<br />
318<br />
EuGH, Rs. 36/74 (Wal<strong>ra</strong>ve u. Koch/Association <strong>Union</strong> Cycliste Internationale), Slg. 1974,<br />
S. 1405 ff.<br />
319<br />
Vgl. Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Sport und europäische Integ<strong>ra</strong>tion – Die Diskr<strong>im</strong>inierung von Sportlern in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft, München 1989, S. 34.<br />
320<br />
So auch Streinz, Fn. 77, S. 69 f. Der EuGH hat z.B. i.R.d. Bildungspolitik, für die vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ratifizierung <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Maastricht keine ausdrückliche Gemeinschaftskompetenz<br />
bestand, entschie<strong>de</strong>n, daß diese zwar nicht zu <strong>de</strong>n Bereichen gehöre, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>g <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane unterworfen habe. Hie<strong>ra</strong>us folge jedoch nicht, daß<br />
die Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft übert<strong>ra</strong>genen Befugnisse irgendwie eingeschränkt<br />
wäre, wenn sie sich auf Maßnahmen auswirken könne, die zur Durchführung dieser
Neben <strong>de</strong>n oben aufgeführten Vorschriften sind für Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong>en soziale Einrichtungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> wirtschaftliche Unternehmen daher auch allgemeinere<br />
Regelungen <strong>im</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g von Be<strong>de</strong>utung, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e in folgen<strong>de</strong>n Bereichen:<br />
- Warenverkehrsfreiheit, Art. 28 (ex-Art. 30), Art. 29 (ex-Art. 34),<br />
Art. 30 (ex-Art. 36) EGV; 321<br />
-<br />
322<br />
Landwirtschaft, Art. 33 (ex-Art. 39), Art. 34 (ex-Art. 40) EGV;<br />
-<br />
323<br />
Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 39 (ex-Art. 48) EGV;<br />
-<br />
324<br />
Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungsfreiheit, Art. 43 (ex-Art. 52), Art. 45 (ex-Art. 55) EGV;<br />
-<br />
325<br />
Dienstleistungsfreiheit, Art. 49 (ex-Art. 59), Art. 50 (ex-Art. 60) EGV;<br />
-<br />
326<br />
Aufenthaltsrecht, Art. 18 (ex-Art. 8a) EGV;<br />
-<br />
327<br />
Beihilfenrecht, Art. 87 (ex-Art. 92), Art. 88 (ex-Art. 93) EGV;<br />
-<br />
328<br />
Steuerrecht, Art. 94 (ex-Art. 100) EGV;<br />
-<br />
329<br />
Rechtsangleichung, Art. 95 (ex-Art. 100a) EGV;<br />
-<br />
330<br />
Arbeits- und Sozialrecht, Art. 136 (ex-Art. 117) ff. EGV.<br />
Eine explizite Bereichsausnahme, durch welche das <strong>Religionsrecht</strong> von <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n<br />
Regelungsbefugnissen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ausgenommen wür<strong>de</strong>, besteht <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht – sieht<br />
man einmal von <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung ab, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Status noch zu klären ist 331<br />
– nicht.<br />
f) Zusammenfassung<br />
<strong>Das</strong> Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung legt das Ausmaß, in welchem religionsrechtliche<br />
Kompetenzen auf die Gemeinschaft übergehen, in die Hand <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten als „Herren<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“. Der EuGH darf daher nur äußerstenfalls rechtsfortbil<strong>de</strong>nd tätig wer<strong>de</strong>n. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schaffung von Pr<strong>im</strong>ärrecht ist jedoch zu berücksichtigen, daß dieses grds. funktional in alle<br />
nichtgeregelten Materie ergriffen wor<strong>de</strong>n seien, vgl. EuGH, Rs. 9/74 (Casag<strong>ra</strong>n<strong>de</strong>/<br />
Lan<strong>de</strong>shauptstadt München), Slg. 1974, S. 773 ff., 779, Rz. 5 f.<br />
321<br />
S.u. J.II sowie K.V.2.b).<br />
322<br />
S.u. C.II.5.<br />
323<br />
S.u. K.I.2.a)aa).<br />
324<br />
S.u. K.II.5.<br />
325<br />
S.u. K.VI.2.<br />
326<br />
S.u. Fn. 623.<br />
327<br />
S.u. K.III.6.<br />
328<br />
S.u. K.III.4.b).<br />
329<br />
S.u. K.II.2.<br />
330<br />
S.u. K.I.2.a)bb).<br />
331<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen unten D.IV.<br />
77
78<br />
Lebens- bzw. Rechtsbereiche hineinwirkt. Als typische Querschnittsmaterie weist das<br />
<strong>Religionsrecht</strong> somit vielfach Berührungspunkte zu Materien auf, in <strong>de</strong>nen die Gemeinschaft<br />
Regelungskompetenzen innehat.<br />
3. Sekundärrecht<br />
Im Sekundärrecht fin<strong>de</strong>t sich eine Fülle von Rechtsvorschriften, die für Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften von Be<strong>de</strong>utung sind, auch wenn man dies nicht <strong>im</strong>mer auf <strong>de</strong>n<br />
ersten Anschein vermuten wür<strong>de</strong>. <strong>Das</strong> Sekundärrecht, als das von <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen<br />
nach Maßgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründungsverträge geschaffene Recht, 332<br />
kann von diesen je<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n, ohne daß es hierzu – <strong>im</strong> Gegensatz zum Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsverfahren nach<br />
Art. 48 f. (ex-Art. N, O) EUV zur Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung von Pr<strong>im</strong>ärrecht – <strong><strong>de</strong>r</strong> Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen<br />
Mitgliedstaaten bedarf. Aus diesem Grun<strong>de</strong> können die <strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>n aufgeführten<br />
Best<strong>im</strong>mungen <strong>im</strong> Sekundärrecht nur als eine „Momentaufnahme“ verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Da das<br />
Sekundärrecht jedoch nicht <strong>im</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zu Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Pr<strong>im</strong>ärrechts stehen darf,<br />
da es ansonsten für nichtig erklärt wer<strong>de</strong>n muß, vgl. Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 2 EGV,<br />
unterstreicht dies für die Kirchen und Religionsgemeinschaften die Wichtigkeit, eine<br />
Ve<strong>ra</strong>nkerung ihrer Rechtspositionen auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s verbindlichen Pr<strong>im</strong>ärrechts durch<br />
Best<strong>im</strong>mungen in <strong>de</strong>n Gründungsverträgen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Protokollen von Schlußakten zu Verträgen zu<br />
erreichen.<br />
Sekundäres Gemeinschaftsrecht kann eine unterschiedliche Regelungsintensität haben. Am<br />
wenigsten einschnei<strong>de</strong>nd sind Best<strong>im</strong>mungen, durch welche lediglich eine Koordinierung <strong>de</strong>s<br />
nationalen Rechts innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft mittels Abst<strong>im</strong>mung aufeinan<strong><strong>de</strong>r</strong> erreicht und<br />
Anwendungskonflikte vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Intensiver ist <strong>de</strong>mgegenüber eine Harmonisierung<br />
unterschiedlicher nationaler Rechtsordnungen <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsangleichung mittels Richtlinienbest<strong>im</strong>mungen.<br />
Den intensivsten Eingriff in das nationale Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
stellt die Rechtsvereinheitlichung durch Verordnung dar; hier wird das nationale Recht<br />
vollkommen verdrängt. 333<br />
332 Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 18.<br />
333 Vgl. ausführlicher Birk, <strong>Das</strong> Arbeitsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft, in: Richardi/<br />
Wlotzke (Hrsg.), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 1, München 1992, § 18,<br />
Rdnrn. 20 – 25.
a) Beamtenstatut <strong><strong>de</strong>r</strong> EG 334<br />
<strong>Das</strong> Beamtenstatut <strong><strong>de</strong>r</strong> EG enthält zwei Vorschriften mit religionsrechtlicher Be<strong>de</strong>utung.<br />
Obwohl es formal-rechtlich nur auf EG-Bedienstete anwendbar ist, machen die Rezensionen<br />
<strong>de</strong>s Urteils <strong>de</strong>s EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. P<strong>ra</strong>is<br />
335<br />
79<br />
zu Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts <strong>de</strong>utlich, daß<br />
<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Beamtenstatut enthaltenen Grundsätzen sogar i.R.d. allgemeinen Rechtsgrundsätze für<br />
die Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit Be<strong>de</strong>utung zukommt.<br />
Art. 26 Abs. 4 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts lautet:<br />
„Die Personalakte darf keinerlei Angaben über die politischen, weltanschaulichen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
religiösen Überzeugungen <strong>de</strong>s Beamten enthalten.“ 336<br />
Nach Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts gilt:<br />
„Die Beamten wer<strong>de</strong>n ohne Rücksicht auf Rasse, Glauben o<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschlecht ausgewählt.“ 337<br />
b) Europäische Schulen<br />
In <strong>de</strong>n – aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Satzung vom 12. April 1957 338 und <strong>de</strong>s Protokolls vom<br />
13. April 1962 339 über die Gründung Europäischer Schulen – eröffneten <strong>Europäischen</strong><br />
Schulen für Bedienstete <strong><strong>de</strong>r</strong> EG 340 gehört <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsunterricht, vergleichbar mit Art. 7 Abs.<br />
2 u. 3 GG, zu <strong>de</strong>n or<strong>de</strong>ntlichen Lehrfächern und wird nach <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n<br />
Religionsgemeinschaften aufgestellten Grundsätzen als Pflichtfach erteilt. Allerdings besteht<br />
die alternative Teilnahmemöglichkeit am Ethik-Unterricht. 341<br />
Die neue Satzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> Schulen sieht in Art. 4 Ziff. 6 hingegen nur noch vor, daß bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Erziehung und<br />
<strong>im</strong> Unterricht „Gewissen und Überzeugung“ <strong>de</strong>s einzelnen geachtet wer<strong>de</strong>n, während<br />
Art. 4 Ziff. 5 <strong><strong>de</strong>r</strong> Satzung vom 12. April 1957 noch die Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Berücksichtigung<br />
334 Verordnung Nr. 31 (EWG)/Nr. 11 (EAG) über das Statut <strong><strong>de</strong>r</strong> Beamten und über die<br />
Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Wirtschafts-<br />
gemeinschaft und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Atomgemeinschaft, ABl. 1962, S. 1385 ff., 1393 f.<br />
335<br />
EuGH, Rs. 130/75 (P<strong>ra</strong>is/Rat), Slg. 1976, S. 1589 ff., s.u. C.II.1.<br />
336<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen unten K.III.5.c).<br />
337<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen s.u. C.II.1.<br />
338<br />
BGBl. 1965 II, S. 1041 ff.<br />
339<br />
BGBl. 1969 II, S. 1302 ff.<br />
340<br />
Vgl. v. Münch/Kunig/Rojahn, GG, Bd. 2, 3. Aufl., München 1995, Art. 24, Rdnr. 40.<br />
341<br />
HdbStKirchR/Robbers, Europarecht und Kirchen, Erster Bd., § 9, S. 315 ff., 324.
80<br />
von „Gewissen und Glaube“ ausgesprochen hatte. 342<br />
Säkularisationsprozeß innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft erkennbar.<br />
Insofern ist ein gewisser<br />
c) Richtlinie 76/207/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gleichbehandlung von Männern und F<strong>ra</strong>uen hinsichtlich <strong>de</strong>s Zugangs zur Beschäftigung, zur<br />
Berufsausbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen<br />
(Gleichbehandlungsrichtlinie) 343<br />
Einzelheiten s.u. K.I.2.a)cc).<br />
d) Sechste Richtlinie 77/388/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechtsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Sechste<br />
Mehrwertsteuerrichtlinie) 344<br />
Die RL 77/388/EWG gibt <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten u.a. auf, best<strong>im</strong>mte, <strong>de</strong>m Gemeinwohl<br />
dienen<strong>de</strong> Tätigkeiten, von <strong><strong>de</strong>r</strong> Umsatzsteuer zu befreien. Für das <strong>Religionsrecht</strong> sind insofern<br />
die Befreiungstatbestän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Art. 13 Abs. 1 lit. k u. lit. l <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 77/388/EWG von Relevanz:<br />
„k) die Gestellung von Personal durch religiöse und weltanschauliche Einrichtungen für die<br />
unter <strong>de</strong>n Buchstaben b) [K<strong>ra</strong>nkenhaus- und ärztliche Heilbehandlung], g) [Sozialfürsorge], h)<br />
[Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>- und Jugendbetreuung] und i) [Unterricht, Ausbildung, Umschulung] genannten<br />
Tätigkeiten und für Zwecke geistigen Beistan<strong>de</strong>s;<br />
l) die Dienstleistungen und eng damit verbun<strong>de</strong>ne Lieferungen von Gegenstän<strong>de</strong>n, die<br />
Einrichtungen ohne Gewinnstreben, welche [...] religiöse [...] Ziele verfolgen, ihren Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong>en gemeinsamem Interesse gegen einen satzungsgemäß festgelegten Beit<strong>ra</strong>g<br />
erbringen, vo<strong>ra</strong>usgesetzt, daß diese Befreiung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt“.<br />
342 Sowohl die Satzung vom 12.4.1957 also auch das Protokoll vom 13.4.1962 wur<strong>de</strong>n durch<br />
<strong>de</strong>n Beschluß <strong>de</strong>s Rates vom 17.6.1994 betreffend die Vereinbarung über die Satzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> Schulen, ABl. 1994, Nr. L 212, S. 1 ff. (vgl. Art. 34 <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinbarung) ersetzt<br />
und durch die Entscheidung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission vom 17.6.1994, ABl. 1994, Nr. L 212, S. 15,<br />
genehmigt.<br />
343 ABl. 1976, Nr. L 39, S. 40 ff.; vgl. hierzu u.a. Vachek, Gemeinschaftsrechtliche<br />
Zulässigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>uenför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung durch Quotenregelungen?, JuS 1997, S. 410 ff.<br />
344 ABl. 1977, Nr. L 145, S. 1 ff.
e) Siebzehnte Richtlinie 85/362/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 16. Juli 1985 zur Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechtsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Mehrwertsteuerbefreiung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> vorübergehen<strong>de</strong>n Einfuhr an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Gegenstän<strong>de</strong> als Beför<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsmittel (Siebzehnte<br />
Mehrwertsteuerrichtlinie) 345<br />
Art. 13 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 85/362/EWG gewährt eine Mehrwertsteuerbefreiung bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
vorübergehen<strong>de</strong>n Einfuhr für Gegenstän<strong>de</strong>, die auf einer Ve<strong>ra</strong>nstaltung ausgestellt o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
vorgeführt wer<strong>de</strong>n sollen, wobei als Ve<strong>ra</strong>nstaltung u.a. eine Ausstellung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>nstaltung<br />
gilt, die hauptsächlich <strong><strong>de</strong>r</strong> För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion dienen soll.<br />
f) Richtlinie 89/552/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung best<strong>im</strong>mter<br />
Rechts- und Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten über die Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Fernsehtätigkeit (Fernsehrichtlinie) 346<br />
Einzelheiten s.u.<br />
K.VI.2.<br />
g) Richtlinie 93/37/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfahren zur<br />
Vergabe öffentlicher Bauaufträge 347<br />
Einzelheiten s.u. J.VI.1.<br />
h) Richtlinie 93/104/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 23. November 1993 über best<strong>im</strong>mte Aspekte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) 348<br />
Einzelheiten s.u. K.V.2.<br />
i) Richtlinie 93/119/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 22. Dezember 1993 über <strong>de</strong>n Schutz von Tieren<br />
zum Zeitpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlachtung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Tötung 349<br />
Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/119/EWG ist es vor allem, Tieren vermeidbare Schmerzen und Lei<strong>de</strong>n zu<br />
ersparen. Laut ihrer Präambel wer<strong>de</strong>n allerdings beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse religiöser Riten<br />
350<br />
berücksichtigt. Für die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Best<strong>im</strong>mungen bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
345<br />
ABl. 1985, Nr. L 192, S. 20 ff.<br />
346<br />
ABl. 1989, Nr. L 298, S. 23 ff.<br />
347<br />
ABl. 1993, Nr. L 199, S. 54 ff.<br />
348<br />
ABl. 1993, Nr. L 307, S. 18 ff.<br />
349<br />
ABl. 1993, Nr. L 340, S. 21 ff.<br />
350<br />
Dem hat auch die EKMR in einem Urteil vom April 1997 ebenfalls Rechnung get<strong>ra</strong>gen,<br />
EKMR, BNr. 2741/95 (Cha’are Shalom Ve Tse<strong>de</strong>k/F<strong>ra</strong>nkreich), vgl. Sherlock, Commission<br />
81
82<br />
Schlachtung nach best<strong>im</strong>mten religiösen Riten und für die Überwachung dieser<br />
Best<strong>im</strong>mungen erklärt Art. 2 Ziff. 8 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/119/EWG die betreffen<strong>de</strong><br />
Religionsgemeinschaft in <strong>de</strong>m jeweiligen Mitgliedstaat für zuständig, in <strong><strong>de</strong>r</strong>en Auft<strong>ra</strong>g die<br />
Schlachtung erfolgt.<br />
Die RL 93/119/EWG greift insoweit <strong>de</strong>m Protokoll Nr. 33 über <strong>de</strong>n Tierschutz und das<br />
Wohlergehen <strong><strong>de</strong>r</strong> Tiere 351<br />
vor.<br />
j) Richtlinie 95/46/EG <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom 24. Oktober 1995<br />
zum Schutz natürlicher Personen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>rbeitung personenbezogener Daten und zum<br />
freien Datenverkehr (Datenschutzrichtlinie) 352<br />
Einzelheiten s.u. K.III.5.c).<br />
k) Richtlinie 98/33/EG <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom 22. Juni 1998 zur<br />
Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Artikels 12 <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 77/780/EWG <strong>de</strong>s Rates über die Aufnahme und<br />
Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kreditinstitute, <strong><strong>de</strong>r</strong> Artikel 2, 5, 6, 7 und 8 sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Anhänge II<br />
und III <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 89/647/EWG <strong>de</strong>s Rates über einen Solvabilitätskoeffizienten für<br />
Kreditinstitute und <strong>de</strong>s Artikels 2 sowie <strong>de</strong>s Anhangs II <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 93/6/EWG <strong>de</strong>s Rates<br />
über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapieren und Kreditinstituten 353<br />
Zur Vereinheitlichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bankenaufsicht erließ die Gemeinschaft die sog.<br />
Solvabilitätsrichtlinie 89/647/EWG, nach welcher das Eigenkapital <strong><strong>de</strong>r</strong> Banken zu <strong>de</strong>n nach<br />
Risikogruppen geordneten Aktiva ins Verhältnis gesetzt wur<strong>de</strong>, wobei die Kommission von<br />
einer Eigenkapitalquote von 8 % ausging; dies be<strong>de</strong>utet, daß die nach Risiko gewichteten<br />
Aktiva min<strong>de</strong>stens von 8 % Eigenkapital ge<strong>de</strong>ckt sein müssen. Hierbei wur<strong>de</strong>n fünf<br />
Risikogruppen (0 %, 10 %, 20 %, 50 % und 100 %) gebil<strong>de</strong>t, wobei nur Verbindlichkeiten<br />
gegenüber <strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen Regierungen sowie mitgliedstaatlichen Zent<strong>ra</strong>lbanken in<br />
die niedrigste Risikoklasse eingereiht wur<strong>de</strong>n. Im Gegensatz zur nationalen Rechtslage vor<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Harmonisierung b<strong>ra</strong>chte dies für die kirchlichen Kreditanstalten in Deutschland, die bisher<br />
aufgrund <strong>de</strong>s öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus ihrer Kirche ebenfalls <strong><strong>de</strong>r</strong> niedrigsten<br />
Risikoklasse zugeordnet wor<strong>de</strong>n waren, eine erhebliche Verschlechterung mit sich, <strong><strong>de</strong>r</strong> man<br />
Decisions and Reports 1997, (1998) 23 E.L.Rev.HR, S. 103 ff., 104. Die EKMR sah die<br />
Verweigerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Erlaubnis für eine jüdisch-orthodoxe Gemeinschaft, rituelle Schächtungen<br />
durchzuführen, als eine Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 9 und 14 EMRK an.<br />
351<br />
S.o. C.I.1.j).<br />
352<br />
ABl. 1995, Nr. L 281, S. 31 ff.<br />
353<br />
ABl. 1998, Nr. L 204, S. 29 ff.
kirchlicherseits jedoch erst richtig gewahr wur<strong>de</strong>, nach<strong>de</strong>m die Richtlinie bereits<br />
ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t war. 354<br />
Den Kirchen und Religionsgemeinschaften gelang es jedoch, i.R.d. Novellierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
RL 89/647/EWG gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, eine Lockerung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Eigenkapitalanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Solvabilitätskoeffizienten zu erhalten.<br />
So lautet <strong><strong>de</strong>r</strong> 3. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 98/33/EG nunmehr:<br />
„Die Kirchen und Religionsgemeinschaften in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsform <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperschaft <strong>de</strong>s<br />
öffentlichen Rechts, die aufgrund eines ihnen durch Gesetz verliehenen Steuererhebungsrechts<br />
Steuern erheben, unterliegen einem Kreditrisiko, das mit <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Regionalregierungen und<br />
örtlichen Gebietskörperschaften vergleichbar ist. Es ist daher sinnvoll, <strong>de</strong>n zuständigen<br />
Behör<strong>de</strong>n die Möglichkeit zu geben, auf For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
die gleiche Regelung wie auf For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an Regionalregierungen und örtliche<br />
Gebietskörperschaften anzuwen<strong>de</strong>n, sofern diese Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
Steuern erheben. Die Möglichkeit, For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an Regionalregierungen und örtliche<br />
Gebietskörperschaften mit 0 % zu gewichten, ist jedoch nicht allein schon aufgrund <strong>de</strong>s<br />
Steuererhebungsrechts auch für For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
gegeben.“<br />
Gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. b <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 98/33/EG wur<strong>de</strong> Art. 2 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 89/647/EWG<br />
folgen<strong><strong>de</strong>r</strong> Unte<strong>ra</strong>bsatz angefügt:<br />
„Die zuständigen Behör<strong>de</strong>n können darüber hinaus zu <strong>de</strong>n Regionalregierungen und örtlichen<br />
Gebietskörperschaften Kirchen und Religionsgemeinschaften in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsform <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperschaft<br />
<strong>de</strong>s öffentlichen Rechts zählen, sofern diese aufgrund eines ihnen verliehenen Steuererhebungsrechts<br />
Steuern erheben. In diesem Fall kommt allerdings die Möglichkeit nach<br />
Artikel 7 nicht zur Anwendung.“<br />
Damit erhalten Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlichem Rechtsstatus nun<br />
ebenso wie Regionalregierungen und örtliche Gebietskörperschaften einen reduzierten<br />
Gewichtungssatz von 20 %. Allerdings gilt dies nur für <strong>de</strong>n Fall, in <strong>de</strong>m diese tatsächlich von<br />
<strong>de</strong>m ihnen verliehenen Steuererhebungsrecht Geb<strong>ra</strong>uch machen.<br />
354 So Gaertner, Auswirkungen <strong>de</strong>s Rechts <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft auf das Verhältnis<br />
von Staat und Kirche, dargestellt am Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Refe<strong>ra</strong>t<br />
be<strong>im</strong> III. Internationalen Symposion über das Verhältnis von Staat und Kirche am 11.5.1994<br />
<strong>im</strong> Lφgumkloster, unveröffentlichtes Manuskript, S. 12 f.<br />
83
84<br />
l) Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 <strong>de</strong>s Rates vom 20. Dezember 1985 über die<br />
Harmonisierung best<strong>im</strong>mter Sozialvorschriften <strong>im</strong> St<strong>ra</strong>ßenverkehr 355<br />
Die VO (EWG) Nr. 3820/85, die z.B. Ruhezeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Fernk<strong>ra</strong>ftfahrer enthält, best<strong>im</strong>mt in<br />
Art. 13 Abs. 1 lit. f, daß ein Mitgliedstaat für sein Hoheitsgebiet o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit Zust<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s<br />
betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaats für das Hoheitsgebiet eines an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaats Abweichungen<br />
von je<strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mung dieser Verordnung zulassen kann, welche Beför<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen mit<br />
Fahrzeugen betreffen, die i.R.d. Religionsausübung verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n und für diesen Zweck<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s ausgestattet sind. Zu <strong>de</strong>nken ist hier z.B. an spezielle Fahrzeuge für Prozessionen.<br />
m) Verordnung (EG) Nr. 1659/98 <strong>de</strong>s Rates vom 17. Juli 1998 über die <strong>de</strong>zent<strong>ra</strong>lisierte<br />
Zusammenarbeit 356<br />
Die <strong>de</strong>zent<strong>ra</strong>lisierte Zusammenarbeit, ein neues Konzept für die Entwicklungs-<br />
zusammenarbeit<br />
357<br />
in <strong>de</strong>n Entwicklungslän<strong><strong>de</strong>r</strong>n wird durch die Gemeinschaft verstärkt<br />
geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Für <strong>de</strong>n Zeit<strong>ra</strong>um von 1999 bis 2001 wird hierfür gemäß Art. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO (EG)<br />
1659/98 ein Etat von 18 Mio. ECU bereitgestellt. Art. 3 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO (EG) 1659/98 lautet:<br />
„Die Partner <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit, die gemäß dieser Verordnung für eine finanzielle<br />
Unterstützung in Bet<strong>ra</strong>cht kommen, sind die Akteure <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>zent<strong>ra</strong>lisierten Zusammenarbeit in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft und in <strong>de</strong>n Entwicklungslän<strong><strong>de</strong>r</strong>n, d.h. lokale Behör<strong>de</strong>n, Nichtregierungsorganisationen,<br />
Berufsverbän<strong>de</strong> und lokale Initiativgruppen, Koope<strong>ra</strong>tiven, Gewerkschaften,<br />
F<strong>ra</strong>uen- und Jugendorganisationen, Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen, die Kirchen<br />
sowie alle Nichtregierungsorganisationen, die einen Beit<strong>ra</strong>g zur Entwicklung leisten können.“<br />
355 ABl. 1985, Nr. L 370, S. 1 ff.<br />
356 ABl. 1998, Nr. L 213, S. 6 ff.<br />
357 Vgl. Viertes AKP-EG-Abkommen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verordnung (EWG) Nr. 443/92 <strong>de</strong>s Rates vom<br />
25. Februar 1992 über die finanzielle und technische Hilfe zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklungslän<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Asiens und Lateinamerikas sowie die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit diesen<br />
Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n, ABl. 1992, Nr. L 52, S. 1 ff.
n) Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 15/99 vom Rat festgelegt am 25. Januar 1999 <strong>im</strong><br />
Hinblick auf <strong>de</strong>n Erlaß <strong><strong>de</strong>r</strong> Verordnung (EG) Nr. .../1999 <strong>de</strong>s Rates vom ... zur Festlegung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bedingungen für die Durchführung von Maßnahmen auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Entwicklungszusammenarbeit, die zu <strong>de</strong>m allgemeinen Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Fortentwicklung und<br />
Festigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Demok<strong>ra</strong>tie und <strong>de</strong>s Rechtsstaats sowie zur Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und<br />
Grundfreiheiten beit<strong>ra</strong>gen 358<br />
Der auf die Gemeinschaftskompetenz zur Entwicklungszusammenarbeit gemäß<br />
Art. 179 (ex-Art. 130w) EGV gestützte und nach <strong>de</strong>m Verfahren <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit gemäß<br />
Art. 252 (ex-Art. 189c) EGV zu erlassen<strong>de</strong> Rechtsakt sieht in Art. 1 Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> EG auf<br />
<strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklungszusammenarbeit zur Fortentwicklung und zur Festigung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Demok<strong>ra</strong>tie und <strong>de</strong>s Rechtsstaats sowie zur Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und<br />
Grundfreiheiten vor. Beschlüsse über die Gewährung einer finanziellen Unterstützung für<br />
Projekte zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und zur Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen Grundsätze<br />
sollen gemäß <strong>de</strong>m 21. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel unparteiisch und u.a. ohne Ansehen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
359<br />
Religion und <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur gefaßt wer<strong>de</strong>n.<br />
o) Gemeinsame Maßnahme vom 15. Juli 1996 vom Rat aufgrund von Art. 31 (ex-Art. K.3)<br />
Abs. 2 lit. b EUV 360<br />
Einzelheiten s.u. E.I.1.c)bb).<br />
p) Äußerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission vom 3. Oktober 1997 auf die schriftliche Anf<strong>ra</strong>ge Nr. 2680/97<br />
von María Sornosa Martínez und Angela Sier<strong>ra</strong> González vom 1. September 1997 betreffend<br />
einen Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip in <strong><strong>de</strong>r</strong> Aula Dei-Kartause von Sa<strong>ra</strong>gossa 361<br />
Die Aula Dei-Kartause ist eine von Kartäusermönchen geführte religiöse Stätte, <strong><strong>de</strong>r</strong> aufgrund<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> dort gesammelten Gemäl<strong>de</strong> <strong>de</strong>s spanischen Malers F<strong>ra</strong>ncisco <strong>de</strong> Goya zugleich kulturelle<br />
Be<strong>de</strong>utung zukommt. F<strong>ra</strong>uen und Mädchen wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugang zu <strong>de</strong>m Kloster ausdrücklich<br />
untersagt, worin die anf<strong>ra</strong>gen<strong>de</strong>n Abgeordneten einen Verstoß gegen das Recht auf<br />
Gleichbehandlung erblickten. Die Antwort <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission auf die schriftliche Anf<strong>ra</strong>ge lautet<br />
auszugsweise:<br />
358<br />
ABl. 1999, Nr. C 58, S. 17 ff.<br />
359<br />
Daß hier zwischen Religion und Kultur unterschie<strong>de</strong>n wird, spricht u.a. dafür, daß es sich<br />
hierbei um aliud-Best<strong>im</strong>mungen han<strong>de</strong>lt.<br />
360<br />
ABl. 1996, Nr. L 185, S. 5 ff.<br />
361<br />
ABl. 1998, Nr. C 82, S. 127.<br />
85
86<br />
„Es liegt somit ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot vor, da F<strong>ra</strong>uen hier <strong>im</strong> Gegensatz zu<br />
Männern die Möglichkeit zum Bet<strong>ra</strong>chten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kunstwerke genommen wird. Die Kommission<br />
ist sich zwar über die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s hier aufgeworfenen Problems <strong>im</strong> klaren, kann aber nicht<br />
eingreifen, da sie keine Kompetenzen hat, um <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion tätig zu wer<strong>de</strong>n.“<br />
Dieser Antwort kommt in mehrfacher Hinsicht Be<strong>de</strong>utung zu. Zum einen trennt die<br />
Kommission hier ebenfalls zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kulturkompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft,<br />
Art. 151 (ex-Art. 128) EGV und <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion als solcher. 362 Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wird ausdrücklich –<br />
trotz eines offensichtlichen Diskr<strong>im</strong>inierungsverbots aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Geschlechts – eine<br />
Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur Regelung religionsrechtlicher F<strong>ra</strong>gen verneint, da sich diese<br />
außerhalb <strong>de</strong>s Anwendungsbereichs <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts befän<strong>de</strong>n 363 bzw. von einem<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften ausgegangen wer<strong>de</strong>n muß. 364<br />
q) Entschließungen <strong>de</strong>s EP<br />
Die rechtlich unverbindlichen Entschließungen stellen ein wichtiges Öffentlichkeitsforum dar.<br />
Auch wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat das entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Gesetzgebungsgremium ist, haben Entschließungen<br />
gewisse Rückkoppelungen auf nationale Parlamente und so mittelbar auf <strong>de</strong>n Rat. Die bei<strong>de</strong>n<br />
Entschließungen <strong>de</strong>s EP zur Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> 365<br />
haben z.B. die Schaffung <strong>de</strong>s speziellen Diskr<strong>im</strong>inierungsverbots in Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV<br />
herbeigeführt. Eine Zusammenstellung über die – religionsrechtliche Materien betreffen<strong>de</strong>n –<br />
Entschließungen zeigt <strong>de</strong>utlich Bezüge <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zum <strong>Religionsrecht</strong> auf. 366<br />
362<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen unten F.III.<br />
363<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen unten E.VI.<br />
364<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen unten L.III.<br />
365<br />
ABl. 1996, Nr. C 96, S. 77; ABl. 1996, Nr. C 320, S. 36.<br />
366<br />
- Entschließung zur Rückgabe ge<strong>ra</strong>ubten Eigentums an jüdische Gemein<strong>de</strong>n,<br />
ABl. 1996, Nr. C 17, S. 199:<br />
Die Entschließung erfolgt unter Hinweis auf Art. 1 <strong>de</strong>s 1. ZP zur EMRK von 1952, wonach<br />
„je<strong>de</strong> natürliche o<strong><strong>de</strong>r</strong> juristische Person ein Recht auf Achtung ihres Eigentums hat“. <strong>Das</strong><br />
EP for<strong><strong>de</strong>r</strong>t, daß alle Staaten Mittel- und Osteuropas, die inzwischen zur Demok<strong>ra</strong>tie<br />
zurückgekehrt sind und auch die EMRK <strong>ra</strong>tifiziert haben, geeignete Rechtsvorschriften über<br />
die Rückgabe ge<strong>ra</strong>ubten Eigentums erlassen. Diese seien Vo<strong>ra</strong>ussetzung für einen EU-<br />
Beitritt.<br />
- Entschließung zur Erwählung <strong>de</strong>s Pantschen-Lama und zur Religionsfreiheit in Tibet,<br />
ABl. 1996, Nr. C 17, S. 200:<br />
In dieser Entschließung, die sich auf keinerlei Kompetenzvorschriften stützt – und wohl<br />
auch nicht könnte – , wird die Einmischung <strong><strong>de</strong>r</strong> VR China in die Benennung <strong>de</strong>s<br />
Kandidaten für das Amt <strong>de</strong>s Pantschen-Lama verurteilt, welche eine rein religiöse Ange-
legenheit sei, sowie die erzwungene Durchsetzung eines Kandidaten durch die chinesischen<br />
Behör<strong>de</strong>n mißbilligt. Entschließungen sind jedoch unabhängig von einer Kompetenz <strong>de</strong>s EP<br />
zum Erlaß eines verbindlichen Rechtsaktes in <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong>n Materie zulässig. Ein<br />
pa<strong>ra</strong>lleles Problem wird in Deutschland unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Thematik <strong><strong>de</strong>r</strong> schlichten Parlamentsbeschlüsse<br />
behan<strong>de</strong>lt. Auch <strong>de</strong>m BT wird als Parlament allgemein eine Kompetenz zur<br />
Beschlußfassung über die ausdrücklich <strong>im</strong> Grundgesetz normierten Fälle hinaus anerkannt,<br />
vgl. Bismark, Atomwaffenfreie Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>?, – Zur Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>sparlamente in<br />
Sicherheitsf<strong>ra</strong>gen –, DVBl. 1983, S. 829 ff., 830; Sellmann, Der schlichte Parlamentsbeschluß,<br />
Berlin 1966, 18 ff., soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> gefaßte Beschluß nach außen hin erkennbar als<br />
nicht verbindlich gewollt erscheint, vgl. Sellmann, a.a.O., S. 38 f. Für eine beabsichtigte<br />
Unverbindlichkeit spricht <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Fall schon die Bezeichnung als „Entschließung“.<br />
- Entschließung zu <strong>de</strong>n Sekten in Europa, ABl. 1996, Nr. C 78, S. 31:<br />
Diese Entschließung nennt die EMRK sowie Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV als Rechtsgrundlage<br />
und hat seinen Anlaß in <strong>de</strong>m Tod von 16 Sektenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n am 23.12.1995 in<br />
Vercors/F<strong>ra</strong>nkreich. <strong>Das</strong> EP betont in <strong><strong>de</strong>r</strong> Entschließung, daß viele aktive religiöse und<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Sekten völlig legal seien und Anspruch auf individuelle und korpo<strong>ra</strong>tive Glaubensfreiheit<br />
hätten. Es erfolgt ein Verweis auf Art. 14 EMRK. Best<strong>im</strong>mte Sekten seien dagegen<br />
illegal o<strong><strong>de</strong>r</strong> kr<strong>im</strong>inell. Die Regierungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten wer<strong>de</strong>n daher in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Entschließung aufgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, <strong>de</strong>n Status einer religiösen Gemeinschaft nicht automatisch zu<br />
verleihen und <strong>im</strong> Fall von Sekten, die an obskuren und kr<strong>im</strong>inellen Machenschaften<br />
beteiligt sind, eine Aufhebung ihres Status einer religiösen Gemeinschaft zu erwägen, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
ihnen Steuervorteile und einen gewissen Rechtsschutz beschert. Ferner ergeht eine<br />
Auffor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung an die Kommission sowie an die Mitgliedstaaten, zu verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, daß illegale<br />
Sekten in <strong>de</strong>n Genuß gemeinschaftlicher Beihilfen gelangen.<br />
- Entschließung mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Stellungnahme <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments zur Einberufung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungskonferenz und zur Bewertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Reflexionsgruppe und<br />
Festlegung <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen Prioritäten <strong>de</strong>s EP <strong>im</strong> Hinblick auf die Regierungskonferenz,<br />
ABl. 1996, Nr. C 96, S. 77:<br />
Im Erwägungsgrund I. <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> Entschließung wird u.a. eine stärkere Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Menschenrechte durch Ausweitung <strong><strong>de</strong>r</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechte für europäische Bürger innerhalb<br />
<strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs durch <strong>de</strong>n Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> grundlegen<strong>de</strong>n Menschenrechte und durch die<br />
Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung und Nichtdiskr<strong>im</strong>inierung gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Diese For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
wird in Ziff. 4.5. noch konkretisiert. Hiernach sollte die EU in einen neu zu schaffen<strong>de</strong>n<br />
Grundrechtskatalog auch <strong>de</strong>n Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung und Nichtdiskr<strong>im</strong>inierung,<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e ungeachtet <strong><strong>de</strong>r</strong> Rasse, <strong>de</strong>s Geschlechts, <strong><strong>de</strong>r</strong> sexuellen Neigungen, <strong>de</strong>s Alters,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung einfügen. Zwar ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtskatalog nicht<br />
realisiert wor<strong>de</strong>n; mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV, vgl. hierzu die Ausführungen<br />
unten E.VI, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m speziellen Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot durch <strong>de</strong>n Amsterdamer<br />
Vert<strong>ra</strong>g jedoch Rechnung get<strong>ra</strong>gen.<br />
87
88<br />
- Entschließung zur Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>; ABl. 1996,<br />
Nr. C 320, S. 36 (Zusammenfassung in EuZW 1996, S. 676; weitere, ähnlich ausformulierte<br />
Entschließungen zur Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte vgl. EuZW 1997, S. 421; EuZW<br />
1998, S. 259):<br />
<strong>Das</strong> EP stützt sich u.a. auf die Allgemeine Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte vom 10.12.1948,<br />
abgedruckt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Textsammlung Sartorius II, Nr. 19, <strong>de</strong>n Internationalen Pakt über<br />
bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1996 (IPbpR), BGBl. 1973 II, S. 1534, sowie<br />
die EMRK samt Protokollen sowie auf Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV. Der Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Menschenrechte sei durch alle Mitgliedstaaten für alle Personen auf <strong>de</strong>m Hoheitsgebiet <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EU zu gewährleisten, unabhängig von Rasse, Geschlecht, Nationalität, Herkunft, Sp<strong>ra</strong>che,<br />
Religion, Kultur, Glauben o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung (C.).<br />
<strong>Das</strong> EP for<strong><strong>de</strong>r</strong>t, daß u.a. SIS und die Datenbank von Europol einem unabhängigen<br />
Kontrollsystem unterworfen wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>s Privatlebens zu gewährleisten; es<br />
for<strong><strong>de</strong>r</strong>t weiter, alle Informationen persönlichen Cha<strong>ra</strong>kters, wie Angaben zur<br />
Religionszugehörigkeit, zu philosophischen o<strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Überzeugungen, Rasse,<br />
Gesundheit und sexuellen Gewohnheiten, von <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfassung in diesen Datenbanken<br />
auszuschließen (56.). <strong>Das</strong> EP ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong> Anspruch auf Gedanken-,<br />
Gewissens- und Religionsfreiheit habe (57.) und for<strong><strong>de</strong>r</strong>t die Mitgliedstaaten auf, die<br />
Erwähnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit <strong>im</strong> Personalausweis o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Reisepaß nicht mehr<br />
vorzusehen (61.). Ferner wird eine Benachteiligung aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Rasse, <strong><strong>de</strong>r</strong> Hautfarbe, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Volkszugehörigkeit, <strong>de</strong>s Geschlechts, <strong><strong>de</strong>r</strong> sexuellen Neigung, <strong><strong>de</strong>r</strong> Sp<strong>ra</strong>che, <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> politischen Überzeugung für inakzeptabel gehalten (78.). Während ein umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schutz von Homosexuellen <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Arbeits-, St<strong>ra</strong>f-, Zivil-, Vert<strong>ra</strong>gs- und<br />
Wirtschafts- bzw. Sozialrechts gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t wird (84.), fällt auf, daß ein Lebensrecht <strong>de</strong>s<br />
ungeborenen Kin<strong>de</strong>s in <strong>de</strong>m umfangreichen Menschenrechtskatalog, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e in <strong>de</strong>n<br />
Kapiteln über die Rechte <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s (93. – 98.) und das Recht auf Leben (7. – 16.), nicht<br />
enthalten ist.<br />
- Entschließung zu <strong>de</strong>n Verletzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit in <strong><strong>de</strong>r</strong> Türkei, ABl. 1996,<br />
Nr. C 347, S. 162:<br />
Aus aktuellem Anlaß wird die Bombenexplosion auf die Kathed<strong>ra</strong>le St. Georg in Istanbul<br />
durch die rechtsextremistische Organisation IBDAC verurteilt (A.). Ebenso wird kritisiert,<br />
daß nach offizieller Erklärung <strong>de</strong>s Präsidialamtes <strong>de</strong>s Ministerpräsi<strong>de</strong>nten <strong><strong>de</strong>r</strong> türkischen<br />
Regierung die Hagia Sophia in eine Moschee umgewan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n sollte (C.). Als Bezug<br />
zum Gemeinschaftsrecht wird hier das „Bewußtsein <strong><strong>de</strong>r</strong> gegenseitigen Verpflichtungen, die<br />
aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Zollunion zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> EU und <strong><strong>de</strong>r</strong> türkischen Republik erwachsen“, erwähnt (J.).<br />
- Entschließung zur Sonntagsarbeit, ABl. 1997, Nr. C 20, S. 140:<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen unten K.V.2.a).<br />
- Entschließung zu Rassismus, Frem<strong>de</strong>nfeindlichkeit und Antisemitismus, ABl. 1997,<br />
Nr. C 55, S. 17:
4. Ergebnis<br />
Zusammenfassend lassen sich die das <strong>Religionsrecht</strong> betreffen<strong>de</strong>n Sekundärrechtsakte in vier<br />
Kategorien einteilen: Zunächst gibt es Sekundärrechtsakte, die ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus<br />
Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion enthalten, 367 weiter solche, die für religionsrechtliche Materien ein<br />
Son<strong><strong>de</strong>r</strong>recht begrün<strong>de</strong>n. 368 Der dritten Kategorie sind Rechtsakte zuzuordnen, die ein<br />
Teilhaberecht an öffentlichen Einrichtungen begrün<strong>de</strong>n. 369 Viertens gibt es<br />
Sekundärrechtsakte, die nicht pr<strong>im</strong>är die Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Blick<br />
haben, jedoch mittelbare Auswirkungen auf diese besitzen, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e dort, wo Kirchen<br />
und Religionsgemeinschaften wie an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Unternehmen am Wirtschaftsleben teilnehmen. 370<br />
II. Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH zum <strong>Religionsrecht</strong><br />
Ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> die oftmals apodiktische Kürze <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidungen <strong>de</strong>s EuGH führt zum<br />
grundsätzlichen Problem, aus diesen neue Begrifflichkeiten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Leitlinien herzuleiten. Da<br />
aber <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in aller Regel <strong>de</strong>n Ausführungen <strong>im</strong> Schlußant<strong>ra</strong>g <strong>de</strong>s jeweiligen Gene<strong>ra</strong>lanwalts<br />
(GA) folgt, kann es hilfreich sein, diese beizuziehen. Aus diesem Grun<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n die<br />
nachfolgen<strong>de</strong>n Entscheidungen <strong>de</strong>s EuGH wie folgt besprochen: Zuerst wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Sachverhalt<br />
geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Sodann wird auf die Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH eingegangen. Sofern die Schlußanträge<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gene<strong>ra</strong>lanwälte über die Ausführungen <strong>de</strong>s EuGH hinaus religionsrechtlich<br />
be<strong>de</strong>utsame Aspekte enthalten sollten, wird dies <strong>im</strong> Einzelfall hervorgehoben. Abschließend<br />
soll die Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH <strong>im</strong> Hinblick auf <strong>de</strong>ssen religionsrechtliche Aspekte<br />
gewürdigt wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Entschließung stützt sich auf Art. 14 <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK, wonach Rechte und Freiheiten ohne<br />
Unterschied <strong>de</strong>s Geschlechts, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rasse, Hautfarbe, Sp<strong>ra</strong>che, Religion, politischen und<br />
sonstigen Anschauungen [...] gewährleistet wer<strong>de</strong>n, sowie auf Art. 19 IPbpR und Art. 6<br />
(ex-Art. F) Abs. 2 EUV. <strong>Das</strong> EP begrüßt darin <strong>de</strong>n vom Rat für allgemeine<br />
Angelegenheiten am 6.12.1996 einst<strong>im</strong>mig gefaßten Beschluß, die Beobachtungsstelle für<br />
Rassismus und Frem<strong>de</strong>nfeindlichkeit (RAXEN) so <strong>ra</strong>sch wie möglich zu errichten (23.).<br />
367<br />
Hier ist Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts ebenso zu nennen, wie die Entschließungen <strong>de</strong>s<br />
EP über Rassismus und Frem<strong>de</strong>nfeindlichkeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> über die Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte.<br />
368<br />
Vgl. z.B. C.I.3.e); C.I.3.i); C.I.3.k); C.I.3.l).<br />
369<br />
Vgl. Religionsunterricht als or<strong>de</strong>ntliches Lehrfach an <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Schulen;<br />
Sen<strong>de</strong>zeiten i.R.d. Fernsehrichtlinie.<br />
370<br />
Z.B. Arbeitszeitrichtlinie, Datenschutzrichtlinie; Gleichbehandlungsrichtlinie; öffentliches<br />
Auft<strong>ra</strong>gswesen.<br />
89
90<br />
Neben <strong>de</strong>n nachstehend besprochenen Urteilen hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine größere Anzahl von<br />
Entscheidungen gefällt, die zwar nicht speziell das <strong>Religionsrecht</strong> betreffen, es jedoch<br />
mittelbar nicht weniger g<strong>ra</strong>vierend beeinflussen. Es seien nur die allgemeineren Entscheidungen<br />
zur Grundrechtsrechtsprechung 371 , zum öffentlichen Auft<strong>ra</strong>gswesen 372 o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
hinsichtlich <strong>de</strong>s Verbots <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntagsarbeit 373 bzw. <strong>de</strong>s Verkaufsverbots an Sonntagen 374<br />
erwähnt, die innerhalb <strong>de</strong>s entsprechen<strong>de</strong>n Sachgebiets behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />
1. Rs. 130/75 (Vivien P<strong>ra</strong>is/Rat)<br />
375<br />
a) Sachverhalt<br />
Eine Jüdin britischer Staatsangehörigkeit, die sich in einem allgemeinen Auswahlverfahren<br />
um eine Stelle als Übersetzerin be<strong>im</strong> Rat <strong><strong>de</strong>r</strong> EG beworben hatte, klagt vor <strong>de</strong>m EuGH 376<br />
auf<br />
Aufhebung einer Entscheidung <strong>de</strong>s Rates, <strong><strong>de</strong>r</strong> ihren Ant<strong>ra</strong>g abgelehnt hatte, für sie einen<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Tag zur Ablegung <strong><strong>de</strong>r</strong> schriftlichen Prüfungen anzube<strong>ra</strong>umen, obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Tag <strong>de</strong>s<br />
Auswahlverfahrens auf einen hohen jüdischen Feiertag gelegt wur<strong>de</strong>, an <strong>de</strong>m jüdischen<br />
Gläubigen das Reisen und Schreiben untersagt sei. Aufgrund dieser Kollision beant<strong>ra</strong>gte die<br />
Klägerin, die Prüfung an einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Tag ablegen zu können, was ihr mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung<br />
verweigert wur<strong>de</strong>, daß alle Bewerber die gleichen Prüfungen am gleichen Tag abzulegen<br />
hätten. Die Klägerin stützt ihre Klage zum einen auf Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts, <strong>de</strong>m<br />
zufolge die Beamten ohne Rücksicht auf Rasse, Glauben o<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschlecht ausgewählt wer<strong>de</strong>n.<br />
371<br />
So z.B. Gutachten 2/94 (EMRK), Slg. 1996, S. I-1759 ff., 1783 ff. = EuGRZ 1996,<br />
S. 197 ff., 199 = EuR 1996, S. 302 ff., s.u. E.I.5.a).<br />
372<br />
EuGH, Rs. C-44/96 (Mannesmann Anlagenbau Austria AG u.a./Stohal Rotationsdruck<br />
GmbH, Slg. 1998, S. I-73 ff. = NJW 1998, S. 3261 ff. = EuZW 1998, S. 120 ff.;<br />
Rs. C-360/96 (Gemeente Arnhem u. Gemeente Rhe<strong>de</strong>n/BFI Holding BV, Urteil vom<br />
10.11.1998, EuZW 1999, S. 16 ff.; Rs. C-353/96 (Kommission/Irland), Urteil vom<br />
17.12.1998; nähere Ausführungen s.u. J.VI.<br />
373<br />
EuGH, Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich/Rat), Slg. 1996, S. I-5755 ff., vgl. unten<br />
K.V.2.a).<br />
374<br />
EuGH, Rs. C-145/88 (Torfaen Borough Council/B & Q plc), Slg. 1989, S. I-3851 ff.;<br />
Rs. C-169/91 (Council of the City of Stoke-on-Trent u. Norwich City Council/B & Q plc),<br />
Slg. 1991, S. I-6635 ff. = DVBl. 1995, S. 33; Slg. 1996, S. I-5755 ff., vgl. unten K.V.2.b).<br />
375<br />
EuGH, Slg. 1976, S. 1589 ff. = DÖV 1977, S. 408 f.; vgl. hierzu Pernice, Fn. 17, S. 777 ff.<br />
sowie Rengeling, Anmerkung zum Urteil vom 27.10.1976, Rs. 130/75 (Vivien P<strong>ra</strong>is/Rat),<br />
DÖV 1997, S. 409 f.<br />
376<br />
Erst durch Beschluß <strong>de</strong>s Rates vom 24.10.1988 – ABl. 1988 Nr. L 319, S. 1 ff. – wur<strong>de</strong> die<br />
Zuständigkeit für Beamtenstreitigkeiten gemäß Art. 225 (ex-Art. 168a) EGV auf das EuG<br />
übert<strong>ra</strong>gen.
Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en untersage das Gemeinschaftsrecht je<strong>de</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religion. Außer<strong>de</strong>m beruft sich die Klägerin auf Art. 9 Abs. 2 EMRK, <strong><strong>de</strong>r</strong> zur Anwendung<br />
gelange, da alle Mitgliedstaaten die EMRK <strong>ra</strong>tifiziert hätten.<br />
b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH<br />
In seinem Urteil vom 27. Oktober 1976 betont <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, daß es <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichheitssatz zur<br />
Ermöglichung eines Vergleiches gebiete, das Auswahlverfahren für alle Bewerber unter <strong>de</strong>n<br />
gleichen Bedingungen durchzuführen; aus diesem Grun<strong>de</strong> müßten die schriftlichen Prüfungen<br />
für alle Teilnehmer am selben Tag stattfin<strong>de</strong>n. Die ausschreiben<strong>de</strong> Behör<strong>de</strong> sei jedoch<br />
gehalten, Prüfungen nicht auf einen Tag zu legen, an <strong>de</strong>m ein Bewerber aufgrund religiöser<br />
Gebote gehin<strong><strong>de</strong>r</strong>t sei, hie<strong>ra</strong>n teilzunehmen. Dies gelte allerdings nur, sofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewerber die<br />
Behör<strong>de</strong> rechtzeitig, d.h. noch vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Terminierung, von seiner Verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung in Kenntnis<br />
setze. Diese könne einen Konflikt mit einer religiösen For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung schließlich nur vermei<strong>de</strong>n,<br />
wenn sie von <strong><strong>de</strong>r</strong>en Existenz unterrichtet wor<strong>de</strong>n sei, wo<strong>ra</strong>n es <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Fall gefehlt<br />
habe. Der Gerichtshof hält es allerdings für „wünschenswert“, wenn die Anstellungsbehör<strong>de</strong><br />
sich eigenständig <strong>im</strong> vo<strong>ra</strong>us darüber informiert, ob gewisse Daten aus religiösen Grün<strong>de</strong>n<br />
nicht genehm sind.<br />
c) Schlußanträge <strong>de</strong>s Gene<strong>ra</strong>lanwalts<br />
<strong>Das</strong> Urteil <strong>de</strong>s Gerichtshofs st<strong>im</strong>mt <strong>im</strong> Ergebnis mit <strong>de</strong>n wesentlich ausführlicheren<br />
Schlußanträgen <strong>de</strong>s GA Jean-Pierre Warner überein. Dieser stellt die Chancengleichheit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bewerber aller Religionen be<strong>im</strong> Eintritt in <strong>de</strong>n Dienst <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaften he<strong>ra</strong>us. Außer<strong>de</strong>m<br />
untern<strong>im</strong>mt er lobenswerte rechtsvergleichen<strong>de</strong> Studien zur P<strong>ra</strong>xis <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten <strong>im</strong><br />
Hinblick auf Prüfungen, die auf religiöse Feiertage fallen. Im Ergebnis gelangt GA Warner zu<br />
<strong>de</strong>m Ergebnis, daß sowohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit als auch <strong>de</strong>m Gleichheitssatz durch<br />
Festlegung eines geeigneten Prüfungstermins Rechnung zu t<strong>ra</strong>gen sei, wobei es – angesichts<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> zahlreichen verschie<strong>de</strong>nartigen Religionen und religiösen Sekten innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft – Sache <strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Stellen sei, die Gemeinschaftsorgane über diese Tage in<br />
Kenntnis zu setzen.<br />
d) Würdigung<br />
Durch das Urteil bet<strong>ra</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, <strong><strong>de</strong>r</strong> bis zur Rs. P<strong>ra</strong>is fast ausschließlich die Existenz<br />
wirtschaftlicher Freiheitsrechte auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrecht festgestellt hatte,<br />
„juristisches Neuland“. 377<br />
Zwar han<strong>de</strong>lte es sich vorliegend um eine beamtenrechtliche und<br />
damit gemeinschaftsinterne Angelegenheit, jedoch wer<strong>de</strong>n über Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s<br />
377<br />
So Pernice, Fn. 17, S. 778.<br />
91
92<br />
Beamtenstatuts hinaus Diskr<strong>im</strong>inierungen aus religiösen Grün<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />
generell untersagt. 378<br />
aa) Abwägung von Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts mit <strong>de</strong>m Gleichheitsgrundsatz<br />
Der Gerichtshof macht bemerkenswerterweise nicht Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>n Gleichheitsgrundsatz zum Ausgangspunkt seiner Erwägungen, d.h. er geht pr<strong>im</strong>är<br />
von einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gemeinschaftsgrundrecht als <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit aus. 379 Die<br />
nachfolgen<strong>de</strong>n Ausführungen <strong>de</strong>s EuGH machen jedoch <strong>de</strong>utlich, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gleichheitsgrundsatz nicht isoliert Gegenstand seiner Untersuchungen ist, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n daß zu<br />
diesem die Religionsfreiheit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge hinzutritt, daß bei<strong>de</strong> Grundrechte <strong>im</strong> Wege einer<br />
p<strong>ra</strong>ktischen Konkordanz miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> in Einklang geb<strong>ra</strong>cht wer<strong>de</strong>n müssen; die<br />
Berücksichtigung nur <strong>de</strong>s Gleichheitssatzes wür<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit nicht gerecht. 380 Zu<br />
Recht wird als I<strong>de</strong>allösung die Wahrung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte angesehen, die dann realisiert<br />
wäre, wenn alle Teilnehmer die Prüfung am selben Tag absolvieren könnten, weil dieser nicht<br />
auf einen religiösen Feiertag fällt. 381<br />
Daß <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Fall die Religionsfreiheit hinter <strong>de</strong>n<br />
Gleichheitsgrundsatz zurücktritt, hängt damit zusammen, daß die in ihrer Religionsfreiheit<br />
betroffene Person nicht das ihr Mögliche unternommen hat, um einen Konflikt bei<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Grundrechte durch rechtzeitige Information <strong><strong>de</strong>r</strong> ausschreiben<strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong> zu vermei<strong>de</strong>n. Daß<br />
die Gemeinschaft selbst keine Kenntnis von <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewerberin hatte,<br />
hängt damit zusammen, daß diese we<strong><strong>de</strong>r</strong> als Einstellungskriterium maßgeblich sein, noch<br />
später in irgen<strong>de</strong>iner Form in <strong><strong>de</strong>r</strong> Personalakte auftauchen darf, vgl. Art. 26 Abs. 4 <strong>de</strong>s<br />
Beamtenstatuts.<br />
378<br />
So auch Hollerbach, Fn. 17, S. 264; Schwarze, Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Person <strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Gemeinschaftsrecht, NJ 1994, S. 53 ff., 55; vgl. insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Pernice, Grundrechtsgehalte<br />
<strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrecht – Ein Beit<strong>ra</strong>g zum gemeinschafts<strong>im</strong>manenten<br />
Grundrechtsschutz durch <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gerichtshof, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1979, S. 229: „Auch<br />
und ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> wenn best<strong>im</strong>mte Grundwerte, wie etwa die Meinungsfreiheit o<strong><strong>de</strong>r</strong> die<br />
Religionsfreiheit <strong>im</strong> positiven Gemeinschaftsrecht nicht aktualisiert sind, heißt das nur, daß<br />
ihre Verwirklichung und För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen nicht speziell „aufgegeben“<br />
ist, entbin<strong>de</strong>t diese jedoch nicht von ihrer Beachtung“.<br />
379<br />
Dies scheint Robbers, Fn. 181, S. 84, zu befrem<strong>de</strong>n.<br />
380<br />
So auch Pernice, Fn. 378, S. 205.<br />
381<br />
Auch <strong>im</strong> nationalen Recht ist anerkannt, daß für Angehörige <strong>de</strong>s jüdischen Glaubens keine<br />
Ladung zu einem Gerichtstermin am jüdischen Neujahrsfest erfolgen darf; <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat hat<br />
insoweit Rücksicht auf religiöse Sitten und Gebote zu nehmen; vgl. z.B. OLG Köln,<br />
NJW 1993, S. 1345.
Die Entscheidung macht <strong>de</strong>utlich, daß sich <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Grundrechts <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsfreiheit <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht sehr wohl bewußt ist und Belange <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsgemeinschaften grundsätzlich berücksichtigt.<br />
bb) Allgemeine Rechtsgrundsätze<br />
Obwohl die Berufung auf ungeschriebenes Gemeinschaftsrecht neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufung auf<br />
Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts und Art. 9 <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK eines <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptargumente ist, auf<br />
welches die Klägerin die Verletzung ihrer Rechte stützte, n<strong>im</strong>mt <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH hierzu keine<br />
Stellung. Zwar gehörte die Entwicklung von Gemeinschaftsgrundrechten i.R.d. allgemeinen<br />
Rechtsgrundsätze durch rechtsvergleichen<strong>de</strong> Wertung <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen<br />
Rechtsvorschriften <strong>im</strong> Zeitpunkt <strong>de</strong>s Urteilsspruchs längst zu <strong>de</strong>n Rechtsfindungsprinzipien<br />
<strong>de</strong>s Gerichtshofs, 382 trotz<strong>de</strong>m hielt er <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>n Rückgriff auf die allgemeinen<br />
Rechtsgrundsätze schon <strong>de</strong>shalb für entbehrlich, weil Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts eine<br />
Diskr<strong>im</strong>inierung aus religiösen Grün<strong>de</strong>n untersagt. 383<br />
(1) Art. 9 EMRK<br />
Die Religionsfreiheit, wie sie durch Art. 9 EMRK gewährleistet wird, hätte die Verpflichtung<br />
zur Berücksichtigung religiöser Belange allgemeiner, d.h. nicht nur für <strong>de</strong>n von Art. 27 Abs. 2<br />
<strong>de</strong>s Beamtenstatuts umfaßten Personenkreis, ausgedrückt.<br />
(2) Art. 25 lit. c IPbpR<br />
Die Vorschrift <strong>de</strong>s IPbpR, welche explizit <strong>de</strong>n gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern<br />
erwähnt, ist zwar gelten<strong>de</strong>s Völkerrecht; als solches gilt sie jedoch nicht automatisch für die<br />
EG. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV kann schon <strong>de</strong>shalb nicht zur Anwendung gelangen, da das<br />
erst am 19. Dezember 1996 abgeschlossene völkerrechtliche Abkommen kein Altvert<strong>ra</strong>g i.S.d.<br />
Art. 307 (ex-Art. 234) EGV sein kann. Allenfalls wäre eine Berücksichtigung i.R.d.<br />
allgemeinen Rechtsgrundsätze möglich gewesen. 384<br />
(3) ErklMR<br />
382 Vgl. EuGH, Rs. 29/69 (Stau<strong><strong>de</strong>r</strong>/Stadt Ulm, Sozialamt), Slg. 1969, S. 419 ff., 425; Rs. 11/70<br />
(Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr- und Vor<strong>ra</strong>tsstelle für Getrei<strong>de</strong> und<br />
Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff., 1135; Rs. 4/73 (Nold/Kommission), Slg. 1974,<br />
S. 491 ff., 507 f.; Rs. 36/75 (Rutili/Kommission), Slg. 1975, S. 1219 ff., 1231 f. Im übrigen<br />
s. Ausführungen unten E.I.2.<br />
383 Zu diesem Ergebnis gelangt auch Rengeling, Fn. 375, S. 409.<br />
384 Vgl. hierzu die Ausführungen unten Fn. 719.<br />
93
94<br />
Obwohl es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Allgemeinen Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte vom 10. Dezember 1948<br />
theoretisch um einen Altvert<strong>ra</strong>g i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV han<strong>de</strong>ln könnte, scheitert<br />
die Anwendung dieser Vorschrift – abgesehen von ihrer Berücksichtigung i.R.d. allgemeinen<br />
Rechtsgrundsätze – schon an <strong>de</strong>ssen mangeln<strong><strong>de</strong>r</strong> völkerrechtlicher Verbindlichkeit.<br />
2. Rs. 41/74 (Yvonne van Duyn/Home Office) – „Scientology“ 385<br />
a) Sachverhalt<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache van Duyn mußte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH zur Rechtmäßigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Versagung einer<br />
Einreiseerlaubnis Stellung nehmen, durch welche das Home Office einer nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen<br />
Staatsangehörigen aus Grün<strong>de</strong>n ihrer Beschäftigung bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Church of Scientology <strong>de</strong>n Zutritt<br />
in das Vereinigte Königreich verwehren wollte, da die britische Regierung P<strong>ra</strong>ktiken dieser<br />
Organisation als gesellschaftsschädlich einstufte.<br />
b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH<br />
Die Entscheidung hat nicht etwa <strong>de</strong>swegen Bekanntheit erlangt, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH hier eine<br />
p<strong>ra</strong>ktikable Abgrenzung zwischen Religionsgemeinschaften einerseits und gewerblichen<br />
Unternehmen an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits geschaffen hätte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr <strong>de</strong>shalb, weil er in diesem<br />
Urteil die unmittelbare Geltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeitsrechte nach Ablauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Übergangsfrist<br />
bejahte und <strong>de</strong>n Vorbehalt aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit<br />
<strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 3 EGV einschränkend dahingehend auslegte, daß bei Maßnahmen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten einer<br />
Einzelperson ausschlaggebend sein dürfe. Als solch persönliches Verhalten reiche eine<br />
bestehen<strong>de</strong> – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als eine frühere – Mitgliedschaft in einer Vereinigung aus, weil hierdurch<br />
eine I<strong>de</strong>ntifizierung mit <strong><strong>de</strong>r</strong>en Zielen und Absichten als freiwilliges Tun erkennbar sei. 386<br />
c) Würdigung<br />
Der Gerichtshof hat allerdings durch ein späteres Urteil in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Adoui u. Cornuaille<br />
entschie<strong>de</strong>n, daß ein <strong>im</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zur öffentlichen Ordnung stehen<strong>de</strong>s Verhalten nicht als<br />
hinreichend schwerwiegend bet<strong>ra</strong>chtet wer<strong>de</strong>n kann, um eine Einreise- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Aufenthaltsbeschränkung<br />
eines <strong>Union</strong>sbürgers eines an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaats zu rechtfertigen, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
betroffene Mitgliedstaat bei gleichem Verhalten eigener Staatsangehöriger keine Zwangsmaß-<br />
385 EuGH, Slg. 1974, S. 1337 ff.<br />
386 EuGH, Rs. 41/74, Fn. 385, S. 1350, Rz. 17.
nahmen ergreift. 387 Im Gegensatz zur Entscheidung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Van Duyn, in <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH ein als<br />
gesellschaftsschädlich angesehenes, jedoch nicht verbotenes Verhalten – die Betätigung i.R.d.<br />
Church of Scientology – als Rechtfertigung für die Einreiseverweigerung ausreichen ließ,<br />
wäre eine solche Verweigerung nach <strong><strong>de</strong>r</strong> neueren Rechtsprechung <strong>de</strong>s Gerichtshofs nur noch<br />
dann zulässig, soweit eine Handlung auch <strong>im</strong> betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat ein verbotenes<br />
Verhalten darstellte, welches staatliche Zwangsmaßnahmen (z.B. Bußgeld, Geldst<strong>ra</strong>fe) nach<br />
sich zöge. 388<br />
3. Rs. 300/84 (A.J.M. van Roosmalen/Bestuur van <strong>de</strong> Bedrijfsvereniging voor <strong>de</strong><br />
Gezondheid) – „Priester-Missionar“ 389<br />
a) Sachverhalt<br />
Ein römisch-katholischer Priester nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischer Staatsangehörigkeit hatte sich in einem<br />
belgischen Kloster seines Or<strong>de</strong>ns nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelassen und in das dortige Einwohnermel<strong><strong>de</strong>r</strong>egister<br />
eint<strong>ra</strong>gen lassen. Von dort aus wur<strong>de</strong> er 1955 als Missionar nach Belgisch-Kongo, seit 1960<br />
Zaïre, ausgesandt, wobei ihm finanzielle Unterstützung durch Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> seiner<br />
nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen Herkunftsgemein<strong>de</strong> zuteil wur<strong>de</strong>. Während eines He<strong>im</strong>aturlaubs in seiner<br />
Herkunftsgemein<strong>de</strong> t<strong>ra</strong>t er einer freiwilligen nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen Invaliditätsversorgung bei.<br />
Nach<strong>de</strong>m er sich tatsächlich eine zur Invalidität führen<strong>de</strong> K<strong>ra</strong>nkheit zugezogen hatte und in<br />
seine He<strong>im</strong>atgemein<strong>de</strong> zurückgekehrt war, erb<strong>ra</strong>chte die Versicherung zunächst<br />
Versorgungsleistungen. Nach<strong>de</strong>m er sich dann jedoch endgültig in <strong>de</strong>m belgischen Kloster<br />
nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ließ, stellte die Versicherung Zahlungen ein und begrün<strong>de</strong>te ihr Vorgehen mit einer<br />
nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen Vorschrift, nach welcher ein ununterbrochener Aufenthalt <strong>im</strong> Inland für <strong>de</strong>n<br />
Leistungsanspruch Vo<strong>ra</strong>ussetzung sei.<br />
b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH<br />
Der <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahrens angerufene EuGH vert<strong>ra</strong>t die Auffassung,<br />
daß Priester als „Selbständige“ i.S.d. Art. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO (EWG) Nr. 1408/71 390<br />
angesehen wer<strong>de</strong>n<br />
387<br />
EuGH, Verb. Rs. 115 u. 116/81 (Adoui u. Cornuaille/Belgischer Staat), Slg. 1982,<br />
S. 1665 ff., Rz. 8.<br />
388<br />
So auch v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Wölker, Bd. 1, Art. 48, Rdnr. 96.<br />
389<br />
EuGH, Slg. 1986, S. 3097 ff.<br />
390<br />
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Systeme <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en Familienangehörige,<br />
95
96<br />
müßten. 391 Außer<strong>de</strong>m sei ein Versicherter, <strong><strong>de</strong>r</strong> in einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaat wohne,<br />
<strong>de</strong>njenigen Versicherten gleichzustellen, die in <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat wohnten. 392<br />
Die Koppelung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze führte dazu, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Priester einen Anspruch gegen <strong>de</strong>n<br />
Versicherer erhielt und sozial abgesichert war.<br />
c) Würdigung<br />
Von verschie<strong>de</strong>ner Seite wird jedoch kritisiert, daß die Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH – auch wenn<br />
sie zu einem sachgerechten Ergebnis führe – kirchlichen Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten nicht gerecht wer<strong>de</strong>,<br />
da <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof es versäumt habe, argumentativ ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />
und Religionsgemeinschaften einzubringen bzw. für diese angemessene rechtliche Strukturen<br />
und Begriffe bereitzustellen. 393<br />
Im vorliegen<strong>de</strong>n Fall mußte <strong>de</strong>m „Priester-Missionar“ aber <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Status entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> eines „Selbständigen“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> eines „Arbeitnehmers“ zuerkannt wer<strong>de</strong>n;<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>nfalls hätte ihm keine Invaliditätsrente aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> VO (EWG) 1408/71 gewährt<br />
wer<strong>de</strong>n können. Die bloße Erwähnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit als Freiheitsrecht bzw.<br />
Anerkennung eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften hätte für sich<br />
genommen noch keinen Leistungsanspruch für diesen begrün<strong>de</strong>t. Aus diesem Grun<strong>de</strong> wäre es<br />
für das Ergebnis <strong>im</strong> konkreten Fall für <strong>de</strong>n Priester wenig hilfreich gewesen, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH<br />
die beispielsweise <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht anerkannten Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regeln für in einer<br />
Dienstgemeinschaft tätige Personen he<strong>ra</strong>ngezogen hätte – abgesehen davon legt <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH<br />
gemäß Art. 220 (ex-Art. 164) EGV <strong>im</strong>mer nur Gemeinschaftsrecht aus und wen<strong>de</strong>t dies an.<br />
Als generelles Problem stellt es sich jedoch dar, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, <strong><strong>de</strong>r</strong> als Gerichtshof einer<br />
ehemals reinen Wirtschaftsgemeinschaft zur Schaffung <strong>de</strong>s Binnenmarkts Wesentliches<br />
beiget<strong>ra</strong>gen hat, die marktbezogenen Definitionen und Begriffe sachgerecht auf<br />
religionsrechtliche Materien anwen<strong>de</strong>n soll.<br />
die innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zu- und abwan<strong><strong>de</strong>r</strong>n („Wan<strong><strong>de</strong>r</strong>arbeitnehmer-VO“),<br />
ABl. 1971 Nr. L 149, S. 2 ff., abgedruckt unter Sartorius II, Nr. 185.<br />
391 EuGH, Rs. 300/84, Fn. 389, S. 3124, Rz. 23: „Folglich ist zu antworten, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff<br />
„Selbständige“ <strong>im</strong> Sinne von Artikel 1 Buchstabe a Ziffer iv <strong><strong>de</strong>r</strong> Verordnung Nr. 1408/71 in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> durch die Verordnung Nr. 1390/81 geän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Fassung für Personen gilt, die außerhalb<br />
eines Arbeitsvert<strong>ra</strong>gs o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausübung eines freien Berufs o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s selbständigen<br />
Betriebs eines Unternehmens eine Berufstätigkeit ausüben o<strong><strong>de</strong>r</strong> ausgeübt haben, in <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Rahmen sie Leistungen erhalten, die es ihnen ermöglichen, ganz o<strong><strong>de</strong>r</strong> teilweise ihren<br />
Lebensunterhalt zu bestreiten, auch wenn diese Leistungen von Dritten erb<strong>ra</strong>cht wer<strong>de</strong>n, zu<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gunsten ein Priester-Missionar tätig wird.“<br />
392 EuGH, Rs. 300/84, Fn. 389, S. 3127, Rz. 37.<br />
393 Kalb, Staatskirchenrecht – Europäische <strong>Union</strong> – Österreich – Einige Reflexionen, ÖAKR<br />
(44) 1995 – 97, S. 88 ff., 92; Robbers, Fn. 27, S. 150; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 103, S. 623.
In diesen bisherigen Kategorien gedacht, muß ein „Priester-Missionar“ – soll ihm überhaupt<br />
ein schutzwürdiger Status zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n – zwangsläufig entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> weisungsgebun<strong>de</strong>ner<br />
Arbeitnehmer sein, für <strong>de</strong>n die Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV zur Anwendung gelangen, o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
aber als selbständiger Unternehmer gelten, für <strong>de</strong>n die Art. 43 ff. (ex-Art. 52 ff.) EGV<br />
maßgeblich sind. Die Ausweitung eines gemeinschaftsrechtlichen Status auf Personen, die<br />
pr<strong>im</strong>ärrechtlich nicht explizit von <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftlichen Rechtsposition erfaßt sind, stellt<br />
sich nicht erstmals <strong>im</strong> ekklesiologischen Bereich. So reihte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH Stu<strong>de</strong>nten in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vergangenheit in die Spezies <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer ein, 394<br />
97<br />
obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Stu<strong>de</strong>ntenstatus sich in<br />
einigen Merkmalen nicht unwesentlich (z.B. Entfallen <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialversicherungspflicht mangels<br />
eigener Bezüge) von <strong>de</strong>m eines Arbeitnehmers i.e.S. unterschei<strong>de</strong>t.<br />
Dehnt <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH dagegen – in <strong><strong>de</strong>r</strong> ihm eigenen Revokationsscheu – <strong>im</strong> Rahmen einer reinen<br />
Wirtschaftsgemeinschaft geprägte Begrifflichkeiten ohne sorgfältige Differenzierung auf das<br />
<strong>Religionsrecht</strong> aus, so birgt dies das Risiko <strong><strong>de</strong>r</strong> Verkennung seiner speziellen Eigenart in<br />
sich. 395<br />
4. Rs. 196/87 (Udo Steymann/Staatssecretaris van Justitie) – „Bhagwan-Urteil“ 396<br />
a) Sachverhalt<br />
Herr Steymann, <strong>de</strong>utscher Staatsangehöriger und Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> Bhagwan-Vereinigung,<br />
beant<strong>ra</strong>gte in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer unselbständigen<br />
Tätigkeit für die Sekte, da er u.a. Klempne<strong>ra</strong>rbeiten am Gebäu<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigung vornehmen<br />
394 Vgl. EuGH, Rs. 39/86 (Lair/Universität Hannover), Slg. 1988, S. 3161 ff., 3196 f.;<br />
Rs. C-357/88 (Raulin/Minister van On<strong><strong>de</strong>r</strong>wijs en Wetenschapen), Slg. 1992, S. I-1027 ff.,<br />
1061 f.<br />
395 Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD (Hrsg.), <strong>Das</strong> <strong>de</strong>utsche Staatskirchenrecht und die Entwicklung <strong>de</strong>s<br />
<strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrechts – Kirchliche Überlegungen <strong>de</strong>s Rates <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen<br />
Kirche in Deutschland, EuR 1991, S. 375 ff., 377, These 7: „Ein ,egalitärer‘ marktwirtschaftlicher<br />
Ansatz kann jedoch dazu führen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelne und je<strong><strong>de</strong>r</strong> wirtschaften<strong>de</strong><br />
Zusammenschluß von Menschen in erster Linie Marktkräften unterworfen wer<strong>de</strong>n. Damit<br />
wür<strong>de</strong> nicht nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Blick für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Inhalte und menschliche Antriebe verstellt, es wür<strong>de</strong>n<br />
auch notwendige gesellschaftliche und staatliche Zwischenstrukturen außer acht gelassen, in<br />
<strong>de</strong>nen wirtschaftliche und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Zielsetzungen auf menschengerechte Weise zusammengeführt<br />
wer<strong>de</strong>n.“; ebenso Robbers, Fn. 27, S. 150.<br />
396 EuGH, Slg. 1988, S. 6159 ff.
98<br />
wollte. Unabhängig von Art und Umfang seiner – von <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigung jedoch erwarteten –<br />
Mitarbeit sorgte diese für seinen Lebensunterhalt. Die zent<strong>ra</strong>le F<strong>ra</strong>ge war daher, ob die<br />
Tätigkeit von Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n einer Religions- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauungsgemeinschaft als Teil <strong>de</strong>s<br />
Wirtschaftslebens i.S.d. EWG-Vert<strong>ra</strong>gs angesehen wer<strong>de</strong>n konnte, da eine Aufenthaltserlaubnis<br />
für eine wirtschaftliche Betätigung i.R.d. Freizügigkeitsrechte je<strong>de</strong>nfalls zu erteilen<br />
war.<br />
b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH<br />
Der EuGH stellte vo<strong>ra</strong>b fest, daß die Teilnahme an einer auf Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Form<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung beruhen<strong>de</strong>n Vereinigung angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nur<br />
insoweit in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts falle, als sie als Teil <strong>de</strong>s<br />
Wirtschaftslebens i.S.d. Art. 2 (ex-Art. 2) E(W)GV angesehen wer<strong>de</strong>n könne. 397 Da die<br />
Arbeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bhagwan-Vereinigung die wirtschaftliche Unabhängigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vereinigung sicherten, könnten die Leistungen, die diese wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um ihren Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
gewähre, als mittelbare Gegenleistung für <strong><strong>de</strong>r</strong>en Arbeiten angesehen wer<strong>de</strong>n. Die erb<strong>ra</strong>chten<br />
Leistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigung machten daher als entgeltliche Arbeits- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Dienstleistung einen Teil <strong>de</strong>s Wirtschaftslebens aus, soweit sie keinen völlig untergeordneten<br />
Umfang hätten. 398<br />
c) Schlußanträge <strong>de</strong>s Gene<strong>ra</strong>lanwalts<br />
Wie schon in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. van Roosmalen lieferte GA Darmon <strong>de</strong>m Gerichtshof durch die<br />
undifferenzierte Qualifizierung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Rahmen einer Religionsgemeinschaft verrichteten<br />
Tätigkeiten als Teil <strong>de</strong>s Wirtschaftslebens die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Argumentationsgrundlagen und<br />
problematisierte lediglich das Merkmal <strong><strong>de</strong>r</strong> Entgeltlichkeit aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Fall<br />
nicht ein<strong>de</strong>utig erkennbaren Gegenleistung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigung. 399<br />
d) Würdigung<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Steymann hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die entgeltliche Tätigkeit von Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n einer<br />
Religions- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauungsgemeinschaft als Teil <strong>de</strong>s Wirtschaftslebens i.S.d.<br />
Art. 2 (ex-Art. 2) E(W)GV angesehen. Alle Amtsträger und Mitarbeiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften unterfallen daher <strong>de</strong>m Anwendungsbereich <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs, soweit<br />
sie als Gegenleistung für erwiesene Dienste ein Entgelt erhalten und nicht auf ehrenamtlicher<br />
397 EuGH, Rs. 196/87, Fn. 396, S. 6172, Rz. 9.<br />
398 EuGH, Rs. 196/87, Fn. 396, S. 6172, Rz. 10 – 13; Rs. 13/76 (Donà/Mantero), Slg. 1976,<br />
S. 1333 ff.; Rs. 53/81 (Levin/Staatssecretaris van Justitie), Slg. 1982, S. 1035 ff.<br />
399 Schlußanträge GA Darmon, Rs. 196/87, Fn. 396, S. 6166 ff.
Basis mitarbeiten. Allerdings gilt als entgeltliche Tätigkeit schon die Verpflichtung zur<br />
Mitarbeit für „Kost und Logis“; damit unterfällt z.B. auch <strong><strong>de</strong>r</strong> „in einem T<strong>ra</strong>ppistenkloster mit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Wartung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bierfässer bet<strong>ra</strong>ute Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>-Techniker“ <strong>de</strong>m Anwendungsbereich <strong>de</strong>s<br />
Vert<strong>ra</strong>gs. 400 Während die Freizügigkeitsrechte zusätzlich einen Auslandsbezug vo<strong>ra</strong>ussetzen,<br />
401<br />
ist dies i.R.d. Art. 141 (ex-Art. 119) EGV nicht erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich.<br />
Für <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n Fall gelten die Ausführungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. van Roosmalen gleichermaßen,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH habe versäumt, zu einem gemeinschaftsrechtlich bestehen<strong>de</strong>n<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften Stellung zu beziehen. Zwar war dort in<br />
erster Linie Streitgegenstand, ob sich Mitarbeiter religiöser Vereinigungen auf die<br />
Freizügigkeitsrechte berufen können. Muß dies in<strong>de</strong>s bejaht wer<strong>de</strong>n, stellt sich als nächste<br />
F<strong>ra</strong>ge zwangsläufig, inwiefern die Grundfreiheiten auch gegenüber Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften geltend gemacht wer<strong>de</strong>n können.<br />
5. Rs. C-463/93 (Katholische Kirchengemein<strong>de</strong> St. Martinus Elten/Landwirtschaftskammer<br />
Rheinland) 402<br />
a) Sachverhalt<br />
Eine katholische Kirchengemein<strong>de</strong> hatte landwirtschaftliche Grundstücke, die in ihrem<br />
Eigentum stan<strong>de</strong>n und z.T. in Deutschland, z.T. in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n lagen, verpachtet. Dem<br />
Pächter, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Grundstücke zur Milcherzeugung genutzt hatte, war von <strong><strong>de</strong>r</strong> Landwirtschaftskammer<br />
i.R.d. Zugabenregelung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Marktorganisation für Milch und<br />
Milcherzeugnisse eine best<strong>im</strong>mte Referenzmenge auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage seiner Gesamterzeugung<br />
zugeteilt wor<strong>de</strong>n; bei Überschreiten dieser Referenzmenge ist eine zusätzliche Abgabe zu<br />
entrichten. Nach<strong>de</strong>m das Pachtverhältnis nach <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Pächters aufgelöst wor<strong>de</strong>n war,<br />
beant<strong>ra</strong>gte die Kirchengemein<strong>de</strong>, daß ihr dieselbe Referenzmenge wie <strong>de</strong>m bisherigen Pächter<br />
zugeteilt wür<strong>de</strong>.<br />
400<br />
Auffassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission, welcher <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH insoweit folgte, Sitzungsbericht,<br />
Rs. 196/87, Fn. 396, S. 6164.<br />
401<br />
Vgl. z.B. EuGH, Rs. 52/79 (Debauve u.a.) Slg.1980, S. 833 ff., Rz. 9.<br />
402<br />
EuGH, Slg. 1997, S. I-255 ff.<br />
99
100<br />
b) Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH<br />
Der Gerichtshof entschied zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchengemein<strong>de</strong>, daß die Referenzmenge in vollem<br />
Umfange an sie als Verpächterin zurückfalle, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemalige Pächter die<br />
Milcherzeugung nicht fortsetzen wolle.<br />
c) Würdigung<br />
Die vorliegen<strong>de</strong> Rechtssache zeigt, daß Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Rahmen<br />
ihrer erwerbswirtschaftlichen Betätigung gänzlich „normalen“ <strong>Union</strong>sbürgern gleichzustellen<br />
sind. 403<br />
Der EuGH hat in diesem Fall zu Recht kein Wort darüber verloren, daß es sich hier<br />
um Eigentum einer Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft han<strong>de</strong>le. Auch <strong>im</strong> nationalen Recht ist<br />
anerkannt, daß Kirchen und Religionsgemeinschaften, die sich erwerbswirtschaftlich<br />
betätigen, <strong>de</strong>n selben Rechtsregeln unterworfen sind, wie sonstige Teilnehmer am Wirtschaftsleben.<br />
In diesem Fall gelangen die Son<strong><strong>de</strong>r</strong>vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinnützigkeit nicht zur<br />
Anwendung.<br />
6. Ergebnis<br />
Auch die i.R.d. Kirchen und Religionsgemeinschaften erb<strong>ra</strong>chten entgeltlichen Arbeits- und<br />
Dienstleistungen fallen nach Ansicht <strong>de</strong>s EuGH in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs. Der<br />
Gerichtshof, <strong>de</strong>ssen Urteile auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s überwiegend als materiell<br />
gerecht bezeichnet wer<strong>de</strong>n müssen, hat es bislang allerdings versäumt, zu einem<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften auf Gemeinschaftsebene Stellung zu<br />
beziehen bzw. dieses <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache nach anzuerkennen.<br />
403 Die Zuteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Referenzmenge für Milch für einen klösterlichen Betrieb war auch<br />
Gegenstand von EuGH, Rs. C-285/93 (Dominikanerinnen-Kloster Altenhohenau/<br />
Hauptzollamt Rosenhe<strong>im</strong>), Slg. 1995, S. I-4069 ff. Hier entschied <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, daß die<br />
Abgabe von Milch an die Schüler und He<strong>im</strong>insassen einer katholischen Internatsschule<br />
durch <strong>de</strong>n landwirtschaftlichen Klosterbetrieb durch die Entrichtung <strong>de</strong>s Pensionsentgeltes<br />
als mittelbare Zahlung <strong>de</strong>s Milchpreises anzusehen und daher als Direktverkauf i.S.d.<br />
Art. 12 lit. h <strong><strong>de</strong>r</strong> VO (EWG) Nr. 857/84 <strong>de</strong>s Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für<br />
die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Abgabe gemäß Art. 5c <strong><strong>de</strong>r</strong> VO (EWG) Nr. 804/68 <strong>im</strong> Sektor Milch und<br />
Milcherzeugnisse zu qualifizieren sei, soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> klösterliche Betrieb, die Schule und das<br />
He<strong>im</strong> unter <strong><strong>de</strong>r</strong>selben Trägerschaft stün<strong>de</strong>n.
III. Zulässigkeit und Sch<strong>ra</strong>nken <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tionsermächtigung (am Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland)<br />
1. Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Allzuständigkeit<br />
101<br />
Die obigen Ausführungen zum gemeinschaftlichen Sekundärrecht sowie zur Rechtsprechung<br />
<strong>de</strong>s EuGH haben <strong>de</strong>utlich wer<strong>de</strong>n lassen, daß die Gemeinschaftsorgane inzwischen<br />
religionsrechtliche Belange nicht nur in Randbereichen regeln. Diese fortschreiten<strong>de</strong><br />
Regelungsdichte auf Gemeinschaftsebene ruft vermehrt Kollisionen mit <strong>de</strong>n bisher<br />
bestehen<strong>de</strong>n religionsrechtlichen Regelungen in <strong>de</strong>n einzelnen Mitgliedstaaten hervor.<br />
In diesem Zusammenhang erscheint es notwendig, sich vor Augen zu führen, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> EU ursprünglich die volle Selbstregierung in allen für das Gemeinwesen<br />
relevanten Bereichen – und damit auch für das gesamte <strong>Religionsrecht</strong> – ausübte. Ge<strong>ra</strong><strong>de</strong><br />
unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Allzuständigkeit unterschei<strong>de</strong>n sich Staaten von internationalen<br />
Organisationen: Letztere üben nur in Teilbereichen <strong>de</strong>s Gemeinwesens volle Selbstregierung<br />
aus. Die EU ist als internationale Organisation ebenfalls nicht befugt, alle für das<br />
Zusammenleben erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichen Belange zu regeln. Die Ziele <strong>de</strong>s Art. 2 (ex-Art. B) EUV<br />
umfassen nicht alle staatlichen Belange. Mit Recht wird die EU vom BVerfG daher als bloßer<br />
europäischer „Staatenverbund“ 404<br />
bezeichnet.<br />
Allerdings liegt <strong><strong>de</strong>r</strong> EU das Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s Funktionalismus zugrun<strong>de</strong>. Dies be<strong>de</strong>utet, daß die<br />
politische Einigung – <strong>im</strong> Gegensatz zum fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alistischen Mo<strong>de</strong>ll – nicht am Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Einigungsbestrebungen <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Völker steht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilinteg<strong>ra</strong>tion einer<br />
Vielzahl von Politikbereichen (z.B. Landwirtschaftspolitik, Kulturpolitik, Gesundheitspolitik,<br />
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik) sein soll. 405<br />
404 BVerfGE 89, S. 155 ff., 181. Diesen Begriff prägte <strong><strong>de</strong>r</strong> Berichterstatter <strong>de</strong>s Maastricht-<br />
Urteils Paul Kirchhof schon <strong>im</strong> Jahre 1991, vgl. oben Fn. 282. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Begriff häufig aufgegriffen und ausgelegt, z.B. von Peter M. Huber, Fn. 287, S. 358 f.;<br />
Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong>, Die Europäische <strong>Union</strong> als Staatenverbund o<strong><strong>de</strong>r</strong> als multinationale „civitas<br />
europea“? in: Ran<strong>de</strong>lzhofer/Scholz/Wilke (Hrsg.), GS für Eberhard G<strong>ra</strong>bitz, München 1995,<br />
S. 677 ff.<br />
405 Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 33 f.
102<br />
2. Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten auf die EU als internationale<br />
Organisation<br />
Je<strong>de</strong>m einzelnen Mitgliedstaat war es von Verfassungs wegen gestattet, seine ursprünglich<br />
allumfassen<strong>de</strong> Souveränität zu beschränken, in<strong>de</strong>m er einzelne, originär staatliche<br />
Hoheitsrechte auf die EU als zwischenstaatliche Einrichtung übertrug, 406<br />
wodurch diese als<br />
sup<strong>ra</strong>nationale Staatenverbindung entstand. Dies hatte zur Folge, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong> dieser vormals<br />
souveränen Staaten nach seinem Beitritt zur EU in <strong>de</strong>n übert<strong>ra</strong>genen Hoheitsbereichen ohne –<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> sogar gegen – seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse <strong>im</strong> Rat überst<strong>im</strong>mt bzw. durch<br />
Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> unabhängigen Kommission zu einem best<strong>im</strong>mten Tun verpflichtet wer<strong>de</strong>n<br />
konnte.<br />
Für die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland ließen die Art. 24 GG a.F. bzw. Art. 23 GG i.d.F. <strong>de</strong>s<br />
Gesetzes vom 21. Dezember 1993 407 die Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten auf die EU zu und<br />
eröffneten – unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong>de</strong>s Zust<strong>im</strong>mungsgesetzes nach Art. 24 Abs. 1 GG a.F. mit<br />
einfacher bzw. nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG n.F. mit verfassungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit – die<br />
Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion <strong>de</strong>s durch die Gemeinschaft gesetzten Rechts in die nationale<br />
Rechtsordnung. Dem pr<strong>im</strong>ären und sekundären Gemeinschaftsrecht kommt aus diesem<br />
Grun<strong>de</strong> innerstaatlich unmittelbare Geltung zu; es ist von allen staatlichen Organen<br />
anzuwen<strong>de</strong>n. 408<br />
3. Sch<strong>ra</strong>nken <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tionsermächtigung<br />
a) Art. 79 Abs. 3 GG als nationales „Reservat“<br />
Problematisch ist allerdings, wo die Grenze <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gbarkeit von Hoheitsrechten auf die<br />
EU verläuft. In je<strong>de</strong>m Fall dürfte die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland ihre eigene Staatlichkeit<br />
nicht preisgeben; 409<br />
insoweit gilt die „Ewigkeitsklausel“ <strong>de</strong>s Art. 79 Abs. 3 GG, auf welchen<br />
406<br />
Als „Übert<strong>ra</strong>gung“ versteht man dabei nicht einen tatsächlichen Übert<strong>ra</strong>gungsvorgang i.S.<br />
einer Übereignung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Zession, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr einen Verzicht auf die Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
übert<strong>ra</strong>genen Hoheitsrechte zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> zwischenstaatlichen Einrichtung, vgl. Schweitzer,<br />
Fn. 39, Rdnrn. 55, 61.<br />
407<br />
BGBl. 1992 I, S. 2086.<br />
408<br />
So schon EuGH, Rs. 6/64 (Costa/E.N.E.L.), Slg. 1964, S. 1251 ff., 1269 ff., Rz. 8, s.u.<br />
Fn. 451.<br />
409<br />
Tomuschat, Fn. 286, S. 158, weist zutreffend da<strong>ra</strong>uf hin, daß in<strong>de</strong>s kein Mitgliedstaat ein<br />
Integ<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll <strong><strong>de</strong>r</strong> EU anstrebt, welches die eigene Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten
103<br />
Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG ausdrücklich verweist. Durch <strong>de</strong>n Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland zu <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften dürfen somit we<strong><strong>de</strong>r</strong> das<br />
Bun<strong>de</strong>sstaatsprinzip o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Mitwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> an <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesetzgebung (durch <strong>de</strong>n<br />
Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>t) noch die in Art. 1 und 20 GG nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegten Grundsätze angetastet wer<strong>de</strong>n. Die<br />
dogmatische Begründung hierfür ist ebenso einfach wie einleuchtend: nemo plus iuris<br />
t<strong>ra</strong>nsferre potest quam ipse habet. 410<br />
Hier stellt sich die F<strong>ra</strong>ge, ob das <strong>Religionsrecht</strong> nicht<br />
ebenfalls unter einen <strong><strong>de</strong>r</strong> aufgeführten Kernbereiche fällt, die nicht durch Zust<strong>im</strong>mungsgesetz<br />
auf die EU übert<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n können und damit „integ<strong>ra</strong>tionsfest“ sind.<br />
aa) Menschenwür<strong>de</strong>, Art. 1 Abs. 1 GG<br />
Anhaltspunkte dafür, daß es durch die Übert<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s auf die EU zu einer<br />
Beeinträchtigung <strong>de</strong>s Grundrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenwür<strong>de</strong> als solcher kommen könnte, sind bei<br />
<strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong>zeitigen Stand <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsrechtsordnung nicht ersichtlich.<br />
bb) Strukturprinzipien <strong>de</strong>s Art. 20 Abs. 1 GG, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e das Bun<strong>de</strong>sstaatsprinzip<br />
(1) <strong>Religionsrecht</strong> als Lan<strong>de</strong>sangelegenheit<br />
Vergleichbar mit Kultu<strong>ra</strong>ngelegenheiten, han<strong>de</strong>lt es sich bei religionsrechtlichen F<strong>ra</strong>gen in<br />
Deutschland – infolge <strong>de</strong>s seit <strong>de</strong>m Augsburger Religionsfrie<strong>de</strong>n vom 25. September 1555 411<br />
vorherrschen<strong>de</strong>n lan<strong>de</strong>skirchlichen Mo<strong>de</strong>lls – t<strong>ra</strong>ditionell um eine Län<strong><strong>de</strong>r</strong>sache. Allerdings<br />
wer<strong>de</strong>n wesentliche Grundlagen <strong>de</strong>s gelten<strong>de</strong>n <strong>Religionsrecht</strong>s durch Art. 4 und 140 GG, also<br />
durch Bun<strong>de</strong>srecht, geregelt. Da das Grundgesetz gemäß Art. 30, 70 Abs. 1 GG von einer<br />
aufhebe; dieses wäre <strong>im</strong> übrigen we<strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> historisch gewachsenen I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten noch mit <strong><strong>de</strong>r</strong> in Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV normierten<br />
Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>, die „nationale I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten“ zu wahren, vereinbar.<br />
<strong>Das</strong> Grundgesetz ga<strong>ra</strong>ntiert in Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG auch die eigene<br />
Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland. Sofern man die genannten Best<strong>im</strong>mungen<br />
allerdings in <strong>de</strong>n Zusammenhang mit Art. 146 GG setzt, wäre eine Aufgabe <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen<br />
Nationalstaats zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU nicht unmöglich, vgl. Peter M. Huber, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g<br />
in: Netteshe<strong>im</strong>/Schie<strong>ra</strong> (Hrsg.), a.a.O., S. 202; strenger insoweit: Fink, Ga<strong>ra</strong>ntiert das<br />
Grundgesetz die Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland?, DÖV 1998, S. 133 ff.<br />
410 Vgl. z.B. Schermers, The protection of human rights in the European Community, S. 5.<br />
411 Fürsten und Städte konnten danach gemäß <strong>de</strong>m Grundsatz „cuius regio – eius religio“ von<br />
Rechts wegen <strong>de</strong>n territorialen Bekenntnisstand best<strong>im</strong>men und das Kirchenwesen nach<br />
ihren konfessionellen Vorstellungen organisieren (sog. ius reformandi), vgl. v. Campenhausen,<br />
Fn. 74, S. 15, 19, 25; Listl, Religionsfreiheit, in: Isensee/Rüfner/Rees (Hrsg.),<br />
Fn. 233, S. 151.
104<br />
Vermutung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesetzgebungszuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> ausgeht, und eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>weitige<br />
Bun<strong>de</strong>skompetenz gemäß Art. 73 ff. GG nur <strong>im</strong> Hinblick auf Rahmenregelungen für das<br />
Dienstrecht öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften (Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 GG), <strong>de</strong>n<br />
Schutz religiöser Kulturgüter (Art. 75 Abs. 1 Nr. 6 GG) sowie die Ablösung von Staatsleistungen<br />
durch <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>sgesetzgeber gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1<br />
S. 2 WRV besteht, wird das <strong>de</strong>utsche <strong>Religionsrecht</strong> überwiegend durch die <strong>de</strong>utschen Län<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
weiterentwickelt. 412 Zu erwähnen sind hier in diesem Zusammenhang hauptsächlich die<br />
Lan<strong>de</strong>sverfassungen sowie das Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht. 413<br />
Mit fortschreiten<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vergemeinschaftung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s wür<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n somit ureigenste Kompetenzen<br />
unwie<strong><strong>de</strong>r</strong>bringlich entzogen.<br />
(2) Übert<strong>ra</strong>gung von Lan<strong>de</strong>skompetenzen durch <strong>de</strong>n Bund auf die Gemeinschaft<br />
Als problematisch hat sich schon in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit <strong>im</strong>mer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> he<strong>ra</strong>usgestellt, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bund <strong><strong>de</strong>r</strong> EG Angelegenheiten übertrug, die rechtlich nicht ihm, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n eigentlich <strong>de</strong>n<br />
Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n zuzuordnen waren. Ähnliches wird z.T. für das <strong>Religionsrecht</strong> ebenfalls<br />
befürchtet. 414<br />
Dies ist einer <strong><strong>de</strong>r</strong> Grün<strong>de</strong>, weshalb Art. 203 (ex-Art. 146) Abs. 1 EGV dahingehend geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
wur<strong>de</strong>, daß nunmehr auch Län<strong><strong>de</strong>r</strong>minister, als „Vertreter eines Mitgliedstaats auf Ministerebene“,<br />
<strong>im</strong> Rat verbindlich zu han<strong>de</strong>ln befugt sind. Art. 203 (ex-Art. 146) EGV sieht<br />
<strong>de</strong>mentgegen nicht vor, daß neben einem Bun<strong>de</strong>sminister zugleich auch ein Minister eines<br />
Lan<strong>de</strong>s o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehrere Lan<strong>de</strong>sminister nebeneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> auftreten, da dies <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
St<strong>im</strong>mengewichtung <strong>im</strong> Rat, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich aus je einem Vertreter eines Mitgliedstaats<br />
zusammensetzt, zuwi<strong><strong>de</strong>r</strong>liefe. 415 In p<strong>ra</strong>xi wird die Bun<strong>de</strong>srepublik in<strong>de</strong>s häufig durch einen<br />
Bun<strong>de</strong>sminister <strong>im</strong> Rat vertreten, welcher gleichzeitig Bund und Län<strong><strong>de</strong>r</strong> vertritt, da bei<br />
Richtlinien- und Verordnungsvorhaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft <strong>im</strong> Regelfall neben <strong>de</strong>n<br />
Län<strong><strong>de</strong>r</strong>interessen auch Bun<strong>de</strong>sinteressen tangiert wer<strong>de</strong>n und ein Lan<strong>de</strong>sminister mit einer<br />
gewissen Wahrscheinlichkeit seine spezifischen Lan<strong>de</strong>sinteressen über die Interessen <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>s stellen wür<strong>de</strong>. 416<br />
412<br />
So ist z.B. die Festlegung kirchlicher Feiertage grundsätzlich Län<strong><strong>de</strong>r</strong>sache. Etwas an<strong><strong>de</strong>r</strong>es<br />
gilt nur hinsichtlich nationaler Feiertage, für die eine Bun<strong>de</strong>skompetenz k<strong>ra</strong>ft Natur <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sache besteht. Inhalt und Umfang <strong>de</strong>s Kirchensteuerrechts wer<strong>de</strong>n durch das Lan<strong>de</strong>srecht<br />
best<strong>im</strong>mt, vgl. BVerfGE 19, S. 218; ebenso sind die Län<strong><strong>de</strong>r</strong> zuständig für die Verleihung<br />
<strong>de</strong>s Status einer K.d.ö.R.<br />
413<br />
Vgl. v. Campenhausen, Fn. 74, S. 49 f., 55.<br />
414<br />
Klaus Bielitz, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 109 f.<br />
415<br />
Ress, Die neue Kulturkompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> EG, DÖV 1992, S. 944 ff., 945.<br />
416<br />
Vgl. Ress, Fn. 415, S. 946.
105<br />
Die Wahrung einzelner Län<strong><strong>de</strong>r</strong>interessen kann aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> nur zweistufigen Struktur <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> – diese kennt lediglich die bei<strong>de</strong>n Ebenen EU/Mitgliedstaat – und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
hiermit zwangsläufig verbun<strong>de</strong>nen „Län<strong><strong>de</strong>r</strong>blindheit“ auf Gemeinschaftsrechtsebene nur<br />
peripher berücksichtigt wer<strong>de</strong>n. 417 Der Ausschuß <strong><strong>de</strong>r</strong> Regionen, Art. 263 (ex-Art. 198a) EGV,<br />
schafft noch keinen echten dreistufigen Aufbau mit Ga<strong>ra</strong>ntien für <strong>de</strong>n Kernbestand <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Län<strong><strong>de</strong>r</strong>. Daher sind Gefahren für das Bun<strong>de</strong>sstaatsprinzip vorprog<strong>ra</strong>mmiert, welches eine<br />
originäre hoheitliche Gestaltungsmacht sowie eigene Gesetzgebungsbefugnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
vorsieht. 418<br />
Allerdings existiert <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht aufgrund <strong>de</strong>s Art. 23 Abs. 6 GG n.F. die<br />
Sollvorschrift, die Wahrnehmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ratsvertretung auf einen vom Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>t benannten<br />
Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> zu übert<strong>ra</strong>gen, soweit <strong>im</strong> Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> betroffen sind. Dies ist, wie oben festgestellt, 419 für religionsrechtliche<br />
Materien überwiegend <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall. Überdies wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Verlust von Gesetzgebungsrechten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Län<strong><strong>de</strong>r</strong> durch erweiterte Mitsp<strong>ra</strong>cherechte <strong>im</strong> Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>t gemäß Art. 23 Abs. 4 u. 5 GG n.F.<br />
kompensiert. 420 Für <strong>de</strong>n Zeit<strong>ra</strong>um vor <strong>de</strong>m Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong><strong>de</strong>r</strong> zitierten Vorschriften entschied<br />
das BVerfG in einem Urteil zur Fernsehrichtlinie, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Bund gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />
als „Sachwalter <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong>“ auch <strong><strong>de</strong>r</strong>en verfassungsmäßige Rechte vertrete. 421<br />
(3) Fortbestand <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sstaats trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gung von Lan<strong>de</strong>szuständigkeiten auf die<br />
EU?<br />
<strong>Das</strong> Bun<strong>de</strong>sstaatsprinzip untersagt es, die Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> durch <strong>de</strong>n Entzug von<br />
Län<strong><strong>de</strong>r</strong>kompetenzen – hierzu zählt auch das <strong>Religionsrecht</strong> als partielle Län<strong><strong>de</strong>r</strong>kompetenz –<br />
auszuhöhlen. 422<br />
Zwar gibt es – wie man aus Art. 29 GG folgern kann – keine <strong>Das</strong>einsberechtigung<br />
für einzelne Län<strong><strong>de</strong>r</strong>, jedoch schützt das Bun<strong>de</strong>sstaatsprinzip v.a. die eigene Staatlichkeit<br />
417<br />
Schweitzer, Fn. 295, S. 56 f.<br />
418<br />
So auch Kirchhof, Europäische Einigung und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassungsstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland, S. 63 ff., 98.<br />
419<br />
Vgl. C.III.3.a)bb)(1).<br />
420<br />
Einzelheiten s. <strong>im</strong> Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n in<br />
Angelegenheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU vom 12.3.1993, BGBl. 1993 I, S. 313 ff., vgl. hierzu Schweitzer,<br />
Fn. 39, Rdnrn. 385 ff.<br />
421<br />
BVerfG, Urt. v. 22.3.1995 – 2 BvG 1/89, EuZW 1995, S. 277 f. m. Anm. Hä<strong>de</strong>; vgl. hierzu<br />
Winkelmann, Die Bun<strong>de</strong>sregierung als Sachwalter von Län<strong><strong>de</strong>r</strong>rechten – Zugleich<br />
Anmerkung zum EG-Fernsehrichtlinien-Urteil <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts, DÖV 1996,<br />
S. 1 ff.<br />
422<br />
Seifert/Hömig/Antoni, GG, Art. 20, Rdnr. 6.
106<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> als Gliedstaaten mit eigener, nicht vom Bund abgeleiteter Hoheitsmacht. 423 Die<br />
Essentiale <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> wür<strong>de</strong>n dann beeinträchtigt, wenn in weitgehen<strong>de</strong>m<br />
Umfang Län<strong><strong>de</strong>r</strong>zuständigkeiten von substantiellem Gewicht auf die Gemeinschaft übert<strong>ra</strong>gen<br />
wür<strong>de</strong>n, so daß <strong>de</strong>n Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n nicht einmal mehr ein Grundbestand an eigener Staatlichkeit<br />
verbliebe, wozu z.B. ein Selbstorganisationsrecht einschließlich eigener Lan<strong>de</strong>sverfassung,<br />
ein angemessener Anteil am Gesamtsteue<strong>ra</strong>ufkommen <strong>im</strong> Bun<strong>de</strong>sstaat sowie ein Kernbestand<br />
eigener Zuständigkeiten zählen. 424 Insoweit gilt für die Län<strong><strong>de</strong>r</strong>, daß ein Min<strong>de</strong>stbestand<br />
eigener Rechte gewahrt bleiben muß. Hier kann eine Pa<strong>ra</strong>llele zum Maastricht-Urteil <strong>de</strong>s<br />
BVerfG gezogen wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m dieses zugunsten <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s die Einhaltung „unverzichtbarer<br />
Min<strong>de</strong>stanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen“ <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischer Legit<strong>im</strong>ation eingefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t hat. 425<br />
Die Gefahr fortschreiten<strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion besteht daher darin, daß die souveräne Staatlichkeit<br />
426<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> bzw. <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s selbst verletzt wird. Deutsche Län<strong><strong>de</strong>r</strong> wür<strong>de</strong>n – ebenso wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bund – ihre eigene Staatlichkeit verlieren, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> EU die Möglichkeit zur originären<br />
Rechtsetzung und Rechtsgestaltung zuwüchse, 427<br />
da diese Rechte einen wesentlichen Teil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Staatlichkeit von Bund und Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n ausmachen. Da<strong>ra</strong>n wür<strong>de</strong> die Kompensation <strong>de</strong>s Verlusts<br />
auf Län<strong><strong>de</strong>r</strong>ebene durch neue Rechte auf Gemeinschaftsebene nichts än<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Da die Gemeinschaftsorgane jedoch einerseits nur dort tätig wer<strong>de</strong>n dürfen, wo ihnen die<br />
Mitgliedstaaten pr<strong>im</strong>ärrechtlich Kompetenzen übert<strong>ra</strong>gen haben (sog. Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten<br />
Ermächtigung 428<br />
), und nicht zur eigenmächtigen Ausweitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kompetenzen berechtigt<br />
sind, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits nicht ersichtlich ist, daß durch die Übert<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s auf die<br />
EU schon in <strong>de</strong>n Kernbestand <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong>rechte eingegriffen wäre, zumal <strong>de</strong>n Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach<br />
wie vor Län<strong><strong>de</strong>r</strong>zuständigkeiten von substantiellem Gewicht verbleiben, kann eine – an dieser<br />
Stelle theoretisch zu unterstellen<strong>de</strong> – Übert<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s auf die EU nicht als<br />
Verstoß gegen Art. 79 Abs. 3 GG angesehen wer<strong>de</strong>n. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s wäre die Situation hingegen zu<br />
beurteilen, wenn neben <strong>de</strong>m <strong>Religionsrecht</strong> z.B. auch das Gemein<strong>de</strong>- und Bauordnungsrecht,<br />
423<br />
So schon BVerfGE 1, S. 34.<br />
424<br />
Seifert/Hömig/Dellmann, GG, Art. 79, Rdnr. 4.<br />
425<br />
BVerfGE 89, S. 155 ff., 171 f.: „<strong>Das</strong> Recht <strong>de</strong>s Bf. kann <strong>de</strong>mnach verletzt sein, wenn die<br />
Wahrnehmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kompetenzen <strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>stages so weitgehend auf ein von<br />
<strong>de</strong>n Regierungen gebil<strong>de</strong>tes Organ <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Gemeinschaften übergeht, daß die nach Art. 20 Abs. 1 und 2 GG i.V.m. Art. 79 Abs. 3 GG<br />
unverzichtbaren Min<strong>de</strong>stanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischer Legit<strong>im</strong>ation [...] nicht mehr erfüllt<br />
wer<strong>de</strong>n.“ Aus Art. 20 Abs. 1 GG kann man ganz allgemein folgern, daß die Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland ein Staat ist. Über Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG müßte dann <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Staat als solcher Bestand haben, Vgl. Kirchhof, Fn. 418, S. 97; <strong><strong>de</strong>r</strong>s. Fn. 282, S. 13.<br />
426<br />
Meessen, Fn. 312, 552.<br />
427<br />
Kirchhof, Fn. 418, S. 88.<br />
428<br />
S.o. C.I.2.
107<br />
Kultur- und Polizeirecht als klassische Län<strong><strong>de</strong>r</strong>aufgaben auf die EU übert<strong>ra</strong>gen wür<strong>de</strong>n.<br />
Allerdings dürfen die Augen nicht vor <strong><strong>de</strong>r</strong> schleichen<strong>de</strong>n Erosion lan<strong>de</strong>srechtlicher<br />
Kompetenzen verschlossen wer<strong>de</strong>n, die beispielsweise für die bei<strong>de</strong>n letztgenannten Materien<br />
<strong>im</strong> Hinblick auf <strong>de</strong>n neuen Kultu<strong>ra</strong>rtikel, Art. 151 (ex-Art. 128) EGV, und die polizeiliche<br />
Zusammenarbeit nach Art. 30 (ex-Art. K.2) EUV festgestellt wer<strong>de</strong>n muß. Selbst das<br />
Gemein<strong>de</strong>wahlrecht wird durch die Einräumung <strong>de</strong>s aktiven und passiven Wahlrechts für<br />
<strong>Union</strong>sbürger gemäß Art. 19 (ex-Art. 8b) Abs. 1 EGV 429 , das Bauordnungsrecht durch<br />
gemeinschaftsrechtliche Vorgaben <strong>im</strong> Umweltbereich gemäß Art. 95 (ex-Art. 100a) bzw.<br />
Art. 175 (ex-Art. 130s) Abs. 2 EGV 430<br />
<strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsharmonisierung in Teilbereichen<br />
geregelt.<br />
b) Cont<strong>ra</strong> legem-Erweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong>de</strong>s Art. 79 Abs. 3 GG durch das BVerfG?<br />
Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Solange-Rechtsprechung <strong>de</strong>s BVerfG, auf welche an späterer Stelle noch<br />
ausführlicher eingegangen wird, 431<br />
sollen die von ihm zu schützen<strong>de</strong>n „Essentialia <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verfassung“ allerdings nicht nur auf Art. 1 und 20 GG beschränkt sein, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch<br />
diejenigen Rechtsprinzipien erfassen, die <strong>de</strong>m Grundrechtsteil <strong>de</strong>s Grundgesetzes, d.h. <strong>de</strong>n<br />
Artikeln 1 bis 17 GG, zugrun<strong>de</strong> liegen. Es könnte sich hierbei jedoch um ein unbeachtliches,<br />
weil nicht in Art. 79 Abs. 3 GG aufgeführtes, Kriterium han<strong>de</strong>ln.<br />
aa) Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG<br />
Auch wenn keine unmittelbare Verletzung <strong>de</strong>s Grundrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenwür<strong>de</strong> infolge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ausübung religionsrechtlicher Kompetenzen durch die Gemeinschaft erkennbar ist, könnte<br />
man vertreten, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Kernbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> grundgesetzlichen Grundrechte (Art. 2 – 17 GG)<br />
durch <strong>de</strong>n Menschenwür<strong>de</strong>gehalt <strong>de</strong>s Art. 1 Abs. 1 GG und eventuell auch durch<br />
429 Vgl. RL 94/80/EG <strong>de</strong>s Rates vom 19. Dezember 1994 über die Einzelheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausübung<br />
<strong>de</strong>s aktiven und passiven Wahlrechts bei <strong>de</strong>n Kommunalwahlen für <strong>Union</strong>sbürger mit<br />
Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, <strong>de</strong>ssen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, ABl. 1994,<br />
Nr. L 368, S. 38 ff., sowie BVerfG, 2 BvR 2862/95, Beschl. v. 8.1.1997, NVwZ 1998,<br />
S. 53 f.; EuGH, Rs. C-323/97 (Kommission/Königreich Belgien), Slg. 1998, S. I-4281 ff.<br />
430 Vgl. z.B. RL 87/217/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 19. März 1987 zur Verhütung und Verringerung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Umweltverschmutzung durch Asbest, ABl. 1987 Nr. L 85, S. 40, geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch<br />
RL 91/692/EWG, ABl. 1991 Nr. C 377, S. 48; RL 85/337/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 27. Juni<br />
1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei best<strong>im</strong>mten öffentlichen und privaten<br />
Vorhaben, ABl. 1985, Nr. L 175, S. 40 ff.; geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch RL 97/11/EG <strong>de</strong>s Rates vom<br />
3. März 1997, ABl. 1997 Nr. L 73, S. 5 ff.<br />
431 S.u. C.IV.2.
108<br />
Art 20 Abs. 3 GG (Bindung an Recht und Gesetz i.S.d. grundlegen<strong>de</strong>n Rechtspositionen)<br />
geschützt wird und mithin ebenfalls än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsfest nach Art. 79 Abs. 3 GG ist. 432<br />
Als rechtfertigen<strong>de</strong>s Argument für eine solche erweiterte Auslegung <strong>de</strong>s Art. 79 Abs. 3 GG<br />
durch das BVerfG kann angeführt wer<strong>de</strong>n, daß dieses die noch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Solange I-Entscheidung<br />
getroffene Feststellung, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamte Grundrechtsteil <strong>de</strong>s Grundgesetzes unaufgebbares<br />
„Essentiale“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung sei, 433 insofern selbst eingeschränkt zu haben scheint, als nun<br />
nicht mehr je<strong>de</strong> Beeinträchtigung <strong>de</strong>s Schutzbereichs eines Grundrechts, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich<br />
eine Beeinträchtigung in <strong>de</strong>ssen Wesensgehalt dazu führen solle, daß ein Gemeinschaftsrechtsakt<br />
in Deutschland unanwendbar sei. 434<br />
bb) Art. 79 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 u. 3 GG<br />
Zu<strong>de</strong>m verweist Art. 79 Abs. 3 GG nicht nur auf Art. 1 Abs. 1 GG, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf Art. 1 GG<br />
insgesamt und damit auch auf <strong>de</strong>ssen Absätze 2 und 3:<br />
Art. 1 Abs. 2 GG n<strong>im</strong>mt Bezug auf die „unverletzlichen und unveräußerlichen<br />
Menschenrechte“; <strong><strong>de</strong>r</strong> hier verwandte Plu<strong>ra</strong>l stellt einen über die Menschenwür<strong>de</strong><br />
hinausreichen<strong>de</strong>n Bezug auch zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Grundrechten, wie z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit, her.<br />
In Art. 1 Abs. 3 GG schließlich wer<strong>de</strong>n alle Staatsgewalten an die „nachfolgen<strong>de</strong>n<br />
Grundrechte“ gebun<strong>de</strong>n. Die Verweiskette von Art. 23 Abs. 1 S. 3 über Art. 79 Abs. 3 GG<br />
kann daher <strong>ra</strong>tio legis ohne weiteres so verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß auch die sup<strong>ra</strong>nationale<br />
Staatsgewalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft an <strong>de</strong>n Wesensgehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong>de</strong>s Grundgesetzkatalogs<br />
gebun<strong>de</strong>n ist und diesen wahren muß. 435<br />
cc) Art. 23 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 1 GG n.F.<br />
Art. 23 Abs. 1 GG n.F. stellt die Vo<strong>ra</strong>ussetzungen auf, unter welchen die Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland an <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Integ<strong>ra</strong>tion teilhaben kann. Gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG<br />
darf sie nur an einer Entwicklung mitwirken, die zum einen <strong>de</strong>n „<strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen, rechtsstaatlichen,<br />
sozialen und fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ativen Grundsätzen und <strong>de</strong>m Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität<br />
verpflichtet ist“, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en „einen diesem Grundgesetz <strong>im</strong> wesentlichen vergleichbaren<br />
432<br />
Vgl. Huber, Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Integ<strong>ra</strong>tion, München 1996, § 3, Rdnr. 19, m.w.N.<br />
433<br />
BVerfGE 37, S. 271 ff., 280.<br />
434<br />
Vgl. BVerfGE 73, S. 339 ff., 375 f.; 75, S. 223 ff., 235; 89, S. 155 ff., 174.<br />
435<br />
Auch Streinz, Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz und Europäisches<br />
Gemeinschaftsrecht, S. 252, befürwortet die Erstreckung <strong>de</strong>s Art. 79 Abs. 3 GG über Art. 1<br />
Abs. 3 GG auf alle Grundrechte <strong>de</strong>s Grundgesetzes.
109<br />
Grundrechtsschutz gewährleistet“. Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG sieht die Übert<strong>ra</strong>gung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Hoheitsrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik auf die EU also nicht generell vor, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n knüpft <strong>de</strong>n Bau<br />
eines gemeinsames Europas unter <strong>de</strong>utscher Beteiligung da<strong>ra</strong>n, daß dieses <strong>de</strong>n in<br />
Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG genannten Prinzipien Rechnung trägt („hierzu“). Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
ausdrücklichen Bezugnahme <strong>de</strong>s Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG auf Art. 79 Abs. 3 GG stellt die in<br />
Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG genannte Aufzählung eine Konkretisierung <strong>de</strong>s Art. 79 Abs. 3 GG für<br />
die Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten auf die EU dar. So muß <strong><strong>de</strong>r</strong> in Art. 79 Abs. 3 GG<br />
enthaltene Hinweis auf die in Art. 20 GG „nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegten Grundsätze“ <strong>im</strong> Lichte <strong>de</strong>s<br />
Art. 23 Abs. 1 S. 1 1. HS ausgelegt wer<strong>de</strong>n, was be<strong>de</strong>utet, daß die Strukturprinzipien <strong>de</strong>s<br />
Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG um das ungeschriebene Subsidiaritätsprinzip angereichert<br />
wer<strong>de</strong>n. Die gemäß Art. 79 Abs. 3 GG in Art. 1 GG „nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegten Grundsätze“ wer<strong>de</strong>n in<br />
Art. 23 Abs. 1 S. 1, 2. HS GG <strong><strong>de</strong>r</strong>art konkretisiert, daß eine Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten<br />
auf die EU nur erfolgen darf, soweit diese „einen diesem Grundgesetz <strong>im</strong> wesentlichen<br />
vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet“.<br />
Aus Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 1 GG ergibt sich <strong>de</strong>mnach, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wesensgehalt auch einzelner Grundrechte <strong>de</strong>s Grundgesetzes nicht zur Disposition gestellt<br />
wer<strong>de</strong>n darf. 436<br />
Aus diesem Grun<strong>de</strong> stellt die Rechtsprechung <strong>de</strong>s BVerfG keine Erweiterung<br />
<strong>de</strong>s Art. 79 Abs. 3 GG cont<strong>ra</strong> legem dar.<br />
Der inzwischen schon längere Zeit ausstehen<strong>de</strong>n Entscheidung <strong>de</strong>s BVerfG <strong>im</strong><br />
Bananenstreit 437<br />
kommt auch für das <strong>Religionsrecht</strong> Be<strong>de</strong>utung zu, da mit ihr die Klärung<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>gen verbun<strong>de</strong>n ist, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> Wesensgehalt <strong>de</strong>s Art. 14 GG, d.h. einer<br />
Grundrechtsbest<strong>im</strong>mung außerhalb von Art. 1 o<strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 20 GG, zu <strong>de</strong>n „Essentialia <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verfassung“, d.h. zu <strong>de</strong>m – nicht auf die Gemeinschaft übert<strong>ra</strong>gbaren – Kernbereich <strong>de</strong>s<br />
Grundgesetzes gehört und wann eine solche Verletzung <strong>im</strong> Wesensgehalt angenommen<br />
436 Die Auffassung von Selmayr/Prowald, Abschied von <strong>de</strong>n „Solange“-Vorbehalten – Die<br />
wahre Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s „Koope<strong>ra</strong>tionsverhältnisses“ <strong>de</strong>s BVerfG zum EuGH, DVBl. 1999,<br />
S. 269 ff., 271, muß daher als nicht gebotene Reduktion <strong>de</strong>s Schutzbereiches von Art. 79<br />
Abs. 3 GG angesehen wer<strong>de</strong>n. Zwar hat das BVerfG in E 94, S. 49 ff., 103, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat<br />
entschie<strong>de</strong>n, daß grundsätzlich je<strong>de</strong> Best<strong>im</strong>mung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung zur Disposition <strong>de</strong>s<br />
verfassungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Gesetzgebers stehe. Selbst wenn eine konkrete grundrechtliche<br />
Gewährleistung nicht bestün<strong>de</strong>, müßten <strong>de</strong>nnoch best<strong>im</strong>mte aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenwür<strong>de</strong><br />
ableitbare Merkmale gewahrt wer<strong>de</strong>n; ausdrücklich wird vom BVerfG, a.a.O., in diesem<br />
Zusammenhang die religiöse Grun<strong>de</strong>ntscheidung genannt.<br />
437 Vorlage <strong>de</strong>s VG F<strong>ra</strong>nkfurt vom 24.10.1996 an das BVerfG, EuZW 1997, S. 182 ff; vgl.<br />
hierzu z.B. Peter M. Huber, <strong>Das</strong> Koope<strong>ra</strong>tionsverhältnis zwischen BVerfG und EuGH in<br />
Grundrechtsf<strong>ra</strong>gen – Die Bananenmarktordnung und das Grundgesetz, EuZW 1997,<br />
S. 517 ff.; Vachek, <strong>Das</strong> „Koope<strong>ra</strong>tionsverhältnis“ <strong>im</strong> Bananenstreit, ZfRV 1997, S. 136 ff.
110<br />
wer<strong>de</strong>n kann, d.h. ob schon eine einmalige, aber schwerwiegen<strong>de</strong> Verletzung eines<br />
Grundrechts durch ein Gemeinschaftsorgan hierzu ausreicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob mehrfache und langanhalten<strong>de</strong><br />
Grundrechtsverletzungen vonnöten sind, <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH nicht abhilft. 438<br />
c) Kernbereiche <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />
Ob <strong><strong>de</strong>r</strong> Wesensgehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> grundgesetzlichen Religionsfreiheit i.S.d. Art. 4 Abs. 1, 2 GG bzw.<br />
Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 – 139 u. 141 WRV durch Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft verletzt<br />
sein kann, läßt sich nicht pauschal beantworten.<br />
Der Nachweis, daß ein Gemeinschaftsrechtsakt gegen die grundgesetzliche Religionsfreiheit<br />
verstößt, dürfte insofern nicht ganz leicht fallen, als das Gemeinschaftsrecht selbst nicht nur<br />
die Religionsfreiheit als zu schützen<strong>de</strong>s Grundrecht kennt, 439 son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich ebenfalls zur<br />
Beachtung <strong>de</strong>s Wesensgehalts eines Grundrechts bekennt. 440<br />
Ungeachtet <strong>de</strong>ssen kann eine<br />
Verletzung <strong>im</strong> Wesensgehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> grundgesetzlichen Religionsfreiheit auch dann vorliegen,<br />
wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Religionsfreiheit<br />
ausdrücklich verneint haben sollte, da insofern von einem unterschiedlichen Prüfungsmaßstab<br />
auszugehen ist.<br />
Die drei zent<strong>ra</strong>len Prinzipien <strong>de</strong>s bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen <strong>Religionsrecht</strong>s hat das BVerfG aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Zusammenschau verschie<strong>de</strong>ner Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen entwickelt. Es han<strong>de</strong>lt sich hierbei<br />
um die Verpflichtung zu religiös-weltanschaulicher Neut<strong>ra</strong>lität, zur Gleichbehandlung aller<br />
Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (Parität) und zur Tole<strong>ra</strong>nz. 441 Diese drei<br />
Grundprinzipien bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen <strong>Religionsrecht</strong>s müßten konsequenterweise über<br />
Art. 79 Abs. 3 GG gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft „än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsfest“ sein, wenn man sie – was gut<br />
vertretbar erscheint – zum Kernbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit <strong>de</strong>s GG zählt. 442<br />
Da die EU aus<br />
einer ursprünglichen Wirtschaftsgemeinschaft hervorging, kennt sie ohnehin eher die strikte<br />
Trennung von einzelnen Kirchen und Religionsgemeinschaften als ein Eingehen von<br />
Koope<strong>ra</strong>tionen mit ihnen. Insofern bestehen kaum Be<strong>de</strong>nken, daß die EU künftig eine o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
einige Kirchen gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften bevorzugen wird.<br />
F<strong>ra</strong>glich ist hingegen eher, ob Art. 140 GG, <strong><strong>de</strong>r</strong> durch Verweis auf die <strong>de</strong>m Grundgesetz<br />
inkorporierten Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> We<strong>im</strong>arer Reichsverfassung weitere maßgebliche<br />
438<br />
Vgl. ausführlich Vachek, Fn. 437, S. 143.<br />
439<br />
Vgl. EuGH, Rs. 130/75 (P<strong>ra</strong>is/Rat), Slg. 1976, S. 1589 ff., Rz. 12/19.<br />
440<br />
Einzelheiten s.u. E.IV.3.a).<br />
441<br />
Vgl. die obigen Ausführungen unter B.II.3.a)aa).<br />
442<br />
So auch v. Campenhausen, in: Christoph, Fn. 443, S. 183; Robbers, Die Kirchen und das<br />
Europarecht, in: Puza/Kustermann (Hrsg.), Fn. 3, S. 177 ff., 186.
111<br />
Best<strong>im</strong>mungen bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen <strong>Religionsrecht</strong>s enthält – ebenso wie Art. 4 GG – als Grundrecht<br />
i.S.d. Solange-Rechtsprechung angesehen wer<strong>de</strong>n kann. 443 Dies ist insofern zweifelhaft,<br />
als es sich bei <strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> WRV genannten religionsrechtlichen Best<strong>im</strong>mungen – z.B. Kirchensteuerrecht,<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht, Sonn- und Feiertagsrecht – nicht um unmittelbare<br />
Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s grundgesetzlichen Grundrechtskatalogs <strong>de</strong>s Grundgesetzes<br />
(Art. 1 – 17 GG) han<strong>de</strong>lt. Der über Art. 79 Abs. 3 GG relevante Menschenwür<strong>de</strong>gehalt schützt<br />
in erster Linie <strong>de</strong>n Kernbereich individueller Grundrechte. Subsidiär können auch korpo<strong>ra</strong>tive<br />
Grundrechte erfaßt wer<strong>de</strong>n, soweit durch diese die Grundrechte einzelner repräsentiert<br />
wer<strong>de</strong>n. Nicht mehr vom Menschenwür<strong>de</strong>gehalt umfaßt ist jedoch das institutionelle<br />
<strong>Religionsrecht</strong> per se. Die durch Art. 140 GG inkorporierten Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
WRV können daher über Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 1 Abs. 3 GG nur insoweit als<br />
„nachfolgen<strong>de</strong> Grundrechte“ angesehen wer<strong>de</strong>n, als sie bereits <strong>im</strong> status collectivus <strong>de</strong>s<br />
Art. 4 GG selbst enthalten sind. 444 Damit <strong><strong>de</strong>r</strong> Sch<strong>ra</strong>nkenvorbehalt <strong>de</strong>s für alle gelten<strong>de</strong>n<br />
Gesetzes in Art. 137 Abs. 3 WRV überhaupt sinnvoll ist, kann z.B. das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />
<strong>de</strong>s Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV nicht völlig von Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG<br />
umfaßt sein. Man wird daher allenfalls <strong>de</strong>n Kernbereich <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong>de</strong>s<br />
Art. 137 Abs. 3 WRV unter Art. 4 GG subsumieren können, während Randbereiche <strong>de</strong>sselben<br />
hiervon nicht mehr umfaßt sind. 445 Zum Kernbereich <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts zählt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
innerkirchliche Dienst, <strong><strong>de</strong>r</strong> auch die Ämterverleihungsfreiheit einschließt. Ob leiten<strong>de</strong><br />
Dienstverhältnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen außerhalb <strong>de</strong>s geistlichen Dienstes noch unter das kirchliche<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht fallen, ist schon zweifelhaft. 446<br />
Soweit in kirchlichen Einrichtungen<br />
nicht spezifisch religiöse Tätigkeitsfel<strong><strong>de</strong>r</strong> durch nichttheologische Fachkräfte – z.B.<br />
Ärzteschaft, Pflege- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gartenpersonal – besetzt sind, dürfen diese<br />
Arbeitsverhältnisse nicht mehr zum Kernbereich <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />
443 Dieses Problemfeld wirft schon Bleckmann auf, in: Christoph, Tagung über „Europäisches<br />
Gemeinschaftsrecht – kirchliches Dienst- und Arbeitsrecht“, ZevKR 35 (1990), S. 181 ff.,<br />
182.<br />
444 Vgl. hierzu BVerfGE 42, S. 312 ff., 322, 332; 53, S. 366 ff., 387; 55, S. 207 ff., 230; 58,<br />
S. 220 ff., 242 f.; Bethge, Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nach Art. 19<br />
Abs. 3 Grundgesetz, Passau 1985, S. 118; Lücke, Zur Dogmatik <strong><strong>de</strong>r</strong> kollektiven Glaubensfreiheit<br />
– Eine Neubest<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Verhältnisses von Kirche und Staat am Beispiel <strong>de</strong>s<br />
staatlichen Rechtsschutzes gegenüber Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgesellschaften,<br />
EuGRZ 1995, S. 651 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Die We<strong>im</strong>arer Kirchengutsga<strong>ra</strong>ntie als Bestandteil <strong>de</strong>s<br />
Grundgesetzes, JZ 1998, S. 534 ff., 536 f.<br />
445 Ebenso Lücke, Fn. 444, S. 654.<br />
446 Kruttschnitt, Fn. 316, S. 111 ff., 113, ist ohnehin für eine engere Auslegung. Seiner Ansicht<br />
nach schütze Art. 4 GG nur „das Grundrecht auf Religionsfreiheit, nicht aber die<br />
Grundsätze <strong>de</strong>s gelten<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Staatskirchenrechts gem. Art. 140 GG“, da Art. 4 GG<br />
keinen Hinweis auf Art. 140 GG enthalte.
112<br />
gezählt wer<strong>de</strong>n. 447 Die Kirchenfinanzierung kann ebenfalls nur als Randbereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsfreiheit angesehen wer<strong>de</strong>n. Art. 137 Abs. 6 WRV ist <strong>de</strong>mnach nicht in Art. 4 GG<br />
enthalten; erst recht gilt dies für die Einziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuer durch die staatlichen<br />
Steuerbehör<strong>de</strong>n, die nicht einmal verfassungsrechtlich gewährleistet ist. 448<br />
Einzelbereiche <strong>de</strong>s<br />
<strong>Religionsrecht</strong>s i.R.d. Art. 140 GG können daher nicht mehr als Kernbereich <strong>de</strong>s Grundrechts<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />
IV. <strong>Das</strong> Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht<br />
Die Klärung <strong>de</strong>s Verhältnisses bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtskreise zueinan<strong><strong>de</strong>r</strong> ist von großer Be<strong>de</strong>utung für<br />
die Weichenstellung, ob die Weiterentwicklung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s künftig auf<br />
mitgliedstaatlicher Ebene o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsrechtsebene erfolgen muß, um eine<br />
adäquate Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Interessen von Kirchen und Religionsgemeinschaften zu<br />
gewährleisten.<br />
1. Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht<br />
<strong>Das</strong> Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht scheint für <strong>de</strong>n EuGH<br />
schon seit seiner Grundsatzentscheidung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache Costa/E.N.E.L. abschließend<br />
geklärt zu sein. In ihr hob <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof die Eigenständigkeit <strong>de</strong>s E(W)G-Vert<strong>ra</strong>gs als<br />
autonome Rechtsquelle hervor 450<br />
und konstatierte <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts vor<br />
447<br />
Einen <strong>de</strong>utlich zu weitgehen<strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Kernbereichs <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts<br />
wählt Lücke, Fn. 444, S. 655, <strong><strong>de</strong>r</strong> nur <strong>de</strong>n einfachen Dienst (z.B. Boten/Pförtner) o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Aushilfskräfte hiervon ausnehmen will.<br />
448<br />
Ebenso Neumann, Tun die Kirchen wirklich soviel Gutes?, in: Internationaler Bund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) e.V. (Hrsg.), Tabu Staat Kirche, Berlin –<br />
Aschaffenburg 1992, S. 55 ff., 58; Starck, <strong>Das</strong> <strong>de</strong>utsche Kirchensteuerrecht und die<br />
Europäische Integ<strong>ra</strong>tion, in: Due/Lutter/Schwarze (Hrsg.), FS für Ulrich Everling, Bd. II,<br />
Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995, S. 1427 ff., 1435. Zu ve<strong>ra</strong>llgemeinernd dagegen Rüfner, Staatskirchenrechtliche<br />
Überlegungen zu Status und Finanzierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen <strong>im</strong> vereinten Europa, in:<br />
Ipsen/Rengeling/Mössner/Weber (Hrsg.),Verfassungsrecht <strong>im</strong> Wan<strong>de</strong>l. Köln – Berlin –<br />
Bonn – München 1995, S. 485 ff., 492.<br />
449<br />
Vgl. hierzu Vachek, Fn. 437, S. 139 ff.<br />
450<br />
Die Eigenständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsrechtsordnung hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH schon zuvor in seinem<br />
Urteil in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. 26/62 (van Gend & Loos/Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländische Finanzverwaltung), Slg. 1963,<br />
S. 1 ff., Rz. 9 f., he<strong>ra</strong>usgestellt: So sei <strong><strong>de</strong>r</strong> E(W)GV mehr als ein Abkommen, das nur<br />
449
113<br />
jedwe<strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Gesetzgebung, d.h. auch <strong>im</strong> Verhältnis zu nationalem Verfassungsrecht.<br />
Nur die einheitliche Geltung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Mitgliedstaaten<br />
<strong>im</strong> Rang über <strong>de</strong>n innerstaatlichen Vorschriften stelle die Funktionsfähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft sicher. Die Begründung, die <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH für <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts liefert, stützt sich damit mangels ausdrücklicher Klärung dieser F<strong>ra</strong>ge <strong>im</strong><br />
E(W)G-Vert<strong>ra</strong>g vor allem auf <strong>de</strong>ssen logische Interpretation sowie auf eine teleologische<br />
Auslegung <strong>de</strong>s Art. 249 (ex-Art. 189) Abs. 2 E(W)GV. 451<br />
An an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Stelle konkretisiert <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts explizit<br />
dahingehend, daß sich Gemeinschaftsrecht auch gegenüber nationalen Grundrechten sowie<br />
452<br />
Strukturprinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung durchsetze. Die Klärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rangf<strong>ra</strong>ge ist aus<br />
wechselseitige Verpflichtungen zwischen <strong>de</strong>n vert<strong>ra</strong>gsschließen<strong>de</strong>n Staaten begrün<strong>de</strong>,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n stelle eine neue Rechtsordnung <strong>de</strong>s Völkerrechts dar, zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en Gunsten die<br />
Mitgliedstaaten, wenn auch in begrenztem Rahmen, ihre Souveränitätsrechte eingeschränkt<br />
hätten.<br />
451 EuGH, Rs. 6/64 (Costa/E.N.E.L.), Slg. 1964, S. 1251 ff., 1269 ff., Rz. 8 – 12:<br />
„[8] Zum Unterschied von gewöhnlichen internationalen Verträgen hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG-Vert<strong>ra</strong>g<br />
eine eigene Rechtsordnung geschaffen, die bei seinem Ink<strong>ra</strong>fttreten in die Rechtsordnungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten aufgenommen wor<strong>de</strong>n und von ihren Gerichten anzuwen<strong>de</strong>n ist. Denn<br />
durch die [...] Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten [...] haben die Mitgliedstaaten, wenn auch<br />
auf einem begrenzten Gebiet, ihre Souveränitätsrechte beschränkt und so einen<br />
Rechtskörper geschaffen, <strong><strong>de</strong>r</strong> für ihre Angehörigen und sie selbst verbindlich ist.<br />
[9] [...] Denn es wür<strong>de</strong> eine Gefahr für die Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> in Artikel 5 Absatz 2<br />
aufgeführten Ziele <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs be<strong>de</strong>uten und <strong>de</strong>m Verbot <strong>de</strong>s Artikels 7 wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen<strong>de</strong><br />
Diskr<strong>im</strong>inierungen zur Folge haben, wenn das Gemeinschaftsrecht je nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
nachträglichen innerstaatlichen Gesetzgebung von einem Staat zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en verschie<strong>de</strong>ne<br />
Geltung haben könnte.<br />
[11] Der Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts wird auch durch Artikel 189 bestätigt; ihm<br />
zufolge ist die Verordnung „verbindlich“ und „gilt unmittelbar in je<strong>de</strong>m Mitgliedstaat.“<br />
Diese Best<strong>im</strong>mung, die durch nichts eingeschränkt wird, wäre ohne Be<strong>de</strong>utung, wenn die<br />
Mitgliedstaaten sie durch Gesetzgebungsakte, die <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen Normen<br />
vorgingen, einseitig ihrer Wirksamkeit be<strong>ra</strong>uben könnten.<br />
[12] Aus alle<strong>de</strong>m folgt, daß <strong>de</strong>m vom Vert<strong>ra</strong>g geschaffenen, somit aus einer autonomen<br />
Rechtsquelle fließen<strong>de</strong>n Recht wegen dieser seiner Eigenständigkeit keine wie <strong>im</strong>mer<br />
gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen können, wenn ihm nicht sein<br />
Cha<strong>ra</strong>kter als Gemeinschaftsrecht aberkannt und wenn nicht die Rechtsgrundlage <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft selbst in F<strong>ra</strong>ge gestellt wer<strong>de</strong>n soll.“<br />
452 EuGH, Rs. 11/70 (Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr- und Vor<strong>ra</strong>tsstelle für<br />
Getrei<strong>de</strong> und Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff., Rz. 3: „Daher kann es die Gültigkeit einer<br />
Gemeinschaftshandlung o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>en Geltung in einem Mitgliedstaat nicht berühren, wenn
114<br />
gemeinschaftsrechtlicher Sicht von entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung, weil nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts eine einheitliche Geltung und Anwendung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts in<br />
<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten und damit das Funktionieren <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft als solcher sicherstellt. 453<br />
Bei <strong>de</strong>m Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht han<strong>de</strong>lt es sich um einen<br />
sog. Anwendungs-, nicht um einen Geltungsvor<strong>ra</strong>ng. <strong>Das</strong> be<strong>de</strong>utet, daß <strong>de</strong>m<br />
Gemeinschaftsrecht wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen<strong>de</strong>s nationales Recht nicht nichtig wird, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich<br />
nicht zur Anwendung gelangt. Der Anwendungsvor<strong>ra</strong>ng unterschei<strong>de</strong>t sich p<strong>ra</strong>ktisch dort vom<br />
Geltungsvor<strong>ra</strong>ng, wo die gemeinschaftliche Regelung <strong>im</strong> nachhinein wie<strong><strong>de</strong>r</strong> wegfällt: In<br />
diesem Fall lebt die nur verdrängte nationale Vorschrift wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf, ohne daß es hierzu<br />
irgen<strong>de</strong>ines nationalen Rechtsetzungsaktes bedarf. Aus <strong>de</strong>m Anwendungsvor<strong>ra</strong>ng leitet sich<br />
ebenfalls ab, daß <strong>de</strong>m nationalen Recht entgegenstehen<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrecht für ersteres<br />
keine Sperrwirkung entfaltet, also <strong><strong>de</strong>r</strong> nationale Gesetzgeber nicht an jeglicher<br />
Gesetzgebungstätigkeit in <strong>de</strong>m geregelten Bereich gehin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wäre. 454 Sofern die<br />
Mitgliedstaaten jedoch gemeinschaftsrechtswidriges Recht setzen, verletzen sie ihre<br />
Rechtspflichten aus <strong>de</strong>m EG-Vert<strong>ra</strong>g und machen sich u.U. scha<strong>de</strong>nsersatzpflichtig. 455<br />
Da jedoch ein Mitgliedstaat auf die Gemeinschaft nur diejenigen Befugnisse übert<strong>ra</strong>gen darf,<br />
die er tatsächlich innehat und zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en Übert<strong>ra</strong>gung er innerstaatlich berechtigt ist, 456 muß<br />
je<strong>de</strong> Gemeinschaftskompetenz <strong>im</strong>mer auch <strong>im</strong> Lichte <strong>de</strong>s Verfassungsrechts <strong>de</strong>s jeweiligen<br />
Mitgliedstaats gesehen wer<strong>de</strong>n. Aus diesem Grun<strong>de</strong> muß nicht nur aus verfassungsrechtlicher,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n gleichsam aus europarechtlicher Sicht – selbst wenn dies vom EuGH noch nicht<br />
explizit geschehen ist – anerkannt wer<strong>de</strong>n, daß verfassungsrechtlich reservierte Bereiche <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
nationalen Rechtsordnung existieren. 457<br />
geltend gemacht wird, die Grundrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> ihnen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung dieses Staates<br />
gegebenen Gestalt o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Strukturprinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Verfassung seien verletzt.“<br />
453<br />
EuGH, Rs. 6/64, Fn. 451, dort Rz. 9; Streinz, Europarecht, 3. Aufl. 1996, Rdnr. 172.<br />
454<br />
Birk, Fn. 333, § 18, Rdnr. 70; <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH hat in verb. Rs. C-10/97 bis C-22/97 (Ministero<br />
<strong>de</strong>lle finanze/IN.CO.GE.’90 Srl u.a.), Slg. 1998, S. I-6324 ff., 6333, Rz. 21, entschie<strong>de</strong>n,<br />
daß die Unvereinbarkeit einer später ergangenen Vorschrift <strong>de</strong>s innerstaatlichen Rechts mit<br />
<strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht nicht dazu führe, daß diese Vorschrift inexistent sei. Vielmehr<br />
müsse sie unangewen<strong>de</strong>t bleiben; a.A. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 362.<br />
455<br />
Vgl. hierzu die Rechtsprechungshinweise oben Fn. 299.<br />
456<br />
Vgl. die obigen Ausführungen C.III.3.<br />
457<br />
Ebenso Hirsch, Kompetenzverteilung zwischen EuGH und nationaler Gerichtsbarkeit,<br />
NVwZ 1998, S. 907 ff., 908 f.
2. Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong>de</strong>s BVerfG<br />
115<br />
a) Vor <strong>de</strong>m Solange I-Beschluß<br />
Schon in einer frühen Entscheidung anerkannte das BVerfG unter Bezugnahme auf die<br />
Rechtssachen van Gend & Loos 458 sowie Costa/E.N.E.L. 459 die Selbständigkeit und<br />
Unabhängigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgewalt sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en grundsätzlichen Vor<strong>ra</strong>ng vor<br />
nationalem Recht: <strong>Das</strong> BVerfG lehnte daher die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwer<strong>de</strong><br />
gegen EWG-Verordnungen mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung ab, es han<strong>de</strong>le sich bei einer VO nicht um<br />
einen Akt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen öffentlichen Gewalt i.S.d. § 90 BVerfGG. 460<br />
b) Solange I-Beschluß<br />
In seiner als Solange I-Beschluß bekanntgewor<strong>de</strong>nen Entscheidung vom 29. Mai 1974 bejahte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> 2. Senat <strong>de</strong>s BVerfG die Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG. 461<br />
Zwar<br />
könne aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Unabhängigkeit bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtskreise we<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH verbindlich<br />
entschei<strong>de</strong>n, ob eine Regel <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts mit <strong>de</strong>m Grundgesetz vereinbar sei, noch<br />
das BVerfG, ob eine Regel <strong>de</strong>s sekundären Gemeinschaftsrechts gegen pr<strong>im</strong>äres<br />
Gemeinschaftsrecht verstoße. Soweit es allerdings zu einem Konflikt zwischen bei<strong>de</strong>n<br />
Rechtskreisen komme, könne nicht pauschal <strong><strong>de</strong>r</strong> Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts unterstellt<br />
wer<strong>de</strong>n. Zwar öffne Art. 24 GG die nationale Rechtsordnung <strong><strong>de</strong>r</strong>art, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> ausschließliche<br />
Herrschaftsanspruch <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland <strong>im</strong> Geltungsbereich <strong>de</strong>s Grundgesetzes<br />
zurückgenommen und <strong><strong>de</strong>r</strong> unmittelbaren Geltung von gemeinschaftlichem Sekundärrecht<br />
Raum gelassen wer<strong>de</strong>. Sei dagegen ein unaufgebbares, zur Verfassungsstruktur <strong>de</strong>s Grundgesetzes<br />
gehören<strong>de</strong>s „Essentiale“ i.S.d. Art. 79 Abs. 3 GG o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsteil <strong>de</strong>s<br />
Grundgesetzes betroffen, und fin<strong>de</strong> auf <strong><strong>de</strong>r</strong> zwischenstaatlichen Ebene keine Entsprechung, so<br />
458<br />
S.o. Fn. 450.<br />
459<br />
S.o. Fn. 451.<br />
460<br />
BVerfGE 22, S. 293 ff., 296 f.<br />
461<br />
BVerfGE 37, S. 271 ff. – Solange I; Leitsatz: „Solange <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tionsprozeß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft nicht so weit fortgeschritten ist, daß das Gemeinschaftsrecht auch einen von<br />
einem Parlament beschlossenen und in Geltung stehen<strong>de</strong>n formulierten Katalog von<br />
Grundrechten enthält, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Grundrechtskatalog <strong>de</strong>s Grundgesetzes adäquat ist, ist nach<br />
Einholung <strong><strong>de</strong>r</strong> in Art. 177 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Entscheidung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong><br />
Gerichtshofs die Vorlage eines Gerichts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland an das<br />
Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht <strong>im</strong> Normenkontrollverfahren zulässig und geboten, wenn das<br />
Gericht die für es entscheidungserhebliche Vorschrift <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts in <strong><strong>de</strong>r</strong> vom<br />
<strong>Europäischen</strong> Gerichtshof gegebenen Auslegung für unanwendbar hält, weil und soweit sie<br />
mit einem <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong>de</strong>s Grundgesetzes kollidiert.“
116<br />
enthalte Art. 24 GG einen Vorbehalt. 462<br />
Konkret bemängelte das BVerfG, daß die<br />
Gemeinschaft bei damaligem Stand <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion kein unmittelbar <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tisch<br />
legit<strong>im</strong>iertes Parlament mit Gesetzgebungsbefugnissen und keinen kodifizierten<br />
Grundrechtskatalog besitze, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Grundrechtsstandard <strong>de</strong>s Grundgesetzes adäquat sei.<br />
Immerhin stellte das BVerfG für die <strong>de</strong>utschen Gerichte die Verpflichtung auf, eine<br />
Vo<strong>ra</strong>bentscheidung <strong>de</strong>s EuGH nach Art. 234 (ex-Art. 177) E(W)GV einzuholen, bevor diese<br />
die F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> für sie entscheidungserheblichen Norm <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts mit <strong>de</strong>n Grundrechtsga<strong>ra</strong>ntien <strong>de</strong>s Grundgesetzes aufwerfen könnten.<br />
<strong>Das</strong> BVerfG nahm in diesem Zusammenhang für sich die alleinige Zuständigkeit zum Schutz<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Grundgesetz ve<strong>ra</strong>nkerten Grundrechte – auch gegenüber Gemeinschaftsverordnungen –<br />
in Anspruch.<br />
Der Solange I-Beschluß, <strong><strong>de</strong>r</strong> zwar überwiegend kritisiert wur<strong>de</strong>, 463 bewirkte zumin<strong>de</strong>st, daß<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit seine Grundrechtsrechtsprechung intensiver als bisher<br />
vo<strong>ra</strong>ntrieb. 464<br />
Diese Fortschritte <strong>im</strong> Grundrechtsbereich st<strong>im</strong>mten das BVerfG mil<strong><strong>de</strong>r</strong> und leiteten eine<br />
integ<strong>ra</strong>tionsfreundlichere Rechtsprechung, ausgehend vom Vielleicht-Beschluß 465<br />
über <strong>de</strong>n<br />
462<br />
Im Umkehrschluß be<strong>de</strong>utet dies von Seiten <strong>de</strong>s BVerfG ein Eingeständnis, daß das<br />
Gemeinschaftsrecht ihm entgegenstehen<strong>de</strong>s „gewöhnliches“ Verfassungsrecht, welches von<br />
Art. 79 Abs. 3 GG nicht erfaßt wird, je<strong>de</strong>nfalls verdrängt. Als Beispiel hierfür kann <strong><strong>de</strong>r</strong> eng<br />
auszulegen<strong>de</strong> Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „öffentlichen Verwaltung“ i.S.d. Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV<br />
genannt wer<strong>de</strong>n (vgl. EuGH, Rs. 66/85 (Debo<strong>ra</strong>h Lawrie-Blum/Land Ba<strong>de</strong>n-Württemberg),<br />
Slg. 1986, S. 2121 ff., Rz. 26 f.), <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n weiteren Beamtenbegriff <strong>de</strong>s Art. 33 GG in<br />
seinem Anwendungsbereich beschnei<strong>de</strong>t, vgl. Hirsch, Fn. 457, NVwZ 1998, S. 907 f.<br />
463<br />
Nachweise bei Schweitzer, Zur neueren Entwicklung <strong>de</strong>s Verhältnisses von EG-Recht und<br />
bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Grundrechten, JA 1982, S. 174 ff., dort Fn. 27.<br />
464<br />
Vgl. nur Gr<strong>im</strong>m, Europäischer Gerichtshof und nationale Arbeitsgerichte aus verfassungsrechtlicher<br />
Sicht, RdA 1996, S. 66, 68; Peter M. Huber, Fn. 287, S. 361.<br />
465<br />
BVerfGE 52, S. 187 ff., 202 f.: „Der Senat läßt offen, ob und gegebenenfalls inwieweit –<br />
angesichts mittlerweile eingetretener politischer und rechtlicher Entwicklungen <strong>im</strong> europäischen<br />
Bereich – für künftige Vorlagen von Normen <strong>de</strong>s abgeleiteten Gemeinschaftsrechts<br />
die Grundsätze <strong>de</strong>s Beschlusses vom 29. Mai 1974 weiterhin uneingeschränkt Geltung<br />
beanspruchen können.“
117<br />
Eurocontrol I/II-Beschluß 466 und <strong>de</strong>n Mittlerweile-Beschluß 467 bis hin zum Solange II-<br />
Beschluß 468<br />
, ein.<br />
c) Solange II-Beschluß<br />
Im Solange II-Beschluß bescheinigte das BVerfG <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft einen <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen<br />
Recht vergleichbaren Grundrechtsschutz und kehrte die Formel <strong>de</strong>s Solange I-Beschlusses<br />
um: <strong>Das</strong> BVerfG wer<strong>de</strong> sekundäres Gemeinschaftsrecht nicht mehr am Maßstab <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
grundgesetzlichen Grundrechte überprüfen und <strong>de</strong>mentsprechend Vorlagen nach<br />
Art. 100 Abs. 1 GG als unzulässig zurückweisen, solange <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH einen wirksamen Schutz<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Hoheitsgewalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft gewährleiste, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m vom<br />
Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz <strong>im</strong> wesentlichen gleichzuachten<br />
sei. 469 <strong>Das</strong> <strong>im</strong> Solange I-Beschluß aufgestellte Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis eines vom <strong>Europäischen</strong> Parlament<br />
beschlossenen Grundrechtskatalogs ließ das BVerfG <strong>im</strong> Solange II-Beschluß stillschweigend<br />
fallen. Ebenso verzichtete es auf die Ausübung seiner Gerichtsbarkeit gegenüber sekundärem<br />
Gemeinschaftsrecht, in Kenntnis, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> durch <strong>de</strong>n EuGH <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen<br />
Rechtsgrundsätze allmählich entwickelte Grundrechtsschutz <strong>im</strong> Hinblick auf best<strong>im</strong>mte<br />
Grundrechtsprinzipien noch lückenhaft war, weil es die prinzipielle Haltung <strong>de</strong>s EuGH so<br />
einschätzte, daß dieser generell einen – <strong>de</strong>m unabdingbaren Grundrechtsschutz <strong>de</strong>s Grundgesetzes<br />
<strong>im</strong> wesentlichen gleichzuachten<strong>de</strong>n – wirkungsvollen Grundrechtsschutz<br />
gewährleisten wür<strong>de</strong>. 470<br />
466<br />
BVerfGE 58, S. 1 ff.; 59, S. 63 ff.<br />
467<br />
BVerfG, NJW 1983, S. 1258 ff.<br />
468<br />
BVerfGE 73, S. 339 ff.; Amtlicher Leitsatz: „Solange die <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften,<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Rechtsprechung <strong>de</strong>s Gerichtshofs <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaften, einen wirksamen<br />
Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Hoheitsgewalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaften generell<br />
gewährleisten, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz <strong>im</strong><br />
wesentlichen gleichzuachten ist, zumal <strong>de</strong>n Wesensgehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte generell<br />
verbürgt, wird das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit<br />
von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht, das als Rechtsgrundlage für ein Verhalten <strong>de</strong>utscher<br />
Gerichte o<strong><strong>de</strong>r</strong> Behör<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Hoheitsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland in Anspruch<br />
genommen wird, nicht mehr ausüben und dieses Recht mithin nicht mehr am Maßstab <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Grundrechte <strong>de</strong>s Grundgesetzes überprüfen; entsprechen<strong>de</strong> Vorlagen nach<br />
Art. 100 Abs. 1 GG sind somit unzulässig.“<br />
469<br />
Vgl. BVerfGE 73, S. 339 ff., 384.<br />
470<br />
BVerfGE 73, S. 339 ff., 387.
118<br />
d) Maastricht-Urteil<br />
Im Maastricht-Urteil, in <strong>de</strong>m das BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit <strong>de</strong>s<br />
Zust<strong>im</strong>mungsgesetzes zum Vert<strong>ra</strong>g von Maastricht zu befin<strong>de</strong>n hatte, hat es judiziert, für die<br />
Beurteilung von Rechtsakten zwischenstaatlicher Einrichtungen in Deutschland zuständig zu<br />
sein. Allerdings übe es seine Rechtsprechung in einem „Koope<strong>ra</strong>tionsverhältnis“ zum EuGH<br />
aus, wobei es sich auf die Gewährung <strong>de</strong>s Min<strong>de</strong>stgrundrechtsstandards beschränken<br />
könne. 471 Außer<strong>de</strong>m gibt das BVerfG <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utlichen Hinweis, daß die Handhabung <strong>de</strong>s EU-<br />
Vert<strong>ra</strong>gs durch europäische Organe in einer vom Zust<strong>im</strong>mungsgesetz nicht mehr ge<strong>de</strong>ckten<br />
Weise dazu führen wür<strong>de</strong>, daß die da<strong>ra</strong>us hervorgehen<strong>de</strong>n Rechtsakte <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen<br />
Hoheitsbereich nicht verbindlich und somit keine Bindungswirkung entfalten wür<strong>de</strong>n. 472 <strong>Das</strong><br />
BVerfG n<strong>im</strong>mt hier Stellung zu sog. ult<strong>ra</strong> vires-Rechtsakten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft. Hierunter sind<br />
aus <strong>de</strong>m durch das Zust<strong>im</strong>mungsgesetz gesetzten Integ<strong>ra</strong>tions<strong>ra</strong>hmen „ausbrechen<strong>de</strong>“<br />
Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane einschließlich <strong>de</strong>s EuGH zu verstehen, d.h. Rechtsakte,<br />
die außerhalb <strong>de</strong>s vert<strong>ra</strong>glich festgelegten Wirkungskreises <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ergehen und<br />
vom Zust<strong>im</strong>mungsgesetz zum E(W)G-Vert<strong>ra</strong>g nicht mehr ge<strong>de</strong>ckt sind. Aus <strong>de</strong>m Kontext<br />
wird <strong>de</strong>utlich, daß das BVerfG nicht schon je<strong>de</strong> versehentliche Abweichung, sehr wohl aber<br />
g<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong> und offenkundige rechtsfortbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> bzw. sonst mit <strong>de</strong>m Pr<strong>im</strong>ärrecht <strong>im</strong><br />
Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch stehen<strong>de</strong> Handlungen <strong>de</strong>s EuGH als Überschreitung <strong>de</strong>s Integ<strong>ra</strong>tionsprog<strong>ra</strong>mmes<br />
Ein solcher Fall läge schon vor, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine offensichtliche<br />
ansieht. 473<br />
471 Vgl. BVerfGE 89, S. 155 ff., 175, Rz. 13: „Auch Akte einer beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en, von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Staatsgewalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten geschie<strong>de</strong>nen öffentlichen Gewalt einer sup<strong>ra</strong>nationalen<br />
Organisation betreffen die Grundrechtsberechtigten in Deutschland. Sie berühren damit die<br />
Gewährleistungen <strong>de</strong>s Grundgesetzes und die Aufgaben <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts, die<br />
<strong>de</strong>n Grundrechtsschutz in Deutschland und insoweit nicht nur gegenüber <strong>de</strong>utschen<br />
Staatsorganen zum Gegenstand haben (Abweichung von BVerfGE 58, 1 ). Allerdings<br />
übt das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von<br />
abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland in einem „Koope<strong>ra</strong>tionsverhältnis“ zum<br />
<strong>Europäischen</strong> Gerichtshof aus, in <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Europäische Gerichtshof <strong>de</strong>n Grundrechtsschutz<br />
in je<strong>de</strong>m Einzelfall für das gesamte Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften ga<strong>ra</strong>ntiert, das<br />
Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht sich <strong>de</strong>shalb auf eine generelle Gewährleistung <strong><strong>de</strong>r</strong> unabding-<br />
baren Grundrechtsstandards (vgl. BVerfGE 73, 339 ) beschränken kann.“<br />
472 BVerfGE 89, S. 155 ff., 188, 195, 210. Plastisch drückt dies Kirchhof, Fn. 18, S. 966, aus:<br />
„Europarecht erreicht nur über die Brücke <strong>de</strong>s nationalen Zust<strong>im</strong>mungsgesetzes <strong>de</strong>n<br />
Geltungsbereich Deutschland. Soweit diese Brücke dieses Recht nicht trägt, entfaltet es<br />
je<strong>de</strong>nfalls in Deutschland keine Rechtsverbindlichkeit.“<br />
473 Vgl. hierzu Hirsch, Europäischer Gerichtshof und Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht – Koope<strong>ra</strong>tion<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Konfrontation?, NJW 1996, S. 2457 ff., 2466.
119<br />
Vert<strong>ra</strong>gsverletzung durch ein Gemeinschaftsorgan, die ihm i.R. eines Verfahrens nach Art.<br />
230 (ex-Art. 173) EGV zuget<strong>ra</strong>gen wird, nicht behebt. 474<br />
e) Folgerungen für Kompetenzüberschreitungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />
Als heikel muß nach wie vor die F<strong>ra</strong>ge beurteilt wer<strong>de</strong>n, ob ausschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
auch das BVerfG zur Feststellung einer Kompetenzüberschreitung durch einen<br />
Gemeinschaftsrechtsakt zuständig ist.<br />
Soweit sich das BVerfG bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Überprüfung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechtsaktes auf die bei<strong>de</strong>n<br />
F<strong>ra</strong>gen beschränkt, ob dieser <strong>de</strong>n Wesensgehalt <strong>de</strong>utscher Grundrechte verletzt und vom<br />
<strong>de</strong>utschen Zust<strong>im</strong>mungsgesetz ge<strong>de</strong>ckt ist, muß man m.E. eine Zuständigkeit <strong>de</strong>s höchsten<br />
<strong>de</strong>utschen Verfassungshüters bejahen. 475 <strong>Das</strong> BVerfG könnte in bei<strong>de</strong>n Fällen zu<strong>de</strong>m<br />
lediglich die Nichtanwendbarkeit <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechtsaktes in Deutschland, nicht<br />
dagegen seine Nichtigkeit feststellen. 476<br />
Vor einer endgültigen Entscheidung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtanwendbarkeit müßte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, <strong><strong>de</strong>r</strong> das<br />
Monopol für die Auslegung von Gemeinschaftsrecht besitzt, die Gelegenheit bekommen<br />
haben, <strong>de</strong>n Gemeinschaftsrechtsakt aufzuheben, 477<br />
was <strong>im</strong> Regelfall durch das Vo<strong>ra</strong>bent-<br />
474<br />
Auch Her<strong>de</strong>gen, Fn. 40, Rdnr. 244, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Solange-Vorbehalt dann<br />
aktuell wer<strong>de</strong>, wenn die Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH in einer Reihe von Entscheidungen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
einem beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s schwerwiegen<strong>de</strong>n Einzelfall d<strong>ra</strong>matisch unter das <strong>im</strong> wesentlichen<br />
vergleichbare <strong>de</strong>utsche Grundrechtsniveau absinke; ebenso: Zuck/Christofer Lenz, Verfassungsrechtlicher<br />
Rechtsschutz gegen Europa – Prozessuale Möglichkeiten vor <strong>de</strong>n Fachgerichten<br />
und <strong>de</strong>m BVerfG gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft, NJW 1997,<br />
S. 1193 ff., 1195.<br />
475<br />
Vgl. Vachek, Fn. 437, S. 152; Griller, Grundzüge <strong>de</strong>s Rechts <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>,<br />
S. 43 ff., 47. Hirsch, Fn. 457, S. 909, <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 92, S. 21, vertritt dagegen die Auffassung,<br />
daß das BVerfG durch das Maastricht-Urteil nicht die Solange II-Entscheidung habe<br />
antasten wollen, nach welcher <strong><strong>de</strong>r</strong> Standard <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte mit <strong>de</strong>utschen<br />
Grundrechten nach wie vor gleichzuachten sei. Vielmehr habe sich das BVerfG lediglich<br />
vorbehalten, zu überprüfen, ob Gemeinschaftsrechtsakte vom <strong>de</strong>utschen Zust<strong>im</strong>mungsgesetz<br />
ge<strong>de</strong>ckt seien. Dies läßt sich allerdings mit <strong><strong>de</strong>r</strong> unter Fn. 471 zitierten Aussage <strong>de</strong>s<br />
BVerfG nicht vereinbaren. Ebenso sieht Frowein, Der St<strong>ra</strong>ßburger Grundrechtsschutz in<br />
seinen Auswirkungen auf die nationalen Rechtsordnungen und das Gemeinschaftsrecht,<br />
S. 25 ff., 36, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Maastricht-Entscheidung <strong>im</strong> Grundrechtsbereich einen „Rückzug von<br />
Solange II“.<br />
476<br />
Vgl. auch Hirsch, Fn. 457, NVwZ 1998, S. 907, 908.<br />
477<br />
Vgl. Streinz, Fn. 453, Rdnr. 217a.
120<br />
scheidungsverfahren nach Art. 234 (ex-Art. 177) EGV erreicht wird. Die Anrufung <strong>de</strong>s EuGH<br />
muß dabei nicht zwingend durch das BVerfG selbst, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n kann auch durch ein<br />
mitgliedstaatliches Instanzgericht erfolgen. 478<br />
Ein gemeinschaftsrechtlicher Rechtsakt, durch welchen eine religionsrechtliche Materie<br />
geregelt wird, wäre in Deutschland nach einer Entscheidung <strong>de</strong>s BVerfG <strong>im</strong> eben<br />
angesprochenen Sinne unanwendbar, soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> angebliche Kompetenztitel, auf <strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaftsrechtsakt gestützt wird, entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> überhaupt nicht auf die Gemeinschaft<br />
übert<strong>ra</strong>gen wur<strong>de</strong> (ult<strong>ra</strong> vires-Rechtsakt) 479 o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn durch <strong>de</strong>n Gemeinschaftsrechtsakt<br />
Art. 4 Abs. 1, 2 GG – <strong><strong>de</strong>r</strong> in seinem Schutzbereich zugleich teilweise Rechtspositionen <strong>de</strong>s<br />
Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 – 139 u. 141 WRV enthält – in seinem Wesensgehalt 480<br />
beeinträchtigt wür<strong>de</strong>.<br />
Eine Verletzung <strong>de</strong>s Grundrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> grundgesetzlich gewährleisteten Religionsfreiheit kann<br />
vor allem dort in Bet<strong>ra</strong>cht kommen, wo die Gemeinschaft von <strong>de</strong>n ihr durch <strong>de</strong>n EG-Vert<strong>ra</strong>g<br />
zugewiesenen Kompetenzen Geb<strong>ra</strong>uch macht, ohne hierbei <strong>de</strong>n Kernbereich<br />
grundgesetzlicher Religionsfreiheit sicherzustellen.<br />
Art. 9 EMRK, das Pendant <strong><strong>de</strong>r</strong> grundgesetzlichen Religionsfreiheit <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> Menschenrechtskonvention, kann dagegen von vornherein nicht unter die<br />
Essentialia <strong>de</strong>s Grundgesetzes subsumiert wer<strong>de</strong>n. Grund hierfür ist, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK als<br />
völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG aufgrund <strong>de</strong>s Zust<strong>im</strong>mungsgesetzes<br />
vom 7. August 1952 481 nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Rang eines einfachen Bun<strong>de</strong>sgesetzes und damit kein<br />
Verfassungs<strong>ra</strong>ng zukommt. 482<br />
478<br />
Da nationale Kompetenzen insoweit gar nicht auf die Gemeinschaft übert<strong>ra</strong>gen wur<strong>de</strong>n,<br />
geht Zuleeg, Bananen und Grundrechte – Anlaß zum Konflikt zwischen europäischer und<br />
<strong>de</strong>utscher Gerichtsbarkeit, NJW 1997, S. 1201 ff., 1206, zu Unrecht von einem Verhältnis<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Konfrontation o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar <strong><strong>de</strong>r</strong> Subordination <strong>de</strong>s BVerfG über <strong>de</strong>n EuGH aus. Zutreffend<br />
weisen hingegen Zuck/Christofer Lenz, Fn. 474, S. 1195, da<strong>ra</strong>uf hin, daß das BVerfG in<br />
diesem Fall auf seine Zuständigkeit gar nicht verzichten kann.<br />
479<br />
So auch Hollerbach, Fn. 17, S. 272 f. De lege lata wäre dies bei einer Regelung <strong>de</strong>s<br />
<strong>Religionsrecht</strong>s als solchem durch die Gemeinschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall.<br />
480<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen oben C.III.3.c).<br />
481<br />
BGBl. 1952 II, S. 685, 953.<br />
482<br />
Vgl. BVerfGE 41, S. 88 ff., 105 f.; 74, S. 358 ff., 370; Giegerich, Luxemburg, Karlsruhe,<br />
St<strong>ra</strong>ßburg – Dreistufiger Grundrechtsschutz in Europa?, ZaöRV (50) 1990, S. 836 ff.,<br />
S. 852.
121<br />
Aus rechtspolitischen Erwägungen he<strong>ra</strong>us hat es das BVerfG bis dato noch in keinem Fall<br />
gewagt, <strong><strong>de</strong>r</strong> Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtanwendbarkeit von Gemeinschaftsrecht p<strong>ra</strong>ktische Wirksamkeit<br />
zu verleihen, obwohl sich ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bananenstreit geeignet hätte, um ein Exempel zu<br />
statuieren. Daher besteht inzwischen hinreichend Anlaß zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Vermutung, daß es von Seiten<br />
<strong>de</strong>s BVerfG auch weiterhin nur bei <strong>de</strong>n bisherigen Drohgebähr<strong>de</strong>n bleiben wird. 483<br />
f) Zusammenfassung<br />
Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 3 GG verwehrt durch <strong>de</strong>n Verweis auf die gesamte<br />
Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 1 GG zumin<strong>de</strong>st die Übert<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s Wesensgehalts <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />
nach Art. 4 GG als „nachfolgen<strong>de</strong>s Grundrecht“ auf die EU. Der Kernbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> über<br />
Art. 140 GG inkorporierten religionsrechtlichen Vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> WRV wird hingegen nur<br />
insoweit durch Art. 79 Abs. 3 GG gewährleistet, als <strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechtspositionen zugleich auch in<br />
Art. 4 GG enthalten sind.<br />
Der Anwendungsvor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts kann nur dort eingreifen, wo <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweilige<br />
Mitgliedstaat aufgrund seiner Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen eine Übert<strong>ra</strong>gung von originär<br />
mitgliedstaatlichen Kompetenzen auf die Gemeinschaft überhaupt gestattet. Ein<br />
gemeinschaftsrechtlicher Rechtsakt, durch welchen eine religionsrechtliche Materie geregelt<br />
wird, wäre in Deutschland daher unanwendbar, soweit für diesen entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> gar kein<br />
Kompetenztitel existiert (ult<strong>ra</strong> vires-Rechtsakt) o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn hierdurch Art. 4 GG in seinem<br />
Wesensgehalt beeinträchtigt wür<strong>de</strong>.<br />
483 So auch Bernhardt, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die <strong>de</strong>utsche<br />
Rechtsordnung – Eine Einführung, EuGRZ 1996, S. 339; Dauses, Eine Lanze für ”Solange<br />
III”, EuZW 1997, S. 705. Dieser bemängelt konkret, daß außer gelegentlichen<br />
Feststellungen von Verletzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskr<strong>im</strong>inierungsverbote und <strong>de</strong>s allgemeinen<br />
Gleichheitssatzes vom EuGH – soweit ersichtlich – in keinem einzigen Fall eine Verletzung<br />
von Grundrechten i.e.S. durch <strong>de</strong>n Gemeinschaftsgesetzgeber angenommen wor<strong>de</strong>n sei. Er<br />
ermutigt daher das BVerfG, bei eklatanten Grundrechtsverstößen nicht nur verbal mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Unanwendbarkeit von Sekundärrechtsakten zu drohen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n diese auch tatsächlich<br />
festzustellen; vgl. auch T<strong>ra</strong>utwein, Zur Rechtsprechungskompetenz <strong>de</strong>s BVerfG auf <strong>de</strong>m<br />
Gebiet <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrechts, JuS 1997, S. 893 ff., 895 m.w.N., 897.
122<br />
3. Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten 484<br />
Während die Verfassungen von Spanien und Portugal, Irland und Griechenland <strong>de</strong>m<br />
Gemeinschaftsrecht von vornherein einen höheren Rang als ihrem gesamten nationalen Recht<br />
einräumten, 485 bedurfte es in Großbritannien aufgrund <strong>de</strong>s dort vertretenen strikten Dualismus<br />
eines geson<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Gesetzes (European Communities Act 1972), aus welchem sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Vor<strong>ra</strong>ng<br />
<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts gegenüber nationalem Recht ergab, sowie einiger höchstrichterlicher<br />
Entscheidungen. 486<br />
F<strong>ra</strong>nkreich hingegen tat sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Anerkennung <strong>de</strong>s Vor<strong>ra</strong>ngs <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />
schwerer, weil Art. 55 <strong><strong>de</strong>r</strong> f<strong>ra</strong>nzösischen Verfassung einen solchen für völkerrechtliche<br />
Verträge nur gegenüber innerstaatlichen Gesetzen, nicht dagegen gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung<br />
vorsieht. 487 Der Conseil d’Etat folgte <strong>im</strong> Arrêt Nicolo vom 20. Oktober 1989 488 nach<br />
anfänglichem Zögern 489 schließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Cour <strong>de</strong> Cassation und <strong>de</strong>m Conseil Constitutionnel,<br />
die schon am 24. Mai 1975 490 bzw. 30. Dezember 1977 491 <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s EWG-Vert<strong>ra</strong>gs<br />
vor sämtlichen f<strong>ra</strong>nzösischen Gesetzen, nicht jedoch gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung anerkannt<br />
hatten. Um eine <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Kollision mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung auszuschließen, mußte F<strong>ra</strong>nkreich<br />
gemäß einer Entscheidung <strong>de</strong>s Conseil Constitutionnel vom 31. Dezember 1997 vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ratifikation <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Amsterdam eine Verfassungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung durchführen. 492<br />
484<br />
Einzelheiten bei Bleckmann, Europarecht, 5. Aufl. 1990, Rdnrn. 722 ff., 759 f.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />
Europarecht, 6. Aufl., Rdnrn. 1045 ff., 1095 ff. sowie Schweitzer/Hummer, Europarecht,<br />
4. Aufl., S. 220 ff.<br />
485<br />
Vgl. die Nachweise bei Zuleeg, Die Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Gerichtsbarkeit und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
nationalen Lehre zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht und in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechtsprechung <strong>de</strong>s Gerichtshofs <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften, in: Iliopoulos-<br />
St<strong>ra</strong>ngas (Hrsg.), Grundrechtsschutz <strong>im</strong> europäischen Raum, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1993, S. 231 ff.,<br />
236 f., dort Fn. 30 – 32, 34.<br />
486<br />
So bestätigte <strong><strong>de</strong>r</strong> High Court of Justice of England durch Urteil vom 7.11.1973, C.M.L.R.<br />
12 (1973), S. 819 ff., das House of Lords durch Urteil vom 27.3.1980, C.L.M.R. 28 (1980),<br />
S. 229 ff., sowie schließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Court of Appeal durch Urteil vom 17.4.1980, C.M.L.R. 28<br />
(1980), S. 217 ff., <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts vor englischem Recht.<br />
487<br />
Vgl. zu dieser Problematik Grewe, Fn. 152, S. 24 f.<br />
488<br />
EuGRZ 1990, S. 99 ff., 106.<br />
489<br />
AJDA 1985, S. 216 ff.<br />
490<br />
EuR 1975, S. 326 ff. m. Anm. Bieber.<br />
491<br />
EuR 1978, S. 363 ff. m. Anm. Bieber.<br />
492<br />
EuGRZ 1998, S. 27 ff., 31; vgl. auch Kirchhof, Fn. 18, S. 973.
123<br />
Die größten verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten, <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />
anzuerkennen, hatte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit neben <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen BVerfG die Corte<br />
Costituzionale, <strong><strong>de</strong>r</strong> italienische Verfassungsgerichtshof. 493<br />
Aber auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Dänische Oberste Gerichtshof vert<strong>ra</strong>t in einem Urteil vom 6. April 1998 die<br />
Auffassung, er selbst habe darüber zu befin<strong>de</strong>n, inwieweit ein EG-Rechtsakt die Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
durch das Beitrittsgesetz vorgenommenen Souveränitätsübert<strong>ra</strong>gung überschreitet. Somit wäre<br />
auch von Dänischen Gerichten ein EG-Rechtsakt in Dänemark als unanwendbar zu<br />
bet<strong>ra</strong>chten, wenn ein EG-Rechtsakt, <strong><strong>de</strong>r</strong> vom EuGH aufrechterhalten wur<strong>de</strong>, auf einer Anwendung<br />
<strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs beruht, die von <strong><strong>de</strong>r</strong> Souveränitätsübert<strong>ra</strong>gung durch das Beitrittsgesetz<br />
nicht ge<strong>de</strong>ckt ist. 494<br />
In <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten Luxemburg, Belgien <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n und Spanien dagegen ergingen<br />
höchstrichterliche Entscheidungen, die <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts vor nationalem<br />
Recht ohne größeren Verfassungskonflikt anerkannten. 495 In Österreich 496<br />
und an<strong><strong>de</strong>r</strong>en erst<br />
493<br />
Durch sein Urteil Nr. 170 vom 5.6.1984, EuGRZ 1985, S. 98 ff. m. Anm. Ritterspach,<br />
anerkannte die Corte Costituzionale <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng von Gemeinschaftsverordnungen<br />
gegenüber abweichen<strong>de</strong>n nationalen Gesetzen. Trotz<strong>de</strong>m entschied <strong><strong>de</strong>r</strong> italienische<br />
Verfassungsgerichtshof ähnlich wie das BVerfG, daß Souveränitätsbeschränkungen<br />
aufgrund Art. 11 <strong><strong>de</strong>r</strong> italienischen Verfassung – dieser entspricht Art. 24 GG a.F. bzw.<br />
Art. 23 GG n.F. – nur zur Verfolgung <strong><strong>de</strong>r</strong> pr<strong>im</strong>ärrechtlich festgelegten Ziele ermächtigen<br />
wür<strong>de</strong>n. Sollte die Befürchtung bestehen, daß durch einen Sekundärrechtsakt nach<br />
Art. 249 (ex-Art. 189) E(W)GV die Grundprinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> italienischen verfassungsrechtlichen<br />
Ordnung verletzt wür<strong>de</strong>n, so wäre stets die Ga<strong>ra</strong>ntie <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtskontrolle durch<br />
die Corte Costituzionale gewährleistet, die fortdauern<strong>de</strong> Vereinbarkeit <strong>de</strong>s EWGV mit <strong>de</strong>n<br />
vorgenannten Grundprinzipien zu überprüfen. Pa<strong>ra</strong>llelen zur <strong>de</strong>utschen ult<strong>ra</strong> vires-<br />
Rechtsprechung sind damit unübersehbar. Durch das Urteil Nr. 232 vom 21.4.1989 hat die<br />
Corte Costituzionale <strong>de</strong>n Vorbehalt gegenüber <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht nach wie vor<br />
aufrechterhalten. Weitere Einzelheiten bei Bleckmann, Fn. 484, 5. Aufl., Rdnrn. 761 ff.;<br />
6. Aufl., Rdnrn. 1098 ff.; Schweitzer/Hummer, Fn. 484, S. 220 f.; Zuleeg, Fn. 485, S. 233.<br />
494<br />
Zitat bei Kirchhof, Fn. 18, S. 973. Aus diesem Grund verhält es sich keineswegs so, daß nur<br />
Deutschland Schwierigkeiten einer <strong>de</strong>finitiven Anerkennung <strong>de</strong>s Vor<strong>ra</strong>ngs <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />
hat, so aber Selmayr/Prowald, Fn. 436, S. 269.<br />
495<br />
Vgl. Zuleeg, Fn. 485, S. 235, dort Fn. 19.<br />
496<br />
Z.T. wird in <strong><strong>de</strong>r</strong> österreichischen Lite<strong>ra</strong>tur ebenfalls vertreten, daß sich die bun<strong>de</strong>sverfassungsgesetzliche<br />
Ermächtigung zum Abschluß <strong>de</strong>s Beitrittsvert<strong>ra</strong>gs Österreichs<br />
(ABl. 1994, Nr. C 241, S. 9 ff. i. d. F. ABl. 1995, Nr. L 1, S. 1 ff.) nicht auf Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
verfassungsrechtlicher Grundprinzipien erstrecke, es also einen sog. „integ<strong>ra</strong>tionsfesten<br />
Vefassungskern“ gebe, <strong><strong>de</strong>r</strong> durch Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nicht ohne weiteres
124<br />
kürzlich beigetretenen Mitgliedstaaten bedarf das Verhältnis <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zu<br />
nationalem Recht erst noch <strong><strong>de</strong>r</strong> verfassungsgerichtlichen Klärung.<br />
V. Anwendung auf das <strong>Religionsrecht</strong><br />
Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft keine explizite Kompetenz<br />
zur Regelung <strong>de</strong>s mitgliedstaatlichen <strong>Religionsrecht</strong>s als solchen übert<strong>ra</strong>gen wor<strong>de</strong>n. Eine<br />
umfassen<strong>de</strong> Regelung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s wäre daher mit <strong>de</strong>m Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten<br />
Ermächtigung unvereinbar. 497<br />
Trotz<strong>de</strong>m besitzt die Gemeinschaft in einigen Bereichen (z.B. Freizügigkeit, Arbeits- und<br />
Sozialrecht) Kompetenzen zum Erlaß gemeinschaftseigener Regelungen. Da das<br />
<strong>Religionsrecht</strong> eine typische Querschnittsmaterie darstellt und somit Berührungspunkte zu<br />
<strong>de</strong>n vielen Materien aufweist, in <strong>de</strong>nen die Gemeinschaft Regelungskompetenzen innehat,<br />
kommt es in Teilbereichen kirchlichen Wirkens (z.B. kirchliches Arbeitsrecht;<br />
Kirchensteuerrecht; diakonisches Wirken) vermehrt zum Erlaß sekundären<br />
Gemeinschaftsrechts, zumal sich die Europäische Integ<strong>ra</strong>tion zunehmend auf<br />
nichtwirtschaftliche Aufgabenfel<strong><strong>de</strong>r</strong> ausweitet. 498<br />
Es kann daher nicht mehr davon gesprochen<br />
wer<strong>de</strong>n, daß es sich be<strong>im</strong> <strong>Religionsrecht</strong> um einen gemeinschaftsrechtfreien Bereich han<strong>de</strong>le.<br />
Der Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Regelungsintensität auf diesem Gebiet richtet sich daher nach <strong>de</strong>m Ausmaß<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Kompetenzen für einzelne religionsrechtlich relevante Materien.<br />
Aufgrund <strong>de</strong>s grundsätzlichen Vor<strong>ra</strong>ngs <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts kann die Rechtsetzung<br />
i.R.d. Gemeinschaftsrechts eine schleichen<strong>de</strong> Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s nationalen Staat-Kirche-<br />
Verhältnisses zur Folge haben, vo<strong>ra</strong>usgesetzt die Regelungen auf sup<strong>ra</strong>nationaler Ebene fallen<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als <strong>im</strong> mitgliedstaatlichen Recht aus. Verstärkt wird dieser Prozeß insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
dadurch, daß die EU <strong><strong>de</strong>r</strong> Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s bisher nur in geringem Maße<br />
Rechnung trägt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n dieses – wie alle Materien, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen<br />
– überwiegend über <strong>de</strong>n Kamm ihrer wirtschaftlichen Bet<strong>ra</strong>chtungsweise schert. Die<br />
genannten Sekundärrechtsakte, in <strong>de</strong>nen religionsrechtliche Belange eigens Berücksichtigung<br />
abgeän<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n könne. Zum Meinungsstand: Peter Fischer/Köck, Fn. 84, S. 113 f., dort<br />
Fn. 261. Griller, Fn. 475, S. 47 f., ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht, daß k<strong>ra</strong>sse Kompetenzüberschreitungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EU durch ult<strong>ra</strong> vires-Akte die rechtliche Möglichkeit einer Nichtanwendung <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts eröffnen.<br />
497<br />
So schon Bleckmann, in: Christoph, Fn. 139, S. 415; Hollerbach, Fn. 17, S. 268; Kalb,<br />
Fn. 393, S. 88.<br />
498<br />
So auch Robbers, Fn. 32, S. 122 f.
125<br />
fan<strong>de</strong>n, dürfen nicht darüber hinweg täuschen, daß das gemeinschaftsrechtliche Arbeits- und<br />
Sozialrecht so gut wie keine Unterscheidung zwischen kirchlichen und sonstigen<br />
Arbeitnehmern trifft – und das, obwohl die Gemeinschaft grundsätzlich von einer ihr<br />
zustehen<strong>de</strong>n Regelungsbefugnis selbst für <strong>de</strong>n liturgischen Bereich von Religionsgemeinschaften<br />
ausgeht. Dies zeigt sich z.B. da<strong>ra</strong>n, daß Art. 17 <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeitrichtlinie für die in<br />
diesem Bereich Beschäftigten eine spezielle Regelung vorsieht. 499<br />
Ebenso macht ein Blick auf die oben dargestellte Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH <strong>de</strong>utlich, daß<br />
dieser nur in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. P<strong>ra</strong>is die Religionsfreiheit als solche <strong>im</strong> Rahmen seiner Judikatur<br />
he<strong>ra</strong>ngezogen hat, obwohl die dargestellten religionsrechtlichen Sachverhalte es weit häufiger<br />
gerechtfertigt hätten, auf diese zurückzugreifen. 500<br />
Da somit – auch ohne explizite Übert<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s auf die EU –<br />
gemeinschaftsrechtliche Best<strong>im</strong>mungen das nationale <strong>Religionsrecht</strong> beeinflussen, erscheint<br />
es zur Wahrung kirchlicher und religiöser Interessen – insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>im</strong> Hinblick auf die<br />
inneren Angelegenheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften – geboten, eine Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelung auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaftsrechtsebene zu erreichen. 501 Die Formulierung religionsrechtlicher<br />
Rechtspositionen auf Gemeinschaftsebene bringt keinesfalls zwingend Nachteile für die<br />
einzelnen Religionsgemeinschaften mit sich. Aufgrund <strong>de</strong>s Vor<strong>ra</strong>ngs <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />
vor nationalem Recht könnte einer Religionsgemeinschaft durchaus über das<br />
Gemeinschaftsrecht eine Rechtsposition erwachsen, welche dieser nach nationalem Recht<br />
bisher nicht gewährt wird. In Deutschland beispielsweise ist an Schulen Religion bislang nur<br />
für evangelische und römisch-katholische getaufte Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> als or<strong>de</strong>ntliches Unterrichtsfach<br />
anerkannt, obwohl auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Religionsgemeinschaften (z.B. Freikirchen) <strong>de</strong>n Status einer<br />
K.d.ö.R. genießen. Gemeinschaftsrechtlich könnte <strong><strong>de</strong>r</strong>en Glaubensauffassung über die<br />
Schaffung entsprechen<strong><strong>de</strong>r</strong> Dienstposten an öffentlichen Schulen ebenfalls berücksichtigt<br />
wer<strong>de</strong>n, wie dies z.B. in Österreich für die islamische Glaubensgemeinschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist. 502<br />
Da eine pr<strong>im</strong>ärrechtliche Neuregelung i.S.d. Art. 48 (ex-Art. N) Abs. 1 EUV die Ratifizierung<br />
aller Mitgliedstaaten gemäß <strong><strong>de</strong>r</strong>en verfassungsrechtlichen Vorschriften vo<strong>ra</strong>ussetzt, kann in<br />
Mitgliedstaaten, in welchen <strong>de</strong>n Religionsgemeinschaften in nur geringerem Ausmaße Rechte<br />
zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, mit über<strong>ra</strong>schen<strong>de</strong>n Neuerungen eher nicht gerechnet wer<strong>de</strong>n. Etwas<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>es gilt jedoch für beitrittswillige Staaten, nach <strong><strong>de</strong>r</strong>en nationalen Best<strong>im</strong>mungen Kirchen<br />
und Religionsgemeinschaften nur ein beschei<strong>de</strong>nes individuelles und institutionelles<br />
499<br />
Einzelheiten s.u. K.V.2.a).<br />
500<br />
Ebenso Kalb, Fn. 393, S. 91.<br />
501<br />
Ähnlich Robbers, Fn. 181, S. 85 = LS 3; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993,<br />
S. 108.<br />
502<br />
Vgl. Helmut Schnizer, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 113.
126<br />
<strong>Religionsrecht</strong> kennen: Zwar wird ein Beitrittskandidat – bei Erfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />
<strong>de</strong>s Art. 49 (ex-Art. O) EUV – ebenfalls nur Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> wer<strong>de</strong>n, wenn er zusätzlich<br />
die nationalen Hür<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Beitritts – Zust<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Parlaments, u.U. Volksabst<strong>im</strong>mung –<br />
n<strong>im</strong>mt; bei einem Beitritt ist jedoch grds. <strong><strong>de</strong>r</strong> aquis communitaire, d.h. das gesamte<br />
Gemeinschaftsrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklungsstufe, das dieses <strong>im</strong> Zeitpunkt <strong>de</strong>s Beitrittes innehat,<br />
vom Beitrittskandidaten zu übernehmen. Ein potentieller Mitgliedstaat wird aus diesem Grund<br />
weitergehen<strong>de</strong> Rechte für Kirchen und Religionsgemeinschaften aller Wahrscheinlichkeit<br />
nach akzeptieren, will er nicht <strong>de</strong>n Beitritt als solchen zunichte machen.
D. Die Erklärung Nr. 11 zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />
weltanschaulichen Gemeinschaften<br />
127<br />
Die Erklärung Nr. 11 zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften<br />
(„Kirchenerklärung“) wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte <strong>de</strong>s am 2. Oktober 1997 durch die Staats- und<br />
Regierungschefs <strong><strong>de</strong>r</strong> EU unterzeichneten Vert<strong>ra</strong>gs von Amsterdam als gemeinsame Erklärung<br />
beigefügt. Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich insofern um ein Novum, als zum ersten Mal Kirchen und<br />
religiöse Vereinigungen in einem von einer Regierungskonferenz ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>ten Vert<strong>ra</strong>g<br />
explizit erwähnt wur<strong>de</strong>n; dies ist als weiteres Indiz für einen Übergang <strong><strong>de</strong>r</strong> EU von <strong><strong>de</strong>r</strong> bisher<br />
reinen Wirtschaftsgemeinschaft hin zur politischen <strong>Union</strong> zu werten.<br />
I. Anlaß für die Schaffung eines Kirchenartikels<br />
In <strong>de</strong>n ersten Jahrzehnten <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG konnte das mitgliedstaatlich verfaßte <strong>Religionsrecht</strong> noch<br />
weitgehend als „gemeinschaftsfest“ bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Jedoch wur<strong>de</strong>n von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />
– bestätigt durch <strong>de</strong>n EuGH – viele originär mitgliedstaatliche Materien, z.B. <strong>im</strong> kulturellen<br />
Bereich, durch das Herstellen eines Bezugs zum Wirtschaftsleben in <strong><strong>de</strong>r</strong>en Regelungsbefugnis<br />
einbezogen. 503<br />
Vor allem aber wur<strong>de</strong>n die Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft durch Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gründungsverträge erweitert. Heutzutage stellt sich die EU als staatsähnliche<br />
Organisationsform dar, die mehr und mehr Bereiche gesellschaftlichen und politischen Lebens<br />
unter ihrem Dach vereinigt. Die Gemeinschaftskompetenzen, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auf <strong>de</strong>n Gebieten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Lohngleichheit von Mann und F<strong>ra</strong>u, <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bildungspolitik, erstrecken sich nunmehr auch auf Bereiche kirchlichen Wirkens, für die <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
nationale Gesetzgeber teilweise ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht für Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften anerkannt hatte. Die wirtschaftliche Bet<strong>ra</strong>chtungsweise, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> die<br />
Gemeinschaft auch nicht pr<strong>im</strong>är wirtschaftliche Materien beurteilte, nährte kirchlicherseits die<br />
Befürchtung, es könne mittelbar zu einer g<strong>ra</strong>duellen Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten kommen, soweit die Kompetenzf<strong>ra</strong>ge hinsichtlich <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s nicht<br />
positivrechtlich auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts geklärt wür<strong>de</strong>.<br />
503 Vgl. z.B. EuGH, Rs. 155/73 (Sacchi/Tribunale di Biella), Slg. 1974, S. 409 ff., wonach bei<br />
Fernsehsendungen die Regeln über <strong>de</strong>n Dienstleistungsverkehr, vgl. Art. 55 (ex-Art. 66)<br />
i.V.m. Art. 47 (ex-Art. 57) Abs. 2 EGV, Anwendung fin<strong>de</strong>n sollen.
128<br />
Aus diesem Grun<strong>de</strong> sollte auf <strong>de</strong>n Erlaß einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift hingewirkt<br />
wer<strong>de</strong>n, aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong>er die Europäische <strong>Union</strong> das in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten stark divergieren<strong>de</strong><br />
<strong>Religionsrecht</strong> respektieren müsse und nicht zum Gegenstand von<br />
Harmonisierungsbestrebungen machen dürfe. 504<br />
Dieses Kirchenstatut sollte also explizit<br />
klarstellen, daß allein die Mitgliedstaaten zum Erlaß religionsrechtlicher Materien<br />
regelungsbefugt seien, <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft hingegen keine diesbezügliche Kompetenz<br />
übert<strong>ra</strong>gen wor<strong>de</strong>n sei. Angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> Ten<strong>de</strong>nz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, bestehen<strong>de</strong> Unterschie<strong>de</strong><br />
zwischen <strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu nivellieren, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstoß in erster<br />
Linie <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Großkirchen gut nachvollziehbar, da diesen durch <strong>de</strong>n nationalen<br />
Verfassungsgesetzgeber weitgehen<strong>de</strong> Rechte (Kirchensteuerrecht, Staatsleistungen, Religion<br />
als or<strong>de</strong>ntliches Lehrfach an öffentlichen Schulen usw.), eingeräumt wor<strong>de</strong>n sind, die sich<br />
nicht in gleichem Ausmaß auf Gemeinschaftsebene wie<strong><strong>de</strong>r</strong>fin<strong>de</strong>n.<br />
In <strong>de</strong>m gemeinsam vom Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD sowie <strong>de</strong>m Sekretariat <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen<br />
Bischofskonferenz he<strong>ra</strong>usgegebenen „Memo<strong>ra</strong>ndum zur Rechtsstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Vert<strong>ra</strong>gswerk <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>“ wer<strong>de</strong>n die sechs<br />
offiziell von bei<strong>de</strong>n Kirchen angestrebten Ziele erwähnt, die durch die Einfügung einer<br />
Best<strong>im</strong>mung in die Gründungsverträge erreicht wer<strong>de</strong>n sollten:<br />
„(1) die Mitwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung Europas;<br />
(2) die Sicherung <strong><strong>de</strong>r</strong> bestehen<strong>de</strong>n staatskirchenrechtlichen Systeme auf Verfassungsebene in<br />
<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten;<br />
(3) die Vermeidung von Verdrängung: kein einzelstaatliches System <strong>de</strong>s Verhältnisses von<br />
Staat und Kirche verdrängt ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es;<br />
(4) die Grundlegung angemessener religionsrechtlicher Strukturen <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht;<br />
(5) die Vermeidung je<strong><strong>de</strong>r</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung von Religion und Religionsgemeinschaften gegenüber<br />
gesellschaftlichen Kräften auf Gemeinschaftsebene;<br />
(6) die Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Kompetenzen <strong>im</strong> Staatskirchenrecht.“ 505<br />
II. Reformvorschläge<br />
504 Marcus-Helmons, EI 1996, S. 6 f., 7; Robbers, Fn. 103, S. 623.<br />
505 Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD/Sekretariat <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Memo<strong>ra</strong>ndum,<br />
S. 4.
129<br />
1. Ant<strong>ra</strong>g <strong>de</strong>s Bayerischen Senats zur „Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religions- und<br />
Weltanschauungsgemeinschaften <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrechts“<br />
Strenggenommen muß als Ausgangspunkt zur Schaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ant<strong>ra</strong>g <strong>de</strong>s<br />
Bayerischen Senats vom 12. Oktober 1989 zur „Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religions- und<br />
Weltanschauungsgemeinschaften <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrechts“<br />
genannt wer<strong>de</strong>n. 506 Daß ein solcher Ant<strong>ra</strong>g vom Bayerischen Senat stammte, muß nicht<br />
verwun<strong><strong>de</strong>r</strong>n, da von <strong>de</strong>n 60 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> zum 1. Januar 2000 aufgrund eines Volksentschei<strong>de</strong>s<br />
durch Gesetz abgeschafften 2. Gesetzgebungskammer in Bayern 507<br />
alleine die Großkirchen<br />
und Wohltätigkeitsverbän<strong>de</strong> jeweils 5 Senatoren stellten.<br />
2. Kirchliche Überlegungen <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD über „<strong>Das</strong> <strong>de</strong>utsche Staatskirchenrecht und die<br />
Entwicklung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrechts“<br />
Als weiterer Schrittmacher für die spätere Kirchenerklärung ist das 1991 erschienene<br />
14 Thesen umfassen<strong>de</strong> Papier <strong>de</strong>s Rates <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD zu erwähnen, das zum pr<strong>im</strong>ären Anliegen<br />
hatte, „<strong>de</strong>utsche staatskirchenrechtliche Positionen auch gegenüber Rechtsentwicklungen in<br />
<strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften zur Geltung zu bringen“. 508 Dabei t<strong>ra</strong>t die EKD schon zum<br />
damaligen Zeitpunkt dafür ein, „daß die Regelung staatskirchenrechtlicher Beziehungen<br />
vor<strong>ra</strong>ngig in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten verbleibt.“ 509<br />
3. Die „Gemeinsame Stellungnahme zum Verhältnis von Staat und Kirche <strong>im</strong> Blick auf<br />
die Europäische <strong>Union</strong>“<br />
506<br />
BaySen-Drucks. 289/89; vgl. hierzu: Christoph, Fn. 443, dort Fn. 8, sowie Hollerbach,<br />
Fn. 17, S. 264 f.<br />
507<br />
Ein vom Senat gegen seine Auflösung be<strong>im</strong> BayVerfGH eingeb<strong>ra</strong>chter Normenkontrollant<strong>ra</strong>g<br />
nach Art. 75 Abs. 3 BV wur<strong>de</strong> von diesem durch Urteil vom 17.9.1999<br />
zurückgewiesen, vgl. nur PNP Nr. 218 vom 18.9.1999, S. 13, obwohl ein Isensee-Gutachten<br />
die Verfassungswidrigkeit <strong>de</strong>s quorenlosen Volksentschei<strong>de</strong>s – teilweise mit Erfolg –<br />
propagiert hatte, vgl. hierzu Jung, 50 Jahre verfassungswidrige P<strong>ra</strong>xis <strong><strong>de</strong>r</strong> Volksgesetzgebung<br />
in Bayern?, BayVBl. 1999, S. 417 ff.<br />
508<br />
Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD (Hrsg.), Fn. 395, S. 375.<br />
509<br />
Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD (Hrsg.), Fn. 395, S. 379, These 13 a.E.
130<br />
Konkreter wur<strong>de</strong>n die Überlegungen <strong>de</strong>s EKD-Kirchenamtes und <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bischofskonferenz<br />
durch die „Gemeinsame Stellungnahme zum Verhältnis von Staat und Kirche <strong>im</strong><br />
Blick auf die Europäische <strong>Union</strong>“ vom Januar 1995, die nicht nur in <strong>de</strong>utscher, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch<br />
in englischer und f<strong>ra</strong>nzösischer Sp<strong>ra</strong>che erschien. 510 Diese Schrift sollte sowohl<br />
Bun<strong>de</strong>sregierung als auch Gemeinschaftsorganen die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU<br />
vor Augen führen und zugleich einen Bet<strong>ra</strong>g zur rechtlichen Ve<strong>ra</strong>nkerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchen <strong>im</strong> Gesamtgefüge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft liefern. Zu<strong>de</strong>m sollte durch die Gemeinsame<br />
Stellungnahme eine gemeinschaftsrechtliche Rechtsangleichung aufgrund <strong>de</strong>s<br />
Art. 95 (ex-Art. 100a) EGV – und damit die Gefahr eines Übergriffs <strong>de</strong>s f<strong>ra</strong>nzösischen<br />
Trennungsmo<strong>de</strong>lls auf Mitgliedstaaten mit einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en religionsrechtlichen Selbstverständnis<br />
– ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n. 511<br />
4. <strong>Das</strong> „Memo<strong>ra</strong>ndum zur Rechtsstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong><br />
Vert<strong>ra</strong>gswerk <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>“<br />
Kurze Zeit nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinsamen Stellungnahme erschien – ebenfalls vom Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EKD und <strong>de</strong>m Sekretariat <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bischofskonferenz he<strong>ra</strong>usgegeben – das oben<br />
erwähnte „Memo<strong>ra</strong>ndum zur Rechtsstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong><br />
Vert<strong>ra</strong>gswerk <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>“, das zur Ergänzung <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs einen konkreten<br />
Vorschlag folgen<strong>de</strong>n Wortlauts enthielt:<br />
510 Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD/Sekretariat <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Zum Verhältnis<br />
von Staat und Kirche <strong>im</strong> Blick auf die Europäische <strong>Union</strong>. Gemeinsame Stellungnahme zu<br />
F<strong>ra</strong>gen <strong>de</strong>s europäischen Einigungsprozesses, Sekretariat <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bischofskonferenz,<br />
Bonn 1995, S. 8: „Für die weitere Entwicklung wird viel davon abhängen, ob und wie es<br />
gelingt, das christliche Erbe auf regionaler Ebene, auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ebenso<br />
wie auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften (EG’en), <strong>de</strong>m Fundament <strong><strong>de</strong>r</strong> EU-<br />
Integ<strong>ra</strong>tion (vgl. Art. A Abs. 3 Satz 1 EU-Vert<strong>ra</strong>g) sowie schließlich auch auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Union</strong> selbst wachzuhalten und weiter zu entfalten.“<br />
S. 26: „Konkret be<strong>de</strong>utet dies, daß die Kirchen in <strong>de</strong>n Prozeduren und Strukturen <strong><strong>de</strong>r</strong> EG<br />
bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> EU einen angemessenen, ihre Eigenart respektieren<strong>de</strong>n Platz fin<strong>de</strong>n müssen.<br />
Wünschenswert wäre insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e eine Ve<strong>ra</strong>nkerung <strong>im</strong> pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrecht<br />
(...).“<br />
511 Grote, MD 1996, S. 32 f., 33.
131<br />
„Die Gemeinschaft achtet die verfassungsrechtliche Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften in<br />
<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten als Ausdruck <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten und ihrer Kulturen sowie<br />
als Teil <strong>de</strong>s gemeinsamen kulturellen Erbes.“ 512<br />
5. Verhandlungsvorschlag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>ts<br />
Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Anregungen formulierte <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>t einen eigenen<br />
Verhandlungsvorschlag. Durch diesen sollte Art. 6 (ex-Art. F) EUV durch einen 5. Absatz<br />
folgen<strong>de</strong>n Wortlauts ergänzt wer<strong>de</strong>n:<br />
„Die <strong>Union</strong> achtet die verfassungsrechtliche Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften in <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten als Ausdruck <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten und als Bestandteil <strong>de</strong>s<br />
gemeinsamen kulturellen Erbes.“ 513<br />
Wenn man <strong>de</strong>n Verhandlungsvorschlag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>ts und auch <strong>de</strong>n Entwurf aus <strong>de</strong>m<br />
Memo<strong>ra</strong>ndum mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Endfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung Nr. 11 vergleicht, so fällt zunächst auf, daß<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Passus <strong><strong>de</strong>r</strong> „verfassungsrechtlichen Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften“ keine Berücksichtigung<br />
fand. Dies hängt damit zusammen, daß das <strong>Religionsrecht</strong> nicht in allen<br />
Mitgliedstaaten ausschließlich auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Verfassungsrechts geregelt wird.<br />
6. Vorschlag <strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS und ComECE<br />
Pa<strong>ra</strong>llel zu <strong>de</strong>n bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Bemühungen b<strong>ra</strong>chten EECCS 514 und ComECE 515 einen<br />
gemeinsamen Vorschlag ein, <strong><strong>de</strong>r</strong> die verschie<strong>de</strong>nen Texte ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> harmonisierte. 516<br />
Die Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit an <strong>de</strong>m Vorschlag, <strong><strong>de</strong>r</strong> i.R.d. Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gsrevision eingeb<strong>ra</strong>cht<br />
wur<strong>de</strong>, bestand darin, daß er sowohl <strong>im</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g – Art. 236 EGV a.F. war aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schaffung von Art. 48 (ex-Art. N) EUV einstweilen frei – als auch <strong>im</strong> EU-Vert<strong>ra</strong>g – als<br />
512<br />
Memo<strong>ra</strong>ndum, Fn. 505, S. 3.<br />
513<br />
BR-Drucks. 667/95, Anlage S. 18 Nr. 19; abgedruckt bei Robbers, Fn. 103, S. 623; <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Entwurf wur<strong>de</strong> durch die <strong>de</strong>utschen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> „Reflexionsgruppe zur Vorbereitung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Regierungskonferenz 1996“ eingeb<strong>ra</strong>cht; vgl. auch Conring, Fn. 25, S. 396, dort Fn. 47.<br />
514<br />
S.o. B.III.2.b).<br />
515<br />
S.o. B.III.1.d).<br />
516<br />
Vgl. hierzu Ehnes, Fn. 248, S. 51.
132<br />
Einfügung zwischen Art. 6 Abs. 3 EUV und Art. 6 Abs. 4 EUV – kirchliche Positionen auf<br />
europäischer Ebene ve<strong>ra</strong>nkert hätte:<br />
Art. 236 EGV a.F.<br />
„Die Europäische Gemeinschaft respektiert das <strong>de</strong>n Kirchen und <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten eigene Rechtssystem und die Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit ihrer internen<br />
Strukturen.“ 517<br />
Art. F Abs. 3 EUV a.F.<br />
„Die Europäische <strong>Union</strong> erkennt die beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
Religionsgemeinschaften in <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>ntität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten sowie das<br />
gemeinsame kulturelle Erbe <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Völker an.“<br />
Die Vorschläge sowohl <strong>im</strong> Memo<strong>ra</strong>ndum als auch diejenigen von Seiten <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>ts bzw.<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EECCS und ComECE weisen eine Gemeinsamkeit auf: Sie betonen <strong>de</strong>n Beit<strong>ra</strong>g <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Hinblick auf das „gemeinsame kulturelle Erbe“.<br />
Daß in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezug zum kulturellen Erbe fallengelassen wur<strong>de</strong>, kann<br />
als erster Hinweis da<strong>ra</strong>uf ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n, daß <strong>Religionsrecht</strong> und Kultur zwei<br />
unterschiedliche Regelungsmaterien verkörpern, die gemeinschaftsrechtlich exakt zu trennen<br />
sind. 518<br />
III. Durchsetzbarkeit einer verbindlichen Vorschrift<br />
Eine Best<strong>im</strong>mung über die Kirchen und religiösen Vereinigungen wäre für die Gemeinschaftsorgane<br />
je<strong>de</strong>nfalls dann verbindlich gewesen, wenn sie als eigener Artikel in <strong>de</strong>n EG-<br />
Vert<strong>ra</strong>g o<strong><strong>de</strong>r</strong> EU-Vert<strong>ra</strong>g eingefügt wor<strong>de</strong>n wäre.<br />
Selbst durch Aufnahme einer bloßen Protokollbest<strong>im</strong>mung wäre zweifelsfrei eine verbindliche<br />
Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsverfassung ve<strong>ra</strong>nkert<br />
wor<strong>de</strong>n, da Art. 311 (ex-Art. 239) EGV festlegt, daß die <strong>de</strong>m EG-Vert<strong>ra</strong>g <strong>im</strong> gegenseitigen<br />
Einvernehmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten beigefügten Protokolle „integ<strong>ra</strong>ler“ bzw. „integrieren<strong><strong>de</strong>r</strong>“<br />
Bestandteil <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs sind. 519<br />
Ein Protokoll über Kirchen und weltanschauliche<br />
Gemeinschaften wäre von <strong><strong>de</strong>r</strong> Ratifizierung <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs durch die Mitglied-<br />
517<br />
EI 1/1996, S. 6.<br />
518<br />
Vgl. hierzu ausführlich unten F.<br />
519<br />
So auch Stotz, Fn. 92, S. 737.
133<br />
staaten mitumfaßt und infolge<strong>de</strong>ssen <strong>de</strong>m Pr<strong>im</strong>ärrecht zurechenbar gewesen. 520<br />
Daß seitens<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungskonferenz – trotz ursprünglich sehr viel weitergehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschläge – da<strong>ra</strong>uf<br />
verzichtet wur<strong>de</strong>, auch nur ein Protokoll zum EG-Vert<strong>ra</strong>g zu schaffen, macht <strong>de</strong>utlich, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wille <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, eine neue vert<strong>ra</strong>gliche Bindung einzugehen, trotz <strong>de</strong>s Bemühens<br />
um eine einheitliche Formulierung kaum vorhan<strong>de</strong>n war.<br />
Als Grund hierfür kann angeführt wer<strong>de</strong>n, daß Frei- und Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen in einer<br />
verbindlichen Vorschrift die Gefahr einer Festschreibung <strong><strong>de</strong>r</strong> bestehen<strong>de</strong>n religionsrechtlichen<br />
Verhältnisse, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e von Beitrittskandidaten mit diskr<strong>im</strong>inieren<strong>de</strong>n religionsrechtlichen<br />
Systemen, sahen. 521 Politisch relevanter aber dürften die Vorbehalte <strong><strong>de</strong>r</strong>jenigen Mitgliedstaaten<br />
gegen eine verbindliche Erklärung gewesen sein, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Verfassungsrecht keine<br />
korpo<strong>ra</strong>tiven Rechte von Kirchen und Religionsgemeinschaften kennt, wie dies z.B. bei<br />
F<strong>ra</strong>nkreich <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist. 522<br />
Die Schaffung einer verbindlichen Rechtsvorschrift auf Gemein-<br />
schaftsebene hätte aufgrund <strong>de</strong>s Vor<strong>ra</strong>ngs <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts nicht nur für das Hexagon<br />
eine ungewollte Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s nationalen <strong>Religionsrecht</strong>s mit sich bringen können.<br />
IV. Rechtliche Be<strong>de</strong>utung von Erklärungen<br />
Es muß daher geklärt wer<strong>de</strong>n, welcher Rang <strong><strong>de</strong>r</strong> ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>ten „Erklärung Nr. 11 zum<br />
Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften“ <strong>im</strong> Gemeinschaftsgefüge<br />
zukommt.<br />
1. Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH<br />
Der EuGH hat zur rechtlichen Qualität von Erklärungen bisher nur in Ansätzen Stellung<br />
bezogen. Grundsätzlich hält er gemeinsame Erklärungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, wie z.B. die<br />
Europäische Sozialcharta vom 18. November 1961, gemeinschaftsrechtlich für nicht<br />
520<br />
Vgl. Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 6.<br />
521<br />
S.u. D.V.5.<br />
522<br />
Vgl. Brenner, Politische Willensbekundung, MD 1998, S. 9 f., 10. Kirchen haben in<br />
F<strong>ra</strong>nkreich lediglich Vereinsstatus.
134<br />
verbindlich. 523 An<strong><strong>de</strong>r</strong>es könne nur dann gelten, wenn dies die Gemeinschaftstreue gemäß<br />
Art. 10 (ex-Art. 5) EGV bzw. die Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>gsziele erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten. 524<br />
Da durch die Kirchenerklärung kein Vert<strong>ra</strong>gsziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 2 (ex-Art. 2) f. EGV nachhaltig<br />
geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wird, könnte höchstens die Gemeinschaftstreue, welche gleichermaßen von Seiten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft gegenüber ihren Mitgliedstaaten zu beachten ist, die Notwendigkeit einer<br />
Rechtsverbindlichkeit begrün<strong>de</strong>n. Hie<strong>ra</strong>n ist allerdings insofern zu zweifeln, als die<br />
Mitgliedstaaten selbst keine verbindliche Rechtsform zur Absicherung ihres <strong>Religionsrecht</strong>s<br />
wählten. Zwar bezweckten einzelne Mitgliedstaaten die Schaffung einer pr<strong>im</strong>ärrechtlichen<br />
Best<strong>im</strong>mung; diese konnten sich jedoch aufgrund <strong>de</strong>s Einst<strong>im</strong>migkeitsprinzips nicht<br />
durchsetzen. Da die Gemeinschaftstreue nicht nur gegenüber <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten in ihrer<br />
Gesamtheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch gegenüber einzelnen Mitgliedstaaten gelten muß, ließe sich<br />
eine Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur Beachtung <strong>de</strong>s Erklärungsinhalts vertreten.<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits kennt das Gemeinschaftsrecht über das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung und<br />
<strong>de</strong>n Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen I<strong>de</strong>ntität ohnehin Möglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Berücksichtigung<br />
mitgliedstaatlicher Interessen, die kein Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis für eine Aufweichung <strong>de</strong>s<br />
bestehen<strong>de</strong>n Systems, das zwischen verbindlichen Protokollen und i.d.R. unverbindlichen<br />
Erklärungen unterschei<strong>de</strong>t, begrün<strong>de</strong>t.<br />
2. Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung<br />
Wenn auch die Erklärung <strong>de</strong>m Wortlaut nach nicht auf eine Stufe mit einer bloßen<br />
Absichtserklärung gestellt wer<strong>de</strong>n kann, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich wie ein verbindlicher Rechtsakt liest<br />
(„achtet“), verleiht dies allein einer Erklärung noch keinen verbindlichen Cha<strong>ra</strong>kter o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
rechtfertigt es, von einer Art „Vorstufe zum Vollrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“ 525<br />
zu sprechen. Daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
523 EuGH, Rs. 43/75 (Defrenne/Sabena), Slg. 1976, S. 455 ff., 478; ähnlich bzgl. einer<br />
Entschließung zum f<strong>ra</strong>nzösischen und italienischen Tabakmonopol: EuGH, Rs. 59/75<br />
(St<strong>ra</strong>fverfahren gegen Flavia Manghe<strong>ra</strong> u.a.), Slg. 1976, S. 91 ff., 102.<br />
524 Everling, Zur rechtlichen Wirkung von Beschlüssen, Entschließungen, Erklärungen und<br />
Vereinbarungen <strong>de</strong>s Rates o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften,<br />
S. 133 ff., 150 f. Einer mitgliedstaatlichen Entschließung, die als Konkretisierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitwirkungspflichten <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten gemäß Art. 10 (ex-Art. 5) EGV angesehen<br />
wer<strong>de</strong>n kann, kann daher u.U. volle Verbindlichkeit zukommen, EuGH, Rs. 141/78<br />
(F<strong>ra</strong>nkreich/Großbritannien), Slg. 1979, S. 2923 ff., 2942; Rs. 32/79 (Kommission/<br />
Großbritannien), Slg. 1980, S. 2432; Rs. 804/79 (Kommission/Großbritannien), Slg. 1981,<br />
S. 1045 ff., 1075.<br />
525 Robbers, Fn. 103, S. 635.
135<br />
Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung sich wie eine verbindliche Rechtsvorschrift liest, hängt<br />
ausschließlich damit zusammen, daß ihre Formulierung <strong>de</strong>m geän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Vorschlag <strong>de</strong>s<br />
Memo<strong>ra</strong>ndums entlehnt wur<strong>de</strong>, das als verbindliche Vorschrift konzipiert war. 526<br />
3. Erklärungen innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Systematik <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />
Mangels einer positivrechtlichen Best<strong>im</strong>mung über die Verbindlichkeit, wie sie in<br />
Art. 311 (ex-Art. 239) EGV für Protokolle festgelegt wur<strong>de</strong>, muß grds. von einer<br />
Unverbindlichkeit von Erklärungen ausgegangen wer<strong>de</strong>n. Grund hierfür ist, daß Erklärungen<br />
<strong>im</strong> Gegensatz zu Protokollen einem pr<strong>im</strong>ärrechtlichen Vert<strong>ra</strong>g (EGV o<strong><strong>de</strong>r</strong> EUV) nicht<br />
beigefügt wer<strong>de</strong>n. Daher han<strong>de</strong>lt es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung Nr. 11 nicht um Pr<strong>im</strong>ärrecht. An<br />
diesem Befund än<strong><strong>de</strong>r</strong>t auch die Tatsache nichts, daß alle Mitgliedstaaten die Schlußakte zum<br />
Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam ihrem jeweiligen Ratifikationsverfahren unterworfen haben. 527<br />
Ebenso wie die Gemeinschaftsorgane einerseits nur zum Han<strong>de</strong>ln berechtigt sind, wenn sie<br />
sich auf eine Ermächtigungsgrundlage <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht stützen können, vgl. Art. 5 (ex-Art. 3b)<br />
Abs. 1 EGV, wer<strong>de</strong>n sie an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits nur durch die <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht genannten<br />
Handlungsformen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten verpflichtet. Die Mitgliedstaaten können Pr<strong>im</strong>ärrecht<br />
nur in <strong><strong>de</strong>r</strong> vert<strong>ra</strong>glich hierfür vorgesehenen Weise, namentlich durch das formelle<br />
Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsverfahren gemäß Art. 48 (ex-Art. N) EUV än<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 528 Etwas an<strong><strong>de</strong>r</strong>es kann<br />
höchstens aufgrund von Gemeinschaftsgewohnheitsrecht angenommen wer<strong>de</strong>n. 529<br />
Zum gleichen Ergebnis wür<strong>de</strong> man über die konsequente Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> innergemeinschaftlichen<br />
Normenhie<strong>ra</strong>rchie gelangen: Für Gemeinschaftsorgane ist nur höher<strong>ra</strong>ngiges<br />
gemeinschaftsrechtliches Pr<strong>im</strong>ärrecht verbindlich. Erklärungen können mangels <strong>de</strong>s<br />
Bindungswillens <strong>de</strong>s pouvoir constituant, <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungskonferenz, we<strong><strong>de</strong>r</strong> als höher<strong>ra</strong>ngig<br />
noch als Pr<strong>im</strong>ärrecht angesehen wer<strong>de</strong>n. Die Nichtbeachtung eines unverbindlichen<br />
Rechtsaktes durch ein Gemeinschaftsorgan stellt keinen Verstoß gegen höher<strong>ra</strong>ngiges<br />
Gemeinschaftsrecht und somit keinen Nichtigkeitsgrund i.S.d. Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 2<br />
EGV dar. 530<br />
526<br />
Memo<strong>ra</strong>ndum, Fn. 505, S. 3 f.<br />
527<br />
So auch Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 7, dort Fn. 8; Geiger, EGV, Art. 239, Rdnr. 4.<br />
528<br />
Vgl. Everling, Fn. 524, S. 152 f.<br />
529<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen unten D.IV.6.<br />
530<br />
Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 486.
136<br />
Zwar wird man eine solche gemeinsame Erklärung für be<strong>de</strong>utsamer halten müssen, als eine<br />
Erklärung einzelner Mitgliedstaaten, da alle Vert<strong>ra</strong>gsparteien mit ihrem Inhalt einverstan<strong>de</strong>n<br />
waren; <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterschied zwischen einer gemeinsamen Erklärung, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung,<br />
und einer Erklärung nur einzelner Mitgliedstaaten besteht jedoch lediglich darin, daß erstere<br />
gemäß <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte zum jeweiligen Vert<strong>ra</strong>g von <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungskonferenz angenommen,<br />
eine einseitige Erklärung hingegen lediglich zur Kenntnis genommen wur<strong>de</strong>. 531<br />
4. Einordnung gemeinsamer Erklärungen in völkerrechtliche Kategorien<br />
Gerhard Robbers ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht, daß gemeinsame Erklärungen als völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g<br />
i.S.d. Art. 31 Abs. 2 WVRK angesehen wer<strong>de</strong>n könnten, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>shalb, weil alle<br />
Mitgliedstaaten übereinst<strong>im</strong>mend zugesagt hätten, sich hie<strong>ra</strong>n halten zu wollen. 532<br />
Diese<br />
Aussage soll genauer untersucht wer<strong>de</strong>n.<br />
a) Rechtswirkung völkerrechtlicher Verträge <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />
Selbst wenn man zunächst davon ausginge, die Kirchenerklärung stelle einen<br />
völkerrechtlichen Vert<strong>ra</strong>g dar, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Mitgliedstaaten an <strong>de</strong>ssen Inhalt bin<strong>de</strong>, so wäre ein<br />
Rückschluß dahingehend, daß diese Bindung auch für sup<strong>ra</strong>nationale Gemeinschaftsorgane<br />
gälte, in dieser Ve<strong>ra</strong>llgemeinerung unzutreffend.<br />
Die Gemeinschaft ist zur Beachtung von Völkerrecht – wenn man einmal von <strong>de</strong>n völkerrechtlichen<br />
Abkommen aufgrund Art. 293 (ex-Art. 220) EGV, die <strong><strong>de</strong>r</strong> För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft dienen und daher als begleiten<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrecht bezeichnet wer<strong>de</strong>n,<br />
einmal absieht 533 – nur <strong>im</strong> Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 300 (ex-Art. 228) EGV sowie<br />
Art. 307 (ex-Art. 234) EGV verpflichtet. 534<br />
Selbst als völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g wür<strong>de</strong> die<br />
Kirchenerklärung nicht in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich einer dieser bei<strong>de</strong>n Vorschriften fallen, da<br />
531<br />
Vgl. nur Schlußakte zum AV, Ziff. III; Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. IX u. S. 5 f.<br />
532<br />
Vgl. Robbers, Fn. 103, S. 624.<br />
533<br />
<strong>Das</strong> wohl wichtigste völkerrechtliche Abkommen <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s begleiten<strong>de</strong>n<br />
Gemeinschaftsrechts ist das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die<br />
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Han<strong>de</strong>lssachen vom<br />
27. September 1968 (EuGVÜ) in <strong><strong>de</strong>r</strong> Form <strong>de</strong>s jeweiligen Beitrittsübereinkommens, vgl.<br />
hierzu nur Vachek, Fallbeispiele zur Anwendung <strong>de</strong>s EuGVÜ <strong>im</strong> Unternehmensbereich,<br />
WiB 1997, S. 54 ff., 110 ff., 157 f., 220 ff.<br />
534<br />
Vgl. hierzu Vachek, Fn. 437, S. 148.
137<br />
sie nicht mit Drittstaaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en internationalen Organisationen abgeschlossen wur<strong>de</strong>,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Vert<strong>ra</strong>uen in <strong>de</strong>n Bestand <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs es zu schützen gilt.<br />
b) Tatbestandsmerkmale eines völkerrechtlichen Vert<strong>ra</strong>gs<br />
Nicht je<strong>de</strong> Vereinbarung zwischen Staatenvertretern kann in<strong>de</strong>s schon als völkerrechtlicher<br />
Vert<strong>ra</strong>g angesehen wer<strong>de</strong>n, und nur letzterem kommt eine rechtliche Verbindlichkeit zu. 535<br />
Damit eine Vereinbarung zwischen Staatenvertretern als völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g qualifiziert<br />
wer<strong>de</strong>n kann, müssen die Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>s Art. 2 Nr. 1 lit. a WVRK erfüllt sein, d.h. eine<br />
internationale Vereinbarung ist erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, die von Staatenvertretern in schriftlicher Form<br />
geschlossen und – unabhängig von ihrer jeweiligen Bezeichnung – <strong>de</strong>m Völkerrecht unterstellt<br />
wird. 536<br />
Es wäre ge<strong>ra</strong><strong>de</strong>zu wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sinnig, wenn einer i.R.d. Gemeinschaftsrechts ergangenen Erklärung,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> ihrer Rechtsform nach keine Rechtswirkung zukommen sollte, über <strong>de</strong>n Umweg <strong>de</strong>s<br />
Völkerrechts eine Rechtsverbindlichkeit zuerkannt wür<strong>de</strong>.<br />
Wahrscheinlicher ist <strong>de</strong>mnach, daß Erklärungen – ebenso wie die Luxemburger Vereinbarung<br />
vom 29. Januar 1966 – lediglich als rechtlich unverbindliches gentlemen’s agreement bzw. als<br />
gemeinsame politische Absichtserklärung mit nur „außerrechtlicher“ Verpflichtung anzusehen<br />
sind. 537<br />
Eine solche Vereinbarung erfüllt alle Vo<strong>ra</strong>ussetzungen eines völkerrechtlichen<br />
Vert<strong>ra</strong>gs i.S.d. <strong>de</strong>s Art. 2 Nr. 1 lit. a WVRK mit Ausnahme <strong>de</strong>s Merkmals „<strong>de</strong>m Völkerrecht<br />
unterstellt“.<br />
Demnach sind Erklärungen allenfalls als nur „politische Willensbekundungen“ 538 ohne<br />
gemeinschafts- und völkerrechtliche Rechtsverbindlichkeit einzustufen. 539<br />
5. Politische Selbstbindung bei gemeinsamen Erklärungen<br />
535 Streinz, Die Luxemburger Vereinbarung, S. 36 f.<br />
536 Streinz, Fn. 535, S. 37.<br />
537 Streinz, Fn. 535, S. 42 ff.; selbst <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat hat die Luxemburger Vereinbarung nicht als<br />
rechtsverbindlich e<strong>ra</strong>chtet, vgl. ABl. 1982, Nr. C 129, S. 4 ff.<br />
538 So auch Brenner, Fn. 522, S. 9.<br />
539 Im Ergebnis ebenso für die Kirchenerklärung, allerdings ohne Begründung: Stotz, Fn. 92,<br />
S. 737.
138<br />
Auch wenn Erklärungen keine rechtliche Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane mit sich bringen,<br />
da es sich nicht um Pr<strong>im</strong>ärrecht han<strong>de</strong>lt, könnte man hier eventuell von einer politischen<br />
Selbstbindung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Rat vereinigten Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten als rechtsetzen<strong>de</strong>m<br />
Gemeinschaftsorgan ausgehen, die Erklärung i.R.d. Erlasses von Sekundärrecht für sich als<br />
verbindlich zu e<strong>ra</strong>chten. Eine solche Selbstbindung ließe sich dadurch konstruieren, daß man<br />
eine Teili<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>s Rates als Gemeinschaftsorgan mit <strong><strong>de</strong>r</strong>, die Kirchenerklärung<br />
ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, Regierungskonferenz ann<strong>im</strong>mt. Während sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat gemäß<br />
Art. 203 (ex-Art. 146) EGV aus je einem Vertreter eines Mitgliedstaats auf Ministerebene<br />
zusammensetzt und befugt ist, für die Regierung <strong>de</strong>s Mitgliedstaats verbindlich zu han<strong>de</strong>ln,<br />
besteht die Regierungskonferenz ebenfalls aus Staatenvertretern, die ihren Mitgliedstaat<br />
repräsentieren. Eine Selbstbindung <strong>de</strong>s Rates ließe sich jedoch mit seiner Stellung als echtes<br />
Gemeinschaftsorgan gemäß Art. 4 Abs. 1 EGV nur schwer vereinbaren, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat „<strong>de</strong>nn<br />
doch etwas an<strong><strong>de</strong>r</strong>es und mehr ist als eine Regierungskonferenz“. 540<br />
Als Gemeinschaftsorgan ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat an das verbindliche Pr<strong>im</strong>ärrecht, grundsätzlich nicht an<br />
nationales Verfassungsrecht, gebun<strong>de</strong>n. Hans-Georg Kamann dagegen sieht die Ratsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
neben ihrer Organstellung <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht zugleich auch als Repräsentanten<br />
ihrer Mitgliedstaaten; allein ihre Stellung <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht führe nicht zur Aufgabe<br />
ihrer I<strong>de</strong>ntität als Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> staatlicher Organe. 541 Allerdings ist auch für Kamann die<br />
Rückbindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungsvertreter <strong>im</strong> Rat nicht grenzenlos; vielmehr will er sie auf die<br />
Bindung an nationale Grundrechte sowie das Demok<strong>ra</strong>tieprinzip beschränkt wissen. 542<br />
Nach<br />
dieser Ansicht dürfte z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utsche Ratsvertreter keinem Art. 4 GG zuwi<strong><strong>de</strong>r</strong>laufen<strong>de</strong>n<br />
Sekundärrechtsakt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zust<strong>im</strong>men, wobei ähnlich wie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Solange-<br />
Rechtsprechung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts allenfalls <strong><strong>de</strong>r</strong> Wesensgehalt <strong>de</strong>s Grundrechts<br />
– nicht dagegen je<strong>de</strong> Konkretisierung <strong>de</strong>s Schutzbereichs durch das BVerfG – von Be<strong>de</strong>utung<br />
sein dürfte. Eine Rückbindung an die Kirchenerklärung selbst, die kein nationales Recht<br />
darstellt, wird man auch nach dieser Ansicht nur schwer annehmen können.<br />
Vertritt man dagegen die Gegenansicht von Gert Nicolaysen, nach <strong><strong>de</strong>r</strong> die Ratsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> ihre<br />
Funktion ausschließlich aufgrund <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts und losgelöst vom mitgliedstaatlichen<br />
Verfassungsrecht ausüben, gelangt man ohnehin nicht zu einer nationalen<br />
Rückbindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ratsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Plastisch stellt dieser die Weisungsfreiheit <strong>de</strong>s Rates he<strong>ra</strong>us:<br />
Wenn sich die Türen hinter <strong>de</strong>n Ministern zur Ratssitzung geschlossen hätten, seien diese<br />
540<br />
Nicolaysen, Ansichten zur Gemeinschaftsverfassung, EuR 1987, S. 299 ff., 303.<br />
541<br />
Kamann, Die Mitwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Parlamente <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten an <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen<br />
Gesetzgebung, S. 265 f.<br />
542<br />
Kamann, Fn. 541, S. 263.
139<br />
nichts an<strong><strong>de</strong>r</strong>es als Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Gemeinschaftsorgans Rat und als solche nur noch in die<br />
Rechtsordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaften eingebun<strong>de</strong>n. 543<br />
Letzterer Ansicht scheint auch <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH zuzuneigen, wenn er in ständiger Rechtsprechung<br />
he<strong>ra</strong>usstellt, daß es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgewalt um eine eigenständige, von <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten losgelöste Hoheitsgewalt han<strong>de</strong>lt und daß selbst ein Verstoß eines Gemeinschaftsrechtsaktes<br />
gegen nationales Verfassungsrecht gemeinschaftsrechtlich unbeachtlich<br />
wäre. 544<br />
6. Gemeinschaftsgewohnheitsrecht<br />
Wenn die unverbindliche Kirchenerklärung künftig ausnahmslos beachtet wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>,<br />
könnte sie zum verbindlichen Gemeinschaftsgewohnheitsrecht mutieren. Die Vo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />
für die Entstehung von Gewohnheitsrecht innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft sind <strong>de</strong>m<br />
allgemeinen Völkerrecht entlehnt. So kann durch anhalten<strong>de</strong> Übung (consuetudo) und Rechtsüberzeugung<br />
(opinio iuris) verbindliches Recht entstehen, welches das bestehen<strong>de</strong><br />
Gemeinschaftsrecht ergänzt o<strong><strong>de</strong>r</strong> än<strong><strong>de</strong>r</strong>t. 545 Diese ungeschriebene, aber verbindliche Rechtsform<br />
hätte die Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit, gleichlauten<strong>de</strong>m unverbindlichen, aber gesetztem Recht (<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchenerklärung) zu entsprechen. Allerdings wird man das Entstehen von Gemeinschaftsgewohnheitsrecht<br />
heutzutage sehr restriktiv zu beurteilen haben. Nach überwiegen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Auffassung stellt nicht einmal die Luxemburger Vereinbarung <strong><strong>de</strong>r</strong>artiges Gemeinschaftsgewohnheitsrecht<br />
dar, obwohl sie über fast zwei Jahrzehnte hinweg <strong>im</strong> Rat p<strong>ra</strong>ktiziert<br />
wur<strong>de</strong>. 546<br />
Hierfür spricht, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat die Luxemburger Vereinbarung nicht mehr einhält,<br />
ohne daß es hierzu einer vorherigen Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung bedurft hätte. Seit <strong>de</strong>m Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
543<br />
Nicolaysen, Tabak<strong>ra</strong>uch, Gemeinschaftsrecht und Grundgesetz. Zum BVerfG-Beschluß<br />
vom 12.5.1989 – 2 BvQ 3/89 –, EuR 1989, S. 215 ff., 218 f.<br />
544<br />
Z.B. EuGH, Rs. 11/70 (Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr- und Vor<strong>ra</strong>tsstelle für<br />
Getrei<strong>de</strong> und Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff., 1135, Rz. 3; vgl. hierzu die Ausführungen<br />
unter C.IV.1, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Fn. 452. Auch das BVerfG hat in einer frühen Entscheidung die<br />
Eigenständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgewalt anerkannt; BVerfGE 22, S. 293 ff., 296: „Damit<br />
ist eine neue öffentliche Gewalt entstan<strong>de</strong>n, die gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsgewalt <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen<br />
Mitgliedstaaten selbständig und unabhängig ist; ihre Akte b<strong>ra</strong>uchen daher von <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten we<strong><strong>de</strong>r</strong> bestätigt („<strong>ra</strong>tifiziert“) zu wer<strong>de</strong>n noch können sie von ihnen<br />
aufgehoben wer<strong>de</strong>n.“<br />
545<br />
Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 17.<br />
546<br />
Vgl. v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Harnier, Bd. 3, Vorbemerkung zum Fünften Teil,<br />
Rdnr. 14, Fn. 46 m.w.N.; a.A. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 177.
140<br />
Einheitlichen <strong>Europäischen</strong> Akte (EEA) 547 am 1. Juli 1987 hat kein Mitgliedstaat mehr<br />
versucht, sich auf <strong>de</strong>n Luxemburger Kompromiß zu berufen, um ein Vetorecht zu<br />
beanspruchen, obwohl <strong>im</strong>mer mehr Rechtsakte – auch in Bereichen vitaler Interessen<br />
einzelner Mitgliedstaaten – gegen <strong><strong>de</strong>r</strong>en Willen mit qualifizierter Mehrheit erlassen<br />
wur<strong>de</strong>n. 548<br />
7. Beachtlichkeit einer Erklärung bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung durch <strong>de</strong>n EuGH<br />
Ausgangspunkt zur Klärung <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine unverbindliche Erklärung bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Auslegung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zu beachten hat, ist Art. 220 (ex-Art. 164) EGV. Nach<br />
dieser Vorschrift sichert <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Wahrung <strong>de</strong>s Rechts bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung und<br />
Anwendung dieses Vert<strong>ra</strong>gs. Die Aufgabenbeschreibung nach Art. 220 (ex-Art. 164) EGV ist<br />
jedoch nur sehr unvollständig; anerkannterweise hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH vielmehr alle Rechtsquellen<br />
<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen, wozu neben <strong>de</strong>m pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrecht<br />
auch das sekundäre und begleiten<strong>de</strong> Gemeinschaftsrecht, die allgemeinen Rechtsgrundsätze<br />
und das Gemeinschaftsgewohnheitsrecht zählen. 549<br />
Außerhalb <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts können gemeinsame Erklärungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten als<br />
sog. „Auslegungsübereinkunft“ i.S.d. Art. 31 Abs. 2 lit. a WVRK he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n. 550<br />
Aber auch innerhalb <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH unverbindlichen Rechtsakten<br />
547<br />
ABl. 1987, Nr. L 169, S. 1 ff.<br />
548<br />
Im Gegensatz zur Luxemburger Vereinbarung wird durch die i.R.d. Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs<br />
eingefügte Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 11 (ex-Art. 5a) Abs. 2 UAbs. 2 Satz 2 EUV hinsichtlich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> verstärkten Zusammenarbeit gemäß Art. 43, 44 (ex-Art. K.15, K.16) EUV tatsächlich<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeit einer mitgliedstaatlichen Blocka<strong>de</strong>politik aufgrund nicht näher<br />
nachprüfbarer „wichtiger Grün<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Politik“ auszugehen sein, vgl. hierzu<br />
Ukrow, Die Fortentwicklung <strong>de</strong>s Rechts <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von<br />
Amsterdam, ZEuS 1998, S. 141 ff., 149.<br />
549<br />
Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 447 f. Buck, Auslegungsmetho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s EuGH, S. 36 ff.,<br />
37, erwähnt zwar explizit die „von <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten dazu [zu <strong>de</strong>n Gründungsverträgen]<br />
vereinbarten Protokolle und abgegebene Erklärungen zu <strong>de</strong>n Verträgen“. Ob hierunter auch<br />
Erklärungen zur Schlußakte o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber nur Erklärungen zu einzelnen Mitgliedstaaten (z.B.<br />
Dänemark) zu verstehen sind, bleibt unklar, da er fortführt: „Ihm [<strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht]<br />
zuzurechnen sind ebenfalls die nach Maßgabe <strong>de</strong>s Art. 239 EGV <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g beigefügte<br />
Protokolle.“ Auch v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Krück, Bd. 4, Art. 164, Rdnr. 13,<br />
erwähnt lediglich die gemäß Art. 311 (ex-Art. 239) EGV beigefügten Protokolle.<br />
550<br />
Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 6 f.
141<br />
insofern eine gewisse rechtserhebliche Be<strong>de</strong>utung zuerkannt, als er z.B. zur Auslegung <strong>de</strong>s<br />
gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Defrenne III 551 die<br />
rechtlich unverbindliche Europäische Sozialcharta vom 18. November 1961 und in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rs. Johnston 552 die ebenfalls unverbindliche Gemeinsame Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Versammlung, <strong>de</strong>s<br />
Rates und <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission vom 5. April 1977 553 he<strong>ra</strong>ngezogen hat. 554 Aus diesem Grun<strong>de</strong><br />
kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung i.R.d. Anerkennung einer gemeinschaftsrechtlichen Bereichsausnahme<br />
für Kirchen und Religionsgemeinschaften durch <strong>de</strong>n EuGH rechtliche Relevanz<br />
zukommen. 555<br />
8. Beachtlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung i.R.d. Richtlinienumsetzung durch <strong>de</strong>n<br />
nationalen Gesetzgeber<br />
Teilweise wird vertreten, ein Mitgliedstaat könne sich i.R.d. Richtlinienumsetzung auf die<br />
Kirchenerklärung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Weise berufen, daß eine Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung nicht als<br />
Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht angesehen wer<strong>de</strong>n könne. 556<br />
Diese Auffassung läßt sich mit <strong>de</strong>m Grundsatz <strong>de</strong>s Vor<strong>ra</strong>ngs <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts vor<br />
nationalem und allgemeinem Völkerrecht nicht vereinbaren. Zwar n<strong>im</strong>mt das Gemeinschaftsrecht<br />
völkerrechtliche Regelungen in sich auf; 557 Konflikte zwischen bei<strong>de</strong>n Rechtsordnungen<br />
müssen jedoch vom Gemeinschaftsrecht – z.B. über Art. 307 (ex-Art. 234) EGV – und nicht<br />
vom Völkerrecht her gelöst wer<strong>de</strong>n. 558 Selbst wenn es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung um eine<br />
völkerrechtlich verbindliche Rechtsvorschrift han<strong>de</strong>ln sollte, was soeben verneint wur<strong>de</strong>, 559<br />
müßte die Relevanz <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung für die Richtlinienauslegung innerhalb <strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen<br />
Normengefüges gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
551 EuGH, Rs. 149/77 (Defrenne/Sabena), Slg. 1978, S. 1365 ff., 1379, Rz. 26/29.<br />
552 EuGH, Rs. 222/84 (Johnston/Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary), Slg. 1986,<br />
S. 1651 ff., 1682, Rz. 18.<br />
553 ABl. 1977, Nr. C 103, S. 1 ff.<br />
554 Vgl. Obwexer, Status quo <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, in:<br />
Hummer/Schweitzer (Hrsg.), S. 53 ff., 63.<br />
555 In diese Richtung auch Ehnes, Fn. 248, S. 51, sowie Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 27.<br />
556 Robbers, Fn. 27, S. 154.<br />
557 EuGH, Rs. 104/81 (Hauptzollamt Mainz/Kupferberg), Slg. 1982, S. 3641 ff.<br />
558 Everling, Fn. 524, S. 156.<br />
559 S.o. D.IV.4.b).
142<br />
Es wäre inkonsequent und mit <strong>de</strong>m Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts sowie mit <strong>de</strong>m Gebot<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftstreue, Art. 10 (ex-Art. 5) EGV, nicht zu vereinbaren, wenn die Mitgliedstaaten<br />
versuchten, <strong>de</strong>m Inhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung durch Nicht- o<strong><strong>de</strong>r</strong> fehlerhafte Umsetzung<br />
von Richtlinien Rechnung zu t<strong>ra</strong>gen, da sie nach Art. 249 (ex-Art. 189) Abs. 3 EGV<br />
hinsichtlich <strong>de</strong>s zu erreichen<strong>de</strong>n Ziels <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie je<strong>de</strong>nfalls gebun<strong>de</strong>n sind. Umzusetzen<strong>de</strong>s<br />
verbindliches Sekundärrecht steht daher <strong>im</strong> Rang über einer unverbindlichen Erklärung zur<br />
Schlußakte.<br />
9. Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung als Vorbehalt<br />
Die Kirchenerklärung kann mit <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Erklärung betreffend <strong>de</strong>n Berg Athos<br />
(Erklärung Nr. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte <strong>de</strong>s Beitrittsvert<strong>ra</strong>gs) 560 anläßlich <strong>de</strong>s Beitritts Griechenlands<br />
zur Gemeinschaft verglichen wer<strong>de</strong>n, durch welche die Gemeinschaft anerkennt, daß die<br />
durch Art. 105 <strong><strong>de</strong>r</strong> griechischen Verfassung verbürgte Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelung für <strong>de</strong>n Berg Athos<br />
geistlich und religiös begrün<strong>de</strong>t ist und sie dafür Sorge trägt, daß diese Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelung bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Anwendung und späteren Ausarbeitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts,<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Zoll- und Steuerbefreiungen sowie <strong>de</strong>s Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungsrechts,<br />
berücksichtigt wird. 561<br />
Die gemeinsame Erklärung betreffend <strong>de</strong>n Berg Athos stellt in<strong>de</strong>ssen<br />
kein verbindliches Pr<strong>im</strong>ärrecht dar, da sie nicht auf <strong><strong>de</strong>r</strong> sich durch Art. 311 (ex-Art. 239) EGV<br />
ergeben<strong>de</strong>n Stufe verbindlichen Rechts steht.<br />
Auch han<strong>de</strong>lt es sich hierbei nicht um einen Vorbehalt, <strong><strong>de</strong>r</strong> etwa mit <strong>de</strong>mjenigen Dänemarks<br />
hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme an <strong><strong>de</strong>r</strong> dritten Stufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschafts- und Währungsunion,<br />
vergleichbar wäre. 562<br />
Dem Vorbehalt Dänemarks liegt vielmehr ein verbindlicher Beschluß<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong> Rat vereinigten Staats- und Regierungschefs zugrun<strong>de</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> zusammen<br />
mit <strong>de</strong>m Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Maastricht wirksam wur<strong>de</strong>. Mit diesem Vorbehalt<br />
wur<strong>de</strong> sozusagen das Einverständnis Dänemarks zu einer intensiveren Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion<br />
durch ein Zugeständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> übrigen Mitgliedstaaten „erkauft“. Hiermit läßt sich die – keinen<br />
Mitgliedstaat speziell bevorzugen<strong>de</strong> – Kirchenerklärung keinesfalls vergleichen.<br />
560 Dokumente betreffend <strong>de</strong>n Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Republik Griechenland zu <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong><br />
Gemeinschaften, Schlußakte; ABl. 1979, Nr. L 291, S. 179 ff.<br />
561 ABl. 1979, Nr. L 291, S. 186. Robbers, Fn. 103, S. 624.<br />
562 Beschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong> Rat vereinigten Staats- und Regierungschefs anläßlich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Tagung vom 11./12. Dezember 1992 in Edinburgh, ABl. 1992, Nr. C 348, S. 2,<br />
Abschnitt B.
143<br />
Soweit die Gemeinschaft allerdings eine gemeinsame Erklärung dauerhaft beachtet, wie dies<br />
hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Erklärung betreffend <strong>de</strong>n Berg Athos z.B. be<strong>im</strong> Erlaß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Richtlinie 92/12/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, <strong>de</strong>n<br />
Besitz, die Beför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung und die Kontrolle verb<strong>ra</strong>uchsteuerpflichtiger Waren 563 geschehen ist,<br />
könnte dies die Entstehung von Gemeinschaftsgewohnheitsrecht 564<br />
för<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Im übrigen hat Griechenland wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt eine einseitige Erklärung zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />
weltanschaulichen Gemeinschaften <strong>im</strong> Hinblick auf <strong>de</strong>n Berg Athos abgegeben. 565 Wenn<br />
allerdings schon die gemeinsame Erklärung betreffend <strong>de</strong>n Berg Athos rechtlich<br />
unverbindlich ist, gilt dies erst recht für diese neuerliche einseitige Erklärung, zumal diese von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Amsterdamer Regierungskonferenz nicht einmal angenommen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich zur<br />
Kenntnis genommen wur<strong>de</strong>. 566 Eine solche Erklärung ist nicht einmal als Auslegungsübereinkunft,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n als bloße Urkun<strong>de</strong> i.S.d. Art. 31 Abs. 2 lit. b WVRK zu werten. 567<br />
Die Kirchenerklärung kann daher nicht als Vorbehalt wirken.<br />
10. Zusammenfassung<br />
Der Vorschlag von Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Großkirchen hat – wie auch die Bemühungen<br />
von Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>t, EECCS und ComECE – mit <strong>de</strong>m endgültigen Resultat <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung<br />
das beabsichtigte Ziel einer gemeinschaftsrechtlich verbindlichen Rechtsform <strong>de</strong>finitiv nicht<br />
erreicht; die gemeinsame Erklärung kann trotz ihres verbindlich klingen<strong>de</strong>n Wortlauts nicht<br />
zum pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrecht gerechnet wer<strong>de</strong>n. 568<br />
Daß die Kirchenerklärung als bloße<br />
„Erklärung“ ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, anstatt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Form eines ein<strong>de</strong>utig verbindlichen Rechtsakts<br />
zu ergehen, muß prinzipiell dahingehend verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesamtheit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten ein Rechtsakt ohne Bindungswillen beabsichtigt war.<br />
563 ABl. 1992, Nr. L 76, S. 1 ff.; Art. 2 Abs. 5 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL lautet: „Die Best<strong>im</strong>mungen dieser<br />
Richtlinie stehen <strong><strong>de</strong>r</strong> Beibehaltung <strong>de</strong>s von Artikel 105 <strong><strong>de</strong>r</strong> griechischen Verfassung<br />
ga<strong>ra</strong>ntierten Status <strong>de</strong>s Berges Athos in Griechenland nicht entgegen.“<br />
564<br />
S.o. D.IV.6.<br />
565<br />
Erklärung Nr. 8: „Unter Bezugnahme auf die Erklärung zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />
weltanschaulichen Gemeinschaften erinnert Griechenland an die Gemeinsame Erklärung<br />
betreffend <strong>de</strong>n Berg Athos <strong>im</strong> Anhang zur Schlußakte <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs über <strong>de</strong>n Beitritt<br />
Griechenlands zu <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften.“<br />
566<br />
S.o. D.IV.3.<br />
567<br />
Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 7.<br />
568<br />
So auch Ehnes, Fn. 248, S. 51.
144<br />
Auch die <strong>im</strong> Rat vereinigten Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten unterliegen <strong>im</strong><br />
Hinblick auf die Kirchenerklärung keiner Selbstbindung, zumal nicht einmal ein völkerrechtlich<br />
verpflichten<strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>g abgeschlossen wur<strong>de</strong>. Keinesfalls dürfen die Mitgliedstaaten<br />
unter Berufung auf die Erklärung an<strong><strong>de</strong>r</strong>slauten<strong>de</strong>s Sekundärrecht „erklärungskonform“<br />
auslegen. In Zweifelsf<strong>ra</strong>gen sollte <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong> Sekundärrechtsakt <strong>de</strong>m EuGH i.R.d. Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahrens<br />
nach Art. 234 (ex-Art. 177) EGV vorgelegt wer<strong>de</strong>n; allein dieser<br />
wäre berechtigt, die Kirchenerklärung trotz ihres unverbindlichen Cha<strong>ra</strong>kters bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Auslegung <strong>de</strong>s Sekundärrechtsaktes zu berücksichtigen. Sollten die Gemeinschaftsorgane die<br />
Kirchenerklärung dauerhaft bei ihrer Rechtsetzung berücksichtigen, könnte dies zu<strong>de</strong>m die<br />
Entstehung von Gemeinschaftsgewohnheitsrecht för<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
V. Würdigung <strong>de</strong>s Inhalts <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung<br />
1. Schaffung eigener religionsrechtlicher Begriffe auf Gemeinschaftsebene<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung wur<strong>de</strong>n erstmals in die Schlußakte einer Konferenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertreter<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten die Begriffe „Kirche und religiöse Vereinigungen“<br />
aufgenommen. Hierdurch ist eine autonome, gemeinschaftsrechtliche Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> fünf<br />
verschie<strong>de</strong>nen, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung erwähnten Gruppierungen – Kirchen, religiöse Vereinigungen,<br />
religiöse Gemeinschaften, weltanschauliche Organisationen, nichtkonfessionelle<br />
Organisationen – möglich gewor<strong>de</strong>n.<br />
a) „Kirche“<br />
Vgl. zum Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche die obigen Ausführungen unter A.II.2.a)aa).<br />
b) „Religiöse Gemeinschaft“<br />
Innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU existieren an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Religionsgemeinschaften, die sich nicht mit <strong>de</strong>m<br />
spezifisch christlichen Begriff einer „Kirche“ i<strong>de</strong>ntifizieren können. Unter <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
religiösen Gemeinschaft kann daher beispielsweise die jüdische Kultusgemeinschaft<br />
subsumiert wer<strong>de</strong>n.<br />
c) „Religiöse Vereinigung“<br />
Im Unterschied zu Kirchen und religiösen Gemeinschaften verfolgen religiöse Vereinigungen<br />
i.d.R. nur begrenzte religiöse Zwecke, wie dies z.B. bei Or<strong>de</strong>n, Kongregationen,<br />
Missionsvereinen o<strong><strong>de</strong>r</strong> karitativen Verbän<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist.
145<br />
d) „Weltanschauliche Organisation“<br />
Unter einer weltanschaulichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> „philosophischen“ 569 Organisation versteht man eine<br />
Gemeinschaft, die ebenso wie eine Religionsgemeinschaft best<strong>im</strong>mte Aussagen zum<br />
Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel menschlichen Lebens formuliert, wobei sich<br />
diese – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als eine t<strong>ra</strong>nszen<strong>de</strong>ntale Aspekte beinhalten<strong>de</strong> Religion – auf innerweltliche,<br />
d.h. grds. wissenschaftlich nachvollziehbare Bezüge beschränkt. 570<br />
e) „Nichtkonfessionelle Organisation“<br />
Hierunter sind Organisationen zu verstehen, die zwar ebenfalls religiöse bzw.<br />
weltanschauliche Zielsetzungen verfolgen, als Plattform jedoch keine Verbindung zu einer<br />
best<strong>im</strong>mten Konfession, Denomination o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppierung wählen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n autonom sind.<br />
f) Folgerungen aus <strong>de</strong>n neuen Begrifflichkeiten<br />
In kirchennahen Kreisen wer<strong>de</strong>n solche gemeinschaftsrechtlichen Begriffsprägungen teilweise<br />
als unnötig, ja sogar „riskant“ angesehen. 571<br />
Jedoch bringt die Erklärung positiv zum Ausdruck, daß auch auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />
nicht nur die individuelle Religionsfreiheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch religionsrechtliche<br />
Institutionen wahrgenommen wer<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> sich auf die Religionsfreiheit berufen.<br />
Somit besteht auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts keine „Kirchenblindheit“ mehr.<br />
Vielmehr existieren Kirchen und Religionsgemeinschaften nunmehr als gesellschaftlicher<br />
Faktor innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU.<br />
F<strong>ra</strong>glich ist in<strong>de</strong>s, ob die Kirchenerklärung als Beleg dafür he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n kann, daß<br />
die EU künftig gesellschaftliche Kräfte zwischen Mitgliedstaat und Privatperson wahrn<strong>im</strong>mt.<br />
572<br />
Meines E<strong>ra</strong>chtens muß weiterhin von einer Zweiteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Institutionen auf<br />
mitgliedstaatlicher Ebene ausgegangen wer<strong>de</strong>n: Entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> han<strong>de</strong>lt es sich bei <strong>de</strong>n Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften um juristische Personen <strong>de</strong>s Privatrechts – dann sind Richtlinienbest<strong>im</strong>mungen<br />
grds. nicht unmittelbar anwendbar – o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber es han<strong>de</strong>lt sich um <strong>de</strong>m Staat<br />
569 Im englischen Text heißt es: „The European <strong>Union</strong> equally respects the status of<br />
philosophical and non-confessional organisations.“; vgl. Rie<strong>de</strong>l, Reform <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
<strong>Union</strong> durch <strong>de</strong>n Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g – Bilanz <strong><strong>de</strong>r</strong> EU-Regierungskonferenz, S. 73 ff., 82,<br />
dort Fn. 25.<br />
570<br />
Vgl. Seifert/Hömig/Bergmann, GG, Art. 4, Rdnr. 4; BVerwGE 90, S. 115.<br />
571<br />
Joseph H. Kaiser, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 105.<br />
572<br />
So Brenner, Fn. 522, S. 10.
146<br />
zuzuordnen<strong>de</strong> Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts. Im letzteren Fall wären die Kirchen<br />
und Religionsgemeinschaften, wie die Mitgliedstaaten selbst, Adressaten von Richtlinien. 573<br />
Die Schaffung eigener Begrifflichkeiten für Kirchen und Religionsgemeinschaften in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchenerklärung stellt insofern eine Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit dar, als <strong><strong>de</strong>r</strong> bisher weitestgehend<br />
funktional strukturierten Gemeinschaft hierdurch kirchliche Institutionen als solche in ihr<br />
Blickfeld gerückt wer<strong>de</strong>n. 574<br />
2. Gleichstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> weltanschaulichen und nichtkonfessionellen Organisationen<br />
Durch die Erklärung wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Status, <strong>de</strong>n die Kirchen und religiöse Vereinigungen bzw.<br />
Gemeinschaften in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten nach <strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechtsvorschriften genießen, geachtet und<br />
als unantastbar erklärt. Für weltanschauliche und nichtkonfessionelle Organisationen 575<br />
wird<br />
die Achtung <strong>de</strong>s Status in Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung ebenso ga<strong>ra</strong>ntiert.<br />
F<strong>ra</strong>glich ist daher, ob sich letztgenannte Organisationen gleichfalls auf einen unantastbaren<br />
Status berufen können, da sich die Gleichstellung <strong>de</strong>m Wortlaut „ebenso“ nach lediglich auf<br />
die Achtung <strong>de</strong>s Status zu beziehen scheint. Da die Erklärung aber ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> bezweckt, eine<br />
Exemtion für religiöse und weltanschauliche Organisationen gleichermaßen zu schaffen, muß<br />
davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, daß weltanschaulichen und nichtkonfessionellen Organisationen<br />
gleichsam ein gemeinschaftsrechtlich unantastbarer Status zukommt. Hierfür spricht ge<strong>ra</strong><strong>de</strong><br />
auch die tatsächliche Schwierigkeit, eine exakte Trennlinie zwischen Religion und Weltanschauung<br />
zu ziehen. 576<br />
3. Keine Verleihung neuer, originärer Rechte<br />
573 Vgl. hierzu die Ausführungen unten J.<br />
574 So auch Robbers, Fn. 181, S. 99; vgl. auch die Ausführungen oben C.I.2.e).<br />
575 In <strong>de</strong>n ursprünglichen Entwürfen war übrigens keine Re<strong>de</strong> von weltanschaulichen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
nichtkonfessionellen Organisationen. Die Sicherung <strong>de</strong>s Status weltanschaulicher<br />
Gemeinschaften erfolgte erst auf ausdrücklichen Wunsch <strong><strong>de</strong>r</strong> belgischen Regierung, <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Verfassungslage insoweit eine Pa<strong>ra</strong>llele zu Art. 137 Abs. 7 i.V.m. Art. 140 GG aufweist.<br />
576 Im <strong>de</strong>utschen Recht ist daher eine Wahlfeststellung (entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung)<br />
ausreichend, vgl. Seifert/Hömig/Bergmann, GG, Art. 4, Rdnr. 5.
147<br />
Die Kirchenerklärung bringt zum Ausdruck, daß die Rechtsstellung von Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften nicht auf Gemeinschaftsebene, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
festgelegt wird. Den in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung aufgezählten Institutionen wer<strong>de</strong>n daher gemeinschaftsrechtlich<br />
keine eigenen, originären Rechte zuerkannt; ein Rechtsstatus wird durch die<br />
Erklärung nur bestätigt, soweit er <strong>im</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten schon existiert. 577<br />
Im Klartext be<strong>de</strong>utet dies, daß ein geringer mitgliedstaatlich gewährter korpo<strong>ra</strong>tiver Status<br />
gemeinschaftsrechtlich in keinster Weise verbessert wird. 578 Genießen Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauungsgemeinschaften 579 dagegen, wie z.B. in Deutschland,<br />
einen privilegierten Status, wird dieser nicht angetastet. Die Erklärung stärkt damit we<strong><strong>de</strong>r</strong> die<br />
individuelle Religionsfreiheit, die bisher pr<strong>im</strong>ärrechtlich an keiner Stelle explizit geregelt ist,<br />
noch schafft sie eine korpo<strong>ra</strong>tive D<strong>im</strong>ension <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit auf Gemeinschaftsebene. 580<br />
Vielmehr wird durch die Erklärung lediglich <strong><strong>de</strong>r</strong> bestehen<strong>de</strong> innerstaatliche Status von<br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften aufrechterhalten. Die Erklärung muß daher in erster<br />
Linie als Bemühen <strong><strong>de</strong>r</strong> Großkirchen zur Sicherung ihres status quo verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, die auf<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungskonferenz ohne größere Schwierigkeiten als gemeinsame Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n konnte, da es je<strong>de</strong>m Mitgliedstaat ohne weiteres<br />
möglich war, für die Aufrechterhaltung seines bisherigen <strong>Religionsrecht</strong>s zu st<strong>im</strong>men. Auch<br />
die Schaffung eines geregelten Anhörungsverfahren für Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
i.R.d. gemeinschaftsrechtlichen Rechtsetzungsverfahrens bei F<strong>ra</strong>gen mit religionsrechtlichem<br />
Bezug, das <strong>im</strong> Vorfeld <strong><strong>de</strong>r</strong> Amsterdamer Regierungskonferenz zur Sp<strong>ra</strong>che gekommen war, 581<br />
wur<strong>de</strong> dort nicht weiterverfolgt.<br />
4. Kirchen und Religionsgemeinschaften als „legit<strong>im</strong>e Partner“ <strong><strong>de</strong>r</strong> EU?<br />
577<br />
Vgl. auch Nanz/Silberberg, Fn. 98, S. 375.<br />
578<br />
Turowski, Fn. 238, S. 213, hatte vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterzeichnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung bemängelt,<br />
daß Kirchen in vielen europäischen Staaten und <strong>im</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft<br />
nicht über einen Körperschaftsstatus verfügten, <strong><strong>de</strong>r</strong> sie in die Lage versetzen wür<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>n<br />
Instanzen <strong><strong>de</strong>r</strong> EG unmittelbar rechtlich zu kooperieren, wodurch es zu Nachteilen <strong>im</strong><br />
Bereich kirchlicher Interessenwahrnehmung käme. An diesem grundsätzlichen Problem hat<br />
sich durch die Erklärung nichts geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t.<br />
579<br />
Vgl. Art. 140 i.V.m. Art. 137 Abs. 7 WRV.<br />
580<br />
Letzeres regte v. Campenhausen, Fn. 74, S. 412, ebenfalls vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterzeichnung <strong>de</strong>s<br />
Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs an.<br />
581<br />
Vgl. Ehnes, Fn. 248, S. 53.
148<br />
Ob die Kirchen durch die Erklärung wirklich zu „legit<strong>im</strong>en Partnern“ 582<br />
<strong>im</strong> Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
europäischen Einigung avanciert sind, muß die Zukunft weisen. Die halbjährlichen Treffen<br />
von EECCS und ComECE mit Kommissionsvertretern existierten je<strong>de</strong>nfalls schon vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ratifikation <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs. Tatsache ist, daß die Erklärung Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften nach wie vor nicht – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als dies in Art. 137 Abs. 4 EGV<br />
(ex-Art. 2 Abs. 4 <strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik) für Sozialpartner zum Ausdruck<br />
kommt – mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrnehmung von Gemeinschaftsaufgaben bet<strong>ra</strong>ut, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich eine<br />
Achtung ihres bisherigen Status ausspricht. Im Unterschied zu politischen Parteien, vgl.<br />
Art. 191 (ex-Art. 138a) EGV, wer<strong>de</strong>n Kirchen und Religionsgemeinschaften we<strong><strong>de</strong>r</strong> „auf<br />
europäischer Ebene wichtig als Faktor <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>“ angesehen, noch t<strong>ra</strong>gen<br />
sie offiziell „dazu bei, ein europäisches Bewußtsein he<strong>ra</strong>uszubil<strong>de</strong>n“.<br />
Die Kirchenerklärung drückt ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> keine große Koope<strong>ra</strong>tionsbereitschaft zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft einerseits und <strong>de</strong>n Kirchen und Religionsgemeinschaften an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits aus.<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>s erscheint z.B. die Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>n: Dort<br />
betonte die Maastrichter Regierungskonferenz, daß zur Erreichung <strong><strong>de</strong>r</strong> in Art. 136<br />
(ex-Art. 117) EGV genannten Ziele eine „Zusammenarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft<br />
mit <strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege und <strong>de</strong>n Stiftungen als Trägern sozialer Einrichtungen<br />
und Dienste von großer Be<strong>de</strong>utung“ sei.<br />
5. Kirchen und Religionsgemeinschaften als „Teil <strong>de</strong>s gemeinsamen kulturellen<br />
Erbes“?<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung wur<strong>de</strong> – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als in <strong>de</strong>n oben genannten Vorschlägen – das<br />
„gemeinsame kulturelle Erbe <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Völker“ nicht aufgenommen. Daher kann m.E.<br />
ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> nicht davon gesprochen wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> europäische Einigungsprozeß durch diese<br />
Erklärung hinsichtlich kultureller Momente bereichert wor<strong>de</strong>n sei. 583 Auch die offizielle<br />
Stellungnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD scheint nicht gewahr zu sein, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Passus <strong>de</strong>s „kulturellen Erbes“<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung gestrichen wur<strong>de</strong>. Statt <strong>de</strong>ssen erklärt <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat <strong>de</strong>s EKD, daß die<br />
Vorschrift ein wachsen<strong>de</strong>s Verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft dafür zeige, daß die<br />
verfassungsrechtliche Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften „als Ausdruck <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten und ihrer Kulturen sowie als Teil <strong>de</strong>s gemeinsamen kulturellen Erbes“<br />
Achtung verdienten. 584<br />
582<br />
Diese Begriffe verwen<strong>de</strong>n Brenner, Fn. 522, S. 9, sowie Robbers, Fn. 103, S. 622.<br />
583<br />
So aber Robbers, Fn. 103, S. 623.<br />
584<br />
Erklärung <strong>de</strong>s Rates <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD „Christentum und politische Kultur – Über das Verhältnis <strong>de</strong>s<br />
<strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen Rechtsstaates zum Christentum“, FAZ Nr. 251 vom 29.10.1997, S. 9.
149<br />
<strong>Das</strong> <strong>Religionsrecht</strong> wird in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung nicht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur in Berührung geb<strong>ra</strong>cht, für<br />
welche durch die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 151 (ex-Art. 128) EGV eine pr<strong>im</strong>ärrechtlich ve<strong>ra</strong>nkerte<br />
Gemeinschaftskompetenz besteht. Aus diesem Grun<strong>de</strong> sollten <strong>Religionsrecht</strong> und Kultur als<br />
aliud-Begriffe verwandt wer<strong>de</strong>n. 585<br />
Entfernt erinnert <strong><strong>de</strong>r</strong> ursprüngliche Vorschlag <strong>im</strong> Memo<strong>ra</strong>ndum sogar an das Bun<strong>de</strong>sgesetz<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Russischen Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ation „über die Freiheit <strong>de</strong>s Gewissens und die religiösen<br />
Vereinigungen“ 586 , in welchem in <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel die „Anerkennung <strong><strong>de</strong>r</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Orthodoxie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte Rußlands, in <strong><strong>de</strong>r</strong> He<strong>ra</strong>usbildung und Entwicklung seiner<br />
Geistigkeit und Kultur“ he<strong>ra</strong>usgehoben wird. Ungeachtet <strong>de</strong>s großen Beit<strong>ra</strong>gs kirchlichen<br />
Wirkens in kultureller Hinsicht macht die beständige Hervorhebung <strong>de</strong>s kulturellen Erbes eine<br />
gewisse Einengung auf die – lange Zeit bestehen<strong>de</strong>n – Großkirchen <strong>de</strong>utlich, zumal Freikirchen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> neuere religiöse Bewegungen, für welche die Ve<strong>ra</strong>nkerung institutioneller Rechte<br />
von gleich<strong>ra</strong>ngiger Be<strong>de</strong>utung ist, sich kaum da<strong>ra</strong>uf berufen könnten, „Kulturfaktor“ 587 ,<br />
geschweige <strong>de</strong>nn, i<strong>de</strong>ntitätsstiftend für die Mitgliedstaaten zu sein. <strong>Das</strong> Element <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
„I<strong>de</strong>ntität“ konnte daher verständlicherweise von Staaten wie F<strong>ra</strong>nkreich mit striktem<br />
Trennungssystem nicht akzeptiert wer<strong>de</strong>n. 588 Somit hätte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Artikel in seiner<br />
ursprünglichen Fassung nur auf jene Religionsgemeinschaften beziehen können, die <strong>im</strong>mer<br />
schon in Europa präsent waren und sind. 589<br />
Die Auffassung, durch die Erklärung wer<strong>de</strong> die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vielfalt und historischen<br />
Verwurzelung in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU anerkannt 590 , gibt exakt <strong>de</strong>n Wunsch <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>utschen Großkirchen wie<strong><strong>de</strong>r</strong>, wie er schon in <strong>de</strong>m Memo<strong>ra</strong>ndum nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegt wor<strong>de</strong>n<br />
war. 591<br />
6. <strong>Das</strong> „Unangetastetlassen“ <strong>de</strong>s rechtlichen Status von Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
585 Einzelheiten s.u. F.III.<br />
586 EuGRZ 1997, S. 527 ff.<br />
587 Grote, Fn. 81, S. 33.<br />
588 Vgl. Brenner, Fn. 522, S. 10.<br />
589 So zu Recht auch Grote, Fn. 81, S. 33.<br />
590 Robbers, Fn. 103, S. 623.<br />
591 Memo<strong>ra</strong>ndum, Fn. 505, S. 4, vorletzter Absatz.
150<br />
Begrifflichkeiten wie das „Unangetastetlassen“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Unberührtbleiben“ sind <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht<br />
nicht fremd. In Art. 295 (ex-Art. 222) EGV ist ausdrücklich die Formulierung<br />
enthalten, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g die Eigentumsordnung in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Mitgliedstaaten<br />
unberührt lasse. Obwohl das Eigentum selbst gemeinschaftsrechtlich nach überwiegen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Meinung weit auszulegen ist 592 , soll die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Eigentumsordnung i.S.d.<br />
Art. 295 (ex-Art. 222) EGV nach Auffassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission eingeschränkt dahingehend<br />
verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g nur eine Neut<strong>ra</strong>lität gegenüber nationalen<br />
Verstaatlichungsmaßnahmen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Privatisierungen wahren müsse. 593<br />
Als es jedoch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Costa/E.N.E.L. 594 konkret um eine Verstaatlichung <strong><strong>de</strong>r</strong> italienischen<br />
Elektrizitätswirtschaft ging, hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH seine Zuständigkeit zur Beurteilung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechtmäßigkeit <strong>im</strong> Hinblick auf Art. 295 (ex-Art. 222) EGV nicht etwa zurückgenommen,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr anhand dieser Rechtssache <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />
weiterentwickelt. Wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechtmäßigkeit von Eigentumsbeschränkungen konfrontiert, berief er sich in aller Regel<br />
ebenfalls nicht auf Art. 295 (ex-Art. 222) EGV, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n zog die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en Beantwortung he<strong>ra</strong>n. 595<br />
In <strong>de</strong>n wenigen Malen, in <strong>de</strong>nen <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bisher explizit zu Art. 295 (ex-Art. 222) EGV<br />
Stellung bezogen hat, anerkannte er zwar, daß die Vorschrift „die Befugnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten,<br />
ein System <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Enteignung einzurichten, nicht in F<strong>ra</strong>ge stelle, daß aber<br />
auch für ein solches System <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtdiskr<strong>im</strong>inierung, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Kapitel <strong>de</strong>s<br />
EWG-Vert<strong>ra</strong>gs über das Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungsrecht zugrun<strong>de</strong> liegt, gilt.“ 596<br />
592 Vgl. nur v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Hochbaum, Bd. 5, Art. 222, Rdnr. 4; dieses<br />
umfaßt nicht nur das zivilrechtliche Sacheigentum von natürlichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> juristischen<br />
Personen an körperlichen Gegenstän<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n darüber hinaus auch beschränkt dingliche<br />
Rechte, Inhaber-, Urheber- und Warenzeichenrechte sowie For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen.<br />
593 So v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Hochbaum, Bd. 5, Art. 222, Rdnr. 8.<br />
594 Vgl. EuGH, Rs. 6/64, Slg. 1964, S. 1251 ff., 1269 ff.<br />
595 So z.B. EuGH, Rs. 44/79 (Liselotte Hauer/Land Rheinland-Pfalz), Slg. 1979, S. 3727 ff.;<br />
Rs. 11/70 (Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr und Vor<strong>ra</strong>tsstelle Getrei<strong>de</strong>),<br />
Slg. 1970, S. 1125 ff., 1135; Rs. 4/73 (Nold/Kommission und Rat), Slg. 1974, S. 491 ff.<br />
Eine Ausnahme mag insofern darstellen: EuGH, Rs. C-309/96 (Daniele Annibaldi/Sindaco<br />
<strong>de</strong>l Commune di Guidonia u.a.), Slg. 1997, S. I-7493 ff., 7512, Rz. 23 = EuR 1998,<br />
S. 195 ff.<br />
596 EuGH, Rs. 182/83 (Fearon/Irish Land Commission), Slg. 1984, S. 3677 ff., 3685, Rz. 7;<br />
ebenso für <strong>de</strong>n freien Warenverkehr: EuGH, Rs. C-350/92 (Königreich Spanien/Rat),<br />
Slg. 1995, S. I-1985 ff., 2011, Rz. 20 = EuZW 1995, S. 666, Rz. 18.
151<br />
Aus alle<strong>de</strong>m läßt sich für das <strong>Religionsrecht</strong> schließen, daß das „Unangetastetlassen“ –<br />
vo<strong>ra</strong>usgesetzt, es wür<strong>de</strong> sich um eine verbindliche Vorschrift han<strong>de</strong>ln – nur be<strong>de</strong>utet, daß<br />
religionsrechtliche Angelegenheiten keine Regelungsmaterien <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts sind,<br />
d.h. daß die Mitgliedstaaten in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausgestaltung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s grundsätzlich frei<br />
sind. 597<br />
Gleichwohl schließt eine das <strong>Religionsrecht</strong> betreffen<strong>de</strong> Exemtion in<strong>de</strong>s eine<br />
Prüfungskompetenz <strong>de</strong>s EuGH hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Einhaltung gemeinschaftsrechtlicher<br />
Vorschriften, namentlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeitsregeln, nicht von vornherein aus.<br />
7. Festschreibung <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n status quo als I<strong>de</strong>allösung?<br />
Es wird weiter vertreten, die Erklärung wolle die religionsrechtlichen Systeme <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
nicht „zementieren“. 598<br />
Zutreffend an dieser Aussage ist zunächst, daß eine<br />
Weiterentwicklung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s auf Gemeinschaftsebene theoretisch nach wie vor<br />
möglich bleibt, soweit dies die Mitgliedstaaten durch Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s nationalen<br />
<strong>Religionsrecht</strong>s nur wollen; Harmonisierungsbestrebungen zur Vereinheitlichung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
unterschiedlichen religionsrechtlichen Systeme auf Gemeinschaftsebene wer<strong>de</strong>n durch eine<br />
solche Best<strong>im</strong>mung <strong>im</strong>merhin ausgeschlossen.<br />
Eine gewisse Angleichung <strong><strong>de</strong>r</strong> religionsrechtlichen Systeme innerhalb Europas darf in<strong>de</strong>s<br />
nicht nur als Gefahr angesehen wer<strong>de</strong>n, die es um je<strong>de</strong>n Preis zu bannen gilt. Je<strong>de</strong><br />
Neuordnung bietet zugleich auch die Chance, bestehen<strong>de</strong> Rechtsverhältnisse „fortzuschreiben“.<br />
599 Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Befürchtung vor möglichen Einbußen durch das Gemeinschaftsrecht<br />
he<strong>ra</strong>us wählten die <strong>de</strong>utschen Großkirchen, auf welche die Kirchenerklärung weitestgehend<br />
zurückzuführen ist, hingegen <strong>de</strong>n Weg <strong><strong>de</strong>r</strong> „Festschreibung“ 600<br />
, obwohl durch eine Regelung<br />
auf Gemeinschaftsrechtsebene ohne weiteres <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuch hätte unternommen wer<strong>de</strong>n können,<br />
597<br />
So ganz allgemein zu Art. 295 (ex-Art. 222) EGV: Badu<strong>ra</strong>, <strong>Das</strong> öffentliche Unternehmen<br />
<strong>im</strong> europäischen Binnenmarkt, ZGR 1997, S. 291 ff., 295 f.<br />
598<br />
Z.B. Robbers, European community law and churches, in: Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/Tempel/Torfs (Hrsg.),<br />
Fn. 31, S. 51 ff., 54: „It is also not to petrify existing legal structures within the member<br />
states.“<br />
599<br />
So auch Backbier, in: Christoph, Fn. 139, S. 424 f. Dieser plädiert ebenfalls dafür (a.a.O.,<br />
S. 425), durch die EG-Gesetzgebung Freiräume für die Kirchen zu schaffen, die jetzt noch<br />
zweifelhaft seien.<br />
600<br />
So Voigt, „Religionsartikel“ für die EU: Fortschreiben statt Festschreiben, MD 1996,<br />
S. 109.
152<br />
<strong>de</strong>n weitreichendsten Status, <strong>de</strong>n Kirchen und Religionsgemeinschaften in einigen<br />
Mitgliedstaaten genießen, auch auf <strong><strong>de</strong>r</strong> EU-Ebene positivrechtlich zu ve<strong>ra</strong>nkern. 601<br />
Rik Torfs hatte <strong>im</strong> Vorfeld <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung die rhetorische F<strong>ra</strong>ge gestellt,<br />
von wem die Initiative zur Schaffung einer Vorschrift auf Gemeinschaftsebene auszugehen<br />
habe und dahingehend beantwortet, daß sie sowohl von Politikern, <strong>de</strong>n Großkirchen als auch<br />
von Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen gleichermaßen angestrengt wer<strong>de</strong>n solle. 602 Dies ist jedoch nicht<br />
geschehen. Auch wenn die EKD in ihren frühen Überlegungen von 1991 formulierte, daß es<br />
„nicht um eine bloße Behauptung überkommener Positionen und Formen“ gehen dürfe, 603<br />
zielt die von <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Großkirchen initiierte Kirchenerklärung <strong>de</strong>nnoch zumin<strong>de</strong>st in<br />
diese Richtung. Dabei darf nicht übersehen wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Bewegungs<strong>ra</strong>hmen <strong>im</strong> sozialkaritativen<br />
Bereich und <strong>de</strong>m damit korrespondieren<strong>de</strong>n kirchlichen Dienst- und Arbeitsrecht,<br />
mit 1994 insgesamt 852.000 vollzeitbeschäftigten Mitarbeitern in Diakonie und Caritas, 604 in<br />
keinem religionsrechtlichen System in Europa <strong><strong>de</strong>r</strong>art ausgeprägt ist, wie ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>utschen Großkirchen. 605 Ähnliches gilt für die Kirchenfinanzierung, auch wenn einige<br />
nor<strong>de</strong>uropäischen Kirchen die Kirchensteuer ebenfalls kennen. Daß hier seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen<br />
Großkirchen einem Privilegienverlust vorgebaut wer<strong>de</strong>n sollte, ist daher durchaus<br />
nachvollziehbar, entspricht aber nicht <strong>de</strong>m Geist <strong><strong>de</strong>r</strong> „Verzichtserklärung“ <strong>de</strong>s Zweiten<br />
Vatikanischen Konzils. 606<br />
601<br />
So ist z.B. die Einräumung korpo<strong>ra</strong>tiver Rechte o<strong><strong>de</strong>r</strong> eines weitreichen<strong>de</strong>n<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts in kirchlichen Angelegenheiten keineswegs selbstverständlich.<br />
Auch könnte – wie z.B. in Italien – allen anerkannten Konfessionen das Recht eingeräumt<br />
wer<strong>de</strong>n, an öffentliche Schulen eigene Lehrkräfte zu entsen<strong>de</strong>n, selbst wenn diese<br />
zahlenmäßig nicht zu <strong>de</strong>n Großkirchen zählen, vgl. hierzu Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 196.<br />
602<br />
Torfs, Fn. 228, S. 80.<br />
603<br />
Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD (Hrsg.), Fn. 395, S. 376, These 5.<br />
604<br />
Quelle: Richardi, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. 31 (1997), S. 94.<br />
605<br />
Vgl. Christoph, Fn. 139, S. 426; Kustermann/Puza, in: Puza/Kustermann (Hrsg.), Fn. 3,<br />
S. 12.<br />
606<br />
Vgl. Rahner/Vorgr<strong>im</strong>ler, Fn. 6, S. 443. So heißt es in <strong><strong>de</strong>r</strong> Pasto<strong>ra</strong>lkonstitution gaudium et<br />
spes vom 7.12.1965, abgedruckt bei Rahner/Vorgr<strong>im</strong>ler, a.a.O., S. 449 ff., 535,<br />
ausdrücklich: „Doch setzt sie [die Kirche] ihre Hoffnung nicht auf Privilegien, die ihr von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Autorität angeboten wer<strong>de</strong>n. Sie wird sogar auf die Ausübung von legit<strong>im</strong><br />
erworbenen Rechten verzichten, wenn feststeht, daß durch <strong><strong>de</strong>r</strong>en Inanspruchnahme die<br />
Lauterkeit ihres Zeugnisses in F<strong>ra</strong>ge gestellt ist o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn verän<strong><strong>de</strong>r</strong>te Lebensverhältnisse<br />
eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Regelung for<strong><strong>de</strong>r</strong>n.“ Hiermit sind vor allem Rechte aus Konkordaten gemeint,<br />
die <strong><strong>de</strong>r</strong> Katholischen Kirche gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kirchen und Religionsgemeinschaften bis<br />
in die Gegenwart hinein oftmals eine ungerechtfertigte Besserstellung einräumen. Vgl. auch<br />
Honegger, Fn. 210, S. 54: „Schwer verständlich ist <strong>de</strong>nn auch die Tatsache, daß
153<br />
Da das Gemeinschaftsrecht aufgrund seiner funktional wirken<strong>de</strong>n Kompetenzen<br />
religionsrechtliche Materien berührt und lediglich am Erlaß von Regelungen gehin<strong><strong>de</strong>r</strong>t ist, die<br />
das <strong>Religionsrecht</strong> als ganzes betreffen, wäre <strong>de</strong>n Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Religionsgemeinschaften<br />
innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft m.E. besser Rechnung get<strong>ra</strong>gen wor<strong>de</strong>n, wenn nicht nur<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Versuch unternommen wor<strong>de</strong>n wäre, eine Exemtionsklausel zu schaffen, wie sie mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchenerklärung vorliegt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wenn statt <strong>de</strong>ssen pr<strong>im</strong>ärrechtlich ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften für <strong><strong>de</strong>r</strong>en interne Angelegenheiten ve<strong>ra</strong>nkert wor<strong>de</strong>n wäre.<br />
Hierbei hätte die schon bestehen<strong>de</strong> Vorschrift aus Ziff. 16 <strong>de</strong>s Abschließen<strong>de</strong>n Dokuments <strong>de</strong>s<br />
Wiener KSZE-Folgetreffens vom 15. Januar 1989 als Vorlage dienen können. 607 Nach<strong>de</strong>m nun<br />
die Kirchenerklärung existent ist, muß man skeptisch sein, daß es gelänge, innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
nächsten Jahre eine – verbindliche – zweite Vorschrift zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
auf Gemeinschaftsebene durchzusetzen. Die Qualifizierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung<br />
kann daher nicht als gelungener „erster Schritt in ,Richtung Pr<strong>im</strong>ärrecht‘“ 608<br />
bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Vielmehr könnte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Inhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung dann sogar als<br />
kont<strong>ra</strong>produktiv he<strong>ra</strong>usstellen, wenn die Rechtsetzungsorgane <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft i.R.d.<br />
Schaffung weiteren Sekundärrechts auf die Aufnahme von Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelungen zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Sinne eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts nur <strong>de</strong>shalb<br />
verzichten wür<strong>de</strong>n, weil sie sich – da ihnen aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung eine diesbezügliche<br />
Regelungsbefugnis ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> abgesprochen wur<strong>de</strong> – die Hän<strong>de</strong> gebun<strong>de</strong>n sähen, <strong><strong>de</strong>r</strong> später<br />
angerufene EuGH aber die Unverbindlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung feststellt, so daß das<br />
Sekundärrecht – lediglich funktional begrenzt durch das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung<br />
– auch auf Kirchen und Religionsgemeinschaften Anwendung fän<strong>de</strong>.<br />
Eine bloße Festschreibung <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n Staat-Kirche-Verhältnisses erscheint auch<br />
insoweit wenig weitsichtig, als viele Beitrittskandidaten Mittel- und Osteuropas (z.B.<br />
Bulgarien o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Türkei) nicht-orthodoxe Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitenkirchen diskr<strong>im</strong>inieren, teilweise<br />
verbieten und <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s verweisen. Hiervon sind nicht nur Sekten und Freikirchen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
auch die Evangelische und die Röm.-Kath. Kirche betroffen, <strong>de</strong>nen in diesen Staaten ebenfalls<br />
ausgerechnet die christlichen Kirchen, die sich auf die Worte von Christus berufen, sich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>art zäh an ungerechte Privilegien klammern und daß sie – scheinbar leichthin – die<br />
Diskr<strong>im</strong>inierung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Religionen und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Menschen weiterhin in Kauf nehmen.“<br />
Ähnlich P<strong>ra</strong>ntl, Fn. 118, S. 90. Selbst Robbers, Fn. 442, S. 177, räumt ein, daß ein<br />
Festhalten an überkommenen Privilegien <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche nur scha<strong>de</strong>.<br />
607 Vgl. hierzu die Ausführungen oben A.II.1.a)aa); ebenso van Bijsterveld, Towards an<br />
institutional relationship between churches and the European <strong>Union</strong>, in: Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/Tempel/<br />
Torfs (Hrsg.), Fn. 31, S. 21 ff., 30.<br />
608 So Kalb, Fn. 393, S. 96.
154<br />
nur ein Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitsstatus zukommt. 609 Da beitreten<strong>de</strong> Staaten verpflichtet sind, <strong>de</strong>n gesamten<br />
„aquis communautaire“ zu übernehmen, wäre es wünschenswert gewesen, wenn diese nicht<br />
einfach ihr z.T. unbefriedigen<strong>de</strong>s religionsrechtliches System beibehalten könnten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
gemeinschaftsrechtlich in die Pflicht genommen wor<strong>de</strong>n wären, über <strong>de</strong>n kultischen Bereich<br />
hinaus Diakonie, Medienarbeit und Bildungsauft<strong>ra</strong>g <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften zu<br />
schützen. 610<br />
Nicht ohne sachliche Richtigkeit wird die Auffassung vertreten, die fortschreiten<strong>de</strong><br />
europäische Einigung verlange eine Angleichung <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen europäischen<br />
Rechtssysteme und -t<strong>ra</strong>ditionen einschließlich <strong>de</strong>s Kultur-, Weltanschauungs- und <strong>Religionsrecht</strong>s.<br />
611 Die <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft aberkannte Befugnis zur Einführung eines best<strong>im</strong>mten<br />
religionsrechtlichen Systems kann zwar als Absage an eine – ohnehin nicht erstrebenswerte –<br />
europaweite Staatskirche verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n; 612 allerdings führt die Zunahme <strong>im</strong>mer weiterer<br />
Integ<strong>ra</strong>tionsbereiche unter Aussparung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s bzw. einer fehlen<strong>de</strong>n Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelungsbefugnis<br />
für diese Bereiche zwangsläufig dazu, daß sich das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> EU zum<br />
einen <strong>im</strong>mer mehr in Richtung einer laïcité f<strong>ra</strong>nzösischen Vorbilds entwickelt, das zwar die<br />
weitergehen<strong>de</strong>n <strong>Religionsrecht</strong>e einzelner Départements (hier: Mitgliedstaaten) wahrt, auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gesamtstaatlichen (hier: gemeinschaftsrechtlichen) Ebene jedoch keine positiven religionsrechtlichen<br />
Standards vorgibt. Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wer<strong>de</strong>n durch die Nichtregelung Belange <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsgemeinschaften <strong>im</strong>mer mehr <strong>de</strong>n sonstigen Institutionen i.R.d. Wirtschaftslebens<br />
angeglichen. 613<br />
8. Zusammenfassung und Ausblick<br />
Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß durch die Kirchenerklärung keine neuen Rechte<br />
auf Gemeinschaftsebene verliehen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr <strong><strong>de</strong>r</strong> „Festschreibung“ bisheriger Rechts-<br />
609 Vgl. Voigt, Fn. 600, S. 110.<br />
610 So Voigt, Fn. 600, S. 110.<br />
611 Herms, Lage und Perspektive <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts, auch <strong>im</strong> Blick auf<br />
die Europäische <strong>Union</strong>, Zusammenfassung, S. 4.<br />
612 In diese Richtung auch Robbers, Fn. 27, S. 151.<br />
613 Allgemein auf die Staatlichkeit bezogen Kirchhof, Fn. 18, S. 971: „Wer schlicht<br />
quantifizierend ein „Weniger“ statt wertend das richtige Maß an Staatlichkeit for<strong><strong>de</strong>r</strong>t,<br />
n<strong>im</strong>mt in Kauf, daß ein Weniger an Staat [...] das Maß <strong>de</strong>s sozialen Ausgleichs <strong>de</strong>m<br />
Wettbewerb überläßt, sinnstiften<strong>de</strong> Institutionen – wie Familie, Kirche, Einrichtungen von<br />
Kunst und Wissenschaft – mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Dominanz <strong>de</strong>s Wirtschaftlichen in <strong>de</strong>n Hintergrund<br />
drängt.“
155<br />
positionen gegenüber einer „Fortschreibung“ <strong><strong>de</strong>r</strong>selben <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorzug gegeben wur<strong>de</strong>. Die<br />
fehlen<strong>de</strong> Bezugnahme auf das „gemeinsame kulturelle Erbe“ bringt zum Ausdruck, daß<br />
<strong>Religionsrecht</strong> und Kultur als aliud-Begriffe verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n müssen. Auch <strong><strong>de</strong>r</strong> gewählte<br />
Wortlaut <strong>de</strong>s „Unangetastetlassens“ entbin<strong>de</strong>t grds. nicht von <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung zur<br />
Einhaltung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften.<br />
Im Ergebnis muß nüchtern konstatiert wer<strong>de</strong>n, daß die Erklärung <strong>de</strong>n hohen Erwartungen, die<br />
an sie gestellt wur<strong>de</strong>n, we<strong><strong>de</strong>r</strong> formell noch materiell gerecht gewor<strong>de</strong>n ist. Eine Vereinheitlichung<br />
religionsrechtlicher Systeme innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU wird jedoch angesichts <strong>de</strong>s klaren<br />
Wortlauts <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung künftig nicht vorgenommen wer<strong>de</strong>n können, zumal entsprechen<strong>de</strong><br />
Rechtsakte <strong>de</strong>s Rates zur Angleichung <strong><strong>de</strong>r</strong> religionsrechtlichen Systeme mit hoher<br />
Wahrscheinlichkeit – angesichts <strong>de</strong>s Vorliegens einer gemeinsamen Erklärung – an <strong>de</strong>n<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichen Mehrheiten scheitern wür<strong>de</strong>n.<br />
Obwohl sich die Mitgliedstaaten als „Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“ ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> nicht auf ein best<strong>im</strong>mtes<br />
religionsrechtliches System auf Gemeinschaftsrechtsebene festgelegt haben, darf nicht<br />
verkannt wer<strong>de</strong>n, daß die bewußte Nichtregelung religionsrechtlicher F<strong>ra</strong>gen in Anbet<strong>ra</strong>cht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> teilweise bestehen<strong>de</strong>n Gemeinschaftskompetenz gemeinschaftsrechtlich eher ein<br />
Trennungsmo<strong>de</strong>ll f<strong>ra</strong>nzösischen Gepräges als ein Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>utschen Zuschnitts<br />
herbeiführt. Eine Regelung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s ausschließlich auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
wäre nur dann sinnvoll, wenn die Gemeinschaft überhaupt keine religionsrechtlich<br />
relevanten Angelegenheiten regeln könnte. Dies ist nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall, da schon bisher Richtlinien<br />
und Verordnungen erlassen wur<strong>de</strong>n, die religionsrechtliche Materien berührten, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung von Kirchen und Religionsgemeinschaften meist aber Rechnung trugen. 614<br />
Insofern muß die Kirchenerklärung mitunter als vertane Chance interpretiert wer<strong>de</strong>n, ein<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />
positivrechtlich zu ve<strong>ra</strong>nkern.<br />
Es bleibt zu hoffen, daß die Erklärung trotz ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit <strong>de</strong>n<br />
Nebeneffekt mit sich bringt, daß die Gemeinschaft in F<strong>ra</strong>gen, welche <strong>de</strong>n Status von Kirchen<br />
und Religionsgemeinschaften berühren, mit diesen in einen Dialog tritt und sie durch<br />
konsultative Beteiligung in das Rechtssetzungsverfahren einbezieht, damit es tatsächlich zu<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> von Rüdiger Stotz 615<br />
erwähnten verfahrensrechtlichen Relevanz kommt. Da <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH<br />
auch unverbindliche Erklärungen als Auslegungshilfe für das Gemeinschaftsrecht he<strong>ra</strong>nzieht,<br />
kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung <strong>im</strong>merhin für die Weiterentwicklung <strong>de</strong>s abgeleiteten Gemeinschaftsrechts<br />
Be<strong>de</strong>utung zukommen.<br />
614 Einzelheiten s.o. C.I.3.<br />
615 Stotz, Fn. 92, S. 737.
156<br />
Weil es an einer verbindlichen pr<strong>im</strong>ärrechtlichen Best<strong>im</strong>mung fehlt, die <strong>de</strong>n Status <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft abschließend regelt, ist ein<br />
Rückgriff auf allgemeineres Pr<strong>im</strong>är- und Sekundärrecht nach wie vor unerläßlich, um Rang<br />
und Regelungsdichte <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s innerhalb <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zu best<strong>im</strong>men. 616<br />
616<br />
So auch Stotz, Fn. 92, S. 737.
E. Religiöse Grundrechte <strong>im</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> EU unter<br />
Berücksichtigung <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK<br />
157<br />
Eine sup<strong>ra</strong>nationale Staatenverbindung wie die EG kann in gleicher Weise wie ein Staat<br />
Grundrechte seiner Rechtsunterworfenen bedrohen. So wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft durch <strong>de</strong>n in<br />
Art. 249 (ex-Art. 189) EGV aufgeführten Katalog <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtshandlungen gestattet, <strong>im</strong><br />
Verordnungswege (Abs. 2) o<strong><strong>de</strong>r</strong> durch Entscheidungen (Abs. 4) direkt bzw. durch <strong>de</strong>n Erlaß<br />
von Richtlinien (Abs. 3) indirekt in Rechtspositionen einzelner einzugreifen, diese bedürfen<br />
daher <strong>de</strong>s Schutzes. 617<br />
Im nationalen Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten wer<strong>de</strong>n Grundrechte, die das staatliche Recht<br />
begrenzen, von Verfassungs wegen ausdrücklich anerkannt. Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um eine<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Errungenschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> christlich-okzi<strong>de</strong>ntalen Weltanschauung, wonach je<strong><strong>de</strong>r</strong> Person als<br />
<strong>im</strong>ago <strong>de</strong>i Menschenwür<strong>de</strong> zukommt. 618<br />
Obwohl die EG bislang ebendiesen Kulturkreis<br />
repräsentiert, war hier die Anerkennung von Grundrechten, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>s Grundrechts auf<br />
Religionsfreiheit, hingegen nicht von Beginn an selbstverständlich. Dies hatte pr<strong>im</strong>är seinen<br />
Grund darin, daß die Gemeinschaft anfangs als reine Staatengemeinschaft konzipiert war,<br />
weshalb nur Mitgliedstaaten als Berechtigte und Verpflichtete <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts <strong>im</strong><br />
Blickfeld <strong><strong>de</strong>r</strong> vert<strong>ra</strong>glichen Regelungen stan<strong>de</strong>n.<br />
Im folgen<strong>de</strong>n soll auf die generelle Grundrechtsthematik <strong>im</strong> Gemeinschafts- und <strong>Union</strong>srecht<br />
eingegangen wer<strong>de</strong>n, wobei es unumgänglich erscheint, sich hierbei die Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsfreiheit als zent<strong>ra</strong>les Grundrecht zu vergegenwärtigen.<br />
I. Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong>im</strong> Gemeinschafts- und <strong>Union</strong>srecht<br />
617 Vgl. auch Klein, Die Erweiterung <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes auf die universelle Ebene –<br />
Auswirkungen auf <strong>de</strong>n Grundrechtsschutz in Europa, S. 39 ff., 40.<br />
618 Vgl. hierzu auch die Ausführungen oben Fn. 6.
158<br />
1. Bisherige Normierungen <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht<br />
a) Grundfreiheiten<br />
Zwar wer<strong>de</strong>n die sog. Grundfreiheiten (Freiheit von Waren, Personen, Dienstleistungen und<br />
Kapital) schon seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG <strong>im</strong> E(W)G-Vert<strong>ra</strong>g ausdrücklich erwähnt. Diese<br />
dürfen jedoch nicht mit Grundrechten <strong>im</strong> eigentlichen Sinne verwechselt wer<strong>de</strong>n: Während<br />
Grundrechte gemeinschaftsrechtliche Rechtsakte kontrollieren und begrenzen, richten sich<br />
Grundfreiheiten i.S.d. EG-Vert<strong>ra</strong>g pr<strong>im</strong>är gegen diskr<strong>im</strong>inierend einschränken<strong>de</strong> mitgliedstaatliche<br />
Rechtsakte 619 . Auch bestehen zwischen bei<strong>de</strong>n Kategorien Unterschie<strong>de</strong> z.B. <strong>im</strong><br />
Adressatenkreis. 620<br />
Seit<strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Grundfreiheiten allerdings nicht mehr ausschließlich als<br />
Diskr<strong>im</strong>inierungsverbote aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit, d.h. als bloßen Anspruch auf<br />
Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>gleichbehandlung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr als Beschränkungsverbote, d.h. als Anspruch auf<br />
<strong>de</strong>n materiellen Gehalt <strong>de</strong>s jeweiligen Freizügigkeitsrechts, begreift, auf die sich je<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
einzelne berufen kann, 621 ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterschied zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten<br />
i.e.S. in weiten Bereichen verflacht. 622<br />
Zur Verschmelzung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsinstitute kommt es<br />
619<br />
So auch v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Beutler Bd. 1, Art. F, Rdnr. 27 u. 108.<br />
620<br />
Grundfreiheiten wie Grundrechte begünstigen pr<strong>im</strong>är <strong>de</strong>n einzelnen. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als Drittstaatsangehörige<br />
können staatliche Betriebe Rechtsträger <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten sein, nicht jedoch<br />
Mitgliedstaaten selbst (a.A. Obwexer, Fn. 554, S. 66). Als Berechtigte eines Gemeinschaftsgrundrechts<br />
kommen hingegen auch die Mitgliedstaaten selbst in Bet<strong>ra</strong>cht, vgl.<br />
v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Beutler Bd. 1, Art. F, Rdnr. 109, da sich ein Mitgliedstaat<br />
gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft in ähnlicher Weise wie ein <strong>Union</strong>sbürger in einem Subordinationsverhältnis<br />
befin<strong>de</strong>n kann. Die Ga<strong>ra</strong>ntie <strong><strong>de</strong>r</strong> Kulturen und T<strong>ra</strong>ditionen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten, wie sie Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 1 EGV gewährleistet, ist <strong>de</strong>mnach als<br />
Grundrecht i.w.S. zu verstehen, vgl. Hirsch, Fn. 92, S. 16 f. Im übrigen hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH das<br />
Grundrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten in Rs. 231/78 (Kommission/<br />
Vereinigtes Königreich), Slg. 1979, S. 1447 ff., 1462, Rz. 17, ausdrücklich erwähnt. Einzelheiten<br />
zur Grundrechtsträgerschaft s.u. E.IV.1.a)bb)(2).<br />
621<br />
Vgl. EuGH, Rs. C-415/93 (<strong>Union</strong> royale belge <strong>de</strong>s sociétés <strong>de</strong> football association<br />
ASBL/Bosman, Royal club liégeois SA/Bosman u.a.), Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rz. 79, 93,<br />
96 f., 129; Rs. C-55/95 (Gebhard/Consiglio <strong>de</strong>ll’Ordine <strong>de</strong>gli Avvocati e Procu<strong>ra</strong>tori di<br />
Milano), Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rz. 37.<br />
622<br />
So auch Füßer, Fn. 306, S. 97 f.; Hirsch, Fn. 92, S. 15; Netteshe<strong>im</strong>, Die europarechtlichen<br />
Grundrechte auf wirtschaftliche Mobilität (Art. 48, 52 EGV), NVwZ 1996, S. 342 ff.
159<br />
teilweise <strong>im</strong> Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Art. 17 (ex-Art. 8) EGV, <strong><strong>de</strong>r</strong> ein grundrechtsähnliches<br />
„Recht auf wirtschaftliche Freizügigkeit“ für <strong>Union</strong>sbürger begrün<strong>de</strong>t. 623<br />
Der Unterschied zwischen Grundfreiheiten und -rechten besteht formal nach wie vor <strong>im</strong><br />
unterschiedlichen Prüfungsschema <strong><strong>de</strong>r</strong> Sch<strong>ra</strong>nken: Während <strong>im</strong> eigentlichen Grundrechtsbereich<br />
ähnlich wie <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht von <strong>de</strong>n Begriffen Schutzbereich, Sch<strong>ra</strong>nken<br />
(= Eingriff), Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken (= Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an die Sch<strong>ra</strong>nke) auszugehen ist, 624<br />
wen<strong>de</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bei <strong>de</strong>n Grundfreiheiten bzw. be<strong>im</strong> allgemeinen Recht auf Freizügigkeit die<br />
i.R.d. Warenverkehrsfreiheit entwickelten Sch<strong>ra</strong>nken <strong>de</strong>s Art. 28 (ex-Art. 30) EGV an; 625<br />
allerdings sind die dogmatischen Unterschie<strong>de</strong> vom Ergebnis her bet<strong>ra</strong>chtet nicht mehr allzu<br />
groß. 626<br />
Was dagegen be<strong>im</strong> Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten mit <strong>de</strong>n Grundrechten nach wie vor<br />
623<br />
EuGH, Rs. C-85/96 (María Martínez Sala/Freistaat Bayern), Slg. 1998, S. I-2691 ff.; s. auch<br />
Fn. 306. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidung hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH für <strong>de</strong>n Fall, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> persönliche<br />
Anwendungsbereich einer Grundfreiheit nicht eröffnet ist, dieselben Rechte subsidiär über<br />
Art. 17 f. (ex-Art. 8, 8a) EGV gewährt. Diese bahnbrechen<strong>de</strong> Entscheidung begrün<strong>de</strong>te er<br />
auf S. I-2726, Rz. 62 f., folgen<strong><strong>de</strong>r</strong>maßen: „Artikel 17 (ex-Artikel 8) Absatz 2 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs<br />
knüpft an <strong>de</strong>n Status eines <strong>Union</strong>sbürgers die <strong>im</strong> Vert<strong>ra</strong>g vorgesehenen Pflichten und<br />
Rechte, darunter das in Artikel 12 (ex-Artikel 6) <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs festgelegte Recht, <strong>im</strong><br />
sachlichen Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs nicht aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit<br />
diskr<strong>im</strong>iniert zu wer<strong>de</strong>n. Folglich kann sich ein <strong>Union</strong>sbürger, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich wie die Klägerin<br />
rechtmäßig <strong>im</strong> Gebiet <strong>de</strong>s Aufnahmemitgliedstaats aufhält, in allen vom sachlichen<br />
Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts erfaßten Fällen auf Artikel 12 (ex-Artikel 6)<br />
<strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs berufen [...].“ Vgl. zu <strong>de</strong>n möglichen Auswirkungen dieser Rechtsprechung<br />
Füßer, Fn. 306, S. 102 f. Dieser ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht, hierdurch wür<strong>de</strong>n auch „gegen die<br />
Ausübung best<strong>im</strong>mter Religionen gerichtete Regelungen in das europarechtliche Visier“<br />
ge<strong>ra</strong>ten.<br />
624<br />
S.u. E.IV.2.<br />
625<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. C-55/95, Fn. 621, Rz. 38, hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die vier Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Sch<strong>ra</strong>nken<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeitsrechte präzisiert: „Sie müssen in nichtdiskr<strong>im</strong>inieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise angewandt<br />
wer<strong>de</strong>n, sie müssen aus zwingen<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Allgemeininteresses gerechtfertigt sein,<br />
sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung <strong>de</strong>s mit ihnen verfolgten Zieles zu<br />
gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist.“, vgl. hierzu Füßer, Fn. 306, S. 99 f.<br />
626<br />
Die erste Vo<strong>ra</strong>ussetzung, welche an die Sch<strong>ra</strong>nken <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeitsrechte zu stellen ist (=<br />
Anwendung in nichtdiskr<strong>im</strong>inieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise) ergibt sich zwingend aus <strong>de</strong>m allen<br />
Grundfreiheiten <strong>im</strong>manenten Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>gleichbehandlung. Alle weiteren<br />
Vo<strong>ra</strong>ussetzungen kehren in <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsdogmatik wie<strong><strong>de</strong>r</strong>: Die zweite Vo<strong>ra</strong>ussetzung (=<br />
Rechtfertigung aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Allgemeininteresses) fin<strong>de</strong>t ihre Entsprechung in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sch<strong>ra</strong>nke <strong>de</strong>s Allgemeinwohls. Die dritte und vierte Vo<strong>ra</strong>ussetzung (= Geeignetheit und
160<br />
be<strong>de</strong>nklich st<strong>im</strong>mt, ist die Tatsache, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH – wie die jüngste Sala-Rechtsprechung<br />
gezeigt hat – <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten <strong>de</strong>n Grundsatz in dubio pro libertate sogar<br />
jenseits <strong><strong>de</strong>r</strong> eigentlichen Freizügigkeitsrechte anwen<strong>de</strong>t, während er <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Grundrechte <strong>de</strong>n <strong>Union</strong>sorganen einen weiten Ermessensspiel<strong>ra</strong>um einräumt und nur<br />
„offensichtlich unverhältnismäßige“ Grundrechtsbeeinträchtigungen ahn<strong>de</strong>t. 627<br />
b) Grundrechte in <strong>de</strong>n Gründungsverträgen<br />
Nach <strong>de</strong>m Scheitern zweier ehrgeiziger europäischer Projekte, nämlich <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Verteidigungsgemeinschaft (EVG) 628 , <strong><strong>de</strong>r</strong>en Gründungsvert<strong>ra</strong>g vom 27. Mai 1952 in<br />
Art. 3 § 1 noch die Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> „staatsbürgerlichen Rechte und die Grundrechte <strong>de</strong>s<br />
Einzelnen“ durch die Gemeinschaft bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfüllung ihrer Aufgaben vorgesehen hatte, sowie<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Politischen Gemeinschaft (EPG) vom 10. März 1953, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Art. 3 <strong>de</strong>s<br />
Gründungsvert<strong>ra</strong>gs die EMRK ausdrücklich als integrieren<strong>de</strong>n Bestandteil <strong><strong>de</strong>r</strong> EPG<br />
erwähnt 629<br />
Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit) sind <strong><strong>de</strong>r</strong> Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nke <strong>de</strong>s Verhältnismäßigkeitsprinzips entlehnt.<br />
Der Unterschied zwischen <strong>de</strong>n Vo<strong>ra</strong>ussetzungen 2-4 <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeitsrechte und <strong>de</strong>n<br />
Grundrechtssch<strong>ra</strong>nken besteht somit lediglich darin, daß <strong>im</strong> Rahmen ersterer die Prüfung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Sch<strong>ra</strong>nken und Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken als einheitlicher Prüfungspunkt zusammen-<br />
gezogen wur<strong>de</strong>.<br />
, strebten die Mitgliedstaaten eine künftige Vertiefung <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion <strong>im</strong> rein<br />
wirtschaftlichen Bereich an. Daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsschutz <strong>im</strong> EWG-Vert<strong>ra</strong>g an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als in <strong>de</strong>n<br />
Gründungsverträgen zur EVG und EPG ursprünglich nicht explizit ve<strong>ra</strong>nkert wur<strong>de</strong>, ist u.a.<br />
da<strong>ra</strong>uf zurückzuführen, daß bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Abfassung <strong>de</strong>s EWG-Vert<strong>ra</strong>g mögliche Grundrechtskollisionen<br />
von vornherein als ausgeschlossen galten, weil anfängliches Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft lediglich die Schaffung einer Zollunion sowie eines Gemeinsamen Marktes<br />
waren. Aus diesem Grun<strong>de</strong> kamen als Berechtigte und Verpflichtete <strong>de</strong>s EWG-Vert<strong>ra</strong>gs<br />
ausschließlich die Mitgliedstaaten, nicht aber <strong><strong>de</strong>r</strong>en Staatsbürger in Bet<strong>ra</strong>cht. Die Problematik<br />
627<br />
Z.B. EuGH, Rs. C-280/93 (Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland/Rat), Slg. 1994, S. I-4973 ff.,<br />
Rz. 81, 91; vgl. hierzu die Kritik von Netteshe<strong>im</strong>, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g, in: Netteshe<strong>im</strong>/<br />
Schie<strong>ra</strong>, Der integrierte Staat, Berlin 1999, S. 26 f., sowie Vachek, Fn. 437, S. 146.<br />
628<br />
BGBl. II 1954, S. 343. Die f<strong>ra</strong>nzösische Nationalversammlung lehnte am 30.8.1954 die<br />
Ratifikation <strong>de</strong>s Gründungsvert<strong>ra</strong>gs <strong><strong>de</strong>r</strong> EVG ab. Vgl. über das Scheitern <strong><strong>de</strong>r</strong> EVG: B<strong>ra</strong>un,<br />
Einführung in die Rechtswissenschaft, Tübingen 1997, S. 296 f. sowie ausführlich<br />
Schulze/Hoeren (Hrsg.), Dokumente zum <strong>Europäischen</strong> Recht, Bd. 1: Gründungsverträge,<br />
Berlin u.a. 1999, Dokumente 33 – 37, S. 643 ff.<br />
629<br />
Vgl. Hummer, Der Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grund- und Menschenrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, in:<br />
Hummer (Hrsg.), S. 71 ff., 73.
161<br />
<strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>mzufolge negiert o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber schlichtweg übersehen. 630<br />
Bevor <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine unmittelbare Wirkung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts anerkannte 631 , war ein<br />
Grundrechtskatalog <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft auch entbehrlich, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelne nur durch<br />
mitgliedstaatliche Hoheitsgewalt in seinen Grundrechten verletzt wer<strong>de</strong>n konnte und insoweit<br />
ein ausreichen<strong><strong>de</strong>r</strong> Schutz über die nationalen Grundrechte bestand. 632<br />
Nach<strong>de</strong>m Gemein-<br />
schaftsrechtsakte nun aber direkt <strong>de</strong>n einzelnen <strong>Union</strong>sbürger treffen konnten, bedurfte dieser<br />
<strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes, welchen <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit über<br />
die Rechtsquelle <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Rechtsgrundsätze entwickelte.<br />
Auch wenn bis heute kein ausdrücklicher Grundrechtskatalog in <strong>de</strong>n drei Gründungsverträgen<br />
enthalten ist, so existierten doch von Anfang an einzelne Grundrechtsvorschriften i.w.S. Diese<br />
pr<strong>im</strong>är an die Mitgliedstaaten gerichteten Grundrechte fin<strong>de</strong>n sich z.B. in Art. 12 (ex-Art. 6)<br />
EGV (allgemeines Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot), Art. 34 (ex-Art. 40) Abs. 3 EGV (Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot<br />
zwischen Erzeugern bzw. Verb<strong>ra</strong>uchern landwirtschaftlicher Produkte) sowie<br />
in Art. 141 (ex-Art. 119) EGV (Grundsatz <strong>de</strong>s gleichen Entgelts).<br />
c) Fortentwicklung <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes in Präambeln und sonstigem Pr<strong>im</strong>ärrecht<br />
aa) Einheitliche Europäische Akte (EEA)<br />
Im 3. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> EEA vom 28. Februar 1986 633<br />
haben die<br />
nachstehend erwähnten For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen nach einem umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en Grundrechtsschutz ihren<br />
630 Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>: Bestand, Ten<strong>de</strong>nzen<br />
und Entwicklungen, F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. – Berlin – Bern u.a. 1994, S. 42 f.; Pescatore,<br />
Europäische Gemeinschaften: Der Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte in <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften<br />
und seine Lücken, in: Mosler/Bernhardt/Hilf (Hrsg.), Grundrechtsschutz in Europa<br />
– Europäische Menschenrechts-Konvention und Europäische Gemeinschaften, Berlin –<br />
Hei<strong>de</strong>lberg – New York 1977, S. 64; Wetter, Die Grundrechtscharta <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong><br />
Gerichtshofs, S. 3 f.<br />
631 EuGH, Rs. 26/62 (van Gend & Loos/Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländische Finanzverwaltung) sowie Rs. 57/65<br />
(Alfons Lütticke/Hauptzollamt Saarlouis), s.o. Fn. 298.<br />
632 Hummer, Fn. 629, S. 3; Carl Otto Lenz, Ein Grundrechtskatalog für die Europäische<br />
Gemeinschaft?, NJW 1997, S. 3289. Obwexer, Fn. 554, S. 55 m.w.N., sieht das Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis<br />
<strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes pr<strong>im</strong>är <strong>im</strong> Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts, aufgrund <strong>de</strong>ssen<br />
gemeinschaftsrechtliches Sekundärrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Grundrechtskontrolle entzogen war,<br />
auf Gemeinschaftsebene jedoch selbst keiner Kontrolle unterlag.<br />
633 ABl. 1987, Nr. L 169, S. 1; BGBl. II 1986, S. 1102.
162<br />
ersten Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag gefun<strong>de</strong>n. 634 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit zog <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> EEA bei<br />
seiner Grundrechtsrechtsprechung zur Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsverträge he<strong>ra</strong>n 635 . Die<br />
zitierte Präambelbest<strong>im</strong>mung dürfte in<strong>de</strong>s noch nicht rechtsverbindlich gewesen sein, da das<br />
ihr inhärente Bekenntnis zur Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte zu allgemein gefaßt ist, um für sich<br />
genommen konkrete Pflichten für die Mitgliedstaaten zu erzeugen. 636 Daß aber selbst eine<br />
unverbindliche Vorschrift zur Auslegung he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n kann, wur<strong>de</strong> <strong>im</strong><br />
Zusammenhang mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung ausgeführt. 637<br />
bb) Vert<strong>ra</strong>g von Maastricht<br />
Im 3. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>gs vom 7. Februar 1992 wur<strong>de</strong> die<br />
Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte durch die <strong>Union</strong> ebenfalls ausgesprochen 638 . An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als die Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EEA sind diejenigen <strong>im</strong> <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>g nicht justitiabel und damit<br />
auch nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung durch <strong>de</strong>n EuGH zugänglich, da die Jurisdiktion <strong>de</strong>s EuGH i.R.d.<br />
<strong>de</strong>s EUV aufgrund von Art. 46 (ex-Art. L) EUV weitgehend eingeschränkt und nur für die<br />
dort genannten Ausnahmen eröffnet ist. 639<br />
Weitaus be<strong>de</strong>utsamer ist dagegen Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV. 640 Sinn dieser Vorschrift war<br />
es, die Kontrollfunktion <strong>de</strong>s Gerichtshofs <strong>im</strong> Hinblick auf die Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte<br />
ausdrücklich <strong>im</strong> <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>g festzuschreiben. Bislang hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH seine Grundrechtsrechtsprechung<br />
lediglich über die – <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten entlehnten – allgemeinen Rechtsgrundsätze vo<strong>ra</strong>ngetrieben. 641<br />
634<br />
„[...] ENTSCHLOSSEN, gemeinsam für die Demok<strong>ra</strong>tie einzutreten, wobei sie sich auf die<br />
in <strong>de</strong>n Verfassungen und Gesetzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Konvention<br />
zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Sozialcharta<br />
anerkannten Grundrechte, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit stützen [...]“.<br />
635<br />
Vgl. hierzu insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die zitierten Beispiele aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH bei<br />
Kulow, Inhalte und Funktionen <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs, Bayreuth 1997, S. 28 ff.<br />
636<br />
So auch Wetter, Fn. 630, S. 5, 8. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s wohl Müller-G<strong>ra</strong>ff, Einheit und Kohärenz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vert<strong>ra</strong>gsziele von EG und EU, EuR-Beiheft 2/1998, S. 67 ff., 77.<br />
637<br />
S.o. D.IV.7.<br />
638<br />
„[...] IN BESTÄTIGUNG ihres Bekenntnisses zu <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Freiheit, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Demok<strong>ra</strong>tie und <strong><strong>de</strong>r</strong> Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten und <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsstaatlichkeit<br />
[...]“.<br />
639<br />
Vgl. auch Müller-G<strong>ra</strong>ff, Fn. 636, S. 77.<br />
640<br />
Einzelheiten zu Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV s.u. E.II.<br />
641<br />
Vgl. Rie<strong>de</strong>l, Fn. 569, S. 81.
163<br />
Die Justitiabilität von Art. F Abs. 2 EUV a.F. wur<strong>de</strong> pa<strong>ra</strong>doxerweise erst durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g<br />
von Amsterdam ausdrücklich in Art. 46 lit. d EUV n.F. ve<strong>ra</strong>nkert. Die ursprüngliche Fassung<br />
<strong>de</strong>s Art. L EUV a.F. enthielt keinen Verweis, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH nach<br />
Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV begrün<strong>de</strong>t hätte. Allerdings wur<strong>de</strong> schon vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
zutreffend die Auffassung vertreten, es müsse sich hierbei um ein Redaktionsversehen<br />
han<strong>de</strong>ln. 642<br />
Nunmehr stellt Art. 46 (ex-Art. L) lit. d EUV klar, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Grundrechte<br />
in bezug auf Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane auch auf EU-Ebene wahrt, soweit seine<br />
Zuständigkeit in Art. 46 (ex-Art. L) lit. a – e EUV explizit festgelegt ist.<br />
Für <strong>de</strong>n Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> GASP fin<strong>de</strong>t sich eine grundrechtsrelevante Passage in<br />
Art. 11 (ex-Art. J.1) Abs. 2, 5. Spiegelstrich. Die i.R.d. ZBJI ursprünglich ve<strong>ra</strong>nkerte<br />
Formulierung in Art. K.2 EUV a.F., wonach die in Art. 29 (ex-Art. K.1) EUV genannten<br />
Angelegenheiten u.a. unter Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n sollten, wur<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n<br />
Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g ersatzlos gestrichen, da sich die Zuständigkeit <strong>de</strong>s Gerichtshofs ohnehin<br />
nach Art. 35 (ex-Art. K.7) EUV i.V.m. Art. 46 (ex-Art. L) lit. b EUV ergibt und dieser die<br />
Grundrechte schon aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 46 lit. d EUV n.F. i.V.m.<br />
Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV wahrt. 643<br />
Im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> justitiellen Zusammenarbeit nach Art. 31 (ex-Art. K.3) EUV beschränken die<br />
Grundrechte die allgemeine Handlungsfreiheit; bei g<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong>n Verstößen gegen die<br />
Religionsfreiheit ist daher ein erleichterter Auslieferungsgrund nach Art. 31 (ex-Art. K.3)<br />
Abs. 2 lit. b EUV gegeben. 644<br />
Im Zusammenhang mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>sbürgerschaft wur<strong>de</strong>n überdies verschie<strong>de</strong>ne Grundrechte<br />
geschaffen, vgl. Art. 17 ff. (ex-Art. 8 ff.) EGV.<br />
642 Vgl. Frowein, Die Verfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten,<br />
EuR 1995, S. 315 ff., S. 327; Wetter, Fn. 630, S. 9.<br />
643 Diese Umstellung ist i.R.d. „Vereinfachungsvorschriften“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründungsverträge bezüglich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH (vgl. Art. 11 AV) erfolgt.<br />
644 Vgl. die Gemeinsame Maßnahme <strong>de</strong>s Rates vom 15. Juli 1996 aufgrund von Art. 31<br />
(ex-Art. K.3) Abs. 2 lit. b EUV zur Bekämpfung von Rassismus und Frem<strong>de</strong>nfeindlichkeit,<br />
ABl. 1996, Nr. L 185, S. 5, in welcher als Ausweisungsgrund die öffentliche Aufstachelung<br />
zur Diskr<strong>im</strong>inierung, Gewalt o<strong><strong>de</strong>r</strong> Rassenhaß gegen eine über Hautfarbe, Rasse, Religion<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> nationale o<strong><strong>de</strong>r</strong> ethnische Herkunft <strong>de</strong>finierte Gruppe o<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Mitglied einer solchen<br />
Gruppe bzw. die Beteiligung an Tätigkeiten von Gruppen, Organisationen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigungen<br />
genannt wird, bei <strong>de</strong>nen es zu Diskr<strong>im</strong>inierung, Gewalt und Rassenhaß, ethischem<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> religiösem Haß kommt.
164<br />
cc) Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam<br />
Mit <strong>de</strong>m Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g 645 vom 2. Oktober 1997, <strong><strong>de</strong>r</strong> am 1. Mai 1999 in K<strong>ra</strong>ft t<strong>ra</strong>t,<br />
wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtliche Grundrechtsschutz – v.a. auf <strong>de</strong>utsches Drängen hin 646 –<br />
durch die Einfügung <strong>de</strong>s Art. 6 Abs. 1 EUV n.F. 647<br />
und <strong>de</strong>ssen Verknüpfung mit Art. 7 EUV<br />
n.F. bzw. mit Art. 49 EUV n.F. <strong>de</strong>utlich aufgewertet.<br />
Zwar ist das in Art. 6 Abs. 1 EUV n.F. zum Ausdruck geb<strong>ra</strong>chte Bekenntnis zur Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Menschenrechte und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er grundlegen<strong><strong>de</strong>r</strong> staatlicher Strukturprinzipien westlicher<br />
Demok<strong>ra</strong>tien ähnlich allgemein gefaßt, wie in <strong>de</strong>n vorgenannten Erwägungsgrün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Präambeln. Im Gegensatz zu diesen Vorschriften wer<strong>de</strong>n an die Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte<br />
jedoch konkrete Pflichten gekoppelt.<br />
So wird die Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte, zu <strong>de</strong>nen auch die Religionsfreiheit zählt, zunächst<br />
gemäß Art. 49 Abs. 1 EUV n.F. als Bedingung für <strong>de</strong>n Beitritt eines Staates in die EU<br />
gemacht, was sich u.U. für die Türkei als ernsthaftes Beitrittshin<strong><strong>de</strong>r</strong>nis erweisen könnte.<br />
Daneben kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammensetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staats- und Regierungschefs eine<br />
anhalten<strong>de</strong> und schwerwiegen<strong>de</strong> Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong>de</strong>s Art. 6 Abs. 1 EUV n.F. durch<br />
einen Mitgliedstaat in <strong>de</strong>m in Art. 7 EUV n.F. beschriebenen Verfahren feststellen. Zwar setzt<br />
Art. 7 Abs. 1 EUV n.F. hierfür die Einst<strong>im</strong>migkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ratsvertreter vo<strong>ra</strong>us; Art. 7 Abs. 4<br />
EUV schränkt dies jedoch insoweit ein, als die St<strong>im</strong>me <strong>de</strong>s betroffenen Mitgliedstaats<br />
ebensowenig berücksichtigt wird, wie eine St<strong>im</strong>menthaltung. Anschließend kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat<br />
gemäß Art. 7 Abs. 2 EUV mit qualifizierter Mehrheit best<strong>im</strong>mte, sich aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung <strong>de</strong>s<br />
<strong>Union</strong>srechts ergeben<strong>de</strong> Rechte dieses Mitgliedstaats (z.B. St<strong>im</strong>mrechte) aussetzen. Dem<br />
Beschluß nach Art. 7 Abs. 1 EUV kommt Wirkung für alle drei Gemeinschaften zu, vgl.<br />
Art. 309 EGV n.F., Art. 96 EGKSV n.F., Art. 204 EAGV n.F., mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge, daß auch <strong>im</strong><br />
645<br />
Allgemein zum AV siehe Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 1 ff.; Streinz, Fn. 99, S. 47 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />
Der Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam – Die institutionellen Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen für die Europäische<br />
<strong>Union</strong> und die Europäische Gemeinschaft, Ju<strong>ra</strong> 1998, S. 57 ff.; Hilf, Amsterdam – Ein<br />
Vert<strong>ra</strong>g für die Bürger?, EuR 1997, S. 347 ff.; Hilf/Pache, Der Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam,<br />
NJW 1998, S. 705 ff.; Hasselbach, Maastricht II: Ergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungskonferenz zur<br />
Reform <strong><strong>de</strong>r</strong> EU, BayVBl. 1997, S. 454 ff.<br />
646<br />
Vgl. die Entschließungen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages vom 7.12.1995, BT-Drucks. 13/3040;<br />
Einzelheiten bei Rie<strong>de</strong>l, Fn. 569, S. 80.<br />
647<br />
„Die <strong>Union</strong> beruht auf <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Freiheit, <strong><strong>de</strong>r</strong> Demok<strong>ra</strong>tie, <strong><strong>de</strong>r</strong> Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsstaatlichkeit. Diese Grundsätze sind<br />
allen Mitgliedstaaten gemeinsam.“
165<br />
Anwendungsbereich dieser Verträge die St<strong>im</strong>mrechte und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Rechtspositionen (z.B.<br />
Beihilfen) ausgesetzt wer<strong>de</strong>n können. 648<br />
Damit ist ein prinzipiell effektiver Sanktionsmechanismus geschaffen, <strong><strong>de</strong>r</strong> – aufgrund <strong>de</strong>s<br />
Einst<strong>im</strong>migkeitsprinzips <strong>im</strong> Rat – schon durch eine Koalition zweier Menschenrechte<br />
verletzen<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten außer K<strong>ra</strong>ft gesetzt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Daneben wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n 4. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong>de</strong>s EUV n.F. 649<br />
sowie in<br />
Art. 136 EGV n.F. die Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Grundrechte durch die Gemeinschaft und die<br />
Mitgliedstaaten aufgenommen. Zur Realisierung dieses Ziels wur<strong>de</strong> das in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit<br />
ohne Großbritannien abgeschlossene Abkommen über die Sozialpolitik durch die Neufassung<br />
<strong>de</strong>s Titels XI, Kapitel 1, in <strong>de</strong>n EG-Vert<strong>ra</strong>g inkorporiert.<br />
Auch wur<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g ein spezielles Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot in<br />
Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV ve<strong>ra</strong>nkert 650 und die Justitiabilität von Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2<br />
EUV in Art. 46 (ex-Art. L) lit. d EUV nunmehr ausdrücklich festgelegt. 651<br />
Obwohl sich die <strong>Union</strong> hinsichtlich ihrer gesamten Tätigkeit zur Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong>de</strong>s<br />
Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV verpflichtet, ist nicht für alle Bereiche <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>srechts eine<br />
Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH begrün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n. Der EuGH ist vielmehr weitgehend auf die<br />
Politiken <strong><strong>de</strong>r</strong> „Ersten Säule“ (EG, EGKS und EAG) beschränkt, vgl. Art. 46 (ex-Art. L)<br />
lit. a EUV. I.R.d. „Zweiten Säule“ (GASP), die in <strong>de</strong>n Art. 11 (ex-Art. J.1) ff. EUV geregelt<br />
ist, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m EuGH überhaupt keine Kompetenz eingeräumt. So n<strong>im</strong>mt nicht nur<br />
Art. 46 (ex-Art. L) EUV <strong>de</strong>n Titel V <strong>de</strong>s EUV von <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH aus; auch<br />
Art. 28 (ex-Art. J.18) EUV wen<strong>de</strong>t die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 220 (ex-Art. 164) EGV nicht<br />
entsprechend <strong>im</strong> <strong>Union</strong>srecht an. In <strong><strong>de</strong>r</strong> „Dritten Säule“ (ZBJI) ist <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH nach Maßgabe<br />
<strong>de</strong>s Art. 35 (ex-Art. K.7) EUV zuständig, vgl. Art. 46 (ex-Art. L) lit. b EUV. Der Titel VI, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> polizeilichen Zusammenarbeit und Europol gemäß Art. 30 (ex-Art. K.2) EUV in<br />
hohem Maße grundrechtssensible Tätigkeitsfel<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> enthält, eröffnet die<br />
Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH nur hinsichtlich Ratsbeschlüssen und entsprechen<strong>de</strong>n<br />
mitgliedstaatlichen Durchführungsmaßnahmen <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahrens;<br />
648<br />
Zu <strong>de</strong>n Einzelheiten <strong>de</strong>s Sanktionsmechanismus vgl. Hummer, Fn. 629, S. 92 ff.; Thun-<br />
Hohenstein, Fn. 98, S. 23 ff.<br />
649<br />
„[...] IN BESTÄTIGUNG <strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung, die sie <strong>de</strong>n sozialen Grundrechten be<strong>im</strong>essen, wie<br />
sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> am 18. Oktober 1961 in Turin unterzeichneten <strong>Europäischen</strong> Sozialcharta und in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftscharta <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer von 1989 festgelegt<br />
sind [...]“.<br />
650<br />
Einzelheiten s.u. E.IV.4.<br />
651<br />
S.o. E.I.1.c)bb).
166<br />
letzteres setzt allerdings die – fakultative – Anerkennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtsbarkeit <strong>de</strong>s EuGH durch<br />
<strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat vo<strong>ra</strong>us, vgl. Art. 35 (ex-Art. K.7) Abs. 1 u. 2. EUV.<br />
Rechtsakte <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Rates sind ohnehin nicht justitiabel. 652<br />
2. Findung 653<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte durch <strong>de</strong>n EuGH<br />
Nach anfänglichem Zögern 654 setzte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> Jahre 1969 Gemeinschaftsgrundrechte über<br />
die Rechtsquelle <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Rechtsgrundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten als existent vo<strong>ra</strong>us. 655<br />
<strong>Das</strong> Eigentumsrecht und das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> freien Berufsausbildung als zwei für <strong>de</strong>n<br />
Gemeinsamen Markt wesentliche Grundrechte anerkannte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof allerdings erst in<br />
<strong>de</strong>m zwei Wochen vor <strong>de</strong>m Solange I-Beschluß 656 ergangenen Urteil in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache<br />
Nold 657<br />
. Somit ist es gewissermaßen Verdienst <strong>de</strong>s BVerfG und ebenso <strong><strong>de</strong>r</strong> italienischen<br />
Corte Costituzionale, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit seine Grundrechtsrechtsprechung in<br />
652<br />
Weitere Einzelheiten vgl. Hummer, Fn. 629, S. 91 f.; Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 22 f.<br />
653<br />
Vgl. Hirsch, Fn. 92, S. 13: „Der Europäische Gerichtshof hat [...] die Grundrechte <strong>im</strong><br />
Gemeinschaftsrecht we<strong><strong>de</strong>r</strong> geschaffen noch erfun<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n gesucht und gefun<strong>de</strong>n.“<br />
Ausführlich zur Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte durch <strong>de</strong>n EuGH: Mancini/di Bucci, Die<br />
Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte als Teil <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts, in: Iliopoulos-St<strong>ra</strong>ngas<br />
(Hrsg.), Grundrechtsschutz <strong>im</strong> europäischen Raum, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1993, S. 208 ff.<br />
654<br />
Noch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. 40/64 (Sgarlata u.a./Kommission), Slg. 1965, S. 295 ff., 312, hatte sich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
mit behaupteten Grundrechtsverletzungen durch die Gemeinschaftsgewalt konfrontierte<br />
EuGH für unzuständig erklärt, da er nicht zur Überprüfung nationaler Grundrechte befugt<br />
sei, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr die Gültigkeit gemeinschaftsrechtlicher Handlungen nach <strong>de</strong>n<br />
Normen <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts selbst zu beurteilen habe; vgl. hierzu Chwolik-<br />
Lanfermann, Fn. 630, S. 49 ff.; Rodríguez Iglesias, Grundrechtsschutz <strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Gemeinschaftsrecht nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s Gerichtshofs <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften,<br />
in: Österreichische Juristenkommission (Hrsg.), S. 135 ff., 136.<br />
655<br />
Vgl. nur EuGH, Rs. 29/69 (Stau<strong><strong>de</strong>r</strong>/Stadt Ulm-Sozialamt), Slg. 1969, S. 419 ff., Rz. 7;<br />
Rs. 11/70 (Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr- und Vor<strong>ra</strong>tsstelle für Getrei<strong>de</strong>- und<br />
Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff., 1135, Rz. 4. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze in <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH erstmals <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gemeinschaftsrechtlichen Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>rufbarkeit von Verwaltungsakten bemüht, vgl. EuGH,<br />
verb. Rs. 3 -7/57 (Alge<strong>ra</strong> u.a./Gemeinsame Versammlung), Slg. 1957, S. 83 ff., 118. Zu <strong>de</strong>n<br />
Einzelheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsfindung durch gemeinsame Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten s.u. E.II.<br />
656<br />
S.o. C.IV.2.b).<br />
657<br />
EuGH, Rs. 4/73 (Nold/Kommission), Slg. 1974, S. 491 ff., Rz. 14.
167<br />
quantitativer wie in qualitativer Hinsicht weiterentwickelt hat. 658 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache Rutili 659<br />
nahm <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof erstmals explizit auf die Art 8 bis Art. 11 <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK als allgemeine<br />
Rechtsgrundsätze Bezug und anerkannte die Existenz weiterer Grundrechte, 660 wie z.B. <strong>de</strong>n<br />
Gleichheitsgrundsatz und die <strong>im</strong> Rahmen dieser Abhandlung maßgebliche<br />
Religionsfreiheit. 661<br />
Überdies judizierte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, daß die Ausübung von Grundrechten nicht sch<strong>ra</strong>nkenlos sein<br />
könne; aus diesem Grund konkretisierte er <strong>de</strong>n Sch<strong>ra</strong>nkenbereich 662 wie auch die Sch<strong>ra</strong>nken-<br />
Sch<strong>ra</strong>nken, durch welche <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, Grundrechte einzuschränken,<br />
Grenzen gesetzt wer<strong>de</strong>n. 663<br />
Daß hier die dritte Gewalt originäre Aufgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Gewalt „nachbessert“ – dies ist<br />
strenggenommen ein Übergriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Judikative in Gesetzgebungskompetenzen – kann jedoch<br />
selbst nach Ansicht <strong>de</strong>s BVerfG <strong>de</strong>m Bereich zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung<br />
zugeordnet wer<strong>de</strong>n. 664<br />
Die Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 6 Abs. 2 (ex-Art. F Abs. 2) EUV, bisher die weitestgehen<strong>de</strong><br />
Formulierung über <strong>de</strong>n Grundrechtsschutz <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht, knüpfte an die Formulierung an,<br />
die <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH zur Begründung gemeinschaftlicher Grundrechte geprägt hatte. 665<br />
Die<br />
658<br />
So neben vielen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Schermers, Fn. 410, S. 7.<br />
659<br />
EuGH, Rs. 36/75 (Rutili/Minister <strong>de</strong>s Inneren), Slg. 1975, S. 1219 ff., Rz. 32. Die<br />
anschließend häufigere Zitation <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK hat seinen Grund mitunter <strong>im</strong> späten Beitritt<br />
F<strong>ra</strong>nkreichs zur EMRK <strong>im</strong> Jahre 1974, so Frowein, Fn. 475, S. 36.<br />
660<br />
Eine ausführliche Übersicht über grundrechtsrelevante Entscheidungen <strong>de</strong>s EuGH bieten<br />
z.B. v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Beutler, Bd. 1, Art. F, Rdnr. 27; Chwolik-Lanfermann,<br />
Fn. 630, S. 65 ff.; Gündisch, Rechtsschutz in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft – Ein<br />
Leitfa<strong>de</strong>n für die P<strong>ra</strong>xis, Stuttgart u.a. 1994, S. 30 ff.; Obwexer, Fn. 554, S. 57 ff. sowie<br />
Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 792 ff.<br />
661<br />
EuGH, Rs. 130/75 (P<strong>ra</strong>is/Rat), Slg. 1976, S. 1589 ff., Rz. 12/19: Gleichheitsgrundsatz und<br />
Religionsfreiheit.<br />
662<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen unten E.IV.2.<br />
663<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen unten E.IV.3.<br />
664<br />
In BVerfGE 75, S. 223 ff., 243 (Kloppenburg) n<strong>im</strong>mt das BVerfG zur richterlichen<br />
Rechtsfortbildung durch <strong>de</strong>n EuGH Stellung. Je<strong>de</strong>nfalls ist die richterliche Rechtsfortbildung<br />
<strong>im</strong> Grundrechtsbereich anzuerkennen, weil hierdurch eine wichtige Schutzfunktion<br />
geschaffen wird, s.o. C.I.2.c).<br />
665<br />
EuGH, Rs. 4/73 (Nold/Kommission), Slg. 1974, S. 491 ff., Rz. 13: „Der Gerichtshof hat<br />
bereits entschie<strong>de</strong>n, daß die Grundrechte zu <strong>de</strong>n allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören,
168<br />
ausdrückliche Aufnahme dieser Rechtsprechung in <strong>de</strong>n EU-Vert<strong>ra</strong>g wur<strong>de</strong> erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich,<br />
nach<strong>de</strong>m die wachsen<strong>de</strong> Regelungsdichte <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zunehmend<br />
grundrechtssensible Bereiche erfaßt hatte.<br />
3. Ansätze zur Entstehung eines geschriebenen Grundrechtskatalogs<br />
Beginnend mit <strong><strong>de</strong>r</strong> For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s BVerfG nach einem geschriebenen Grundrechtskatalog in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Solange I-Entscheidung wur<strong>de</strong> die bloße Gewährleistung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte durch <strong>de</strong>n<br />
EuGH ohne schriftliche Fixierung <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Schutzbereiche in einer umfassen<strong>de</strong>n<br />
Kodifizierung als unbefriedigend empfun<strong>de</strong>n. Daher ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>ten das Europäische<br />
Parlament, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat und die Kommission <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft am 5. April 1977 die Gemeinsame<br />
Erklärung, in <strong><strong>de</strong>r</strong> sie ihren Willen bekräftigten, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausübung ihrer Befugnisse die<br />
Grundrechte, wie sie aus <strong>de</strong>n Verfassungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten und aus <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />
hervorgehen, zu beachten. 666 Hierdurch wird jedoch eine Selbstbindung nur <strong><strong>de</strong>r</strong> sie<br />
unterzeichnen<strong>de</strong>n Organe herbeigeführt. Daneben wur<strong>de</strong> am 8. April 1978 die politischprog<strong>ra</strong>mmatische<br />
Kopenhagener Erklärung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Rates zur Demok<strong>ra</strong>tie 667 ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t.<br />
Es folgte die Entschließung <strong>de</strong>s EP über Grundrechte und Grundfreiheiten 668 vom<br />
12. April 1989, die allerdings mangels einer entsprechen<strong>de</strong>n Gemeinschafts- und<br />
Organkompetenz rechtlich nicht verbindlich ist, zumal ein Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Gemeinschaftsorgane sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Parlamente zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Entschließung nicht erfolgte. 669<br />
Infolge<strong>de</strong>ssen ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Ruf nach einem geschriebenen Grundrechtskatalog nach wie vor<br />
onmipräsent. Erst in <strong>de</strong>n Verhandlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Amsterdamer Regierungskonferenz for<strong><strong>de</strong>r</strong>ten die<br />
Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland 670 und das EP 671<br />
erneut – aber vergeblich – die Schaffung eines<br />
Grundrechtskatalogs auf Gemeinschaftsebene. Die St<strong>im</strong>men nach einem umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Grundrechtsschutz wer<strong>de</strong>n wohl erst verstummen, wenn – wie bei <strong>de</strong>n meisten<br />
die er zu wahren hat, und daß er bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewährleistung dieser Rechte von <strong>de</strong>n<br />
gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten auszugehen hat.“<br />
666<br />
ABl. 1977, Nr. C 103, S. 1.<br />
667<br />
BullEG 3/1978, S. 5.<br />
668<br />
ABl. 1989, Nr. C 120, S. 52 ff.<br />
669<br />
Vgl. hierzu Hilf, Die Notwendigkeit eines Grundrechtskataloges, S. 56 ff., 60. Eine<br />
umfassen<strong>de</strong> Dokumentation <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen politischen Grundrechtserklärungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaftsorgane fin<strong>de</strong>t sich <strong>im</strong> Gutachten 2/94 (EMRK), Slg. 1996, S. I-1759 ff., 1783<br />
ff. = EuGRZ 1996, S. 197 ff., 199 = EuR 1996, S. 302 ff.; vgl. zur Unverbindlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Erklärungen Kruttschnitt, Fn. 316, S. 148 f.<br />
670<br />
Vgl. die Entschließung <strong>de</strong>s BT vom 7.12.1995, BT-Drucks. 13/3040.<br />
671<br />
Entschließung <strong>de</strong>s EP vom 13.3.1996, ABl. 1996, Nr. C 96, S. 77 ff., Ziff. 4.4.
169<br />
Mitgliedstaaten auf Verfassungsebene – die Grundrechte ausdrücklich in <strong>de</strong>n<br />
Gründungsverträgen selbst normiert sind.<br />
4. <strong>Das</strong> EuGH-Gutachten 2/94 über die Beitrittsmöglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur<br />
EMRK<br />
Die Kommission unterbreitete <strong>de</strong>m Rat bereits 1979 durch ein Memo<strong>ra</strong>ndum 672 <strong>de</strong>n<br />
Vorschlag eines Beitritts <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur EMRK und wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holte <strong>de</strong>n fehlgeschlagenen<br />
Versuch nochmals <strong>im</strong> Jahre 1990. 673<br />
Auf Ersuchen <strong>de</strong>s Rates befaßte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, welcher gemäß Art. 300 (ex-Art. 228)<br />
Abs. 6 EGV die Vereinbarkeit eines geplanten völkerrechtlichen Abkommens <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />
<strong>im</strong> vo<strong>ra</strong>us gutachterlich beurteilen kann, <strong>im</strong> Gutachten 2/94 mit <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit eines solchen Beitritts. In seiner Stellungnahme vom<br />
28. März 1996 stellte er fest, daß ein Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur EMRK ohne vorherige<br />
Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nicht möglich ist, vgl. Art. 300 (ex-Art. 228) Abs. 6 S. 2 EGV i.V.m.<br />
Art. 48 (ex-Art. N) EUV. 674<br />
Der Gerichtshof führte <strong>im</strong> EMRK-Gutachten aus, daß das <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht zugrun<strong>de</strong><br />
liegen<strong>de</strong> Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung, Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV, auch für Gemeinschaftshan<strong>de</strong>ln<br />
mit völkerrechtlichem Bezug gelte. Eine gemeinschaftsrechtliche<br />
Best<strong>im</strong>mung, die <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen die Befugnis verleihe, auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Menschenrechte völkerrechtliche Verträge zu schließen, existiere in<strong>de</strong>s nicht. 675<br />
Zwar könne<br />
die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 308 (ex-Art. 235) EGV grundsätzlich in <strong>de</strong>njenigen Fällen he<strong>ra</strong>nge-<br />
672<br />
Memo<strong>ra</strong>ndum vom 4.4.1979; BullEG Beilage 2/79 = EuGRZ 1979, S. 330 ff.<br />
673<br />
Mitteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission über <strong>de</strong>n Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur EMRK sowie zu<br />
best<strong>im</strong>mten Zusatzprotokollen dieser Konvention vom 19.4.1990, EuGRZ 1990, S. 47<br />
m.w.N.<br />
674<br />
Vgl. z.B. Ved<strong><strong>de</strong>r</strong>, Anmerkung zum Gutachten 2/94, EuR 1996, S. 309 ff.; Wachsmann,<br />
L’avis 2/94 <strong>de</strong> la Cour <strong>de</strong> justice relatif à l’adhésion <strong>de</strong> la Communauté européenne à la<br />
Convention <strong>de</strong> sauvegar<strong>de</strong> <strong>de</strong>s droits <strong>de</strong> l’homme et <strong>de</strong>s libertés fondamentales, Revue<br />
1996, S. 467 ff., 473 ff.<br />
675<br />
EuGH, Gutachten 2/94 (EMRK), Fn. 669, S. I-1787, Rz. 23 f., 27. Es ist bemerkenswert,<br />
daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH hier nicht auf seine bisherige Rechtsprechung über <strong>de</strong>n „Pa<strong>ra</strong>llelismus von<br />
Innen- und Außenkompetenz“ zurückgreift, s.u. I.II. Allerdings weichen die Grundrechte,<br />
die <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH i.R.d. allgemeinen Rechtsgrundsätze als ungeschriebenes, pr<strong>im</strong>äres<br />
Gemeinschaftsrecht entwickelt hat, vom üblichen Pr<strong>im</strong>ärrecht ab.
170<br />
zogen wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen zwar eine kompetenzrechtliche Befugnis<br />
zum Tätigwer<strong>de</strong>n fehle, gleichwohl aber erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich erscheine, um eines <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong>de</strong>s<br />
Gemeinsamen Marktes zu erreichen. Ein Rückgriff auf Art. 308 (ex-Art. 235) EGV als<br />
Kompetenzgrundlage sei jedoch dann nicht möglich, wenn durch die Vorschrift<br />
Best<strong>im</strong>mungen erlassen wer<strong>de</strong>n sollen, die – gemessen an ihren Folgen – auf eine<br />
Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung ohne Einhaltung <strong>de</strong>s hierfür vom Vert<strong>ra</strong>g vorgesehenen Verfahrens<br />
hinausliefen. 676 Da die Grundrechte durch <strong>de</strong>n EuGH als allgemeine Rechtsgrundsätze<br />
gewahrt wür<strong>de</strong>n und sich die einzelnen Gemeinschaftsorgane durch verschie<strong>de</strong>ne Erklärungen<br />
zur Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte verpflichtet hätten, sei ein Vorgehen nach<br />
Art. 308 (ex-Art. 235) EGV nicht erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich. 677 Darüber hinaus brächte <strong><strong>de</strong>r</strong> Beitritt zur<br />
EMRK, sowohl auf gemeinschaftsrechtlicher als auch auf mitgliedstaatlicher Ebene,<br />
grundlegen<strong>de</strong> institutionelle Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s Grundrechtssystems mit sich, die nicht mehr<br />
über Art. 308 (ex-Art. 235) EGV, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur über eine Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung vorgenommen<br />
wer<strong>de</strong>n könnten. 678<br />
In erster Linie dürften diese grundlegen<strong>de</strong>n institutionellen Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen darin zu sehen sein,<br />
daß eine letztinstanzliche Prüfungskompetenz <strong>de</strong>s EGMR gegenüber <strong>de</strong>m EuGH in<br />
Grundrechtsf<strong>ra</strong>gen begrün<strong>de</strong>t wür<strong>de</strong>, um Auslegungsdivergenzen zwischen bei<strong>de</strong>n Gerichtshöfen<br />
zu vermei<strong>de</strong>n. Angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung eines Beitritts <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur EMRK<br />
ist es <strong>im</strong> Ergebnis je<strong>de</strong>nfalls vorzuziehen, wenn ein solcher nicht <strong>im</strong> Vert<strong>ra</strong>gslückenschließungsverfahren<br />
nach Art. 308 (ex-Art. 235) EGV alleine durch <strong>de</strong>n Rat, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n unter<br />
Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Parlamente erfolgt.<br />
Der auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Amsterdamer Regierungskonferenz geäußerte Beitrittswunsch zur EMRK wur<strong>de</strong><br />
bedauerlicherweise nicht aufgegriffen, weil dies erneut eine Verfassungsdiskussion in einigen<br />
Mitgliedstaaten ausgelöst hätte. 679<br />
676 EuGH, Gutachten 2/94, Fn. 669, S. I-1788, Rz. 28 – 30.<br />
677 EuGH, Gutachten 2/94, Fn. 669, S. I-1788 f., Rz. 32 f. Zwar drückt <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH dies nicht<br />
explizit aus, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n gibt die bisherigen Bemühungen von Gemeinschaftsorganen zur<br />
Verbesserung <strong>de</strong>s gemeinschaftlichen Grundrechtsschutzes wie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Da diese Aufzählung<br />
jedoch i.R.d. Prüfung <strong>de</strong>s Art. 308 (ex-Art. 235) EGV erfolgt, <strong><strong>de</strong>r</strong> ein Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis zum<br />
Tätigwer<strong>de</strong>n mangels ausdrücklicher Kompetenz vo<strong>ra</strong>ussetzt, kann dies nur dahingehend<br />
verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH solches Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis verneint, so auch Ved<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 674,<br />
S. 313.<br />
678 EuGH, Gutachten 2/94, Fn. 669, S. I-1789, Rz. 35.<br />
679 Rie<strong>de</strong>l, Fn. 569, S. 83. So kommt <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK in <strong>de</strong>n einzelnen Mitgliedstaaten ein sehr<br />
unterschiedlicher Rang zu, vgl. Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Aufl. 1996,<br />
Einführung, Rdnr. 6.
171<br />
5. Künftige Möglichkeiten zur Verbesserung <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft<br />
Obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsschutz durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam eine <strong>de</strong>utliche Aufwertung<br />
erfahren hat, trägt er nach wie vor – vor allem aufgrund <strong>de</strong>s Fehlens eines geschriebenen<br />
Grundrechtskataloges – <strong>de</strong>n Makel <strong>de</strong>s Unvollkommenen. Im folgen<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n die meistdiskutiertesten<br />
Ansätze zur Verbesserung <strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes<br />
dargestellt.<br />
a) Beitritt zur EMRK durch Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s EGV bzw. EUV<br />
aa) Nachteile eines Beitritts zur EMRK<br />
Es wird vertreten, ein Beitritt zur EMRK hätte <strong>de</strong>n Nachteil, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Rechtsschutz<br />
einerseits <strong>im</strong> wirtschaftlichen Bereich weniger weit entwickelt sei als <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsschutz durch<br />
<strong>de</strong>n EuGH; an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits beinhalte er <strong>im</strong> Gegenzug eine stark differenzierte Auslegung von<br />
Grundrechten, die i.R.d. Gemeinschaftsrechts nur wenig relevant seien. 680 Die<br />
wirtschaftlichen Freiheitsgrundrechte und Freizügigkeitsrechte sowie ihre Begrenzungen<br />
wür<strong>de</strong>n somit vo<strong>ra</strong>ussichtlich besser durch <strong>de</strong>n EuGH als durch <strong>de</strong>n EGMR gewahrt, da sie<br />
<strong>de</strong>n Hauptgegenstand gemeinschaftsrechtlicher Politik ausmachten. 681<br />
Abgesehen hiervon wür<strong>de</strong> es schwierige prozessuale F<strong>ra</strong>gen aufwerfen, wie das Verhältnis<br />
bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshöfe zueinan<strong><strong>de</strong>r</strong> auszugestalten sei. 682<br />
Dem kann jedoch entgegnet wer<strong>de</strong>n, daß die Gemeinschaft <strong>im</strong> Begriff ist, sich von einer<br />
Wirtschaftsgemeinschaft hin zur umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gemeinschaft zu entwickeln. Aus diesem<br />
Grun<strong>de</strong> wird es mehr und mehr erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Grundrechtsschutz ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch in<br />
nicht rein wirtschaftlichen Bereichen zu stärken. Es ist zutreffend, daß die wirtschaftlichen<br />
680<br />
Carl Otto Lenz, Fn. 632, S. 3290; Wetter, Fn. 630, S. 230.<br />
681<br />
Langguth, Fn. 685, S. 16.<br />
682<br />
Schwarze, Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft – Grundlagen und<br />
heutiger Entwicklungsstand, EuGRZ 1986, S. 293 ff., 299; Wetter, Fn. 630, S. 231.
172<br />
Freizügigkeitsrechte durch <strong>de</strong>n EuGH gut gewahrt wer<strong>de</strong>n. Daß auch die wirtschaftlichen<br />
Freiheitsgrundrechte durch <strong>de</strong>n EuGH besser gewahrt wür<strong>de</strong>n, als durch die St<strong>ra</strong>ßburger<br />
Instanzen, nur weil er sich durch größere Sachnähe auszeichnet, mag man in Zweifel ziehen,<br />
wenn man sich die Entscheidungen <strong>de</strong>s EuGH i.R.d. Bananenmarktordnung vor Augen führt.<br />
Auch wenn die Grundrechtsdogmatik <strong>de</strong>s EuGH auch ohne geschriebenen Grundrechtskatalog<br />
weit entwickelt sein mag, müssen Grundrechtsbeschränkungen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />
– ebenso wie <strong>im</strong> nationalen Recht – ihre Grenze <strong>im</strong> Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnis-<br />
mäßigkeit und in <strong><strong>de</strong>r</strong> Wesensgehaltsga<strong>ra</strong>ntie fin<strong>de</strong>n. 683<br />
Eine fein abgestufte Grundrechts-<br />
dogmatik wird – ebenso wie ein vollständiger Katalog libe<strong>ra</strong>ler, politischer und sozialer<br />
Rechtsverbürgungen einzelner – dann ad absurdum geführt, wenn <strong>de</strong>n Gemeinschaftsinteressen<br />
<strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Abwägung ein <strong><strong>de</strong>r</strong>artiger Stellenwert eingeräumt wird, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong><br />
Regelfall eine Nach<strong>ra</strong>ngigkeit von Individualinteressen zur Folge hat. Im übrigen könnte man<br />
die Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH für die Freizügigkeitsrechte nach wie vor bestehen lassen und<br />
lediglich <strong>de</strong>n Grundrechtsschutz hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte i.e.S. <strong>de</strong>m EGMR übert<strong>ra</strong>gen.<br />
bb) Vorteile eines Beitritts zur EMRK<br />
Vorteilhaft wäre <strong><strong>de</strong>r</strong> Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft 684 zur EMRK dagegen insofern, als durch ihn –<br />
auch <strong>im</strong> Hinblick auf die osteuropäischen Beitrittskandidaten – dokumentiert wer<strong>de</strong>n könnte,<br />
daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Übergang <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG hin zur umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en EU keine bloßen Kompetenzerweiterungen,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr auch eine Entwicklung von <strong><strong>de</strong>r</strong> reinen Wirtschaftsorganisation<br />
hin zur Rechts- und Wertegemeinschaft nach sich gezogen hat. 685<br />
Für einen Beitritt spräche ebenfalls, daß durch ihn künftig Kompetenzkonflikte und<br />
Auslegungsdivergenzen zwischen <strong>de</strong>m EuGH und <strong>de</strong>m EGMR beseitigt und ein einheitlicher<br />
Grundrechtsschutz in <strong><strong>de</strong>r</strong> EU durch <strong>de</strong>n „integ<strong>ra</strong>tionsneut<strong>ra</strong>len“ EGMR geschaffen wür<strong>de</strong>. 686<br />
cc) Eigene Stellungnahme<br />
683 S.u. E.IV.3.<br />
684 Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> mangeln<strong>de</strong>n Rechtspersönlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> EU wäre ohnehin nur ein Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EG zur EMRK <strong>de</strong>nkbar, vgl. hierzu die Ausführungen unten E.V.1.<br />
685 Ebenso Griller, Der verbliebene Reformbedarf <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> nach Amsterdam,<br />
in: Hummer (Hrsg.), S. 313 ff., 320; Langguth, Grundrechtsschutz und Politische <strong>Union</strong>, S.<br />
14 ff., 15; Wetter, Fn. 630, S. 233 f.<br />
686 So auch Hasselbach, Fn. 645, S. 458; Potacs, Der Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft<br />
zur <strong>Europäischen</strong> Menschenrechtskonvention aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht, in:<br />
Hummer/Schweitzer (Hrsg.), Österreich und das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Wien 1996,<br />
S. 81 ff., 83.
173<br />
Richtig ist, daß vor einem Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> EG 687 zur EMRK prozessuale Schwierigkeiten gelöst<br />
wer<strong>de</strong>n müßten, wie z.B. die Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Art. 66 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK, <strong><strong>de</strong>r</strong> bisher nur Staaten<br />
<strong>de</strong>n Beitritt zum Rechtsschutzsystem <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK eröffnet. 688 Infolge <strong>de</strong>s 11. Protokolls<br />
wur<strong>de</strong>n die prozessualen Schwierigkeiten eines Beitritts jedoch <strong>de</strong>utlich entschärft: So hatten<br />
Eckart Klein 689 und Ellen Chwolik-Lanfermann 690<br />
eine Verbindung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechts-<br />
schutzsysteme noch vor allem <strong>de</strong>shalb als problematisch angesehen, weil eine<br />
Verklammerung <strong>de</strong>s EuGH allenfalls mit <strong>de</strong>m EGMR, nicht jedoch mit <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m<br />
Ministerkomitee sinnvoll sei.<br />
Alternativ o<strong><strong>de</strong>r</strong> kumulativ könnte ein Vorlageverfahren <strong>de</strong>s EuGH an <strong>de</strong>n EGMR geschaffen<br />
wer<strong>de</strong>n. 691<br />
Durch ein solches Vorlageverfahren könnten potentielle Rechtsprechungsdivergenzen<br />
zwischen bei<strong>de</strong>n Gerichtshöfen noch vor Urteilserlaß <strong>de</strong>s EuGH ausgeschlossen<br />
wer<strong>de</strong>n. Dieser könnte sich bei Konsultierung <strong>de</strong>s EKMR daher ohne „Gesichtsverlust“ an<br />
<strong>de</strong>ssen Grundrechtsrechtsprechung orientieren.<br />
Der Betritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur EMRK bzw. die Schaffung eines Vorlageverfahrens sollte<br />
m.E. trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbesserung <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam<br />
vo<strong>ra</strong>ngetrieben wer<strong>de</strong>n, weil dieser für die Mitgliedstaaten potentielle Grundrechtskollisionen<br />
aufgrund eines divergieren<strong>de</strong>n Grundrechtsniveaus effektiv vermei<strong>de</strong>t, die sich da<strong>ra</strong>us ergeben<br />
687 Ein Betritt <strong><strong>de</strong>r</strong> EU dürfte wegen fehlen<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtspersönlichkeit bzw. eigener<br />
Vert<strong>ra</strong>gsabschlußkompetenz von vornherein ausschei<strong>de</strong>n, so auch Thun-Hohenstein, Fn. 98,<br />
S. 21. Ausführlich zur Rechtspersönlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> EU: Pechstein/König, Fn. 64, Rdnrn. 69 ff.,<br />
81; Peter M. Huber, Fn. 287, S. 358; Koenig/Ha<strong>ra</strong>tsch, Europarecht, 2. Aufl., Tübingen<br />
1998, Rdnr. 603.<br />
688 Vgl. z.B. Frowein/Peukert, Fn. 679, Einführung, Rdnr. 13; Giegerich, Fn. 482, S. 844;<br />
Potacs, Fn. 686, S. 88. Es ist bedauerlich, daß die grundlegen<strong>de</strong> Reform <strong>de</strong>s EMRK-<br />
Verfahrens durch das 11. Protokoll nicht bereits in dieser Richtung Ermächtigungsklauseln<br />
für einen Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft geschaffen hat; so auch Schlette, Europäischer<br />
Menschenrechtsschutz nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Reform <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK, JZ 1999, S. 219 ff., 226.<br />
689 Klein, Überlegungen <strong>de</strong> lege ferenda, in: Mosler/Bernhardt/Hilf (Hrsg.), Grundrechtsschutz<br />
in Europa – Europäische Menschenrechts-Konvention und Europäische Gemeinschaften,<br />
Berlin – Hei<strong>de</strong>lberg – New York 1977, S. 160 ff., 165.<br />
690 Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 315.<br />
691 Vgl. hierzu Ruffert, Die Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft als Verpflichtete<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte, EuGRZ 1995, S. 518 ff., 526, dort Fn. 100 mit weiteren<br />
Lite<strong>ra</strong>turhinweisen. Ebenso Klein, Fn. 689, S. 169. Schon GA Warner hatte in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rs. 130/75 (P<strong>ra</strong>is/Rat), Slg. 1976, S. 1589 ff., 1607, bemängelt, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>de</strong> lege lata<br />
<strong>de</strong>n St<strong>ra</strong>ßburger Organen keine sich ihm stellen<strong>de</strong>n F<strong>ra</strong>gen bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EMRK zur Vo<strong>ra</strong>bentscheidung vorlegen könne.
174<br />
können, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft als Vert<strong>ra</strong>gsstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK dieser<br />
völkerrechtlichen Institution verpflichtet bleibt. 692<br />
Die mit einem Beitritt verbun<strong>de</strong>nen rechtstechnischen Hür<strong>de</strong>n wären bei entsprechen<strong>de</strong>m<br />
politischen Willen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ohne weiteres zu nehmen, 693 um <strong>de</strong>n von <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission<br />
seit langem befürworteten Weg 694<br />
zu beschreiten.<br />
b) Schaffung einer eigenen EU-Grundrechtscharta <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>gsrevision<br />
Nach <strong><strong>de</strong>r</strong>zeitiger Rechtslage ist auf EU-Ebene mit Ausnahme <strong>de</strong>s Pauschalverweises in<br />
Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV kein für alle Gemeinschaftsorgane verbindlicher Grundrechtskatalog<br />
vorgesehen. Trotz<strong>de</strong>m existieren mehrere aktuellere Entwürfe eines solchen: Erwähnt<br />
sei hier <strong><strong>de</strong>r</strong> vom Institutionellen Ausschuß <strong>de</strong>s EP e<strong>ra</strong>rbeitete und nach seinem Berichterstatter<br />
Fernand Herman benannte sog. Herman-Entwurf <strong><strong>de</strong>r</strong> „von <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> verbürgten Menschenrechte“<br />
vom 10. Februar 1994; dieser gewährleistet in Art. 4 Ziff. VIII neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Gedanken-<br />
und Gewissensfreiheit auch die (individuelle) Religionsfreiheit. 695<br />
Daneben besteht z.B. ein<br />
von <strong>de</strong>n Grünen 1997 präsentierter Entwurf für eine EU-Grundrechtscharta mit Freiheits- und<br />
Bürgerrechten, einem Verbot <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung aufgrund von Rasse, Herkunft, Sp<strong>ra</strong>che,<br />
692<br />
Vgl. die Einzelheiten hierzu unten E.III.1.d); ebenso Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 319.<br />
693<br />
Ebenso Jacqué, L’Adhésion <strong>de</strong> la Communauté Européenne à la Convention Européenne<br />
<strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme – Aspects juridiques et techniques, in: Iliopoulos-St<strong>ra</strong>ngas (Hrsg.),<br />
Grundrechtsschutz <strong>im</strong> europäischen Raum, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1993, S. 303 ff., 312 ff.; Kostelka,<br />
Eröffnungsvort<strong>ra</strong>g, in: Österreichische Juristenkommission (Hrsg.), S. 15 ff., 21; Carl Otto<br />
Lenz, Fn. 632, S. 3289. Als solche Hür<strong>de</strong> muß z.B. die Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Anbringung von<br />
Vorbehalten <strong>im</strong> EMRK-Rechtsschutzsystem angesehen wer<strong>de</strong>n. Ebenso unbefriedigend ist<br />
bislang die Tatsache, daß es mit Englisch und F<strong>ra</strong>nzösisch <strong>im</strong> Gegensatz zur Regelung in<br />
Art. 290 (ex-Art. 217) EGV nur zwei authentische Sp<strong>ra</strong>chen <strong>de</strong>s Europa<strong>ra</strong>tes gibt, vgl.<br />
Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 316.<br />
694<br />
Auch das EP for<strong><strong>de</strong>r</strong>te in <strong>de</strong>n Verhandlungen <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs <strong>de</strong>n Beitritt <strong><strong>de</strong>r</strong> EU<br />
zur EMRK, um nicht nur eine Rechtsverbindlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Grundrechte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch<br />
eine Überprüfungsmöglichkeit durch <strong>de</strong>n EGMR zu schaffen, vgl. Entschließung <strong>de</strong>s EP<br />
vom 13.3.1996, ABl. 1996, Nr. C 96, S. 77 ff., Ziff. 4.2.<br />
695<br />
Art. 4 Ziff. VIII lautet: „<strong>Das</strong> Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit wird<br />
gewährleistet.“ Allgemein zum Herman-Bericht: Sannwald, Die Struktur <strong>de</strong>s künftigen<br />
Europas – Überlegungen zu einem Entwurf für eine Europäische Verfassung, europablätter<br />
1995, S. 7 ff.; speziell zur Religionsfreiheit: van Bijsterveld, Fn. 607, S. 25; Conring,<br />
Fn. 25, S. 393; Tempel, Vers une position institutionnelle <strong>de</strong>s églises dans l’<strong>Union</strong><br />
Européenne – L’approche par les droits fondamentaux, l’approche concordataire et<br />
l’approche coopé<strong>ra</strong>trice, in: Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/Tempel/Torfs (Hrsg.), Fn. 31, S. 11 ff., 16.
175<br />
Geschlecht, Religion und sexueller Orientierung. In letztgenanntem Entwurf wird – ähnlich<br />
wie i.R.d. EMRK – auf soziale Grundrechte verzichtet. 696 Auch bei Meinhard Hilf 697 fin<strong>de</strong>n<br />
sich konkrete Ansätze, wie ein künftiger Grundrechtskatalog <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ausgestaltet<br />
wer<strong>de</strong>n könnte. Derzeit wird <strong>im</strong> Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> EU eine Grundrechtscharta ausgearbeitet, die <strong>im</strong><br />
Dezember 2000 in Paris proklamiert und anschließend <strong>de</strong>n Gemeinschaftsverträgen<br />
vo<strong>ra</strong>ngestellt wer<strong>de</strong>n soll. 698<br />
aa) Nachteile eines gemeinschaftseigenen Grundrechtskatalogs<br />
Jochen Abr. Frowein, <strong><strong>de</strong>r</strong> ehemalige Vizepräsi<strong>de</strong>nt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR, beurteilt die Schaffung eines<br />
gemeinschaftseigenen Grundrechtskatalogs neben <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK kritisch, weil er bezweifelt,<br />
daß sich ein solcher <strong>im</strong> Grundrechtsstandard mit <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK messen lassen könne und<br />
überdies ein von <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK differieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Grundrechtsvorschriften<br />
nicht wünschenswert sei. 699 Gene<strong>ra</strong>lanwalt Carl Otto Lenz sieht mit einem abgeschlossenen<br />
Grundrechtskatalog das Risiko verbun<strong>de</strong>n, daß die Gemeinschaft in diesem Falle nicht mehr<br />
wie bisher flexibel einen effektiven Grundrechtsschutz gewährleisten könne und for<strong><strong>de</strong>r</strong>t daher<br />
zumin<strong>de</strong>st eine Entwicklungsklausel. 700<br />
bb) Vorteile eines gemeinschaftseigenen Grundrechtskatalogs<br />
Ein gemeinschaftseigener Grundrechtskatalog <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft anstelle o<strong><strong>de</strong>r</strong> neben ihrem<br />
Beitritt zur EMRK könnte gleichwohl dazu beit<strong>ra</strong>gen, die Legit<strong>im</strong>ität <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft auf<br />
<strong>de</strong>m Weg zur Politischen <strong>Union</strong> zu verstärken und ihre Akzeptanz in <strong>de</strong>n einzelnen<br />
Mitgliedstaaten zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 701<br />
Schließlich enthalten die Verfassungen aller Mitgliedstaaten,<br />
696<br />
SZ Nr. 103 vom 6.5.1997, S. 2.<br />
697<br />
Fn. 669, S. 66 ff.<br />
698<br />
So Herta Däubler-Gmelin, in: Anwaltsblattgespräch, AnwBl 1999, S. 586 f., 587.<br />
699<br />
Frowein, Fn. 475, S. 35. Auch Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 301, sowie Kostelka,<br />
Fn. 693, S. 22, bezweifeln gleichwertige Ergebnisse trotz hohen Arbeits- und Zeitaufwan<strong>de</strong>s;<br />
Dagtoglou, Schlußbemerkung, in: Iliopoulos-St<strong>ra</strong>ngas (Hrsg.), Grundrechtsschutz<br />
<strong>im</strong> europäischen Raum, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1993, S. 385 ff., 388, sieht selbst bei gleichwertigen<br />
Ergebnissen einen „Konkurrenten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK“.<br />
700<br />
Vgl. Carl Otto Lenz, Fn. 632, S. 3289. Der Gedanke <strong><strong>de</strong>r</strong> Flexibilität ist übrigens nicht neu,<br />
vgl. schon Sasse, Der Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte in <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften und<br />
seine Lücken, in: Mosler/Bernhardt/ Hilf (Hrsg.), Fn. 689, S. 51 ff., 56.<br />
701<br />
Vgl. aus <strong><strong>de</strong>r</strong> großen Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Befürworter nur: Anweiler, Auslegungsmetho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />
EuGH, F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. u.a. 1997, S. 374 f.; Däubler-Gmelin, Fn. 698, S. 587; Everling,<br />
Weiterentwicklung <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes durch <strong>de</strong>n EuGH, in: Wei<strong>de</strong>nfeld (Hrsg.), Der<br />
Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft, Bonn 1992, S. 73 ff., 77;
176<br />
mit Ausnahme <strong>de</strong>s Vereinigten Königreichs 702 , einen nie<strong><strong>de</strong>r</strong>geschriebenen<br />
Grundrechtskatalog, <strong><strong>de</strong>r</strong> verbürgt, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelne <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Gewaltherrschaft nicht<br />
willkürlich ausgeliefert ist. 703<br />
Die Entwicklung von Gemeinschaftsgrundrechten durch <strong>de</strong>n EuGH einzig über die<br />
allgemeinen Rechtsgrundsätze ist überdies unzureichend, weil dieser seine<br />
Grundrechtsrechtsprechung nur dann weiterentwickeln kann, wenn und soweit er in einem<br />
704<br />
konkreten Verfahren mit einer speziellen Grundrechtsf<strong>ra</strong>ge befaßt wird. Abgesehen hiervon<br />
ist <strong><strong>de</strong>r</strong> gegenwärtige Grundrechtsstandard <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht für <strong>de</strong>n Laien absolut<br />
unübersichtlich, da diesem kaum zugemutet wer<strong>de</strong>n kann, die bisherigen Gemeinschaftsgrundrechte<br />
aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH he<strong>ra</strong>uszufiltern. 705 Ein geschriebener<br />
Grundrechtskatalog wür<strong>de</strong> also für ein be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>s Mehr an Orientierung und Rechtssicherheit<br />
sorgen – und dies nicht nur für die <strong>Union</strong>sbürger, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch für die<br />
Gemeinschaftsorgane selbst. 706<br />
Letztlich ist die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte durch <strong>de</strong>n EuGH auch insofern unbefriedigend,<br />
als dieser hierdurch <strong>im</strong> Kern eine Tätigkeit wahrn<strong>im</strong>mt, die Prinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen<br />
Staatslehre zufolge eigentlich <strong>de</strong>m pouvoir constituant, d.h. <strong>de</strong>n gesetzgeben<strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten als „Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“, obliegt.<br />
cc) Eigene Stellungnahme<br />
Frowein, Fn. 642, S. 326 f.; Hafner, Fn. 20, S. 103; Hilf, Fn. 669, S. 64; Langguth, Fn. 685,<br />
S. 16; Carl Otto Lenz, Fn. 632, S. 3289; Wetter, Fn. 630, S. 226 f.<br />
702 Allerdings wird selbst <strong>im</strong> Vereinigten Königreich über die Einführung eines Grundrechtskataloges<br />
nachgedacht, vgl. Rengeling, Grundrechtsschutz in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft<br />
– Bestandsaufnahme und Analyse <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gerichtshofs<br />
zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze, München 1993, S. 169<br />
m.w.N.<br />
703 Eine Kodifikation <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte kann somit <strong><strong>de</strong>r</strong> Entstehung von Rechtssicherheit<br />
zuträglich sein, vgl. z.B. Obwexer, Fn. 554, S. 77.<br />
704 Vgl. Hilf, Fn. 669, S. 59. So hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bisher noch keine Gelegenheit, z.B. das Recht<br />
auf Leben (Art. 2 Abs. 1 EMRK), das Verbot <strong><strong>de</strong>r</strong> Folter (Art. 3 EMRK), das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Versammlungsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 EMRK) o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Recht auf freie und gehe<strong>im</strong>e<br />
Wahlen (Art. 3 ZP zur EMRK) festzustellen.<br />
705 Zu Recht Carl Otto Lenz, Fn. 632, S. 3289.<br />
706 So auch Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 293 f.; Hilf, Ein Grundrechtskatalog in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Perspektive einer <strong>Europäischen</strong> Verfassung, in: Iliopoulos-St<strong>ra</strong>ngas (Hrsg.), Grundrechtsschutz<br />
<strong>im</strong> europäischen Raum, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1993, S. 320 ff., 330 ff.; Rengeling, Fn. 702,<br />
S. 169.
177<br />
Da die Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK als allgemeine Rechtsgrundsätze über Art. 6 (ex-Art. F)<br />
Abs. 2 EUV <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit schon <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht gelten, 707 wäre die Schaffung eines gemeinschaftseigenen<br />
Grundrechtskataloges – neben <strong>de</strong>m vorzugswürdigen Beitritt – nur dann eine<br />
sinnvolle Ergänzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftscharta, wenn sie <strong>de</strong>n „EMRK-aquis“ – d.h. die<br />
Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechtskonvention einschließlich ihrer Protokolle – übernähme, um<br />
die Entstehung von Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen zweierlei Maßstabs zu verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Ansonsten<br />
könnte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bei seiner Rechtsfindung in Auslegungsdifferenzen zur Rechtsprechung <strong>de</strong>s<br />
EGMR ge<strong>ra</strong>ten, was für die Mitgliedstaaten <strong>im</strong> Falle eines geringeren Grundrechtsstandards<br />
auf Gemeinschaftsebene – wie bisher auch – einen Konflikt mit <strong>de</strong>n Verpflichtungen aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EMRK he<strong>ra</strong>ufbeschwören könnte. Nach <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam, <strong><strong>de</strong>r</strong> notwendige<br />
Verbesserungen <strong>im</strong> Grundrechtsbereich herbeigeführt hat, dürfte in<strong>de</strong>s ein eigener<br />
Grundrechtskatalog <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft kaum noch zu erwarten sein. 708<br />
Im Falle eines Beitritts<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur EMRK wür<strong>de</strong>n die geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Vorzüge eines eigenen Grundrechtskatalogs<br />
weitgehend ebenfalls erreicht, ohne die Gefahr neuerlicher Differenzen zwischen<br />
bei<strong>de</strong>n Grundrechtssystemen zu erzeugen, da in diesem Fall <strong><strong>de</strong>r</strong> geschriebene Grundrechtskatalog<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK selbst zur Rechtssicherheit und Orientierung beitrüge.<br />
c) Ve<strong>ra</strong>bschiedung eines Grundrechtskatalogs durch alle Gemeinschaftsorgane<br />
Diskutiert wird auch die Ve<strong>ra</strong>bschiedung eines Grundrechtskatalogs durch alle<br />
Gemeinschaftsorgane, d.h. neben <strong>de</strong>n Organen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinsamen Erklärung vom<br />
5. April 1977 – Kommission, Rat und EP – auch durch EuGH, EZB, Europol usw., auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Grundlage <strong><strong>de</strong>r</strong> von Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EGV gewährleisteten Grundrechte. 709 Hierdurch<br />
wäre <strong><strong>de</strong>r</strong> Verweis <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV entbehrlich, <strong><strong>de</strong>r</strong> nach wie vor die<br />
Streitf<strong>ra</strong>ge offen läßt, ob die Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht unmittelbar<br />
anwendbar sind. 710<br />
Der Nachteil eines in dieser Weise ergangenen Grundrechtskatalogs<br />
gegenüber einem auf einer Regierungskonferenz beschlossenen Grundrechtskatalog o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Beitritt liegt auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand: Zum einen müßte ein solcher nicht die Kontrolle <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen<br />
Parlamente passieren und wäre daher <strong>im</strong>mer mit einem gewissen Legit<strong>im</strong>itäts- und<br />
Demok<strong>ra</strong>tie<strong>de</strong>fizit behaftet, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en könnte es sich hierbei nicht um Pr<strong>im</strong>ärrecht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
nur um organgeschaffenes Sekundärrecht han<strong>de</strong>ln, das jeglichem Pr<strong>im</strong>ärrecht gegenüber<br />
nach<strong>ra</strong>ngig wäre.<br />
707<br />
S.u. E.III.1.<br />
708<br />
Ebenso Hilf, Fn. 645, S. 360.<br />
709<br />
Vgl. v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Beutler, Bd. 1, Art. F, Rdnr. 121.<br />
710<br />
S. hierzu u. E.III.1.
178<br />
d) „Gemeinsame Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten“ i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 S. 2 EGV<br />
aa) Kollektive Ve<strong>ra</strong>ntwortlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
Einen interessanten Vorschlag als Alternative zur Beitrittsvariante bringt Antonio Bultrini 711<br />
ein: Weil die einzelnen Mitgliedstaaten bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Vollziehung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts selbst<br />
dann noch Verpflichtete <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK bleiben, 712 wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH – ausgehend von einem<br />
weiten Ermessensspiel<strong>ra</strong>um <strong>de</strong>s Rates 713 – zuvor einen Grundrechtsverstoß durch das<br />
Gemeinschaftsrecht verneint hat, müsse ein möglicher Auslegungskonflikt zwischen<br />
St<strong>ra</strong>ßburg und Luxemburg – in einer die Ve<strong>ra</strong>ntwortung bei <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten belassen<strong>de</strong>n<br />
Weise – ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n. Diese seien es schließlich, die aufgrund ihrer gemeinsamen<br />
Gesetzgebung <strong>im</strong> Rat potentielle Konflikte einzelner Mitgliedstaaten mit <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />
herbeiführen wür<strong>de</strong>n, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e wenn ein gemeinschaftsrechtlicher Rechtsakt keinen<br />
mitgliedstaatlichen Umsetzungsspiel<strong>ra</strong>um gewähre. 714 Bultrini empfiehlt daher, pr<strong>im</strong>ärrechtlich<br />
die Letztve<strong>ra</strong>ntwortung in Grundrechtsf<strong>ra</strong>gen vom EuGH auf die Mitgliedstaaten<br />
gemeinschaftlich zu verlagern, wie es Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 S. 2 EGV ohnehin für<br />
völkerrechtliche „Altverträge“ – ein solcher stellt die EMRK dar 715 – nahelege 716 und so die<br />
Ve<strong>ra</strong>ntwortlichkeit <strong>de</strong>s einzelnen Mitgliedstaats gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch ein gerechteres<br />
kollektives Ve<strong>ra</strong>ntwortlichkeitsprinzip aller Mitgliedstaaten zu ersetzen. 717<br />
bb) Eigene Stellungnahme<br />
<strong>Das</strong> Hervorheben <strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>ntwortung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten für die Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte<br />
auch i.R.d. Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten auf die Gemeinschaft – zumal diese als Ratsvertreter<br />
nach wie vor das Schicksal <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zu steuern in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage sind – muß am<br />
Ansatz Bultrinis positiv gewürdigt wer<strong>de</strong>n. Allerdings geht <strong><strong>de</strong>r</strong> aufgezeigte Lösungsvorschlag<br />
m.E. zu sehr von einer intergouvernementalen Sichtweise <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft aus. Vielmehr ist<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH als sup<strong>ra</strong>nationales Organ ve<strong>ra</strong>ntwortlich, <strong>im</strong> Einzelfall einen <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK adäquaten<br />
Rechtsschutz zu schaffen, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Stadium <strong>de</strong>s Erlasses von Sekundärrecht noch gar nicht bis<br />
ins Detail durchdacht wer<strong>de</strong>n kann. Eine Kontrollmöglichkeit <strong>de</strong>s EuGH durch die Mitgliedstaaten<br />
wäre überdies verfahrensrechtlich nur schwierig zu realisieren und wür<strong>de</strong> zu<strong>de</strong>m <strong>de</strong>m<br />
711<br />
Bultrini, L’inte<strong>ra</strong>ction entre le système <strong>de</strong> la Convention européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme<br />
et le système communautaire, ZEuS 1998, S. 493 ff.<br />
712<br />
Bultrini, Fn. 711, S. 498; Einzelheiten s.u. E.III.1.d)dd).<br />
713<br />
Bultrini, Fn. 711, S. 496 f.; Einzelheiten s.u. E.IV.2.a) und E.IV.3.b)bb)(2).<br />
714<br />
Bultrini, Fn. 711, S. 499, 501.<br />
715<br />
S.u. E.III.1.d)aa).<br />
716<br />
Bultrini, Fn. 711, S. 499 f.<br />
717<br />
Bultrini, Fn. 711, S. 502.
179<br />
Gewaltenteilungsgrundsatz zuwi<strong><strong>de</strong>r</strong>laufen. Außer<strong>de</strong>m wür<strong>de</strong>n Konflikte einzelner<br />
Mitgliedstaaten min<strong>de</strong>stens ebenso effektiv ausgeschlossen, wenn die „Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft pr<strong>im</strong>ärrechtlich die Möglichkeit <strong>de</strong>s Beitritts zur EMRK einräumten.<br />
e) Gemeinschaftsrechtliche Verfassungsbeschwer<strong>de</strong><br />
Der gemeinschaftsrechtliche Grundrechtsschutz könnte künftig auch durch die Schaffung<br />
einer Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> einzelner <strong>Union</strong>sbürger gegen Verletzungen durch<br />
gemeinschaftsrechtliche Rechtsakte gestärkt wer<strong>de</strong>n, was <strong>im</strong> Hinblick auf eine<br />
Komplettierung <strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzsystems durchaus sinnvoll<br />
erscheint. 718<br />
Da jedoch die mitgliedstaatlichen Rechtsschutzsysteme nur sehr vereinzelt die<br />
Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> kennen, muß die Wahrscheinlichkeit einer Realisierung dieses<br />
Vorschlags als gering eingestuft wer<strong>de</strong>n.<br />
6. Zusammenfassung<br />
Ein verbindlicher Grundrechtskatalog auf Gemeinschaftsebene, durch welchen die<br />
Religionsfreiheit ausdrücklich als Grundrecht geschützt wür<strong>de</strong>, existiert – ungeachtet <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
diversen Ansätze insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane zur Schaffung eines solchen – bisher<br />
nicht. Zwar hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> Rahmen von Einzelfallentscheidungen die Gemeinschaftsgrundrechte<br />
über die allgemeinen Rechtsgrundsätze entwickelt und so die vorhan<strong>de</strong>ne<br />
Rechtsschutzlücke teilweise geschlossen. Ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> nach wie vor bestehen<strong>de</strong>n<br />
Rechtsunsicherheit wäre ein geschriebener Grundrechtskatalog noch <strong>im</strong>mer wünschenswert.<br />
Dieser dürfte jedoch nicht <strong>im</strong> Gegensatz zum Grundrechtskatalog <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK stehen, an<br />
welchen die Mitgliedstaaten trotz ihrer Mitgliedschaft in <strong><strong>de</strong>r</strong> EG gebun<strong>de</strong>n sind. Erst ein<br />
Betritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur EMRK bzw. die Schaffung eines Vorlageverfahrens wür<strong>de</strong> für<br />
die Mitgliedstaaten potentielle Grundrechtskollisionen aufgrund eines divergieren<strong>de</strong>n<br />
Grundrechtsniveaus effektiv vermei<strong>de</strong>n.<br />
718 Vgl. die Ansätze bei Rengeling, B<strong>ra</strong>uchen wir eine Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> auf Gemeinschaftsebene?,<br />
in: FS Everling 1995, Bd. 2, S. 1187 ff. Dieser führt als Argumente für eine<br />
solche Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> u.a. an, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsbürger auf Gemeinschaftsebene<br />
ohnehin als Rechtssubjekt anerkannt sei (S. 1201) und ein solcher Individualschutz<br />
das Gebot effektiven Rechtsschutzes verwirkliche (S. 1202).
180<br />
II. Die „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten“ als „allgemeine<br />
Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts“ i.S.d. Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />
Gemäß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV achtet die <strong>Union</strong> die Grundrechte, wie sie in zwei<br />
Quellen gewährleistet sind, namentlich in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK und in <strong>de</strong>n „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen“<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten als „allgemeine Grundsätze <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts“. 719<br />
Durch die Einfügung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift in <strong>de</strong>n EU-Vert<strong>ra</strong>g sollte vor<br />
allem <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsrechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH <strong>im</strong><br />
Gemeinschaftsrecht Rechnung get<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n. Dieser hatte die EMRK ebenso wie die<br />
gemeinsamen Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten zur Schaffung eines eigenen<br />
Grundrechtssystems he<strong>ra</strong>ngezogen. Aus diesem Grun<strong>de</strong> kommt Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />
719<br />
Unklar ist vom <strong>de</strong>utschen Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift ausgehend zunächst, ob nur die<br />
„gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch die EMRK unter<br />
<strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „allgemeinen Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts“ zu subsumieren ist. Der<br />
Vergleich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> englischen und f<strong>ra</strong>nzösischen Sp<strong>ra</strong>chfassung legt <strong>de</strong>n Schluß nahe, daß<br />
sowohl die Grundrechte, wie sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK gewährleistet sind als auch diejenigen, wie<br />
sie sich aus <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ergeben, als<br />
allgemeine Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zu achten sind. Vgl. hierzu Thun-<br />
Hohenstein, Fn. 98, S. 21, dort Fn. 2.<br />
Außer<strong>de</strong>m erscheint die Bezugnahme in Art. 6 (Ex-Art. F) Abs. 2 EUV nur auf die bei<strong>de</strong>n<br />
genannten Grundrechtsquellen insoweit zu eng, als <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit auch<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>e völkerrechtliche Verträge zur Rechtsfindung durch allgemeine Rechtsgrundsätze<br />
he<strong>ra</strong>ngezogen hat. Der EuGH zählt z.B. <strong>de</strong>n IPbpR zu <strong>de</strong>n Abkommen, die er bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts berücksichtigt, vgl.<br />
EuGH, Rs. C-249/96 (Lisa Jacqueline G<strong>ra</strong>nt/South-West T<strong>ra</strong>ins Ltd), Slg. 1998, S. I-621 ff.,<br />
650, Rz. 44 m.w.N. = EuZW 1998, S. 212 ff. m. Anm. Szczekalla = EuGRZ 1998, S. 140 ff.<br />
Eine Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK gegenüber <strong>de</strong>m IPbpR erscheint sinnvoller, da nicht alle<br />
Mitgliedstaaten Pakt und Fakultativprotokoll <strong>de</strong>s IPbpR <strong>ra</strong>tifiziert haben und sich die<br />
Klärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorbehalte i.R.d. IPbpR weitaus komplexer als bei Art. 64 EMRK gestaltet,<br />
vgl. Klein, Fn. 617, S. 52 ff. Allerdings hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH ausdrücklich da<strong>ra</strong>uf hingewiesen, daß<br />
er trotz <strong>de</strong>s Wortlauts von Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV – wie bisher auch – weitere<br />
völkerrechtliche Verträge über <strong>de</strong>n Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte, an <strong><strong>de</strong>r</strong>en Abschluß die<br />
Mitgliedstaaten beteiligt waren o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>nen sie beigetreten sind, berücksichtigen wird, vgl.<br />
EuGH, Gutachten 2/94, Slg. 1996, S. I-1759 ff., 1789, Rz. 33.
181<br />
keine konstitutive, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich <strong>de</strong>kla<strong>ra</strong>torische Wirkung zu. 720 Für die Findung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
maßgeblichen religionsrechtlichen Best<strong>im</strong>mungen bedarf es nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> kumulativen He<strong>ra</strong>nziehung<br />
bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Quellen; vielmehr reicht das Vorhan<strong>de</strong>nsein eines Grundrechts alternativ in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK o<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen zur He<strong>ra</strong>usbildung von<br />
Gemeinschaftsgrundrechten aus. 721<br />
1. Rechtslage vor Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />
Schon vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV kam <strong>de</strong>n „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, zu <strong>de</strong>nen auch die „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen“<br />
gezählt wer<strong>de</strong>n können, Be<strong>de</strong>utung zu. In Art. 288 (ex-Art. 215) Abs. 2 EGV wird<br />
speziell für die außervert<strong>ra</strong>gliche Haftung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft eine Rückgriffsmöglichkeit auf<br />
die in <strong>de</strong>n Rechtsordnungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätze<br />
eröffnet. Für die Vertreter einer völkerrechtlichen Sichtweise <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsnatur <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Gemeinschaften 722 ergibt sich die Geltung allgemeiner Rechtsgrundsätze schon da<strong>ra</strong>us,<br />
daß das Gemeinschaftsrecht als beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Bestandteil <strong>de</strong>s Völkerrechts diese als eine<br />
wichtige Völkerrechtsquelle beachten muß. <strong>Das</strong> in Art. 288 (ex-Art. 215) Abs. 2 EGV<br />
nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegte Prinzip kann daher allgemein zur Schliessung bestehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Lücken <strong>im</strong><br />
Gemeinschaftsrecht he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n, soweit das Problem in <strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen<br />
Rechtsordnungen eine Regelung gefun<strong>de</strong>n hat. 723 Da das Gemeinschaftsrecht noch keine<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>art <strong>de</strong>zidierte Kodifizierung besitzt, wie dies in <strong>de</strong>n einzelnen Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist,<br />
war <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH schon früh auf eine Rechtsvergleichung zur Lückenschließung angewiesen. 724<br />
720<br />
EuGH, Rs. C-415/93 (<strong>Union</strong> royale belge <strong>de</strong>s sociétés <strong>de</strong> football association<br />
ASBL/Bosman, Royal club liégeois SA/Bosman u.a.), Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rz. 79;<br />
Hummer, Fn. 629, S. 83; Obwexer, Fn. 554, S. 64; Rodríguez Iglesias, Gedanken zum<br />
Entstehen einer <strong>Europäischen</strong> Rechtsordnung, NJW 1999, S. 1 ff., 5; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 654, S. 147;<br />
Wetter, Fn. 630, S. 66.<br />
721<br />
Vgl. Wetter, Fn. 630, S. 74.<br />
722<br />
Vgl. hierzu Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 85 ff.<br />
723<br />
Vgl. Anweiler, Fn. 701, S. 282 f.; Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 53 ff.; Rodríguez<br />
Iglesias, Fn. 720, S. 6.<br />
724<br />
Als Beispiele <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsfindung durch Rechtsvergleichung vgl. EuGH, Rs. 155/79 (AM&S<br />
Europe L<strong>im</strong>ited/Kommission), Slg. 1982, S. 1575 ff. = NJW 1983, S. 503; Rs. 374/87<br />
(Orkem/Kommission), Slg. 1989, S. 3283 ff. = EuZW 1991, S. 412; EuGH, verb. Rs. 46/87<br />
u. 227/88 (Hoechst AG/Kommission), Slg. 1989, 2859 ff. = EuGRZ 1989, S. 395 ff. =<br />
NJW 1989, S. 3080 ff.; s. hierzu Anweiler, Fn. 701, S. 280, 357 f.; Rodríguez Iglesias,<br />
Fn. 720, S. 7.
182<br />
Nicht unerwähnt bleiben soll, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH neben <strong>de</strong>n eigentlichen Freiheits- und<br />
Gleichheitsgrundrechten auch Rechtsstaatsprinzipien entwickelt hat, die nach <strong>de</strong>m<br />
Verständnis <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Rechts am ehesten <strong>de</strong>m allgemeinen Verwaltungsrecht zugerechnet<br />
wer<strong>de</strong>n können. Es sind dies z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>uensschutz 725 , <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz rechtlichen<br />
Gehörs 726 o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Recht auf Akteneinsicht 727<br />
.<br />
2. Definition <strong><strong>de</strong>r</strong> „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen“<br />
Während unter „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“ best<strong>im</strong>mte Rechts- und Strukturprinzipien<br />
verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, die in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen nationalen Rechtsordnungen gemeinsam sind, 728<br />
können – in Erweiterung hierzu – unter <strong>de</strong>n „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen“<br />
i.S.d. Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV diejenigen Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen verstan<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen – nicht notwendig geschriebenen – Verfassungsüberlieferungen<br />
gemeinsam sind, wobei <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine werten<strong>de</strong> Rechtsvergleichung vorn<strong>im</strong>mt. 729<br />
Dabei wer<strong>de</strong>n die nationalen Grundrechte nicht etwa in die Gemeinschaftsrechtsordnung<br />
übernommen; vielmehr orientiert sich <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH lediglich an ihnen als<br />
725<br />
Vgl. z.B. EuGH, Rs. C-24/95 (Land Rheinland-Pfalz/Alcan Deutschland), Slg. 1997,<br />
S. I -1591 ff., 1617, Rz. 25 = EuZW 1997, S. 276 ff. = EuGRZ 1997, S. 327 ff.; wobei<br />
dieser allerdings restriktiv ausgelegt wird, wenn es darum geht, eine gemeinschaftsrechtlich<br />
vorgeschriebene Rückfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nicht p<strong>ra</strong>ktisch unmöglich zu machen, vgl. Rs. C-24/95,<br />
a.a.O., S. I-1616, Rz. 24; S. I-1618, Rz. 31.<br />
726<br />
EuGH, Rs. 17/74 (T<strong>ra</strong>nsocean Marine Paint Association/Kommission), Slg. 1974,<br />
S. 1063 ff., 1080 f.; Rs. 85/76 (Hoffmann-La Roche/Kommission), Slg. 1979, S. 461 ff.,<br />
511.<br />
727<br />
EuGH, Rs. 85/76, Fn. 726, S. 512 f.<br />
728<br />
Buck, Fn. 549, S. 38; vgl. hierzu ausführlich: Lecheler, Der Europäische Gerichtshof und<br />
die allgemeinen Rechtsgrundsätze, Berlin 1971, S. 45 ff. Ein illustres Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsvergleichung<br />
i.R.d. EGKSV bieten die Schlußanträge <strong>de</strong>s GA Lag<strong>ra</strong>nge, Verb. Rs. 3-4/54<br />
(ASSIDER u. ISA), Slg. 1954/55, S. 151 ff., 157 ff. Der EuGH hat in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. 155/79<br />
(AM & S/Kommission), Slg. 1982, S. 1575 ff., 1605 (LS 3), auf Regelungen in <strong>de</strong>n<br />
nationalen Rechtsordnungen ausdrücklich Bezug genommen.<br />
729<br />
Vgl. Anweiler, Fn. 701, S. 359; Koenig/Ha<strong>ra</strong>tsch, Fn. 687, Rdnr. 215; Obwexer, Fn. 554,<br />
S. 62; Rodríguez Iglesias, Fn. 654, S. 138 f.
183<br />
Rechtserkenntnisquelle. 730 Der Gerichtshof hat nur Gemeinschaftsrecht anzuwen<strong>de</strong>n;<br />
nationales Recht wen<strong>de</strong>t er nur an, sofern er hiermit aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 238<br />
f. (ex-Art. 181 f.) EGV befaßt wird. 731<br />
Da gemäß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV nur die<br />
gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten maßgeblich sind, stellt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EuGH keine Rechtsvergleichung bezüglich einfachgesetzlicher religionsrechtlicher<br />
Rechtsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten an.<br />
3. Welcher Standard gelangt zur Anwendung?<br />
Die Grundrechtsstandards in <strong>de</strong>n einzelnen Mitgliedstaaten sind meist – und ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch <strong>im</strong><br />
Hinblick auf die Religionsfreiheit – höchst unterschiedlich. Es muß daher geklärt wer<strong>de</strong>n,<br />
wann <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH von einer „gemeinsamen Verfassungsüberlieferung“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
ausgehen und diese in das Gemeinschaftsrecht übernehmen kann.<br />
Da es sich bei <strong>de</strong>n „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen“ um einen Unterfall <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
„allgemeinen Rechtsgrundsätze“ han<strong>de</strong>lt – diese sind nicht zu verwechseln mit <strong>de</strong>m Begriff<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> „allgemeinen Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts“ 732 , wie er in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2<br />
EUV verwandt wird – kann insoweit auf die bisher zu <strong>de</strong>n „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“<br />
entwickelten Theorien zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n. 733<br />
730<br />
Vgl. Schlußanträge <strong>de</strong>s GA Roemer, Rs. 29/69 (Stau<strong><strong>de</strong>r</strong>/Stadt Ulm, Sozialamt), Slg. 1969,<br />
S. 419 ff., 428, Rz. 7; EuGH, Rs. 11/70 (Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr- und<br />
Vor<strong>ra</strong>tsstelle für Getrei<strong>de</strong>- und Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff., 1134 f., Rz. 3: „Die<br />
einheitliche Geltung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts wür<strong>de</strong> beeinträchtigt, wenn bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Entscheidung über die Gültigkeit von Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane Normen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Grundsätze <strong>de</strong>s nationalen Rechts he<strong>ra</strong>ngezogen wür<strong>de</strong>n.“; vgl. auch Koenig/Ha<strong>ra</strong>tsch,<br />
Fn. 687, Rdnr. 215.<br />
731<br />
Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische <strong>Union</strong>, Rechtsordnung und Politik, 4. Aufl.,<br />
Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1993, S. 239 f.<br />
732<br />
Hierunter wer<strong>de</strong>n Fundamentalprinzipien <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts, wie z.B. <strong>de</strong>n Anwendungsvor<strong>ra</strong>ng<br />
<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts, verstan<strong>de</strong>n. Die in Rs. 4/73 (Nold/Kommission),<br />
Slg. 1974, S. 491 ff., Rz. 13, vom EuGH verwandte Formulierung <strong><strong>de</strong>r</strong> „allgemeinen<br />
Rechtsgrundsätze“ ist in diesem Zusammenhang höchst verwirrend und i.S.d. „allgemeinen<br />
Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts“ <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV aufzufassen.<br />
733<br />
So auch Anweiler, Fn. 722, S. 358 f.
184<br />
a) Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Min<strong>im</strong>alstandards<br />
Nach konsequenter Anwendung dieser Metho<strong>de</strong> dürfte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH nur auf allgemeine<br />
Rechtsgrundsätze zurückgreifen, die sich in allen Mitgliedstaaten nachweisen lassen; es wäre<br />
also hiernach die jeweils weiteste Auslegung maßgeblich. 734 Zwar spricht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utsche<br />
Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV von „gemeinsamen“ Verfassungsüberlieferungen,<br />
was diese Ansicht zunächst zu stützen scheint; jedoch ergibt sich eine <strong><strong>de</strong>r</strong>artige<br />
Ausschließlichkeit nicht, wenn man die englische o<strong><strong>de</strong>r</strong> f<strong>ra</strong>nzösische Textfassung<br />
he<strong>ra</strong>nzieht. 735 Der Schutzbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte wäre – teleologisch bet<strong>ra</strong>chtet<br />
– zu sehr reduziert, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> „kleinste gemeinsame Nenner“ in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten als<br />
gemeinschaftlicher Grundrechtsstandard gewählt wür<strong>de</strong>, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>swegen, weil nicht<br />
mehr die Sechsergemeinschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründungsjahre <strong><strong>de</strong>r</strong> EG besteht. Abgesehen davon wären<br />
bei Zugrun<strong>de</strong>legung <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Min<strong>im</strong>alstandards aufwendige rechtsvergleichen<strong>de</strong><br />
Studien erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, da <strong><strong>de</strong>r</strong> konkrete Schutzbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit ebenso wie aller<br />
übrigen Grundrechte in je<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> (noch) 15 Rechtsordnungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
nachzuweisen wäre, um i.R.d. Gemeinschaftsrechts zur Anwendung gelangen zu können. Da<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftliche Grundrechtsschutz infolge<strong>de</strong>ssen jeweils nur so stark wäre, wie das<br />
jeweils „schwächste Glied in <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtskette <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten“ 736 , hätte dies zur<br />
Folge, daß die Gemeinschaftsgewalt nicht wirksam eingeschränkt wür<strong>de</strong>. Zu Recht hat die<br />
Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Min<strong>im</strong>alstandards in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH keinen Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag<br />
gefun<strong>de</strong>n. 737<br />
b) Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Max<strong>im</strong>alstandards<br />
Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Max<strong>im</strong>alstandards soll bereits das Vorhan<strong>de</strong>nsein eines Grundrechts in<br />
einigen Mitgliedstaaten ausreichen, um diesen Befund <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht zugrun<strong>de</strong><br />
legen zu können. 738<br />
Zu weitgehend je<strong>de</strong>nfalls ist die Auffassung, die <strong>de</strong>n höchsten Standard –<br />
734<br />
Ein Vertreter dieser Auffassung war z.B. Weis, Die außervert<strong>ra</strong>gliche Haftung <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG<br />
gemäß Art. 215 II EWGV, JA 1980, S. 480.<br />
735<br />
Pauly, Strukturf<strong>ra</strong>gen <strong>de</strong>s unionsrechtlichen Grundrechtsschutzes, EuR 1998, S. 242 ff.,<br />
254: Nach ihr sind die Rechte geschützt, wie sie sich ergeben „from the constitutional<br />
t<strong>ra</strong>ditions common to the Member States“ bzw. „<strong>de</strong>s t<strong>ra</strong>ditions constitutionelles communes<br />
aux États membres“.<br />
736<br />
Stadler, zitiert bei Wetter, Fn. 630, dort Fn. 181; Streinz, Fn. 435, S. 431.<br />
737<br />
Vgl. EuGH, Rs. 11/70, Fn. 730, Rz. 3, wonach ein Gemeinschaftsrechtsakt gegen die<br />
Grundrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> ihnen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung eines Mitgliedstaats gegebenen Gestalt<br />
verstoßen kann. Eine Max<strong>im</strong>allösung lehnen daher ebenfalls ab Hirsch, Fn. 92, S. 12;<br />
Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 15.<br />
738<br />
Vgl. v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Krück, Bd. 4, Art. 164, Rdnr. 33.
185<br />
auch wenn dieser nur in einem Mitgliedstaat besteht – als gemeinsame<br />
Verfassungsüberlieferung zugrun<strong>de</strong> legen will. 739 Der Vorteil dieser Metho<strong>de</strong> ist zwar die<br />
Sicherstellung eines hohen grundrechtlichen Schutzniveaus, jedoch ist eine solche Auslegung<br />
mit <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV kaum in Einklang zu bringen. Ähnlich<br />
wie i.R.d. Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Min<strong>im</strong>alstandards müßte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH alle Rechtsordnungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten <strong>im</strong> Detail kennen und bei je<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsf<strong>ra</strong>ge „durchforsten“, um zu<br />
untersuchen, ob nicht doch ein Mitgliedstaat dieses Grundrecht in <strong>de</strong>m streitgegenständlichen<br />
Umfang gewährleistet. 740 Abgesehen davon könnte ein Staat durch Verfassungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen<br />
einseitig Einfluß auf <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsstandard nehmen und somit<br />
das Funktionieren <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft gefähr<strong>de</strong>n. 741 Schließlich ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Max<strong>im</strong>alstandard nur<br />
schwierig festzustellen, da <strong>im</strong>mer auch die Sch<strong>ra</strong>nken <strong>de</strong>s Grundrechts i.R.d. nationalen<br />
Verfassungsgefüges zu berücksichtigen wären. 742 Um überhaupt von „gemeinsamen<br />
Verfassungsüberlieferungen“ sprechen zu können, wird man daher vo<strong>ra</strong>ussetzen müssen, daß<br />
sich das Grundrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> ihm vom Gemeinschaftsrecht zugedachten Reichweite zumin<strong>de</strong>st<br />
in einigen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen wie<strong><strong>de</strong>r</strong>fin<strong>de</strong>t. 743 Im übrigen ließe sich diese<br />
Metho<strong>de</strong> schwerlich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH in Einklang bringen. 744<br />
739 In diese Richtung Bleckmann, in: Christoph, Fn. 139, S. 416 a.E.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 133, S. 52 ff.;<br />
Robbers, Fn. 181, S. 87; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 107, S. 358; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 341, S. 320. Ansätze fin<strong>de</strong>n sich<br />
überdies bei Streinz, Fn. 435, S. 402, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich dabei auf EuGH, Rs. 4/73 (Nold/Kommission),<br />
Slg. 1974, S. 491 ff., 507, Rz. 13, stützt, seine Position in<strong>de</strong>s wie<strong><strong>de</strong>r</strong> relativiert, <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />
a.a.O., S. 434 ff. Ebenso räumt Rengeling, Fn. 702, S. 211, ein, daß sich ein vom ihm selbst<br />
bevorzugtes max<strong>im</strong>ales Schutzniveau (vgl. <strong><strong>de</strong>r</strong>s., a.a.O., S. 168) schon bei einer<br />
Zwölfergemeinschaft kaum verwirklichen lasse.<br />
740 So auch Sasse, Fn. 700, S. 58.<br />
741 Vgl. Streinz, Fn. 435, S. 434 m.w.N., dort in Fn. 407.<br />
742 Vgl. Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 57; Sasse, Fn. 700, S. 58.<br />
743 Anweiler, Fn. 701, S. 356; Pauly, Fn. 735, S. 254, mit Hinweis auf die englische und<br />
f<strong>ra</strong>nzösische Textfassung <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV.<br />
744 EuGH, Rs. 11/70 (Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr- und Vor<strong>ra</strong>tsstelle für<br />
Getrei<strong>de</strong>- und Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff., 1134 f., Rz. 3: „Daher kann es die<br />
Gültigkeit einer Gemeinschaftshandlung o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>en Geltung in einem Mitgliedstaat nicht<br />
berühren, wenn geltend gemacht wird, die Grundrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> ihnen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung<br />
dieses Staates gegebenen Gestalt o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Strukturprinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Verfassung<br />
seien verletzt.“ Vgl. auch Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 57, 59; Rodríguez Iglesias,<br />
Fn. 654, S. 138.
186<br />
c) Metho<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> werten<strong>de</strong>n Bet<strong>ra</strong>chtungsweise<br />
Da arithmetische Mittelwerte bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> „kleinste“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „größte gemeinsame Nenner“ nicht<br />
generell zu adäquaten Lösungen führen, wird überwiegend vertreten, daß aufgrund einer<br />
kritischen Analyse einer rechtsvergleichen<strong>de</strong>n Umschau diejenige Lösung gewählt wer<strong>de</strong>n<br />
müsse, die sich als die „beste“ bzw. „fortschrittlichste“ he<strong>ra</strong>usstellt. 745<br />
Im Einzelfall kann dies<br />
durchaus be<strong>de</strong>uten, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> höchste Standard auf mitgliedstaatlicher Ebene auch<br />
gemeinschaftsrechtlich relevant ist.<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH entschie<strong>de</strong>n, daß (nur) diejenigen allgemeinen Rechtsgrundsätze<br />
Anwendung fin<strong>de</strong>n sollen, die sich in die Struktur und Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft einfügen; 746<br />
dieses Dictum kann als verfassungs<strong>im</strong>manente Grundrechtssch<strong>ra</strong>nke angesehen wer<strong>de</strong>n. 747<br />
Aufgrund dieser Rechtsprechung besteht Grund zur Besorgnis, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof nach<br />
einem Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen nationalen Verfassungssysteme Grundrechte, wie z.B.<br />
die Religionsfreiheit, nur in einem Umfang auf Gemeinschaftsebene anerkennt, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Zielen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft am besten entspricht, d.h. möglichst integ<strong>ra</strong>tionsför<strong><strong>de</strong>r</strong>nd ist.<br />
745 Schlußanträge GA Lag<strong>ra</strong>nge, Rs. 14/61 (Koninklijke Ne<strong><strong>de</strong>r</strong>landsche Hoogovens en<br />
Staalfabrieken N.V./Hohe Behör<strong>de</strong>), Slg. 1962, S. 511 ff., 559 ff., 570: „Auf diese Weise<br />
wür<strong>de</strong> sich die Rechtsprechung <strong>de</strong>s Gerichtshofs bei <strong><strong>de</strong>r</strong> sehr weitgehen<strong>de</strong>n He<strong>ra</strong>nziehung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> innerstaatlichen Rechtsordnungen zur He<strong>ra</strong>usarbeitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsnormen, die bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Durchführung <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs anzuwen<strong>de</strong>n sind, nicht da<strong>ra</strong>uf beschränken, seinen Quellen nur<br />
ein mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger arithmetisches „Mittel“ zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen innerstaatlichen<br />
Lösungen zu entnehmen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wür<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n einzelnen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n diejenigen Lösungen<br />
auswählen, die ihm <strong>im</strong> Hinblick auf die Vert<strong>ra</strong>gsziele als die besten o<strong><strong>de</strong>r</strong>, wenn man diesen<br />
Ausdruck geb<strong>ra</strong>uchen will, als die fortschrittlichsten erscheinen.“; ebenso Ipsen,<br />
Europäisches Gemeinschaftsrecht, Tübingen 1972, S. 113; Obwexer, Fn. 554, S. 62;<br />
Rodríguez Iglesias, Fn. 654, S. 138 f.; Wetter, Fn. 630, S. 47 m.w.N., dort Fn. 183. Im<br />
Ergebnis ähnlich Conring, Fn. 25, S. 321 ff., 324, <strong><strong>de</strong>r</strong> einem autonomen – durch <strong>de</strong>n EuGH<br />
gewährten – Schutzniveau <strong>de</strong>n Vorzug gibt.<br />
746 EuGH, Rs. 11/70 (Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr- und Vor<strong>ra</strong>tsstelle für<br />
Getrei<strong>de</strong>- und Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff., 1135, Rz. 4: „Die Gewährleistung dieser<br />
Rechte [allgemeine Rechtsgrundsätze] muß zwar von <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten get<strong>ra</strong>gen sein, sie muß sich aber auch in die Struktur und die<br />
Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft einfügen.“<br />
747 Streinz, Fn. 435, S. 410 f.; s. hierzu E.IV.2.a).
187<br />
d) Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>s relativierten Max<strong>im</strong>alstandards mit negativer Kontrollfunktion<br />
Da sich <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH an <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen orientieren soll, kann<br />
zwar gleichwohl die Metho<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> werten<strong>de</strong>n Rechtsvergleichung angewandt wer<strong>de</strong>n, diese ist<br />
jedoch dahingehend zu relativieren, als <strong>im</strong> Anschluß hie<strong>ra</strong>n eine Überprüfung am Max<strong>im</strong>alstandard<br />
mitgliedstaatlicher Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen als Ergänzung durchzuführen ist, um<br />
sicherzustellen, daß das so gefun<strong>de</strong>ne Ergebnis nicht mit <strong>de</strong>n religionsrechtlichen<br />
Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen einiger Mitgliedstaaten gänzlich unvereinbar ist. 748<br />
e) Die EMRK als Min<strong>de</strong>ststandard<br />
Da alle Mitgliedstaaten die EMRK <strong>ra</strong>tifiziert haben, bietet diese ebenfalls eine wichtige<br />
Grundlage für die Ermittlung <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten bestehen<strong>de</strong>n gemeinsamen<br />
Rechtsvorstellungen 749 und kann zumin<strong>de</strong>st <strong>de</strong>n Min<strong>de</strong>ststandard an Grundrechten aufzeigen,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> allen Mitgliedstaaten gemeinsam ist. 750 Hierbei ist jedoch zu beachten, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK nur<br />
in einigen Mitgliedstaaten (Österreich und Griechenland) Verfassungs<strong>ra</strong>ng zukommt. Von<br />
einer „gemeinsamen Verfassungsüberlieferung“ kann man daher bei <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK nicht<br />
sprechen. 751 Da sich die EMRK jedoch unter <strong>de</strong>n weiteren Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „allgemeinen Rechtsgrundsätze“<br />
subsumieren läßt, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH unabhängig von Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV zu<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Beachtung verpflichtet. Seit <strong>de</strong>m Rutili-Urteil 752<br />
hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis häufig auf<br />
die EMRK Bezug genommen.<br />
4. „Gemeinsame Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten“ i.R.d.<br />
<strong>Religionsrecht</strong>s<br />
748 Noch strenger Streinz, Fn. 435, S. 431 ff., 435, 437 m.w.N. dort Fn. 417.<br />
749 So auch v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Krück, Bd. 4, Art. 164, Rdnr. 34.<br />
750 In diese Richtung Streinz, Fn. 435, S. 401, dort Fn. 205; Wetter, Fn. 630, S. 9.<br />
751 Etwas an<strong><strong>de</strong>r</strong>es wür<strong>de</strong> nur dann gelten, wenn man die EMRK als gemeinsame<br />
Verfassungsüberlieferung ansehen wür<strong>de</strong>, weil ihr in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten faktisch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vor<strong>ra</strong>ng vor nationalem Recht eingeräumt wird; so z.B. BVerfGE 83, S. 119 ff., 128,<br />
aufgrund einer völkerrechtskonformen Interpretation <strong>de</strong>s Grundgesetzes trotz <strong>de</strong>s Ranges<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK als einfaches Bun<strong>de</strong>sgesetz, vgl. Her<strong>de</strong>gen, Fn. 40, Rdnr. 37; Schweitzer,<br />
Fn. 39, Rdnrn. 709 f.<br />
752 EuGH, Rs. 36/75, s.o. Fn. 659, Rz. 32.
188<br />
Im folgen<strong>de</strong>n soll auf die Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten 753<br />
zur individuellen<br />
und kollektiven Religionsfreiheit Bezug genommen wer<strong>de</strong>n, soweit diese nicht schon in <strong>de</strong>m<br />
allgemeinen Überblick <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten unter B.II dargestellt wur<strong>de</strong>n<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n speziellen rechtsvergleichen<strong>de</strong>n Untersuchungen i.R.d. Kirchenfinanzierung unter<br />
K.III.5.b) bzw. i.R.d. Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts von Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong><br />
Bereich <strong>de</strong>s Kultus unter L.II.2.a) und <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s kirchlichen Arbeitsrechts unter L.II.2.b)<br />
vorbehalten sind. 754<br />
Belgien anerkennt in Art. 19 Belg.Verf. die individuelle und kollektive (positive)<br />
Religionsfreiheit und in Art. 20 Belg.Verf. zusätzlich die individuelle negative<br />
Religionsfreiheit. Darüber hinaus wer<strong>de</strong>n die Rechte und Freiheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> i<strong>de</strong>ologischen und<br />
philosophischen Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten durch Gesetze und Verordnungen geschützt.<br />
In Dänemark wird die Religionsfreiheit in <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung von 1849 nicht ausdrücklich<br />
ve<strong>ra</strong>nkert, was seinen Grund darin haben mag, daß <strong><strong>de</strong>r</strong>en Gewährleistung bereits zum<br />
damaligen Zeitpunkt selbstverständlich war. Allerdings wird in verschie<strong>de</strong>nen St<strong>ra</strong>f- und<br />
Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtdiskr<strong>im</strong>inierung von Religionsgemeinschaften<br />
geschützt. 755<br />
Art. 67 Dän.Verf. gewährt das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Bildung von Vereinigungen<br />
zum Zwecke <strong><strong>de</strong>r</strong> Gottesverehrung. Nach Art. 68 Dän.Verf. besteht kein Zwang, persönliche<br />
Beiträge zu einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en als <strong><strong>de</strong>r</strong> selbst befolgten Art <strong><strong>de</strong>r</strong> Gottesverehrung zu leisten. Den<br />
einzelnen wegen seines Glaubensbekenntnisses vom vollen Genuß <strong><strong>de</strong>r</strong> bürgerlichen und<br />
politischen Rechte auszuschließen, verbietet Art. 70 Dän.Verf.<br />
In Deutschland ist die Religionsfreiheit nicht nur durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistet,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n fin<strong>de</strong>t darüber hinaus ihren Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag in Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 – 139 und<br />
Art. 141 WRV. Geschützt ist nicht nur das innere Bil<strong>de</strong>n und Haben eines persönlichen<br />
753 Vgl. Übersicht über das staatliche <strong>Religionsrecht</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Beitrittskandidaten Polen, Tschechien<br />
und Ungarn in EssGespr. 29 (1995): Orszulik, Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht über das Staat-Kirche-<br />
Verhältnis in Polen, S. 90 ff.; Lobkowicz, Län<strong><strong>de</strong>r</strong>bericht über das Staat-Kirche-Verhältnis in<br />
Tschechien, S. 122 ff.; Erdö, Die gegenwärtige Lage <strong>de</strong>s Staat-Kirche-Verhältnisses in<br />
Ungarn – Staatskirchenrechtliche und kanonistische Aspekte, S. 134 ff.<br />
754 Eine ausführliche rechtsvergleichen<strong>de</strong> Untersuchung <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen <strong>Religionsrecht</strong>e<br />
fin<strong>de</strong>t sich bei Puza/Kustermann (Hrsg.), Staatliches <strong>Religionsrecht</strong> <strong>im</strong> europäischen<br />
Vergleich, Freiburg (Schweiz) 1993 sowie bei Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995; vgl. zu letztgenanntem die Buchbesprechung von<br />
Muckel, DVBl. 1996, S. 1071 f. Erwähnt seien überdies die Arbeiten von Bleckmann,<br />
Fn. 133, S. 73 ff.; v. Campenhausen, Fn. 74, § 38, S. 385 ff.; Conring, Fn. 25, S. 87 ff.;<br />
Leisching, Kirche und Staat in <strong>de</strong>n Rechtsordnungen Europas, Freiburg 1973; Rengeling,<br />
Fn. 702, S. 127 ff.<br />
755 Dübeck, Fn. 133, S. 41 f.
189<br />
Glaubens, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong>de</strong>ssen äußeres Bekenntnis und Verbreiten. Auch die negative<br />
Religionsfreiheit wird insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e durch Art. 140 GG i.V.m. 136 Abs. 3 WRV gewährleistet,<br />
wonach niemand verpflichtet ist, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren und <strong>de</strong>n<br />
Behör<strong>de</strong>n nur soweit das Recht eingeräumt wird, nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugehörigkeit zu einer<br />
Religionsgesellschaft zu f<strong>ra</strong>gen, als davon Rechte und Pflichten abhängen o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine gesetzlich<br />
angeordnete statistische Erhebung dies erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Überdies sind die Vorschriften <strong>de</strong>s<br />
Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG nur dann voll erschließbar, soweit ihnen über <strong>de</strong>n<br />
Individualschutzgehalt hinaus ein kollektives Element zuerkannt wird. 756<br />
Art. 9 <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung Finnlands von 1995 gesteht je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann die Freiheit von Religion und<br />
Gewissen als status positivus und status negativus zu. Art. 5 Finn.Verf. enthält ein<br />
Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion. Allerdings ist die kollektive<br />
Religionsfreiheit nicht von Verfassungs wegen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur nach Maßgabe <strong>de</strong>s Gesetzes über<br />
die Religionsfreiheit gewährleistet.<br />
F<strong>ra</strong>nkreich anerkennt in Art. 2 S. 3 F<strong>ra</strong>nz.Verf. von 1958 die individuelle Religionsfreiheit.<br />
Da aber die Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung ausdrücklich auf die Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschen- und<br />
Bürgerrechte von 1789 verweist und diese in Art. 10 umfassend die freie Religionsausübung<br />
ga<strong>ra</strong>ntiert, soweit hierdurch nicht die öffentliche Ordnung gestört wird, wird man ebenfalls<br />
eine kollektive Komponente anerkennen müssen.<br />
Griechenland gewährleistet in Art. 13 § 1 Griech.Verf. die individuelle Gewissensfreiheit. In<br />
Art. 13 § 2 Griech.Verf. wird zwar die Kultusfreiheit verbürgt, jedoch an enge Vo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />
geknüpft. So darf neben einer Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung z.B. keine<br />
„aufdringliche Werbung“ für eine Religion gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />
Irland achtet durch Art. 44 Abs. 1 Irl.Verf. die Religion und gewährleistet in Art. 44 Abs. 2<br />
Ziff. 1 Irl.Verf. die Gewissens-, Religionsbekenntnis- und Religionsausübungsfreiheit<br />
vorbehaltlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung und Mo<strong>ra</strong>l. Aufgrund <strong>de</strong>s religiösen<br />
Bekenntnisses, Glaubens o<strong><strong>de</strong>r</strong> Stan<strong>de</strong>s darf gemäß Art. 44 Abs. 2 Ziff. 3 Irl.Verf. keine<br />
unterschiedliche Behandlung, v.a. in bezug auf staatsbürgerliche Rechte, erfolgen.<br />
Art. 19 <strong><strong>de</strong>r</strong> italienischen Verfassung enthält weitgehen<strong>de</strong> Best<strong>im</strong>mungen über die individuelle<br />
Religionsfreiheit, in Art. 3 Ital.Verf. ist ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot u.a. aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religion verbrieft. Art. 8 Abs. 1 Ital.Verf. greift dieses Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot für alle<br />
Konfessionen auf, die „gleichermaßen frei vor <strong>de</strong>m Gesetz“ sind. Dies steht jedoch <strong>im</strong><br />
Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zur P<strong>ra</strong>xis <strong><strong>de</strong>r</strong> Italienischen Regierung, welche mit einigen Religionsgemein-<br />
756 Vgl. z.B. BVerfGE 19, S. 1 ff., 5; 42, S. 312 ff., 321; Bethge, Fn. 444, S. 17.
190<br />
schaften keine Vereinbarungen abschließt, so daß diese nicht in <strong>de</strong>n Genuß kollektiver Rechte<br />
gelangen können.<br />
In Luxemburg wird durch Art. 19 Lux.Verf. die Freiheit <strong>de</strong>s Glaubensbekenntnisses und<br />
seiner öffentlichen Ausübung ebenso ga<strong>ra</strong>ntiert, wie die Freiheit, eigene religiöse Meinungen<br />
zu äußern. Art. 20 Lux.Verf. verbietet u.a., daß einzelne zur Mitwirkung an Handlungen und<br />
Feierlichkeiten eines best<strong>im</strong>mten Glaubensbekenntnisses gezwungen wer<strong>de</strong>n können.<br />
Die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> gewähren aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 6 <strong><strong>de</strong>r</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>l.Verf. von 1983,<br />
durch <strong>de</strong>n das bisherige Verfassungskapitel über die Religion ersetzt wur<strong>de</strong>, je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann das<br />
Recht, seine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung individuell o<strong><strong>de</strong>r</strong> kollektiv zu bekennen,<br />
unbescha<strong>de</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>ntwortung je<strong>de</strong>s einzelnen vor <strong>de</strong>m Gesetz. 757<br />
Darüber hinaus enthält<br />
Art. 1 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>l.Verf. ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot u.a. aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion und<br />
<strong>de</strong>s Glaubens.<br />
In Österreich ist sowohl die individuelle wie auch die korpo<strong>ra</strong>tive Religionsfreiheit<br />
gewährleistet. Ebenso wie in Deutschland ist die Grundrechtsträgerschaft von Kirchen als<br />
juristischen Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts anerkannt; diese können mögliche Grundrechtsverletzungen<br />
vor <strong>de</strong>m Verfassungsgerichtshof geltend machen. 758<br />
In Portugal wird durch Art. 41 Port.Verf. umfassend die Religionsfreiheit gewährleistet. So<br />
wird in Art. 41 Abs. 1 Port.Verf. die Gewissens-, religiöse Bekenntnis- und Religionsausübungsfreiheit<br />
ga<strong>ra</strong>ntiert. Art. 41 Abs. 2 Port.Verf. stellt das Verbot auf, jeman<strong>de</strong>n wegen<br />
seines religiösen Bekenntnisses zu verfolgen, seiner Rechte zu be<strong>ra</strong>uben o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihn von seinen<br />
Pflichten zu befreien. Nach Art. 41 Abs. 3 Port.Verf. darf die Religionszugehörigkeit nicht<br />
behördlich erfaßt wer<strong>de</strong>n, außer für individuell nicht i<strong>de</strong>ntifizierbare statistische Angaben. Die<br />
Freiheit, eine Religion in <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen konfessionellen Ausrichtung zu lehren und sich<br />
eigener Massenkommunikationsmittel zu bedienen, wird in Art. 41 Abs. 5 Port.Verf.<br />
eingeräumt.<br />
Schwe<strong>de</strong>n anerkennt in Kapitel 2, Art. 1 Abs. 6 Schwed.Verf. die Freiheit zur Anbetung und<br />
zur Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Religion, sowohl allein als auch <strong>im</strong> kollektiven Rahmen für alle<br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften. In enume<strong>ra</strong>tiv aufgezählten Fällen gestattet Kapitel 2,<br />
Art. 13 Abs. 1 Schwed.Verf. eine Einschränkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Meinungsäußerungsfreiheit, wobei<br />
757 Durch Entscheidung vom 19.1.1962 entschied <strong><strong>de</strong>r</strong> Hoge Raad, daß selbst ein lokales Verbot<br />
religiöser Prozessionen mit Art. 9 EMRK vereinbar sei. Inzwischen legt <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberste<br />
Gerichtshof <strong><strong>de</strong>r</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> seine Prüfungsbefugnis nicht mehr so restriktiv aus, vgl. van<br />
Bijsterveld, Fn. 170, S. 234 f.<br />
758 Vgl. Potz, Fn. 206, S. 257, dort v.a. Fn. 18.
191<br />
Abs. 2 verlangt, daß hierbei <strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung dieser Freiheit u.a. in religiösen Angelegenheiten<br />
Rechnung zu t<strong>ra</strong>gen ist.<br />
Die Verfassung Spaniens von 1978 ga<strong>ra</strong>ntiert in Art. 16 Abs. 1 Span.Verf. – neben <strong>de</strong>m<br />
Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus religiösen Grün<strong>de</strong>n gemäß Art. 14 Span.Verf. – die individuelle<br />
und kollektive Religionsfreiheit <strong>im</strong> umfassen<strong>de</strong>n Sinne mit Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> gesetzlichen<br />
Beschränkungen, die zur Aufrechterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sind.<br />
Art. 16 Abs. 2 Span.Verf. gewährleistet je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann das Recht, seine Religionszugehörigkeit<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> seine Glaubensüberzeugungen zu verschweigen.<br />
Im Vereinigten Königreich existiert keine geschriebene Verfassung, allerdings existiert ein<br />
Dokument <strong><strong>de</strong>r</strong> British Embassy mit ICL Document Status von 1992, wo<strong>ra</strong>us die wesentlichen<br />
verfassungsrechtlichen Regelungen entnommen wer<strong>de</strong>n können. 759<br />
Dieses sieht in Chapter 1<br />
zum einen in Section 4 ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot, u.a. aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion, vor. Zum<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wird in Section 18 neben <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen Religionsfreiheit auch die kollektive<br />
Religionsfreiheit für Kirchen und religiöse Gemeinschaften gewährleistet.<br />
5. Zusammenfassung<br />
Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die positive individuelle Religionsfreiheit in allen<br />
Mitgliedstaaten verfassungsrechtlich fest ve<strong>ra</strong>nkert ist, wobei nicht <strong>im</strong>mer klar zwischen<br />
positiver und negativer Religionsfreiheit getrennt wird. Auch die kollektive Religionsfreiheit<br />
ist in <strong>de</strong>n meisten Mitgliedstaaten ga<strong>ra</strong>ntiert, allerdings häufig unter <strong>de</strong>n Vorbehalt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Aufrechterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung gestellt. Überdies wird in <strong><strong>de</strong>r</strong> überwiegen<strong>de</strong>n<br />
Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s<br />
Glaubens gewährleistet. In einigen Mitgliedstaaten wird als Unterfall <strong><strong>de</strong>r</strong> negativen Religionsfreiheit<br />
explizit das Recht gewährt, die Angabe von Religionszugehörigkeit und Glaubens-<br />
überzeugungen zu verschweigen. 760<br />
Schließlich existieren in einzelnen Mitgliedstaaten<br />
Son<strong><strong>de</strong>r</strong>gewährungen, wie z.B. das nur in Art. 41 Abs. 5 Port.Verf. ausgesprochene Recht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsgemeinschaften, sich eigener Massenkommunikationsmittel zu bedienen.<br />
Unter Zugrun<strong>de</strong>legung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
müssen daher auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts je<strong>de</strong>nfalls ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot<br />
aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Glaubens sowie die individuelle und kollektive<br />
Religionsfreiheit, letztere allerdings unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufrechterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffent-<br />
759<br />
Vgl. http://www.uni-wuerzburg.<strong>de</strong>/law/uk00000_.html.<br />
760<br />
Vgl. Art. 140 GG i.V.m. 136 Abs. 3 WRV; Art. 19 Lux.Verf.; Art. 41 Abs. 3 Port.Verf.;<br />
Art. 16 Abs. 2 Span.Verf.
192<br />
lichen Ordnung, anerkannt wer<strong>de</strong>n. Auch wenn nicht von einem Max<strong>im</strong>alstandard <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Grundrechte ausgegangen wer<strong>de</strong>n kann, ist das Recht anzuerkennen, die Angabe von<br />
Religionszugehörigkeit und Glaubensüberzeugungen zu verschweigen.<br />
III. Art. 9 EMRK und seine Stellung <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht über Art. 6 (ex-Art. F) Abs.<br />
2 EUV<br />
Die EMRK stellt neben <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten für<br />
<strong>de</strong>n EuGH die zweite Grundrechtsquelle dar. Da für diesen eine Orientierung an <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />
wesentlich einfacher möglich ist, als an <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nartigen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen,<br />
hat erstere verständlicherweise <strong>im</strong> Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsrechtsprechung durch <strong>de</strong>n<br />
EuGH ständig an Be<strong>de</strong>utung zugenommen. 761<br />
Bevor jedoch auf Art. 9 EMRK eingegangen wird, <strong><strong>de</strong>r</strong> das <strong>Religionsrecht</strong> auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s<br />
Europa<strong>ra</strong>ts regelt, muß geklärt wer<strong>de</strong>n, ob die Vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK <strong>im</strong> Gemeinschafts- und<br />
<strong>Union</strong>srecht überhaupt unmittelbar gelten und inwieweit die Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch die<br />
St<strong>ra</strong>ßburger Grundrechtsinstanzen für <strong>de</strong>n Luxemburger Gerichtshof bin<strong>de</strong>nd sind.<br />
1. Unmittelbare Geltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK und ihrer Auslegung durch<br />
EGMR und EKMR <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht?<br />
a) Reichweite <strong>de</strong>s Verweises in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichweite <strong>de</strong>s Verweises in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV ist die F<strong>ra</strong>ge<br />
verbun<strong>de</strong>n, ob nur die EMRK als solche o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch das Zusatzprotokoll und die weiteren<br />
Protokolle <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht gelten. 762<br />
Nach <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV wird nur die Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechtskonvention vom 4. November 1950, nicht jedoch die Weiterentwicklung<br />
761<br />
Eine Übersicht über die zunehmen<strong>de</strong> Bezugnahme auf die EMRK bietet Wetter, Fn. 630,<br />
S. 71 ff.<br />
762<br />
Über Art. 1 (ex-Art. A) Abs. 3 EUV muß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV, <strong><strong>de</strong>r</strong> die bisherige<br />
Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht in eine institutionelle Form gießen<br />
wollte, auch <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht selbst Anwendung fin<strong>de</strong>n; a.A. Kischel, Zur Dogmatik<br />
<strong>de</strong>s Gleichheitssatzes in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, EuGRZ 1997, S. 1 ff., 10.
193<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte durch das Zusatzprotokoll und die weiteren Protokolle gewährleistet. In<br />
Anbet<strong>ra</strong>cht <strong>de</strong>ssen, daß durch <strong>de</strong>n Verweis in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV in erster Linie die<br />
Festschreibung <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH erreicht wer<strong>de</strong>n sollte und daß die<br />
Protokolle, soweit sie von allen Mitgliedstaaten innerstaatlich <strong>ra</strong>tifiziert wor<strong>de</strong>n sind, die<br />
gemeinsame Verfassungst<strong>ra</strong>dition dokumentieren, muß <strong><strong>de</strong>r</strong> Verweis in Art. 6 (ex-Art. F)<br />
Abs. 2 EUV teleologisch dahingehend erweitert wer<strong>de</strong>n, daß das von allen Mitgliedstaaten<br />
<strong>ra</strong>tifizierte Zusatzprotokoll ebenfalls vom Verweis <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />
umschlossen ist. 763<br />
Ob dies allerdings auch für die weiteren, nicht von allen Mitgliedstaaten <strong>ra</strong>tifizierten EMRK-<br />
Protokolle gilt, ist wohl zu verneinen, 764<br />
da insoweit keine gemeinsame Rechtsüberzeugung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten besteht und <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die EMRK in seiner Rechtsprechung erstmals<br />
zitierte, nach<strong>de</strong>m mit F<strong>ra</strong>nkreich <strong><strong>de</strong>r</strong> letzte Mitgliedstaat die Konvention <strong>ra</strong>tifiziert hatte. Für<br />
das <strong>Religionsrecht</strong> b<strong>ra</strong>ucht dieses Problem jedoch nicht entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, da die insofern<br />
relevante Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK je<strong>de</strong>nfalls in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s<br />
Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV fällt.<br />
b) Bindung <strong>de</strong>s EuGH an die EMRK?<br />
aa) Wortlautauslegung<br />
Es ist f<strong>ra</strong>glich, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> konkrete Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
ausdrücklichen Zitation <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV <strong>im</strong> Gemeinschafts- und<br />
<strong>Union</strong>srecht verbindlich ist.<br />
Die Verweisnorm <strong>im</strong> EU-Vert<strong>ra</strong>g spricht nicht etwa davon, daß die <strong>Union</strong> „die“ in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />
gewährleisteten Grundrechte achte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n enthält nur die Formulierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Grundrechte, „wie“ sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK gewährleistet sind. Die Wortlautauslegung spricht somit<br />
eher für eine Unverbindlichkeit <strong>de</strong>s konkreten Wortlauts <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen EMRK-<br />
Grundrechte. 765<br />
763<br />
Ebenso Hummer, Fn. 629, S. 82; Pauly, Fn. 735, S. 253; Schermers, Fn. 410, S. 25; wobei<br />
ersterer überdies klarstellt, daß sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Verweis nur auf die Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EMRK, nicht dagegen auf das Rechtsschutzverfahren beziehe und insofern wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
einschränkend verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n müsse.<br />
764<br />
Vgl. Schermers, Fn. 410, S. 26.<br />
765<br />
So auch Ved<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 674, S. 316. Selbst wenn man, wie Conring, Fn. 25, S. 326, <strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>utschen Wortlaut von Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV als verbindlich einordnen wür<strong>de</strong>,<br />
müßte man wie dieser, a.a.O., S. 327, konstatieren, daß in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Sp<strong>ra</strong>chen keine <strong><strong>de</strong>r</strong>artige
194<br />
bb) Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> Funktionsnachfolge<br />
Schon vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV wur<strong>de</strong> jedoch teilweise die<br />
unmittelbare Geltung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht und damit eine Bindung zumin<strong>de</strong>st<br />
an <strong><strong>de</strong>r</strong>en materielle Best<strong>im</strong>mungen bejaht. Als Begründung für diese Ansicht diente <strong><strong>de</strong>r</strong> sog.<br />
„Substitutions- und Sukzessionseffekt“; dieser solle eingreifen, da infolge <strong>de</strong>s Beitritts<br />
F<strong>ra</strong>nkreichs zur EMRK <strong>im</strong> Jahre 1974 sämtliche Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> EG zugleich <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />
angehörten. 766 Die Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsnachfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft in völkerrechtliche<br />
Abkommen sind zwar be<strong>im</strong> GATT anzuwen<strong>de</strong>n, 767 lassen sich jedoch nicht ohne weiteres auf<br />
die EMRK übert<strong>ra</strong>gen. Vergleichbar ist die Situation <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s GATT 1947 nur<br />
insofern, als alle Mitgliedstaaten bei<strong>de</strong> völkerrechtlichen Abkommen vor Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s<br />
EWG-Vert<strong>ra</strong>gs bzw. vor ihrem Beitritt zum E(W)G-Vert<strong>ra</strong>g <strong>ra</strong>tifiziert hatten. Ein g<strong>ra</strong>vieren<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Unterschied besteht jedoch darin, daß die Gemeinschaft nie – auch nicht durch<br />
Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV – <strong><strong>de</strong>r</strong>gestalt eine Rechtsnachfolge dokumentiert hat, daß ein<br />
vollständiger Übergang mitgliedstaatlicher Kompetenzen auf die Gemeinschaft stattgefun<strong>de</strong>n<br />
hätte, wie dies <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Han<strong>de</strong>lspolitik, Art. 131 (ex-Art. 110) ff. EGV, <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall war. 768<br />
Eine Verlagerung originär mitgliedstaatlicher Verpflichtungen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK auf die<br />
Gemeinschaft wur<strong>de</strong> aus diesem Grun<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n St<strong>ra</strong>ßburger Grundrechtsorganen<br />
abgelehnt. 769<br />
Wenn Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV nur die bisherige Grundrechtsrechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH<br />
pr<strong>im</strong>ärrechtlich ve<strong>ra</strong>nkern sollte, so spricht dies gegen eine unmittelbare Geltung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />
Bindung zum Ausdruck geb<strong>ra</strong>cht wird; die englische Textfassung lautet beispielsweise:<br />
„The <strong>Union</strong> shall respect fundamental rights [...]“.<br />
766<br />
So Pescatore, Fn. 630, 70 f.<br />
767<br />
EuGH, Rs. 21-24/72 (International Fruit Company u.a./Produktschap voor groenten en<br />
fruit), Slg. 1972, S. 1219 ff., 1227 f.<br />
768<br />
So auch Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 62; Rodríguez Iglesias, Fn. 654, S. 141. Die bei<br />
v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Petersmann, Bd. 5, Art. 234, Rdnr. 20, aufgeführten fünf<br />
Vo<strong>ra</strong>ussetzungen, die an eine Funktionsnachfolge zu stellen sind, wer<strong>de</strong>n von <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />
nicht vollständig erfüllt.<br />
769<br />
EKMR, BNr. 13258/87 (C. Melchers & Co. KG/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland),<br />
E. v. 9.2.1990, Annuaire 33 (1990), S. 46 ff. = DR 64, S. 138 ff. = ZaöRV 50 (1990),<br />
S. 865 ff.; EGMR, BNr. 24833/94 (Denise Matthews/Vereinigtes Königreich),<br />
E. v. 18.2.1999, EuZW 1999, S. 308 ff., s.u. Fn. 804 sowie Fn. 806.
195<br />
<strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht und <strong><strong>de</strong>r</strong>en materielle Inkorpo<strong>ra</strong>tion, da <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bislang nie<br />
ausdrücklich eine unmittelbare Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> EG an die EMRK zum Ausdruck geb<strong>ra</strong>cht hat. 770<br />
cc) Bezugnahme <strong>de</strong>s EuGH auf die EMRK<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH jedoch <strong>im</strong>mer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK Bezug<br />
genommen. 771 Dabei ist diese Bezugnahme nicht nur als unverbindliche Orientierung an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EMRK und ihrer Auslegung durch EGMR und EKMR zu werten. 772 Auch wenn die EMRK<br />
nicht integrieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Bestandteil <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsrechtsordnung gewor<strong>de</strong>n ist, wie dies für<br />
völkerrechtliche Verträge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft mit ihrem Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist, 773 so ist die<br />
EU und insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />
zumin<strong>de</strong>st verpflichtet, Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen<br />
Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten als allgemeine Rechtsgrundsätze zu berücksichtigen.<br />
774<br />
Soweit sich EMRK und gemeinsame Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
entsprechen, wäre ein Abweichen <strong>de</strong>s EuGH hiervon willkürlich.<br />
Als Ergebnis kann daher festgehalten wer<strong>de</strong>n, daß die EMRK zwar nicht unmittelbar <strong>im</strong><br />
Gemeinschaftsrecht gilt, zumin<strong>de</strong>st jedoch i.R.d. allgemeinen Rechtsgrundsätze berücksichtigt<br />
wer<strong>de</strong>n muß und faktisch als Bestandteil <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts angewandt wird. 775<br />
770<br />
So auch Hummer, Fn. 629, S. 75; Pauly, Fn. 735, S. 253; Rengeling, Fn. 702, S. 184 f.;<br />
Wetter, Fn. 630, S. 66; a.A. G<strong>ra</strong>bitz/Hilf/Hilf, Art. F EUV, Rdnr. 31.<br />
771<br />
Z.B. EuGH, Rs. 36/75 (Rutili/Minister <strong>de</strong>s Inneren), Slg. 1975, S. 1219 ff., 1232; Rs. 44/79<br />
(Liselotte Hauer/Land Rheinland-Pfalz), Slg. 1979, S. 3727 ff., 3745 f.; Rs. 222/84<br />
(Johnston/Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary), Slg. 1986, S. 1651 ff., 1682,<br />
Rz. 18; verb. Rs. 46/87 u. 227/88 (Hoechst/ Kommission), Slg. 1989, S. 2859 ff., 2923,<br />
Rz. 13; Rs. C-260/91 (ERT), Slg. 1991, S. I-2925 ff., 2964, Rz. 41; Rs. C-13/94 (P/S u.<br />
Cornwall County Council), Slg. 1996, S. I-2143 ff., 2164, Rz. 16 = EuZW 1996, S. 398 f.;<br />
Rs. C-368/95 (Vereinigte Familiapress Zeitungsverlags- und vertriebs GmbH/Heinrich<br />
Bauer Verlag), Slg. 1997, S. I-3689 ff., 3717, Rz. 26 = EuGRZ 1997, S. 344 ff. =<br />
EuZW 1997, S. 470 ff.; Rs. C-249/96 (Lisa Jacqueline G<strong>ra</strong>nt/South-West T<strong>ra</strong>ins Ltd),<br />
Slg. 1998, S. I-621 ff., 647 f., Rz. 33 f. = EuGRZ 1998, S. 140 ff. = EuZW 1998, S. 212 ff.<br />
772<br />
Vgl. EuGH, Rs. 222/84 (Johnston/Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary),<br />
Slg. 1986, S. 1651 ff., 1682, Rz. 18.: „[...] <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zu<br />
berücksichtigen sind.“<br />
773<br />
Vgl. EuGH, Rs. 181/73 (Haegeman/Belgien), Slg. 1974, S. 449 ff., 460.<br />
774<br />
In diese Richtung ist wohl das Urteil <strong>de</strong>s EuGH in <strong>de</strong>n verb. Rs. C-74/95 und C-129/95<br />
(St<strong>ra</strong>fverfahren gegen X), Slg. 1996, S. I-6609 ff., 6637, Rz. 25, auszulegen.<br />
775<br />
So auch Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 63; Rodríguez Iglesias, Fn. 654, S. 141; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />
S. 147, weist allerdings da<strong>ra</strong>uf hin, daß die Einbeziehung von Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV
196<br />
c) Bindung <strong>de</strong>s EuGH an die Auslegung durch EKMR und EGMR?<br />
Es ist f<strong>ra</strong>glich, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> Verweis in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV auf die EMRK-Vorschriften<br />
so ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n kann, daß diese in ihrer jeweiligen Auslegung 776 durch die St<strong>ra</strong>ßburger<br />
Grundrechtsinstanzen EKMR und EGMR gemeinschaftsrechtlich bin<strong>de</strong>nd sind 777 o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EuGH nach wie vor zu einer eigenständigen Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK für das<br />
Gemeinschaftsrecht berechtigt ist. Künftig wird verstärkt die F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong> Bindung <strong>de</strong>s EuGH an<br />
die Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n ständigen EGMR maßgeblich sein, da die EKMR durch<br />
das <strong>im</strong> Juli 1994 unterzeichnete 11. Protokoll, welches am 1. November 1998 in K<strong>ra</strong>ft t<strong>ra</strong>t,<br />
aufgelöst wor<strong>de</strong>n ist. 778<br />
in <strong>de</strong>n Zuständigkeitsbereich <strong>de</strong>s EuGH, wie dies durch die Novellierung <strong>de</strong>s Art. 46<br />
(ex-Art. L) lit. d EUV i.R.d. Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs geschehen ist, als Inkorpo<strong>ra</strong>tion das<br />
materiellen Gehalts <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n könne. Weitergehend Neuwahl, The<br />
treaty on European <strong>Union</strong>: A step forward in the protection of Human Rights?, in:<br />
Neuwahl/Rosas (Hrsg.), The European <strong>Union</strong> and Human Rights, International Studies in<br />
Human Rights, Volume 42, The Hague – Boston – London 1995, S. 1 ff., 14: „I do not<br />
think, however, that it can be maintained that the Community moved from „no obligation“<br />
to obligation. The Community and the Member States are bound to observe human rights in<br />
so far as they are part of the gene<strong>ra</strong>l principles of Community law. The ECHR [European<br />
Convention on Human Rights] is part of those principles to the extent that it is expressive of<br />
the common constitutional t<strong>ra</strong>ditions of the Member States. In other words, there already<br />
exists a strict legal obligation to observe human rights, including those enume<strong>ra</strong>ted in the<br />
ECHR.“<br />
776<br />
Vgl. zur Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch EGMR und EKMR: Frowein/Peukert, Fn. 679,<br />
Einführung, Rdnr. 7 ff.<br />
777<br />
Dies vertreten z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> hauptamtliche Richter am EGMR seit 1.11.1998 Ress, Die<br />
Europäische <strong>Union</strong> und die neue juristische Qualität <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehungen zu <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong><br />
Gemeinschaften, JuS 1992, S. 985 ff., 990; v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Beutler,<br />
Bd. 1, Art. F, Rdnr. 28; ebenso Neuwahl, Fn. 775, S. 14: „These rights must be protected as<br />
they are gua<strong>ra</strong>nteed by the European Commission of Human Rights <strong>ra</strong>ther as they would be<br />
interpreted in the Community context.“<br />
Cirkel, Gleichheitsrechte <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht, NJW 1998, S. 3332 f., geht von einer<br />
„zumin<strong>de</strong>st faktischen Bindung“ aus, da <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in letzter Zeit nicht nur auf die EMRK,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch auf <strong><strong>de</strong>r</strong>en Auslegung durch die EMRK-Organe verweise.<br />
778<br />
Die bisherige Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> Konvention durch die EKMR bleibt jedoch nach wie vor von<br />
rechtlicher Relevanz. Zu <strong>de</strong>n institutionellen Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s Rechtsschutzsystems <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EMRK durch das 11. Protokoll vgl. z.B. Meyer-La<strong>de</strong>wig/Petzold, Der neue ständige
197<br />
Aus <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV läßt sich nicht folgern, daß exakt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gleiche Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK, d.h. auch die Auslegung durch die EMRK-<br />
Organe auf EU-Ebene, zu gewährleisten wäre. Der EuGH hat in letzter Zeit allerdings<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt <strong><strong>de</strong>r</strong>en Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Grundrechte berücksichtigt. 779 Hie<strong>ra</strong>us läßt sich in<strong>de</strong>s<br />
noch keine Bindung <strong>de</strong>s EuGH herleiten, zumal dieser bislang keine ausdrückliche<br />
Selbstverpflichtung ausgesprochen hat. 780 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Zwischenzeit berücksichtigt <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR in<br />
seiner Judikatur nämlich auch die Grundrechtsrechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH. 781<br />
Wenn die<br />
Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung eines an<strong><strong>de</strong>r</strong>en europäischen Grundrechtsorgans schon<br />
zu einer Bindung führen wür<strong>de</strong>, dann wäre <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR seinerseits ebenfalls an die<br />
Grundrechtsauslegung <strong>de</strong>s EuGH gebun<strong>de</strong>n, was wenig Sinn ergäbe.<br />
Selbst Jochen Abr. Frowein geht nicht von einer Bindung <strong>de</strong>s EuGH an die Rechtsprechungsorgane<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK aus, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n hält eine Orientierung und Integrierung <strong><strong>de</strong>r</strong> weitentwickelten<br />
Grundrechtsrechtsprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> St<strong>ra</strong>ßburger Organe lediglich für wünschenswert. 782<br />
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, NJW 1999, S. 1165 f.; Schlette, Fn. 688,<br />
S. 219 ff., 222 f.<br />
779 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. C-13/94 (P/S u. Cornwall County Council), Slg. 1996, S. I-2143 ff., 2164, Rz. 16<br />
= EuZW 1996, S. 398 f. = NJW 1996, S. 2421, verwies <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH konkret auf eine<br />
Entscheidung <strong>de</strong>s EGMR und übernahm <strong>de</strong>ssen Auslegung in Bezug auf die<br />
Personengruppe <strong><strong>de</strong>r</strong> T<strong>ra</strong>nssexuellen. Ebenso berücksichtigte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. C-249/96<br />
(Lisa Jacqueline G<strong>ra</strong>nt/South-West T<strong>ra</strong>ins Ltd), Slg. 1998, S. I-621 ff., 647 f., Rz. 33 f. =<br />
EuZW 1998, S. 212 ff. = EuGRZ 1998, S. 140 ff., die Rechtsprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR, wonach<br />
auch dauerhafte homosexuelle Beziehungen nicht unter das gemäß Art. 8 EMRK geschützte<br />
Recht auf Achtung <strong>de</strong>s Familienlebens fallen und sich auch Art. 12 EMRK nur auf die<br />
herkömmliche Ehe zwischen zwei Personen verschie<strong>de</strong>nen biologischen Geschlechts<br />
beziehe. Allerdings <strong>de</strong>utete <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in Rz. 35, 47 an, daß diese unterschiedliche<br />
Behandlung „be<strong>im</strong> gegenwärtigen Stand <strong>de</strong>s Rechts innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft“ bestehe<br />
und wies in Rz. 48 da<strong>ra</strong>uf hin, daß sich eine Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung unter best<strong>im</strong>mten Vo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />
(einst<strong>im</strong>miges Votum <strong>im</strong> Rat) mit Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs ergeben könne,<br />
da durch diesen in Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV ein spezielles Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus<br />
Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> sexuellen Ausrichtung eingefügt wur<strong>de</strong>; s.u. E.VI.3.<br />
780 Ebenso Wetter, Fn. 630, S. 67 f.<br />
781 Z.B. EGMR, Série A 1993, Nr. 256, Rz. 42; Cirkel, Fn. 777, S. 3333, spricht aus diesem<br />
Grun<strong>de</strong> von einem „umfassen<strong>de</strong>n europäischen Grundrechtsdialog“.<br />
782 Frowein, Fn. 642, S. 327; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 475, S. 36.
198<br />
Auch hier gilt das i.R.d. unmittelbaren Anwendbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Best<strong>im</strong>mungen<br />
Ausgeführte: Der EuGH ist zwar nicht unmittelbar an die Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Organe<br />
gebun<strong>de</strong>n, übern<strong>im</strong>mt diese jedoch faktisch. 783<br />
d) Möglichkeit divergieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsentscheidungen zwischen EuGH und <strong>de</strong>n EMRK-<br />
Organen<br />
aa) EMRK als völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV<br />
Die EMRK vom 4. November 1950, einschließlich <strong>de</strong>s Zusatzprotokolls vom 20. März 1952,<br />
stellt einen völkerrechtlichen Vert<strong>ra</strong>g dar, <strong><strong>de</strong>r</strong> für die Vert<strong>ra</strong>gsstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK – dies sind<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit alle Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU – völkerrechtliche Pflichten begrün<strong>de</strong>t. 784<br />
bb) Die Mitgliedstaaten als Vollzugsorgane <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />
Eine völkerrechtliche Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten an die EMRK wäre insofern<br />
gemeinschaftsrechtlich von Belang, als das Gemeinschaftsrecht hauptsächlich von <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten vollzogen wird. Somit kann es für die Mitgliedstaaten aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Bindung<br />
an das Gemeinschaftsrecht einerseits und die Entscheidung <strong>de</strong>s EGMR an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits zu einer<br />
Kollision kommen, sofern die EMRK von EuGH und EGMR unterschiedlich ausgelegt<br />
wür<strong>de</strong>. Ein solcher Konflikt kann nie vollständig ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n, soweit nicht bei<strong>de</strong><br />
Rechtsschutzinstitutionen auf irgen<strong>de</strong>ine Art verklammert wer<strong>de</strong>n. 785 Die Divergenzen<br />
können zum einen in formeller – <strong><strong>de</strong>r</strong>selbe Sachverhalt wird in Luxemburg und St<strong>ra</strong>ßburg<br />
unterschiedlich beurteilt 786<br />
– wie auch in materieller Hinsicht – dasselbe Grundrecht wird<br />
783<br />
Vgl. Lenaerts, Grundrechtsschutz in <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften und <strong>im</strong> Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> Menschenrechtskonvention, ZfRV 1992, S. 281 ff., 289, dort Fn. 38;<br />
Rodríguez Iglesias, Fn. 654, S. 141; wobei Lenaerts, a.a.O., S. 289, eher einer Bindung <strong>de</strong>s<br />
EuGH an die Auslegung <strong>de</strong>s EGMR zuneigt.<br />
784<br />
Vgl. hierzu Frowein/Peukert, Fn. 679, Einführung, Rdnr. 4.<br />
785<br />
Ebenso Schermers, Fn. 410, S. 17; Stein, <strong>Das</strong> Verhältnis zwischen <strong>de</strong>m Grundrechtsschutz<br />
durch die Organe <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Menschenrechtskonvention und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Gemeinschaft – <strong>Das</strong> gelten<strong>de</strong> Recht, in: Mosler/Bernhardt/Hilf (Hrsg.), Fn. 689, S. 146 ff.,<br />
157 f.<br />
786<br />
Vgl. zur F<strong>ra</strong>ge, ob Geschäftsräume vom Schutzbereich <strong>de</strong>s Art. 8 EMRK umfaßt sind,<br />
einerseits EuGH, verb. Rs. 46/87 u. 227/88 (Hoechst AG/Kommission), Slg. 1989,<br />
S. 2859 ff., 3080, Rz. 13 = EuGRZ 1989, S. 395 ff. = NJW 1989, S. 3080 ff., an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits<br />
EGMR, E. v. 16.12.1992 (Niemitz/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland), EuGRZ 1993, S. 65 ff.,<br />
66 f. Der EuGH begrün<strong>de</strong>te sein Urteil, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> grundrechtliche Schutz von Geschäftsräumen<br />
nicht von Art. 8 Abs. 1 EMRK umfaßt sei, damit, daß zum Zeitpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong>
199<br />
durch bei<strong>de</strong> Instanzen in verschie<strong>de</strong>ner Weise ausgelegt 787 – aufkommen. Soweit man die<br />
Gründungsverträge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft als Völkerrecht ansieht, 788 könnten die Mitgliedstaaten<br />
in diesem Falle zwei miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> unvereinbaren völkervert<strong>ra</strong>glichen Pflichten ausgesetzt<br />
sein. 789<br />
cc) Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten an die Auslegung von EGMR und EKMR?<br />
Eine Bindung aller Mitgliedstaaten als Vert<strong>ra</strong>gsstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK an die Entscheidungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EMRK-Organe erscheint zunächst <strong>im</strong> Hinblick auf Art. 46 Abs. 1 EMRK n.F. abzulehnen zu<br />
sein, da diese Vorschrift nur die Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> am Rechtsstreit beteiligten Vert<strong>ra</strong>gsstaaten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK zur Übernahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidung <strong>de</strong>s EGMR ausspricht.<br />
Auch nach Ansicht <strong>de</strong>s BVerfG sei die materielle Rechtsk<strong>ra</strong>ft <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidungen <strong>de</strong>s EGMR<br />
von <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>gstaaten nur in <strong>de</strong>n jeweiligen personellen, sachlichen und zeitlichen Grenzen<br />
<strong>de</strong>s Streitgegenstan<strong>de</strong>s zu beachten. 790 Allerdings ist zum einen anerkannt, daß die<br />
Interpretation <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR <strong>im</strong> Rahmen einer<br />
völkerrechtskonformen Auslegung nationaler Grundrechte von <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft als Vert<strong>ra</strong>gsstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK zu beachten ist. 791 Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en ist allgemeine<br />
Auffassung, daß vor <strong>de</strong>m EGMR kein zweites Verfahren über <strong>de</strong>nselben Streitgegenstand<br />
geführt wer<strong>de</strong>n darf (sog. negative Rechtsk<strong>ra</strong>ftwirkung). 792 Haben die St<strong>ra</strong>ßburger Instanzen,<br />
d.h. <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR o<strong><strong>de</strong>r</strong> die inzwischen aufgelöste EKMR, bereits über einen best<strong>im</strong>mten<br />
Rechtsakt entschie<strong>de</strong>n, so muß <strong>de</strong>m Urteil innerhalb seines sachlichen Geltungsbereichs eine<br />
erga omnes-Rechtsk<strong>ra</strong>ftwirkung zukommen, da <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR seine Entscheidung bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
zweiten Überprüfung ein und <strong>de</strong>sselben Rechtsaktes nicht revidieren dürfte. 793<br />
Soweit die<br />
Entscheidung keine Rechtsprechung <strong>de</strong>s EGMR vorgelegen habe, an <strong><strong>de</strong>r</strong> er sich habe<br />
orientieren können.<br />
787<br />
Vgl. auch Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 63 f.; Klein, Fn. 689, S. 161.<br />
788<br />
Zum Meinungsstand Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 83 ff., 85, 87.<br />
789<br />
Vgl. Frowein/Peukert, Fn. 679, Einführung, Rdnr. 14; Giegerich, Fn. 482, S. 852 f.; Streinz,<br />
Fn. 453, Rdnrn. 220 ff.<br />
790<br />
Vgl. BVerfG (Dreie<strong>ra</strong>usschuß) vom 11.10.1985, 2 BvR 336/85, EuGRZ 1985, S. 654 ff.,<br />
656. In dieser Entscheidung wur<strong>de</strong> sogar ein Ausschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>aufnahme eines<br />
St<strong>ra</strong>fverfahrens als gerechtfertigt angesehen, obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR einen Verstoß <strong>de</strong>s<br />
Vert<strong>ra</strong>gsstaats gegen Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK festgestellt hatte.<br />
791<br />
BVerfGE 83, S. 119 ff., 128; Schweitzer, Fn. 39, Rdnr. 710.<br />
792<br />
Vgl. Bleckmann, Fn. 792, S. 387; Polakiewicz, Die Verpflichtungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Staaten aus <strong>de</strong>n<br />
Urteilen <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gerichtshofs für Menschenrechte, S. 23 ff., m.w.N.<br />
793<br />
So auch Bleckmann, Fn. 792, S. 388; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht versus Europäischer<br />
Gerichtshof für Menschenrechte, EuGRZ 1995, S. 387.
200<br />
Mitgliedstaaten nun Gemeinschaftsrecht vollziehen, wird man für <strong>de</strong>n Vollzug einer<br />
Verordnung je<strong>de</strong>nfalls von <strong>de</strong>mselben Streitgegenstand auszugehen haben; <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Richtlinienumsetzung wird gleiches bei <strong>de</strong>m von <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie vorgegebenen Rahmen<br />
anzunehmen sein.<br />
Eine mögliche Kollision bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsordnungen kann daher nicht nur für <strong>de</strong>n an einem<br />
EMRK-Rechtsstreit beteiligten Mitgliedstaat, <strong><strong>de</strong>r</strong> durch eine Entscheidung eines EMRK-<br />
Organs gebun<strong>de</strong>n ist, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch für die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten nicht a priori ausgeschlossen<br />
wer<strong>de</strong>n. Verschärft wird die Situation insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>swegen, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>de</strong>n<br />
Gesetzgebungsorganen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft einen weiten Ermessensspiel<strong>ra</strong>um zugesteht und<br />
daher nur selten einen Grundrechtsverstoß durch das Gemeinschaftsrecht feststellt. 794<br />
dd) Dauerhafte Lösung möglicher Kollisionen<br />
(1) Übernahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong>de</strong>s EGMR durch <strong>de</strong>n EuGH aufgrund <strong>de</strong>s Vor<strong>ra</strong>ngs <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EMRK<br />
Schon aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung <strong>de</strong>s EuGH zur Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen<br />
als Unterfall <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Rechtsgrundsätze liegt es nahe, <strong>de</strong>ssen Pflicht<br />
zur Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> konkreten Auslegung einer Grundrechtsbest<strong>im</strong>mung durch <strong>de</strong>n<br />
EGMR anzunehmen, da hierdurch in je<strong>de</strong>m Fall eine Pflichtenkollision <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
von vornherein ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n könnte. 795 Eine solche Interpretation ließe sich zu<strong>de</strong>m<br />
auf <strong>de</strong>n Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftstreue aus Art. 10 (ex-Art. 5) EGV stützen, <strong><strong>de</strong>r</strong> auch <strong>im</strong><br />
Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zu <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten Anwendung fin<strong>de</strong>t, 796 auch wenn die<br />
Gemeinschaft selbst kein Vert<strong>ra</strong>gspartner <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK gewor<strong>de</strong>n und nicht an die Auslegung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR gebun<strong>de</strong>n ist. 797<br />
794<br />
So auch Bultrini, Fn. 711, S. 496.<br />
795<br />
In diese Richtung auch Wachsmann, Fn. 674, S. 490 f. Ruffert, Fn. 691, S. 526, sieht<br />
dagegen diese Kollisionsgefahr nicht, da <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR seine Kontrollfunktion nur subsidiär<br />
ausübe und <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Grundrechte durch <strong>de</strong>n EuGH sogar positiv gegenüberstehe.<br />
Hierdurch ist die F<strong>ra</strong>ge einer Kollision infolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtbeachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-<br />
Grundrechte bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> zu weiten Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Grundrechtssch<strong>ra</strong>nken durch <strong>de</strong>n<br />
EuGH noch nicht beantwortet, die sich erst jüngst wie<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidung <strong>de</strong>s<br />
EGMR vom 18.2.1999, BNr. 24833/94 (Denise Matthews/Vereinigtes Königreich),<br />
EuZW 1999, S. 308 ff. m. Anm. Christopher Lenz, stellte.<br />
796<br />
EuGH, Rs. C-2/88 (J. J. Zwartveld u.a.), Slg. 1990, S. I-3367 ff., 3372, Rz. 17;<br />
v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Zuleeg, Bd. 1, Art. 5, Rdnr. 1.<br />
797<br />
Vgl. nur Anweiler, Fn. 701, S. 364; Frowein/Peukert, Fn. 679, Einführung, Rdnr. 13;<br />
Hirsch, Fn. 92, S. 12; v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Krück, Bd. 4, Art. 164, Rdnr. 34.
201<br />
Von entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung ist aber weiter, daß die EMRK von <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft noch vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG bzw. ihrem Beitritt zur Gemeinschaft als<br />
völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g mit Drittstaaten abgeschlossen wur<strong>de</strong>. Aus diesem Grun<strong>de</strong> gelangt<br />
Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV zur Anwendung. Dieser begrün<strong>de</strong>t zwar ebenfalls keine<br />
Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft an die EMRK o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>en Auslegung, verpflichtet diese aber<br />
gegenüber <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat zur völkerrechtskonformen Integ<strong>ra</strong>tion. Die<br />
Gemeinschaftsorgane dürfen somit die Erfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Pflichten aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EMRK nicht behin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, d.h. die Geltung <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs berührt die Verpflichtungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten nicht. 798<br />
Soweit sich also be<strong>im</strong> Vollzug <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts für die Mitgliedstaaten ein Konflikt<br />
zwischen bei<strong>de</strong>n Rechtsordnungen hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Reichweite <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit ergibt,<br />
anerkennt das Gemeinschaftsrecht <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s durch die EMRK-Organe gesteckten<br />
Rahmens gegenüber gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen. Dies führt dazu, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EMRK wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrecht nicht anzuwen<strong>de</strong>n ist. Theoretisch müßte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EuGH in diesem Fall die Unvereinbarkeit seiner eigenen Grundrechtsrechtsprechung mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EMRK feststellen, 799<br />
was ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n kann. Ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb müssen sich die<br />
Mitgliedstaaten auf die Nichtanwendbarkeit <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts <strong>im</strong> Falle von ult<strong>ra</strong> vires-<br />
Akten berufen können.<br />
Zwar besteht gemäß Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV die Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten,<br />
mit <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht unvereinbare Altverträge zum nächstmöglichen<br />
Zeitpunkt zu kündigen. Eine solche Pflicht muß jedoch in Anbet<strong>ra</strong>cht <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsachen entfallen,<br />
daß alle Mitgliedstaaten Vert<strong>ra</strong>gsstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK sind, <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH sich faktisch selbst an<br />
Text und Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK orientiert und Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV schließlich die<br />
Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> zur Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK explizit festschreibt.<br />
Der Vor<strong>ra</strong>ng <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK als Altvert<strong>ra</strong>g führt dazu, daß sich die Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK für die<br />
Mitgliedstaaten bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Umsetzung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts auch gegenüber gemeinschaftsrechtlichem<br />
Pr<strong>im</strong>ärrecht durchsetzen und daß ihnen nicht etwa gemäß Art. 300 (ex-Art. 228)<br />
Abs. 7 EGV nur ein Rang zwischen Pr<strong>im</strong>är- und Sekundärrecht zukommt, wie er für<br />
völkerrechtliche Verträge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft anerkannt ist. 800<br />
798<br />
EuGH, Rs. 812/79 (St<strong>ra</strong>fverfahren gegen Juan C. Burgoa), Slg. 1980, S. 2787 ff., 2803,<br />
Rz. 9; Giegerich, Fn. 482, S. 854; v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Petersmann, Bd. 5,<br />
Art. 234, Rdnrn. 1, 3 f., 11; Vachek, Fn. 437, S. 148.<br />
799<br />
V.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Petersmann, Bd. 5, Art. 234, Rdnr. 12.<br />
800<br />
Vgl. Epiney, Zur Stellung <strong>de</strong>s Völkerrechts in <strong><strong>de</strong>r</strong> EU, EuZW 1999, S. 5 ff., 7; Vachek,<br />
Fn. 437, S. 148 f.
202<br />
(2) Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Solange-Rechtsprechung für EMRK-Organe gegenüber <strong>de</strong>m EuGH<br />
Ungeachtet <strong>de</strong>s indirekten Vor<strong>ra</strong>ngs <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK vor <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht aufgrund<br />
Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit von <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
Weg gewählt, um eine mögliche Kollision zwischen EuGH und EKMR zu entschärfen.<br />
So hätte sich eine konkrete Auslegungsdivergenz zwischen bei<strong>de</strong>n Rechtsprechungsorganen<br />
ergeben können, nach<strong>de</strong>m eine <strong>de</strong>utsche Gesellschaft die EKMR angerufen hatte, weil ihr <strong>im</strong><br />
EWG-Kartellverfahren durch die EG-Kommission ein hohes Bußgeld auferlegt wor<strong>de</strong>n war,<br />
welches durch Erteilung einer Vollstreckungsklausel seitens <strong>de</strong>utscher Behör<strong>de</strong>n vollstreckt<br />
wur<strong>de</strong>. 801 <strong>Das</strong> Unternehmen machte i.R.d. Individualbeschwer<strong>de</strong> geltend, daß in <strong>de</strong>m zuvor<br />
anhängigen Verfahren gemäß Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 2 E(W)GV vor <strong>de</strong>m EuGH 802<br />
, in<br />
welchem die Rechtmäßigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bußgeldverhängung überprüft wur<strong>de</strong>, gegen die<br />
Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 6 EMRK verstoßen wor<strong>de</strong>n sei.<br />
Die EKMR hatte zu entschei<strong>de</strong>n, nach welcher Rechtsordnung sich die Grundrechtsmäßigkeit<br />
bei „mehrd<strong>im</strong>ensionalen“ 803<br />
Rechtsakten richtet, da hier einerseits <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sminister <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Justiz als nationale Behör<strong>de</strong> durch Erteilung einer Vollstreckungsklausel gemäß<br />
Art. 256 (ex-Art. 192) Abs. 2 E(W)GV han<strong>de</strong>lte, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits Grundlage <strong><strong>de</strong>r</strong> Vollstreckung<br />
die Kommissionsentscheidung gemäß Art. 85 (ex-Art. 89) Abs. 2 EGV war.<br />
Nach Auffassung <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR kann die Gemeinschaftsgewalt nicht überprüft wer<strong>de</strong>n, da die<br />
Gemeinschaft selbst kein Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK ist; ebenso entschied in einem späteren Urteil<br />
801<br />
EKMR, BNr. 13258/87 (C. Melchers & Co. KG/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland),<br />
E. v. 9.2.1990, Fn. 769.<br />
Vgl. auch <strong>de</strong>n Kollisionsfall EKMR, BNr. 13539/88 (Dufay/Europäische Gemeinschaften,<br />
hilfsweise die Gesamtheit ihrer Mitgliedstaaten und ihre Mitgliedstaaten einzeln),<br />
E. v. 19.1.1989, vgl. hierzu Rosakis, La position <strong>de</strong>s organes <strong>de</strong> la Convention Européenne<br />
<strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme à l’égard <strong>de</strong>s actes <strong>de</strong> l’ordre juridique communautaire, in:<br />
Iliopoulos-St<strong>ra</strong>ngas (Hrsg.), Grundrechtsschutz <strong>im</strong> europäischen Raum, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n<br />
1993, S. 279 ff., 284 ff. Die Rs. Dufay wur<strong>de</strong> schon <strong>de</strong>swegen abgewiesen, weil die<br />
Beschwer<strong>de</strong>führerin <strong>de</strong>n innerstaatlichen Rechtsweg (hier: die gemeinschaftsrechtlichen<br />
Rechtsmittel) nicht erschöpft hatte.<br />
802<br />
EuGH, verb. Rs. 100 bis 103/80 (S.A. Musique Diffusion F<strong>ra</strong>nçaise u.a./Kommission),<br />
Slg. 1983, S. 1825 ff., 1880 ff.<br />
803<br />
Giegerich, Fn. 482, S. 843.
203<br />
auch <strong><strong>de</strong>r</strong> ständige EGMR. 804 Selbst <strong>im</strong> Falle <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gung mitgliedstaatlicher<br />
Hoheitsgewalt auf eine zwischenstaatliche Einrichtung könne hingegen die mitgliedstaatliche<br />
Staatsgewalt kontrolliert wer<strong>de</strong>n, soweit durch sie Gemeinschaftsrecht vollzogen wer<strong>de</strong>;<br />
Beschwer<strong>de</strong>gegenstand ist in diesem Fall <strong><strong>de</strong>r</strong> nationale Umsetzungs- bzw. Vollzugsakt <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts. 805 Die Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten entbin<strong>de</strong>t die Mitgliedstaaten<br />
also nicht von <strong><strong>de</strong>r</strong> Einhaltung <strong>de</strong>s EMRK-Rechtsschutzes. 806<br />
804<br />
EKMR, BNr. 13258/87, Fn. 769, S. 865 ff., 866: „The Commission first recalls that it is in<br />
fact not competent <strong>ra</strong>tione personae to examine proceedings before or <strong>de</strong>cisions of organs of<br />
the European Communities the latter not being a Party to the European Convention on<br />
Human Rights.“ Diese Rechtsprechung wur<strong>de</strong>n vom – infolge <strong>de</strong>s 11. Protokolls nunmehr –<br />
ständigen EGMR in einer seiner ersten Entscheidungen vom 18.2.1999, BNr. 24833/94<br />
(Denise Matthews/Vereinigtes Königreich), EuZW 1999, S. 308 ff. m. Anm. Christopher<br />
Lenz, Rz. 32, bestätigt: „The Court observes that acts of the EC as such cannot be<br />
challenged before the Court because the EC is not a Cont<strong>ra</strong>cting Party.“<br />
805<br />
Vgl. Bultrini, Fn. 711, S. 496, 498; Frowein/Peukert, Fn. 679, Einführung, Rdnr. 15,<br />
S. 844 f.; Giegerich, Fn. 482, S. 844. Giegerich, a.a.O., S. 845, 847, weist zutreffend da<strong>ra</strong>uf<br />
hin, daß <strong><strong>de</strong>r</strong>jenige Mitgliedstaat, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Vollstreckungsklausel erteilt, einen eigenständigen<br />
Zwangsvollstreckungsakt und damit einen ihm zurechenbaren Grundrechtseingriff setzt.<br />
806<br />
EKMR, BNr. 13258/87, Fn. 769, S. 865 ff., 867: „The Commission consi<strong><strong>de</strong>r</strong>s that a t<strong>ra</strong>nsfer<br />
of powers does not necessarily exclu<strong>de</strong> a State’s responsibility un<strong><strong>de</strong>r</strong> the Convention with<br />
regard to the exercise of the t<strong>ra</strong>nsferred powers. Otherwise the gua<strong>ra</strong>ntees of the Convention<br />
could wantonly be l<strong>im</strong>ited or exclu<strong>de</strong>d [...].“ Vgl. hierzu pa<strong>ra</strong>llel die Entscheidung <strong>de</strong>s<br />
EGMR, Fn. 804, Rz. 32: „The Convention does not exclu<strong>de</strong> the t<strong>ra</strong>nsfer of competences to<br />
international organisations provi<strong>de</strong>d that Convention rights continue to be secured. Member<br />
States’ responsibility therefore continues even after such a t<strong>ra</strong>nsfer.“<br />
Selbst wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelne Mitgliedstaat <strong>de</strong> lege lata an das Gemeinschaftsrecht gebun<strong>de</strong>n<br />
sein sollte und keinen Ermessensspiel<strong>ra</strong>um hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Umsetzung mehr besitzt, trifft<br />
ihn <strong>im</strong> Sinne einer actio libe<strong>ra</strong> in causa die Ve<strong>ra</strong>ntwortung für <strong>de</strong>n Ist-Zustand: So hätte er<br />
als einer <strong><strong>de</strong>r</strong> ursprünglichen „Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“ zum einen da<strong>ra</strong>uf hinwirken können, daß<br />
Grundrechte bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gung auf die Gemeinschaft effektiv geschützt wer<strong>de</strong>n (z.B.<br />
durch Koppelung an das EMRK-Rechtsschutzsystem), zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en hätte eine<br />
Einzelfallkontrolle <strong>im</strong> Vollstreckungsbereich für die Mitgliedstaaten geschaffen wer<strong>de</strong>n<br />
können. Außer<strong>de</strong>m läßt sich auf <strong>de</strong>n Fall <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsgedanken <strong>de</strong>s Art. 30 Abs. 5 WVRK<br />
anwen<strong>de</strong>n, wonach die Ve<strong>ra</strong>ntwortlichkeit eines Vert<strong>ra</strong>gsstaats bestehen bleibt, soweit<br />
dieser einen Vert<strong>ra</strong>g abgeschlossen hat (EGV), <strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong>de</strong>m früheren Vert<strong>ra</strong>g (EMRK)<br />
unvereinbar ist; vgl. hierzu Giegerich, Fn. 482, S. 848, 854; a.A. Bultrini, Fn. 711, S. 501 f.:<br />
Soweit ein Mitgliedstaat trotz fehlen<strong>de</strong>n Ermessensspiel<strong>ra</strong>ums durch einen<br />
Gemeinschaftsrechtsakt von <strong>de</strong>n EMRK-Organen zur Ve<strong>ra</strong>ntwortung gezogen wer<strong>de</strong>n<br />
könne, wür<strong>de</strong> diese Angst <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten dazu führen, daß sie be<strong>im</strong> Erlaß von
204<br />
Allerdings führte die EKMR in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Melchers <strong>de</strong>n von ihr gewählten Ansatz noch nicht in<br />
letzter Konsequenz durch, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n verzichtete da<strong>ra</strong>uf, einem Mitgliedstaat die Ve<strong>ra</strong>ntwortung<br />
aufzuerlegen, in je<strong>de</strong>m Einzelfall zu überprüfen, ob die Gemeinschaft sich an die EMRK<br />
gehalten habe, da dies <strong>de</strong>m Gedanken <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten an eine<br />
internationale Organisation zuwi<strong><strong>de</strong>r</strong>laufe, da die Gemeinschaft selbst Menschenrechte sichere<br />
und ihre Einhaltung kontrolliere. 807<br />
Aus diesem Grun<strong>de</strong> hielt die EKMR die Beschwer<strong>de</strong> mit<br />
<strong>de</strong>n Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK inkompatibel und daher für unzulässig.<br />
Die Entscheidung <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR weist <strong>de</strong>utliche Pa<strong>ra</strong>llelen zur Solange II-Entscheidung <strong>de</strong>s<br />
BVerfG auf, das sich ebenfalls in <strong>de</strong>m Spannungsfeld befand, einerseits Grundrechte sichern<br />
zu müssen, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits nicht als Integ<strong>ra</strong>tionshemmnis wirken zu wollen. Sowohl das BVerfG<br />
als auch die EKMR stellten daher bis Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre <strong>im</strong> Anwendungsbereich <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts eine Grundrechtsprüfung <strong>im</strong> Einzelfall zurück, solange durch <strong>de</strong>n EuGH<br />
die Gewährleistung eines adäquaten Grundrechtsschutzes sichergestellt wer<strong>de</strong>. 808<br />
Für <strong>de</strong>n Fall, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Grundrechtsstandard durch die Gemeinschaftsorgane –<br />
namentlich durch <strong>de</strong>n EuGH – nicht gewährleistet sein wür<strong>de</strong>, hatte die EKMR in<strong>de</strong>s keinen<br />
Zweifel aufkommen lassen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> zwischenzeitlich beigelegte Konflikt erneut aufflammen<br />
wür<strong>de</strong>: Der EGMR könnte dann – ähnlich wie vom BVerfG <strong>im</strong> Maastricht-Urteil ange<strong>de</strong>utet –<br />
von seinem Prüfungsrecht hinsichtlich letztinstanzlicher nationaler Rechtsakte wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Geb<strong>ra</strong>uch machen.<br />
In einer Rechtssache jüngeren Datums rügte eine Beschwer<strong>de</strong>führerin, die auf Gib<strong>ra</strong>ltar<br />
wohnte, gegenüber <strong>de</strong>m ständigen EGMR die Verweigerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme an <strong>de</strong>n<br />
Direktwahlen zum EP. Hierin sei ein Verstoß gegen Art. 3 <strong>de</strong>s Zusatzprotokolls zur EMRK zu<br />
sehen. Art. 15 <strong>de</strong>s Anhangs II <strong>de</strong>s Ratsbeschlusses 76/787/EWG, welcher ein integ<strong>ra</strong>ler<br />
Bestandteil <strong>de</strong>s genannten Gemeinschaftsrechtsaktes ist, sieht vor, daß das Vereinigte<br />
Gemeinschaftsrechtsakten übervorsichtig wür<strong>de</strong>n, was wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um eine Beeinträchtigung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wirksamkeit <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts nach sich zöge.<br />
807 EKMR, BNr. 13258/87, Fn. 769, S. 865 ff., 867 f.: „The Commission notes that the legal<br />
system of the European Communities not only secures fundamental rights but also provi<strong>de</strong>s<br />
for control of their observance. [...] The Commission has also taken into consi<strong><strong>de</strong>r</strong>ation that<br />
it would be cont<strong>ra</strong>ry to the very i<strong>de</strong>a of t<strong>ra</strong>nsferring powers to an international organisation<br />
to hold the member States responsible for examining, in each individual case before issuing<br />
a writ of execution for a judgement of the European Court of Justice, whether Article 6 of<br />
the Convention was respected in the un<strong><strong>de</strong>r</strong>lying proceedings.“<br />
808 Vgl. hierzu auch Conring, Fn. 25, S. 328 ff., 330 f.; Frowein/Peukert, Fn. 679, Einführung,<br />
Rdnr. 15; Giegerich, Fn. 482, S. 861 f.; Carl Otto Lenz, Fn. 632, S. 3290.
205<br />
Königreich die Vorschriften bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Direktwahl <strong>de</strong>s EP nur hinsichtlich <strong>de</strong>s Vereinigten<br />
Königreichs – nicht dagegen in bezug auf Gib<strong>ra</strong>ltar – anwen<strong>de</strong>t. Ungeachtet <strong>de</strong>ssen stellte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EGMR fest, daß das Vereinigte Königreich zur Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> sich aus Artikel 3 <strong>de</strong>s<br />
Zusatzprotokolls ergeben<strong>de</strong>n vert<strong>ra</strong>glichen Bindungen ungeachtet <strong>de</strong>s erwähnten Ratsbeschlusses<br />
verpflichtet sei und sich nicht damit rechtfertigen könne, es habe aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
sup<strong>ra</strong>nationalen Regelung keinen Einfluß auf die Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Verpflichtung. 809<br />
Aus diesem Grun<strong>de</strong> kann Hans-Tjabert Conring nicht gefolgt wer<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> als Sch<strong>ra</strong>nke <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gewährleistungen <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK <strong>de</strong>n EG-Standard ansieht, die „Notwendigkeit“ in<br />
Art. 9 Abs. 2 EMRK also nur nach <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht beurteilt. 810<br />
Durch das zitierte Urteil ist das Vereinigte Königreich in die prekäre Situation ge<strong>ra</strong>ten, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EMRK-Verpflichtung nachkommen zu müssen, die <strong>im</strong> Gegensatz zu einer<br />
gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift steht und Vor<strong>ra</strong>ng gegenüber dieser beansprucht. Im<br />
Gegensatz zur EKMR verlangt <strong><strong>de</strong>r</strong> ständige EGMR nunmehr die Sicherstellung <strong>de</strong>s vollen<br />
Konventionsschutzes. 811<br />
Eine Lösung <strong>de</strong>s Konflikts ergibt sich in diesem Falle für die<br />
Mitgliedstaaten über die konsequente Anwendung <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV.<br />
Die da<strong>ra</strong>us folgen<strong>de</strong> Nichtanwendung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts durch einzelne Mitgliedstaaten<br />
stellt die Einheitlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts, ein wichtiges<br />
Gemeinschaftsziel, in F<strong>ra</strong>ge. Dieses mißliche Ergebnis könnte durch eine Orientierung <strong>de</strong>s<br />
EuGH an <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
Erst ein EMRK-Beitritt wür<strong>de</strong> künftige Kollisionen bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsordnungen, die durchaus<br />
nicht fernab je<strong><strong>de</strong>r</strong> Realität liegen, ein für allemal beseitigen. Nur sofern <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechtsp<strong>ra</strong>xis <strong>de</strong>n Grundrechten, wie sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK gewährleistet sind, auch ohne einen<br />
solchen Beitritt in vollem Umfange Rechnung trägt, können <strong>de</strong> lege lata Auslegungsdivergenzen<br />
und damit Konfliktsituationen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten weitgehend vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. 812<br />
Bislang waren <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Kollisionen zwar noch relativ <strong>ra</strong>r, da die Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemein-<br />
809<br />
EGMR, Fn. 804, Rz. 34 f.: „In particular, the suggestion that the United Kingdom may not<br />
have effective control over the state of affairs complained of cannot affect the position, as<br />
the United Kingdom’s responsibility <strong><strong>de</strong>r</strong>ives from its having entered into treaty<br />
commitments subsequent to the applicability of Article 3 of Protocol No. 1 to Gib<strong>ra</strong>ltar,<br />
namely the Maastricht Treaty taken together with its obligations un<strong><strong>de</strong>r</strong> the Council Decision<br />
and the 1976 Act. [...] It follows that the United Kingdom is responsible un<strong><strong>de</strong>r</strong> Article 1 of<br />
the Convention for securing the rights gua<strong>ra</strong>nteed by Article 3 of Protocol No. 1 in Gib<strong>ra</strong>ltar<br />
regardless of whether the elections were purely domestic or European.“<br />
810<br />
Vgl. Conring, Fn. 25, S. 332.<br />
811<br />
So auch Christofer Lenz, EuZW 1999, S. 311 ff., 312.<br />
812<br />
Frowein/Peukert, Fn. 679, Einführung, Rdnr. 15, plädiert aus diesem Grun<strong>de</strong> für eine<br />
„p<strong>ra</strong>ktische Koordinierung“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung zwischen EuGH und EGMR.
206<br />
schaftsbürger vom Gemeinschaftsrecht meist nur peripher betroffen waren; das Konfliktpotential<br />
wird sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> fortschreiten<strong>de</strong>n Integ<strong>ra</strong>tion v.a. <strong><strong>de</strong>r</strong> „Dritten Säule“ aber erhöhen.<br />
Für das <strong>Religionsrecht</strong> erlaubt dies die Schlußfolgerung, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Auslegung <strong>de</strong>s<br />
Art. 9 EMRK in <strong><strong>de</strong>r</strong> Weise gewährleisten sollte, wie ihn seine St<strong>ra</strong>ßburger Richterkollegen<br />
interpretieren.<br />
e) Zusammenfassung<br />
Die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV ve<strong>ra</strong>nkert pr<strong>im</strong>ärrechtlich lediglich die<br />
Grundrechtsrechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH. Von einer Bindung <strong>de</strong>s EuGH an <strong>de</strong>n konkreten<br />
Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> materiellen EMRK-Vorschriften kann ebensowenig wie von einer Verpflichtung<br />
zur Übernahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR ausgegangen wer<strong>de</strong>n.<br />
Gleichwohl besteht eine Pflicht zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en Berücksichtigung i.R.d. allgemeinen Rechtsgrundsätze.<br />
Um für die Mitgliedstaaten Kollisionen zwischen gemeinschaftsrechtlichen<br />
Verpflichtungen und solchen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK auszuschließen, ist eine strikte Orientierung <strong>de</strong>s<br />
EuGH an <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR geboten.<br />
2. Der Grundrechtsgehalt <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK<br />
Art. 9 Abs. 1 EMRK 813<br />
gewährt zunächst je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann einen Anspruch auf Gedanken-,<br />
Gewissens- und Religionsfreiheit. Während <strong>de</strong>m Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift nur ein individualrechtlicher<br />
Cha<strong>ra</strong>kter zukommt, hat die EKMR anerkannt, daß sich auch<br />
Religionsgemeinschaften zugunsten ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf die Rechtspositionen <strong>de</strong>s Art. 9<br />
EMRK berufen können.<br />
a) Individuelle Religionsfreiheit<br />
aa) Individuelle Religionsfreiheit als Abwehrrecht<br />
Die Religionsfreiheit, wie sie von Art. 9 EMRK und durch die Rechtsprechung von EGMR<br />
und EKMR gewährleistet ist, umfaßt die Glaubens-, die Bekenntnis- und die<br />
813 Die englische und f<strong>ra</strong>nzösische authentische Sp<strong>ra</strong>chfassung von Art. 9 EMRK sowie die<br />
offizielle <strong>de</strong>utsche Übersetzung fin<strong>de</strong>t sich <strong>im</strong> Anhang.
207<br />
Religionsausübungsfreiheit. Sie hat ihren Ursprung also in einem inneren, persönlichen<br />
Kernbereich und entwickelt sich in verschie<strong>de</strong>nen Ausformungen nach außen weiter. 814<br />
(1) Glaubensfreiheit<br />
Innerer Kern <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit ist die Glaubensfreiheit. Hierunter ist die Autonomie <strong>de</strong>s<br />
einzelnen zu verstehen, seinen persönlichen Glauben und seine inneren Überzeugungen<br />
eigenständig he<strong>ra</strong>usbil<strong>de</strong>n zu können. Der Staat soll also in Glaubensf<strong>ra</strong>gen nicht bevormun<strong>de</strong>n<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar Vor- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Nachteile an die Zugehörigkeit zu einer best<strong>im</strong>mten Religion<br />
knüpfen. 815 Nicht erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist hingegen, daß diese innere Glaubensüberzeugung mit <strong>de</strong>n<br />
Lehrsätzen einer großen Weltreligion übereinst<strong>im</strong>mt; vielmehr reicht für die Anerkennung<br />
einer Religion ein Min<strong>de</strong>stmaß an I<strong>de</strong>ntifizierbarkeit aus. 816<br />
Von <strong><strong>de</strong>r</strong> Glaubensfreiheit ebenfalls umfaßt ist – wie <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht – ein status<br />
negativus, d.h. die Freiheit <strong>de</strong>s einzelnen nicht zu glauben 817 bzw. areligiöse Überzeugungen<br />
zu haben o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer Staatskirche nicht anzugehören, wobei aus dieser Nichtzugehörigkeit<br />
keine Nachteile erwachsen dürfen. 818 So darf z.B. keine Kirchensteuer o<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Äquivalent<br />
von Nicht-Kirchenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n erhoben wer<strong>de</strong>n. 819<br />
Außer<strong>de</strong>m erwähnt Art. 9 Abs. 1 EMRK<br />
814<br />
Vgl. Blum, Die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit nach Art. 9 <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Menschenrechtskonvention, Berlin 1990, S. 54.<br />
815<br />
Vgl. Blum, Fn. 814, S. 55.<br />
816<br />
EKMR, BNr. 7291/75 (Wicca/Vereinigtes Königreich), E. v. 4.10.1977, DR 11, S. 55 ff.,<br />
56; vgl. Frowein/Peukert, Fn. 679, Art. 9, Rdnr. 5; Matscher, Gedanken-, Gewissens- und<br />
Religionsfreiheit – Internationalrechtliche Aspekte, in: Matscher (Hrsg.), Folterverbot<br />
sowie Religions- und Gewissensfreiheit <strong>im</strong> Rechtsvergleich, Kehl am Rhein – St<strong>ra</strong>ßburg –<br />
Arlington 1990, S. 43 ff., 54.<br />
817<br />
Allerdings soll die Verpflichtung zur Teilnahme an einer Schüler-Pa<strong>ra</strong><strong>de</strong> an einem<br />
Nationalfeiertag, durch welche für nationale I<strong>de</strong>ale begeistert wer<strong>de</strong>n soll, nicht schon als<br />
religiösen bzw. pazifistischen Überzeugungen wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechend angesehen wer<strong>de</strong>n können,<br />
vgl. EGMR, (Valsamis/Griechenland), E. v. 18.12.1996 (EKMR, BNr. 21787/93).<br />
818<br />
EGMR, Série A 1993, Nr. 255-C (Hoffmann/Österreich), Rz. 36 = EuGRZ 1996, S. 648 ff.,<br />
652; vgl. hierzu Frowein/Peukert, Fn. 679, Art. 9, Rdnr. 7.<br />
819<br />
EGMR, Nr. 187 (Darby/Schwe<strong>de</strong>n), E. v. 23.10.1990, EuGRZ 1990, S. 504. Allerdings sah<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR hierin lediglich eine Diskr<strong>im</strong>inierung i.R.d. Steuererhebung, nicht dagegen<br />
einen Verstoß gegen Art. 9 EMRK; vgl. Frowein, Die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s die Gedanken-,<br />
Gewissens- und Religionsfreiheit ga<strong>ra</strong>ntieren<strong>de</strong>n Artikels 9 <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Menschenrechtskonvention, in: EssGespr (27) 1993, S. 46 ff., 47; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Artikel 9 EMRK in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> St<strong>ra</strong>ßburger Instanzen, in: Deutsche Sektion <strong><strong>de</strong>r</strong> Internationalen<br />
Juristen-Kommission (Hrsg.), Religionsfreiheit, Hei<strong>de</strong>lberg 1996, S. 1 ff., 5.
208<br />
ausdrücklich die Freiheit <strong>de</strong>s einzelnen zum Wechsel <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung. Dies<br />
steht in offenem Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zur P<strong>ra</strong>xis einiger islamisch-fundamentalistischer Staaten, in<br />
<strong>de</strong>nen die Apostasie z.T. mit <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> best<strong>ra</strong>ft wird. 820 Auch wenn eine Religionsgemeinschaft<br />
bzw. Kirche, wie z.B. die Röm.-Kath. Kirche, einen Austritt nicht kennt, besteht<br />
für die Vert<strong>ra</strong>gsstaaten die Pflicht, ein Recht zum Wechsel zu ga<strong>ra</strong>ntieren. 821<br />
(2) Bekenntnisfreiheit<br />
Um <strong>de</strong>n inneren Kern <strong><strong>de</strong>r</strong> Glaubensfreiheit legt sich die Schale <strong><strong>de</strong>r</strong> Bekenntnisfreiheit, womit<br />
sich die Freiheit verbin<strong>de</strong>t, seine religiösen Überzeugungen je<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit verbal äußern zu<br />
dürfen. 822 Ähnlich wie Art. 4 Abs. 1 GG umfaßt Art. 9 Abs. 1 EMRK somit neben <strong><strong>de</strong>r</strong> inneren<br />
Seite <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit (forum internum) auch eine äußere (forum externum). 823<br />
Art. 9 Abs. 1 EMRK verleiht nicht nur i.R.d. Glaubensfreiheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch i.R.d.<br />
Bekenntnisfreiheit einen status negativus und gewährt damit das Recht, die eigene Glaubensüberzeugung<br />
gegenüber staatlichen Behör<strong>de</strong>n nicht offenbaren zu müssen. 824<br />
Soweit eine<br />
Drittwirkung von Art. 9 EMRK über Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV bejaht wird, erstreckt sich<br />
dieses Recht auch gegenüber privaten Arbeitgebern.<br />
(3) Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsausübung<br />
Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Bekenntnisfreiheit beinhaltet Art. 9 Abs. 1 EMRK umfassend das Recht, seine<br />
Religion einzeln o<strong><strong>de</strong>r</strong> in Gemeinschaft mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en 825<br />
, öffentlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> privat, durch<br />
Gottesdienst, Unterricht und die Ausübung und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben.<br />
Im folgen<strong>de</strong>n soll auf die vier durch Art. 9 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Formen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
820<br />
Vgl. nur Müller-Volbehr, Fn. 24, S. 347, sowie die Ausführungen oben Fn. 128.<br />
821<br />
EKMR, BNr. 9781/82 (E. u. G.R./Österreich), E. v. 14.5.1984, DR 37, S. 42 ff., 45; vgl.<br />
auch Frowein, Fn. 819, S. 51; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 819, S. 9.<br />
822<br />
Vgl. Kruttschnitt, Fn. 316, S. 159.<br />
823<br />
Vgl. Blum, Fn. 814, S. 59.<br />
824<br />
Um <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung zur Zahlung von Kirchenbeiträgen zu entgehen, soll diese negative<br />
Religionsfreiheit in<strong>de</strong>s noch nicht erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sein, da schon die Möglichkeit zum<br />
Religionsaustritt eine Befreiung von <strong><strong>de</strong>r</strong> Beit<strong>ra</strong>gspflicht bewirke, vgl. EKMR, BNr. 9781/82<br />
(E. u. G.R./Österreich), E. v. 14.5.1984, DR 37, S. 42 ff., vgl. Matscher, Fn. 816, S. 60.<br />
825<br />
Vgl. EKMR, BNr. 8160/78 (Ahmad/Vereinigtes Königreich), E. v. 12.03.1981, DR 22,<br />
S. 27 ff., 33 ff. = EuGRZ 1981, S. 326, wonach die Tatbestandsvo<strong>ra</strong>ussetzungen „einzeln<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> in Gemeinschaft mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en“ nicht alternativ in <strong>de</strong>m Sinne zu verstehen sind, als<br />
Religion nur entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> einen o<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Form ausgeübt wer<strong>de</strong>n kann,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr kumulativ von Art. 9 Abs. 1 EMRK gewährleistet wer<strong>de</strong>n.
209<br />
P<strong>ra</strong>ktizierung <strong><strong>de</strong>r</strong> persönlichen Glaubensauffassung eingegangen wer<strong>de</strong>n, wobei <strong><strong>de</strong>r</strong> englische<br />
bzw. f<strong>ra</strong>nzösische Wortlaut zur Erschließung <strong>de</strong>s konkreten Sinngehalts <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift<br />
hilfreich ist.<br />
(i) Gottesdienst<br />
„Gottesdienst“ (worship; le culte) bezeichnet die religiöse Anbetung und Verkündigung, 826<br />
wie sie zumeist in Versammlungen von Gläubigen geschieht. Einen Verstoß gegen<br />
Art. 9 EMRK stellt es daher dar, wenn – wie in Griechenland – eine Erlaubnis <strong>de</strong>s örtlichen<br />
Metropoliten zur Abhaltung von Gottesdiensten auch für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Religionsgemeinschaften<br />
verlangt wird und diese entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> verweigert o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber jahrelang hinausgezögert wird. 827<br />
(ii) Unterricht<br />
Mit <strong>de</strong>m religiösen „Unterricht“ (teaching; l’enseignement) ist nicht in erster Linie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
schulische Religionsunterricht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr die Katechese, d.h. die allgemeine<br />
Vermittlung religiöser Lehrinhalte, angesprochen. Dies wird durch Art. 2 <strong>de</strong>s Zusatzprotokolls<br />
<strong>de</strong>utlich, durch welche die geson<strong><strong>de</strong>r</strong>te Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>gsstaaten begrün<strong>de</strong>t wird, <strong>im</strong><br />
Unterrichtswesen das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Eltern auf Erziehung und Unterricht ihrer Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> gemäß <strong>de</strong>n<br />
elterlichen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen. 828<br />
Auch Glaubenswerbung und Missionierung wer<strong>de</strong>n von Art. 9 Abs. 1 EMRK umfaßt. 829<br />
Hierbei muß allerdings zwischen „normalem Evangelisieren“ und „mißbräuchlichem<br />
Proselytismus“ unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, wobei letzterer nach Ansicht <strong>de</strong>s EGMR die<br />
826<br />
Vgl. Kruttschnitt, Fn. 316, S. 161.<br />
827<br />
Vgl. EGMR, BNr. 18748/91 (Manoussakis u.a./Griechenland), E. v. 26.9.1996, s.o. Fn. 146.<br />
828<br />
So auch Matscher, Fn. 816, S. 58. Dieses religiöse Erziehungsrecht wür<strong>de</strong> durch eine<br />
Sorgerechtsregelung verletzt, welche eine Differenzierung <strong>im</strong> wesentlichen allein auf einen<br />
Unterschied in <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion stützt, vgl. EGMR, Série A 1993, Nr. 255-C (Hoffmann/Österreich),<br />
Rz. 36 = EuGRZ 1996, S. 648 ff., 652. Vgl. hierzu Frowein, Fn. 819,<br />
S. 8; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 819, S. 56 f.; ausführlich und differenzierend Fahrenhorst, Sorgerecht und<br />
Religion – Anmerkung zum EGMR-Urteil <strong>im</strong> Fall Ingrid Hoffmann gegen Österreich,<br />
EuGRZ 1996, S. 633 ff. Letztere will nicht religiöse Glaubenssätze, jedoch Auswirkungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion auf die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> in die Kindswohlentscheidung einbeziehen. Die Zulässigkeit<br />
dieses Kriteriums erscheint jedoch höchst f<strong>ra</strong>glich, da die Ausübung von Glaubensüberzeugungen<br />
durch eine religiöse Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit oftmals mit einer gewissen sozialen<br />
Außenseiterrolle verbun<strong>de</strong>n ist.<br />
829<br />
Vgl. Blum, Fn. 814, S. 65; Frowein, Fn. 819, S. 10 f.; Kruttschnitt, Fn. 316, S. 161.
210<br />
Bestechung und falsche Darstellung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Konfessionen einschließe. 830 Soweit in üblicher<br />
Form über Glaubensf<strong>ra</strong>gen mit <strong>de</strong>m Ziel <strong>de</strong>s Versuchs <strong><strong>de</strong>r</strong> Überzeugung <strong>de</strong>s an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
diskutiert wer<strong>de</strong>, ist dieses Verhalten durch Art. 9 EMRK geschützt. Dererlei missionieren<strong>de</strong><br />
Tätigkeit darf nicht eingeschränkt, geschweige <strong>de</strong>nn eine st<strong>ra</strong>frechtliche Verurteilung wegen<br />
„Proselytenmacherei“ nach sich ziehen, wie dies in Griechenland in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit in<br />
regelmäßigen Abstän<strong>de</strong>n geschehen ist. 831<br />
(iii) Ausübung religiöser Gebräuche<br />
Unter <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „Ausübung“ (p<strong>ra</strong>ctice; les p<strong>ra</strong>tiques) religiöser Gebräuche wird die<br />
religiöse Lebensführung bezeichnet, soweit sie nicht schon unter einen <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriffe<br />
„Gottesdienst“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Unterricht“ zu subsumieren ist. Es han<strong>de</strong>lt sich hierbei also um einen<br />
Auffangtatbestand. 832 Als Beispiel kann das Verteilen von Flugblättern religiösen Inhalts<br />
angeführt wer<strong>de</strong>n. 833 Allerdings wird nicht die gesamte religiöse Lebensführung von<br />
Art. 9 EMRK geschützt; auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatbestandsseite sollen sich Beschränkungen beispielsweise<br />
schon bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausübung religiöser Gebräuche i.R.d. Ausübung eines militärischen Berufs<br />
ergeben. 834<br />
830<br />
So EGMR, Série A 1993, Nr. 260-A (Kokkinakis/Griechenland); vgl. hierzu Frowein,<br />
Fn. 819, S. 46; ebenso: EGMR, BNr. 140/1996/759/858-960, Urt. v. 24.2.1998; zitiert bei<br />
Abel, Fn. 214, NJW 1999, S. 337.<br />
831<br />
So auch Frowein, Fn. 819, S. 10 f. Ansonsten wür<strong>de</strong> die Erfüllung <strong>de</strong>s Missionsauft<strong>ra</strong>ges,<br />
Mt. 28, 19-20, schlechterdings unmöglich. Auch <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht beinhaltet die<br />
Bekenntnisfreiheit das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Werbung für <strong>de</strong>n eigenen Glauben sowie das Recht zur<br />
Abwerbung vom frem<strong>de</strong>n Glauben, d.h. die Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mission mit allen erlaubten<br />
Mitteln, vgl. BVerfGE 12, S. 1 ff., 4; v. Campenhausen, Religionsfreiheit, in: Isensee/<br />
Kirchhof (Hrsg.), Handbuch <strong>de</strong>s Staatsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Bd. VI,<br />
Hei<strong>de</strong>lberg 1989, § 136, S. 369 ff., 403, Rdnr. 55. Aus diesem Grund hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR,<br />
Série A 1993, Nr. 260, Fn. 830, die Best<strong>ra</strong>fung <strong>de</strong>s Bekehrungsversuchs eines Zeugen<br />
Jehovas an <strong><strong>de</strong>r</strong> Ehef<strong>ra</strong>u eines griechisch-orthodoxen Kantors zu Recht als Verletzung <strong>de</strong>s<br />
Art. 9 EMRK angesehen.<br />
832<br />
Vgl. Blum, Fn. 814, S. 68; Kruttschnitt, Fn. 316, S. 161 f.<br />
833<br />
EKMR, BNr. 7050/75 (Arrowsmith/Vereinigtes Königreich), E.v.12.10.1978, DR 19,<br />
S. 5 ff., 19 f.; wobei die Entscheidung i.R.d. Weltanschauungsfreiheit erging; vgl. Blum,<br />
Fn. 814, S. 69; Frowein, Fn. 819, S. 51 f.; Kruttschnitt, Fn. 316, S. 162; Matscher, Fn. 816,<br />
S. 59.<br />
834<br />
EGMR, (Kalaç/Türkei), E. v. 01.07.1997; vgl. hierzu Sherlock/Andrews, Judgements of the<br />
Court of Human Rights 1997, (1998) 23 E.L.Rev.HR, S. 120 ff., S. 166 f. Interessant ist<br />
dieser Fall auch insofern, als die EKMR einst<strong>im</strong>mig eine Verletzung <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK<br />
bejaht hatte, nach<strong>de</strong>m ein in <strong><strong>de</strong>r</strong> türkischen Luftwaffe beschäftigter Jurist aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Annahme „ungesetzlicher fundamentalistischer Ansichten“ in <strong>de</strong>n Ruhestand versetzt
211<br />
(iv) Beachtung religiöser Gebräuche<br />
Die „Beachtung religiöser Gebräuche“ (observance; accomplissement <strong>de</strong>s rites) gewährleistet<br />
einerseits die Fortführung religiöser T<strong>ra</strong>ditionen, wie z.B. Wallfahrten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Prozessionen,<br />
wahrt an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits aber auch i.R.d. Religionsgemeinschaften aufgestellte Pflichten. Diese<br />
können vom T<strong>ra</strong>gen einer Amtst<strong>ra</strong>cht über die Einhaltung zölibatärer Vorschriften bis hin<br />
zum Schächten von Tieren reichen. Maßgeblich ist dabei in Zweifelsf<strong>ra</strong>gen die offizielle<br />
Leh<strong>ra</strong>uffassung <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Religionsgemeinschaft. 835<br />
bb) Individuelle Religionsfreiheit als staatliche Schutzpflicht<br />
Neben <strong>de</strong>m Abwehrcha<strong>ra</strong>kter <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit <strong>im</strong> individuellen Bereich kann aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung einer religiösen Gruppierung durch private, gesellschaftliche Kräfte eine<br />
Schutzpflicht <strong>de</strong>s Staates zur Verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung übermäßiger Agitation erwachsen, so z.B. ein<br />
Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsanwaltschaft von Amts wegen bei einer g<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong>n Verletzung<br />
religiöser Gefühle. 836<br />
b) Kollektive Religionsfreiheit<br />
aa) Anwendbarkeit<br />
Die Gewährleistung institutioneller Ga<strong>ra</strong>ntien macht in <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis vielfach <strong>de</strong>n „Dreh- und<br />
Angelpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehungen zwischen Staat und Kirche“ 837<br />
aus, da Religion <strong>im</strong> Regelfall<br />
nicht alleine, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n gemeinsam ausgeübt wird. Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> pr<strong>im</strong>är als Individualrecht<br />
konzipierten Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 9 Abs. 1 EMRK konnte ein solches Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften<br />
jedoch nicht unmittelbar hergeleitet wer<strong>de</strong>n, da diese nur die Religionsübung<br />
„in Gemeinschaft mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en“ gewährleistet. Demzufolge lehnte die EKMR zunächst Rechts-<br />
wor<strong>de</strong>n war, während <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR anschließend – ebenfalls einst<strong>im</strong>mig – eine Verletzung<br />
<strong>de</strong>s Art. 9 EMRK mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung verneint hat, daß die Versetzung in <strong>de</strong>n Ruhestand<br />
nicht auf religiösen Grün<strong>de</strong>n erfolgt sei, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf einer fehlen<strong>de</strong>n Loyalität gegenüber<br />
<strong>de</strong>n Grundprinzipien <strong>de</strong>s türkischen Staates, namentlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Säkularisierung, basiere.<br />
835 Vgl. Blum, Fn. 814, S. 65 ff.; Kruttschnitt, Fn. 316, S. 161.<br />
836 EKMR, BNr. 8282/78 (Church of Scientology/Schwe<strong>de</strong>n) E. v. 14.7.1990, DR 21,<br />
S. 109 ff.; vgl. hierzu Blum, Fn. 814, S. 102 ff.; Frowein, Fn. 819, S. 8; Frowein/Peukert,<br />
Fn. 679, Art. 9, Rdnr. 8; ebenso EGMR, Série A 1994, Nr. 295-A (Otto-Preminger-<br />
Institut/Österreich), E. v. 20.9.1994, vgl. hierzu die Ausführungen unten K.VI.2.c).<br />
837 Gemeinsame Stellungnahme, Fn. 510, S. 11.
212<br />
positionen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften aufgrund von Art. 9 Abs. 1 EMRK<br />
ab. 838<br />
Erst <strong>im</strong> Jahre 1979 anerkannte die EKMR, daß sich vorgenannte Institutionen ebenfalls auf<br />
die in Art. 9 Abs. 1 EMRK enthaltenen Ga<strong>ra</strong>ntien berufen können. 839 Den Religionsgemeinschaften<br />
sei ein eigenes Beschwer<strong><strong>de</strong>r</strong>echt zuzuerkennen, da die Unterscheidung<br />
zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit einer Religionsgemeinschaft und ihren Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich<br />
künstlicher Natur sei. 840<br />
Eine Befugnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften wird damit begrün<strong>de</strong>t, daß diese in Wirklichkeit<br />
<strong>im</strong> Namen ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> und als <strong><strong>de</strong>r</strong>en Repräsentantin han<strong>de</strong>le:<br />
„When a church body lodges an application un<strong><strong>de</strong>r</strong> the Convention, it does so in reality, on<br />
behalf of its members. It should therefore be accepted that a church body is capable of<br />
possessing and exercising the rights contained in Article 9 (1) in its own capacity as a<br />
representative of its members.“ 841<br />
Umstritten ist, ob das Repräsentationsprinzip lediglich eine Art Prozeßstandschaft begrün<strong>de</strong>t<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob Kirchen und Religionsgemeinschaften auch eigene Rechte geltend machen, die über<br />
die Rechte ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> hinausgehen können. 842<br />
Als nichtstaatliche Organisationen sind<br />
838<br />
EKMR, BNr. 3798/68 (Kirche von X./Vereinigtes Königreich), E. v. 17.12.1968, Annuaire<br />
12 (1969), S. 306 ff., 314.<br />
839<br />
EKMR, BNr. 7805/77 (Church of Scientology/Schwe<strong>de</strong>n), E. v. 5.5.1979, DR 16, S. 68 ff.,<br />
70; ebenso EKMR, BNr. 10901/84 (Prüssner/Deutschland), E. v. 8.5.1985, EuGRZ 1986,<br />
S. 648 = NJW 1987, S. 1131). Vgl. zu dieser Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung Conring,<br />
Fn. 25, S. 339 ff.<br />
840<br />
Vgl. auch van Bijsterveld, Fn. 607, S. 24; Blum, Fn. 814, S. 171.<br />
841<br />
EKMR, BNr. 7805/77, Fn. 839, S. 70.<br />
842<br />
Eine solche erweitern<strong>de</strong> Auslegung vertreten fast ausschließlich <strong>de</strong>utsche kirchennahe<br />
Autoren, z.B. Blum, Fn. 814, S. 174; Robbers, Fn. 341, S. 317; Frowein/Peukert, Fn. 679,<br />
Art. 9, Rdnr. 9; Frowein, Fn. 819, S. 9; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 819, S. 49, wonach Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften ihre Existenz auch unabhängig von ihrer Rolle als Vertreter ihrer<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> verteidigen könnten. Allerdings räumt Frowein, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in<br />
EssGespr. 27 (1993), S. 70, selbst ein, daß es für diese Auffassung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> St<strong>ra</strong>ßburger Instanzen keinen Beleg gibt. Tempel, Fn. 695, S. 12 f., führt aus, daß es sich<br />
bei dieser – letztlich auf Blum, Fn. 814, S. 170, zurückgehen<strong>de</strong>n – Ansicht um eine<br />
Min<strong><strong>de</strong>r</strong>meinung han<strong>de</strong>lt, die sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommentare an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Mitgliedstaaten<br />
zur EMRK nicht fin<strong>de</strong>t. Conring, Fn. 25, S. 352 ff., will anhand <strong><strong>de</strong>r</strong> neueren Rechtsprechung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR <strong>de</strong>n Nachweis erbringen, daß Religionsgemeinschaften nicht nur als
213<br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften m.E. nur dann über die Individualbeschwer<strong>de</strong><br />
aktivlegit<strong>im</strong>iert, soweit sie die Verletzung von Rechten ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> rügen; nur in diesem<br />
Fall liegt ein Han<strong>de</strong>ln als Vertreterin ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> vor. Unter Zugrun<strong>de</strong>legung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>ra</strong>tio <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
pr<strong>im</strong>är das Individuum schützen<strong>de</strong>n Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK kann man folgern, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft allenfalls geringer, keinesfalls aber größer als<br />
die Summe <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> dieser Religionsgemeinschaft sein darf. Dies hat die<br />
EKMR erst wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in einer jüngeren Entscheidung ausdrücklich festgestellt: 843<br />
„Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e kann eine juristische Person als Beschwer<strong>de</strong>führer nach <strong><strong>de</strong>r</strong> gefestigten<br />
Spruchp<strong>ra</strong>xis <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission nicht von sich behaupten, ein Opfer von Maßnahmen zu sein,<br />
die angeblich die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Konvention festgelegten Rechte ihrer einzelnen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
beeinträchtigen [...]. Im vorliegen<strong>de</strong>n Fall ist es ein<strong>de</strong>utig nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> beschwer<strong>de</strong>führen<strong>de</strong><br />
Verein als solcher, <strong><strong>de</strong>r</strong> das Opfer <strong><strong>de</strong>r</strong> angeblichen Verletzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> [...] ga<strong>ra</strong>ntierten Rechte<br />
ist. Allein die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s beschwer<strong>de</strong>führen<strong>de</strong>n Vereins als Einzelpersonen könnten<br />
geltend machen, Opfer einer Verletzung dieser Rechte zu sein, die naturgemäß nicht von<br />
einem Verein ausgeübt wer<strong>de</strong>n könnten.“<br />
bb) Umfang<br />
Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit soll kein Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft<br />
auf offizielle staatliche Anerkennung folgen, da eine individuelle Ausübungsmöglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religion grds. auch ohne diese gewährleistet sei. 844<br />
Problematisch ist weiter, ob sich Organisationen, die zwar keine Kirchen sind, jedoch<br />
kirchliche Aufgaben wahrnehmen, wie z.B. kirchliche Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>, ebenfalls auf<br />
Art. 9 EMRK berufen können. Für Kirchen und Religionsgemeinschaften soll das Recht zur<br />
freien Religionsausübung <strong>im</strong> innerkirchlichen Bereich ein auf die individuelle Religionsfreiheit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> zurückführbares Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht in F<strong>ra</strong>gen <strong><strong>de</strong>r</strong> inneren<br />
Repräsentanten <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch in eigener Rechtsinhaberschaft<br />
aktivlegit<strong>im</strong>iert seien.<br />
843<br />
EKMR, BNr. 34614/97 (Scientology Kirche Deutschland e.V./Deutschland), EuGRZ 1997,<br />
S. 616 ff., 618.<br />
844<br />
EKMR, BNr. 28626/95 (Khristiansko Sdruzhenie „Svi<strong>de</strong>teli na Iehova“ [Christliche<br />
Vereinigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeugen Jehovas]/Bulgarien), E. v. 3.7.1997, vgl. hierzu Sherlock, Fn. 350,<br />
(1998) 23 E.L.Rev.HR, S. 103 ff., 104. Allerdings kann die Nichtanerkennung u.U. eine<br />
Verletzung <strong>de</strong>s Art. 14 EMRK darstellen, soweit dieser eine unterschiedliche Behandlung<br />
vergleichbarer religiöser Gruppen zugrun<strong>de</strong> liegt, vgl. Frowein/Peukert, Fn. 679, Art. 14,<br />
Rdnr. 19.
214<br />
Organisation, <strong>im</strong> Ämterrecht und in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gestaltung ihres Kultus gewähren, 845<br />
wobei diese<br />
Auslegung in einem Spannungsfeld zu <strong>de</strong>n staatlichen Eingriffsmöglichkeiten i.R.d. Staatskirchentums<br />
steht. Wenn auch kirchliche Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> ihre Aktivitäten ebenfalls als<br />
Religionsausübung ansehen mögen, wird die von <strong>de</strong>m überwiegen<strong>de</strong>n Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
geleistete Tätigkeit in diesen Verbän<strong>de</strong>n jedoch pr<strong>im</strong>är als Berufsausübung angesehen. <strong>Das</strong><br />
Repräsentationsprinzip spricht <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Fall daher eher dafür, diese Tätigkeiten unter<br />
die Berufsfreiheit und nicht unter die Religionsfreiheit zu subsumieren.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache Rommelfanger 846 hatte sich die EKMR mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtmäßigkeit einer von<br />
einem katholischen K<strong>ra</strong>nkenhaus ausgesprochenen Kündigung eines dort angestellten Arztes<br />
zu befassen, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich durch einen öffentlichen Aufruf und ein Fernsehinterview zum Schwangerschaftsabbruch<br />
in Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zur offiziellen Lehrmeinung <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche zu<br />
diesem Thema gesetzt hatte. Während das BVerfG die Kündigung unter Berufung auf das<br />
kirchliche Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong>de</strong>s Arbeitgebers, Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3<br />
WRV, für rechtmäßig erklärt hatte, da es <strong>de</strong>m kirchlichen Arbeitgeber i.R.d. ordre public<br />
freistehe, Loyalitätsobliegenheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer festzulegen 847 , hielt die EKMR die<br />
Kündigung zwar ebenfalls aufrecht 848 , begrün<strong>de</strong>te ihr Ergebnis jedoch nicht mit einem<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht in eigenen Angelegenheiten: Anstatt Art. 9 EMRK überhaupt nur zu<br />
erwähnen, stützte die EKMR ihr Urteil da<strong>ra</strong>uf, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> durch Art. 10 EMRK gewährleisteten<br />
Meinungsfreiheit <strong>de</strong>s Arbeitgebers 849<br />
Rechnung zu t<strong>ra</strong>gen sei, wenn dieser eine auf<br />
best<strong>im</strong>mten Überzeugungen und Wertentscheidungen beruhen<strong>de</strong> Organisation sei und die<br />
Überzeugungen für die Erfüllung seiner gesellschaftlichen Aufgaben als wesentlich ansehe.<br />
845<br />
EKMR, BNr. 7374/76, E. v. 8.3.1976, DR 5, S. 157 ff.; vgl. hierzu Blum, Fn. 814, S. 177;<br />
Robbers, Fn. 341, S. 317.<br />
846<br />
EKMR, BNr. 12242/86 (Rommelfanger/Deutschland), E. v. 6.9.1989, Annuaire 32 (1989),<br />
S. 57 ff.<br />
847<br />
BVerfGE 70, S. 138 ff., 168. Zum Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Loyalitätsanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht<br />
vgl. Jurina, Ehebruch als Kündigungsgrund – Eine Besprechung <strong>de</strong>s Urteils <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>sarbeitsgerichts vom 24. April 1997, KuR 340, S. 1 ff.; Richardi, Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten <strong>de</strong>s<br />
kirchlichen Dienstes <strong>im</strong> Individualarbeitsrecht, in: Richardi/Wlotzke (Hrsg.), Fn. 260, § 186<br />
= S. 1151 ff., Rdnrn. 30 ff.<br />
848<br />
Die aufgestellten Loyalitätsanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen dürfen dabei jedoch nicht unverhältnismäßig<br />
sein, vgl. auch Frowein, Fn. 819, S. 58 f. Man wird sie daher nach Tätigkeitsbereichen <strong>im</strong><br />
kirchlichen Dienst abzustufen haben.<br />
849<br />
EKMR, BNr. 12242/86, Fn. 846, S. 64. Zu ve<strong>ra</strong>llgemeinernd daher Turowski, Fn. 1031,<br />
S. 23, <strong><strong>de</strong>r</strong> unter die korpo<strong>ra</strong>tive Seite <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK wie selbstverständlich das<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht von Kirchen und Religionsgemeinschaften auch <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s<br />
kollektiven Arbeitsrechts subsumiert.
215<br />
Da<strong>ra</strong>us darf man schließen, daß Art. 9 EMRK nur ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong>im</strong><br />
innerkirchlichen Bereich selbst umfaßt. 850 An<strong><strong>de</strong>r</strong>nfalls hätte die EKMR – was aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vorgabe <strong>de</strong>s BVerfG nahelag – ebenfalls ein religionsrechtliches Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht für<br />
das kirchliche K<strong>ra</strong>nkenhaus anerkannt, anstatt mit Erwägungen <strong>de</strong>s Ten<strong>de</strong>nzschutzes zu<br />
operieren. 851<br />
Es ist daher kaum anzunehmen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, <strong><strong>de</strong>r</strong> – wie die Rechtssachen van Roosmalen 852<br />
und Steymann 853 <strong>de</strong>utlich gezeigt haben – ohnehin die Ten<strong>de</strong>nz besitzt, Angelegenheiten in<br />
<strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs einzuglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n, <strong>im</strong> Gegensatz zur EKMR einen auf die<br />
freien Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> ausge<strong>de</strong>hnten „erweiterten Ten<strong>de</strong>nzschutz“ anerkennt. 854<br />
c) Sch<strong>ra</strong>nken <strong>de</strong>s Art. 9 Abs. 2 EMRK<br />
Einschränkbar ist lediglich die Ausübung (manifest; manifester) <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion, nicht dagegen<br />
die Religionsfreiheit als solche o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar das Recht eines Religionswechsels. Die <strong>de</strong>utsche<br />
Übersetzung gibt insoweit die authentischen Fassungen <strong>de</strong>s Art. 9 Abs. 2 EMRK nicht genau<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong>. 855 Trotz<strong>de</strong>m kann sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewährleistungsumfang <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK aufgrund seines<br />
weitreichen<strong>de</strong>n Sch<strong>ra</strong>nkenvorbehalts nicht mit Art. 4 GG messen lassen. 856 Bisher sind die<br />
St<strong>ra</strong>ßburger Gerichte allerdings nur selten auf Art. 9 Abs. 2 EMRK eingegangen. 857<br />
850<br />
So in Ansätzen schon Matscher, Fn. 816, S. 57, nach <strong>de</strong>ssen Auffassung sich das in<br />
Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV ve<strong>ra</strong>nkerte Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht nur bedingt auf die<br />
Verhältnisse an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Staaten übert<strong>ra</strong>gen lasse.<br />
851<br />
Blum, Fn. 814, S. 177; Robbers, Fn. 442, S. 185; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 341, S. 317, 320; Hollerbach,<br />
Fn. 17, S. 259, bemängeln, daß die Kommission nicht dazu Stellung genommen hat, ob und<br />
in welchem Umfang Art. 9 EMRK ein Selbstverwaltungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und kirchlichen<br />
Organisationen enthält und <strong>de</strong>n individuellen Rechten <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Mitarbeiter<br />
entgegengehalten wer<strong>de</strong>n kann.<br />
852<br />
EuGH, Rs. 300/84, vgl. hierzu die Ausführungen oben C.II.3.<br />
853<br />
EuGH, Rs. 196/87, vgl. hierzu die Ausführungen oben C.II.4.<br />
854<br />
Vgl. auch Schinkele, <strong>Das</strong> Arbeitsrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche – Der verfassungsrechtliche und<br />
staatskirchenrechtliche Rahmen unter beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen<br />
Kirche, in: Runggaldier/Schinkele (Hrsg.), Arbeitsrecht und Kirche – Zur arbeitsrechtlichen<br />
und sozialrechtlichen Stellung von Klerikern, Or<strong>de</strong>nsangehörigen und kirchlichen<br />
Mitarbeitern in Österreich, Wien – New York 1995, S. 3 ff., 22 f.<br />
855<br />
So auch Blum, Fn. 814, S. 108; Frowein, Fn. 819, S. 12; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 819, S. 55;<br />
Peukert/Frowein, Fn. 679, Art. 9, Rdnr. 23.<br />
856<br />
Ebenso Blum, Fn. 814, S. 108.<br />
857<br />
Beispiele aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung bei Peukert/Frowein, Fn. 679, Art. 9, Rdnr. 24; vgl.<br />
ausführlich zum Sch<strong>ra</strong>nkenbereich <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK: Conring, Fn. 25, S. 364 ff.
216<br />
aa) Gesetzliche Grundlage<br />
Die Gewährleistungen <strong>de</strong>s Art. 9 Abs.1 EMRK können nach Art. 9 Abs. 2 EMRK nur über<br />
ein Gesetz eingeschränkt wer<strong>de</strong>n (prescribed by law; prévue par la loi). Dabei soll kein<br />
Gesetz <strong>im</strong> formellen Sinne erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sein; allerdings wer<strong>de</strong>n Verwaltungsvorschriften o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
-richtlinien vom EGMR nicht als ausreichend angesehen. 858<br />
bb) Zulässige Eingriffszwecke<br />
Art. 9 Abs. 2 EMRK stellt keinen Gene<strong>ra</strong>lvorbehalt dar. Einschränkungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />
dürfen vielmehr nur aus <strong>de</strong>n enume<strong>ra</strong>tiv aufgezählten Zwecken erfolgen. 859<br />
(1) Öffentliche Sicherheit und Ordnung<br />
Dieser Vorbehalt dient <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufrechterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsordnung. Der Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
„öffentlichen Sicherheit“ ist dabei i.S.d. äußeren und inneren Frie<strong>de</strong>nswahrung, <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> „öffentlichen Ordnung“ i.S.d. Funktionsfähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Rechtsordnung zu<br />
verstehen. 860<br />
Daher sind z.B. auch Bauvorhaben religiöser Gemeinschaften an die Normen eines<br />
861<br />
Bebauungsplans gebun<strong>de</strong>n.<br />
Zur Aufrechterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ordnung <strong>im</strong> Gefängnis soll es nach Ansicht <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR z.B.<br />
notwendig sein, einem konvertierten Buddhisten <strong>de</strong>n Wuchs eines Kinnbartes und <strong>de</strong>n Besitz<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gebetskette verbieten zu können, selbst wenn bei<strong>de</strong>s nach <strong>de</strong>ssen Religion vorgeschrieben<br />
ist. 862<br />
(2) Gesundheit und Mo<strong>ra</strong>l<br />
Angesichts <strong>de</strong>s Wortlauts <strong>de</strong>s Art. 9 Abs. 2 EMRK 863<br />
han<strong>de</strong>lt es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheit nicht<br />
um die individuelle, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ebenfalls um die öffentliche Gesundheit. Aus diesem Grund darf<br />
858<br />
EGMR, Série A 1983, Nr. 61 (Silver u.a.), E. v. 25.3.1993, S. 33, Rz. 86 = EuGRZ 1984,<br />
S. 147 ff., 150; Blum, Fn. 814, S. 113.<br />
859<br />
So auch Blum, Fn. 814, S. 114 m.w.N.<br />
860<br />
Blum, Fn. 814, S. 114.<br />
861<br />
EKMR, BNr. 20490/92 (International Society for Krishna Consciousness Ltd. u.a./<br />
Vereinigtes Königreich), E. v. 8.3.1994, DR 76, S. 90 ff.<br />
862<br />
EKMR, BNr. 1753/63 (X/Austria), E. v. 15.2.1965, Annuaire 8 (1965), S. 174 ff., 184.<br />
863<br />
Vgl. die f<strong>ra</strong>nz. Fassung: „<strong>de</strong>s mesures nécessaires [...] à la protection <strong>de</strong> [...] la santé ou <strong>de</strong><br />
la mo<strong>ra</strong>le publiques.“
217<br />
zwar die eigene Gesundheit aus religiösen Grün<strong>de</strong>n auf’s Spiel gesetzt wer<strong>de</strong>n; 864 die<br />
Gesundheit an<strong><strong>de</strong>r</strong>er ist in<strong>de</strong>s nicht aufgrund religiöser Motive disponibel. Angehörige<br />
best<strong>im</strong>mter Religionsgemeinschaften dürfen aus diesem Grun<strong>de</strong> bei ihren Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n die<br />
Einwilligung zu medizinisch erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichen Eingriffen, z.B. Blutt<strong>ra</strong>nsfusionen, nicht<br />
verweigern. 865<br />
(3) Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte und Freiheiten an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
Dieser Vorbehalt wird selbst i.R.d. <strong>de</strong>s sch<strong>ra</strong>nkenlos formulierten Art. 4 GG als „<strong>im</strong>manente<br />
Sch<strong>ra</strong>nke“ anerkannt. 866 So wur<strong>de</strong> beispielsweise die Einführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kfz-Haftpflichtversicherung<br />
in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte an<strong><strong>de</strong>r</strong>er gerechtfertigt. 867<br />
Da mit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Haftpflichtversicherung Ansprüche potentiell geschädigter Dritter abgesichert wer<strong>de</strong>n, ist<br />
eine Berufung auf eine religiöse Überzeugung, die es verbietet, jegliche Versicherung<br />
abzuschließen, nicht möglich.<br />
Im folgen<strong>de</strong>n soll auf spezielle Bereiche <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte an<strong><strong>de</strong>r</strong>er eingegangen wer<strong>de</strong>n:<br />
(i) Religionsfreiheit einzelner gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft<br />
Von <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR wur<strong>de</strong> anerkannt, daß eine Kirche gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit ihrer<br />
eigenen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in ihrem Recht auf Religionsausübung geschützt ist. Geistliche üben ihre<br />
individuelle Religionsfreiheit in <strong>de</strong>m Augenblick aus, in <strong>de</strong>m sie ihre Zugehörigkeit zum<br />
Klerus festmachen. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Folgezeit muß von einer Unterordnung <strong>de</strong>s einzelnen unter das –<br />
eine Einheitlichkeit in Lehrf<strong>ra</strong>gen durchsetzen<strong>de</strong> – Kirchenrecht ausgegangen wer<strong>de</strong>n. 868<br />
Dogmatisch kann dies über einen Grundrechtsverzicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Geistlichkeit mit <strong>de</strong>m Eintritt in<br />
<strong>de</strong>n kirchlichen Dienst begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. 869<br />
864 Ebenso Peter Fischer/Köck, Fn. 84, S. 187. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s noch EKMR, BNr. 7992/77,<br />
E. v. 12.7.1978, DR 14, S. 234 f., die eine Helmpflicht für Religionsangehörige <strong><strong>de</strong>r</strong> Sikhs –<br />
diese sind aus religiösen Grün<strong>de</strong>n verpflichtet, einen Turban zu t<strong>ra</strong>gen – als zulässige<br />
Sch<strong>ra</strong>nke <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit ansah, vgl. zur Problematik Blum, Fn. 814, S. 117.<br />
Inzwischen wur<strong>de</strong> von <strong><strong>de</strong>r</strong> britischen Gesetzgebung die Helmpflicht für Sikhs aufgehoben.<br />
865 Vgl. hierzu Peter Fischer/Köck, Fn. 84, S. 187 f.<br />
866 Vgl. BVerfGE 28, S. 243 ff., 261.<br />
867 EKMR, BNr. 2988/66, (X/Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>), E. v. 31.3.1967, Annuaire 10 (1967), S. 472 ff.,<br />
476.<br />
868 EKMR, BNr. 10901/84 (Prüssner/Deutschland), E. v. 8.5.1985, EuGRZ 1986, S. 648 ff.,<br />
649 = NJW 1987, S. 1131; EKMR, BNr. 11045/84 (Knudsen/Norwegen), DR 42, S. 247 ff.;<br />
vgl. Frowein/Peukert, Fn. 679, Art. 9, Rdnr. 9.<br />
869 Vgl. hierzu Blum, Fn. 814, S. 133 ff.; Kruttschnitt, Fn. 316, S. 165.
218<br />
Soweit es sich hingegen um nichtklerikale Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen han<strong>de</strong>lt,<br />
fällt die Argumentation mit einem Grundrechtsverzicht ungleich schwerer. Allenfalls greifen<br />
hier – wie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Rommelfanger – Ten<strong>de</strong>nzschutzerwägungen über Art. 10 EMRK, wobei<br />
i.R.d. öffentlichen Diskussion keine unverhältnismäßigen Loyalitätsanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>artige Arbeitnehmer gestellt wer<strong>de</strong>n dürfen. 870<br />
(ii) Religionsfreiheit einzelner gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
Gegenüber Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Religionsgemeinschaften kann ein Grundrechtsverzicht nicht<br />
eingreifen, weil es insoweit an <strong><strong>de</strong>r</strong> freiwilligen Unterordnung eines einzelnen unter ein<br />
kirchenrechtliches Lehrgebäu<strong>de</strong> fehlt. Aus diesem Grun<strong>de</strong> können sich Dritte nach wie vor<br />
gegenüber <strong>de</strong>n Kirchen und Religionsgemeinschaften auf ihre Religionsfreiheit berufen. Diese<br />
Problematik wird beispielsweise <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Kirchensteuereinzug i.R.d.<br />
Lohnabzugsverfahrens relevant, weil hier <strong>im</strong> Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuer erheben<strong>de</strong>n Kirchen<br />
in Rechtspositionen Dritter eingegriffen wird. 871<br />
d) Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken<br />
Die eben erwähnten Sch<strong>ra</strong>nken müssen sich ihrerseits am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz<br />
messen lassen (mesures nécessaires). Ob eine staatliche Maßnahme notwendig ist, ist für die<br />
St<strong>ra</strong>ßburger Instanzen trotz <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n nationalen Beurteilungsspiel<strong>ra</strong>ums grds.<br />
nachprüfbar. Ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch die F<strong>ra</strong>ge mil<strong><strong>de</strong>r</strong>er Alternativlösungen wird hier zu diskutieren<br />
sein. 872<br />
e) Zusammenfassung<br />
Dem Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK zufolge wer<strong>de</strong>n lediglich verschie<strong>de</strong>ne Arten <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen<br />
Religionsfreiheit geschützt. Die Rechtsprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR anerkennt jedoch auch<br />
eine Aktivlegit<strong>im</strong>ation von Kirchen und Religionsgemeinschaften, soweit diese als Repräsentanten<br />
ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> auftreten und die Verletzung von Rechten ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> geltend<br />
machen. Aus diesem Grun<strong>de</strong> ist die kollektive Religionsfreiheit auf <strong>de</strong>n innerkirchlichen<br />
Bereich beschränkt. Kirchliche Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> können sich nicht auf einen erweiterten<br />
Ten<strong>de</strong>nzschutz aus Art. 9 EMRK stützen.<br />
870 Vgl. nur Frowein, Fn. 819, S. 15.<br />
871 Vgl. hierzu die Ausführungen unten K.III.5.c).<br />
872 Vgl. hierzu Blum, Fn. 814, S. 119 ff., 121, 127.
1. Schutzbereich<br />
IV. Reichweite <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />
a) Persönlicher Schutzbereich (Grundrechtsträgerschaft und Grundrechtsadressaten)<br />
aa) Grundrechtsträgerschaft ausländischer Religionsgemeinschaften<br />
219<br />
(1) Religionsgemeinschaften aus einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaat<br />
Wenn sich eine Religionsgemeinschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat in einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Mitgliedstaat entfalten will und sie hierbei gemeinschaftsrechtlich relevante Ziele verfolgt, ist<br />
unbestritten, daß ihr die gleichen körperschaftlichen Rechte wie einer inländischen<br />
Religionsgemeinschaft gewährt wer<strong>de</strong>n müssen, vo<strong>ra</strong>usgesetzt, sie erfüllt die Bedingungen,<br />
die innerstaatlich an die Erteilung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus gestellt wer<strong>de</strong>n; ansonsten läge ein<br />
offensichtlicher Verstoß gegen <strong>de</strong>n Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>gleichbehandlung vor. 873<br />
(2) Religionsgemeinschaften aus Nicht-EU-Staaten<br />
Bisher hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH nicht entschie<strong>de</strong>n, ob sich natürliche o<strong><strong>de</strong>r</strong> juristische Personen aus<br />
Drittstaaten, die sich <strong>im</strong> Hoheitsgebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> EU aufhalten, auf Gemeinschaftsgrundrechte,<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auf die gemeinschaftsrechtliche Religionsfreiheit, berufen können. Betrifft eine<br />
gemeinschaftliche Maßnahme Staatsangehörige o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften aus Nicht-EU-<br />
Staaten in gleicher Weise wie <strong>Union</strong>sbürger, so müssen sich diese m.E. ebenfalls auf die<br />
individuelle und kollektive Religionsfreiheit berufen können, soweit sie in gleicher Weise wie<br />
<strong>Union</strong>sbürger durch das Gemeinschaftsrecht betroffen wer<strong>de</strong>n, da es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />
um ein elementares Grundrecht han<strong>de</strong>lt. 874 Allerdings kann die prinzipielle Gleichstellung<br />
durch Aufenthalts- bzw. Asylrechtsvorschriften, wie z.B. durch eine gemeinsame<br />
Maßnahme i.S.d. Art. 31 (ex-Art. K.3) Abs. 2 lit. b EUV, 875<br />
eingeschränkt wer<strong>de</strong>n.<br />
bb) Grundrechtsträgerschaft von Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status<br />
873 Ebenso: Robbers, Fn. 181, S. 97<br />
874 So auch Obwexer, Fn. 554, S. 65; Rengeling, Fn. 702, S. 202 m.w.N., dort Fn. 26; Wetter,<br />
Fn. 630, S. 80 f. Im <strong>de</strong>utschen Recht ergibt sich dies aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterscheidung zwischen <strong>de</strong>n<br />
elementaren Menschenrechten, auf die sich je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann berufen kann, und <strong>de</strong>n spezielleren<br />
Deutschenrechten.<br />
875 Vgl. z.B. Fn. 644; Wetter, Fn. 630, S. 81.
220<br />
Während augenfällig ist, daß juristische Personen <strong>de</strong>s Privatrechts in <strong>de</strong>n Schutzbereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
ursprünglich für natürliche Personen konzipierten Religionsfreiheit einbezogen wer<strong>de</strong>n, kann<br />
dies für Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Körperschaftsstatus nicht<br />
pauschal beantwortet wer<strong>de</strong>n.<br />
(1) Im <strong>de</strong>utschen Recht<br />
Art. 19 Abs. 3 GG <strong>de</strong>hnt die wesensmäßige Anwendbarkeit von Grundrechten mit guten<br />
Grün<strong>de</strong>n auch auf öffentlich-rechtliche Institutionen aus, sofern sich diese gegenüber <strong>de</strong>m<br />
Staat trotz ihrer öffentlich-rechtlichen Rechtsstellung in einer „grundrechtstypischen<br />
Gefährdungslage“ befin<strong>de</strong>n, d.h. wenn die Lage <strong><strong>de</strong>r</strong> juristischen Person mit <strong><strong>de</strong>r</strong> einer<br />
natürlichen Person vergleichbar ist 876 bzw. wenn sie ein „personales Subst<strong>ra</strong>t“ erkennen<br />
lassen, wovon auszugehen ist, wenn die Bildung und Betätigung <strong><strong>de</strong>r</strong> juristischen Person<br />
Ausdruck <strong><strong>de</strong>r</strong> freien Entfaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> – hinter <strong><strong>de</strong>r</strong> juristischen Person stehen<strong>de</strong>n – natürlichen<br />
Personen ist. 877<br />
Zwar gelten Grundrechte grds. nicht für juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts, da hinter<br />
ihnen nicht natürliche Personen stehen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat. 878 Der Staat – hierzu zählt auch die<br />
mittelbare Staatsverwaltung – bedarf aber „keines Schutzes vor sich selber“; er kann „nicht<br />
gleichzeitig Verpflichteter und Berechtigter <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte“ sein (sog.<br />
Konfusionsargument). 879<br />
Ausnahmsweise allerdings hält das BVerfG das personale Subst<strong>ra</strong>t auch bei juristischen<br />
Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts gegeben; und zwar dann, wenn sie „Grundrechte in einem<br />
Bereich verteidigen, in <strong>de</strong>m sie vom Staat unabhängig sind.“ 880<br />
Als Ausnahmetrias können sich nach st. Rspr. <strong>de</strong>s BVerfG neben Universitäten, die sich auf<br />
Art. 5 Abs. 3 GG stützen können, 881 und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, für die<br />
Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zur Anwendung gelangt, 882 Kirchen und Religionsgemeinschaften trotz<br />
ihres öffentlich-rechtlichen Status insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auf Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG berufen 883<br />
und<br />
876<br />
Vgl. Bethge, Fn. 444, S. 66; Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 167.<br />
877<br />
BVerfGE 21, S. 362 ff., 369; 45, S. 63 ff., 79; Pieroth/Schlink, Fn. 876, Rdnr. 167.<br />
878<br />
BVerfGE 21, S. 362 ff., 369; 68, S. 193 ff., 205.<br />
879<br />
Vgl. Bethge, Fn. 444, S. 70; Pieroth/Schlink, Fn. 876, Rdnr. 169.<br />
880<br />
BVerfGE 31, S. 314 ff., 322; 39, S. 302 ff., 314; Bethge, Fn. 444, S. 77; Pieroth/Schlink,<br />
Fn. 876, Rdnr. 173.<br />
881<br />
BVerfGE 15, S. 256 ff., 262.<br />
882<br />
BVerfGE 12, S. 205 ff.; 59, S. 231 ff., 255; 78, S. 101 ff., 102 f.<br />
883<br />
BVerfGE 18, S. 385 ff., 387; 19, S. 129 ff., 132; 83, S. 341 ff., 355.
221<br />
Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> erheben 884<br />
, da es sich hierbei um vom Staat unabhängige, sich selbst<br />
verwalten<strong>de</strong> Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts han<strong>de</strong>lt, die ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> das Grundrecht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsfreiheit realisieren sollen.<br />
(2) Im Gemeinschaftsrecht<br />
Mangels eines eigenen Grundrechtskatalogs kennt das Gemeinschaftsrecht we<strong><strong>de</strong>r</strong> durch<br />
ausdrückliche Normierung noch über die He<strong>ra</strong>nziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK eine <strong>de</strong>m Art. 19 Abs. 3 GG vergleichbare Regelung. 885<br />
Bisher mußte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH zur Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen <strong>de</strong>s öffentlichen<br />
Rechts ebenfalls noch nicht ausdrücklich Stellung beziehen. 886 Allerdings läßt sich aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gleichstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaften gemäß Art. 48 (ex-Art. 58) S. 1 EGV mit natürlichen<br />
Personen <strong><strong>de</strong>r</strong> Schluß ziehen, daß eine Aus<strong>de</strong>hnung individueller Rechtspositionen grds. auch<br />
auf juristische Personen zulässig ist. 887<br />
Entsprechen<strong>de</strong>s läßt sich aus Art. 183 (ex-Art. 132)<br />
Nr. 4 EGV ableiten.<br />
Wenn sich sogar Mitgliedstaaten in einem Über- und Unterordnungsverhältnis zur Gemeinschaft<br />
befin<strong>de</strong>n können, so daß ihnen insoweit Grundrechte zustehen müssen, 888 müssen sich<br />
erst recht Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status auf<br />
Gemeinschaftsgrundrechte berufen können, da sie diese in einem vom Mitgliedstaat<br />
unabhängigen Bereich verteidigen. Im übrigen ist <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlich-rechtliche Cha<strong>ra</strong>kter von<br />
Religionsgemeinschaften ohnehin beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Art und darf nicht über die weitgehen<strong>de</strong><br />
Unabhängigkeit von Staat und Kirche hinwegtäuschen. Insofern müssen die oben dargestellten<br />
Grundsätze <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Rechts je<strong>de</strong>nfalls entsprechend angewandt wer<strong>de</strong>n. Da außer<strong>de</strong>m<br />
Art. 9 EMRK juristische Personen in seinen Schutzbereich einbezieht, muß dieser Schutz<br />
gleichsam gemeinschaftsrechtlich über Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV gewährt wer<strong>de</strong>n. 889<br />
884<br />
BVerfGE 19, S. 5 ff.; 53, S. 386 f.<br />
885<br />
So auch Bethge, Fn. 444, S. 58 f.<br />
886<br />
Zu diesem Schluß gelangen auch Chwolik-Lanfermann, Fn. 630, S. 81; Conring, Fn. 25,<br />
S. 384; Obwexer, Fn. 554, S. 65; Rengeling, Fn. 702, S. 201; Wetter, Fn. 630, S. 80. EuGH,<br />
verb. Rs. 46/87 u. 227/88 (Hoechst AG/Kommission), Slg. 1989, S. 2859 ff., 2924,<br />
Rz. 17 f.; Rs. 136/79 (National Panasonic/ Kommission), Slg. 1980, S. 2033 ff., 2057,<br />
Rz. 19, scheinen aber für eine generelle Anwendbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte auf juristische<br />
Personen zu sprechen.<br />
887<br />
Bethge, Fn. 444, S. 59.<br />
888<br />
Vgl. die Ausführungen oben Fn. 620; Wetter, Fn. 630, S. 81 f.<br />
889<br />
So schon Bethge, Fn. 444, S. 59 m.w.N., dort Fn. 270, vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung <strong>de</strong>s Art. 6<br />
(ex-Art. F) Abs. 2 EUV.
222<br />
cc) Grundrechtsverpflichtete <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />
Die gemeinschaftsrechtliche Religionsfreiheit ist – wie dies für Gemeinschaftsgrundrechte<br />
ganz allgemein gilt – für die o.g. Grundrechtsträger pr<strong>im</strong>är in zwei Bereichen von Be<strong>de</strong>utung.<br />
Zum einen dort, wo natürliche o<strong><strong>de</strong>r</strong> juristische Personen <strong>de</strong>s Privat- o<strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Rechts<br />
als Berechtigte <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit gegenüber Handlungen von<br />
Gemeinschaftsorganen schutzbedürftig sind. Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en kommt ihr bei Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten 890 Be<strong>de</strong>utung zu, durch welche diese Gemeinschaftsrecht umsetzen bzw. <strong>im</strong><br />
Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts tätig wer<strong>de</strong>n. 891<br />
(1) Gemeinschaftsorgane als pr<strong>im</strong>ärer Adressat <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />
Rechtshandlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane selbst, wie z.B. die Rechtsetzung durch <strong>de</strong>n Rat<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> die gemeinschaftsunmittelbare Vollziehung <strong>im</strong> Wettbewerbsrecht, müssen sich<br />
ausschließlich an <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit messen lassen. 892 Die<br />
Religionsfreiheit, wie sie beispielsweise <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG bzw.<br />
Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 – 139 und 141 WRV gewährt wird, ist hier nicht relevant, da die<br />
Gemeinschaftsorgane nicht an nationale Verfassungsprinzipien o<strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte gebun<strong>de</strong>n<br />
sind und <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Einhaltung dieser Vorschriften somit nicht überprüft. 893<br />
(2) Mitgliedstaaten als Adressaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />
(i) Rein nationales Tätigwer<strong>de</strong>n ohne gemeinschaftsrechtlichen Bezug<br />
Der EuGH hat in ständiger Rechtsprechung 894<br />
festgestellt, daß sich eine gemeinschaftsrechtliche<br />
Grundrechtskontrolle nicht auf Sachverhalte erstreckt, für die das innerstaatliche Recht<br />
gilt. Soweit also eine <strong><strong>de</strong>r</strong> drei Staatsgewalten <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten in einem Bereich tätig wird,<br />
890<br />
Der Begriff <strong>de</strong>s „Mitgliedstaats“ ist jedoch gemeinschaftsrechtlich weit auszulegen. So<br />
müssen sich auch öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaften als Teil <strong>de</strong>s Mitgliedstaats<br />
behan<strong>de</strong>ln lassen, vgl. hierzu die Ausführungen unten J.V.<br />
891<br />
So schon Pescatore, Fn. 630, S. 65 ff.<br />
892<br />
So i.R.d. allgemeinen Grundrechtsdogmatik Rengeling, Fn. 702, S. 199.<br />
893<br />
EuGH, verb. Rs. 97 – 99/87 (Dow Chemical Ibérica SA u.a./Kommission), Slg. 1989,<br />
S. 3165 ff., 3191, Rz. 38; Wetter, Fn. 630, S. 83 f.<br />
894<br />
EuGH, Rs. 149/77 (Defrenne/Sabena), Slg. 1978, S. 1365 ff.; ebenso EuGH, verb. Rs. 60 u.<br />
61/84 (Cinéthèque SA/Fédé<strong>ra</strong>tion nationale <strong>de</strong>s cinémas f<strong>ra</strong>nçais), Slg. 1985, S. 2605 ff.,<br />
Rz. 26; Rs. C-299/95 (Friedrich Kremzow/Republik Österreich), Slg. 1997, S. I-2629 ff.,<br />
2645, Rz. 15 f. = EuGRZ 1997, S. 247 ff.; Rs. C-309/96 (Daniele Annibaldi/Sindaco <strong>de</strong>l<br />
Commune di Guidonia u.a.), Slg. 1997, S. I-7493 ff., 7512, Rz. 24 = EuR 1998, S. 195 ff.
223<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> „mit keinem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist“ 895 , so ist nicht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Umfang <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr <strong><strong>de</strong>r</strong> Rahmen<br />
maßgeblich, <strong><strong>de</strong>r</strong> durch die verschie<strong>de</strong>nen mitgliedstaatlichen Verfassungen, z.B. Art. 4 Abs. 1,<br />
Abs. 2 GG und durch völkerrechtliche Verpflichtungen, z.B. Art. 9 EMRK, Art. 18 IPbpR<br />
abgesteckt ist, wobei diese Beurteilung <strong>de</strong>n nationalen Gerichten obliegt. 896<br />
Dieser Bereich<br />
n<strong>im</strong>mt jedoch in umgekehrt proportionalem Maße ab, in <strong>de</strong>m die gemeinschaftsrechtlichen<br />
Kompetenzen ausgeweitet wer<strong>de</strong>n. Für weite Bereiche <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s, <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten<br />
Steuern, <strong>de</strong>s Kultursektors o<strong><strong>de</strong>r</strong> das gesamte Staatsangehörigkeitsrecht beispielsweise muß bei<br />
gegenwärtigem Integ<strong>ra</strong>tionsstand ein gemeinschaftsrechtlicher Bezug noch verneint wer<strong>de</strong>n.<br />
(ii) Vollzug von Gemeinschaftsrecht durch die Mitgliedstaaten<br />
Im Regelfall wird Gemeinschaftsrecht nicht von <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen selbst, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
durch die drei Staatsgewalten <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten vollzogen. So wer<strong>de</strong>n EG-Richtlinien durch<br />
mitgliedstaatliche Parlamente in nationale Gesetze umgesetzt, gemeinschaftsrechtliche<br />
Verordnungen und (umgesetzte) Richtlinien durch mitgliedstaatliche Behör<strong>de</strong>n und Gerichte<br />
angewandt. Hierbei unterschei<strong>de</strong>t man zwischen <strong>de</strong>m sog. unmittelbaren Vollzug <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />
durch Verordnungen und <strong>de</strong>m sog. mittelbaren Vollzug durch<br />
Richtlinienumsetzung.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Wachauf 897 stellte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Vollzug einer<br />
landwirtschaftlichen Marktordnung, die <strong>im</strong> Verordnungswege erging, klar, daß die<br />
Mitgliedstaaten bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchführung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen<br />
Grundrechtsschutz beachten müssen. Diese Rechtsprechung wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. G<strong>ra</strong>ff 898<br />
bestätigt. Auch wenn es zunächst f<strong>ra</strong>glich erscheinen mag, ob sich diese Rechtsprechung auf<br />
<strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen Vollzug gemeinschaftlichen Sekundärrechts <strong>im</strong> allgemeinen bezieht<br />
und damit auch <strong>de</strong>n wichtigen Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinienumsetzung erfaßt, zumal es <strong>im</strong> letzteren<br />
895<br />
Vgl. EuGH, verb. Rs. C-225/95 bis 227/95 (Anestis Kapasakalis u.a./Griechischer Staat),<br />
Slg. 1998, S. I-4239 ff., 4250, Rz. 24.<br />
896<br />
Allgemein: Rodríguez Iglesias, Fn. 654, S. 143; Wetter, Fn. 630, S. 84 m.w.N.<br />
897<br />
EuGH, Rs. 5/88 (Hubert Wachauf/Bun<strong>de</strong>samt für Ernährung und Forstwirtschaft),<br />
Slg. 1989, S. 2609 ff., 2639 f., Rz. 19: „Da auch die Mitgliedstaaten diese Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse<br />
[<strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsrechtsordnung] bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchführung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gemeinschaftlichen Regelungen zu beachten haben, müssen sie diese, soweit irgend<br />
möglich, in Übereinst<strong>im</strong>mung mit diesen Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen anwen<strong>de</strong>n.“<br />
898<br />
EuGH, Rs. C-351/92 (Manfred G<strong>ra</strong>ff/Hauptzollamt Köln-Rheinau), Slg. 1994, S. I-3361 ff.,<br />
3379, Rz. 17.
224<br />
Bereich bisher an ein<strong>de</strong>utigen Stellungnahmen <strong>de</strong>s EuGH mangelt, 899 muß <strong>de</strong>nnoch von einer<br />
grundsätzlichen Geltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte auch i.R.d. Richtlinienumsetzung<br />
durch die Mitgliedstaaten ausgegangen wer<strong>de</strong>n, da <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH sogar bei mitgliedstaatlichen<br />
Rechtshandlungen mit geringerem Gemeinschaftsbezug die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaftsgrundrechte bejaht und die Richtlinienumsetzung <strong>de</strong>n Hauptanwendungsfall<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Durchführung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts darstellt. 900 Für das <strong>Religionsrecht</strong> relevante<br />
Richtlinien sind z.B. die Fernsehrichtlinie 901 , die Arbeitszeitrichtlinie 902 und die<br />
Datenschutzrichtlinie 903<br />
.<br />
Soweit diese Richtlinien von Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten durch nationale Gesetze umgesetzt<br />
und angewandt wer<strong>de</strong>n, muß bei Konflikten mit religionsrechtlichen Belangen grundsätzlich<br />
nicht die durch nationales Verfassungsrecht gewährleistete Religionsfreiheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die<br />
gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Religionsfreiheit als Prüfungsmaßstab he<strong>ra</strong>ngezogen<br />
wer<strong>de</strong>n. 904<br />
Vor allem <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Vollzugs von Gemeinschaftsrecht durch die Mitgliedstaaten tritt das<br />
Spannungsfeld zwischen nationaler und gemeinschaftsrechtlicher Rechtsprechungskompetenz<br />
<strong>de</strong>utlich zutage. F<strong>ra</strong>glich ist, ob nationale Verfassungsgerichte noch befugt sind, eine<br />
Verletzung nationaler Grundrechte durch eine gemeinschaftsrechtliche Verordnung o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Richtlinie festzustellen o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob diese F<strong>ra</strong>ge allein vom EuGH anhand <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />
beantwortet wer<strong>de</strong>n darf. Soweit die Richtlinie <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten einen eigenen<br />
Gestaltungsspiel<strong>ra</strong>um beläßt, können nationale Verfassungsgerichte Grundrechtsverletzungen<br />
m.E. nach wie vor aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Grundrechte beurteilen. 905<br />
899<br />
Vgl. hierzu Wetter, Fn. 630, S. 93. So hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH auch <strong>im</strong> Gutachten 2/94 (EMRK), Slg.<br />
1996, S. I-1759 ff., 1789, Rz. 34, nur ausgeführt, daß die „Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte<br />
eine Vo<strong>ra</strong>ussetzung für die Rechtmäßigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft“ sei. Auch<br />
die vielen Urteile i.R.d. Bananenmarktordnung bet<strong>ra</strong>fen wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um nur Verordnungen.<br />
900<br />
So <strong>im</strong> Ergebnis auch Ruffert, Fn. 691, S. 527 f.; Obwexer, Fn. 554, S. 72 f.; Rengeling,<br />
Fn. 702, S. 190, m.w.N., dort Fn. 17.<br />
901<br />
Einzelheiten hierzu unten K.VI.2.<br />
902<br />
Einzelheiten hierzu unten K.V.2.a).<br />
903<br />
Einzelheiten hierzu unten K.III.5.c).<br />
904<br />
Allgemein: Obwexer, Fn. 554, S. 70.<br />
905<br />
So auch Arndt, Europarecht, 3. Aufl. 1998, S. 74; Nicolaysen, Fn. 543, S. 220 f.; Rengeling,<br />
Fn. 702, S. 190; a.A. Ruffert, Fn. 691, S. 528, unter Hinweis auf das St<strong>im</strong>mverhalten <strong>de</strong>s<br />
Vertreters <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaats <strong>im</strong> Rat hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>bschiedung <strong>de</strong>s<br />
Rechtsaktes. Eine <strong><strong>de</strong>r</strong>art weitgehen<strong>de</strong> Selbstbindung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Rat vereinigten Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten ist jedoch abzulehnen, s.o. D.IV.5.
225<br />
Für <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Vollzug von Richtlinien und Verordnungen<br />
gelangen die Gemeinschaftsgrundrechte zur Anwendung. Die Rechtsprechungskompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
nationalen Verfassungsgerichte beschränkt sich aufgrund <strong>de</strong>s Anwendungsvor<strong>ra</strong>ngs <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts auf ult<strong>ra</strong> vires-Akte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft sowie wesentliche Unterschreitungen<br />
<strong>de</strong>s nationalen Grundrechtsstandards i.S.d. Solange-Rechtsprechung. 906<br />
(iii) Sonstige mitgliedstaatliche Rechtshandlungen mit Gemeinschaftsbezug, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Ausnahmeregelungen zu <strong>de</strong>n Grundfreiheiten<br />
Diese Fallgruppe beschäftigt sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong> Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten an<br />
Gemeinschaftsgrundrechte, soweit diese <strong>im</strong> nationalen Bereich tätig wer<strong>de</strong>n, ohne dabei<br />
Gemeinschaftsrecht zu vollziehen, trotz<strong>de</strong>m aber ein gewisser Bezug zu gemeinschaftsrechtlichen<br />
Regelungsmaterien, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e zu <strong>de</strong>n Grundfreiheiten, vorhan<strong>de</strong>n ist.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Rutili 907 belegten f<strong>ra</strong>nzösische Behör<strong>de</strong>n einen italienischen Staatsangehörigen mit<br />
einem Aufenthaltsverbot, wobei diese unbestreitbar kein Gemeinschaftsrecht ausführten,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auf eine Ausnahmebest<strong>im</strong>mung aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung,<br />
Sicherheit o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheit i.S.d. Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 3 EGV beriefen. Der EuGH führte<br />
in <strong>de</strong>m Urteil aus, daß die Mitgliedstaaten nur solche Beschränkungen auferlegen dürften, die<br />
<strong>de</strong>n Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen <strong>de</strong>s nationalen wie auch <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts – und damit auch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaftsgrundrechte – entsprächen und verwies in diesem Zusammenhang auf die in<br />
<strong>de</strong>n Absätzen 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 8 – 11 EMRK enthaltenen Grundrechtssch<strong>ra</strong>nken. 908 Allerdings wird<br />
in <strong>de</strong>m Urteil die Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten zur Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />
nicht explizit angesprochen. 909<br />
<strong>Das</strong> Urteil in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Cinéthèque 910<br />
hat Kritik hervorgerufen, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine nationale<br />
Rechtsvorschrift, durch welche <strong><strong>de</strong>r</strong> innergemeinschaftliche Han<strong>de</strong>l mit Vi<strong>de</strong>okassetten<br />
906<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen oben C.IV.2.d).<br />
907<br />
EuGH, Rs. 36/75 (Rutili/Kommission), Slg. 1975, S. 1219 ff., 1231 f.<br />
908<br />
EuGH, Rs. 36/75, Fn. 907, S. 1232; Wetter, Fn. 630, S. 86 f.<br />
909<br />
Die Entscheidung <strong>de</strong>s EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Rutili, ve<strong>ra</strong>nlaßte GA T<strong>ra</strong>bucchi in seinen<br />
Schlußanträgen zur Rs 118/75 (Lynne Watson und Alessandro Belmann), Slg. 1976,<br />
S. 1185 ff., 1207, Ziff. 5, zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Aussage: „Der Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte ist also<br />
gemeinschaftsrechtlich auch <strong>im</strong> Verhältnis zu <strong>de</strong>n Staaten von Be<strong>de</strong>utung, soweit das<br />
geltend gemachte Grundrecht mit einem Rechtsverhältnis o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer Rechtslage verknüpft<br />
ist, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Regelung <strong>de</strong>n spezifischen Gegenstand <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs ausmacht.“; vgl. hierzu<br />
Ruffert, Fn. 691, S. 521.<br />
910<br />
EuGH, verb. Rs. 60 u. 61/84 (Cinéthèque SA/Fédé<strong>ra</strong>tion nationale <strong>de</strong>s cinémas f<strong>ra</strong>nçais),<br />
Slg. 1985, S. 2605 ff.
226<br />
behin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong>, vom Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Art. 28 (ex-Art. 30) EGV ausschloß. 911<br />
Ungeachtet <strong>de</strong>ssen ist je<strong>de</strong>nfalls die auf dieser Prämisse aufbauen<strong>de</strong> weitere Aussage <strong>de</strong>s<br />
EuGH konsequent:<br />
„Der Gerichtshof hat zwar für die Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />
zu sorgen; er kann jedoch nicht prüfen, ob ein nationales Gesetz, das wie <strong>im</strong><br />
vorliegen<strong>de</strong>n Fall zu einem Bereich gehört, <strong><strong>de</strong>r</strong> in das Ermessen <strong>de</strong>s nationalen Gesetzgebers<br />
fällt, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Menschenrechtskonvention vereinbar ist.“ 912<br />
Dieses Urteil muß restriktiv dahingehend verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß nur dort, wo ein Bezug zum<br />
Gemeinschaftsrecht <strong>de</strong>finitiv ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n kann, Gemeinschaftsgrundrechte – wie<br />
sonstiges Gemeinschaftsrecht auch – nicht zur Anwendung gelangen. In diesem Fall gelten<br />
jedoch nationale Grundrechtsbest<strong>im</strong>mungen sowie die sich für die Mitgliedstaaten aufgrund<br />
ihrer Stellung als Vert<strong>ra</strong>gsstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK ergeben<strong>de</strong>n Verpflichtungen fort.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Demirel griff <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Formel aus <strong>de</strong>m Urteil Cinéthèque wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf 913 und<br />
stellte zusätzlich klar, daß keine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift existiere, durch welche<br />
die Vo<strong>ra</strong>ussetzungen für die Familienzusammenführung von in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft rechtmäßig<br />
wohnen<strong>de</strong>n türkischen Arbeitnehmern festgelegt wür<strong>de</strong>n. Die strittige nationale Regelung<br />
diene somit nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchführung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift. Durch<br />
letztgenannte Formulierung erkennt <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH argumentum e cont<strong>ra</strong>rio an, daß nationale<br />
Regelungen, die Gemeinschaftsrecht vollziehen, in <strong>de</strong>n Schutzbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />
fallen. 914 Diese Rechtsprechung hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Wachauf 915<br />
ausdrücklich aufgegriffen.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. ERT 916<br />
beschäftigte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH mit einer griechischen Regelung, durch welche<br />
ein nationales Fernsehmonopol aufrechterhalten und die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungsfreiheit eingeschränkt<br />
wur<strong>de</strong>. Der Gerichtshof faßte hier nochmals zusammen, daß eine nationale Regelung, welche<br />
in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts falle, mit <strong>de</strong>n Gemeinschaftsgrund-<br />
911 Allerdings rechtfertigt sich diese Rechtsprechung, die übrigens kein Einzelfall geblieben ist,<br />
vgl. die Ausführungen von GA van Gerven in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. C-145/88 (Torfaen Borough<br />
Council/B & Q plc), Slg. 1989, S. I-3851 ff., 3874, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Uferlosigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Das</strong>sonville-<br />
Formel. Sie kann insoweit als Wegbereiter <strong><strong>de</strong>r</strong> Keck-Formel angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />
912<br />
EuGH, verb. Rs. 60 u. 61/84, Fn. 910, S. 2627, Rz. 26.<br />
913<br />
EuGH, Rs. 12/86 (Demirel/Stadt Schwäbisch-Gmünd), Slg. 1987, S. 3719 ff., 3754, Rz. 28.<br />
914<br />
Vgl. Rodríguez Iglesias, Fn. 654, S. 143.<br />
915<br />
EuGH, Rs. 5/88, Fn. 897, Rz. 19.<br />
916<br />
EuGH, Rs. C-260/89 (Elliniki Radiophonia Tileo<strong>ra</strong>ssi Anon<strong>im</strong>i Etairia/D<strong>im</strong>otiki Etairia<br />
Pliroforisis), Slg. 1991, S. I-2925 ff. = EuZW 1991, S. 507.
227<br />
rechten vereinbar sein müsse. Ausdrücklich anerkannte er überdies die Kompetenz nationaler<br />
Gerichte zur Beurteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Regelung mit <strong>de</strong>n Gemeinschaftsgrundrechten<br />
aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> diesen von ihm an die Hand gegebenen Auslegungskriterien. 917<br />
Der Rs. Grogan 918 lag die Beurteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsf<strong>ra</strong>ge zugrun<strong>de</strong>, inwieweit durch eine irische<br />
Gesetzesbest<strong>im</strong>mung, die es untersagte, Werbung für Abtreibungskliniken außerhalb Irlands<br />
zu betreiben, das gemeinschaftsrechtliche Grundrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Meinungsäußerung von irischen<br />
Stu<strong>de</strong>nten verletzt sein könne, die unentgeltlich Werbematerial für englische Abtreibungskliniken<br />
verteilen wollten. Der EuGH verneinte hier jedoch seine Zuständigkeit zur<br />
Beurteilung dieser F<strong>ra</strong>ge elegant mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung, daß die unentgeltliche Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Stu<strong>de</strong>nten überhaupt keine grenzüberschreiten<strong>de</strong> Dienstleistung für die Abtreibungskliniken<br />
darstelle. Daher könne die nationale Regelung nicht am Maßstab <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />
als allgemeiner Rechtsgrundsatz geschützten Meinungsfreiheit gemessen wer<strong>de</strong>n. 919<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Kommission/Deutschland 920 schließlich, in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH über eine Arzne<strong>im</strong>ittel<strong>im</strong>porte<br />
beschränken<strong>de</strong> nationale Regelung zu entschei<strong>de</strong>n hatte, stellte dieser wie schon in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. ERT fest, daß diese <strong>im</strong> Lichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte (<strong><strong>de</strong>r</strong> Arne<strong>im</strong>ittel<strong>im</strong>porteure) auszulegen<br />
sei, fügte jedoch als Novum hinzu, daß auch die gemeinschaftlichen Grundrechtssch<strong>ra</strong>nken<br />
für nationale Maßnahmen <strong>im</strong> Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur Anwendung gelangten. 921<br />
Vor kurzem hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH erneut in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Familiapress 922 auf die ERT-Rechtsprechung<br />
Bezug genommen, wonach ein nationaler Rechtfertigungsgrund als Ausnahme von einer<br />
Grundfreiheit seinerseits <strong>im</strong> Lichte <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Grundrechte auszulegen sei. 923<br />
917<br />
EuGH, Rs. C-260/89, Fn. 916, S. I-2964, Rz. 42 f.<br />
918<br />
EuGH, Rs. C-159/90 (Society for the Protection of Unborn Children Ireland/Stephen<br />
Grogan), Slg. 1991, S. I-4685 ff.<br />
919<br />
EuGH, Rs. C-159/90, Fn. 918, S. I-4741, Rz. 31.<br />
920<br />
EuGH, Rs. C-62/90 (Kommission/Deutschland), Slg. 1992, S. I-2575 ff., Rz. 23 f.<br />
921<br />
EuGH, Rs. C-62/90, Fn. 920, S. I-2609, Rz. 24: „Diese [Grund-]Rechte beanspruchen<br />
jedoch keine uneingeschränkte Geltung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n können Beschränkungen unterworfen<br />
wer<strong>de</strong>n, sofern diese Beschränkungen tatsächlich <strong>de</strong>m Gemeinwohl dienen<strong>de</strong>n Zielen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft entsprechen und nicht einen <strong>im</strong> Hinblick auf <strong>de</strong>n verfolgten Zweck<br />
unverhältnismäßigen, nicht t<strong>ra</strong>gbaren Eingriff darstellen, <strong><strong>de</strong>r</strong> die so gewährleisteten Rechte<br />
in ihrem Wesensgehalt antastet.“<br />
922<br />
EuGH, Rs. C-368/95 (Vereinigte Familiapress Zeitungsverlags- und vertriebs GmbH/<br />
Heinrich Bauer Verlag), Slg. 1997, S. I-3689 ff., 3717, Rz. 24 = EuZW 1997, S. 470 ff. =<br />
EuGRZ 1997, S. 344 ff.<br />
923<br />
EuGH, Rs. C-260/89, Fn. 916, Rz. 43.
228<br />
Hätte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Rs. van Duyn 924<br />
heute nochmals zu entschei<strong>de</strong>n, kann davon<br />
ausgegangen wer<strong>de</strong>n, daß er die gemeinschaftsrechtliche Religionsfreiheit wahrscheinlich<br />
ebenfalls als Prüfungsmaßstab für die nationale Ausnahmebest<strong>im</strong>mung i.S.d. Art. 39 (ex-Art.<br />
48) Abs. 3 EGV angeführt hätte.<br />
F<strong>ra</strong>glich ist, ob die Gemeinschaftsgrundrechte die Mitgliedstaaten <strong>im</strong>mer schon dann bin<strong>de</strong>n,<br />
wenn ein <strong>Union</strong>sbürger sich zu Erwerbszwecken in einen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaat begibt. 925<br />
Eine solche Auslegung ist unter Zugrun<strong>de</strong>legung <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten<br />
Einzelermächtigung kritisch zu beurteilen, weil sie weit über die Rechte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Union</strong>sbürgerschaft i.S.d. Art. 17 (ex-Art. 8) ff. EGV hinausreicht. Die<br />
924<br />
EuGH, Rs. 41/74, s.o. C.II.2.<br />
925<br />
Der GA Jacobs for<strong><strong>de</strong>r</strong>te dies in seinen Schlußanträgen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. C-168/91 (Christos<br />
Konstantinidis), Slg. 1993, S. I-1198 ff., 1211, Rz. 46. Ein <strong>de</strong>utsches Stan<strong>de</strong>samt hatte <strong>de</strong>n<br />
griechischen Vornamen Χρηστοζ <strong>de</strong>s Ant<strong>ra</strong>gstellers nicht, wie beant<strong>ra</strong>gt, in „Christos“,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in „Hréstos“ t<strong>ra</strong>nskribiert, worin dieser eine Verletzung seines Namensrechts als<br />
Teil <strong>de</strong>s Persönlichkeitsrechts und auch seiner Religionsfreiheit sah, da sein Name<br />
„Christos“ auf seinen christlichen Glauben hinweisen sollte. Der Gerichtshof ging in seinem<br />
Urteil allerdings weniger auf die Religionsfreiheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr auf<br />
Art. 43 (ex-Art. 52) EGV ein, <strong><strong>de</strong>r</strong> einer T<strong>ra</strong>nskription in <strong><strong>de</strong>r</strong> Weise entgegenstehe, die eine<br />
Verwechslungsgefahr schaffe.<br />
GA Jacobs hatte in seinen Schlußanträgen zuvor <strong>de</strong>n Standpunkt vertreten, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Union</strong>sbürger, „wohin er sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft zu Erwerbszwecken auch<br />
begibt, stets <strong>im</strong> Einklang mit einer gemeinsamen Ordnung von Grundwerten behan<strong>de</strong>lt<br />
wird, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>de</strong>nen, die in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Menschenrechtskonvention nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegt<br />
sind. Mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Worten, er ist berechtigt, zu sagen „civis europaeus sum“ und sich auf<br />
diesen Status zu berufen, um sich je<strong><strong>de</strong>r</strong> Verletzung seiner Grundrechte zu wi<strong><strong>de</strong>r</strong>setzen.“<br />
Dem wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sp<strong>ra</strong>ch GA Gulmann in seinen Schlußanträgen zum Urteil <strong>de</strong>s EuGH, Rs. C-2/92<br />
(The Queen/Ministry of Agriculture, Fisheries and Food, ex parte: Dennis Clifford<br />
Bostock), Slg. 1994, S. I-958 ff., 972, Rz. 33: „Daß als Folge <strong>de</strong>s Erlasses von<br />
Gemeinschaftsbest<strong>im</strong>mungen ein rechtliches Problem auftaucht, kann meines E<strong>ra</strong>chtens<br />
nicht für sich allein dazu führen, daß die Lösung, die die nationalen Behör<strong>de</strong>n für ein<br />
Problem fin<strong>de</strong>n, zwangsläufig die <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht gelten<strong>de</strong>n Grundrechte beachten<br />
muß. Solche Probleme können und müssen zunächst innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Rechtssysteme<br />
in Übereinst<strong>im</strong>mung mit <strong>de</strong>n Lösungen entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, die in <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten auf entsprechen<strong>de</strong> Probleme, die durch nationale Rechtsvorschriften<br />
entstan<strong>de</strong>n sind, angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.“ In bei<strong>de</strong>n Fällen ist <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH jedoch nicht auf die<br />
umfangreichen und dogmatisch interessanten Schlußanträge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gene<strong>ra</strong>lanwälte eingegangen,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n hat lediglich seine Wachauf-Rechtsprechung wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt.
229<br />
Gemeinschaftsgrundrechte kommen jedoch nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH nicht nur bei<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Durchführung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ausnahmeregelungen zu <strong>de</strong>n Grundfreiheiten zur Anwendung. Wenn die Grundfreiheiten nun<br />
durch das Urteil in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Sala 926 <strong><strong>de</strong>r</strong>art ausge<strong>de</strong>hnt wur<strong>de</strong>n, daß sich je<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>sbürger, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
sich rechtmäßig <strong>im</strong> Gebiet <strong>de</strong>s Aufnahmemitgliedstaats aufhält, in allen vom sachlichen<br />
Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts erfaßten Fällen auf Art. 12 (ex-Art. 6) EGV<br />
berufen kann, müßten die Gemeinschaftsgrundrechte als Begrenzung mitgliedstaatlicher<br />
Rechtsvorschriften aber konsequenterweise in diesem Falle maßgeblich sein. 927<br />
Die Anwendung von Gemeinschaftsgrundrechten wie <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen<br />
Religionsfreiheit in bezug auf nationale Ausnahmevorschriften von Grundfreiheiten aufgrund<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 30 (ex-Art. 36), Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 3, Art. 46 (ex-Art. 56), und Art. 55<br />
(ex-Art. 66) EGV bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> „zwingen<strong>de</strong>n Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse“ i.S.d. Cassis-Rechtsprechung zu<br />
Art. 28 (ex-Art. 30) EGV o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m „überwiegen<strong>de</strong>n Allgemeininteresse“ i.R.d.<br />
Art. 49 (ex-Art. 59) EGV ist <strong>im</strong> Ergebnis je<strong>de</strong>nfalls sinnvoll, da die meist zur Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
öffentlichen Sicherheit und Ordnung erlassenen nationalen Ausnahmevorschriften <strong>im</strong><br />
Regelfall grundrechtssensible Bereiche berühren. 928<br />
(3) Private als Adressaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />
(i) Unmittelbare Drittwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte?<br />
Der EuGH hat bisher ebenfalls noch nicht entschie<strong>de</strong>n, ob Grundrechte auch <strong>im</strong><br />
Privatrechtsverkehr gelten und ihnen damit eine unmittelbare Drittwirkung zukommt.<br />
Da Private kein Gemeinschaftsrecht vollziehen und <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine horizontale Wirkung von<br />
Richtlinien nicht anerkennt, kommen Individuen als Grundrechtsadressaten jedoch nicht in<br />
Bet<strong>ra</strong>cht. Damit ist eine unmittelbare Drittwirkung von Gemeinschaftsgrundrechten – <strong>im</strong><br />
Gegensatz zu <strong>de</strong>n Grundfreiheiten – nicht anzuerkennen.<br />
926 Einzelheiten s.o. Fn. 623.<br />
927 Probleme könnte <strong><strong>de</strong>r</strong> weite Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte jedoch<br />
durch eine Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>diskr<strong>im</strong>inierung infolge einer Besserstellung von <strong>Union</strong>sbürgern<br />
gegenüber Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>n bereiten. <strong>Das</strong> Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>diskr<strong>im</strong>inierungsverbot ist dort zu beachten,<br />
wenn min<strong>de</strong>stens zwei mitgliedstaatliche Märkte betroffen sind o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn die Elemente<br />
einer Grundfreiheit über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, vgl. Hammerl,<br />
Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>diskr<strong>im</strong>inierung, Berlin 1997, S. 151 f., mit EuGH-Zitaten dort in Fn. 62;<br />
Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 1058.<br />
928 Vgl. auch Rodríguez Iglesias, Fn. 654, S. 144.
230<br />
(ii) Unmittelbare Drittwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten<br />
Der EuGH erstreckt <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Grundfreiheiten auf private Einrichtungen, soweit diesen autonome Regelungsbefugnisse<br />
gegenüber einzelnen zustehen und sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage sind, die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten<br />
einzuschränken (sog. unmittelbare Drittwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten). 929<br />
(iii) Anwendbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Einschränkung von drittwirken<strong>de</strong>n<br />
Grundfreiheiten<br />
Wie soeben festgestellt wur<strong>de</strong>, sind Gemeinschaftsgrundrechte i.R.d. Schutzklauseln und<br />
„zwingen<strong>de</strong>n Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse“ anwendbar, mit <strong>de</strong>nen sich ein Staat auf eine Ausnahme von <strong>de</strong>n<br />
Grundfreiheiten berufen will. Gleiches muß auch gegenüber privatrechtlich organisierten<br />
Einrichtungen wie Kirchen und Religionsgemeinschaften gelten, sofern durch diese<br />
Regelungen erlassen wer<strong>de</strong>n, welche die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten einzuschränken<br />
drohen.<br />
In diesem Fall müssen Kirchen und Religionsgemeinschaften daher <strong>im</strong> Anwendungsbereich<br />
<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts – v.a. <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeit – Gemeinschaftsgrundrechte<br />
ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Individuen beachten. Damit können sie in <strong>de</strong>m eben<br />
beschriebenen Verhältnis auch Grundrechtsverpflichtete sein. 930<br />
Für öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaften ergibt sich eine Bindung an die Gemeinschaftsgrundrechte<br />
in je<strong>de</strong>m Fall dort, wo sie – wie z.B. be<strong>im</strong> Kirchensteuereinzug – hoheitlich<br />
tätig wer<strong>de</strong>n, 931 sofern sie nicht generell zur Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />
verpflichtet sind. 932<br />
929<br />
EuGH, Rs. 36/74 (Wal<strong>ra</strong>ve u. Koch/Association <strong>Union</strong> Cycliste Internationale u.a.),<br />
Slg. 1974, S. 1405 ff.; Rs. 43/75 (Defrenne/Sabena), Slg. 1976, S. 455 ff., 474, Rz. 21/24;<br />
Rs. 13/76 (Donà/Mantero), Slg. 1976, S. 1333 ff.; Rs. C-415/93 (<strong>Union</strong> royale belge <strong>de</strong>s<br />
sociétés <strong>de</strong> football association ASBL/Bosman, Royal club liégeois SA/Bosman u.a.),<br />
Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rz. 82 f.; Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 804, 1057; Wetter,<br />
Fn. 630, S. 100 ff.<br />
930<br />
Ebenso Bleckmann, Fn. 310, S. 24, sowie Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 319, S. 193, <strong><strong>de</strong>r</strong> eine<br />
Horizontalwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte damit begrün<strong>de</strong>t, daß sich die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
in diesem Fall nicht auf nationale Grundrechte berufen könnten, da das Rechtsverhältnis<br />
<strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht unterliegt.<br />
931<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen unten J.III.3.<br />
932<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen unten J.V.
231<br />
dd) Zusammenfassung<br />
Grundrechtsträger <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit sind neben Individuen und<br />
juristischen Personen <strong>de</strong>s Privatrechts grundsätzlich auch Drittstaatsangehörige sowie<br />
Kirchenkörperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts. Als Grundrechtsverpflichtete <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen<br />
Religionsfreiheit sind neben <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen selbst die<br />
Mitgliedstaaten zu nennen, soweit diese Gemeinschaftsrecht vollziehen und ihnen kein<br />
eigener Gestaltungsspiel<strong>ra</strong>um belassen wird. Ferner muß eine nationale Rechtsvorschrift als<br />
Ausnahmebest<strong>im</strong>mung einer Grundfreiheit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit<br />
vereinbar sein. Auch wenn Private grds. keine Adressaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte sein<br />
können, haben sie diese zu beachten, soweit sie sich <strong>im</strong> Rahmen einer unmittelbar<br />
drittwirken<strong>de</strong>n Grundfreiheit auf eine Ausnahmevorschrift berufen wollen. Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften sind – je nach Ausgestaltung ihres Rechtsstatus – wie Mitgliedstaaten<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber wie Private zu behan<strong>de</strong>ln.<br />
b) Sachlicher Schutzbereich<br />
aa) Individuelle Religionsfreiheit<br />
Der Verweis in Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV stellt sicher, daß die individuelle Religionsfreiheit<br />
auf Gemeinschaftsebene zu achten ist. Als Hauptquellen sind hier die gemeinsamen<br />
Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten als auch Art. 9 Abs. 1 EMRK zu nennen, die<br />
bei<strong>de</strong> die individuelle Religionsfreiheit gewährleisten. Es kann hier auf die obigen Ausführungen<br />
verwiesen wer<strong>de</strong>n. 933<br />
bb) Kollektive Religionsfreiheit<br />
(1) Entwicklung aus Struktur und Zielen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft?<br />
Rüdiger Stotz 934<br />
leitet die kollektive Religionsfreiheit aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Überlegung her, daß sich<br />
Grundrechte in die Struktur und Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft einfügen müßten und nennt in diesem<br />
Zusammenhang die Kirchenerklärung. Allerdings ist höchst f<strong>ra</strong>glich, ob die Kirchenerklärung<br />
933<br />
Zur individuellen Religionsfreiheit i.R.d. Art. 9 EMRK s.o. E.III.2.a); i.R.d. gemeinsamen<br />
Verfassungsüberlieferungen s.o. E.II.4.<br />
934<br />
Stotz, Fn. 92, S. 737.
232<br />
Ziele o<strong><strong>de</strong>r</strong> Struktur <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft prägt, zumal sie nicht einmal zum verbindlichen<br />
Pr<strong>im</strong>ärrecht zählt. Unter He<strong>ra</strong>nziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgabenbeschreibung <strong>de</strong>s Art. 2 (ex-Art. 2) EGV<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Tätigkeitskatalogs <strong>de</strong>s Art. 3 (ex-Art. 3) EGV gelangt man ebenfalls nicht zur<br />
korpo<strong>ra</strong>tiven Religionsfreiheit, es sei <strong>de</strong>nn, die Kirchenerklärung wür<strong>de</strong> unter <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
„Kultur“ i.S.d. Art. 3 lit. q (ex-Art. 3 lit. p) EGV subsumiert, was oben 935<br />
ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> abgelehnt<br />
wur<strong>de</strong>. Im übrigen erscheint es zweifelhaft, ob die Kirchenerklärung überhaupt <strong>de</strong>n<br />
korpo<strong>ra</strong>tiven Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen schützen will. Sie läßt die mitgliedstaatlichen Systeme<br />
vielmehr unberührt; in <strong>de</strong>njenigen Mitgliedstaaten, in <strong>de</strong>nen Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
bislang kein korpo<strong>ra</strong>tiver Status zuerkannt wor<strong>de</strong>n war, wird er nicht etwa<br />
infolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung geschaffen.<br />
(2) Der korpo<strong>ra</strong>tive Status über Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />
Existenz und Inhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> kollektiven Religionsfreiheit auf Gemeinschaftsebene leiten sich –<br />
mangels eines eigenen Grundrechtskataloges <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft – aus <strong>de</strong>n gemeinsamen<br />
mitgliedstaatlichen Verfassungsüberlieferungen 936 sowie <strong>de</strong>m Wortlaut und <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung<br />
<strong>de</strong>s Art. 9 EMRK durch EKMR und EGMR 937<br />
ab. Da bei<strong>de</strong> Grundrechtsquellen zu beachten<br />
sind, kann bei unterschiedlichem Regelungsgehalt zwischen bei<strong>de</strong>n Grundrechtsquellen <strong>im</strong><br />
konkreten Einzelfall ein Abweichen von einer Grundrechtsquelle bzw. die Entwicklung einer<br />
Kompromißlösung, die inhaltlich zwischen bei<strong>de</strong>n Grundrechtsquellen liegt, geboten sein.<br />
Soweit bei<strong>de</strong> Quellen jedoch weitgehend übereinst<strong>im</strong>men, wäre ein Abweichen hiervon<br />
willkürlich und mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV unvereinbar.<br />
(3) Die Religionsfreiheit als Teilhaberecht<br />
Im Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Überlegungen hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> korpo<strong>ra</strong>tiven Seite <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit steht<br />
nicht nur die Gewährung eines Abweh<strong>ra</strong>nspruchs einer Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft<br />
gegen die Gemeinschaft, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n zusätzlich die F<strong>ra</strong>ge <strong>im</strong> Raum, ob und inwiefern diese<br />
Institutionen Leistungsansprüche, z.B. auf Durchführung eines eigenen Religionsunterrichts<br />
an öffentlichen Schulen, geltend machen können. In <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Judikatur hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH<br />
die Religionsfreiheit ausschließlich als Abwehrrecht anerkannt. Hierin offenbart sich ein<br />
935 S.o. D.V.5.<br />
936 In <strong>de</strong>n meisten Mitgliedstaaten wird die kollektive Religionsfreiheit – wenn z.T. auch nur<br />
unter <strong>de</strong>m Vorbehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufrechterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung – anerkannt, vgl. die<br />
Ausführungen oben E.II.4.<br />
937 Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK wird Kirchen und Religionsgemeinschaften entgegen <strong>de</strong>m<br />
Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK ein eigenes Beschwer<strong><strong>de</strong>r</strong>echt zuerkannt, wobei diese die<br />
individuellen Rechtspositionen <strong>im</strong> Namen ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> geltend machen, vgl. hierzu die<br />
Ausführungen oben E.III.2.b).
233<br />
strukturelles Defizit seiner bisherigen Grundrechtsrechtsprechung, das sich nicht nur i.R.d.<br />
<strong>Religionsrecht</strong>s, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> übrigen Gemeinschaftsgrundrechte fin<strong>de</strong>t.<br />
Angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> wirtschaftspolitischen Zielrichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> früheren EWG war ein solcher<br />
Abwehrcha<strong>ra</strong>kter <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit ausreichend. Soweit die<br />
EU hinsichtlich ihrer Kompetenzfülle jedoch in zunehmen<strong>de</strong>m Maße staatsähnliche Züge<br />
aufweist, muß sie künftig über die Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong> lege ferenda auch durch<br />
die Schaffung von Teilhaberechten aktiv wer<strong>de</strong>n. 938<br />
2. Sch<strong>ra</strong>nken<br />
Ebenso wie <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht die Religionsfreiheit nicht sch<strong>ra</strong>nkenlos gewährt wird,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ihre Sch<strong>ra</strong>nken in <strong>de</strong>n Grundrechten an<strong><strong>de</strong>r</strong>er, 939 nach Art. 140 GG i.V.m.<br />
Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV aber auch in <strong>de</strong>m „für alle gelten<strong>de</strong>n Gesetz“ fin<strong>de</strong>t 940<br />
bzw. die<br />
Rechtsgewährungen <strong>de</strong>s Art. 9 Abs. 1 EMRK durch Art. 9 Abs. 2 EMRK beschränkt wer<strong>de</strong>n,<br />
kann auch gemeinschaftsrechtlich die Religionsfreiheit nicht sch<strong>ra</strong>nkenlos gewährt wer<strong>de</strong>n.<br />
a) Gemeinschaftsvorbehalt<br />
Schon in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft 941 hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH entschie<strong>de</strong>n, daß<br />
Grundrechte von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zwar zu gewährleisten sind, daß sich diese aber auch in<br />
die Struktur und Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft einfügen müssen. Somit kommt <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />
als Gemeinschaftsgrundrecht kein uneingeschränkter Vor<strong>ra</strong>ng zu. 942 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Nold nannte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH erneut „die <strong>de</strong>m allgemeinen Wohl dienen<strong>de</strong>n Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft“ als<br />
Diese Rechtsprechung wird auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Wachauf bestätigt: Hier<br />
Grundrechtssch<strong>ra</strong>nke. 943<br />
938<br />
So auch Netteshe<strong>im</strong>, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g, Fn. 627, S. 27.<br />
939<br />
Vgl. z.B. OVG Koblenz, NJW 1997, S. 1174 ff.; OVG Münster, NJW 1997, S. 1176 f.; hier<br />
stand die Religionsfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Rundfunkfreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kunstfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG, gegenüber.<br />
940<br />
Eine Übersicht über „Die aktuelle Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung zu neueren Glaubensund<br />
Weltanschauungsgemeinschaften“ bietet Abel, Fn. 214, NJW 1999, S. 331 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />
NJW 1997, S. 426 ff.<br />
941<br />
EuGH, Rs. 11/70 (Internationale Han<strong>de</strong>lsgesellschaft/Einfuhr- und Vor<strong>ra</strong>tsstelle für<br />
Getrei<strong>de</strong> und Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff., 1135, Rz. 4.<br />
942<br />
So auch allgemein Wetter, Fn. 630, S. 103.<br />
943<br />
EuGH, Rs. 4/73 (Nold/Kommission) Slg. 1974, S. 491 ff., 507 f., Rz. 14.
234<br />
bezeichnete <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine gemeinsame Marktorganisation als „<strong>de</strong>m Gemeinwohl dienen<strong>de</strong>s<br />
Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft.“ 944<br />
Allerdings darf die Ten<strong>de</strong>nz <strong>de</strong>s EuGH nicht übersehen wer<strong>de</strong>n, Integ<strong>ra</strong>tionsinteressen über<br />
die Grundrechte einzelner zu stellen, 945 wie dies erst vor kurzem u.a. <strong>im</strong> Bananenstreit – in<br />
<strong>de</strong>m ebenfalls eine gemeinsame Marktorganisation in Re<strong>de</strong> stand – offen zu Tage getreten<br />
ist. 946 Von daher wird man als Sch<strong>ra</strong>nke <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit restriktiv nur diejenigen<br />
Zielvorgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft berücksichtigen dürfen, <strong>de</strong>nen <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht ein<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Stellenwert zukommt; dies ist bei <strong>de</strong>n <strong>im</strong> ersten Teil <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs<br />
bezeichneten „Grundsätzen“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 1 (ex-Art. 1) bis 16 (ex-Art. 7d) EGV sowie <strong>de</strong>n<br />
„gemeinsamen Best<strong>im</strong>mungen“ in Titel I. <strong>de</strong>s EU-Vert<strong>ra</strong>gs, d.h. Art. 1 (ex-Art. A) bis Art. 7<br />
(ex-Art. F.1) EUV, <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall. 947<br />
Aber auch in diesem Fall geht das Gemeinwohlziel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft nicht zwangsläufig <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit vor; vielmehr sind in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
nachfolgen<strong>de</strong>n Abwägung möglichst bei<strong>de</strong> Werte miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> in Einklang zu bringen, so daß<br />
hohe Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an die Würdigung zu stellen sind, ob das Gemeinwohlziel nicht mit<br />
mil<strong><strong>de</strong>r</strong>en, die Religionsfreiheit weniger einschränken<strong>de</strong>n Mitteln erreicht wer<strong>de</strong>n kann.<br />
b) Grundrechte an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
Die Religionsfreiheit kann mit einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Grundrecht 948 (z.B. Grundrecht auf Gleichbehandlung)<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit einer Grundfreiheit (z.B. Freizügigkeit) kollidieren. In diesem Fall bedarf<br />
es einer Abwägung zwischen bei<strong>de</strong>n Werten. 949<br />
3. Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken<br />
944 EuGH, Rs. 5/88 (Wachauf), Fn. 897, Rz. 18.<br />
945 So auch Hilf, Fn. 669, S. 59.<br />
946 Vgl. Vachek, Fn. 437, S. 146. So hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. C-280/93 (Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland/Rat), Slg. 1994, S. I-4973 ff., 5065, Rdnr. 47, das gewichtige Gemeinschaftsinteresse<br />
an <strong><strong>de</strong>r</strong> Bananenmarktordnung in aller Breite dargestellt, ohne anschließend auf die<br />
Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Individualinteresses einzugehen und bei<strong>de</strong> Positionen abzuwägen. Ähnlich:<br />
EuGH, Rs. C-306/93 (SMW Winzersekt/Land Rheinland-Pfalz), Slg. 1994, S. I-5555 ff.,<br />
5581 ff., Rz. 22 – 26.<br />
947 Vgl. die Ausführungen unten E.IV.4.a)aa)(2) sowie Wetter, Fn. 630, S. 103.<br />
948 Rengeling, Fn. 702, S. 165, spricht insoweit von „Gegengrundrechten“.<br />
949 Vgl. hierzu sogleich die Ausführungen <strong>im</strong> Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken-Bereich.
235<br />
a) Wesensgehaltsga<strong>ra</strong>ntie<br />
Der EuGH übernahm in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Nold 950 <strong>de</strong>n <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht gelten<strong>de</strong>n Grundsatz, daß<br />
Grundrechtseinschränkungen nur so weit gehen dürfen, daß das betreffen<strong>de</strong> Grundrecht nicht<br />
in seinem Wesensgehalt angetastet wird. Obwohl die gemeinschaftsrechtliche Wesensgehaltsga<strong>ra</strong>ntie<br />
<strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 19 Abs. 2 GG entspricht, scheint <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH sie in<strong>de</strong>s durch die<br />
fast stereotype Feststellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtverletzung, nur als bloße Formel zu verwen<strong>de</strong>n bzw. <strong>de</strong>m<br />
Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit 951 gleichzusetzen. 952<br />
Eine eigenständige Untersuchung <strong>im</strong><br />
Hinblick auf <strong>de</strong>n Wesensgehalt eines Grundrechts hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bisher je<strong>de</strong>nfalls nicht<br />
angestellt.<br />
b) Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache Hauer 953<br />
nannte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH das Verhältnismäßigkeitsprinzip als<br />
Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nke für Grundrechtseingriffe auf Gemeinschaftsrechtsebene.<br />
aa) Legit<strong>im</strong>es Ziel<br />
Eingriffe <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft in die Religionsfreiheit müssen mit <strong>de</strong>n Gemeinschaftsverträgen<br />
konform gehen, d.h. sie müssen durch das Gemeinwohlinteresse gerechtfertigt sein, welches<br />
sich aus <strong>de</strong>n Aufgaben- bzw. Tätigkeitsfel<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft gemäß Art. 2 (ex-Art. 2)<br />
bzw. Art. 3 (ex-Art. 3) EGV konkretisieren läßt. Angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> Weite dieser Best<strong>im</strong>mungen<br />
stellt das Gemeinwohlinteresse keine Hür<strong>de</strong> mit nennenswerter Relevanz für Eingriffe von<br />
Gemeinschaftsorganen dar. 954<br />
bb) Legit<strong>im</strong>es Mittel<br />
950<br />
EuGH, Rs. 4/73, Fn. 943, S. 508, Rz. 14.<br />
951<br />
Hierzu sogleich unter E.IV.3.b).<br />
952<br />
Vgl. Pauly, Fn. 735, S. 260; Rengeling, Fn. 702, S. 215; Streinz, Fn. 435, S. 421 f., unter<br />
Hinweis auf EuGH, Rs. 44/79, Fn. 953, Rz. 30; Vachek, Fn. 437, S. 147, sowie Wetter,<br />
Fn. 630, S. 108 f.<br />
953<br />
EuGH, Rs. 44/79 (Liselotte Hauer/Land Rheinland-Pfalz), Slg. 1979, S. 3727 ff., 3747,<br />
Rz. 23.<br />
954<br />
Pauly, Fn. 735, S. 257, for<strong><strong>de</strong>r</strong>t daher schon <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Zielvorgabe „Gemeinwohlinteresse“<br />
eine justitielle Überprüfung anstelle eines bloßen Verweises auf <strong>de</strong>n „politischen<br />
Gestaltungsspiel<strong>ra</strong>um“.
236<br />
<strong>Das</strong> konkret eingesetzte Mittel – z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> Erlaß einer VO o<strong><strong>de</strong>r</strong> RL – muß darüber hinaus zur<br />
Erreichung <strong>de</strong>s verfolgten Ziels geeignet, erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich und angemessen sein. 955<br />
(1) Geeignetheit<br />
Die konkrete Maßnahme muß <strong>im</strong> Hinblick auf die Verwirklichung <strong>de</strong>s angestrebten Ziels<br />
geeignet sein, wovon <strong>im</strong> Regelfall auszugehen sein dürfte.<br />
(2) Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit<br />
Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist eine Maßnahme <strong>im</strong>mer dann, wenn keine weniger eingreifen<strong>de</strong>n Alternativen<br />
<strong>de</strong>nkbar sind. Hierbei besitzt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgesetzgeber nach <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht unbe<strong>de</strong>nklichen<br />
Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH allerdings einen weiten Ermessensspiel<strong>ra</strong>um, da es sich <strong>im</strong><br />
Regelfall um politische Entscheidungen han<strong>de</strong>le, die eine Verkürzung von Rechtspositionen<br />
einzelner aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Gemeinwohls rechtfertigten. 956<br />
(3) Angemessenheit<br />
(i) Abwägung <strong>im</strong> Einzelfall<br />
Durch <strong>de</strong>n Prüfungsschritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Angemessenheit o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Verhältnismäßigkeit i.e.S.“ soll durch<br />
argumentative Abwägung das Gemeinschaftsinteresse „Gemeinwohlziel“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />
als Individualinteresse gegenübergestellt wer<strong>de</strong>n. Sodann ist die Entscheidung zu fällen,<br />
welches <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Interessen <strong>im</strong> konkreten Einzelfall als höher<strong>ra</strong>ngig einzustufen ist und sich<br />
daher durchzusetzen vermag.<br />
Im Gegensatz zur bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Rechtsprechung spielt das Kriterium <strong><strong>de</strong>r</strong> Angemessenheit<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Judikatur <strong>de</strong>s EuGH allerdings keine be<strong>de</strong>utsame Rolle, auch wenn es in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rs. Schrä<strong><strong>de</strong>r</strong> 957 ausdrücklich Erwähnung gefun<strong>de</strong>n hat. 958<br />
955 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. 265/87 (Schrä<strong><strong>de</strong>r</strong>/Hauptzollamt Gronau), Slg. 1989, S. 2237 ff., 2269, Rz. 21,<br />
hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH ausgesagt, Grundrechtsbeschränkungen seien „nur rechtmäßig, wenn sie zur<br />
Erreichung <strong><strong>de</strong>r</strong> zulässigerweise mit <strong><strong>de</strong>r</strong> f<strong>ra</strong>glichen Regelung verfolgten Ziele geeignet und<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sind. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die<br />
am wenigsten belasten<strong>de</strong> zu wählen; ferner müssen die auferlegten Belastungen in einem<br />
angemessenen Verhältnis zu <strong>de</strong>n angestrebten Zielen stehen.“<br />
956 EuGH, Rs. C-280/93, Fn. 946, Rz. 47, 91; Rs. C-306/93 (SMW Winzersekt/Land<br />
Rheinland/Pfalz), Fn. 946, S. I-5581, Rz. 21.<br />
957 EuGH, Rs. 265/87, Fn. 955.
237<br />
Der EuGH wäre m.E. verpflichtet, Individualinteressen, wie z.B. die Religionsfreiheit, in<br />
gleichem Maße wie Gemeinschaftsinteressen zu würdigen, anstatt pauschal auf <strong>de</strong>n weiten<br />
Ermessensbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsgesetzgebers i.R.d. Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit zu verweisen. 959<br />
Dieses Abwägungs<strong>de</strong>fizit ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> jüngeren Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH gibt <strong>de</strong>m<br />
alten Vorwurf, <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH habe sich einseitig <strong>de</strong>m Grundsatz in dubio pro communitate<br />
verschrieben, 960 neue Nahrung. Aus diesem Grun<strong>de</strong> kann die Grundrechtsjudikatur <strong>de</strong>s EuGH<br />
noch nicht als weitgehend abgeschlossen bet<strong>ra</strong>chtet bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Grundrechtsdogmatik,<br />
wie sie <strong>im</strong> Grundgesetz und <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s BVerfG seinen Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag gefun<strong>de</strong>n<br />
hat, generell gleichgeachtet wer<strong>de</strong>n. 961<br />
(ii) Grundrechtskollision<br />
Eine Güte<strong>ra</strong>bwägung ist übe<strong>ra</strong>ll dort durchzuführen, wo die Religionsfreiheit mit einem<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Grundrecht o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer Grundfreiheit kollidiert. Im einzelnen han<strong>de</strong>lt es sich hier um<br />
bisher weitgehend ungelöste F<strong>ra</strong>gen. 962 Daß die Religionsfreiheit als<br />
Gemeinschaftsgrundrecht i.R.d. allgemeinen Rechtsgrundsätze ebenfalls zum pr<strong>im</strong>ären<br />
Vert<strong>ra</strong>gsrecht gehört, 963<br />
kann allerdings durchaus zur Folge haben, daß sie sich <strong>im</strong> Verhältnis<br />
zu <strong>de</strong>n Grundfreiheiten durchsetzt.<br />
958<br />
Streinz, Fn. 435, S. 417; Vachek, Fn. 437, S. 146; Wetter, Fn. 630, S. 107.<br />
959<br />
So auch Pauly, 735, S. 259.<br />
960<br />
Vgl. nur Schweitzer, Fn. 295, S. 99.<br />
961<br />
Von dieser Prämisse geht aber noch die Solange II-Entscheidung aus, vgl. BVerfGE 73,<br />
S. 339 ff., 386 f.; gegen einen gleichwertigen Grundrechtsschutz sprechen sich auch aus:<br />
Peter M. Huber, Fn. 409, S. 202; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 404, S. 361; Wetter, Fn. 630, S. 110, wobei<br />
letztere ihre Kritik unzutreffend mit <strong>de</strong>m Argument relativiert, <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH sei angesichts <strong>de</strong>s<br />
Fehlens eines ausdrücklichen Grundrechtskataloges kaum in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage, die Sch<strong>ra</strong>nken bzw.<br />
Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken in <strong><strong>de</strong>r</strong> gebotenen Weise auszufüllen. Die dogmatischen Schwächen<br />
<strong>de</strong>s EuGH in diesem Bereich resultieren in<strong>de</strong>s nicht aus <strong>de</strong>m Fehlen eines Grundrechtskataloges,<br />
da <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH in <strong><strong>de</strong>r</strong> Theorie die Wesensgehaltsga<strong>ra</strong>ntie ebenso wie eine Angemessenheitsprüfung<br />
i.R.d. Verhältnismäßigkeitsprinzips kennt. Eine effektive Sicherung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Grundrechte wäre <strong>de</strong>m EuGH daher auch ohne Vorhan<strong>de</strong>nsein eines geschriebenen<br />
Grundrechtskatalogs möglich, wür<strong>de</strong> er sich nicht häufig allzu einseitig zum Anwalt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaftsinteressen machen.<br />
962<br />
Vgl. Rengeling, Fn. 702, S. 231.<br />
963<br />
Vgl. sogleich unten E.IV.4.a)aa)(2).
238<br />
c) Zusammenfassung<br />
Der maßgebliche Schutzbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit ergibt sich aus<br />
einer Zusammenschau <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschriften <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK und <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen.<br />
Ein Abweichen hiervon wäre willkürlich. Sch<strong>ra</strong>nken <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />
sind die Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft sowie die Grundrechte an<strong><strong>de</strong>r</strong>er. Als Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken<br />
sind – ähnlich wie <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht – die Wesensgehaltsga<strong>ra</strong>ntie und das<br />
Verhältnismäßigkeitsprinzip zu nennen. Allerdings geht <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH von einem weiten<br />
Ermessensbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsgesetzgebers aus.<br />
4. Rang <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />
a) Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV i.V.m. <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen bzw.<br />
Art. 9 EMRK<br />
aa) Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV als Pr<strong>im</strong>ärrecht<br />
Die gemeinschaftsrechtliche Religionsfreiheit wird über <strong>de</strong>n Verweis <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F)<br />
Abs. 2 EUV auf Art. 9 EMRK sowie die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten gewährleistet.<br />
(1) Verhältnis zum Sekundärrecht<br />
Zwar wird in Art. 6 (ex-Art. F) EUV keine ausdrückliche Aussage über das Rangverhältnis<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> so ermittelten Grundrechte getroffen. Alleine aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugehörigkeit von<br />
Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV zum Pr<strong>im</strong>ärrecht kann in<strong>de</strong>s auf die Höher<strong>ra</strong>ngigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsfreiheit gegenüber sämtlichem Sekundärrecht geschlossen wer<strong>de</strong>n. Die Folge<br />
hiervon ist, daß die Religionsfreiheit als Prüfungsmaßstab für die Gültigkeit sämtlichen<br />
sekundären Gemeinschaftsrechts he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n kann. Diese Einordnung entspricht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sichtweise <strong>de</strong>s EuGH vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung von Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV, <strong><strong>de</strong>r</strong>zufolge<br />
Grundrechten aus <strong>de</strong>n genannten bei<strong>de</strong>n Quellen schon früh als allgemeine<br />
Rechtsgrundsätze 964 und damit als ungeschriebener Bestandteil <strong>de</strong>s Pr<strong>im</strong>ärrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Vor<strong>ra</strong>ng<br />
gegenüber jeglichem Sekundärrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane zuerkannt wur<strong>de</strong>. 965<br />
964 EuGH, Rs. 4/73 (Nold/Kommission), Slg. 1974, S. 491 ff., Rz. 13: „Der Gerichtshof hat<br />
bereits entschie<strong>de</strong>n, daß die Grundrechte zu <strong>de</strong>n allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören,<br />
die er zu wahren hat, und daß er bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewährleistung dieser Rechte von <strong>de</strong>n<br />
gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten auszugehen hat. Hiernach
239<br />
(2) Verhältnis zum Pr<strong>im</strong>ärrecht<br />
Gemäß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV achtet die <strong>Union</strong> die Grundrechte, die sich aus <strong>de</strong>n<br />
gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ergeben, als allgemeine<br />
Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts. Dies könnte man einerseits als bloßen Hinweis auf die<br />
ursprüngliche Quelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze verstehen, die<br />
terminologisch eine Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung erfahren mußte, weil die nunmehr explizit durch<br />
Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV gewährleisteten Grundrechte nicht Teil <strong>de</strong>s ungeschriebenen<br />
Pr<strong>im</strong>ärrechts sind. An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits könnte die Bezeichnung als allgemeine Grundsätze <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts be<strong>de</strong>uten, daß es sich hierbei um Fundamentalprinizipien innerhalb <strong>de</strong>s<br />
gemeinschaftsrechtlichen Pr<strong>im</strong>ärrechts han<strong>de</strong>lt, welche <strong>im</strong> Rang über <strong>de</strong>m einfachen pr<strong>im</strong>ären<br />
Vert<strong>ra</strong>gsrecht stehen und <strong>de</strong>mzufolge eine Überprüfung <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gsrechts, z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Freizügigkeitsregeln, anhand <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte ermöglichen. 966<br />
Die <strong>im</strong> ersten Teil <strong>de</strong>s<br />
EG-Vert<strong>ra</strong>gs bezeichneten „Grundsätze“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 1 (ex-Art. 1) bis 16 (ex-Art. 7d) EGV sowie<br />
die „gemeinsamen Best<strong>im</strong>mungen“ in Titel I. <strong>de</strong>s EUV, d.h. die Art. 1 (ex-Art. A) bis<br />
Art. 7 (ex-Art. F.1) EUV, scheinen dieses Argument zu untermauern, da es sich hierbei nicht<br />
nur um „vor die Klammer gezogene“ allgemeine Best<strong>im</strong>mungen han<strong>de</strong>lt, wie z.B. <strong>de</strong>n<br />
BGB-AT, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n zusätzlich um Fundamentalprinzipien, die in ihrer Wertigkeit <strong>de</strong>n<br />
Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 1 und 20 GG nahekommen.<br />
kann er keine Maßnahmen als Rechtens anerkennen, die unvereinbar sind mit <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n<br />
Verfassungen dieser Staaten anerkannten und geschützten Grundrechten. Auch die internationalen<br />
Verträge über <strong>de</strong>n Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte, an <strong><strong>de</strong>r</strong>en Abschluß die<br />
Mitgliedstaaten beteiligt waren o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>nen sie beigetreten sind, können Hinweise geben, die<br />
<strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen sind.“; ebenso: EuGH, Rs. 44/79<br />
(Liselotte Hauer/Land Rheinland-Pfalz), Slg. 1979, S. 3727 ff., Rz. 15.<br />
965 So auch BVerfGE 73, S. 339 ff., 383 f.; Giegerich, Fn. 482, S. 852; Obwexer, Fn. 554,<br />
S. 70; Rengeling, Fn. 702, S. 197; Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 319, S. 197; Schweitzer/Hummer, Fn. 35,<br />
Rdnrn. 15; Wetter, Fn. 630, S. 98.<br />
Der EuGH hat <strong>de</strong>n Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gleichheitssatzes vor sekundärem Gemeinschaftsrecht z.B.<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> verb. Rs. 117/76 u. 16/77 (Albert Ruck<strong>de</strong>schel & Co. u.a./Hauptzollamt Hamburg-St.<br />
Annen; Diamalt AG/ Hauptzollamt Itzehoe), Slg. 1977, S. 1753 ff., 1769 f., Rz. 7,<br />
festgestellt.<br />
966 In diese Richtung Wetter, Fn. 630, S. 98, wobei diese von einer eher theoretischen Möglichkeit<br />
spricht, da das Vert<strong>ra</strong>gsrecht nur wenige, <strong>de</strong>n einzelnen verpflichten<strong>de</strong> Best<strong>im</strong>mungen<br />
enthalte. Im Lichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Bosman-Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH, die eine Drittwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Grundfreiheiten bejaht, muß die F<strong>ra</strong>ge jedoch als durchaus p<strong>ra</strong>xisrelevant eingestuft<br />
wer<strong>de</strong>n.
240<br />
Die Folge <strong><strong>de</strong>r</strong> hier dargestellten Auffassung wäre, daß die Grundfreiheiten <strong>de</strong>n Grundrechten,<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit, nicht zuwi<strong><strong>de</strong>r</strong> laufen dürften,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in einer mit dieser zu vereinbaren<strong>de</strong>n Weise ausgelegt wer<strong>de</strong>n müßten. 967<br />
Allerdings ist zu beachten, daß auch die Religionsfreiheit nicht sch<strong>ra</strong>nkenlos gewährleistet ist,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit <strong>de</strong>n übrigen Fundamentalnormen <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts <strong>im</strong> Einklang stehen<br />
muß.<br />
Soweit man dagegen innerhalb <strong>de</strong>s Pr<strong>im</strong>ärrechts von einer Gleich<strong>ra</strong>ngigkeit von Grundrechten<br />
und Grundfreiheiten ausgeht, 968 hat dies keinesfalls zur Folge, daß die Grundfreiheiten<br />
zwangsläufig <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit vorgehen, da die Grundfreiheiten auch durch <strong>im</strong>manente,<br />
d.h. ungeschriebene Sch<strong>ra</strong>nken eingeschränkt wer<strong>de</strong>n können; 969 als solche können ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> die<br />
aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH entwickelten Grundrechte angesehen wer<strong>de</strong>n. Die<br />
Kollision bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte müßte in diesem Fall durch Abwägung <strong>im</strong> konkreten Einzelfall<br />
geschehen. 970<br />
Über das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften in eigenen<br />
Angelegenheiten 971<br />
gelangt man jedoch zu einem partiellen Vor<strong>ra</strong>ng <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit in innerkirchlichen Angelegenheiten gegenüber<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gemeinschaftsrechtsnormen.<br />
bb) Unbest<strong>im</strong>mtheit <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV <strong>im</strong> Hinblick auf <strong>de</strong>n konkreten Gehalt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit<br />
Problematisch erscheint das soeben Ausgeführte insofern, als Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit zwar zu einem pr<strong>im</strong>ärrechtlichen Rang verhilft, diesen jedoch nicht an<br />
einen best<strong>im</strong>mten Grundrechtsgehalt koppelt, namentlich <strong>de</strong>n Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK<br />
sowie <strong>de</strong>ssen Auslegung durch EKMR und EGMR. Vielmehr überläßt es<br />
967<br />
So auch Obwexer, Fn. 554, S. 70, <strong><strong>de</strong>r</strong> die ungeschriebenen Grundrechte wie die<br />
Religionsfreiheit als Auslegungsmaßstab auch für pr<strong>im</strong>äres Gemeinschaftsrecht he<strong>ra</strong>nzieht.<br />
968<br />
So Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 319, S. 185, 198.<br />
969<br />
Vgl. hierzu ausführlich Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 319, S. 176 ff., unter Bezugnahme auf die „Cassis<strong>de</strong>-Dijon-Rechtsprechung“,<br />
vgl. EuGH, Rs. 120/78 (Rewe/Bun<strong>de</strong>smonopolverwaltung für<br />
B<strong>ra</strong>nntwein), Slg. 1979, S. 649 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH hatte durch die „Cassis-Formel“ neben <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sch<strong>ra</strong>nke <strong>de</strong>s Art. 30 (ex-Art. 36) EGV in <strong>de</strong>m Urteil weitere ungeschriebene Sch<strong>ra</strong>nken<br />
i.R.d. Art. 28 (ex-Art. 30) EGV anerkannt.<br />
970<br />
Vgl. hierzu Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 319, S. 198.<br />
971<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen unten L.III.1.
241<br />
Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV <strong>de</strong>m EuGH, <strong>de</strong>n maßgeblichen Grundrechtsgehalt zu konkretisieren.<br />
972<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>s ausgedrückt: Pr<strong>im</strong>ärrechtlich wird somit nur festgestellt, daß die Religionsfreiheit<br />
auf Gemeinschafts- und <strong>Union</strong>sebene existiert; <strong><strong>de</strong>r</strong> konkrete Inhalt dieses Rechts muß<br />
nach wie vor durch Rechtsvergleichung mittels <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK und <strong>de</strong>n gemeinsamen<br />
Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten erschlossen wer<strong>de</strong>n, ohne daß die mitgliedstaatlichen<br />
religionsrechtlichen Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen und Art. 9 EMRK unmittelbar in<br />
das Gemeinschaftsrecht inkorporiert wür<strong>de</strong>n. Verträte man hingegen die Auffassung einer<br />
materiellen Inkorpo<strong>ra</strong>tion von Art. 9 EMRK in das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> EU über Art. 6 (ex-Art. F)<br />
Abs. 2 EUV, so hätte dies insoweit <strong>de</strong>n Vorteil, als Schutzbereich und Sch<strong>ra</strong>nken <strong>de</strong>s<br />
Art. 9 EMRK als fixer Prüfungsmaßstab für das gesamte Sekundärrecht feststün<strong>de</strong>n.<br />
b) Die EMRK als völkerrechtlicher Altvert<strong>ra</strong>g i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV<br />
Wie oben bereits ausgeführt 973 , kommt <strong>de</strong>n Grundrechten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK und damit Art. 9 EMRK<br />
aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV jedoch ein gemeinschaftsrechtlich<br />
anerkannter Vor<strong>ra</strong>ng vor <strong>de</strong>m Pr<strong>im</strong>ärrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zu. 974<br />
Zwar führt die Tatsache, daß alle Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Ratifikation <strong>de</strong>s<br />
975<br />
EWG-Vert<strong>ra</strong>gs beigetreten sind , nicht dazu, daß hie<strong>ra</strong>us gemeinschaftsrechtlich ein Rang<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK vor an<strong><strong>de</strong>r</strong>em Pr<strong>im</strong>ärrecht erwüchse. Dies wird – trotz einer<br />
Funktionsnachfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft – selbst für das GATT 1947 abgelehnt, weil es nicht<br />
unmittelbar von <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen abgeschlossen wur<strong>de</strong>. 976<br />
Eine Nichtbeachtung <strong>de</strong>s Wortlauts bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK durch<br />
Gemeinschaftsorgane wür<strong>de</strong> dagegen dazu führen, daß die Mitgliedstaaten, die gleichsam<br />
972<br />
Vgl. Rodríguez Iglesias, 654, S. 138: „Diese Beurteilung setzt die Anwendung eines<br />
Maßstabes vo<strong>ra</strong>us, <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht das bloße Resultat <strong>de</strong>s Vergleiches <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen<br />
Rechtsordnungen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr Ausdruck einer Wahl <strong>de</strong>s Gerichtshofs zwischen <strong>de</strong>n<br />
auf Grund dieses Vergleiches möglichen verschie<strong>de</strong>nen Lösungen ist. Der Vergleich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechtsordnungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten führt also nicht unbedingt zu einem best<strong>im</strong>mten<br />
Ergebnis, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n kann auch lediglich einen Anhaltspunkt für die richterliche Entscheidung<br />
bil<strong>de</strong>n.“<br />
973<br />
E.III.1.d)dd)(1).<br />
974<br />
So auch Giegerich, Fn. 482, S. 854.<br />
975<br />
Wobei allerdings die EMRK in Großbritannien, Irland und Dänemark keine unmittelbare<br />
Wirkung besitzt, weil sie dort nicht in das nationale Recht inkorporiert wur<strong>de</strong>, vgl. Fahrenhorst,<br />
Familienrecht und Europäische Menschenrechtskonvention, S. 90 ff.; Rodríguez<br />
Iglesias, Fn. 654, S. 145.<br />
976<br />
Vgl. Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>/Selmayr, Die EG, das GATT und die Vollzugslehre, JZ 1998, S. 344 ff.,<br />
346 f.
242<br />
durch die EMRK gebun<strong>de</strong>n sind, das später erlassene Gemeinschaftsrecht aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV nicht anzuwen<strong>de</strong>n b<strong>ra</strong>uchen.<br />
Die sich aus Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV grundsätzlich ergeben<strong>de</strong> Gleich<strong>ra</strong>ngigkeit<br />
zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n dort genannten Auslegungsquellen muß unter Zugrun<strong>de</strong>legung <strong>de</strong>s<br />
Art. 307 (ex-Art. 234) EGV in einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Licht gesehen wer<strong>de</strong>n: Mittelbar führt die<br />
Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten an Art. 9 EMRK zu <strong>de</strong>ssen gemeinschaftsrechtlicher Höher<strong>ra</strong>ngigkeit<br />
gegenüber <strong>de</strong>n gemeinsamen mitgliedstaatlichen Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen.<br />
V. Reichweite <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit <strong>im</strong> <strong>Union</strong>srecht<br />
1. Grundrechtsbindung durch Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />
Wenn gemäß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV die „<strong>Union</strong> die Grundrechte achtet“, wie sie in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK gewährleistet sind und sich aus <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten ergeben, be<strong>de</strong>utet dies nur in <strong><strong>de</strong>r</strong> „Ersten Säule“ eine Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> drei<br />
Gemeinschaften (EG, EGKS, EAG) selbst, da diese mit eigener Rechtspersönlichkeit<br />
ausgestattet sind, 977 bzw. ihrer han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Organe. 978 In <strong><strong>de</strong>r</strong> „Zweiten“ (GASP) und „Dritten<br />
Säule“ (ZBJI) wer<strong>de</strong>n dagegen mangels eigener Rechtspersönlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> EU 979 die<br />
gemeinsam han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten selbst zur Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte<br />
verpflichtet. Daneben ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Europäische Rat als einziges EU-Organ, vgl.<br />
Art. 4 (ex-Art. D) EUV, an die Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV gebun<strong>de</strong>n. 980<br />
Zwar sieht <strong><strong>de</strong>r</strong> EUV in <strong>de</strong>n ope<strong>ra</strong>tiven Fel<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> „Zweiten“ und „Dritten Säule“ die<br />
Möglichkeit <strong>de</strong>s Erlasses von Rechtsakten durch <strong>de</strong>n Rat vor. Da dieser jedoch nur ein sog.<br />
„beliehenes Gemeinschaftsorgan“ ist, müssen sich die Mitgliedstaaten <strong>de</strong>ssen Handlungen<br />
ebenfalls zurechnen lassen. 981<br />
977<br />
Vgl. nur Art. 281 (ex-Art. 210) EGV für die EG.<br />
978<br />
Vgl. insoweit die Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 7 – 9 (ex-Art. 4 – 4b) EGV.<br />
979<br />
Zur fehlen<strong>de</strong>n Rechtspersönlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> EU s.o. Fn. 687.<br />
980<br />
So auch Hummer, Fn. 629, S. 83; Obwexer, Fn. 554, S. 75; a.A. Koenig/Ha<strong>ra</strong>tsch, Fn. 687,<br />
Rdnr. 602.<br />
981<br />
Hummer, Fn. 629, S. 83; Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 957, 966.
2. Eingeschränkte Kontrollkompetenz <strong>de</strong>s EuGH<br />
243<br />
Allerdings ist die Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH zur Überprüfung von Rechtsakten <strong><strong>de</strong>r</strong> „Zweiten“<br />
und „Dritten Säule“, wie sich aus Art. 46 (ex-Art. L) lit. b und c EUV ergibt, nur sehr<br />
rud<strong>im</strong>entär ausgeprägt. Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> beliehenen Gemeinschaftsorgane i.R.d. <strong>Union</strong>srechts<br />
können von diesem grundsätzlich nicht <strong>im</strong> Hinblick auf die Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong>de</strong>s<br />
Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV überprüft wer<strong>de</strong>n, es sei <strong>de</strong>nn die Kontrollkompetenz <strong>de</strong>s<br />
EuGH wür<strong>de</strong> hier ausdrücklich anerkannt, während Art. 35 (ex-Art. K.7) EUV dies nur<br />
fakultativ für <strong>de</strong>n Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> ZBJI vorsieht.<br />
3. Reichweite <strong>de</strong>s Grundrechtsschutzes <strong>im</strong> <strong>Union</strong>srecht<br />
Die Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> EU können – konvergierend zum Gemeinschaftsrecht 982 –<br />
Grundrechtssch<strong>ra</strong>nken i.R.d. <strong>Union</strong>srechts sein. Diese fin<strong>de</strong>n jedoch ihrerseits ihre Sch<strong>ra</strong>nke<br />
<strong>im</strong> Verhältnismäßigkeitsprinzip und <strong><strong>de</strong>r</strong> Wesensgehaltsga<strong>ra</strong>ntie. 983<br />
4. Grundrechtsrelevanz <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>srechts<br />
<strong>Union</strong>srecht gilt pr<strong>im</strong>är <strong>im</strong> Verhältnis zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> EU und <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten. Eine<br />
unmittelbare Wirkung <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>srechts in <strong>de</strong>n einzelnen Mitgliedstaaten wird man <strong>im</strong><br />
Gegensatz zum Gemeinschaftsrecht 984 abzulehnen haben, da die <strong>Union</strong> eher koordinationsrechtlichen<br />
als sup<strong>ra</strong>nationalen Cha<strong>ra</strong>kter besitzt. Grundrechtsbeeinträchtigungen wären<br />
angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> intergouvernementalen Struktur <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> jedoch nur dort <strong>de</strong>nkbar, wo unionsrechtliche<br />
Rechtsakte in die innerstaatliche Rechtsordnung inkorporiert wür<strong>de</strong>n. 985<br />
982<br />
S.o. E.IV.2, E.IV.3.<br />
983<br />
So auch Obwexer, Fn. 554, S. 76, <strong><strong>de</strong>r</strong> ebenfalls eine zum Gemeinschaftsrecht pa<strong>ra</strong>llele<br />
Struktur <strong><strong>de</strong>r</strong> Sch<strong>ra</strong>nken und Sch<strong>ra</strong>nken-Sch<strong>ra</strong>nken anrät.<br />
984<br />
EuGH, Rs. 26/62 (van Gend & Loos/Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländische Finanzverwaltung), Slg. 1963,<br />
S. 1 ff., 25.<br />
985<br />
Vgl. Obwexer, Fn. 554, S. 74, 76.
244<br />
5. Überprüfung abgeleiteten Sekundärrechts durch mitgliedstaatliche Verfassungsgerichte<br />
bzw. EMRK-Organe?<br />
a) Mitgliedstaatliche Verfassungsgerichte<br />
Zwar sind mitgliedstaatliche Verfassungsgerichte nicht befugt, i.R.d. GASP o<strong><strong>de</strong>r</strong> ZBJI<br />
ergangene Sekundärrechtsakte da<strong>ra</strong>ufhin zu überprüfen, ob diese die Grundrechte i.S.d.<br />
Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV einhalten o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht, da organgeschaffenes Folgerecht eines<br />
völkerrechtlichen Vert<strong>ra</strong>gs nicht von <strong><strong>de</strong>r</strong>en Prüfungsumfang umfaßt ist. 986 <strong>Das</strong> BVerfG hat<br />
jedoch in seiner Solange-Rechtsprechung klar zum Ausdruck geb<strong>ra</strong>cht, daß es seine<br />
Gerichtsbarkeit nur zurückn<strong>im</strong>mt, soweit auf zwischenstaatlicher Ebene ein adäquater<br />
Grundrechtsschutz gewährleistet wird. Diesem Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis ist nicht schon durch das bloße<br />
Bestehen <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsvorschrift <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> GASP<br />
und ZBJI Genüge getan; die Sicherstellung eines gleichwertigen Grundrechtsschutzes<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t vielmehr die Möglichkeit einer Überprüfung grundrechtssensibler Rechtsakte. Aus<br />
diesem Grun<strong>de</strong> muß nationalen Verfassungsgerichten, wie z.B. <strong>de</strong>m BVerfG, die Kompetenz<br />
zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, die Vereinbarkeit eines unionsrechtlichen Sekundärrechtsakts mit<br />
nationalen Grundrechten, z.B. mit Art. 4 Abs. 1, 2 GG, zu überprüfen und <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n<br />
Rechtsakt <strong>im</strong> Falle seiner Unvereinbarkeit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Religionsfreiheit <strong>im</strong><br />
betreffen<strong>de</strong>n Hoheitsgebiet für unanwendbar zu erklären, soweit diese durch <strong>de</strong>n<br />
<strong>Union</strong>srechtsakt <strong>im</strong> Wesensgehalt beeinträchtigt wür<strong>de</strong>. 987<br />
b) EMRK-Organe<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Melchers hatte die EKMR noch ausgeführt, daß da<strong>ra</strong>uf verzichtet wer<strong>de</strong>n könne,<br />
einem Mitgliedstaat die Ve<strong>ra</strong>ntwortung aufzuerlegen, in je<strong>de</strong>m Einzelfall zu überprüfen, ob<br />
die Gemeinschaft sich an die EMRK gehalten habe, da sie selbst Menschenrechte sichere und<br />
986 Vgl. Obwexer, Fn. 554, S. 76.<br />
987 Die Nichtigkeit <strong>de</strong>s Rechtsaktes – <strong><strong>de</strong>r</strong> Regelfall eines Verstoßes gegen höher<strong>ra</strong>ngiges Recht<br />
– kann mangels ausdrücklicher Kompetenz bzw. wegen unterschiedlichen Prüfungsmaßstabs<br />
we<strong><strong>de</strong>r</strong> vom EuGH noch von einem mitgliedstaatlichen Gericht beurteilt wer<strong>de</strong>n. Wird<br />
ein unionsrechtlicher Sekundärrechtsakt durch ein mitgliedstaatliches Verfassungsgericht<br />
für unanwendbar erklärt, muß ab diesem Zeitpunkt auch <strong>de</strong>ssen Zurechenbarkeit für <strong>de</strong>n<br />
betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat entfallen; erfolgt die Erklärung noch vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Inkorpo<strong>ra</strong>tion in<br />
nationales Recht, besteht schon keine Verpflichtung dieses Mitgliedstaats zur T<strong>ra</strong>nsformation<br />
<strong>de</strong>s Sekundärrechtsakts in innerstaatliches Recht, vgl. Obwexer, Fn. 554, S. 76. Zur<br />
Unanwendbarkeit s.o. C.IV.2.e).
245<br />
ihre Einhaltung kontrolliere. 988 Im <strong>Union</strong>srecht dagegen ist ein <strong><strong>de</strong>r</strong>art adäquater Rechtsschutz<br />
nicht sichergestellt. 989<br />
Schon aus diesem Grund kann <strong><strong>de</strong>r</strong> an die Solange II-Entscheidung<br />
angelehnte Verzicht <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Organe auf Überprüfung nationaler Rechtsakte an <strong>de</strong>n<br />
Vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK keinesfalls analog auf die mitgliedstaatlichen T<strong>ra</strong>nsformationsgesetze<br />
unionsrechtlichen Sekundärrechts angewandt wer<strong>de</strong>n.<br />
VI. <strong>Das</strong> spezielle Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot <strong>de</strong>s Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV<br />
1. Regelungsinhalt<br />
Vor Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Amsterdam sah <strong><strong>de</strong>r</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g nur das allgemeine<br />
Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit gemäß Art. 12 (ex-Art. 6) EGV<br />
vor. 990 Die neue Vorschrift, die vor allem auf die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s EP in ihrer Entschließung<br />
vom 13. März 1996 zur Bewertung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Reflexionsgruppe und Festlegung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
politischen Prioritäten <strong>de</strong>s EP <strong>im</strong> Hinblick auf die Regierungskonferenz 991<br />
zurückging,<br />
begrün<strong>de</strong>t eine Gemeinschaftskompetenz, nach welcher <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat <strong>im</strong> Rahmen schon<br />
bestehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftszuständigkeiten einst<strong>im</strong>mig Vorkehrungen treffen kann, um<br />
Diskr<strong>im</strong>inierungen aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Geschlechts, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rasse, <strong><strong>de</strong>r</strong> ethnischen Herkunft, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung, einer Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, <strong>de</strong>s Alters o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> sexuellen<br />
Ausrichtung zu bekämpfen. Im Gegensatz zum speziellen Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot <strong>de</strong>s<br />
Art. 3 Abs. 3 GG eröffnet Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV keine allumfassen<strong>de</strong> Rechtsetzungsbefugnis<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n beschränkt sich auf die Beseitigung von Diskr<strong>im</strong>i-<br />
988<br />
EKMR, BNr. 13258/87, Fn. 769, S. 865 ff., 867 f.: „The Commission notes that the legal<br />
system of the European Communities not only secures fundamental rights but also provi<strong>de</strong>s<br />
for control of their observance.“<br />
989<br />
Schermers, Fn. 410, S. 18, sieht ebenfalls die Gefahr möglicher Grundrechtsverletzungen<br />
durch Europäische Institutionen wie Europol, die keiner gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit<br />
unterliegen; ähnlich Böse, Die Immunität von Europol – ein unterschätztes<br />
Verfolgungshin<strong><strong>de</strong>r</strong>nis?, NJW 1999, S. 2416 ff.<br />
990<br />
Allerdings hat GA Tesauro schon zuvor in seinen Schlußanträgen vom 14.12.1995 in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rs. C-13/94 (P/S u. Cornwall County Council), Slg. 1996, S. I-2143 ff., 2165, Rz. 19, die<br />
Ansicht vertreten, <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichheitsgrundsatz verlange, daß „nicht auf diskr<strong>im</strong>inieren<strong>de</strong><br />
Kriterien, in erster Linie Geschlecht, Rasse, Sp<strong>ra</strong>che und Religion, abgestellt wird“.<br />
991<br />
ABl. 1996 Nr. C 96, S. 77 ff.; vgl. hierzu die Ausführungen oben C.I.3.q).
246<br />
nierungen innerhalb <strong>de</strong>s bisherigen Anwendungsbereichs <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs. 992 Mit Recht ist<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Sinn dieser Regelung hinterf<strong>ra</strong>gt wor<strong>de</strong>n, 993 da die Gemeinschaft schon bisher die<br />
Kompetenz besaß, in ihrem Anwendungsbereich Diskr<strong>im</strong>inierungen zu unterbin<strong>de</strong>n. 994<br />
Als einer <strong><strong>de</strong>r</strong> tieferen Beweggrün<strong>de</strong> hierfür muß vor allem die Schaffung einer ein<strong>de</strong>utigen<br />
pr<strong>im</strong>ärrechtlichen Rechtsgrundlage für Quotenregelungen i.R.d. Gleichstellungspolitik<br />
angesehen wer<strong>de</strong>n, nach<strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH zunächst <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Regelungen durch das Kalanke-<br />
Urteil 995 verworfen hatte. 996<br />
Darüber hinaus ist Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV be<strong>de</strong>utsam <strong>im</strong> Hinblick auf die<br />
gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit von mitgliedstaatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung<br />
faktischer bzw. struktureller Diskr<strong>im</strong>inierungen. 997<br />
2. Unmittelbare Anwendbarkeit?<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als Art. 141 (ex-Art. 119) EGV beseitigt Art. 13 EGV n.F. nicht schon <strong>de</strong> lege lata<br />
je<strong>de</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung in <strong>de</strong>n aufgeführten Bereichen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ermächtigt <strong>de</strong>n Rat erst,<br />
geeignete Vorkehrungen zu treffen, 998<br />
die – aus <strong>de</strong>n aufgeführten Grün<strong>de</strong>n – von einer bloßen<br />
Aufklärungskampagne bis hin zum Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot <strong>im</strong> gesamten Anwendungsbereich<br />
992<br />
So auch Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 25 f.; vgl. hierzu die Äußerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission vom<br />
3.10.1997, ABl. 1998, Nr. L 82, S. 127, s.o. C.I.3.p).<br />
993<br />
So Hasselbach, Fn. 645, S. 458.<br />
994<br />
Den Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH schon sehr früh <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />
anerkannt, vgl. EuGH, verb. Rs. 17 u. 20/61 (Klöckner, Hoesch/Hohe Behör<strong>de</strong>),<br />
Slg. 1962, S. 657 ff., 692 f.<br />
995<br />
EuGH, Rs. C-450/93 (Eckhard Kalanke/Freie Hansestadt Bremen, unterstützt durch Heike<br />
Glißmann) Slg. 1995, S. I-3051 ff. = NJW 1995, S. 3109; vgl. hierzu Vachek, Fn. 343, S.<br />
410 ff.<br />
996<br />
Vgl. auch die Ausführungen unten Fn. 1261 sowie Hasselbach, Fn. 645, S. 458 f. Ob in<br />
einem aufgrund Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV erlassenen Rechtsakt allerdings innerstaatlich<br />
unanwendbares „verfassungswidriges Verfassungsrecht“ erblickt wer<strong>de</strong>n kann, wie<br />
Hasselbach dies vertritt, muß wohl abgelehnt wer<strong>de</strong>n, zumal auch <strong>im</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten, namentlich in Deutschland, Quotenregelungen existieren, die bislang von<br />
<strong>de</strong>n Verfassungsgerichten nicht verworfen wur<strong>de</strong>n.<br />
997<br />
So auch Ukrow, Fn. 548, S. 150.<br />
998<br />
Eine unmittelbare Anwendbarkeit lehnen ebenfalls ab Hummer, Fn. 629, S. 96; Nanz/<br />
Silberberg, Fn. 98, S. 343; Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 26.
247<br />
<strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs reichen können. Aus diesem Grun<strong>de</strong> kann die Vorschrift nicht schon mit<br />
Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs eine einklagbare Rechtspflicht zu Gunsten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Benachteiligten begrün<strong>de</strong>n, 999<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n bedarf, um konstitutive Wirkung entfalten zu können,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Setzung entsprechen<strong><strong>de</strong>r</strong> Sekundärrechtsakte. Die <strong>ra</strong>tio <strong>de</strong>s speziellen Diskr<strong>im</strong>inierungsverbots<br />
ist somit in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ermächtigung zu weiteren Integ<strong>ra</strong>tionsschritten zu sehen, <strong>de</strong>nen –<br />
vergleichbar mit Art. 23 (ex-Art. J.13) Abs. 1 EUV i.R.d. GASP – eine einst<strong>im</strong>mige<br />
Beschlußfassung vo<strong>ra</strong>ngehen muß, damit anschließend mit qualifizierter Mehrheit Rechtsakte<br />
beschlossen wer<strong>de</strong>n können. Der anfängliche, einst<strong>im</strong>mig zu treffen<strong>de</strong> Beschluß, <strong><strong>de</strong>r</strong> darüber<br />
entschei<strong>de</strong>t, ob es überhaupt zu einem weiteren Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft kommen soll,<br />
darf nicht über eine unmittelbare Anwendbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift unterminiert wer<strong>de</strong>n. Im<br />
übrigen macht schon ein Blick auf Art. 141 (ex-Art. 119) EGV <strong>de</strong>utlich, daß sich jene<br />
Vorschrift, welche <strong>de</strong>m Wortlaut nach zwingend ist („Je<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaat stellt [...] sicher“),<br />
mit Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV nicht vergleichen läßt, da diese ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> ein Ermessen <strong>de</strong>s Rates<br />
vo<strong>ra</strong>ussetzt.<br />
Eine unmittelbare Anwendbarkeit von Normen <strong>de</strong>s pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrechts hat <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EuGH jedoch nur unter vier Vo<strong>ra</strong>ussetzungen anerkannt. So müssen diese<br />
- rechtlich vollkommen, d.h. ohne je<strong>de</strong> weitere Konkretisierung anwendbar sein,<br />
- unbedingt sein,<br />
- eine Handlungs- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Unterlassungspflicht für die Mitgliedstaaten begrün<strong>de</strong>n und<br />
- <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten keinen Ermessensspiel<strong>ra</strong>um lassen. 1000<br />
Während die genannten Vo<strong>ra</strong>ussetzungen zwar für Art. 141 (ex-Art. 119) EGV zutreffen, ist<br />
Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV zum einen nicht unbedingt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n steht unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Bedingung eines<br />
einst<strong>im</strong>migen Ratsbeschlusses; zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en besteht für die Ratsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> als Repräsentanten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten keine Handlungspflicht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ein Ermessen („kann“).<br />
3. Mögliche Auswirkungen auf das <strong>Religionsrecht</strong><br />
Wür<strong>de</strong>n die Mitgliedstaaten einst<strong>im</strong>mig ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung beschließen, so hätte dies z.B. zur Folge, daß Mitgliedstaaten<br />
Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen nicht in unsachlicher Weise unterschiedlich gegenüber einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Großkirche behan<strong>de</strong>ln dürften, wie dies z.B. bis vor kurzem noch in Italien <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall war: So<br />
999 So aber Cirkel, Fn. 777, S. 3333, sowie Szczekalla, Fn. 750, S. 215, 216.<br />
1000 Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 846, unter Verweis auf EuGH, Rs. 2/74<br />
(Reyners/Belgien), Slg. 1974, S. 631 ff., 649 ff.
248<br />
hatte die Corte Costituzionale <strong>im</strong> November 1997 eine Verfügung aus <strong>de</strong>m Jahre 1930<br />
aufgehoben, die bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Verungl<strong>im</strong>pfung von Katholiken, die über 90% <strong><strong>de</strong>r</strong> italienischen<br />
Bevölkerung ausmachen, eine um ein Drittel höhere St<strong>ra</strong>fe als bei Verungl<strong>im</strong>pfung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
religiöser Gemeinschaften begrün<strong>de</strong>te. Der italienische Verfassungsgerichtshof entschied zu<br />
Recht: „Je<strong>de</strong> Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung von Religionen, die sich nur auf eine größere o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
kleinere Anzahl von Anhängern grün<strong>de</strong>t, ist nicht akzeptabel.“ 1001<br />
Um eine Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft zu begrün<strong>de</strong>n, müßte allerdings <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs eröffnet<br />
sein. Dies wäre z.B. dann <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall, wenn generell nur einer best<strong>im</strong>mten Kirche die<br />
Möglichkeit einer Fernsehübert<strong>ra</strong>gung von Gottesdiensten eingeräumt wür<strong>de</strong>.<br />
Der EGMR hatte erst kürzlich Griechenland verurteilt, weil hier aufgrund <strong>de</strong>s noch aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Metaxas-Diktatur stammen<strong>de</strong>n „Anti-Evangelisationsgesetzes“ Nr. 1363 von 1938 St<strong>ra</strong>fverfahren<br />
eingeleitet wur<strong>de</strong>n, soweit nicht-orthodoxe Christen in Griechenland Evangelisation<br />
betrieben. Ungeachtet <strong>de</strong>ssen appellierte <strong><strong>de</strong>r</strong> Athener Erzbischof Christodoulos an seine<br />
Regierung, die Religionsfreiheit für nicht-orthodoxe Bekenntnisse einzuschränken und staatsanwaltschaftlich<br />
„je<strong>de</strong> religiöse Werbung einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbreitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bibel durch<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Religionsgemeinschaften st<strong>ra</strong>frechtlich zu verfolgen.“ 1002<br />
Der Anwendungsbereich <strong>de</strong>s<br />
Vert<strong>ra</strong>gs wäre eröffnet, soweit sich <strong>Union</strong>sbürger nicht-orthodoxen Bekenntnisses i.R.d.<br />
Freizügigkeitsrechte in Griechenland aufhielten und nur aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Weitergabe von Bibeln<br />
st<strong>ra</strong>fverfolgt wür<strong>de</strong>n.<br />
Konfliktträchtig ist schließlich z.B. das Verbot <strong>de</strong>s Kopftucht<strong>ra</strong>gens für musl<strong>im</strong>ische<br />
Lehrerinnen. So hat die ba<strong>de</strong>n-württembergische Kultusministerin Annette Schavan einer<br />
solchen <strong>de</strong>n Zugang zu einer öffentlichen Schule verwehrt, da diese nicht bereit gewesen sei,<br />
auf das Kopftuch zu verzichten. 1003 Der Zent<strong>ra</strong>l<strong>ra</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> Musl<strong>im</strong>e hatte diese Entscheidung als<br />
faktisches „Berufsverbot für p<strong>ra</strong>ktizieren<strong>de</strong> Musl<strong>im</strong>as“ und als „g<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung<br />
von Menschen, die nach ihrer Glaubensüberzeugung leben“ kritisiert. 1004 Soweit es sich<br />
tatsächlich um eine religiöse Pflicht einer Musl<strong>im</strong>in han<strong>de</strong>ln sollte, Kopfbe<strong>de</strong>ckung zu<br />
t<strong>ra</strong>gen, 1005 wäre die Verwehrung <strong>de</strong>s Zugangs zum Lehrerberuf an öffentlichen Schulen<br />
alleine aus <strong>de</strong>m besagten Grund wohl als Diskr<strong>im</strong>inierung aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion zu<br />
qualifizieren, soweit z.B. römisch-katholischen Or<strong>de</strong>nsangehörigen das T<strong>ra</strong>gen einer T<strong>ra</strong>cht<br />
gestattet wird. 1006<br />
Etwas an<strong><strong>de</strong>r</strong>es kann nur dann angenommen wer<strong>de</strong>n, wenn die Schüler durch<br />
1001<br />
Vgl. KuR 980, S. 143.<br />
1002<br />
Vgl. KuR 980, S. 154 f.<br />
1003<br />
Vgl. in<strong>de</strong>s zur tole<strong>ra</strong>nteren Haltung in F<strong>ra</strong>nkreich Grewe, Fn. 163, v.a. S. 32.<br />
1004<br />
Vgl. KuR 980, S. 149 f.<br />
1005<br />
In diese Richtung Gromitsaris, Fn. 156, S. 386.<br />
1006<br />
Hie<strong>ra</strong>uf weisen zu Recht Czermak, Fn. 184, S. 477, sowie Janz/Ra<strong>de</strong>macher, Islam und<br />
Religionsfreiheit, NVwZ 1999, S. 706 ff., hin. Allerdings hat die EKMR eine Verletzung
249<br />
das T<strong>ra</strong>gen <strong>de</strong>s Schleiers eine psychische Beeinträchtigung erlei<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n 1007 o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn die<br />
Handlung lediglich aus Motiven <strong><strong>de</strong>r</strong> He<strong>ra</strong>usfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, <strong>de</strong>s Bekehrungseifers o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Propaganda he<strong>ra</strong>us geschähe. 1008 Soweit Symbole wie <strong>im</strong> Regelfall jedoch lediglich<br />
Emotionen auslösen und eine „sinnlich-geistige Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung“ herbeiführen, ist dies<br />
hinzunehmen, da hierdurch noch nicht die Schwelle einer unverhältnismäßigen Grundrechtsbeeinträchtigung<br />
anzunehmen ist. 1009 In diesem Falle hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat vielmehr für eine<br />
„Neut<strong>ra</strong>lität durch Plu<strong>ra</strong>lität“ zu sorgen. 1010 Soweit es sich um weibliche <strong>Union</strong>sbürger<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Mitgliedstaaten han<strong>de</strong>lt, fällt die Thematik in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 (ex-Art. 48) EGV; <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Schulwesens<br />
könnte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Schulträger nicht auf die eng auszulegen<strong>de</strong> Ausnahmevorschrift <strong>de</strong>s<br />
Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV berufen. 1011<br />
Im Falle eines Beitritts <strong><strong>de</strong>r</strong> Türkei zur EU wür<strong>de</strong><br />
dieser Problematik erhebliche Be<strong>de</strong>utung zukommen.<br />
Während viele Mitgliedstaaten verfassungsrechtlich ebenfalls ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus<br />
Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion kennen, fin<strong>de</strong>t ein Verbot von Diskr<strong>im</strong>inierungen <strong><strong>de</strong>r</strong> sexuellen<br />
Ausrichtung kein Pendant in <strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen. Es bleibt zu<br />
hoffen, daß es durch die neue Gemeinschaftskompetenz nicht zu einer vollständigen Gleichstellung<br />
homosexueller Formen <strong>de</strong>s Zusammenlebens mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Ehe und Familie kommt.<br />
Letztere stellen nicht nur i.R.d. christlichen Religion, <strong>im</strong> Ju<strong>de</strong>ntum und <strong>im</strong> Islam neben <strong>de</strong>m<br />
Ledigsein die einzige tolerierte Lebensform dar, 1012<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n geben auch in einem Staatswesen<br />
<strong>de</strong>s Art. 9 EMRK aufgrund einer Beschwer<strong>de</strong> einer türkischen Stu<strong>de</strong>ntin verneint, <strong><strong>de</strong>r</strong> eine<br />
staatliche Universität verbot, religiöse Kopfbe<strong>de</strong>ckung zu t<strong>ra</strong>gen, vgl. EKMR,<br />
BNr. 16278/90, DR 74, S. 93 ff., 100 ff. Wür<strong>de</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Or<strong>de</strong>nsangehörigen gleichwohl das<br />
T<strong>ra</strong>gen einer T<strong>ra</strong>cht gestattet, obwohl bei<strong>de</strong> Male eine religiöse Verpflichtung zum T<strong>ra</strong>gen<br />
religiöser Kleidung besteht, wird man von einem Verstoß gegen Art. 14 EMRK ausgehen<br />
müssen.<br />
1007<br />
Heckmann, Fn. 189, S. 888; Gromitsaris, Fn. 156, S. 393 f.<br />
1008<br />
Gromitsaris, Fn. 156, S. 380 unter Verweis auf das Tschador-Gutachten <strong>de</strong>s Conseil d’Etat<br />
vom 27.11.1989, vgl. oben Fn. 163.<br />
1009<br />
Heckmann, Fn. 189, S. 883, 885; Gromitsaris, Fn. 156, S. 385.<br />
1010<br />
So Heckmann, Fn. 189, S. 888 unter Verweis auf BVerfGE 41, S. 29 ff., 50; 41, S. 65 ff.,<br />
78 f.; 41, S. 88 ff., 107, 109; zwar ist diese Aussage <strong>im</strong> Kontext <strong>de</strong>s Aufhängens von<br />
Kruzifixen in öffentlichen Schulen gemacht wor<strong>de</strong>n, sie muß aber – angesichts <strong>de</strong>s<br />
pa<strong>ra</strong>llelen Sachverhalts – auch auf die Tschador-Problematik übert<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n.<br />
1011<br />
Vgl. insofern die Ausführungen unten K.I.2.a)aa)(2)(iv).<br />
1012<br />
Vgl. z.B. 2. Mose (Exodus) 22, 15; 3. Mose (Leviticus) 18, 22; Ps. 127, 3; 1. Kor. 7, 8 – 9;<br />
Hebräer 13, 4, sowie das katholische Hirtenwort vom 17.1.1998; hierzu PNP Nr. 283 vom<br />
5.12.1998, S. 5. Ähnlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Ko<strong>ra</strong>n, in Sure 4: 15 (Unzucht unter F<strong>ra</strong>uen) bzw. Sure 4: 16<br />
(Unzucht unter Männern), vgl. Der Ko<strong>ra</strong>n, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Übersetzung von Paret, 2. Aufl., Berlin –
250<br />
die Gewähr dafür, daß das Staatsvolk nicht ausstirbt und <strong><strong>de</strong>r</strong> Gene<strong>ra</strong>tionenvert<strong>ra</strong>g <strong>de</strong>s<br />
Rentensystems aufrechterhalten wer<strong>de</strong>n kann. 1013 Abgesehen hiervon wäre eine solche<br />
Gleichstellung mit Art. 6 Abs. 1 GG, durch welchen Ehe und Familie unter <strong>de</strong>n beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Ordnung gestellt wer<strong>de</strong>n, schlechterdings vereinbar. 1014 Wür<strong>de</strong> ein <strong>im</strong><br />
Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zu Art. 6 Abs. 1 GG stehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Sekundärrechtsakt erlassen, wäre die<br />
grundgesetzliche Norm in ihrem Wesenskern verletzt, da ihr beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Schutz entfiele.<br />
Damit kämen die oben ausgeführten Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Solange-Rechtsprechung 1015<br />
zum T<strong>ra</strong>gen.<br />
4. Zusammenfassung<br />
Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV enthält ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot u.a. aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion<br />
innerhalb <strong>de</strong>s Anwendungsbereichs <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs. Allerdings ist dieses Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot<br />
<strong>im</strong> Gegensatz zu Art. 141 (ex-Art. 119) EGV nicht unmittelbar anwendbar, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
ermächtigt <strong>de</strong>n Rat erst, geeignete Vorkehrungen zu treffen, wobei das „Ob“ und „Wie“ <strong>de</strong>s<br />
Tätigwer<strong>de</strong>ns in <strong>de</strong>ssen Ermessen gestellt sind.<br />
Köln – Mainz 1980; Yücelen, Was sagt <strong><strong>de</strong>r</strong> Ko<strong>ra</strong>n dazu? – Die Lehren und Gebote <strong>de</strong>s<br />
Heiligen Buches, 2. Aufl., München 1988, S. 140.<br />
1013 B<strong>ra</strong>un, Fn. 628, S. 178 ff., sieht die Geschlechts- und Lebensgemeinschaft zwischen Mann<br />
und F<strong>ra</strong>u ebenfalls als Ga<strong>ra</strong>nt für die „Reproduktion und Erziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> künftigen<br />
Gene<strong>ra</strong>tion“, wobei er allerdings nüchtern konstatiert (S. 180 f.), daß es kein Halten mehr<br />
gebe, nach<strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> „Damm jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>tealter Tabus einmal gebrochen“ sei.<br />
1014 Vgl. hierzu Kirchhof, Ehe und Familie als Grundlage einer freiheitlichen Gesellschaft, SdZ<br />
1999, S. 507 ff., 508, unter Hinweis auf BVerfGE 76, S. 1 ff., 51; NJW 1999, S. 631.<br />
1015 Vgl. Ausführungen unter C.IV.2.
F. <strong>Religionsrecht</strong> als „Kultur“ i.S.d. Art. 151 (ex-Art. 128)<br />
EGV?<br />
I. Der gemeinschaftsrechtliche Kultur(gut)begriff<br />
251<br />
Gemäß Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 1 EGV, <strong><strong>de</strong>r</strong> durch die EEA in <strong>de</strong>n EG-Vert<strong>ra</strong>g eingefügt<br />
wur<strong>de</strong>, „leistet die Gemeinschaft einen Beit<strong>ra</strong>g zur Entfaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kulturen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Hervorhebung<br />
<strong>de</strong>s gemeinsamen kulturellen Erbes.“ F<strong>ra</strong>glich ist, ob das <strong>Religionsrecht</strong> ebenfalls<br />
unter <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s Art. 151 (ex-Art. 128) EGV fällt und damit eine Gemeinschaftskompetenz<br />
begrün<strong>de</strong>t, die allerdings Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 5 EGV nicht zu<br />
Harmonisierungsmaßnahmen berechtigen wür<strong>de</strong>.<br />
Soweit Kultur einen wirtschaftlichen Bezug besitzt, wer<strong>de</strong>n Kultu<strong>ra</strong>ngebote gemeinschaftsrechtlich<br />
ohnehin als Dienstleistung verstan<strong>de</strong>n; die Art. 49 (ex-Art. 59) ff. EGV gelangen in<br />
diesem Fall zur Anwendung. 1016 Entsprechen<strong>de</strong>s muß grundsätzlich auch für entgeltliche<br />
Dienstleistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen gelten. Angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, daß die Gemeinschaft nach<br />
Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 4 EGV bei ihrer Tätigkeit aufgrund an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s<br />
EG-Vert<strong>ra</strong>gs <strong>de</strong>n kulturellen Aspekten Rechnung trägt (sog. Querschnittsklausel 1017<br />
), ist es<br />
von beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Be<strong>de</strong>utung, ob Religion und <strong>Religionsrecht</strong> als „Kultur“ i.S.d. Art. 151<br />
(ex-Art. 128) EGV angesehen wer<strong>de</strong>n können.<br />
Da die Gemeinschaft <strong>im</strong> kulturellen Bereich von <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeit <strong>de</strong>s Erlasses von<br />
Rechtsakten Geb<strong>ra</strong>uch macht, wäre zur Abgrenzung ihrer Kompetenzen eigentlich eine<br />
Definition <strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen Kulturbegriffs erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich. 1018<br />
Gleichwohl ergeben<br />
1016 Vgl. Laufer/Arens, Die kontinuierliche Ausweitung <strong><strong>de</strong>r</strong> EG-Kompetenzen, in: Wei<strong>de</strong>nfeld<br />
(Hrsg.), Reform <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> – Materialien zur Revision <strong>de</strong>s Maastrichter<br />
Vert<strong>ra</strong>gs 1996, Gütersloh 1995, S. 193 ff., 199.<br />
1017 Vgl. allgemein hierzu Stein, Die Querschnittsklausel zwischen Maastricht und Karlsruhe,<br />
in: Due/Lutter/ Schwarze (Hrsg.), FS für Ulrich Everling, Bd. II, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995,<br />
S. 1439 ff.<br />
1018 Ress, Fn. 415, S. 950; ähnlich Evers, Kultu<strong>ra</strong>uft<strong>ra</strong>g <strong>im</strong> staatlichen Gemeinwesen,<br />
NJW 1983, S. 2161: „[...] nur wenn Kultur <strong>de</strong>finiert ist, kann sie mit <strong>de</strong>n Mitteln <strong>de</strong>s<br />
Rechtsstaates nach festen Regeln, unter Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit,
252<br />
sich große Schwierigkeiten 1019 einer allgemeingültigen Definition, sofern diese nicht sogar<br />
unmöglich ist. 1020 Es wird <strong>im</strong> Hinblick auf diese Schwierigkeiten sowie auf das<br />
Einst<strong>im</strong>migkeitsprinzip nach Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 5 EGV <strong>im</strong> – sich aus <strong>de</strong>n Vertretern<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten zusammensetzen<strong>de</strong>n – Rat p<strong>ra</strong>gmatisch vorgeschlagen, als Kultur i.S.d.<br />
Art. 151 (ex-Art. 128) EGV dasjenige anzuerkennen, was die Mitgliedstaaten als solche<br />
ansähen, zumal ansonsten mangels Konsenses überhaupt kein Rechtsakt nach<br />
Art. 151 (ex-Art. 128) EGV zustan<strong>de</strong> käme. 1021 Auch die Kommission unterläßt es i.R.d.<br />
konkreten Aktionen <strong>im</strong> kulturellen Bereich, Kultur näher zu <strong>de</strong>finieren, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n beschränkt<br />
sich auf eine Auflistung <strong><strong>de</strong>r</strong> geplanten Einzelvorhaben. 1022 De<strong>ra</strong>rtige enume<strong>ra</strong>tive<br />
Aufzählungen, die Georg Ress ebenfalls als ausreichend einschätzt 1023<br />
, ermöglichen auch<br />
ohne Definition <strong>de</strong>s Kulturbegriffes eine Überprüfung durch <strong>de</strong>n EuGH hinsichtlich einer<br />
eventuellen Kompetenzüberschreitung.<br />
Was gemeinschaftsrechtlich unter „Kultur“ zu verstehen ist, wird durch die vier in<br />
Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 2 EGV erwähnten Bereiche näher konkretisiert. Der zweite<br />
Spiegelstrich spricht vor allem <strong>de</strong>n Denkmal- und Kulturgüterschutz an; hierbei han<strong>de</strong>lt es<br />
sich um Bereiche, in <strong>de</strong>nen kirchliche und religiöse Interessen betroffen sind. Die VO (EWG)<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Zweckmäßigkeit, <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaftlichkeit und <strong><strong>de</strong>r</strong> Sparsamkeit in geordneten Verfahren<br />
als ein Gut anerkannt, geschützt und gepflegt wer<strong>de</strong>n.“<br />
1019<br />
<strong>Das</strong> BVerfG z.B. <strong>de</strong>finiert in BVerfGE 41, S. 29 ff., 52, 64, Kultur soziologisch als<br />
„Inbegriff <strong><strong>de</strong>r</strong> typischen Lebensformen, Werteinstellungen und Verhaltensweisen innerhalb<br />
einer Gesellschaft.“ Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 6, umschreibt Kultur dagegen<br />
als ein „zum Staat in einer Son<strong><strong>de</strong>r</strong>beziehung stehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Bereich geistig-schöpferischer<br />
Betätigung <strong>de</strong>s Menschen, wozu insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Wissenschaft, Bildung und Kunst<br />
zählen.“ Der Brockhaus, Bd. 4, 1992, S. 115, legt Kultur als „die Gesamtheit <strong><strong>de</strong>r</strong> typischen<br />
Lebensformen einer Bevölkerung einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> sie t<strong>ra</strong>gen<strong>de</strong>n Geistesverfassung“ fest.<br />
Diesen Definitionen gemeinsam ist, daß sich Kultur auf eine Gesellschafts- bzw. Bevölkerungsgruppe<br />
bezieht und auch ein geistiges, nicht faßbares Element enthält, vgl. Berndt,<br />
Internationaler Kulturgüterschutz, Abwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsschutz, Regelungen <strong>im</strong> innerstaatlichen<br />
Recht, <strong>im</strong> Europa- und Völkerrecht, Köln – Berlin – Bonn – München 1998, S. 143.<br />
1020<br />
Wemmer, Die neuen Kulturklauseln <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs, F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. u.a. 1996, S. 12 f.,<br />
dort Fn. 60 u. 61 m.w.N.<br />
1021<br />
Wemmer, Fn. 1020, S. 13 f.<br />
1022<br />
Weiterführen<strong>de</strong> Hinweise bei Wemmer, Fn. 1020, S. 14, Fn. 68. So wer<strong>de</strong>n beispielsweise<br />
<strong>im</strong> ope<strong>ra</strong>tiven Teil <strong>de</strong>s „Neuen Kulturkonzepts <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft“ vom 29.4.1992, vgl.<br />
KOM(92), S. 149 endg., nur die klassischen kulturellen Ausdrucksformen (Buch, darstellen<strong>de</strong><br />
Künste, audiovisueller Bereich) sowie das kulturelle Erbe aufgeführt.<br />
1023<br />
Ress, Fn. 415, S. 950.
253<br />
Nr. 3911/92 <strong>de</strong>s Rates vom 9. Dezember 1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern 1024 enthält<br />
jedoch ebenfalls keine nähere Definition <strong>de</strong>s „Kulturguts“, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n verweist in Art. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO<br />
auf die <strong>im</strong> Anhang aufgeführten Güter. Dort wer<strong>de</strong>n unter Ziff. A. 2. allerdings ausdrücklich<br />
Bestandteile von religiösen Denkmälern aufgeführt, die älter als 100 Jahre sind. Auch die<br />
Richtlinie 93/7/EWG 1025 verzichtet bezeichnen<strong><strong>de</strong>r</strong>weise ebenfalls auf eine nähere Definition<br />
<strong>de</strong>s „nationalen Kulturguts“ und verweist gleichsam auf die in ihrem Anhang aufgezählten<br />
Kategorien, wobei die Ziff. A.2. <strong>de</strong>s Anhangs exakt <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziff. A.2. <strong>de</strong>s Anhangs <strong><strong>de</strong>r</strong> VO<br />
(EWG) Nr. 3911/93 entspricht. Im Gegensatz zur nicht faßbaren, z.T. vergeistigten „Kultur“<br />
kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>de</strong>s „Kulturguts“ jedoch als Gegenstand, <strong><strong>de</strong>r</strong> das Schaffen einer best<strong>im</strong>mten<br />
Kultur sichtbar wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spiegelt, <strong>de</strong>finiert wer<strong>de</strong>n. 1026<br />
Gemäß Art. 7 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/7/EWG können<br />
Rückfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsansprüche bei kirchlichen Kulturgütern noch 75 Jahre nach ihrer unrechtmäßigen<br />
Verbringung aus <strong>de</strong>m Hoheitsgebiet <strong>de</strong>s ersuchen<strong>de</strong>n Mitgliedstaats zugelassen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
II. Der Begriff <strong>de</strong>s „kulturellen Erbes“<br />
Von <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen in Art. 151 (ex-Art. 128) EGV aufgelisteten kulturellen Bereichen<br />
erscheint <strong>im</strong> Hinblick auf das <strong>Religionsrecht</strong> nur die Erhaltung bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutz <strong>de</strong>s<br />
„kulturellen Erbes“ i.S.d. zweiten Spiegelstrichs <strong>de</strong>s Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 2 EGV<br />
relevant zu sein. Dieses kann man mit Benedikt Wemmer als „bleiben<strong>de</strong>, an die Öffentlichkeit<br />
[...] gelangte kulturelle Hervorbringung in allen Lebensbereichen“ <strong>de</strong>finieren, wobei hierunter<br />
nicht nur die Hinterlassenschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Antike, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch die <strong>de</strong>s Christentums einschließlich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Reformation bis hin zum Sozialismus und Kapitalismus zu verstehen sind. 1027<br />
1024<br />
ABl. 1992, Nr. L 395, S. 1 ff.<br />
1025<br />
Richtlinie 93/7/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig<br />
aus <strong>de</strong>m Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verb<strong>ra</strong>chten Kulturgütern (ABl. 1993, Nr. L 74,<br />
S. 74), umgesetzt in <strong>de</strong>utsches Recht durch das am 22.10.1998 in K<strong>ra</strong>ft getretene<br />
Kulturgutsicherungsgesetz (KulturgutSiG). Dieses sieht als „national wertvolles Kulturgut“<br />
ebenfalls nur solche Gegenstän<strong>de</strong> an, die in das Gesamtverzeichnis nach § 6 Abs. 2<br />
KultgSchG einget<strong>ra</strong>gen sind. Vgl. von Preuschen, Kulturgutsicherungsgesetz und EG-<br />
Recht, EuZW 1999, S. 40 ff., 41 zur richtlinienkonformen nationalen Umsetzung durch das<br />
KulturgutSiG.<br />
1026<br />
In diesem Sinne Berndt, Fn. 1019, S. 143.<br />
1027<br />
Wemmer, Fn. 1020, S. 15 f.
254<br />
III. Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>Religionsrecht</strong> und „kulturellem Erbe“<br />
Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> christlichen Kirchen haben einen kaum zu überschätzen<strong>de</strong>n Beit<strong>ra</strong>g in kultureller<br />
Hinsicht geleistet, <strong><strong>de</strong>r</strong> vom Bau architektonisch wertvoller Kirchen und Klöster über<br />
kunstvolle Bibelabschriften bis hin zur Komposition be<strong>de</strong>uten<strong><strong>de</strong>r</strong> O<strong>ra</strong>torien und Messen<br />
reicht. 1028<br />
Kultur und Religion können sich in Teilbereichen überschnei<strong>de</strong>n: So han<strong>de</strong>lt es sich<br />
oftmals – z.B. bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenorgel <strong>im</strong> Passauer Dom – einerseits um ein kirchliches Gut,<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits aber auch um ein kulturelles Erbe von europäischer Be<strong>de</strong>utung.<br />
Weite Bereiche <strong>de</strong>s gelten<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen <strong>Religionsrecht</strong>s, wie z.B. die Tatsache <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gewährung von Körperschaftsrechten, berühren dagegen <strong>de</strong>n Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> „Kultur“ i.S.d.<br />
Art. 151 (ex-Art. 128) EGV überhaupt nicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> höchstens peripher, 1029<br />
auch wenn nicht in<br />
Abre<strong>de</strong> gestellt wer<strong>de</strong>n soll, daß sich die verschie<strong>de</strong>nen religionsrechtlichen Systeme in<br />
Europa über viele Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>te hinweg entwickelt haben, bis sie zur heutigen Form gelangt<br />
sind.<br />
Der noch <strong>im</strong> Entwurfsstadium <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung vorhan<strong>de</strong>ne Bezug zur „Kultur“ wur<strong>de</strong><br />
m.E. mit Bedacht aus <strong><strong>de</strong>r</strong> endgültigen Fassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung gestrichen, um keine Vermengung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Begriffe <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion und Kultur herbeizuführen. 1030 Soweit nicht die historische<br />
Hinterlassenschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften, das kulturelle Erbe, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n die<br />
Gegenwartsgestaltung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s in Re<strong>de</strong> steht, sollten daher bei<strong>de</strong> Begriffe als aliud<br />
verwandt wer<strong>de</strong>n, wie dies auch auf Gemeinschaftsebene geschieht. 1031<br />
1028 Vgl. nur Mason, Die Kultur von Hampshire, in: Diensteinheit für Studien <strong><strong>de</strong>r</strong> Autonomen<br />
Region Trentino-Südtirol (Hrsg.), Die regionalen Unterschie<strong>de</strong> in Europa. Die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
verschie<strong>de</strong>nen regionalen Kulturen be<strong>im</strong> Aufbau <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Trient 1993,<br />
S. 101 ff., 105 f., 108, über <strong>de</strong>n Einfluß <strong><strong>de</strong>r</strong> christlichen Religion auf die Kultur<br />
Hampshire’s.<br />
1029 So in Ansätzen auch v. Campenhausen, Fn. 74, S. 409. Hierfür spricht auch die Äußerung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission vom 3.10.1997, ABl. 1998, Nr. L 82, S. 127, vgl. hierzu die Ausführungen<br />
oben C.I.3.p). An<strong><strong>de</strong>r</strong>s wohl Robbers, Fn. 181, S. 96; Streinz, Fn. 77, S. 73.<br />
1030 Einzelheiten s.o. D.V.5; Robbers, Fn. 107, S. 360, ist dagegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht, das „Staatskirchenrecht“<br />
gehöre zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur i.S.d. Art. 151 (ex-Art. 128) EGV.<br />
1031 Dieser Ansicht ist auch Isensee, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. (31) 1997, S. 101, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
hervorhebt, daß das spezifisch Religiöse einer Kirche ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> nicht als bloßer „Kulturfaktor“<br />
angesehen wer<strong>de</strong>n könne. Überdies ist er <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Islam – <strong>im</strong>merhin eine<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltreligionen – nicht zum kulturellen Erbe Deutschlands zähle. Turowski, Fn. 225,<br />
S. 6, <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Staatskirchenrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>? – Überlegungen zu einer nicht nur
255<br />
Da die Gemeinschaft <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur nach Art. 151 (ex-Art. 128) EGV Kompetenzen<br />
besitzt, wäre das <strong>Religionsrecht</strong> überdies bei einer Subsumtion unter <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen<br />
Kulturbegriff kompetenzrechtlich teilweise auf die Gemeinschaft übert<strong>ra</strong>gen<br />
wor<strong>de</strong>n, wie dies in<strong>de</strong>s von kirchlicher o<strong><strong>de</strong>r</strong> kirchennaher Seite z.T. vehement bestritten<br />
wird. 1032<br />
Ob in Art. 151 (ex-Art. 128) EGV ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er, engerer Kulturbegriff als <strong>im</strong><br />
5. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>gs 1033<br />
gilt, kann dahingestellt bleiben, weil<br />
diese rechtlich unverbindlich ist.<br />
IV. Zusammenfassung<br />
Obwohl das „gemeinsame kulturelle Erbe“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten gemäß Art. 151 (ex-Art. 128)<br />
Abs. 1 EGV zu weiten Teilen auf religiös motiviertem Han<strong>de</strong>ln beruht, kann das <strong>Religionsrecht</strong><br />
selbst nur als aliud zur Kulturkompetenz <strong>de</strong>s Art. 151 (ex-Art. 128) EGV angesehen<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
für die Kirchen wichtigen Diskussion (Teil 2), KuR 140, S. 13 ff., 22, schlägt vor, in<br />
Anlehnung an Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 5 EGV ein Harmonisierungsverbot auch für das<br />
<strong>Religionsrecht</strong> in <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g einzuführen. Er geht damit ebenso davon aus, daß <strong>de</strong>m<br />
Harmonisierungsverbot <strong>de</strong>s Art. 151 (ex-Art. 128) EGV nicht schon für das <strong>Religionsrecht</strong><br />
Be<strong>de</strong>utung zukommt; ähnlich: van Bijsterveld, Fn. 607, S. 22. Der Begriff <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s<br />
kann somit nicht unter <strong>de</strong>n Oberbegriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur subsumiert wer<strong>de</strong>n.<br />
1032 Vgl. nur Joseph H. Kaiser, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 105 f.<br />
1033 „IN DEM WUNSCH, die Solidarität zwischen ihren Völkern unter Achtung ihrer<br />
Geschichte, ihrer Kultur und ihrer T<strong>ra</strong>ditionen zu stärken“.
256
G. Der Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz<br />
<strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />
I. <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip<br />
1. Historische Herkunft und Einführung ins Gemeinschaftsrecht<br />
257<br />
a) Ursprünge <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips<br />
<strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip 1034 kann bis in die Heilige Schrift zurückverfolgt wer<strong>de</strong>n, wo es sich<br />
<strong>im</strong> Rat <strong>de</strong>s Jethro (Exodus 18, 18 – 22) wie<strong><strong>de</strong>r</strong>fin<strong>de</strong>t. 1035<br />
Aufgegriffen wur<strong>de</strong> es sodann von<br />
1034<br />
Vgl. aus <strong><strong>de</strong>r</strong> vielfältigen Lite<strong>ra</strong>tur über das Subsidiaritätsprinzip: Bitterlich, Die Ve<strong>ra</strong>nkerung<br />
<strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips und seine ope<strong>ra</strong>tive Umsetzung, in: Wei<strong>de</strong>nfeld (Hrsg.),<br />
Fn. 1016, S. 177 ff.; Calliess, <strong>Das</strong> Spannungsverhältnis zwischen Subsidiaritätsprinzip und<br />
Solidaritätsprinzip <strong>im</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, in: Scholz (Hrsg.), Europäische<br />
Integ<strong>ra</strong>tion – Schon eine „<strong>Union</strong> <strong>de</strong>s Rechts“?, S. 176 ff.; Constantinesco, „Subsidiarität“:<br />
Magisches Wort o<strong><strong>de</strong>r</strong> Handlungsprinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, EuZW 1991, S. 561 ff.;<br />
Everling, Kompetenzordnung und Subsidiarität, in: Wei<strong>de</strong>nfeld (Hrsg.), Fn. 1016, S. 166 ff.;<br />
Hans Georg Fischer, Öffentliche Anhörung <strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>stages und <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>tes zum „Subsidiaritätsprinzip in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>“ am 8. Mai 1996 in<br />
Bonn, DVBl. 1996, S. 1040 ff.; Gaster, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht,<br />
in: T<strong>im</strong>mermann (Hrsg.), Subsidiarität und Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alismus in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Berlin<br />
1998, S. 19 ff.; Hilz, Subsidiaritätsprinzip und EU-Gemeinschaftsordnung – Anspruch und<br />
Wirklichkeit am Beispiel <strong>de</strong>s Maastricht-Prozesses, Opla<strong>de</strong>n 1998; Hirsch, Die Auswirkungen<br />
<strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips auf die Rechtsetzungsbefugnis <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Gemeinschaften, in: Vorträge, Re<strong>de</strong>n und Berichte aus <strong>de</strong>m Europa-Institut, Sektion<br />
Rechtswissenschaft, hrsg. von Ress/Stein, Saarbrücken 1992, Nr. 330; Hummer,<br />
Subsidiarität und Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alismus als Strukturprinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften,<br />
ZfRV 1992, S. 81 ff.; Jachtenfuchs, Die EG nach Maastricht – <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip<br />
und die Zukunft <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion, EA 1992, S. 279 ff.; Kahil, Europäisches Sozialrecht und<br />
Subsidiarität, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995; Kenntner, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprotokoll <strong>de</strong>s Amsterdamer<br />
Vert<strong>ra</strong>gs, NJW 1998, S. 2871 ff.; Konow, Zum Subsidiaritätsprinzip <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von<br />
Maastricht, DÖV 1993, S. 405 ff.; Langer, Subsidiarität durch Verfahren, in: Scholz<br />
(Hrsg.), Europäische Integ<strong>ra</strong>tion – Schon eine „<strong>Union</strong> <strong>de</strong>s Rechts“?, S. 182 ff.; Lecheler,
258<br />
Thomas von Aquin (1225 – 1274) und <strong>de</strong>m Protestanten Johann Althusius (1562 – 1638):<br />
Während ersterer die Gefahr darin sah, daß ein Übermaß an Vereinheitlichung und<br />
Gleichschaltung <strong>de</strong>n Bestand <strong>de</strong>s „aus verschie<strong>de</strong>nen Gebil<strong>de</strong>n zusammengesetzten<br />
Gemeinwesens“ bedrohte, war <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiaritätsgedanke für letzteren Bestandteil seiner sog.<br />
Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>altheologie. 1036 Auch diente das Prinzip auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Em<strong>de</strong>ner Syno<strong>de</strong> von 1571 als<br />
Grundlage <strong>de</strong>s calvinistischen Kirchenrechts. 1037 Schließlich fand das Subsidiaritätsprinzip<br />
durch die von Papst Pius XI. he<strong>ra</strong>usgegebene Sozialenzyklika „Quad<strong>ra</strong>ges<strong>im</strong>o anno“ 1038<br />
aus<br />
<strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip – Strukturprinzip einer europäischen <strong>Union</strong>, Berlin 1993; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />
Einheitsbildung und Subsidiarität, in: Netteshe<strong>im</strong>/Schie<strong>ra</strong> (Hrsg.), Der integrierte Staat,<br />
Berlin 1999, S. 95 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Subsidiarität <strong>im</strong> künftigen Europa, Köln 1991; Merten,<br />
Subsidiarität als Verfassungsprinzip, in: Merten (Hrsg.), Die Subsidiarität Europas, Berlin<br />
1993, S. 77 ff.; Müller-Dehn, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip in <strong><strong>de</strong>r</strong> offenen europäischen<br />
Gesellschaft, in: Scholz (Hrsg.), Europäische Integ<strong>ra</strong>tion – Schon eine „<strong>Union</strong> <strong>de</strong>s Rechts“?,<br />
Köln 1996, S. 171 ff.; Nicolaysen, Funktionalität und Kontrolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität, in:<br />
Wei<strong>de</strong>nfeld (Hrsg.), Fn. 1016, S. 156 ff.; Pieper, Subsidiarität – Ein Beit<strong>ra</strong>g zur Begrenzung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftskompetenzen, Köln – Berlin – Bonn – München 1994; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />
Subsidiaritätsprinzip – Strukturprinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, DVBl. 1993, S. 705 ff.;<br />
Roh<strong>de</strong>, Subsidiarität – katholische Soziallehre und Europarecht, BayVBl. 1994, S. 488 ff.;<br />
Schelter, Subsidiarität – Handlungsprinzip für das Europa <strong><strong>de</strong>r</strong> Zukunft, EuZW 1990,<br />
S. 217 ff.; Sch<strong>im</strong>a, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip <strong>im</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaftsrecht, Wien<br />
1994; Schnabel, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip <strong>im</strong> Vert<strong>ra</strong>g über die Europäische <strong>Union</strong>,<br />
BayVBl. 1993, S. 393 ff.; Schweitzer/Fixson, Subsidiarität und Regionalismus in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft, Ju<strong>ra</strong> 1992, S. 579 ff.; Stein, Die Europäische <strong>Union</strong> nach <strong>de</strong>m<br />
Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam: Subsidiarität, T<strong>ra</strong>nsparenz und Bürgernähe, in: Hummer (Hrsg.),<br />
Die Europäische <strong>Union</strong> nach <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam, Wien 1998, S. 141 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />
Subsidiarität als Rechtsprinzip?, in: Merten (Hrsg.), Die Subsidiarität Europas, Berlin 1993,<br />
S. 23 ff.; Stewing, Subsidiarität und Fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alismus in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Köln – Berlin<br />
– Bonn – München 1992.<br />
1035<br />
So auch Lecheler, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip, Fn. 1034, S. 31; Pieper, Subsidiarität,<br />
Fn. 1034, S. 34.<br />
1036<br />
Vgl. Pieper, Subsidiaritätsprinzip, Fn. 1034, S. 705 ff., 706.<br />
1037<br />
Vgl. Gaster, Fn. 1034, S. 21.<br />
1038<br />
AAS 23 (1931), S. 177 – 228, Ziff. 79 f.: „Wie dasjenige, was <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelmensch aus<br />
eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gesellschaftstätigkeit zugewiesen wer<strong>de</strong>n darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das,<br />
was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten En<strong>de</strong> führen<br />
können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen [...].<br />
Jedwe<strong>de</strong> Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen nach subsidiär. [...] Je besser durch<br />
strenge Beobachtung <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität die Stufenordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen
259<br />
<strong>de</strong>m Jahre 1931 – diese geht inhaltlich auf die Jesuiten Oswald von Nell-Breuning und Gustav<br />
Gundlach zurück 1039 – neben <strong>de</strong>n Prinzipien <strong><strong>de</strong>r</strong> Personalität und Solidarität in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
katholischen Soziallehre seinen festen Platz. 1040 War das Prinzip anfangs nur auf jedwe<strong>de</strong><br />
Gesellschaftstätigkeit beschränkt, so wur<strong>de</strong> es durch die Enzyklika „Pacem in terris“ auf das<br />
Verhältnis staatlicher zu überstaatlichen Instanzen ausge<strong>de</strong>hnt. 1041<br />
<strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip besagt vereinfacht ausgedrückt, daß die größere Einheit nur dann<br />
eine Aufgabe erfüllen soll, soweit diese nicht von einer kleineren Einheit zufrie<strong>de</strong>nstellend<br />
wahrgenommen wer<strong>de</strong>n kann. 1042 Da<strong>ra</strong>us folgt zunächst zweierlei: Erstens besteht für die<br />
übergeordnete Instanz die Pflicht, nicht sogleich tätig zu wer<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n zuerst zu prüfen, ob<br />
überhaupt Handlungsbedarf besteht; zweitens sind die kleineren, sachnäheren Instanzen zur<br />
effektiven Entlastung <strong><strong>de</strong>r</strong> übergeordneten Instanz zu stärken. 1043<br />
Zu prüfen wird <strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>n sein, inwieweit dieses Prinzip jüdisch-christlichen Ursprungs<br />
dazu beit<strong>ra</strong>gen kann, nationale Rechtspositionen dieser und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Religionsgemeinschaften<br />
zu schützen. Viele <strong>de</strong>utsche Staatskirchenrechtler je<strong>de</strong>nfalls sehen das Subsidiaritätsprinzip<br />
Vergesellschaftung innegehalten wird, um so stärker stehen gesellschaftliche Autorität und<br />
gesellschaftliche Wirkk<strong>ra</strong>ft da, um so besser und glücklicher ist es auch um <strong>de</strong>n Staat<br />
bestellt.“; vgl. die ungekürzten Zitate bei Lecheler, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip, Fn. 1034,<br />
S. 30; Stewing, Fn. 1034, S. 7 f.<br />
1039 Vgl. auch Lecheler, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip, Fn. 1034, S. 31; Pieper, Subsidiarität,<br />
Fn. 1034, S. 36.<br />
1040 Vgl. hierzu Hattenhauer, Fn. 6, S. 694; Lecheler, Subsidiarität, Fn. 1034, S. 7 f.; Roh<strong>de</strong>,<br />
Fn. 1034, S. 488 f.<br />
1041 Vgl. Ziff. 140 f.: „Wie in <strong>de</strong>n Einzelstaaten die Beziehungen zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen<br />
Gewalt und <strong>de</strong>n Bürgern, <strong>de</strong>n Familien und zwischen ihnen und <strong>de</strong>m Staat stehen<strong>de</strong>n<br />
Verbän<strong>de</strong>n durch das Subsidiaritätsprinzip gelenkt und geordnet wer<strong>de</strong>n müssen, so müssen<br />
durch dieses Prinzip natürlich auch jene Beziehungen geregelt wer<strong>de</strong>n, welche zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Autorität <strong><strong>de</strong>r</strong> universalen politischen Gewalt und <strong>de</strong>n Staatsgewalten <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen<br />
Nationen bestehen. [...] Es ist natürlich nicht Aufgabe dieser universalen Autorität, <strong>de</strong>n<br />
Machtbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelstaaten einzuschränken o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihre Angelegenheiten an sich zu<br />
ziehen. [...]“; abgedruckt bei Hilz, Fn. 1034, S. 35; vgl. außer<strong>de</strong>m Lecheler, <strong>Das</strong><br />
Subsidiaritätsprinzip, Fn. 1034, S. 32; Pieper, Subsidiarität, Fn. 1034, S. 35.<br />
1042 Vgl. z.B. Gaster, Fn. 1034, S. 22; Schweitzer/Fixson, Fn. 1034, S. 579. Daher be<strong>de</strong>utet die<br />
Verwendung <strong>de</strong>s Begriffs „subsidiär“ nicht „hilfsweise“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „ersatzweise“, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n geht<br />
zurück auf <strong>de</strong>n lateinischen Begriff „subsidium“, was soviel wie „Hilfeleistung“, „Unterstützung“<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> „För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung“ meint, vgl. Lecheler, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip, Fn. 1034, S. 31.<br />
1043 Ähnlich Kirchhof, Fn. 18, S. 969.
260<br />
als Rettungsanker <strong>de</strong>s nationalen <strong>Religionsrecht</strong>s i.R.d. fortschreiten<strong>de</strong>n Integ<strong>ra</strong>tionsprozesses<br />
an.<br />
Im gemeinschaftlichen Pr<strong>im</strong>ärrecht war das einem europäischen Zent<strong>ra</strong>lismus f<strong>ra</strong>nzösischen<br />
Zuschnitts entgegenwirken<strong>de</strong> Prinzip anfangs nicht ve<strong>ra</strong>nkert, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong> erst durch die<br />
EEA i.R.d. Umweltkapitels in Art. 174 (ex-Art. 130r) Abs. 4 EGV a.F. eingefügt. 1044 Zuvor<br />
gab es jedoch schon diverse Versuche zur Einführung dieses Prinzips auf<br />
Gemeinschaftsebene. 1045<br />
b) Ve<strong>ra</strong>nkerung <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Maastricht<br />
<strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip, das aufgrund von unterschiedlich motivierten Initiativen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland und <strong>de</strong>s Vereinigten Königreichs 1046 in <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von<br />
Maastricht vom 7. Februar 1992 1047<br />
aufgenommen und somit durch die ausdrückliche<br />
Normierung <strong>de</strong>s Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 2 EGV auf alle nicht in die ausschließliche<br />
Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft fallen<strong>de</strong>n Materien ausgeweitet wur<strong>de</strong>, hat über <strong>de</strong>n EG-Vert<strong>ra</strong>g<br />
hinaus auch Be<strong>de</strong>utung für die gesamte EU, da Art. 2 (ex-Art. B Abs. 2) EUV eine<br />
Verwirklichung unionsrechtlicher Ziele nur unter Beachtung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips nach<br />
Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV zuläßt. Aus diesem Grun<strong>de</strong> konnte auf die ausdrückliche Erwähnung<br />
<strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips <strong>im</strong> Verfahren <strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong> „Dritten Säule“ (ZBJI), wie<br />
dies noch in Art. K.3 Abs. 2 lit. b EUV a.F. <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall war, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Neufassung <strong>de</strong>s Art. 31 EUV<br />
verzichtet wer<strong>de</strong>n.<br />
c) Erste Konkretisierungen<br />
Am 25. Oktober 1993 wur<strong>de</strong> die Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen <strong>de</strong>m EP, <strong>de</strong>m Rat<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission über die Verfahren zur Anwendung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips<br />
beschlossen, 1048<br />
wodurch die Überwachung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips gemäß <strong>de</strong>n Best<strong>im</strong>-<br />
mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge sichergestellt wer<strong>de</strong>n sollte; vo<strong>ra</strong>usgegangen war dieser Vereinbarung<br />
die Mitteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission an <strong>de</strong>n Rat und das EP zum Subsidiaritätsprinzip vom 27.<br />
1044<br />
Vgl. hierzu Lecheler, Subsidiarität, Fn. 1034, S. 10; Schweitzer/Fixson, Fn. 1034, S. 580.<br />
1045<br />
Vgl. hierzu Kenntner, Fn. 1034, S. 2872.<br />
1046<br />
Vgl. nur Hilz, Fn. 1034, S. 76 ff., 82 f.; Konow, Fn. 1034, S. 406; Sch<strong>im</strong>a, Fn. 1034,<br />
S. 51 ff.<br />
1047<br />
ABl. 1992, Nr. C 191, S. 1 ff.; ABl. 1992, Nr. C 224, S. 1 ff.<br />
1048<br />
Agence Europe, Dokument Nr. 1857 vom 4.11.1993; Wei<strong>de</strong>nfeld, (Hrsg.), Fn. 1016,<br />
S. 367 – 369; allerdings war <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH als – gemäß Art. 220 (ex-Art. 164) EGV zur<br />
Überwachung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts maßgebliches – Gemeinschaftsorgan an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
genannten Vereinbarung nicht beteiligt.
261<br />
Oktober 1992. 1049 Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> unbest<strong>im</strong>mten Gene<strong>ra</strong>lklauseln („nicht ausreichend“;<br />
„besser“) wur<strong>de</strong> vom <strong>Europäischen</strong> Rat in Edinburgh am 11./12. Dezember 1992 darüber<br />
hinaus ein Gesamtkonzept für die Anwendung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips 1050<br />
angenommen,<br />
welches die Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV durch Leitlinien konkretisieren sollte.<br />
d) Weitere Präzisierungen durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam<br />
Durch das vor allem auf Bestrebungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten Deutschland, Österreich und<br />
Belgien durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam in <strong>de</strong>n EG-Vert<strong>ra</strong>g eingefügte Protokoll über die<br />
Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit wur<strong>de</strong> das<br />
Subsidiaritätsprinzip <strong>de</strong>s Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV weiter präzisiert, wobei das Gesamtkonzept<br />
vom 12. Dezember 1992 als Anhaltspunkt zugrun<strong>de</strong> lag.<br />
Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> neuerlichen Konkretisierung han<strong>de</strong>lt es sich hierbei um einen Kompromiß, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
F<strong>ra</strong>gen offenläßt. Ein Mehr an Eindämmung gemeinschaftsrechtlicher Regelungsflut war<br />
in<strong>de</strong>s nicht zu erreichen, da einige Mitgliedstaaten ebenso wie die Kommission die<br />
Befürchtung hegten, hierdurch könne die weitere Vertiefung <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion zum Stillstand<br />
kommen. 1051 F<strong>ra</strong>glich ist, ob das <strong>de</strong>taillierte Gesamtkonzept <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Rates für die<br />
Anwendung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips, das nach <strong>de</strong>m 4. Erwägungsgrund <strong>de</strong>s Protokolls<br />
„weiterhin die Richtschnur für das Han<strong>de</strong>ln <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane sowie für die<br />
Weiterentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips bil<strong>de</strong>n“ soll, ebenfalls Inhalt<br />
<strong>de</strong>s Protokolls und damit integrieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Bestandteil <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts gewor<strong>de</strong>n ist. 1052<br />
Angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> rechtlichen Unverbindlichkeit von Präambeln und <strong>de</strong>m insofern nicht<br />
ein<strong>de</strong>utigen Wortlaut („Richtschnur“), wird man von einer konstitutiven Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaftsorgane über die Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Protokolls hinaus nicht ausgehen können.<br />
1049 SEK (92) 1990 endg.; Wei<strong>de</strong>nfeld, Fn. 1016, S. 311 – 335; <strong><strong>de</strong>r</strong> Anhang <strong>de</strong>s Dokuments (vgl.<br />
Wei<strong>de</strong>nfeld, a.a.O., S. 315 ff.) beinhaltet eine umfassen<strong>de</strong> Ausarbeitung zum Subsidiaritätsprinzip,<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e zu <strong>de</strong>n Kompetenzen zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten<br />
sowie eine Auflistung verschie<strong>de</strong>ner Möglichkeiten zur Sicherstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Einhaltung <strong>de</strong>s<br />
Prinzips.<br />
1050 Bulletin, Presse- und Informationsamt <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sregierung, Nr. 140 vom 28.12.1992,<br />
Wei<strong>de</strong>nfeld, Fn. 1016, S. 337 – 350; die „Schlüsselrolle“ zur Einhaltung <strong>de</strong>s Prinzips wur<strong>de</strong><br />
aufgrund ihres Initiativrechts bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission angesie<strong>de</strong>lt, vgl. Gesamtkonzept,<br />
Wei<strong>de</strong>nfeld, a.a.O., S. 343, während auch hier – mangels Kompetenz – keine Überprüfungsmöglichkeit<br />
durch <strong>de</strong>n EuGH ausgesprochen wer<strong>de</strong>n konnte.<br />
1051 Vgl. Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 96.<br />
1052 So je<strong>de</strong>nfalls Stein, Die Europäische <strong>Union</strong>, Fn. 1034, S. 147.
262<br />
aa) Protokoll Nr. 30 über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verhältnismäßigkeit<br />
<strong>Das</strong> Protokoll dient <strong><strong>de</strong>r</strong> „Präzisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kriterien für die Anwendung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips“<br />
1053 und schafft auf diese Weise einen Rahmen, <strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong>de</strong>s<br />
Art. 5 (ex- Art. 3b) EGV i.R.d. <strong><strong>de</strong>r</strong> üblichen Klageverfahren zu beachten hat. 1054 Durch das<br />
Subsidiaritätsprinzip, welches für alle Gemeinschaftsorgane zu beachten ist, 1055 wer<strong>de</strong>n<br />
allerdings we<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht 1056 noch die<br />
Befugnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft pauschal eingeschränkt; vielmehr wird das Prinzip zur<br />
Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft „dynamisch“ angewandt, was <strong>im</strong> Einzelfall dazu<br />
führen kann, daß die Gemeinschaft trotz vorhan<strong>de</strong>ner Befugnisse nicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> nur eingeschränkt<br />
tätig wird; an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits soll das Subsidiaritätsprinzip <strong>im</strong> Einzelfall auch zur erweiterten (!)<br />
Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft führen können. 1057 Zur Sicherstellung mitgliedstaatlicher<br />
Kompetenzen bedarf daher je<strong>de</strong>s gemeinschaftliche Tätigwer<strong>de</strong>n in Bereichen, die nicht in die<br />
ausschließliche Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft fallen, einer rechtfertigen<strong>de</strong>n Begründung,<br />
warum das Gemeinschaftsziel besser auf Gemeinschaftsebene als auf mitgliedstaatlicher<br />
Ebene erreicht wer<strong>de</strong>n kann. 1058 Als verfahrensrechtliche Sicherung soll die Kommission<br />
daher vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterbreitung von Rechtsetzungsvorschlägen umfassen<strong>de</strong> Anhörungen durchführen<br />
und die Sachdienlichkeit ihrer Vorschläge unter <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips<br />
begrün<strong>de</strong>n. 1059 EP und Rat sind <strong>im</strong> Rahmen ihrer Beteiligung <strong>im</strong> Rechtsetzungsverfahren zur<br />
Überprüfung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommissionsvorschläge mit <strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzip aufgerufen. 1060<br />
Schließlich wird die Einhaltung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips gemäß <strong>de</strong>n Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s<br />
Vert<strong>ra</strong>gs geprüft. 1061 Damit ist es nach Art. 220 (ex-Art. 164) EGV durch <strong>de</strong>n EuGH<br />
überprüfbar und <strong><strong>de</strong>r</strong> Streit über das „Ob“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Justitiabilität ausgeräumt. 1062<br />
Von großer inhaltlicher Be<strong>de</strong>utung ist vor allem die auf das Betreiben <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen<br />
Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> zurückgehen<strong>de</strong> Festlegung, daß eine Gemeinschaftsmaßnahme nur erlassen<br />
1053<br />
Vgl. 1. Erwägungsgrund <strong>de</strong>s Protokolls.<br />
1054<br />
Vgl. Ziff. 13 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />
1055<br />
Vgl. Ziff. 1 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />
1056<br />
Vgl. Ziff. 2 <strong>de</strong>s Protokolls; Rs. 6/64 (Costa/E.N.E.L.), Slg. 1964, S. 1251 ff., 1269 ff.,<br />
Rz. 12, s.o. Fn. 451.<br />
1057<br />
Vgl. Ziff. 3 <strong>de</strong>s Protokolls; dies kritisiert zu Recht Kenntner, Fn. 1034, S. 2871.<br />
1058<br />
Vgl. Ziff. 4 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />
1059<br />
Vgl. Ziff. 9, 1. u. 2. Spiegelstrich <strong>de</strong>s Protokolls.<br />
1060<br />
Vgl. Ziff. 11 u. 12 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />
1061<br />
Vgl. Ziff. 13 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />
1062<br />
So auch Ukrow, Fn. 548, S. 157.
263<br />
wer<strong>de</strong>n darf, wenn die folgen<strong>de</strong>n zwei Bedingungen kumulativ erfüllt sind 1063 : Die Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
in Bet<strong>ra</strong>cht gezogenen Maßnahmen wer<strong>de</strong>n nicht ausreichend durch Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten <strong>im</strong> Rahmen ihrer Verfassungsordnung 1064 , son<strong><strong>de</strong>r</strong>n besser durch Maßnahmen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft erreicht. 1065 Bei<strong>de</strong> Vo<strong>ra</strong>ussetzungen seien insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e erfüllt, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> zu<br />
regeln<strong>de</strong> Bereich „t<strong>ra</strong>nsnationale Aspekte“ aufweise, die durch Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
nicht ausreichend geregelt wer<strong>de</strong>n könnten, alleinige Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Fehlen von Gemeinschaftsmaßnahmen gegen die Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs<br />
verstoßen wür<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene <strong>im</strong> Vergleich zu<br />
mitgliedstaatlichen Maßnahmen „<strong>de</strong>utliche Vorteile“ mit sich brächten. 1066 Die soeben<br />
aufgezählten Leitlinien dürfen jedoch m.E. keinesfalls so verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um<br />
nur ein Kriterium („nicht ausreichend“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „besser“) als ausreichend e<strong>ra</strong>chtet wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Bewährte nationale Regelungen sowie Struktur und Funktionsweise mitgliedstaatlicher<br />
Rechtssysteme, die <strong>im</strong> Einklang mit Zielen und Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs stehen, hat<br />
die Gemeinschaft zu achten. 1067<br />
<strong>Das</strong> Subsidiaritätsprotokoll ist nach Art. 311 (ex-Art. 239) EGV Bestandteil <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs.<br />
Damit han<strong>de</strong>lt es sich um pr<strong>im</strong>äres Gemeinschaftsrecht, das <strong>de</strong>n übrigen Vert<strong>ra</strong>gsbest<strong>im</strong>mungen<br />
– also selbst Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 2 EGV – gleich<strong>ra</strong>ngig ist. 1068<br />
Durch das Protokoll wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> bisher weite Auslegungsspiel<strong>ra</strong>um, <strong><strong>de</strong>r</strong> in Art. 3b EGV a.F.<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>, aber auch von vielen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en St<strong>im</strong>men in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Lite<strong>ra</strong>tur bemängelt wur<strong>de</strong>, pr<strong>im</strong>ärrechtlich durch weitere Konkretisierung zwar<br />
eingeschränkt, bleibt jedoch <strong>im</strong> Grundsatz nach wie vor bestehen.<br />
bb) Erklärungen<br />
Neben <strong>de</strong>m eigentlichen Subsidiaritätsprotokoll wur<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte zum Amsterdamer<br />
Vert<strong>ra</strong>g zwei weitere Erklärungen beigefügt:<br />
1063<br />
So auch Borchmann, Amsterdam – We<strong><strong>de</strong>r</strong> kleine Taten noch „Reförmchen“!, EuZW 1997,<br />
S. 513; Koenig/Ha<strong>ra</strong>tsch, Fn. 687, Rdnr. 60.<br />
1064<br />
Die Ziele müssen nicht nur von <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten selbst, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n können auch durch<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gebietskörperschaften (z.B. Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>) erreicht wer<strong>de</strong>n, vgl. die zur Kenntnis<br />
genommene Erklärung Deutschlands, Österreichs und Belgiens zur Subsidiarität, Erklärung<br />
Nr. 3 zur Schlußakte <strong>de</strong>s AV, s.o. G.I.1.d)bb)(2).<br />
1065<br />
Vgl. Ziff. 5 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />
1066<br />
Vgl. Ziff. 5 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />
1067<br />
Vgl. Ziff. 7 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />
1068<br />
Vgl. Geiger, EGV, Art. 239, Rdnr. 2.
264<br />
(1) Erklärung Nr. 43 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte zum Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g zum Protokoll über die<br />
Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit<br />
Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um eine gemeinsame Erklärung folgen<strong>de</strong>n Wortlauts:<br />
„Die Hohen Vert<strong>ra</strong>gsparteien bekräftigen zum einen die <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte zum Vert<strong>ra</strong>g über die<br />
Europäische <strong>Union</strong> beigefügte Erklärung zur Anwendung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts und zum<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>en die Schlußfolgerungen <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Rates von Essen, wonach die administ<strong>ra</strong>tive<br />
[d.h. verwaltungsmäßige] Durchführung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts grundsätzlich Sache <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften bleibt. Die Aufsichts-,<br />
Kontroll- und Durchführungsbefugnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane nach <strong>de</strong>n Artikeln 202<br />
(ex-Art. 145) und 211 (ex-Art. 155) <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft<br />
bleiben hiervon unberührt.“<br />
(2) Erklärung Deutschlands, Österreichs und Belgiens zur Subsidiarität<br />
Diese Erklärung Nr. 3 zum AV wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten lediglich zur Kenntnis<br />
genommen. Sie hat folgen<strong>de</strong>n Wortlaut:<br />
„Die Regierungen Deutschlands, Österreichs und Belgiens gehen davon aus, daß die<br />
Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft gemäß <strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzip nicht nur die<br />
Mitgliedstaaten betreffen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong><strong>de</strong>r</strong>en Gebietskörperschaften, soweit diese nach<br />
nationalem Verfassungsrecht eigene gesetzgeberische Befugnisse besitzen.“<br />
Diese Erklärung <strong><strong>de</strong>r</strong> fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ativen Staaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zielt vor allem auf die Ziff. 5 <strong>de</strong>s<br />
Subsidiaritätsprotokolls.<br />
2. Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips<br />
<strong>Das</strong> <strong>Religionsrecht</strong> stellt keinen Bereich dar, <strong><strong>de</strong>r</strong> in die ausschließliche Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft fällt; hiervon wäre nur dann auszugehen, wenn die Mitgliedstaaten durch<br />
Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten <strong>im</strong> betreffen<strong>de</strong>n Bereich nicht mehr handlungsbefugt wären,<br />
unabhängig davon, ob ein konkretes Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft vorliegt. 1069<br />
An keiner<br />
1069<br />
Vgl. Ukrow, Fn. 548, S. 147. Beispiele ausschließlicher Gemeinschaftskompetenz fin<strong>de</strong>n<br />
sich in Art. 26 (ex-Art. 28) EGV [Festlegung von Zolltarifen], Art. 33 (ex-Art. 39) EGV<br />
[gemeinsame Organisation <strong><strong>de</strong>r</strong> Ag<strong>ra</strong>rmärkte], Art. 133 (ex-Art. 113) EGV [gemeinsame<br />
Han<strong>de</strong>lspolitik]; Art. 71 (ex-Art. 75) EGV [wesentliche Elemente <strong><strong>de</strong>r</strong> Verkehrspolitik] und
265<br />
Stelle <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs o<strong><strong>de</strong>r</strong> EU-Vert<strong>ra</strong>gs ist jedoch von einer Übert<strong>ra</strong>gung von<br />
mitgliedstaatlichen Hoheitsrechten <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s die Re<strong>de</strong>. Bereiche <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
konkurrieren<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> pa<strong>ra</strong>llelen Zuständigkeit – hier dürfen sowohl die Gemeinschaft als<br />
auch die Mitgliedstaaten han<strong>de</strong>ln – stellen <strong>de</strong>mgegenüber <strong>de</strong>n Regelfall dar und wer<strong>de</strong>n meist<br />
durch Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften geregelt. 1070<br />
Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ist daher nur möglich, sofern Maßnahmen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten nicht ausreichend und (kumulativ) Umfang und Wirkungen besser auf<br />
Gemeinschaftsebene erreicht wer<strong>de</strong>n können.<br />
Die Kompromißvorschrift <strong>de</strong>s Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV setzt damit sowohl einen<br />
Notwendigkeitsmaßstab („nicht ausreichend“) als auch ein Effektivitätskriterium („besser“)<br />
vo<strong>ra</strong>us. 1071 Soweit also die Mitgliedstaaten ein Ziel durch eigene Maßnahmen ausreichend<br />
erreichen können, darf ein Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nicht erfolgen. Der Begriff<br />
„ausreichend“ (suffisante) setzt keine opt<strong>im</strong>ale o<strong><strong>de</strong>r</strong> bessere Aufgabenerfüllbarkeit durch die<br />
Mitgliedstaaten vo<strong>ra</strong>us. Ebenfalls ist nicht erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, daß die Mitgliedstaaten eine<br />
best<strong>im</strong>mte Aufgabe bereits wahrnehmen. 1072 Allerdings genügt es zur Belassung einer<br />
Kompetenz bei <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten nicht, wenn nur mehrere Mitgliedstaaten eine Maßnahme<br />
ausreichend verwirklichen können; vielmehr muß dies bei sämtlichen Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall<br />
sein. 1073<br />
Der Gemeinschaft fällt die Argumentationslast zu, warum <strong>im</strong> konkreten Fall die Maßnahmen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten nicht ausreichend und daher auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene besser zu<br />
erreichen sein sollen; sie hat dies nachvollziehbar darzulegen. 1074<br />
Damit ist – ähnlich wie <strong>im</strong><br />
Bereich <strong>de</strong>s Regel-Ausnahme-Verhältnisses <strong>de</strong>s Art. 30/70 GG – von einer Vermutung<br />
mitgliedstaatlicher Kompetenzen auszugehen.<br />
Soweit feststeht, daß die Mitgliedstaaten eine best<strong>im</strong>mte Maßnahme nicht ausreichend<br />
erreichen können, muß geprüft wer<strong>de</strong>n, ob die Gemeinschaft hierzu „besser“ in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage ist.<br />
Art. 123 (ex-Art. 109l) EGV [gemeinsame Währungspolitik nach <strong>de</strong>m Eintritt in die „dritte<br />
Stufe“]; vgl. hierzu Mitteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission an <strong>de</strong>n Rat und das EP zum<br />
Subsidiaritätsprinzip vom 27.Oktober 1992, Fn. 1049, S. 321 ff., 323; vgl. auch Kahil,<br />
Fn. 1034, S. 90; Stein, Subsidiarität, Fn. 1034, S. 32 f.<br />
1070<br />
Ress, Fn. 415, S. 948.<br />
1071<br />
Vgl. zu <strong>de</strong>n Begrifflichkeiten und <strong>de</strong>n unterschiedlichen dahinter stehen<strong>de</strong>n Ansätzen:<br />
Hummer, Fn. 1034, S. 82 f.; Kenntner, Fn. 1034, S. 2872 f.<br />
1072<br />
Pechstein/Koenig, Fn. 64, Rdnr. 161.<br />
1073<br />
Hirsch, Fn. 1034, S. 9.<br />
1074<br />
Hirsch, Fn. 1034, S. 10; Ress, Fn. 777, S. 990.<br />
Ein
266<br />
Die Aufgabenerfüllung auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsebene muß somit <strong>de</strong>utliche Vorteile bringen. 1075<br />
Wenn we<strong><strong>de</strong>r</strong> durch die Mitgliedstaaten noch durch die Gemeinschaft die Erreichung <strong>de</strong>s<br />
angestrebten Ziels ausreichend sichergestellt ist, darf die Gemeinschaft nicht tätig wer<strong>de</strong>n. 1076<br />
<strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip muß so verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß es erst auf künftige Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaftsorgane, d.h. auf solche nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Ratifizierung <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Maastricht,<br />
anzuwen<strong>de</strong>n ist, da es sich hierbei nicht um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts han<strong>de</strong>lt, welcher schon vor Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s Maastrichter <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>gs<br />
anzuwen<strong>de</strong>n wäre. 1077 Die z.T. vertretene Auffassung, daß auch bereits zuvor bestehen<strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrecht am Subsidiaritätsprinzip gemessen wer<strong>de</strong>n müsse, 1078<br />
ist schon aus <strong>de</strong>m<br />
Grund abzulehnen, weil zum Zeitpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> früheren Rechtsakte eine<br />
Kompetenzausübungssch<strong>ra</strong>nke <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nicht bestand. Eine nachträgliche<br />
Rückverlagerung nunmehr ungerechtfertigter Kompetenzausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ist zwar<br />
wünschenswert, von Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten nicht aber rechtlich einfor<strong><strong>de</strong>r</strong>bar.<br />
3. Justitiabilität<br />
So sinnvoll und zweckmäßig das Subsidiaritätsprinzip in <strong><strong>de</strong>r</strong> Theorie auch sein mag, die<br />
St<strong>im</strong>men in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lite<strong>ra</strong>tur geben sich fast ausnahmslos kritisch, soweit über <strong>de</strong>ssen Effizienz in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis reflektiert wird. Grund hierfür ist in erster Linie, daß infolge <strong>de</strong>s Prinzips zwar<br />
Aufgaben und Kompetenzen auf eine untere Ebene verlagert wer<strong>de</strong>n, die Beurteilung seiner<br />
Anwendung aber <strong>de</strong>n Gemeinschaftsorganen selbst obliegt. Entscheidungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaftsorgane sind überdies nur eingeschränkt durch <strong>de</strong>n EuGH überprüfbar.<br />
1075 Pechstein/Koenig, Fn. 64, Rdnr. 161 m.w.N., dort Fn. 127.<br />
1076 So zutreffend Hirsch, Fn. 1034, S. 10; Sch<strong>im</strong>a, Fn. 1034, S. 105, weist zur Begründung<br />
da<strong>ra</strong>uf hin, daß zwei geson<strong><strong>de</strong>r</strong>te Prüfungen durchzuführen sind, will man <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>gstext<br />
keine Redundanz unterstellen.<br />
1077 Vgl. EuG, Rs. T-29/92 (Vereniging van Samenwerken<strong>de</strong> Prijsregelen<strong>de</strong> Organisaties in <strong>de</strong><br />
Bouwnijverheid (SPO) u.a./Kommission), Slg. 1995, S. II-289 ff., 394, Rz. 330 f.; EuGH,<br />
verb. Rs. C-36/97 und C-37/97 (Hilmar Kellinghusen u.a./Amt für Land- und Wasserwirtschaft<br />
Kiel u.a.), Slg. 1998, S. I-6349 ff., 6363, Rz. 35: „<strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip <strong>de</strong>s Artikels<br />
3b Absatz 2 EG-Vert<strong>ra</strong>g schließlich war <strong>im</strong> Zeitpunkt <strong>de</strong>s Erlasses <strong><strong>de</strong>r</strong> Verordnungen<br />
Nrn. 1765/92 und 2066/92 noch nicht in K<strong>ra</strong>ft; ihm kommt keine Rückwirkung zu.“<br />
1078 Schwarze, Kompetenzverteilung in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> und fö<strong><strong>de</strong>r</strong>ales Gleichgewicht –<br />
Zu <strong>de</strong>n For<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Hinblick auf die Regierungskonferenz<br />
1996, DVBl. 1995, S. 1265 ff., 1269 m.w.N.
267<br />
In Ziffer 13 <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprotokolls wur<strong>de</strong> nun aber ausdrücklich festgelegt, daß <strong>de</strong>m<br />
Subsidiaritätsprinzip nicht nur politische Relevanz zukommt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n daß es sich hierbei um<br />
eine durch <strong>de</strong>n EuGH justitiable Rechtsvorschrift han<strong>de</strong>lt. 1079 So kann dieser in formeller<br />
Hinsicht überprüfen, ob die Gemeinschaftsorgane ihren Pflichten zur Begründung (Ziffer 4<br />
<strong>de</strong>s Protokolls 1080 ) und <strong><strong>de</strong>r</strong> Anhörung (Ziffer 9, 1. u. 2. Spiegelstrich <strong>de</strong>s Protokolls)<br />
nachgekommen sind und inwieweit es sich um eine Maßnahme <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht<br />
ausschließlichen Kompetenz han<strong>de</strong>lt. 1081 In materieller Hinsicht dagegen ist das Prinzip sehr<br />
unbest<strong>im</strong>mt und entspricht ansatzweise <strong><strong>de</strong>r</strong> Konstruktion <strong>de</strong>s Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG a.F., 1082<br />
welcher <strong><strong>de</strong>r</strong> Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n dienen sollte. In <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vergangenheit wur<strong>de</strong> vom BVerfG jedoch das „Bedürfnis für eine bun<strong>de</strong>seinheitliche<br />
Regelung“ aufgrund bestehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Beurteilungsspielräume für <strong>de</strong>n Gesetzgeber meist<br />
bejaht, 1083 was einen stark unitarisieren<strong>de</strong>n Effekt <strong>im</strong> Verhältnis zwischen Bund und Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
bewirkte. 1084 Klaus Stern vert<strong>ra</strong>t sogar die Auffassung, daß „kaum ein Fall <strong>de</strong>nkbar“ sei, in<br />
<strong>de</strong>m es <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>sgesetzgeber nicht gelinge, ein Bedürfnis für die Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit seiner<br />
Legiferierung nachzuweisen. 1085 Ähnlich verhält es sich hier: Der EuGH besitzt aufgrund <strong>de</strong>s<br />
Beurteilungsspiel<strong>ra</strong>ums <strong>de</strong>s Rates nur reduzierte Kontrollmöglichkeiten, 1086 weshalb auch<br />
künftig nur offensichtliche Verletzungen <strong>de</strong>s Prinzips greifbar wer<strong>de</strong>n. 1087<br />
Da die<br />
Subsidiaritätsklausel zu<strong>de</strong>m eine Wertung vo<strong>ra</strong>ussetzt und <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangen-<br />
1079<br />
Vgl. zu diesem Streit z.B. Lecheler, Subsidiarität, Fn. 1034, S. 14.<br />
1080<br />
Diese entspricht <strong>im</strong> wesentlichen <strong><strong>de</strong>r</strong> Darlegungspflicht nach Art. 253 (ex-Art. 190) EGV.<br />
1081<br />
Hirsch, Fn. 1034, S. 15; Sch<strong>im</strong>a, Fn. 1034, S. 150, hält <strong>de</strong>n EuGH lediglich zur Prüfung<br />
befugt, ob die Gemeinschaft die Grenzen ihres Ermessens eingehalten haben und inwieweit<br />
ein offensichtlicher Ermessensmißb<strong>ra</strong>uch vorliegt, gesteht diesem also nur in materieller<br />
Hinsicht Prüfungskompetenzen zu. Für eine solche Verengung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kompetenz <strong>de</strong>s<br />
Gerichtshofs ist jedoch kein Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis erkennbar.<br />
1082<br />
Diesen Vergleich ziehen z.B. auch Schweitzer/Fixson, Fn. 1034, S. 582; Schweitzer,<br />
Fn. 295, S. 54.<br />
1083<br />
Vgl. hierzu BVerfGE 2, S. 213 ff., 224; 10, S. 234 ff., 245; 33, S. 224 ff., 229.<br />
1084<br />
Vgl. Laufer/Thomas Fischer, Zur Kompetenzverteilung zwischen Europäischer <strong>Union</strong> und<br />
<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten, in: Wei<strong>de</strong>nfeld (Hrsg.), Fn. 1016, S. 214 ff., 220.<br />
1085<br />
Stern, <strong>Das</strong> Staatsrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Bd. I, § 19 II 3 b, S. 679; a.A.<br />
Merten, Fn. 1034, S. 95, unter Verweis auf BVerfGE 26, S. 338 ff., 382 f.; 78, S. 249 ff.,<br />
270.<br />
1086<br />
So z.B. Kahil, Fn. 1034, S. 92; Ress, Fn. 415, S. 949.<br />
1087<br />
So auch Everling, Die Rolle <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gerichtshofs, in: Wei<strong>de</strong>nfeld (Hrsg.),<br />
Fn. 1016, S. 256 ff., 263; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 1034, S. 176: „Die Gemeinschaftsorgane wer<strong>de</strong>n zwar<br />
<strong>im</strong> Streitfall darlegen müssen, warum sie die Vo<strong>ra</strong>ussetzung, daß eine Regelung durch die<br />
Mitgliedstaaten nicht ausreicht, bejaht haben. <strong>Das</strong> wird ihnen aber in <strong><strong>de</strong>r</strong> Regel möglich<br />
sein; <strong>de</strong>nn es fin<strong>de</strong>n sich <strong>im</strong>mer Argumente, die für eine Gemeinschaftsregelung sprechen.“
268<br />
heit <strong>im</strong>mer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> als „Motor <strong><strong>de</strong>r</strong> Integ<strong>ra</strong>tion“ hervorgetan hat, wird es unwahrscheinlich sein,<br />
daß sich das Subsidiaritätsprinzip als echte Hür<strong>de</strong> für die Gemeinschaft erweist. 1088 <strong>Das</strong><br />
Subsidiaritätsprinzip wäre nur dann von p<strong>ra</strong>ktischem Nutzen, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH nunmehr auch<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis vertikale Horizontüberschreitungen zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft und <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten feststellen wür<strong>de</strong>. 1089<br />
Faktische Schwierigkeiten hierbei bestehen überdies,<br />
soweit sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat – als Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Regierungen – einst<strong>im</strong>mig für ein<br />
Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ausgesprochen hat.<br />
Auch scheint <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH zusätzliche Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an die Mitgliedstaaten zu stellen. So hat<br />
er in <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Klage, in welcher er über das Subsidiaritätsprinzip zu befin<strong>de</strong>n hatte, vom<br />
Beschwer<strong>de</strong>führer selbst das Vorbringen einer „autonomen Rüge“ <strong>im</strong> Hinblick auf einen<br />
Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t und es nicht genügen lassen, daß sich dieser<br />
pauschal da<strong>ra</strong>uf berief, <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgesetzgeber habe nicht hinreichend dargetan, daß<br />
dieses Gebiet t<strong>ra</strong>nsnationale Aspekte aufweise, welche durch nationale Maßnahmen nicht<br />
angemessen und daher besser auf Gemeinschaftsebene erreicht wer<strong>de</strong>n könnten. 1090<br />
Zu<strong>de</strong>m hat es <strong>de</strong>n Anschein, als halte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH streng an die Vorlagef<strong>ra</strong>ge und überprüfe<br />
nicht von sich aus die Vereinbarkeit eines Rechtsaktes mit Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV, selbst<br />
wenn vom Beschwer<strong>de</strong>führer gerügt wur<strong>de</strong>, dieser enthalte keine Ausführungen hierzu. 1091<br />
Dies nährt Befürchtungen, daß es sich bei <strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzip mehr um ein „magisches<br />
Wort“ 1092<br />
, <strong>de</strong>nn um ein Handlungsprinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> han<strong>de</strong>lt.<br />
II. <strong>Das</strong> Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />
Im Gegensatz zum Subsidiaritätsprinzip, das die F<strong>ra</strong>ge regelt, ob die Gemeinschaft innerhalb<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> bestehen<strong>de</strong>n konkurrieren<strong>de</strong>n Kompetenzen tätig wer<strong>de</strong>n darf (Kompetenzverteilungsregel<br />
1088<br />
Ähnlich: Wolfgang Loschel<strong><strong>de</strong>r</strong>, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 109. Vgl.<br />
auch die Ausführungen oben C.I.2.c).<br />
1089<br />
So auch Frowein, Fn. 642, S. 322.<br />
1090<br />
EuGH, Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich/Rat), Slg. 1996, S. I-5755 ff., 5808, Rz. 46;<br />
5811, Rz. 55.<br />
1091<br />
Vgl. EuGH, Rs. C-233/94 (Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland/EP und Rat), Slg. 1997,<br />
S. I-2405 ff., 2451, Rz. 22; 2453, Rz. 28.<br />
1092<br />
Constantinesco, Fn. 1034, S. 561.
269<br />
i.w.S.) 1093 , wird durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip geregelt, wie die Gemeinschaft für <strong>de</strong>n<br />
Fall <strong>de</strong>s Tätigwer<strong>de</strong>ns vorzugehen hat (Kompetenzausübungsregel), nämlich so schonend wie<br />
irgend möglich. 1094 Während das Subsidiaritätsprinzip also Vo<strong>ra</strong>ussetzung für <strong>de</strong>n Erlaß einer<br />
Gemeinschaftsrechtsmaßnahme ist, wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur dort relevant,<br />
wo die F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität bereits positiv zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft entschie<strong>de</strong>n<br />
wur<strong>de</strong>. 1095<br />
Der EuGH hatte <strong>de</strong>n Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit als allgemeinen Grundsatz <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts schon früh anerkannt. 1096 Verhältnismäßig sind Maßnahmen nur, wenn<br />
sie zur Erreichung gemeinschaftsrechtlich zulässiger Ziele geeignet und erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sind. 1097<br />
1093<br />
Die Bezeichnung „Kompetenzverteilungsregel“ mag insofern problematisch erscheinen, als<br />
durch das Subsidiaritätsprinzip gemeinschaftsrechtliche Befugnisse nicht generell eingeschränkt<br />
wer<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur die F<strong>ra</strong>ge ihrer Ausübung geregelt wird, vgl. hierzu Everling,<br />
Fn. 1034, S. 173; Kahil, Fn. 1034, S. 94 f.; a.A. Merten, Fn. 1034, S. 81. Im Gegensatz zum<br />
Verhältnismäßigkeitsprinzip, das <strong>im</strong>mer von einer prinzipiellen Zulässigkeit einer gemeinschaftsrechtlichen<br />
Regelung ausgeht, sofern best<strong>im</strong>mte Kriterien <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit<br />
eingehalten wer<strong>de</strong>n, kann das Subsidiaritätsprinzip eine Regelung generell ausschließen,<br />
selbst wenn die Gemeinschaft theoretisch die Kompetenz zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en Erlaß hätte. Aus diesem<br />
Grun<strong>de</strong> wirkt die Kompetenzausübungsregel i.R.d. Subsidiaritätsprinzips wie eine<br />
Kompetenzverteilungsregel, auch wenn sie nicht kompetenzbegrün<strong>de</strong>nd ist und damit keine<br />
Kompetenzsch<strong>ra</strong>nke i.e.S. darstellt; so auch Koenig/Ha<strong>ra</strong>tsch, Fn. 687, Rdnrn. 58, 62.<br />
1094<br />
Pechstein/Koenig, Fn. 64, Rdnr. 159.<br />
1095<br />
Vgl. Schlußanträge <strong>de</strong>s GA Léger vom 12.3.1996 in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. C-84/94 (Vereinigtes<br />
Königreich/Rat), Slg. 1996, S. I-5755 ff., 5783, Rz. 126: „Die bei<strong>de</strong>n Grundsätze entfalten<br />
ihre Wirkung nacheinan<strong><strong>de</strong>r</strong> auf zwei verschie<strong>de</strong>nen Ebenen <strong>de</strong>s Gemeinschaftshan<strong>de</strong>lns:<br />
,Der erste ist Vo<strong>ra</strong>ussetzung für <strong>de</strong>n Erlaß einer Maßnahme durch die Gemeinschaft,<br />
während <strong><strong>de</strong>r</strong> zweite <strong><strong>de</strong>r</strong>en Umfang begrenzt. Hier haben wir es also mit einer Trennung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuständigkeit von <strong><strong>de</strong>r</strong> ihrer Inanspruchnahme zu tun.‘ Der Subsidiaritätsgrundsatz<br />
geht mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Worten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsmaßnahme vo<strong>ra</strong>us, und <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verhältnismäßigkeit folgt ihr nach: ,Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz [...] wird in bezug<br />
auf eine bereits getroffene Maßnahme he<strong>ra</strong>ngezogen und soll eine Überprüfung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Übereinst<strong>im</strong>mung mit <strong>de</strong>n Zielen <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs ermöglichen. Der Subsidiaritätsgrundsatz<br />
entfaltet seine Wirkung zu einem früheren Zeitpunkt, d.h. bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidung, ob eine<br />
Gemeinschaftsmaßnahme getroffen wer<strong>de</strong>n soll o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht.‘“<br />
1096<br />
EuGH, Rs. 8/55 (Fédé<strong>ra</strong>tion charbonnière <strong>de</strong> Belgique/Hohe Behör<strong>de</strong>), Slg. 1956,<br />
S. 302 ff., 311; vgl. aber auch EuGH, Rs. C-426/93 (Deutschland/Rat), Slg. 1995,<br />
S. I-3723 ff., Rz. 42; Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich/Rat), Slg. 1996, S. I-5755 ff.,<br />
5811, Rz. 57.<br />
1097<br />
S.o. E.IV.3.b).
270<br />
<strong>Das</strong> Verhältnismäßigkeitsprinzip gemäß Art. 5 (ex-Art. 3 b) Abs. 3 EGV ist zur Beschränkung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Regelungsintensität von Gemeinschaftsmaßnahmen vorgesehen. Inwieweit es sich<br />
wirklich als Begrenzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgewalt erweist, ist ebenfalls f<strong>ra</strong>glich, da es – wie<br />
das Subsidiaritätsprinzip auch – für die politischen Organe einen weiten Einschätzungs<strong>ra</strong>um<br />
eröffnet und nur bei offensichtlichem Irrtum, Ermessensmißb<strong>ra</strong>uch o<strong><strong>de</strong>r</strong> offenkundiger<br />
Ermessensüberschreitung ein Verstoß gegen dieses angenommen wer<strong>de</strong>n kann. 1098<br />
Durch das Protokoll über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verhältnismäßigkeit wird – wie sein Titel schon indiziert – das Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />
ebenfalls konkretisiert. Letzteres ist gleichsam für je<strong>de</strong>s Gemeinschaftsorgan verbindlich 1099<br />
und besagt, daß die Rechtsetzungstätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nicht über das erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Maß<br />
hinausgehen sollte; bedauerlicherweise wur<strong>de</strong> hier keine verbindliche „Muß-Vorschrift“<br />
gewählt. Die Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit <strong>im</strong>pliziert, daß unter sonst gleichen Gegebenheiten eine<br />
Richtlinie einer Verordnung sowie eine Rahmenrichtlinie einer <strong>de</strong>taillierten, sog. perfekten<br />
Richtlinie vorzuziehen ist, die <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten nahezu keinerlei Umsetzungsspiel<strong>ra</strong>um<br />
mehr beläßt. 1100 Wenn eine Maßnahme durch die Mitgliedstaaten auf verschie<strong>de</strong>ne Art und<br />
Weise ordnungsgemäß durchgeführt wer<strong>de</strong>n kann, sollten daher schon in <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie<br />
Alternativen zur Erreichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong>n Maßnahme angeboten wer<strong>de</strong>n, sofern<br />
dies angemessen und erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist. 1101 Unter das Verhältnismäßigkeitsprinzip fällt auch,<br />
daß die Kommission i.R.d. Rechtsetzungsvorhaben prüft, ob die finanzielle Belastung und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verwaltungsaufwand <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, <strong><strong>de</strong>r</strong> örtlichen<br />
Behör<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaft und <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger, <strong><strong>de</strong>r</strong> insgesamt so gering wie möglich gehalten<br />
wer<strong>de</strong>n soll, in einem angemessenen Verhältnis zu <strong>de</strong>m angestrebten Ziel steht. 1102<br />
III. Konkretisierung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Prinzipien <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s<br />
Die pr<strong>im</strong>äre F<strong>ra</strong>ge kann hier nicht sein, ob das <strong>Religionsrecht</strong> selbst ausreichend auf<br />
mitgliedstaatlicher Ebene geregelt wer<strong>de</strong>n kann. Denn wenn das Subsidiaritätsprinzip nur als<br />
Kompetenzausübungssch<strong>ra</strong>nke verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann, berührt es die F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuteilung<br />
1098<br />
Z.B. EuGH, Rs. C-84/94, Fn. 1096, S. I-5811, Rz. 58; Schrö<strong><strong>de</strong>r</strong>, <strong>Das</strong> Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht<br />
als Hüter <strong>de</strong>s Staates <strong>im</strong> Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Integ<strong>ra</strong>tion, DVBl. 1994,<br />
S. 316 ff., 322.<br />
1099<br />
Vgl. Ziff. 1 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />
1100<br />
Vgl. Ziff. 6 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />
1101<br />
Vgl. Ziff. 7 <strong>de</strong>s Protokolls.<br />
1102<br />
Vgl. Ziff. 9 3. Spiegelstrich <strong>de</strong>s Protokolls.
271<br />
neuer Kompetenzen an die Gemeinschaft nicht. Bisher jedoch läßt sich in Anwendung <strong>de</strong>s<br />
Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten Ermächtigung keine Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur Regelung <strong>de</strong>s<br />
<strong>Religionsrecht</strong>s als solchem festmachen. Aus diesem Grun<strong>de</strong> sind Überlegungen, nach <strong>de</strong>nen<br />
religiöse Vorstellungen, die in <strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen Staat-Kirche-Best<strong>im</strong>mungen ihren<br />
Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag gefun<strong>de</strong>n haben, besser auf dieser Ebene als auf sup<strong>ra</strong>nationaler Ebene<br />
nachempfun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n könnten, 1103 nach Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit noch irrelevant. 1104<br />
Ordnet man das Subsidiaritätsprinzip überdies als Kompetenzverteilungsregel ein – wobei<br />
diese Funktion be<strong>im</strong> momentanen Integ<strong>ra</strong>tionsstand noch aus Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV<br />
ausgeklammert ist 1105<br />
– , so könnte das Subsidiaritätsprinzip nur he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong><br />
lege ferenda mitgliedstaatliche Kompetenzen zu wahren. Konkrete Be<strong>de</strong>nken <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften müßten in diesem Fall frühzeitig gegenüber <strong>de</strong>n Regierungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten als „Herren <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge“ zum Ausdruck geb<strong>ra</strong>cht wer<strong>de</strong>n.<br />
Von Relevanz für das <strong>Religionsrecht</strong> ist das Subsidiaritätsprinzip daher vielmehr in <strong>de</strong>n<br />
Bereichen, in <strong>de</strong>nen die Gemeinschaft schon jetzt Kompetenzen innehat – wie z.B. <strong>im</strong> Bereich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer, <strong>im</strong> Arbeits- und Sozialrecht o<strong><strong>de</strong>r</strong> auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s<br />
Datenschutzes – und in <strong>de</strong>nen sie rechtssetzend tätig wer<strong>de</strong>n will, sofern diese Materien das<br />
mitgliedstaatliche <strong>Religionsrecht</strong> unmittelbar o<strong><strong>de</strong>r</strong> mittelbar berühren. Allerdings müßte eine<br />
anvisierte Maßnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nicht schon aus <strong>de</strong>m Grund unterbleiben, daß<br />
religiöse Bedürfnisse und T<strong>ra</strong>ditionen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat, ja sogar von Region<br />
zu Region unterschiedlich sind. Entschei<strong>de</strong>nd ist vielmehr, ob die konkrete Maßnahme<br />
ausreichend in allen Mitgliedstaaten geregelt wer<strong>de</strong>n kann. Soweit dies – z.B. aufgrund<br />
t<strong>ra</strong>nsnationaler Aspekte – nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist und zu<strong>de</strong>m eine ausreichen<strong>de</strong> und bessere Lösung<br />
durch die Gemeinschaft selbst erreicht wer<strong>de</strong>n kann, darf eine Gemeinschaftsregelung sehr<br />
wohl erlassen wer<strong>de</strong>n. Aus diesem Grun<strong>de</strong> kann das Argument Detmar Schäfers nicht<br />
überzeugen, <strong><strong>de</strong>r</strong> betont, daß die <strong>de</strong>utschen Kirchen mit <strong>de</strong>m „Dritten Weg“ bereits über ein<br />
System kollektiver Wahrnehmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen verfügten,<br />
das auf hohem Niveau die bisher in Art. 2 Abs. 3 <strong>de</strong>s Sozialabkommens angeführten Ziele<br />
verwirkliche, weshalb eine gemeinschaftsrechtliche Maßnahme, die auch die kirchlichen<br />
Arbeitsverhältnisse in Deutschland erfasse, erst dann erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich wür<strong>de</strong>, wenn über <strong>de</strong>n von<br />
<strong>de</strong>n Kirchen bereits geschaffenen Standard hinausgegangen wer<strong>de</strong>n solle. 1106<br />
Als Bollwerk zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen <strong>Religionsrecht</strong>e könnte sich daher eher das<br />
Verhältnismäßigkeitsprinzip erweisen. Georg Ress vertritt zu Recht, daß bestehen<strong>de</strong><br />
funktionelle Gemeinschaftsbefugnisse dort nicht voll ausgeübt wer<strong>de</strong>n dürften, wo <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1103 Dies vertritt Robbers, Fn. 107, S. 359.<br />
1104 Ähnlich Streinz, Fn. 77, S. 71.<br />
1105 Vgl. Lecheler, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip, Fn. 1034, S. 67.<br />
1106 Schäfer, <strong>Das</strong> kirchliche Arbeitsrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Integ<strong>ra</strong>tion, Essen 1997, S. 28.
272<br />
zusätzliche Integ<strong>ra</strong>tionsgewinn nur min<strong>im</strong>al, <strong><strong>de</strong>r</strong> Eingriff in die verbliebenen Zuständigkeitsbereiche<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten jedoch beträchtlich sei. 1107<br />
Dies wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spräche ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>m<br />
Verhältnismäßigkeitsprinzip i.e.S. Aufgrund <strong>de</strong>s weiten Beurteilungsspiel<strong>ra</strong>ums <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaftsorgane muß diese zweite Schutzwehr jedoch ebenfalls für unzureichend<br />
befun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
IV. Zusammenfassung<br />
<strong>Das</strong> u.a. auf die katholische Soziallehre zurückgehen<strong>de</strong> Subsidiaritätsprinzip in<br />
Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV wur<strong>de</strong> aufgrund seines gene<strong>ra</strong>lklauselartigen Cha<strong>ra</strong>kters mehrfach,<br />
zuletzt durch das – aufgrund <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Amsterdam <strong>de</strong>m EG-Vert<strong>ra</strong>g beigefügte –<br />
Protokoll über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit,<br />
konkretisiert. Diesem kommt nach Art. 311 (ex-Art. 239) EGV <strong><strong>de</strong>r</strong>selbe Rang wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV zu. Im Protokoll wird v.a. die Jusitiabilität und die<br />
kumulative Geltung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Vo<strong>ra</strong>ussetzungen („nicht ausreichend“ und „besser“)<br />
festgeschrieben. Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Argumentationslast <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft für ihr Tätigwer<strong>de</strong>n bestehen<br />
Be<strong>de</strong>nken an <strong><strong>de</strong>r</strong> Effizienz <strong>de</strong>s Prinzips aufgrund <strong>de</strong>s weiten Beurteilungsspiel<strong>ra</strong>ums <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaftsorgane, <strong><strong>de</strong>r</strong> vom EuGH nicht kontrolliert wird. Da das Subsidiaritätsprinzip nur<br />
als Kompetenzausübungssch<strong>ra</strong>nke zu verstehen ist, wür<strong>de</strong> es einer generellen Übert<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s<br />
<strong>Religionsrecht</strong>s auf die Gemeinschaft nicht entgegenstehen. Im konkreten Einzelfall ist jedoch<br />
maßgeblich, ob in allen Mitgliedstaaten eine Maßnahme, die das <strong>Religionsrecht</strong> berührt,<br />
ausreichend geregelt wer<strong>de</strong>n kann.<br />
1107 Ress, Fn. 415, S. 948.
H. Der Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“ gemäß<br />
Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV<br />
273<br />
Zu prüfen ist <strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>n, inwieweit das nationale <strong>Religionsrecht</strong>, als zur „nationalen<br />
I<strong>de</strong>ntität“ <strong>de</strong>s Mitgliedstaates gehörend, gemeinschaftsrechtlichen Schutz beanspruchen kann.<br />
I. Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Prinzips<br />
1. Definition <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“<br />
Notwendig ist es zunächst, die „nationale I<strong>de</strong>ntität“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, die zu achten sich die<br />
EU verpflichtet hat, zu <strong>de</strong>finieren. 1108<br />
Zum einen erscheint eine Auslegung möglich, wonach dieser Begriff als für die<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mung und innere Sicherheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger eines Mitgliedstaats maßgebliche<br />
I<strong>de</strong>ntität zu verstehen ist, die sich vor allem in einer gemeinsamen Sp<strong>ra</strong>che, Geschichte und<br />
Kultur manifestiert. 1109 Da<strong>ra</strong>n ist zutreffend, daß die europäische Staatenwelt schon <strong>im</strong>mer<br />
plu<strong>ra</strong>listischer und vielgliedriger war, als z.B. die <strong><strong>de</strong>r</strong> großrussischen o<strong><strong>de</strong>r</strong> osmanischen<br />
Nachbarn, weshalb auch Versuche <strong><strong>de</strong>r</strong> Fremdbest<strong>im</strong>mung von außen durch Unterwerfung<br />
ebenso kurzlebig wie Hegemonialbildungen <strong>im</strong> Inneren waren. 1110 Die Mitgliedstaaten<br />
können daher von <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft eine Rücksichtnahme auf nationale kulturelle Belange<br />
erwarten. 1111<br />
Die Auffassung, hie<strong>ra</strong>us könne u.U. die Zulässigkeit einer nationalen Maßnahme<br />
abgeleitet wer<strong>de</strong>n, die für sich bet<strong>ra</strong>chtet <strong>im</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zu Einzelbest<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s<br />
1108<br />
Doehring, Die nationale „I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, in: Due/<br />
Lutter/Schwarze (Hrsg.), FS für Ulrich Everling, Bd. I, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1995, S. 263 ff., 264,<br />
macht <strong>de</strong>utlich, daß sich – bei erster Bet<strong>ra</strong>chtung – <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>ntität auf die<br />
Staatlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ebenso wie auf die Nation, auf die ethnische ebenso wie<br />
auf die kulturelle I<strong>de</strong>ntität beziehen könnte.<br />
1109<br />
Vgl. Bleckmann, Die Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“ <strong>im</strong> <strong>Union</strong>s-Vert<strong>ra</strong>g, JZ 1997,<br />
S. 265 ff., 265 f.<br />
1110<br />
Hans Maier, LThK, 3. Bd., Stichwort: Europa, Sp. 994 f.<br />
1111<br />
Ress, Fn. 415, S. 949.
274<br />
EG-Vert<strong>ra</strong>gs steht, 1112<br />
muß allerdings als mit Sinn und Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift unvereinbar<br />
abgelehnt wer<strong>de</strong>n.<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits spricht mehr dafür, <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“ mit <strong>de</strong>n<br />
Fundamentalnormen <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Verfassungen in Verbindung zu bringen, wie sie<br />
beispielsweise für die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland in Art. 79 Abs. 3 GG fixiert wer<strong>de</strong>n. Diese<br />
Interpretation kann sich auf <strong>de</strong>n zweiten Halbsatz von Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV<br />
stützen, <strong><strong>de</strong>r</strong> ausdrücklich auf die „Regierungssysteme“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten verweist, die auf<br />
1113<br />
„<strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen Grundsätzen beruhen“ müssen.<br />
2. Facetten <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“<br />
Im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> letztgenannten Auslegung muß als „nationale I<strong>de</strong>ntität“ die Summe <strong><strong>de</strong>r</strong>jenigen<br />
staatst<strong>ra</strong>gen<strong>de</strong>n Elemente eines Gemeinwesens verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, die diesem sein<br />
spezifisches verfassungsrechtliches Gepräge verleihen und dadurch seine Unterscheidbarkeit<br />
von an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Staaten herbeiführen. Auch Verfassungsprinzipien, die in einigen o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n<br />
meisten an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten vorhan<strong>de</strong>n sind, können in ihrer Kombination mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Verfassungsprinzipien – in ihrer Gesamtheit bet<strong>ra</strong>chtet – ebenfalls i<strong>de</strong>ntitätsstiftend sein.<br />
Gemeint sind hier Elemente wie z.B. Mehrheits- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältniswahl, konstitutionelle<br />
Monarchie o<strong><strong>de</strong>r</strong> repräsentative Demok<strong>ra</strong>tie, Ein- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Zweikammersystem i.R.d. Legislative.<br />
<strong>Das</strong> in <strong>de</strong>n Verfassungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten normierte jeweilige <strong>Religionsrecht</strong> kann <strong>im</strong><br />
Hinblick auf die „nationale I<strong>de</strong>ntität“ grundsätzlich gleichsam prägend sein.<br />
3. Sicherstellung <strong>de</strong>s Prinzips<br />
Die ausdrückliche Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“ trägt zur Sicherung <strong>de</strong>s Bestan<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
einzelnen Mitgliedstaaten bei und schützt diese vor einer völligen Vereinnahmung bzw. einer<br />
schleichen<strong>de</strong>n Zersetzung durch die Gemeinschaft. Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV<br />
erteilt somit eine klare Absage an eine Staatswerdung Europas unter Auflösung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nationalstaaten und <strong><strong>de</strong>r</strong> sie prägen<strong>de</strong>n nationalen Elemente.<br />
Allerdings erstreckt sich die unmittelbare Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH gemäß Art. 46 (ex- Art. L)<br />
EUV nicht auf die Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV. An<strong><strong>de</strong>r</strong>s ist dies<br />
1112 So Ress, Fn. 415, S. 949.<br />
1113 Dieser Ansicht neigt z.B. Doehring, Fn. 1108, S. 264, zu.
275<br />
durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Amsterdam nunmehr ausdrücklich nur für Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2<br />
EUV normiert wor<strong>de</strong>n.<br />
Soweit jedoch die „nationale I<strong>de</strong>ntität“, also <strong><strong>de</strong>r</strong> Wesensgehalt eines Mitgliedstaats, von <strong>de</strong>n<br />
Gemeinschaftsorganen, die für die <strong>Union</strong> <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Organleihe han<strong>de</strong>ln, nicht beachtet<br />
wür<strong>de</strong>, blieben die nationalen Integ<strong>ra</strong>tionssch<strong>ra</strong>nken, wie sie für die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
in Art. 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. Art. 79 Abs. 3 GG zum Ausdruck kommen, maßgeblich.<br />
II. Konkretisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“ i.R.d. <strong>Religionsrecht</strong>s<br />
Wür<strong>de</strong> man die „nationale I<strong>de</strong>ntität“ i.S.d. ersten Definition an die Geschichte, Kultur und<br />
T<strong>ra</strong>dition eines Mitgliedstaats knüpfen, gelangte man zum Ergebnis, daß diese Elemente auch<br />
von <strong>de</strong>n jeweiligen mitgliedstaatlichen <strong>Religionsrecht</strong>sbest<strong>im</strong>mungen geprägt sind. 1114 Nach<br />
Max Haller existieren drei Faktoren als wichtige strukturelle Vo<strong>ra</strong>ussetzungen für die<br />
He<strong>ra</strong>usbildung einer nationalen I<strong>de</strong>ntität: eine territoriale Basis, eine integrierte Wirtschaft<br />
sowie eine gemeinsame Kultur. 1115 Letztere habe sich vor allem in Sp<strong>ra</strong>che und Religion<br />
he<strong>ra</strong>usgebil<strong>de</strong>t. 1116 Soweit die religionsrechtlichen Systeme <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ebenfalls<br />
unter <strong>de</strong>n Begriff Kultur bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion subsumiert wer<strong>de</strong>n können, 1117<br />
wären diese in<br />
ihrer unterschiedlichen nationalen Ausprägung ebenfalls für die „nationale I<strong>de</strong>ntität“ <strong>de</strong>s<br />
jeweiligen Mitgliedstaats prägend.<br />
Letztlich unterschei<strong>de</strong>n sich die bei<strong>de</strong>n oben aufgezeigten Ansätze <strong>im</strong> Ergebnis dort nur<br />
unwesentlich, wo die Verfassung eines Mitgliedstaats das Spezifikum seines <strong>Religionsrecht</strong>s<br />
ausdrücklich ve<strong>ra</strong>nkert hat. So wird z.B. in <strong><strong>de</strong>r</strong> f<strong>ra</strong>nzösischen Verfassung die laïcité ve<strong>ra</strong>nkert;<br />
Irlands Verfassung beginnt mit einer invocatio <strong>de</strong>i. Typisch für Deutschland ist dagegen, daß<br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Vereinen o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen Gruppen<br />
gleichgestellt sind, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n als religiöse Gruppierungen Körperschaftsstatus erhalten können,<br />
wodurch ihnen Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechte, wie z.B. ein eigenes Besteuerungsrecht ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />
eingeräumt wer<strong>de</strong>n. <strong>Das</strong> Kirchensteuerrecht für sich genommen stellt übrigens keine<br />
spezifisch <strong>de</strong>utsche Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit dar; auch Dänemark und Schwe<strong>de</strong>n kennen sie ebenso wie<br />
viele Kantone <strong><strong>de</strong>r</strong> Schweiz. Selbst das Kirchensteuereinzugsverfahren unter Mitwirkung von<br />
Arbeitgebern und staatlichen Finanzämtern wur<strong>de</strong> in Schwe<strong>de</strong>n am 1. Januar 2000 eingeführt.<br />
1114<br />
Vgl. Robbers, Fn. 181, S. 88.<br />
1115<br />
Haller, Fn. 109, S. 83 f.<br />
1116<br />
Haller, Fn. 109, S. 85.<br />
1117<br />
Zu <strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>nken dieser Bet<strong>ra</strong>chtungsweise auf Gemeinschaftsebene vgl. die Ausführungen<br />
oben F.III.
276<br />
Unterschie<strong>de</strong> zwischen bei<strong>de</strong>n Auffassungen sind dort auszumachen, wo – wie <strong>im</strong> Falle <strong>de</strong>s<br />
Kirchensteuereinzugsverfahrens – bezüglich <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s keine verfassungsrechtliche<br />
Ve<strong>ra</strong>nkerung besteht. Selbst wenn es sich um eine markante Ausprägung <strong>de</strong>s nationalen<br />
<strong>Religionsrecht</strong>s han<strong>de</strong>lte, hätte diese noch keinen Einfluß auf die „nationale I<strong>de</strong>ntität“ eines<br />
Mitgliedstaats, die nur Fundamentalnormen <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Verfassung erfaßt. Hilfestellung<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Klärung <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge, welche Bestandteile <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassung zur nationalen I<strong>de</strong>ntität eines<br />
Mitgliedstaats gezählt wer<strong>de</strong>n können, leistet häufig die nationale Verfassung selbst; <strong>im</strong><br />
<strong>de</strong>utschen Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Verweis <strong>de</strong>s Art. 79 Abs. 3 GG auf die Art. 1 und 2 GG.<br />
<strong>Das</strong> religionsrechtliche System <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland als solches beruht – <strong>im</strong><br />
Gegensatz zum Staatskirchentum o<strong><strong>de</strong>r</strong> einem strikten Trennungsprinzip – auf <strong>de</strong>m Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll.<br />
Ob dieses allerdings i.R.d. nationalen I<strong>de</strong>ntität berücksichtigt wer<strong>de</strong>n muß, 1118<br />
erscheint aus mehreren Grün<strong>de</strong>n f<strong>ra</strong>glich:<br />
Zum einen wird je<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> drei verschie<strong>de</strong>nen Staat-Kirche-Mo<strong>de</strong>lle nicht nur von einem,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n min<strong>de</strong>stens noch von zwei o<strong><strong>de</strong>r</strong> drei an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten vertreten. Sofern man<br />
<strong>de</strong>n Standpunkt vertritt, eine Konvergenzentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> religionsrechtlichen Systeme fin<strong>de</strong><br />
von <strong>de</strong>n Extrempositionen <strong><strong>de</strong>r</strong> laïcité einerseits und <strong>de</strong>s Staatskirchentums an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits in<br />
Richtung Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll statt, so bleibt <strong>im</strong>mer weniger Raum für die Annahme, daß ein<br />
religionsrechtliches System einem Mitgliedstaat seine ganz spezielle nationale I<strong>de</strong>ntität<br />
verleiht – ungeachtet <strong><strong>de</strong>r</strong> nach wie vor fortbestehen<strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong> innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
religionsrechtlichen Systeme. Die Bun<strong>de</strong>srepublik als Vertreter eines „Systems <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitte“<br />
je<strong>de</strong>nfalls könnte sich ten<strong>de</strong>nziell in geringerem Maße zur Berufung auf ihre nationale<br />
I<strong>de</strong>ntität auf das <strong>Religionsrecht</strong> stützen, als etwa Griechenland o<strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>nkreich als Vertreter<br />
diamet<strong>ra</strong>l entgegengesetzter Positionen <strong>im</strong> Spektrum <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen <strong>Religionsrecht</strong>e.<br />
Im Gegensatz zur Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Mitgliedstaaten hat Griechenland<br />
sich außer<strong>de</strong>m in seiner Beitrittserklärung zu <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften da<strong>ra</strong>uf<br />
berufen, daß für <strong>de</strong>n Berg Athos aufgrund religiöser und geistlicher Grün<strong>de</strong> eine<br />
Son<strong><strong>de</strong>r</strong>behandlung fortgelten soll.<br />
Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en erscheint mehr als f<strong>ra</strong>glich, ob das <strong>Religionsrecht</strong> überhaupt zur nationalen<br />
I<strong>de</strong>ntität gezählt wer<strong>de</strong>n kann. Zwar ist nicht zu verkennen, daß das <strong>Religionsrecht</strong> in<br />
gewisser Weise auch die Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion als solche begünstigt o<strong><strong>de</strong>r</strong> hemmt, somit also<br />
beeinflußt. Allerdings scheinen ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> die tiefgreifen<strong>de</strong>n Wandlungen <strong>im</strong> mitgliedstaatlichen<br />
<strong>Religionsrecht</strong>, die in <strong>de</strong>n letzten Jahren und Jahrzehnten beispielsweise in Italien, Spanien,<br />
Portugal, <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n und jüngst in Schwe<strong>de</strong>n stattgefun<strong>de</strong>n haben, dagegen zu<br />
sprechen, formelles <strong>Religionsrecht</strong> als i<strong>de</strong>ntitätsstiftend für die Mitgliedstaaten anzusehen.<br />
1118 So v. Campenhausen, Fn. 74, S. 410.
277<br />
Wäre dies <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall, brächte ein bloßer Wechsel <strong>im</strong> <strong>Religionsrecht</strong> <strong>de</strong>n Verlust <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen<br />
nationalen I<strong>de</strong>ntität mit sich.<br />
Die genannten Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen <strong>Religionsrecht</strong>ssysteme zeigen <strong>de</strong>utlich auf, daß<br />
auch das <strong>de</strong>utsche <strong>Religionsrecht</strong> dauerhaft nicht zwingend vor Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s<br />
verfassungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Gesetzgebers nach Art. 79 Abs. 2, 3 GG verschont bleiben muß, da<br />
längst nicht alle Elemente <strong><strong>de</strong>r</strong> durch Art. 140 GG inkorporierten Vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> WRV in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsfreiheit <strong>de</strong>s Art. 4 GG enthalten und damit zum unaufgebbaren I<strong>de</strong>ntitätskern <strong>de</strong>s<br />
Grundgesetzes gehören. Jörg Kruttschnitt argumentiert überzeugend, daß zwar das Grundgesetz<br />
als <strong>de</strong>utsche Staatsordnung ein wesentlicher Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>ntität <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland sei. Zu diesem gehöre selbstverständlich auch das <strong>Religionsrecht</strong> über<br />
Art. 140 GG. Hie<strong>ra</strong>us könne nicht schlußgefolgert wer<strong>de</strong>n, daß auch das „<strong>de</strong>utsche Staatskirchenrecht<br />
ein wesentlicher Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassungsi<strong>de</strong>ntität“ <strong>de</strong>s Grundgesetzes sei. 1119 Albert<br />
Bleckmann, <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV schon dann als Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nis für eine<br />
Rechtsangleichung nach Art. 94 ff. (ex-Art. 100 ff.) EGV ansieht, soweit das<br />
(einfachrechtliche !) Arbeitsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen durch religiöse Prinzipien geprägt wer<strong>de</strong>, 1120<br />
kann daher nicht gefolgt wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> „nationalen I<strong>de</strong>ntität“ gemäß Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) EUV erscheint<br />
<strong>de</strong>mnach ebenso wenig schutzbringend wie das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftstreue gemäß<br />
Art. 10 (ex-Art. 5) EGV, welches – wie die Bun<strong>de</strong>streue – nicht nur <strong>im</strong> Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> unteren<br />
Ebene gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> höheren Ebene, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong>im</strong> Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Zent<strong>ra</strong>lgewalt gegenüber<br />
<strong>de</strong>n fö<strong><strong>de</strong>r</strong>alen Gewalten gilt. Die Wahrung wesentlicher Elemente <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s kann<br />
we<strong><strong>de</strong>r</strong> durch das eine noch durch das an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Prinzip sichergestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
III. Zusammenfassung<br />
Die „nationale I<strong>de</strong>ntität“ eines Mitgliedstaats wird einerseits durch gemeinsame Sp<strong>ra</strong>che,<br />
Geschichte und Kultur geschaffen, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en durch die Fundamentalnormen <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen<br />
Verfassungen. Der Verweis auf die „Regierungssysteme“ in Art. 6 Abs. 3<br />
(ex-Art. F Abs. 1) EUV läßt <strong>de</strong>n Rückschluß zu, daß die EU vor allem zweiteres zu schützen<br />
verpflichtet ist, wobei allerdings i.R.d. <strong>Union</strong>srechts keine Kompetenz <strong>de</strong>s EuGH besteht.<br />
Problematisch ist v.a., daß nicht alle Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen über das <strong>Religionsrecht</strong> als<br />
Fundamentalnormen eingestuft wer<strong>de</strong>n können und die rezenten Wandlungen innerhalb <strong>de</strong>s<br />
1119 Kruttschnitt, Fn. 316, S. 114.<br />
1120 Vgl. Bleckmann, Fn. 1109, S. 269.
278<br />
mitgliedstaatlichen <strong>Religionsrecht</strong>s eher dafür sprechen, daß dieses nicht zur „nationalen<br />
I<strong>de</strong>ntität“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten zählt.
I. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV und das Konkordats- bzw.<br />
Vert<strong>ra</strong>gsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />
I. Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV<br />
279<br />
Völkerrechtliche Verträge von Mitgliedstaaten, die noch vor Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Gemeinschaften bzw. vor <strong>de</strong>m Beitritt zur Gemeinschaft von <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong>ra</strong>tifiziert<br />
wur<strong>de</strong>n, sind für die EG nicht schon nach Art 300 (ex-Art. 228) Abs. 7 EGV verbindlich.<br />
Vielmehr beurteilen sich solche „Altverträge“ nach Art 307 (ex-Art. 234) EGV. Nach<br />
ständiger Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH berührt die Anwendung <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs nicht die<br />
Pflicht <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaats, die Rechte von Drittlän<strong><strong>de</strong>r</strong>n aus einer früher<br />
geschlossenen Übereinkunft zu wahren und seine entsprechen<strong>de</strong>n Pflichten zu erfüllen. 1121<br />
Ziel <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV ist damit die Ausschaltung eines Vert<strong>ra</strong>gsbruchs seitens<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten, wodurch <strong>de</strong>m allgemeinen Rechtsgrundsatz pacta<br />
sunt servanda Rechnung get<strong>ra</strong>gen wird. Hierzu sieht das Pr<strong>im</strong>ärrecht eine vorübergehen<strong>de</strong><br />
Nichtanwendung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts vor. Dies hin<strong><strong>de</strong>r</strong>t die Gemeinschaft allerdings<br />
nicht, trotz<strong>de</strong>m – allerdings ohne Rechtsverbindlichkeit für <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat –<br />
rechtssetzend tätig zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Nach Abschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsverträge dagegen sind die Mitgliedstaaten aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 10 (ex-Art. 5) Abs. 2 EGV am Abschluß völkerrechtlicher Vereinbarungen<br />
über Gegenstän<strong>de</strong>, die in die Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft fallen, gehin<strong><strong>de</strong>r</strong>t, soweit die<br />
Vereinbarungen mit gelten<strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht kollidieren. Wird ein solcher <strong>im</strong><br />
Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zum Gemeinschaftsrecht stehen<strong><strong>de</strong>r</strong> völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g abgeschlossen, so<br />
ist dieser von Anfang an unwirksam. 1122<br />
1121 EuGH, Rs. C-124/95 (The Queen, ex parte: Centro-Com Srl/HM Treasury und Bank of<br />
England), Slg. 1997, S. I-81 ff., 130, Rz. 56 f.; verb. Rs. C-364/95 u. C-365/95 (T. Port<br />
GmbH & Co./Hauptzollamt Hamburg-Jonas), Slg. 1998, S. I-1023 ff., 1051 f., Rz. 60 =<br />
EuZW 1998, S. 247 ff.<br />
1122 Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Fn. 731, S. 81. So hat auch <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> AETR-Urteil,<br />
Rs. 22/70 (Kommission/Rat), Slg. 1971, S. 263 ff., Rz. 15/19, entschie<strong>de</strong>n: „Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
sind in <strong>de</strong>n Bereichen, in <strong>de</strong>nen die Gemeinschaft zur Verwirklichung einer vom Vert<strong>ra</strong>g<br />
vorgesehenen gemeinsamen Politik Vorschriften erlassen hat, die in irgen<strong>de</strong>iner Form<br />
gemeinsame Rechtsnormen vorsehen, die Mitgliedstaaten we<strong><strong>de</strong>r</strong> einzeln noch selbst
280<br />
1. Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV<br />
Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV enthält die Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane, die<br />
Erfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> Pflichten, die sich für die Mitgliedstaaten aus diesem früher geschlossenen<br />
Übereinkommen ergeben, nicht zu behin<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 1123<br />
Verpflichtungen einzelner Mitgliedstaaten<br />
gegenüber „einem o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehreren dritten Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n“ genießen daher gegenüber<br />
gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen grundsätzlich Vor<strong>ra</strong>ng. Der EuGH hat hierzu<br />
ausgeführt:<br />
„Um festzustellen, ob eine Gemeinschaftsbest<strong>im</strong>mung gegenüber einer früher abgeschlossenen<br />
völkerrechtlichen Übereinkunft zurückzutreten hat, ist <strong>de</strong>mnach zu prüfen, ob diese<br />
Übereinkunft <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat Verpflichtungen auferlegt, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Erfüllung die<br />
Drittlän<strong><strong>de</strong>r</strong>, die Parteien <strong><strong>de</strong>r</strong> Übereinkunft sind, noch verlangen können. Eine Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts hat <strong>de</strong>mnach gegenüber einer völkerrechtlichen Übereinkunft nur dann<br />
zurückzutreten, wenn diese zum einen vor <strong>de</strong>m Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs geschlossen<br />
wur<strong>de</strong> und wenn zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en das f<strong>ra</strong>gliche Drittland da<strong>ra</strong>us Rechte herleiten kann, <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Beachtung es von <strong>de</strong>m betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat verlangen kann.“ 1124<br />
a) Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV gegenüber Konkordaten<br />
aa) Begriff <strong>de</strong>s „Konkordats“<br />
Unter einem Konkordat i.e.S. 1125 versteht man einen Vert<strong>ra</strong>g zwischen einem Staat und <strong>de</strong>m<br />
Hl. Stuhl als Oberhaupt <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche, 1126<br />
in <strong>de</strong>m die religionsrechtliche Beziehung<br />
zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>gspartnern umfassend o<strong><strong>de</strong>r</strong> je<strong>de</strong>nfalls <strong>im</strong> Hinblick auf be<strong>de</strong>utsame<br />
gemeinsam han<strong>de</strong>lnd berechtigt, mit dritten Staaten Verpflichtungen einzugehen, die diese<br />
Normen beeinträchtigen.“<br />
1123<br />
EuGH, Rs. 812/79 (St<strong>ra</strong>fverfahren gegen Juan C. Burgoa), Slg. 1980, S. 2787 ff., 2803,<br />
Rz. 9.<br />
1124<br />
EuGH, verb. Rs. C-364/95 u. C-365/95, Fn. 1121, Rz. 60 f.<br />
1125<br />
Der Begriff „Konkordat“ i.w.S. ist ein Gattungsbegriff für verschie<strong>de</strong>nste Verträge; so<br />
wer<strong>de</strong>n z.B. Übereinkommen zwischen einzelnen Kantonen <strong><strong>de</strong>r</strong> Schweiz ebenfalls als<br />
„Konkordat“ bezeichnet; vgl. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. 1965, S. 68; Köck, Fn. 231, S. 317 f.<br />
1126<br />
Allerdings existieren als Mischform auch Verträge zwischen einem Staat und (katholischen<br />
und protestantischen) Kirchen auf <strong>de</strong>zent<strong>ra</strong>ler Ebene, vgl. Köck, Fn. 231, S. 330 f.; Listl,<br />
Fn. 233, S. 474.
281<br />
Sachgebiete geregelt wird. 1127 Regelungsmaterien in Konkordaten reichen vom Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sonn- und Feiertage und <strong><strong>de</strong>r</strong> Anerkennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsfähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Rechtsträger<br />
als öffentlich-rechtliche Körperschaft über das Berufungsverfahren von Theologieprofessoren<br />
an staatlichen Universitäten und die Erteilung <strong>de</strong>s Religionsunterrichts an öffentlichen<br />
Schulen bis hin zur Regelung <strong><strong>de</strong>r</strong> Dotationen und Staatsleistungen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Datenübermittlung<br />
staatlicher Mel<strong>de</strong>behör<strong>de</strong>n. 1128<br />
Während es sich bei Konkordaten 1129 nach früherer Ansicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche um vom<br />
Papst gewährte Privilegien han<strong>de</strong>lte (sog. Privilegientheorie 1130 ), die gegenüber <strong>de</strong>m staatlichen<br />
Recht Vor<strong>ra</strong>ng genießen sollten, nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht <strong><strong>de</strong>r</strong> absolutistischen Staatsrechtslehre<br />
dagegen nur um einfache Staatsgesetze (sog. Legaltheorie 1131 ), besteht heute weitestgehend<br />
Einigkeit darüber, daß Konkordate völkerrechtliche Verträge (sog. Vert<strong>ra</strong>gstheorie 1132 )<br />
darstellen, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl als Völkerrechtssubjekt anerkannt ist. 1133 Ein Konkordat bedarf als<br />
völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g daher <strong><strong>de</strong>r</strong> T<strong>ra</strong>nsformation in innerstaatliches Recht. 1134<br />
1127<br />
RGG/Weber, 3. Bd., Stichwort: Konkordate, Sp. 1771; ähnlich: HdbStKirchR/K<strong>im</strong>minich,<br />
Fn. 46, S. 231; Listl, Fn. 233, S. 473. Bloße Teilvereinbarungen, Konkordatsergänzungen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> provisorische Regelungen wer<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>n Oberbegriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „Vereinbarungen“<br />
(Conventiones) subsumiert, vgl. Listl, a.a.O., S. 473.<br />
1128<br />
Vgl. einen umfassen<strong>de</strong>n Katalog <strong><strong>de</strong>r</strong> Regelungsmaterien von Konkordaten bei Listl,<br />
Konkordate aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong>de</strong>s Heiligen Stuhls, in: Isensee/Rüfner/Rees (Hrsg.), Fn. 233,<br />
S. 522 ff., 541 ff.<br />
1129<br />
Vgl. hierzu Can. 3 CIC/1983.<br />
1130<br />
Vgl. hierzu Köck, Fn. 231, S. 334.<br />
1131<br />
Vgl. hierzu Creifelds, Stichwort: Konkordat; Köck, Fn. 231, S. 332 f.; RGG/Weber,<br />
Fn. 1127, Sp. 1773.<br />
1132<br />
Vgl. hierzu HdbStKirchR/K<strong>im</strong>minich, Fn. 46, S. 231; Köck, Fn. 231, S. 336 f., 366, 370;<br />
BayObLG, Urt. v. 10.12.1934, JW 1935, S. 960, sowie indirekt BVerfGE 6, S. 309 ff.,<br />
350 f., für das Reichskonkordat.<br />
1133<br />
Listl, Fn. 233, S. 472; Schweitzer, Fn. 39, Rdnr. 8; RGG/Weber, Fn. 1127, Sp. 1772;<br />
HdbStKirchR/Weber, Rechtsschutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen durch staatliche Gerichte, Zweiter Bd.,<br />
§ 72, S. 1079, dort Fn. 149 m.w.N. In Österreich wer<strong>de</strong>n Konkordate ebenfalls als zweiseitige<br />
völkerrechtliche Verträge sui generis anerkannt, vgl. Potz, Fn. 206, S. 254. Hollerbach,<br />
Fn. 1125, S. 83 ff., 97, 101; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 88, Rdnr. 69, dagegen sieht Konkordate nicht<br />
als völkerrechtliche Verträge an, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n n<strong>im</strong>mt eine quasi-vert<strong>ra</strong>gliche Einordnung vor,<br />
wobei er – ausgehend von <strong><strong>de</strong>r</strong> lex cont<strong>ra</strong>ctus – bei je<strong>de</strong>m Konkordat von <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung<br />
eines eigenen Staat-Kirche-Rechts ausgeht. Hierfür besteht jedoch kein Bedürfnis, sieht<br />
man einmal von <strong>de</strong>m Bemühen ab, hierdurch eine Gleichstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenverträge mit<br />
Konkordaten zu erreichen, vgl. Renck, Der sogenannte Rang <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenverträge, DÖV<br />
1997, S. 929 ff., 931. Auch HdbStKirchR/K<strong>im</strong>minich, Fn. 46, S. 233, kritisiert zu Recht
282<br />
bb) Vatikan als „Drittland“<br />
Die Anwendung <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV auf Konkordate erscheint insoweit<br />
problematisch, als es sich bei einem Konkordat nicht um ein Abkommen eines Mitgliedstaats<br />
mit einem „dritten Land“ han<strong>de</strong>lt. Im Gegensatz zum Staat <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikanstadt ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikan<br />
kein „Staat“ i.S.d. allgemeinen Staatslehre, da es ihm – unter Zugrun<strong>de</strong>legung <strong><strong>de</strong>r</strong> Drei-<br />
Elemente-Lehre – an <strong>de</strong>m Element <strong>de</strong>s Staatsgebiets fehlt. Aus diesem Grund ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikan<br />
auch nicht befugt, internationalen Abkommen, wie z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong> WVRK beizutreten, <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
beitreten<strong>de</strong> Vert<strong>ra</strong>gsstaaten Staatsqualität aufweisen müssen. 1135<br />
Ratio legis will Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV jedoch die völkerrechtliche Verpflichtung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten zur Einhaltung von Verträgen (pacta sunt servanda) auch gegenüber <strong>de</strong>m<br />
Hl. Stuhl als sonstigem Völkerrechtssubjekt nicht gefähr<strong>de</strong>n. Somit fallen auch Konkordate<br />
von Mitgliedstaaten mit <strong>de</strong>m Hl. Stuhl in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich von Art. 307 (ex-Art. 234)<br />
Abs. 1 EGV. 1136<br />
cc) Konkordat als „Altvert<strong>ra</strong>g“<br />
Um ein Konkordat überhaupt als „Altvert<strong>ra</strong>g“ i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV qualifizieren<br />
zu können, müßte dieses von einem <strong><strong>de</strong>r</strong> sechs ursprünglichen Gründungsmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG o<strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong>de</strong>n übrigen Mitgliedstaaten vor ihrem Beitritt zur E(W)G<br />
abgeschlossen wor<strong>de</strong>n sein. 1137<br />
diesen Versuch, die Konkordate <strong>de</strong>m Völkerrecht sowie <strong>de</strong>m innerstaatlichen Recht zu<br />
entziehen.<br />
1134<br />
RGG/Weber, Fn. 1127, Sp. 1773. Von <strong>de</strong>n vielen, überwiegend unter Papst Pius XI.<br />
geschlossenen Konkordaten sind als echte Konkordate nur noch in Geltung die Konkordate<br />
mit <strong>de</strong>m Deutschen Reich (1933) sowie mit Bayern (1924), Preußen (1929) und Ba<strong>de</strong>n<br />
(1932), mit Italien (1929), Portugal (1950) und Spanien (1953). <strong>Das</strong> f<strong>ra</strong>nzösische<br />
Konkordat von 1801 ist mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Trennungsgesetzgebung von 1905 außer K<strong>ra</strong>ft getreten und<br />
gilt nur noch in Elsaß-Lothringen. <strong>Das</strong> österreichische Konkordat von 1933 ist innenpolitisch<br />
umstritten, vgl. RGG/Weber, Fn. 1127, Sp. 1772. Aus diesem Grun<strong>de</strong> ist die<br />
Bindung an Konkordate neben Deutschland nur in drei weiteren Mitgliedstaaten von<br />
Be<strong>de</strong>utung.<br />
1135<br />
Vgl. hierzu Schäfer, Fn. 1106, S. 65.<br />
1136<br />
Ebenso Schäfer, Fn. 1106, S. 66 f.<br />
1137<br />
Dies muß man z.B. bei <strong>de</strong>m Reichskonkordat vom 20.7.1933 (RGBl. 1933 II, S. 679)<br />
bejahen, zumal das BVerfG in E 6, S. 309 ff., weitgehend <strong>de</strong>ssen Weitergeltung bestätigt<br />
hat, vgl. auch Art. 123 Abs. 2 GG. Gleiches gilt für das Österreichische Konkordat vom<br />
5.6.1933, Österr. BGBl. II 1934, Nr. 2; vgl. hierzu Potz, Fn. 206, S. 252, 255. Unanwendbar
283<br />
dd) Verpflichtung gegenüber <strong>de</strong>m Hl. Stuhl<br />
Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV will in erster Linie nicht die Mitgliedstaaten schützen,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>n Drittstaaten als Vert<strong>ra</strong>gspartnern eines Vert<strong>ra</strong>gs mit Beteiligung einer o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
mehrerer Mitgliedstaaten die Einhaltung von Vert<strong>ra</strong>gsbest<strong>im</strong>mungen gewährleisten. Es müßte<br />
daher eine völkerrechtliche Vert<strong>ra</strong>gsverpflichtung eines Mitgliedstaats gegenüber <strong>de</strong>m<br />
Heiligen Stuhl bestehen. Die Konkordatsbest<strong>im</strong>mungen enthalten einige Vorschriften, wie<br />
z.B. die sog. Staatsangehörigkeitsklauseln, 1138<br />
die mit <strong>de</strong>n Freizügigkeitsrechten <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs<br />
nicht vereinbar sind. Wenn die Mitgliedstaaten <strong>de</strong>n Freizügigkeitsbest<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s<br />
EG-Vert<strong>ra</strong>gs strikt nachkommen und je<strong>de</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Staatsangehörigkeit unterbin<strong>de</strong>n müßten, wür<strong>de</strong>n die genannten Pflichten aus <strong>de</strong>m Konkordat<br />
zum Nachteil <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche verletzt.<br />
Soweit es sich bei <strong>de</strong>n zwischen <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten und <strong>de</strong>m Heiligen Stuhl abgeschlossenen<br />
Konkordaten um sog. Altverträge han<strong>de</strong>lt, muß ihnen daher – vorbehaltlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mung<br />
<strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV, auf welche sogleich eingegangen wird – Vor<strong>ra</strong>ng vor<br />
jeglichem Gemeinschaftsrecht zukommen.<br />
b) Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV gegenüber Abkommen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Da <strong>de</strong>m Reichskonkordat gemäß <strong>de</strong>ssen Art. 2 <strong>im</strong> räumlichen und sachlichen Anwendungsbereich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Konkordate Bayerns, Ba<strong>de</strong>ns und Preußens nur subsidiäre Geltung zukommt, ist<br />
die F<strong>ra</strong>ge zu klären, welche Be<strong>de</strong>utung Län<strong><strong>de</strong>r</strong>konkordaten staatsrechtlich zukommt.<br />
ist Art. 307 (ex-Art. 234) EGV aber von vornherein auf die zwischen <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen<br />
Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n und <strong>de</strong>m Hl. Stuhl vereinbarten Staatsverträge, wie z.B. das <strong>im</strong> Juli 1996<br />
abgeschlossene Sächsische Konkordat o<strong><strong>de</strong>r</strong> das <strong>im</strong> Juni 1997 abgeschlossene Thüringische<br />
Konkordat, vgl. hierzu SZ, Nr. 132 vom 12.6.1997, S. 7, so auch Hollerbach, Vert<strong>ra</strong>gsstaatskirchenrecht<br />
als Instrument <strong>im</strong> Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>vereinigung, KuR 120,<br />
S. 1 ff., 3; Listl, <strong>Das</strong> Staatskirchenrecht in <strong>de</strong>n neuen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland – Die Entwicklung von 1989 bis 1994, in: Isensee/Rüfner/Rees (Hrsg.),<br />
Fn. 233, S. 355 ff., 384 ff. Grund hierfür ist, daß die neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> nach Art. 1 <strong>de</strong>s<br />
am 23.9.1990 in K<strong>ra</strong>ft getretenen Einigungsvert<strong>ra</strong>gs vom 31.8.1990 (BGBl. 1990 II, S. 1239<br />
ff.) Län<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland gewor<strong>de</strong>n sind (vgl. Schweitzer, Fn. 39, Rdnrn.<br />
657 f.) und daher zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s Abschlusses <strong><strong>de</strong>r</strong> Konkordate schon Verpflichtete <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts waren.<br />
1138 So müssen in Deutschland amtieren<strong>de</strong> Geistliche grundsätzlich <strong>de</strong>utsche Staatsangehörige<br />
sein und eine aka<strong>de</strong>mische Ausbildung an einer <strong>de</strong>utschen Hochschule genossen haben.<br />
Auch für geistliche Or<strong>de</strong>nsobere ist die <strong>de</strong>utsche Staatsangehörigkeit konkordatär<br />
festgeschrieben, vgl. RGG/Weber, Fn. 1127, Sp. 1775.
284<br />
Art. 32 Abs. 3 GG muß erweiternd dahingehend verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß die Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
über die explizit erwähnte Abschlußkompetenz mit „auswärtigen Staaten“ hinaus eine<br />
Kompetenz zum Abschluß von Verträgen mit allen Völkerrechtssubjekten – d.h. auch mit<br />
<strong>de</strong>m Vatikan – über die nach <strong>de</strong>m Grundgesetz zur Lan<strong>de</strong>sgesetzgebung gehörigen Materien<br />
und Verträge abschließen können. 1139<br />
Ein vor Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs in Deutschland<br />
abgeschlossenes Konkordat eines Bun<strong>de</strong>slan<strong>de</strong>s – z.B. das Bayerische Konkordat vom<br />
29. März 1924 <strong>im</strong> Gegensatz zu <strong>de</strong>m am 26. Februar 1965 mit Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>sachsen abgeschlossenen<br />
Konkordat – könnte daher nach Art. 307 (ex-Art. 234) EGV für die Mitgliedstaaten<br />
gegenüber gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen ebenfalls Vor<strong>ra</strong>ng besitzen.<br />
Allerdings verlieren die Län<strong><strong>de</strong>r</strong> ihre völkerrechtliche Vert<strong>ra</strong>gsabschlußkompetenz, sobald <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bund über die Materie selbst einen Vert<strong>ra</strong>g abschließt. 1140 Mit <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>s Ink<strong>ra</strong>fttretens<br />
<strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs haben die Län<strong><strong>de</strong>r</strong> daher ihre Kompetenz über diejenigen Materien<br />
verloren, die hierin geregelt wer<strong>de</strong>n. Zu Konflikten i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV kann es<br />
jedoch nach wie vor kommen, da ein schon abgeschlossenes Konkordat eines Bun<strong>de</strong>slan<strong>de</strong>s<br />
als partiellem Völkerrechtssubjekt nicht etwa untergeht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n fortbesteht. 1141<br />
c) Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV auf sog. Kirchenverträge?<br />
Kirchenverträge wer<strong>de</strong>n ausschließlich von Lan<strong>de</strong>skirchen abgeschlossen; ein Gegenstück<br />
zum Reichskonkordat existiert auf evangelischer Seite nicht. Bei Kirchenverträgen han<strong>de</strong>lt es<br />
sich jedoch nicht um Konkordate, da <strong>de</strong>n Evangelischen Lan<strong>de</strong>skirchen die<br />
Völkerrechtsfähigkeit fehlt und ihnen somit die völkerrechtliche Ebene verwehrt ist. 1142 Da<br />
die Evangelischen Lan<strong>de</strong>skirchen als innerstaatliche Verbän<strong>de</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
kont<strong>ra</strong>hieren, <strong><strong>de</strong>r</strong>en rechtlicher Souveränität sie nach wie vor unterworfen sind, han<strong>de</strong>lt es sich<br />
bei <strong>de</strong>n Kirchenverträgen um gewöhnliche innerstaatliche öffentlich-rechtliche Verträge,<br />
vergleichbar <strong>de</strong>nen nach §§ 54 ff. VwVfG, auch wenn eine parlamentarische Zust<strong>im</strong>mung und<br />
eine Ratifikation, ein Austausch <strong><strong>de</strong>r</strong> Ratifikationsurkun<strong>de</strong>n sowie eine Publikation <strong>de</strong>s<br />
Vert<strong>ra</strong>gs <strong>im</strong> staatlichen und kirchlichen Publikationsorgan erfolgen. 1143<br />
1139<br />
BVerfGE 1, S. 351 ff., 366; 2, S. 347 ff., 374; vgl. Schweitzer, Fn. 39, Rdnr. 121.<br />
1140<br />
Schweitzer, Fn. 39, Rdnr. 118.<br />
1141<br />
Schweitzer, Fn. 39, Rdnr. 117 f.<br />
1142<br />
Ebenso HdbStKirchR/K<strong>im</strong>minich, Fn. 46, S. 238; K<strong>im</strong>minich, Kirche – Menschenrechte –<br />
Völkerrecht, in: Hünermann/Eckholt (Hrsg.), Katholische Soziallehre – Wirtschaft –<br />
Demok<strong>ra</strong>tie, Mainz – München 1989, S. 179 ff., 187. Daher besitzt <strong><strong>de</strong>r</strong> Ökumenische Rat<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen nach Art. 71 UNO-Satzung als nichtstaatliche Organisation (NGO) lediglich<br />
einen Konsultativstatus.<br />
1143<br />
So auch Listl, Fn. 233, 475, 482; Renck, Fn. 1133, S. 932, 935. A.A.: RGG/Weber, 3. Bd.,<br />
Stichwort: Kirchenverträge, Sp. 1592: Es han<strong>de</strong>le sich um Verträge sui generis, da diese
285<br />
Z.T. wird vertreten, daß die Kirchenverträge aufgrund <strong>de</strong>s <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen <strong>Religionsrecht</strong><br />
gelten<strong>de</strong>n Grundsatzes <strong><strong>de</strong>r</strong> Parität gemeinschaftsrechtlich ebenso behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n müßten<br />
wie Konkordate. 1144 Letztlich liegt <strong>de</strong>m in erster Linie das Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen<br />
Kirchen an „gemeinschaftsfesten“ Kirchenverträgen zugrun<strong>de</strong>. 1145 Dem muß jedoch<br />
wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprochen wer<strong>de</strong>n, da bei einem Kirchenvert<strong>ra</strong>g keine Bindung gegenüber einem<br />
Drittstaat o<strong><strong>de</strong>r</strong> einem sonstigen Völkerrechtssubjekt besteht. Selbst wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen<br />
Recht maßgebliche Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Parität über <strong>de</strong>n allgemeinen Gleichheitssatz <strong>im</strong><br />
Gemeinschaftsrecht 1146 zur Anwendung käme, wür<strong>de</strong> dieser keine Erstreckung <strong>de</strong>s<br />
Art. 307 (ex-Art. 234) EGV auf Kirchenverträge gebieten, da zwischen Konkordaten und<br />
Kirchenverträgen ein sachlicher Unterschied in <strong><strong>de</strong>r</strong> Qualität <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gspartners besteht, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gemeinschaftsrechtlich eine Ungleichbehandlung rechtfertigt. 1147 Für eine (doppelte) Analogie<br />
<strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV auf evangelische Kirchenverträge besteht daher kein<br />
Anlaß. 1148<br />
we<strong><strong>de</strong>r</strong> wie Konkordate <strong>de</strong>m Völkerrecht zuzuordnen seien – was zutrifft – noch <strong>de</strong>m<br />
innerstaatlichen Recht angehören wür<strong>de</strong>n, da auf <strong><strong>de</strong>r</strong> einen Seite die Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
Deutschland, auf <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en eine Evangelische Lan<strong>de</strong>skirche stehe. Eine Einordnung als<br />
Verträge sui generis ist angesichts <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n Instrumentariums <strong>de</strong>s öffentlich-rechtlichen<br />
Vert<strong>ra</strong>gs jedoch nicht geboten. Die Folge <strong><strong>de</strong>r</strong> Einordnung von Kirchenverträgen als<br />
öffentlich-rechtlichen Verträgen ist ihre erleichterte Aufhebbarkeit für die Zukunft gemäß §<br />
60 VwVfG bei Erlaß eines späteren Gesetzes, vgl. BVerfGE 11, S. 139 ff., 146; 13, S. 261<br />
ff., 271; 43, S. 242 ff., 288.<br />
1144<br />
So z.B. Hollerbach, Fn. 17, S. 275; Kalb, Fn. 393, S. 90; Robbers, Fn. 341, S. 331.<br />
1145<br />
Vgl. Schäfer, Fn. 1106, S. 72.<br />
1146<br />
Vgl. hierzu Kischel, Fn. 762, S. 3 f.<br />
1147<br />
Eine Gleichstellung mit <strong>de</strong>n Kirchenverträgen käme lediglich dann in Bet<strong>ra</strong>cht, wenn man<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung Hollerbachs, Fn. 1125, S. 101, 103; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 88, Rdnr. 69 f., folgt, wonach<br />
die Völkerrechtssubjektivität, die be<strong>im</strong> Hl. Stuhl <strong>im</strong> Gegensatz zu <strong>de</strong>n Evangelischen<br />
Lan<strong>de</strong>skirchen vorhan<strong>de</strong>n ist, nicht als „Essentiale“, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich als zweckmäßiger<br />
„Akzi<strong>de</strong>ns“ für das Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht angesehen wird. Dieser Ansicht schließt sich<br />
Schäfer, Fn. 1106, S. 74, inkonsequenterweise an, obwohl er noch auf S. 14 f., 65 f., auf die<br />
Maßgeblichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Völkerrechtssubjektivität <strong>de</strong>s Hl. Stuhls für eine Bindungswirkung<br />
i.R.d. Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV bzw. für <strong>de</strong>n Abschluß völkerrechtlicher Verträge<br />
nach Art. 300 (ex-Art. 228) EGV abgestellt hatte. Mit Renck, Fn. 1133, S. 931, ist dieser<br />
Ansicht jedoch zu wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen.<br />
1148<br />
Insoweit zutreffend Schäfer, Fn. 1106, S. 73.
286<br />
2. Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV<br />
a) Anpassungsverpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
Allerdings besteht für die Mitgliedstaaten gemäß Art 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV die<br />
Verpflichtung, mit <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht unvereinbare Altverträge zum nächstmöglichen<br />
Zeitpunkt zu kündigen, um so Unvereinbarkeiten mit <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht zu beheben.<br />
Diese Pflicht entfällt nur dort, wo das völkerrechtliche Abkommen selbst Bestandteil <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts gewor<strong>de</strong>n ist, wie dies für das GATT 1947 anerkannt ist 1149<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> soweit<br />
das Abkommen, wie die EMRK über Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV, ausdrücklich von <strong>de</strong>n<br />
Gemeinschaftsorganen zu achten ist.<br />
Für Konkordate als <strong>de</strong>m Völkerrecht zu unterstellen<strong>de</strong> Verträge gilt für ihre Beendigung in<br />
1150<br />
Analogie zu <strong>de</strong>n allgemeinen Regeln <strong>de</strong>s Völkerrechts die clausula rebus sic stantibus<br />
(Art. 62 WVRK), die ipso iure zum K<strong>ra</strong>ftloswer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Konkordats führen kann. Zumin<strong>de</strong>st<br />
aber stellt die Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung wesentlicher Verhältnisse einen Kündigungsgrund dar. Auch wenn<br />
Konkordate als „ewig“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „dauernd“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> auf sonstige Weise als unbefristet und unkündbar<br />
abgeschlossen sein mögen, ist ihre Beendigung keineswegs ausgeschlossen. 1151 Aus diesem<br />
Grun<strong>de</strong> müssen Konkordate <strong>im</strong> Falle ihrer Unvereinbarkeit mit <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht von<br />
<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten gekündigt wer<strong>de</strong>n können, soweit keine einvernehmliche Vert<strong>ra</strong>gsbeendigung<br />
– notfalls durch Ink<strong>ra</strong>fttreten eines neuen Konkordats, durch welches die<br />
Unvereinbarkeit mit <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht behoben wird – erfolgt. Die hier geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />
grundsätzlich bestehen<strong>de</strong> Vert<strong>ra</strong>gsbindung, die unter <strong>de</strong>n Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>s<br />
Art. 62 WVRK gelöst wer<strong>de</strong>n kann, muß jedoch von <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge einer Gesetzesbindung<br />
unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Es ist allgemein anerkannt, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> nationale Gesetzgeber von seiner<br />
Vert<strong>ra</strong>gspflicht abweichen und gegen das Konkordat verstoßen<strong>de</strong>s neues Recht setzen und<br />
durchsetzen kann, was in <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis viele Male geschehen ist. 1152 Erst recht ist <strong><strong>de</strong>r</strong> nationale<br />
Gesetzgeber nicht an Kirchenverträge gebun<strong>de</strong>n, da sich ein Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gsrechts<br />
gegenüber späterem Gesetzesrecht nicht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung von <strong><strong>de</strong>r</strong> Entscheidungsfreiheit <strong>de</strong>s<br />
Gesetzgebers gegenüber öffentlich-rechtlichen Verträgen vereinbaren ließe. 1153<br />
1149 Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 679; Vachek, Fn. 437, S. 148.<br />
1150 Da <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikan kein „Staat“ i.S.d. Art. 1 WVRK ist und Art. 81 WVRK nur je<strong>de</strong>n „Staat“<br />
einlädt, Vert<strong>ra</strong>gspartei <strong>de</strong>s Übereinkommens zu wer<strong>de</strong>n, ist es <strong>de</strong>m Hl. Stuhl <strong>de</strong>finitiv nicht<br />
möglich, Vert<strong>ra</strong>gsstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> WVRK zu wer<strong>de</strong>n.<br />
1151 Hollerbach, Fn. 1125, S. 273 ff., 277; RGG/Weber, Fn. 1127, Sp. 1772 f.<br />
1152 Vgl. Scheuner, Kirchenverträge in ihrem Verhältnis zu Staatsgesetz und Staatsverfassung,<br />
in: Schriften zum Staatskirchenrecht, hrsg. von Listl, Berlin 1973, S. 355 ff., 369 f.<br />
1153 So zutreffend Scheuner, Fn. 1152, S. 369.
287<br />
b) Anpassungsverpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />
Der EuGH hat nunmehr anerkannt, daß umgekehrt auch für das sekundäre Gemeinschaftsrecht<br />
Anpassungserfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse an an<strong><strong>de</strong>r</strong>slauten<strong>de</strong>s Völkerrecht bestehen, da die Gemeinschaft ihre<br />
Befugnisse unter Beachtung <strong>de</strong>s Völkerrechts ausüben muß; 1154 allerdings gilt dies nur dort,<br />
wo das Völkerrecht als „integrieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Bestandteil <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts“ einen gemeinschaftsrechtlichen<br />
Rang zwischen Pr<strong>im</strong>ärrecht und Sekundärrecht erlangt hat, 1155<br />
was für<br />
Konkordate je<strong>de</strong>nfalls abzulehnen ist.<br />
Es bleibt zu hoffen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit sehr restriktiv gehandhabte<br />
Berufungsmöglichkeit einzelner auf völkerrechtliche Verträge, die <strong>im</strong> Gegensatz zum<br />
1156<br />
Gemeinschaftsrecht stehen, lockern wird.<br />
II. Abkommen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft mit Religionsgemeinschaften<br />
Gemäß Art. 281 (ex-Art. 210) EGV besitzt die EG – ebenso wie die EGKS gemäß<br />
Art. 6 Abs. 2 EGKSV o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Eu<strong>ra</strong>tom gemäß Art. 184 EAGV – eine eigene völkerrechtliche<br />
Rechtspersönlichkeit. 1157 Damit ist die EG Völkerrechtssubjekt und – beschränkt auf <strong>de</strong>n ihr<br />
übert<strong>ra</strong>genen Rechte- und Pflichtenkreis – zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge<br />
berechtigt, sofern dritte Staaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> internationale Völkerrechtssubjekte, mit <strong>de</strong>nen die<br />
Gemeinschaft Verträge abschließen will, diese als rechtsfähig anerkannt hat. 1158 Von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage <strong>de</strong>s Art. 300 (ex-Art. 228) Abs. 7 EGV abgeschlossene<br />
völkerrechtliche Verträge sind als „integrieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Bestandteil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaftsrechtsordnung“ einzustufen. 1159<br />
1154<br />
EuGH, Rs. C-162/96 (A. Racke GmbH & Co./Hauptzollamt Mainz), Slg. 1998,<br />
S. I-3655 ff., Rz. 45 ff. = EuZW 1998, S. 694 ff.; vgl. auch Robbers, Fn. 181, S. 97 f.<br />
1155<br />
Epiney, Fn. 800, S. 7, mit überzeugen<strong><strong>de</strong>r</strong> Argumentation.<br />
1156<br />
Vgl. nur EuGH, verb. Rs. 21-24/72 (International Fruit Company NV u.a./Produktschap<br />
voor groenten en fruit), Slg. 1972, S. 1219 ff., Rz. 27.<br />
1157<br />
Die EU dagegen besitzt keine völkerrechtliche o<strong><strong>de</strong>r</strong> privatrechtliche Rechtsfähigkeit.<br />
Rechtshandlungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> „Zweiten“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „dritten Säule“ wer<strong>de</strong>n daher <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten<br />
selbst zugerechnet, vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 66; an<strong><strong>de</strong>r</strong>s v.Bogdandy/<br />
Netteshe<strong>im</strong>, Die Verschmelzung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
<strong>Union</strong>, NJW 1995, S. 2324 ff., 2328.<br />
1158<br />
Vgl. Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Fn. 731, S. 529 f.<br />
1159<br />
EuGH, Rs. 181/73 (R. &. V. Haegeman/Belgischer Staat), Slg. 1974, S. 449 ff., LS. 1;<br />
Rs. 104/81 (Hauptzollamt Mainz/C.A. Kupferberg & Cie. KG a.A.), Slg. 1982, S. 3641 ff.,
288<br />
Als <strong><strong>de</strong>r</strong>artigen Vert<strong>ra</strong>g mit einem „Drittstaat“ könnte die EG grundsätzlich einen<br />
völkerrechtlichen Vert<strong>ra</strong>g bzw. ein Konkordat mit <strong>de</strong>m Hl. Stuhl abschließen, sofern man <strong>de</strong>n<br />
Begriff „Drittstaat“ erweiternd auslegt. 1160 Theoretisch wäre selbst <strong>de</strong>nkbar, daß die<br />
Gemeinschaft aus politischen Erwägungen he<strong>ra</strong>us <strong>im</strong> Falle eines solchen Vert<strong>ra</strong>gs mit <strong>de</strong>m Hl.<br />
Stuhl zusätzlich einen solchen mit <strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> „KEK-Kommission für Kirche und<br />
Gesellschaft“ zusammengeschlossenen Kirchen abzuschließen ge<strong>de</strong>nkt. Ob für diesen Fall<br />
aufgrund <strong>de</strong>s Gleichbehandlungsgrundsatzes auch mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Abschluß von religionsrechtlichen Verträgen – kompetenzrechtlich u.U. über Art. 308 (ex-<br />
Art. 235) EGV i.V.m. Art. 300 (ex-Art. 228) EGV – erfolgen muß, 1161 kann aufgrund <strong>de</strong>s<br />
unterschiedlichen Sachverhalts (Völkerrechtssubjektivität <strong>de</strong>s Hl. Stuhls gegenüber bloßer<br />
Kirchenkörperschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> übrigen Religionsgemeinschaften) pa<strong>ra</strong>llel zur F<strong>ra</strong>ge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Art. 307 (ex-Art. 234) EGV verneint wer<strong>de</strong>n. 1162<br />
Entschei<strong>de</strong>nd ist vor allem, daß sich die Gemeinschaft nur dort durch völkerrechtlichen<br />
Vert<strong>ra</strong>g bin<strong>de</strong>n kann, wo ihr eigene Kompetenzen seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten übert<strong>ra</strong>gen<br />
wur<strong>de</strong>n. Dabei sind jedoch nicht nur die ausdrücklichen Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs<br />
maßgeblich. In einem <strong><strong>de</strong>r</strong> frühen Gutachten hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH entschie<strong>de</strong>n:<br />
„Wenn die internen Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft erst anläßlich <strong>de</strong>s Abschlusses und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ink<strong>ra</strong>ftsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> völkerrechtlichen Vereinbarung ergriffen wer<strong>de</strong>n [...], dann ergibt sich die<br />
Befugnis, die Gemeinschaft gegenüber Drittstaaten zu verpflichten, <strong>de</strong>nnoch stillschweigend<br />
aus <strong>de</strong>n die interne Zuständigkeit begrün<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs, sofern die<br />
Beteiligung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft an <strong><strong>de</strong>r</strong> völkerrechtlichen Vereinbarung wie <strong>im</strong> vorliegen<strong>de</strong>n<br />
Fall notwendig ist, um eines <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zu erreichen.“ 1163<br />
Rz. 13; Rs. 12/86 (Meryem Demirel/Stadt Schwäbisch Gmünd), Slg. 1987, S. 3719 ff.,<br />
Rz. 7; Gutachten 1/91 (Europäischer Wirtschafts<strong>ra</strong>um I), Slg. 1991, S. I- 6079 ff., Rz. 39.<br />
1160<br />
Vgl. Puza, Kirche und Staat – Vert<strong>ra</strong>gliche Partnerschaft mit Zukunft, NVwZ 1995,<br />
S. 460 ff., 461; Streinz, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. (31) 1997, S. 96.<br />
1161<br />
So je<strong>de</strong>nfalls Bleckmann, in: Christoph, Fn. 139, S. 417; Robbers, Fn. 107, S. 360; <strong><strong>de</strong>r</strong>s.,<br />
Fn. 739, S. 331.<br />
1162<br />
Dieser tatsächlich bestehen<strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong> wird auch Tempel, Fn. 695, S. 18, gewahr.<br />
Schäfer, Fn. 1106, S. 14 f., gelangt ebenfalls zum Ergebnis, daß mangels Völkerrechtssubjektivität<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong><strong>de</strong>r</strong> Abschluß eines<br />
völkerrechtlichen Vert<strong>ra</strong>gs mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ausschei<strong>de</strong>t.<br />
1163<br />
EuGH, Gutachten 1/76 (Stillegungsfonds für die Binnenschiffahrt), Slg. 1977, S. 741 ff.,<br />
Rz. 4.
289<br />
Dieser sog. „Pa<strong>ra</strong>llelismus von Innen- und Außenkompetenz“ setzt für ein Tätigwer<strong>de</strong>n <strong>im</strong><br />
Außenverhältnis zwingend vo<strong>ra</strong>us, daß auch <strong>im</strong> Innenverhältnis eine entsprechen<strong>de</strong><br />
Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft besteht. 1164 Nach wie vor besteht – wie auch die Erklärung<br />
Nr. 11 <strong>de</strong>utlich macht – keine ausdrückliche Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft für das<br />
<strong>Religionsrecht</strong> als solches. Auch wenn Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft in einzelnen<br />
Teilbereichen, z.B. hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmerfreizügigkeit kirchlicher Mitarbeiter,<br />
existieren, steht dies m.E. einer vert<strong>ra</strong>glichen Regelung, die ausschließlich das <strong>Religionsrecht</strong><br />
zum Gegenstand hat, entgegen. 1165<br />
Überdies dürfte <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg über Art. 300 (ex-Art. 228) EGV für Kirchenverträge mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Religionsgemeinschaften mangels <strong><strong>de</strong>r</strong>en Völkerrechtssubjektivität ausschei<strong>de</strong>n.<br />
Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> fehlen<strong>de</strong>n religionsrechtlichen Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft könnten<br />
Konkordate o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenverträge allenfalls als sog. „gemischtes Abkommen“ ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n. In diesem Fall müßten neben <strong>de</strong>n Gemeinschaften auch alle Mitgliedstaaten das<br />
Abkommen mit <strong>de</strong>n Religionsgemeinschaften <strong>ra</strong>tifizieren. 1166<br />
Allerdings ist zweifelhaft, ob<br />
Mitgliedstaaten, die vom Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht innerstaatlich keinen Geb<strong>ra</strong>uch gemacht haben,<br />
hierzu bereit wären.<br />
Letztlich bestehen aber auch aus rechtspolitischen Erwägungen he<strong>ra</strong>us in mehrfacher Weise<br />
Be<strong>de</strong>nken am Abschluß von Konkordaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenverträgen durch die Gemeinschaft:<br />
Zum einen zeigt z.B. das <strong>Religionsrecht</strong> Österreichs, welche Schwierigkeiten es bereiten<br />
kann, wenn kaum allgemeine Regeln für alle Religionsgemeinschaften, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur spezielle<br />
Verträge mit einzelnen Religionsgemeinschaften bestehen. Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wäre die<br />
Begründung von vert<strong>ra</strong>glichem Son<strong><strong>de</strong>r</strong>recht nur mit einigen Religionsgemeinschaften,<br />
namentlich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Römisch-Katholischen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen Kirche, mit <strong>de</strong>m<br />
gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar, zumal die Gemeinschaft mehr<br />
noch als die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland <strong><strong>de</strong>r</strong> Parität, und dies nicht etwa in abgestufter<br />
1164 So auch Streinz, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. (31) 1997, S. 96.<br />
1165 Ähnlich Schäfer, Fn. 1106, S. 10; Tempel, Fn. 695, S. 18 f. Im übrigen hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die<br />
Vo<strong>ra</strong>ussetzungen, unter <strong>de</strong>nen er eine ungeschriebene Außenkompetenz anerkennt,<br />
mittlerweile eingeschränkt. So ist die <strong>im</strong>plizite Annexkompetenz <strong>im</strong> Regelfall aufgegeben<br />
wor<strong>de</strong>n. Soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g keine ausdrückliche Außenkompetenz vorsieht, ergibt sich<br />
eine Außenkompetenz nur dann, wenn die Gemeinschaft bereits von <strong><strong>de</strong>r</strong> Innenkompetenz<br />
Geb<strong>ra</strong>uch gemacht hat o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihr Geb<strong>ra</strong>uch aus sachlichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> rechtlichen Grün<strong>de</strong>n<br />
zwingend die Einbeziehung von Dritten erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, vgl. Geiger, Vert<strong>ra</strong>gsschlußkompetenzen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft und auswärtige Gewalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten – Zur neueren<br />
Rechtsprechung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gerichtshofs, JZ 1995, S. 973 ff., 980.<br />
1166 Vgl. zur Rechtsnatur <strong><strong>de</strong>r</strong> „gemischten Abkommen“ Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 670.
290<br />
Variation, verpflichtet ist. 1167 Ziel muß daher für alle Religionsgemeinschaften eine<br />
Ve<strong>ra</strong>nkerung religionsrechtlicher Positionen <strong>im</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gründungsverträge sein, anstatt<br />
sich über das Hintertürchen <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gsrechts privilegierte Rechtspositionen zu sichern. 1168<br />
Wie das <strong>Religionsrecht</strong> in Belgien ver<strong>de</strong>utlicht, ist es keineswegs zwingend, daß die Stellung<br />
einer Großkirche einer Festigung durch das Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht bedarf.<br />
III. Zusammenfassung<br />
Bei Konkordaten kann es sich um sog. Altverträge i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV<br />
han<strong>de</strong>ln, da diese allgemein als völkerrechtliche Verträge anerkannt wer<strong>de</strong>n. Auch Konkordate<br />
einzelner Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong>de</strong>m Hl. Stuhl können unter Art. 307 (ex-Art. 234) EGV<br />
fallen, da <strong>de</strong>n Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n insoweit über Art. 32 Abs. 3 GG eine eigene Abschlußkompetenz<br />
verliehen wur<strong>de</strong>. Kirchenverträge <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland mit <strong>de</strong>n Evangelischen<br />
Lan<strong>de</strong>skirchen sind mangels Völkerrechtsfähigkeit letzterer lediglich als nicht unter<br />
Art. 307 (ex-Art. 234) EGV fallen<strong>de</strong> öffentlich-rechtliche Verträge einzustufen. Gemäß<br />
Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV besteht für die Mitgliedstaaten für mit <strong>de</strong>m<br />
Gemeinschaftsrecht unvereinbare Altverträge eine Kündigungspflicht. Die Aufhebung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
konkordatären Vert<strong>ra</strong>gsbindung ist je<strong>de</strong>nfalls analog Art. 62 WVRK möglich.<br />
1167<br />
Renck, Fn. 1133, S. 938, weist da<strong>ra</strong>uf hin, daß das Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht oftmals<br />
prinzipienwidrige Durchbrechungen <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Bekenntnisneut<strong>ra</strong>lität beinhaltet.<br />
1168<br />
Ähnlich: Schmidtchen, Markt und Wettbewerb in Gottes Welt, FAZ vom 1.11.1997,<br />
Nr. 254, S. 17, Sp. 6.
J. Kirche als Teil <strong>de</strong>s Mitgliedstaats durch Verleihung <strong>de</strong>s<br />
Status einer K.d.ö.R.?<br />
291<br />
Im folgen<strong>de</strong>n soll <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge nachgegangen wer<strong>de</strong>n, inwieweit Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status als Teil eines Mitgliedstaats<br />
angesehen wer<strong>de</strong>n können und welche Folgen sich hie<strong>ra</strong>us <strong>im</strong> Hinblick auf eine Bindung an<br />
Gemeinschaftsgrundrechte und Richtlinienbest<strong>im</strong>mungen ergeben.<br />
I. Grundsatz: Grundrechtsbindung nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
be<strong>im</strong> Vollzug <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />
Die Gemeinschaftsorgane sind an die zum pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrecht gehören<strong>de</strong>n<br />
Gemeinschaftsgrundrechte gemäß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV in je<strong>de</strong>m Fall gebun<strong>de</strong>n. 1169<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als die Grundfreiheiten, welche sich unmittelbar an die Mitgliedstaaten wen<strong>de</strong>n, sind<br />
die Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht Adressaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsgrundrechte. Nationale<br />
Gerichte und Behör<strong>de</strong>n müssen die Gemeinschaftsgrundrechte und an<strong><strong>de</strong>r</strong>es Pr<strong>im</strong>ärrecht<br />
jedoch zum einen be<strong>im</strong> Vollzug <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts durch Richtlinien und<br />
Verordnungen beachten, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en dann, wenn sie sich auf Ausnahmeregelungen<br />
hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten berufen wollen. 1170<br />
Vor ihrer Umsetzung ins nationale Recht bin<strong>de</strong>n Richtlinien gemäß Art. 249 (ex-Art. 189)<br />
Abs. 3 EGV zwar die Mitgliedstaaten, grundsätzlich aber keine Privatpersonen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
juristische Personen <strong>de</strong>s Privatrechts.<br />
II. Ausnahme: Bindung auch Privater<br />
Eine Bindung Privater durch das Gemeinschaftsrecht kann jedoch grundsätzlich dort<br />
angenommen wer<strong>de</strong>n, wo dieses private Rechtssubjekte verpflichtet. Dies ist z.B. bei <strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />
1169 Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 486.<br />
1170 Vgl. hierzu die Ausführungen oben unter E.IV.1.a)cc)(2).
292<br />
Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV geregelten Arbeitnehmerfreizügigkeit in gleicher Weise <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Fall wie bei Art. 141 (ex-Art. 119) EGV. 1171<br />
Mittlerweile vertritt <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Auffassung, daß sich <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelne auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />
nicht nur gegenüber staatlichen Institutionen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong>im</strong> Verhältnis zu<br />
rechtlich autonomen Verbän<strong>de</strong>n berufen kann und begrün<strong>de</strong>t dies damit, daß Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse <strong>im</strong><br />
Hinblick auf die Freizügigkeit zwischen <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten nicht beseitigt wer<strong>de</strong>n könnten,<br />
wenn anstelle staatlicher Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse nunmehr solche autonomer, nicht <strong>de</strong>m öffentlichen<br />
Recht unterliegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigungen und Einrichtungen aufgerichtet wür<strong>de</strong>n. 1172 Zwar bedarf<br />
es weiterer Klärung, ob <strong>de</strong>n Grundfreiheiten <strong>im</strong> Verhältnis zu Privaten generell eine Art<br />
Drittwirkung zukommt. 1173 Kirchen und Religionsgemeinschaften, die kollektive Regelungen<br />
erlassen können, sind jedoch nach <strong><strong>de</strong>r</strong> eben zitierten Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH selbst dann an<br />
die Grundfreiheiten gebun<strong>de</strong>n, wenn sie nicht <strong>de</strong>n Status einer K.d.ö.R. besitzen, was zur<br />
Folge hat, daß sie z.B. bei Personaleinstellungen nicht willkürlich aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit<br />
diskr<strong>im</strong>inieren dürften. 1174<br />
Auch das Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen nach Art. 28 (ex-Art. 30) EGV<br />
richtet sich konsequenterweise nicht nur an die Mitgliedstaaten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch an Private,<br />
soweit diese kollektive Maßnahmen erlassen können. Aus diesem Grun<strong>de</strong> wäre z.B. ein<br />
religiös motivierter Boykottaufruf <strong>de</strong>s Inhalts, Bananen aus Unrechtsreg<strong>im</strong>en nicht zu kaufen,<br />
grundsätzlich als verbotene Maßnahme i.S.d. Art. 28 (ex-Art. 30) EGV zu beurteilen. 1175<br />
Allerdings fän<strong>de</strong> ein solcher Aufruf seine Rechtfertigung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit, was sich aus<br />
<strong>de</strong>m Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis <strong><strong>de</strong>r</strong> Beurteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten <strong>im</strong> Lichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Abwägung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Positionen zueinan<strong><strong>de</strong>r</strong> ergibt. 1176<br />
1171<br />
EuGH, Rs. 143/83 (Kommission/Dänemark), Slg. 1985, S. 427 ff., 433 ff.; Streinz, Fn. 453,<br />
Rdnr. 880; vgl. auch die Ausführungen unten K.I.2.a)bb).<br />
1172<br />
EuGH, Rs. C-415/93 (<strong>Union</strong> royale belge <strong>de</strong>s sociétés <strong>de</strong> football association ASBL/<br />
Bosman, Royal club liégeois SA/Bosman u.a.), Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rz. 82 f.<br />
1173<br />
Bejahend: v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Müller-G<strong>ra</strong>ff, Bd. 1, Art. 30, Rdnrn. 127 ff.;<br />
ablehnend: Obwexer, Fn. 554, S. 68, wonach die unmittelbare Drittwirkung i.R.d. Grundfreiheiten<br />
auf kollektive Regelungen Privater beschränkt sein soll.<br />
1174<br />
Vgl. EuGH, Rs. 34/79 (Henn u. Darby), Slg. 1979, S. 3795 ff., 3815; So auch Bleckmann,<br />
Fn. 310, S. 22; Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 319, S. 196.<br />
1175<br />
Beispiel bei Robbers, Fn. 181, S. 90.<br />
1176<br />
S.o. E.IV.2.b); a.A. Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 319, S. 195, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> konkreten Fall die Warenverkehrsfreiheit<br />
als höher<strong>ra</strong>ngig einstuft, weil hier Grundrechte zu wirtschaftlichen Zwecken <strong>de</strong>n<br />
Grundfreiheiten entgegengehalten wür<strong>de</strong>n.
III. Zwischenposition öffentlich-rechtlicher Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
1. Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus<br />
293<br />
Den Kirchen und Religionsgemeinschaften kommt in einigen Mitgliedstaaten eine Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung<br />
zu. In Deutschland und Österreich beispielsweise haben sie oftmals nicht nur eine<br />
Stellung wie ein Privater o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine sonstige juristische Person <strong>de</strong>s Privatrechts inne, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
genießen vielmehr <strong>de</strong>n Status einer K.d.ö.R. Hierunter versteht man eine Personenmehrheit,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> durch das öffentliche Recht Rechtspersönlichkeit und Rechtsfähigkeit zugesprochen<br />
wur<strong>de</strong>; als juristische Person kann die K.d.ö.R. <strong>de</strong>mnach Träger von Rechten und Pflichten<br />
sein, klagen und beklagt wer<strong>de</strong>n. 1177<br />
Mit <strong>de</strong>m Status einer K.d.ö.R. sind vor allem<br />
Rechtspositionen verbun<strong>de</strong>n, wie z.B. ein eigenes Rechtssetzungs-, Steuererhebungs-, Dienst-<br />
und Selbstverwaltungsrecht.<br />
2. Die <strong>de</strong>utsche Sichtweise<br />
In Deutschland wird überwiegend die Ansicht vertreten, daß es sich bei <strong>de</strong>n Kirchen nicht um<br />
mittelbare Staatsverwaltung han<strong>de</strong>le, wie dies sonst für Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen<br />
Rechts typisch ist. Kirchenkörperschaften seien daher nicht zwangsläufig inbegriffen, wenn in<br />
staatlichen Rechtsnormen von K.d.ö.R. die Re<strong>de</strong> sei. 1178<br />
Der Körperschaftsstatus für Kirchen<br />
und Religionsgemeinschaften legit<strong>im</strong>iert sich nach <strong>de</strong>utscher Sichtweise einerseits historisch,<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits durch das staatliche Interesse am religiös und weltanschaulich geprägten<br />
1177<br />
Vgl. nur Pieroth/Schlink, Fn. 876, Rdnr. 154; vgl. hinsichtlich <strong>de</strong>s Bestan<strong>de</strong>s einer K.d.ö.R.:<br />
Kunig/ Uerpmann, Zum Verlust <strong>de</strong>s Status einer Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts am<br />
Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> altkorporierten jüdischen Religionsgemeinschaft Adass Jisroël, DVBl. 1997,<br />
S. 248 ff.; Reupke, Die Religionskörperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts in <strong><strong>de</strong>r</strong> Wertordnung<br />
<strong>de</strong>s Grundgesetzes, KuR 210, S. 7 ff.<br />
1178<br />
Friesenhahn, Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen<br />
Rechts, in: Bayerisches Staatsministerium <strong><strong>de</strong>r</strong> Justiz (Hrsg.): Staat und Kirche. Refe<strong>ra</strong>te <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Tagung <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Richte<strong>ra</strong>ka<strong>de</strong>mie in Trier vom 6. bis 12. November 1983, S. 75 ff.,<br />
90. In Österreich dagegen wird vertreten, daß Kirchen und Religionsgemeinschaften grds.<br />
mitgemeint seien, wenn durch die staatliche Gesetzgebung Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen<br />
Rechts angesprochen seien, soweit die gesetzliche Formulierung diese nicht ausschließe,<br />
vgl. Potz, Fn. 206, S. 261.
294<br />
Menschen und an funktionsfähigen Religionsgemeinschaften. 1179 Durch diesen Status sollen<br />
die korporierten Religionsgemeinschaften jedoch nicht schon staatliche Aufgaben o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
staatliche Gewalt ausüben und von Gesetzes wegen einer beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Staatsaufsicht<br />
unterstehen, wie dies sonst zum Wesen öffentlich-rechtlicher Körperschaften gehöre; eine<br />
Einglie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung in <strong>de</strong>n Staat sei ebenfalls nicht anzunehmen. 1180<br />
Gleichwohl wird die Verleihung <strong>de</strong>s öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich<br />
angesichts <strong>de</strong>s schnell wachsen<strong>de</strong>n religiösen Marktes zu einer Art „staatlichem Gütesiegel“<br />
1181 entwickelt, entgegen <strong><strong>de</strong>r</strong> grundgesetzlich normierten Erteilungsvo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />
seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> obergerichtlichen Rechtsprechung zusätzlich an eine gewisse Staatsnähe als<br />
ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal gekoppelt. Dies wird damit begrün<strong>de</strong>t, daß es durch<br />
Verleihung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus zur – wenn auch begrenzten – Übert<strong>ra</strong>gung staatlicher<br />
Hoheitsgewalt komme. Aus diesem Grun<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Ant<strong>ra</strong>g <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeugen Jehovas auf<br />
Verleihung <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperschaftsrechte wegen mangeln<strong><strong>de</strong>r</strong> Nähe zum <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen Staat vom<br />
BVerwG abgelehnt, obwohl die Religionsgemeinschaft die geschriebenen drei Vo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />
<strong>de</strong>s Art. 140 i.V.m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV erfüllt. 1182<br />
1179<br />
Seifert/Hömig/Bergmann, GG, Art. 140, Rdnr. 12; Friesenhahn, Fn. 1178, S. 77. So lasse<br />
die Anerkennung die Wertschätzung <strong>de</strong>s Staates für die von ihm anerkannten Religionsgemeinschaften<br />
erkennen und hebe diese Gemeinschaften um ihrer beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Be<strong>de</strong>utung<br />
für die öffentliche Gesamtordnung willen gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gemeinschaften, auch <strong>de</strong>n<br />
privatrechtlichen Religionsgemeinschaften, hervor; vgl. BVerfGE 18, S. 385 ff., 387; 42,<br />
S. 312 ff., 333; 66, S. 1 ff., 20; BVerwG, NJW 1997, S. 2396 ff., 2397, vgl. an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits<br />
aber auch Schmidt-Eichstaedt, Kirchen als Körperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts?, Köln –<br />
Berlin – Bonn – München 1975, <strong><strong>de</strong>r</strong> einige Spannungsfel<strong><strong>de</strong>r</strong> zwischen öffentlich-rechtlichem<br />
Kirchenstatus und <strong>de</strong>m Neut<strong>ra</strong>litätsprinzip aufzeigt.<br />
1180<br />
Seifert/Hömig/Bergmann, GG, Art. 140, Rdnr. 12, unter Verweis auf BVerfGE 42,<br />
S. 312 ff., 332; 55, S. 230 f.; 66, S.19 f.; 70, S. 160 f., sowie BGHZ 12, 323; Bethge,<br />
Fn. 444, S. 78; Friesenhahn, Fn. 1178, S. 85, 89.<br />
1181<br />
Abel, Zeugen Jehovas keine Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts, NJW 1997, S. 2370.<br />
1182<br />
BVerwG, NJW 1997, S. 2396 ff.; vgl. hierzu Abel, Fn. 1181, S. 2370 ff.; Huster,<br />
Körperschaftsstatus unter Loyalitätsvorbehalt? JuS 1998, S. 117 ff.; Link, Zeugen Jehovas<br />
und Körperschaftsstatus, ZevKR 43 (1998), S. 1 ff.; Morlok/Heinig, Parität <strong>im</strong> Leistungsstaat<br />
– Körperschaftsstatus nur bei Staatsloyalität?, NVwZ 1999, S. 697 ff.; Pagels, Die<br />
Zuerkennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft an eine Religionsgemeinschaft<br />
– OVG Berlin, NVwZ 1996, 478, JuS 1996, S. 790 ff.; Tillmanns, Zur<br />
Verleihung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus an Religionsgemeinschaften, DÖV 1999, S. 441 ff. <strong>Das</strong><br />
BVerwG hatte entschie<strong>de</strong>n, daß eine Religionsgemeinschaft, die <strong>de</strong>m <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tisch<br />
verfaßten Staat nicht die für eine dauerhafte Zusammenarbeit unerläßliche Loyalität<br />
entgegenbringt (hier: Verbot <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> an Wahlen), keinen Anspruch
3. Die gemeinschaftsrechtliche Sichtweise<br />
295<br />
Zu klären ist jedoch, ob öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaften gemeinschaftsrechtlich<br />
aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> gewährten Hoheitsrechte als Mitadressaten von Richtlinienbest<strong>im</strong>mungen<br />
angesehen wer<strong>de</strong>n können, da eine Richtlinie nach Art. 249 (ex-Art. 189) Abs. 3 EGV „für<br />
je<strong>de</strong>n Mitgliedstaat, an <strong>de</strong>n sie gerichtet wird, hinsichtlich <strong>de</strong>s zu erreichen<strong>de</strong>n Ziels<br />
verbindlich“ ist. 1183 Immerhin hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH entschie<strong>de</strong>n, daß alle Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltung<br />
einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemein<strong>de</strong>n und <strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen Gebietskörperschaften verpflichtet sind,<br />
unbedingte und hinreichend konkrete Richtlinienbest<strong>im</strong>mungen – ebenso wie ein staatlicher<br />
Arbeitgeber, <strong><strong>de</strong>r</strong> insoweit nicht als Hoheitsträger auftritt 1184<br />
– anzuwen<strong>de</strong>n.<br />
Ein<strong>de</strong>utig zu bejahen ist die Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt durch die Kirchen und damit<br />
die Zuordnung zum Staat je<strong>de</strong>nfalls <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Kirchensteuereinzugs, zumal hier die<br />
steuerrechtlichen Zwangsmittel zum Einsatz gelangen können. 1185 Daher wird in diesem Fall<br />
für Kirchen und Religionsgemeinschaften regelmäßig eine Grundrechtsbindung sowie eine<br />
unmittelbare Wirkung von Richtlinien anzunehmen sein. 1186<br />
IV. Gewinnung eines Unterscheidungskriteriums anhand <strong><strong>de</strong>r</strong> Klagebefugnis?<br />
auf Anerkennung als K.d.ö.R. habe; sie nehme das „Koope<strong>ra</strong>tionsangebot <strong>de</strong>s Staates“ nicht<br />
an. Eine ähnliche Argumentation müßte man <strong>de</strong>mzufolge auch bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Scientology-<br />
Organisation zugrun<strong>de</strong>legen, da diese u.a. Plu<strong>ra</strong>lismus ablehnt, vgl. LG Bonn, NJW 1997,<br />
S. 2958 ff; an<strong><strong>de</strong>r</strong>s dagegen Zuck, Scientology – na und ?, NJW 1997, S. 697 ff., 698.<br />
Problematisch ist auch die Verleihung von Körperschaftsrechten an islamische Vereinigungen,<br />
vgl. hierzu Albrecht, Fn. 125, S. 1 ff.; Huster, a.a.O., S. 120, weist jedoch zu Recht<br />
da<strong>ra</strong>uf hin, daß die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland in <strong>de</strong>n Erteilungsvo<strong>ra</strong>ussetzungen an<br />
Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV gebun<strong>de</strong>n und darüber hinaus zu strikter<br />
Neut<strong>ra</strong>lität verpflichtet sei; diese Grun<strong>de</strong>ntscheidungen dürften nicht durch zusätzliches<br />
Hineinlesen weiterer Verfassungsvo<strong>ra</strong>ussetzungen unterlaufen wer<strong>de</strong>n, wolle man sich nicht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gefahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Beliebigkeit tagespolitischer Wertungen ausliefern.<br />
1183 Vgl. EuGH, Rs. 103/88 (F<strong>ra</strong>telli Costanzo SpA/Stadt Mailand), Slg. 1989, S. 1839 ff.,<br />
Rz. 28 ff.<br />
1184 EuGH, Rs. 152/84 (Marshall/Southampton and South-West Hampshire Area Health<br />
Authority), Slg. 1986, S. 723 ff., Rz. 49 ff.<br />
1185 So auch Bethge, Fn. 444, S. 79; Robbers, Fn. 181, S. 86.<br />
1186 Ebenso Bleckmann, Fn. 310, S. 24; zu ve<strong>ra</strong>llgemeinernd Rüfner, Fn. 448, S. 496 f.
296<br />
Soweit die Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status nicht<br />
offensichtlich Hoheitsgewalt ausüben, fällt die Einordnung vor allem <strong>de</strong>swegen schwerer,<br />
weil das Gemeinschaftsrecht diese Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung zwischen Staat und juristischer Person <strong>de</strong>s<br />
Privatrechts nicht explizit erwähnt. Aus diesem Grund wird z.B. bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Klagebefugnis i.R.d.<br />
Nichtigkeitsklage <strong>de</strong>s Art. 230 (ex-Art. 173) EGV nur differenziert zwischen <strong>de</strong>n in Abs. 2<br />
genannten privilegierten Klagebefugten, wie z.B. <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten selbst, und <strong>de</strong>n in<br />
Abs. 4 aufgeführten nicht-privilegierten Klagebefugten, zu <strong>de</strong>nen natürliche und juristische<br />
Personen zählen. Für die Untätigkeitsklage nach Art. 232 (ex-Art. 175) Abs. 1, 3 EGV gilt<br />
entsprechen<strong>de</strong>s.<br />
Die Nichterwähnung von Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem<br />
Status unter <strong>de</strong>n privilegierten Klagebefugten kann jedoch nicht als Argument dafür<br />
he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n, daß Kirchen an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als die Mitgliedstaaten zu behan<strong>de</strong>ln seien, mithin<br />
also nicht an Grundrechte gebun<strong>de</strong>n wären. Der EuGH hat <strong>im</strong> Rahmen einer Nichtigkeitsklage<br />
ausdrücklich entschie<strong>de</strong>n, daß auch eine Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts – es han<strong>de</strong>lte<br />
sich konkret um die autonome Region Wallonien – ebenfalls nur als juristische Person i.S.d.<br />
Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 4 EGV, nicht dagegen nach Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 2 EGV<br />
privilegiert klagebefugt ist, 1187 obwohl für öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften eine<br />
Grundrechtsbindung zweifelsohne besteht. 1188<br />
Anhand <strong><strong>de</strong>r</strong> Klagebefugnis läßt sich damit<br />
nicht ein<strong>de</strong>utig festmachen, ob sich Kirchenkörperschaften i.R.d. Richtlinienumsetzung<br />
gemeinschaftsrechtlich als Mitgliedstaaten behan<strong>de</strong>ln lassen müssen.<br />
V. Kirchen und Religionsgemeinschaften als Teil staatlicher Verwaltung?<br />
Gene<strong>ra</strong>lanwalt Walter van Gerven hatte in seinen Schlußanträgen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Foster ebenfalls<br />
hervorgehoben, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH nur eine Zweiteilung zwischen Mitgliedstaat und natürlichen<br />
bzw. juristischen Personen kenne und eine Dreiteilung i.S.d. Anerkennung einer dritten<br />
Zwischengruppe von Personen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Einrichtungen, unter welche z.B. staatliche Universitäten<br />
1187 EuGH, Verb. Rs. 62/87 und 72/87 (Wallon und Glaverbel/Kommission), Slg. 1988,<br />
S. 1573 ff. Allerdings ist insoweit anzumerken, daß die Bun<strong>de</strong>sregierung gemäß § 7 Abs. 1<br />
<strong>de</strong>s Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Angelegenheiten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> vom 12.3.1993, BGBl. 1993 I, S. 313 ff., auf Verlangen <strong>de</strong>s<br />
Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>tes grundsätzlich zur Klage verpflichtet ist, soweit ausschließliche Län<strong><strong>de</strong>r</strong>gesetzgebungsrechte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> betroffen sind, vgl. Schweitzer, Fn. 39, Rdnr. 393.<br />
1188 Vgl. nur EuGH, Rs. 152/84, Fn. 1184, Rz. 49 ff.
297<br />
und wohl auch öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaften zu subsumieren wären, nicht<br />
durchzuführen ist. 1189<br />
Entschei<strong>de</strong>nd ist daher, ob Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem<br />
Körperschaftsstatus gemeinschaftsrechtlich eher <strong>de</strong>m staatlichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber <strong>de</strong>m nichtstaatlichen<br />
Bereich zugeordnet wer<strong>de</strong>n müssen. In <strong><strong>de</strong>r</strong> soeben genannten Rechtssache<br />
entschied <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, daß selbst eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft bei Vorliegen<br />
gewisser Kriterien gemeinschaftsrechtlich als Teil <strong>de</strong>s Mitgliedstaats angesehen wer<strong>de</strong>n<br />
müsse:<br />
„Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage dieser Erwägungen hat <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof in einer Reihe von Rechtssachen<br />
anerkannt, daß sich die einzelnen auf unbedingte und hinreichend genaue Best<strong>im</strong>mungen einer<br />
Richtlinie gegenüber Organisationen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Einrichtungen berufen können, die <strong>de</strong>m Staat o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>de</strong>ssen Aufsicht unterstehen o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechten ausgestattet sind, die über<br />
diejenigen hinausgehen, die nach <strong>de</strong>n Vorschriften für die Beziehungen zwischen<br />
Privatpersonen gelten.“ 1190<br />
Die Rechtsform einer Einrichtung ist schon <strong>de</strong>swegen kein geeignetes Abgrenzungskriterium,<br />
da sogar eine privatrechtliche Organisation <strong>im</strong> Hinblick auf die Grundrechtsbindung u.U. als<br />
„Mitgliedstaat“ i.S.d. Art. 249 (ex-Art. 189) Abs. 3 EGV angesehen wer<strong>de</strong>n kann. 1191<br />
Nach<br />
Auffassung <strong>de</strong>s EuGH gilt daher eine Einrichtung als „Mitgliedstaat“ i.S.d. Gemeinschaftsrechts<br />
soweit es sich um<br />
- eine staatliche Einrichtung, d.h. eine Behör<strong>de</strong>,<br />
- eine Einrichtung unter staatlicher Aufsicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> um<br />
- eine gegenüber privatrechtlichen Organisationen privilegierte Einrichtung<br />
han<strong>de</strong>lt.<br />
Während bei Kirchen und Religionsgemeinschaften ein<strong>de</strong>utig die erstgenannte Gruppe ausschei<strong>de</strong>t,<br />
ist das Kriterium <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Kirchenaufsicht bei Staatskirchen <strong>im</strong> Regelfall<br />
erfüllt. Da jedoch die genannten Vo<strong>ra</strong>ussetzungen nicht kumulativ, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich<br />
alternativ vorliegen müssen, sind Kirchen und Religionsgemeinschaften schon dann gemeinschaftsrechtlich<br />
als Teil <strong>de</strong>s Mitgliedstaats anzusehen, soweit ihnen gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
privatrechtlichen Organisationen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Rechte eingeräumt wor<strong>de</strong>n sind. Durch die<br />
1189<br />
GA van Gerven, Rs. C-188/89 (Foster u.a./British Gas), Slg. 1990, S. I-3313 ff., 3332 f.,<br />
Rz. 10.<br />
1190<br />
EuGH, Rs. C-188/89 (Foster u.a./British Gas), Slg. 1990, S. I-3313 ff., 3348, Rz. 18.<br />
1191<br />
EuGH, Rs. C-188/89, Fn. 1190, Rz. 20.
298<br />
Verleihung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus wird Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Gegensatz<br />
zu privatrechtlichen Organisationen neben einem eigenen Satzungsrecht v.a. ein eigenes<br />
Besteuerungsrecht und ein eigenes Dienstrecht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung von<br />
Beamtenverhältnissen zugestan<strong>de</strong>n. Im einzelnen könnte hier auf die durch Konkordate und<br />
Kirchenverträge begrün<strong>de</strong>ten Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechte verwiesen wer<strong>de</strong>n. 1192<br />
Ebendiese Privilegien<br />
müssen bei konsequenter Anwendung <strong>de</strong>s EuGH-Urteils in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Foster <strong>im</strong> Anwendungsbereich<br />
<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zur Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften an<br />
Gemeinschaftsgrundrechte führen; eine Bindung an Richtlinien <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft tritt für<br />
Kirchenkörperschaften – wie für die Mitgliedstaaten selbst – schon vor <strong><strong>de</strong>r</strong>en Umsetzung ein.<br />
VI. Öffentliches Auft<strong>ra</strong>gswesen<br />
1. Gemeinschaftsrechtliche Definition eines öffentlichen Auft<strong>ra</strong>ggebers<br />
Im Gegensatz zur Bindung an das Gemeinschaftsrecht differenziert die gemeinschaftsrechtliche<br />
Gesetzgebung <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s öffentlichen Auft<strong>ra</strong>gswesens <strong>de</strong>nnoch<br />
zwischen Mitgliedstaat, Gebietskörperschaften und sonstigen Einrichtungen <strong>de</strong>s öffentlichen<br />
Rechts, wobei unter letztere u.U. die öffentlich-rechtlichen Kirchenkörperschaften subsumiert<br />
wer<strong>de</strong>n könnten.<br />
Der Begriff <strong>de</strong>s öffentlichen Auft<strong>ra</strong>ggebers 1193 , für <strong>de</strong>n ab einem best<strong>im</strong>mten<br />
Auft<strong>ra</strong>gsvolumen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e gemeinschaftsweite Ausschreibungspflichten bestehen, wird in<br />
Art. 1 lit. b <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 93/37/EWG 1194 – die Vorschrift ist gleichlautend mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 1 lit. b <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 92/50/EWG 1195<br />
– wie folgt <strong>de</strong>finiert:<br />
1192<br />
Vgl. hierzu <strong>de</strong>n Verweis oben Fn. 1128.<br />
1193<br />
Vgl. zu diesem Begriff EuGH, Rs. C-44/96 (Mannesmann Anlagenbau Austria AG<br />
u.a./Strohal Rotationsdruck GmbH) Slg. 1998, S. I-73 ff., 113 f., Rz. 20 ff. = NJW 1998,<br />
S. 3261 ff. = EuZW 1998, S. 120 ff.; Rs. C-360/96 (Gemeente Arnhem u. Gemeente<br />
Rhe<strong>de</strong>n/BFI Holding BV), Slg. 1998, S. I-6846 ff., Rz. 62 = EuZW 1999, S. 16 ff.;<br />
Rs. C-353/96 (Kommission/Irland), Slg. 1998, S. I-8580 ff., 8583, Rz. 6; 8592, Rz. 32.<br />
1194<br />
Richtlinie <strong>de</strong>s Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfahren zur Vergabe<br />
öffentlicher Bauaufträge, ABl. 1993, Nr. L 199, S. 54 ff.; abgedruckt bei Prieß, <strong>Das</strong><br />
öffentliche Auft<strong>ra</strong>gswesen in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Köln – Berlin – Bonn – München<br />
1994, Anhang 1, S. 163 ff. Zum 1.1.1999 ist in Deutschland das Vergaberechtsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungs-
299<br />
„Im Sinne dieser Richtlinie<br />
[...]<br />
b) gelten als öffentliche Auft<strong>ra</strong>ggeber: <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat, Gebietskörperschaften, Einrichtungen <strong>de</strong>s<br />
öffentlichen Rechts und Verbän<strong>de</strong>, die aus einer o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehreren dieser Körperschaften o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Einrichtungen bestehen. Als Einrichtung <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts gilt je<strong>de</strong> Einrichtung,<br />
- die zu <strong>de</strong>m beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Zweck gegrün<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, <strong>im</strong> Allgemeininteresse liegen<strong>de</strong><br />
Aufgaben zu erfüllen, die nicht gewerblicher Art sind, und<br />
- die Rechtspersönlichkeit besitzt und<br />
- die überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften o<strong><strong>de</strong>r</strong> von an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Einrichtungen<br />
<strong>de</strong>s öffentlichen Rechts finanziert wird o<strong><strong>de</strong>r</strong> die hinsichtlich ihrer Leitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufsicht<br />
durch letztere unterliegt o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>en Verwaltungs- Leitungs- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Aufsichtsorgan mehrheitlich<br />
aus Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n besteht, die vom Staat, <strong>de</strong>n Gebietskörperschaften o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Einrichtungen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts ernannt wor<strong>de</strong>n sind.<br />
Die Verzeichnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Einrichtungen und Kategorien <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts, die die in<br />
Unte<strong>ra</strong>bsatz 2 genannten Kriterien erfüllen, sind in Anhang I enthalten.“<br />
a) Erfüllung <strong>im</strong> Allgemeininteresse liegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgaben<br />
Unter die Definition <strong>de</strong>s „öffentlichen Auft<strong>ra</strong>ggebers“ könnten auch Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en Einrichtungen fallen, soweit sie <strong>im</strong> Allgemeininteresse<br />
liegen<strong>de</strong> Aufgaben erfüllen. Hierunter wer<strong>de</strong>n in erster Linie alle Tätigkeiten verstan<strong>de</strong>n, die<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Staat für seine Bürger erbringt o<strong><strong>de</strong>r</strong> erbringen läßt. 1196 Der Begriff <strong>de</strong>s „öffentlichen<br />
Auft<strong>ra</strong>ggebers“ ist jedoch nicht <strong>im</strong> organisationsrechtlichen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>im</strong> funktionellen Sinne<br />
zu verstehen. 1197<br />
Viele <strong><strong>de</strong>r</strong> von Kirchen und Religionsgemeinschaften versehenen Aufgaben stellen zugleich<br />
auch staatliche Aufgaben dar, die dieser häufig auf gemeindlicher Ebene wahrn<strong>im</strong>mt (vgl.<br />
Art. 83 BayVerf, Art. 57 Abs. 1 BayGO), z.B. die Schaffung von Einrichtungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wohlfahrtspflege, die Jugendfürsorge, die Ehe- und Mütterbe<strong>ra</strong>tung sowie die Erhaltung<br />
gesetz als 4. Teil <strong>de</strong>s GWB in K<strong>ra</strong>ft getreten, vgl. hierzu Prieß, <strong>Das</strong> Öffentliche Auft<strong>ra</strong>gswesen<br />
in <strong>de</strong>n Jahren 1997 und 1998, EuZW 1999, S. 196 ff.<br />
1195<br />
Richtlinie <strong>de</strong>s Rates vom 18. Juni 1992 über die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge,<br />
ABl. 1992, Nr. L 209, S. 1 ff.<br />
1196<br />
Vgl. Lampe-Helbig/Wörmann, Handbuch <strong><strong>de</strong>r</strong> Bauvergabe. Verfahren – Überprüfung –<br />
Scha<strong>de</strong>nsersatz, 2. Aufl., München 1995, Rdnr. 28.<br />
1197<br />
EuGH, Rs. C-360/96, Fn. 1193, Rz. 62.
300<br />
ortsgeschichtlicher Denkmäler und Bauten. 1198 Die von <strong><strong>de</strong>r</strong> CSU-Landtagsf<strong>ra</strong>ktion gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />
„allgemeine Solida<strong>ra</strong>bgabe“ für Nichtkirchenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> wird übrigens genau mit <strong>de</strong>m<br />
Argument begrün<strong>de</strong>t, daß die Kirchen infolge <strong><strong>de</strong>r</strong> vielen Kirchenaustritte <strong>im</strong>mer weniger Geld<br />
für ihre sozialen, kulturellen und erzieherischen Aufgaben hätten, welche sie <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft<br />
abnähmen. 1199<br />
Es muß davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, daß Kirchen und freie Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> <strong>im</strong><br />
Allgemeininteresse liegen<strong>de</strong> Aufgaben erfüllen, da dies <strong>im</strong>mer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> als<br />
Rechtfertigungsgrund für die Erteilung <strong>de</strong>s öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus bzw. die<br />
Staatsleistungen angeführt wird.<br />
b) Eigene Rechtspersönlichkeit<br />
Kirchenkörperschaften besitzen als juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts eine eigene<br />
Rechtspersönlichkeit und erfüllen damit auch die zweite Vo<strong>ra</strong>ussetzung eines „öffentlichen<br />
Auft<strong>ra</strong>ggebers“.<br />
c) Enge Anbindung an <strong>de</strong>n Staat<br />
Die Anbindung an <strong>de</strong>n Staat kann sich schließlich alternativ auf zwei verschie<strong>de</strong>ne Weisen<br />
dokumentieren:<br />
aa) Überwiegen<strong>de</strong> staatliche Zuwendungen<br />
Der Erhalt staatlicher Zuwendungen müßte für Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>de</strong>n<br />
überwiegen<strong>de</strong>n Teil ihrer Finanzierung ausmachen. Dies ist je<strong>de</strong>nfalls für Staatskirchen wie<br />
die Griechisch-Orthodoxe Kirche zu bejahen. Für die Kirchen in Deutschland dagegen bil<strong>de</strong>t<br />
die Haupteinnahmequelle nach wie vor die Kirchensteuer mit ca. ¾ <strong><strong>de</strong>r</strong> Einnahmen. 1200<br />
1198 Dies bejaht auch v. Campenhausen, Fn. 74, S. 412.<br />
1199 PNP Nr. 17 vom 22.01.1999, S. 7.<br />
1200 Vgl. Böttcher, Kirchensteuer – Fakten und Verpflichtungen. Am Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelisch-<br />
Lutherischen Kirche in Bayern, in: Fahr (Hrsg.), Fn. 118, S. 92, 94. Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n<br />
sonstigen Staatsleistungen kann man die Kirchensteuer nicht als eine solche ansehen, da es<br />
sich hier um einen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>beit<strong>ra</strong>g han<strong>de</strong>lt, <strong><strong>de</strong>r</strong> nur durch die staatlichen Finanzämter<br />
eingezogen wird. Allenfalls das Zurverfügungstellen <strong>de</strong>s staatlichen Finanzappa<strong>ra</strong>ts zum<br />
Kirchensteuereinzug ist als weitere staatliche Zuwendung anzusehen, vgl. hierzu die<br />
Ausführungen unten K.III.6.c)ee).
301<br />
bb) Staatsaufsicht<br />
Hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge einer Staatsaufsicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften wird<br />
man ebenfalls nach <strong>de</strong>n unterschiedlichen religionsrechtlichen Systemen, aber auch nach <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften innerhalb dieser<br />
Systeme unterschei<strong>de</strong>n müssen: Für Kirchen, die nicht Staatskirchen sind, z.B. für die<br />
<strong>de</strong>utschen Kirchen, fin<strong>de</strong>t eine für staatliche Einrichtungen typische Rechts- und Fachaufsicht<br />
(vgl. Art. 109 BayGO) grundsätzlich nicht statt. 1201<br />
Bei <strong>de</strong>n Staatskirchen ist das Kriterium<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsaufsicht hingegen erfüllt. Allerdings betrifft diese lediglich die offizielle<br />
Staatskirche eines Mitgliedstaats, nicht dagegen die übrigen Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen.<br />
2. Konstitutive Wirkung <strong>de</strong>s Anhangs I <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/37/EWG<br />
Allerdings scheint <strong>de</strong>m Anhang I <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/37/EWG, <strong><strong>de</strong>r</strong> gemäß Art. 35 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL<br />
93/37/EWG aufgrund von Mitteilungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten ständig zu aktualisieren ist, eine<br />
konstitutive Wirkung zuzukommen. Im Anhang I wer<strong>de</strong>n die öffentlichen Einrichtungen<br />
län<strong><strong>de</strong>r</strong>weise aufgeführt, wobei z.B. für Belgien unter Ziff. I. <strong>de</strong>s Anhangs I les fabriques<br />
d’église (Kirchenämter) aufgeführt wer<strong>de</strong>n. Da die Griechisch-Orthodoxe Kirche einer<br />
weitreichen<strong>de</strong>n staatlichen Kontrolle unterliegt, müßte sie sich gemäß Ziff. IV. <strong>de</strong>s Anhangs I<br />
ebenfalls an die Ausschreibungspflicht halten. Als <strong>de</strong>utsche Einrichtungen wer<strong>de</strong>n zwar die<br />
juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts, unter ihnen gemäß Ziff. III.1.1. <strong>de</strong>s Anhangs I<br />
auch Körperschaften, als ausschreibungspflichtig aufgeführt, wobei allerdings Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Gegensatz zu <strong>de</strong>n unter Ziff. III.1.2. <strong>de</strong>s Anhangs I benannten<br />
Kultur-, Wohlfahrts-, und Hilfsstiftungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n unter Ziff. III.2.1. <strong>de</strong>s Anhangs I<br />
aufgelisteten sozialen Einrichtungen, wie z.B. Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten, Erholungseinrichtungen und<br />
Altershe<strong>im</strong>en, keine ausdrückliche Erwähnung fin<strong>de</strong>n. Deutsche Kirchen unterliegen damit<br />
m.E. nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsweiten Ausschreibungspflicht von Großaufträgen, wie z.B. bei<br />
Kirchenbauten.<br />
1201 Die Kirchenkörperschaften <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht unterliegen in weiten Bereichen keiner<br />
Staatsaufsicht. Ausnahmen sind insoweit das Besteuerungsrecht sowie staatliche<br />
Einspruchsrechte gegen Kirchengesetze, vgl. hierzu Schmidt-Eichstaedt, Fn. 1179, S. 66.<br />
Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong>n als Ersatz für die Staatsaufsichtsregelungen in <strong>de</strong>n Konkordaten und<br />
Kirchenverträgen sog. „politische Klauseln“ abgeschlossen, die gewährleisten, daß nur<br />
verfassungstreue Amtsträger in höhere Stellungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Großkirchen gelangen, vgl. Schmidt-<br />
Eichstaedt, a.a.O., S. 80 f.
302<br />
VII. Zusammenfassung<br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Körperschaftsstatus nehmen<br />
– soweit sie nicht <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Kirchensteuereinzugs staatliche Hoheitsgewalt ausüben –<br />
eine Zwischenposition zwischen Privatpersonen und <strong>de</strong>m Staat ein. Gemeinschaftsrechtlich<br />
wird jedoch keine Dreiteilung innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten anerkannt, die für die genannten<br />
Institutionen Son<strong><strong>de</strong>r</strong>recht schaffen wür<strong>de</strong>. Vielmehr hat sich diejenige juristische Person als<br />
Teil <strong>de</strong>s Mitgliedstaats behan<strong>de</strong>ln zu lassen, die seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten mit beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Rechten ausgestattet ist, die über diejenigen hinausgehen, die zwischen Privatpersonen gelten.<br />
Aus diesem Grund wird man die öffentlich-rechtlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
in Deutschland hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Bindung an das Gemeinschaftsrecht als Teil <strong>de</strong>s Mitgliedstaats<br />
ansehen müssen. An<strong><strong>de</strong>r</strong>es gilt hingegen bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausschreibungspflicht von<br />
Großaufträgen <strong>im</strong> Bauwesen, da hier <strong>de</strong> lege lata eine enge Anbindung an <strong>de</strong>n Staat, z.B.<br />
durch Staatsaufsicht, gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t wird.
1. In Deutschland<br />
K. Einzelne Integ<strong>ra</strong>tionsbereiche<br />
I. Europäische Integ<strong>ra</strong>tion und kirchliches Arbeitsrecht<br />
303<br />
a) Individualarbeitsrecht<br />
Im Individualarbeitsrecht kommen in Deutschland die allgemeinen arbeitsrechtlichen<br />
Best<strong>im</strong>mungen zur Anwendung, wobei diese allerdings aufgrund von Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regeln, die<br />
aufgrund <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgesellschaften gemäß Art. 140 GG i.V.m.<br />
Art. 137 Abs. 3 WRV gelten, modifiziert wer<strong>de</strong>n. Demzufolge hat das BVerfG für kirchliche<br />
Mitarbeiter Loyalitätspflichten ihrem Dienstherrn gegenüber anerkannt und bei einem Verstoß<br />
hiergegen ein Kündigungsrecht <strong>de</strong>sselben als rechtens angesehen. 1202<br />
b) Kollektives Arbeitsrecht<br />
Die Mitwirkungsrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Arbeitnehmer wer<strong>de</strong>n aufgrund ihres Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts<br />
von <strong>de</strong>n Kirchen selbst festgelegt, da sich ein von Streik und Aussperrungen<br />
geprägtes Arbeitskampfsystem mit <strong>de</strong>m kirchlichen Selbstverständnis als „Dienstgemeinschaft“<br />
nur schwer vereinbaren ließe. Aus diesem Grund beschritten die Evangelischen<br />
Kirchen <strong>de</strong>n sog. Dritten Weg. Dieser sieht die Arbeitsrechtliche Kommission als ein<br />
paritätisch durch Vertreter <strong>de</strong>s Dienstgebers und kirchliche Mitarbeiter besetztes Gremium<br />
vor, <strong>de</strong>ssen Aufgabe es ist, an Stelle eines von Tarifpartnern ausgehan<strong>de</strong>lten Tarifvert<strong>ra</strong>gs<br />
Normen zur Regelung <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelarbeitsverhältnisse zu schaffen. <strong>Das</strong> Pendant auf katholischer<br />
Seite ist die Schaffung einer Kommission für <strong>de</strong>n diözesanen (Bistums-/Regional-KODA)<br />
bzw. überdiözesanen Bereich (Zent<strong>ra</strong>l-KODA).<br />
1202 BVerfGE 70, S. 138 ff., 165 f.; vgl. hierzu z.B. v. Campenhausen, Kirchliches Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />
und Arbeitsrecht, in: Faller/Kirchhof/Träger (Hrsg.), Ve<strong>ra</strong>ntwortlichkeit<br />
und Freiheit, FS Geiger, Tübingen 1989, S. 581 ff., S. 593 ff.; Rüthers, Wie kirchentreu<br />
müssen kirchliche Arbeitnehmer sein?, NJW 1986, S. 356 ff.
304<br />
§ 118 Abs. 2 BetrVG sowie § 1 Abs. 2 S. 2 MitbestG billigen diese kirchlichen Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitarbeitervertretungsordnungen 1203 ausdrücklich. 1204<br />
Hierin wird z.B. geregelt, ob<br />
und in welcher Weise kirchliche Arbeitnehmer in Angelegenheiten, die ihre Interessen<br />
berühren, mitwirken und mitbest<strong>im</strong>men können.<br />
2. Auf EU-Ebene<br />
Eine statistische Übersicht über die Bildungsstätten, Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten in kirchlicher Trägerschaft<br />
und sozialen Einrichtungen in Europa – K<strong>ra</strong>nkenhäuser und Polikliniken, Alten-, Pflege- und<br />
Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>teneinrichtungen sowie Be<strong>ra</strong>tungsstellen – hat Karin R<strong>im</strong>le aufgelistet. 1205<br />
Zwar<br />
besteht keine spezielle Regelungskompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft für das kirchliche<br />
Arbeitsrecht, <strong>im</strong>merhin aber eine generelle Kompetenz <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Arbeits- und<br />
Sozialrechts, welche unmittelbare Auswirkungen auf das kirchliche Arbeitsrecht hat.<br />
a) Individualarbeitsrecht<br />
aa) Freizügigkeit, Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV<br />
(1) Grundsatz<br />
1203 Auf katholischer Seite ist die Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) als Rahmenordnung,<br />
auf evangelischer Seite neben z.T. divergieren<strong>de</strong>n lan<strong>de</strong>seigenen Kirchengesetzen und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitarbeitervertretungsordnung (MVO) für das Diakonische Werk 1992 ein rechtsvereinheitlichen<strong>de</strong>s<br />
„Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen Kirche in<br />
Deutschland“ (Mitarbeitervertretungsgesetz – MVG) geschaffen wor<strong>de</strong>n, vgl. hierzu<br />
Richardi, Mitarbeitervertretungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen, in: Richardi/Wlotzke (Hrsg.), Fn. 260,<br />
§ 189, S. 1191 ff., Rdnrn. 12 ff., 40 ff.<br />
1204 Vgl. z.B. v. Campenhausen, Fn. 1202, S. 587 ff.; Richardi, Die Mitbest<strong>im</strong>mung bei<br />
Kündigungen <strong>im</strong> kirchlichen Arbeitsrecht, NZA 1998, S. 113 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Arbeitsrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirche – Staatliches Arbeitsrecht und kirchliches Dienstrecht, 2. Aufl., München 1992;<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>s., Arbeitsrechtsregelungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen, in: Richardi/Wlotzke (Hrsg.), Fn. 260,<br />
§ 188, Rdnrn. 9 ff., 16 ff.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., <strong>Das</strong> Arbeitsrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche: Die Rechtslage in<br />
Deutschland, in: Runggaldier/Schinkele (Hrsg.), Arbeitsrecht und Kirche – Zur arbeitsrechtlichen<br />
und sozialrechtlichen Stellung von Klerikern, Or<strong>de</strong>nsangehörigen und kirchlichen<br />
Mitarbeitern in Österreich, Wien – New York 1995, S. 281 ff., allerdings mit unzutreffen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
europarechtlicher Würdigung auf S. 299.<br />
1205 In: LThK Bd. 3, Stichwort: Europa, V.
305<br />
Kennzeichen eines Arbeitnehmers i.S.d. Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV ist, daß dieser für<br />
einen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Leistungen erbringt, dabei Weisungen untersteht und als Gegenleistung eine<br />
Vergütung erhält. 1206 Somit fin<strong>de</strong>n die Vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV grds.<br />
auf alle – selbst auf verbeamtete – kirchlichen Arbeitnehmer 1207 Anwendung, zumal <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gemeinschaftsrechtliche Arbeitnehmerbegriff 1208 weiter als <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utsche ist und neben<br />
Arbeitern und Angestellten auch Beamte umfaßt. 1209<br />
Da die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) EGV – wie alle an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Freizügigkeitsbest<strong>im</strong>mungen<br />
nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Übergangszeit auch – self-executing ist, d.h. wie eine<br />
Verordnung <strong>im</strong> innerstaatlichen Recht unmittelbar zur Anwendung gelangt, kann sich ein<br />
einzelner gegenüber <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten auf sie berufen, ohne daß es hierzu entsprechen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vorschriften <strong>de</strong>s sekundären Gemeinschaftsrechts bedürfte. 1210<br />
Überdies hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten eine unmittelbare Drittwirkung<br />
anerkannt, soweit Private autonome Regelungsbefugnisse gegenüber einzelnen besitzen. 1211<br />
1206 EuGH, Rs. 66/85 (Lawrie Blum/Land Ba<strong>de</strong>n-Württemberg), Slg. 1986, S. 2121 ff., Rz. 17;<br />
Rs. C-3/87 (The Queen/Ministry of Agriculture, Fisheries and Food, ex parte Agegate Ltd),<br />
Slg. 1989, S. 4459 ff., 4505, Rz. 35.<br />
1207 Vgl. hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Normen <strong>de</strong>s CIC/1983: Koizar, Erbringung „abhängiger Arbeit“ <strong>im</strong><br />
kanonischen Recht, in: Runggaldier/Schinkele (Hrsg.), Arbeitsrecht und Kirche – Zur<br />
arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Stellung von Klerikern, Or<strong>de</strong>nsangehörigen und<br />
kirchlichen Mitarbeitern in Österreich, Wien – New York 1995, S. 43 ff.<br />
1208 Der Begriff <strong>de</strong>s Arbeitnehmers ist vom EG-Recht, nicht vom nationalen Recht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten her zu best<strong>im</strong>men, vgl. EuGH, Rs. 75/63 (Unger/Bedrijfsvereniging voor<br />
<strong>de</strong>tailhan<strong>de</strong>l en ambachten), Slg. 1963, S. 379 ff., 395 ff. Aus diesem Grund sind<br />
beispielsweise die in Art. 7 Abs. 4 SGB IV genannten Kriterien, die zur Sozialversicherungspflicht<br />
scheinselbständiger Mitarbeiter führen, irrelevant. Der Begriff <strong>de</strong>s Arbeitnehmers<br />
nach Art. 39 (ex-Art. 48) EGV hat übrigens nicht nur arbeitsrechtliche, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
auch steuerrechtliche, sozialrechtliche und rentenversicherungsrechtliche Auswirkungen,<br />
vgl. Schweitzer, in: Ran<strong>de</strong>lzhofer u.a., Gedächtnisschrift für Eberhard G<strong>ra</strong>bitz, München<br />
1995, S. 747 ff., 750.<br />
1209 EuGH, Rs. 152/73 (Sotgiu/Deutsche Bun<strong>de</strong>spost), Slg. 1974, S. 153 ff., 163, Rz. 5.<br />
1210 EuGH, st. Rspr. seit Rs. 41/74 (van Duyn/Home Office), Slg. 1974, S. 1337 ff., 1347,<br />
Rz. 5/7; vgl. nur Rs. C-18/95 (T.C. Terhoeve/Inspecteur van <strong>de</strong> Belastingdienst Particulieren/On<strong><strong>de</strong>r</strong>nemingen<br />
buitenland), Urt. vom 26.1.1999, Tätigkeiten EuGH/EuG 2/99,<br />
S. 1 ff., 4; Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 1159.<br />
1211 EuGH, Rs. 36/74 (Wal<strong>ra</strong>ve u. Koch/Association <strong>Union</strong> Cycliste Internationale u.a.),<br />
Slg. 1974, S. 1405 ff.; Rs. C-415/93 (<strong>Union</strong> royale belge <strong>de</strong>s sociétés <strong>de</strong> football association
306<br />
Daher kann die Arbeitnehmerfreizügigkeit grundsätzlich auch nichtstaatliche Arbeitgeber,<br />
unter ihnen auch Kirchen und Religionsgemeinschaften als Dienstherren, bin<strong>de</strong>n.<br />
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 (ex-Art. 48) EGV ist nicht nur während <strong>de</strong>s<br />
jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses relevant, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n gilt schon <strong>im</strong> Rahmen seiner<br />
Anbahnung. Aus diesem Grun<strong>de</strong> darf <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugang von <strong>Union</strong>sbürgern zu einer Beschäftigung<br />
in einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaat nicht behin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n. Durch die Art. 3 und 4 <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
VO Nr. 1612/68 wird das Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot <strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 2 EGV, das<br />
die „Abschaffung je<strong><strong>de</strong>r</strong> auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit beruhen<strong>de</strong>n unterschiedlichen Behandlung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen“<br />
umfaßt, näher konkretisiert: Gemäß Art. 3 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO Nr. 1612/68 dürfen z.B. keine<br />
Rechts- und Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten angewandt wer<strong>de</strong>n, die das Stellenangebot<br />
und <strong>de</strong>n Zugang zur Beschäftigung durch ausländische <strong>Union</strong>sbürger einschränken.<br />
Art. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO 1612/68 verbietet die Anwendung von Auslän<strong><strong>de</strong>r</strong>quoten auf <strong>Union</strong>sbürger. 1212<br />
Für das <strong>Religionsrecht</strong> be<strong>de</strong>utet dies beispielsweise, daß sich ein <strong>Union</strong>sbürger eines an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Mitgliedstaats, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich als Lehrk<strong>ra</strong>ft in einer kirchlichen Bildungseinrichtung bewirbt, auf die<br />
gemeinschaftsrechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit ebenso berufen kann, wie eine<br />
Sozialarbeiterin aus einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaat, die sich für eine seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> Caritas<br />
ausgeschriebene Stelle interessiert.<br />
<strong>Das</strong> Gemeinschaftsrecht untersagt <strong>im</strong> Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) EGV nicht<br />
nur offene Diskr<strong>im</strong>inierungen, d.h. solche, in <strong>de</strong>nen die Ungleichbehandlung ausdrücklich<br />
aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit erfolgt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch versteckte o<strong><strong>de</strong>r</strong> mittelbare<br />
Diskr<strong>im</strong>inierungen. 1213<br />
Von einer solchen spricht man, wenn eine nationale Regelung zwar<br />
formal nicht auf das Kriterium <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit abstellt, und daher auf inländische<br />
gleichermaßen wie auf ausländische Arbeitnehmer anzuwen<strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>nnoch aber <strong>de</strong>n Zweck<br />
verfolgt, Angehörige an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Mitgliedstaaten vom Zugang zur angebotenen Stelle<br />
fernzuhalten, was sich darin äußert, daß von <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Regelung in ihrer konkreten<br />
Umsetzung prozentual sehr viel mehr ausländische als inländische Arbeitnehmer betroffen<br />
sind. <strong>Das</strong> Verbot mittelbarer Diskr<strong>im</strong>inierungen aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit wird in<br />
Art. 3 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO Nr. 1612/68 konkretisiert. Versteckte Diskr<strong>im</strong>inierungen sind nur dann<br />
ASBL/Bosman, Royal club liégeois SA/Bosman u.a.), Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rz. 82 f.;<br />
Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 804, 1057.<br />
1212<br />
Vgl. zu dieser Problematik EuGH, Rs. 36/74, Fn. 1211; Rs. 13/76 (Donà/Mantero),<br />
Slg. 1976, S. 1333; Rs. C-415/93, Fn. 1211.<br />
1213<br />
Vgl. z.B. EuGH, Rs. 152/73, Fn. 1209, S. 164, Rz. 11.; Rs. C-350/96 (Clean Car<br />
Autoservice GmbH/Lan<strong>de</strong>shauptmann von Wien), Slg. 1998, S. I-2521 ff.; 2546, Rz. 27;<br />
v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Wölker, Bd. 1, Art. 48, Rdnrn. 31 ff.
307<br />
zulässig, wenn sie aus objektiv-sachlichen Grün<strong>de</strong>n gerechtfertigt sind, 1214 wozu v.a.<br />
Sp<strong>ra</strong>chkenntnisse 1215 o<strong><strong>de</strong>r</strong> best<strong>im</strong>mte berufliche Fähigkeiten 1216 zählen. Hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichen Sp<strong>ra</strong>chkenntnisse – vgl. Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO 1612/68 – wird man<br />
verlangen müssen, daß diese für die Erfüllung <strong><strong>de</strong>r</strong> konkreten Tätigkeit tatsächlich erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich<br />
sind, wie dies bei Lehrern selbstre<strong>de</strong>nd <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist. 1217<br />
Die in <strong>de</strong>n Konkordaten und Kirchenverträgen enthaltenen Staatsangehörigkeitsklauseln 1218 –<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> z.B. auch § 5 Abs. 1 <strong>de</strong>s österreichischen RelUG, <strong><strong>de</strong>r</strong> das Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis <strong><strong>de</strong>r</strong> österreichischen<br />
Staatsbürgerschaft für die Bestellung zum Religionslehrer aufstellt 1219 – stehen als<br />
offene Diskr<strong>im</strong>inierungen in klarem Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, die es<br />
verbietet, einem <strong>Union</strong>sbürger eines an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaats eine Anstellung mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Begründung zu verwehren, er sei Auslän<strong><strong>de</strong>r</strong>. 1220<br />
(2) Ausnahmen<br />
(i) Keine Arbeitnehmereigenschaft<br />
Soweit es sich um eine rein ehrenamtliche Tätigkeit von kirchlichen Mitarbeitern han<strong>de</strong>lt, ist<br />
das Merkmal <strong><strong>de</strong>r</strong> „Vergütung als Gegenleistung“ und damit eine wichtige Vo<strong>ra</strong>ussetzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitnehmerschaft nicht erfüllt. 1221<br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften, in <strong>de</strong>nen<br />
Laiendienste nicht pekuniär entlohnt wer<strong>de</strong>n, sind insofern von <strong><strong>de</strong>r</strong> Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Freizügigkeitsregeln entbun<strong>de</strong>n.<br />
1214 EuGH, Rs. 1/78 (Kenny/Insu<strong>ra</strong>nce Officer), Slg. 1978, S. 1489 ff., 1498, Rz. 18 – 20.<br />
1215 EuGH, Rs. C-379/87 (Groener/Minister for Education and the City of Dublin Educational<br />
Committee), Slg. 1989, S. 3967 ff., 3994, Rz. 24.<br />
1216 EuGH, Rs. 149/79 (Kommission/Belgien), Slg. 1980, S. 3881 ff., 3901, Rz. 13.<br />
1217 EuGH, Rs. C-379/87, Fn. 1215, S. 3993, Rz. 20.<br />
1218 Vgl. nur Art. 14 Abs. 2 Nr. 1, 15 Abs. 2 Reichskonkordat; Art. 13 § 1 Bay. Konkordat vom<br />
29.3.1924; Art. 26 Bay. Vert<strong>ra</strong>g mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 15.11.1924;<br />
Art. VII Abs. 1 Bad. Konkordat vom 12.10.1932; Art. V Abs. 1 Bad. Kirchenvert<strong>ra</strong>g vom<br />
14.11.1932; Art. 9 Abs. 1 Preuß. Konkordat vom 14.6.1929; Art. 8 Abs. 1 Preuß. Kirchenvert<strong>ra</strong>g<br />
vom 11.5.1931, vgl. Robbers, Fn. 181, dort Fn. 21.<br />
1219 Vgl. hierzu Kalb, Fn. 393, S. 95.<br />
1220 EuGH, Rs. 149/79, Fn. 1216, S. 3901, Rz. 13; Schweitzer, Fn. 1208, S. 751.<br />
1221 Vgl. EuGH, Rs. C-159/90 (Society for the Protection of Unborn Children Ireland/Stephen<br />
Grogan), Slg. 1991, S. I-4685 ff., 4741, Rz. 31; in <strong>de</strong>m Urteil verneinte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bei<br />
unentgeltlicher Tätigkeit das Vorliegen einer gemeinschaftsrechtlichen Dienstleistung und<br />
damit <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts.
308<br />
(ii) Teilnahme am Wirtschaftsleben<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Donà hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH entschie<strong>de</strong>n, daß eine Teilnahme am Wirtschaftsleben i.S.d.<br />
Art. 2 (ex-Art. 2) EGV, und damit die Anwendbarkeit <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs, nur gegeben ist,<br />
soweit eine ausgeübte Tätigkeit zugleich eine entgeltliche Arbeits- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Dienstleistung<br />
darstellt. 1222<br />
Wür<strong>de</strong>n Mitarbeiter von Kirchen und Religionsgemeinschaften ausschließlich ehrenamtlich<br />
tätig, nähmen diese nicht am Wirtschaftsleben teil, was zur Folge hätte, daß die<br />
Grundfreiheiten <strong>im</strong> allgemeinen und die Arbeitnehmerfreizügigkeit <strong>im</strong> speziellen nicht zur<br />
Anwendung gelangten.<br />
Je<strong>de</strong> entgeltliche Tätigkeit <strong>im</strong> Wirtschaftsleben – mit Ausnahme von gewissen<br />
Beschäftigungen <strong>im</strong> Nuklearbereich 1223 – fällt dagegen unter die Freizügigkeitsregeln. 1224<br />
Maßgeblich ist hierfür allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses; unbeachtlich ist es<br />
beispielsweise, ob die Tätigkeit sportlichen, kulturellen o<strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Zwecken dient, die<br />
<strong>de</strong>m ersten Anschein nach <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s Wirtschaftslebens nicht unterzuordnen sind. 1225<br />
Der EuGH hat <strong>de</strong>mzufolge die Teilnahme am Wirtschaftsleben in mehreren Urteilen auch für<br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften bejaht. 1226 Immer dann, wenn Kirchen und religiöse<br />
Gemeinschaften Arbeitsverträge abschließen, liegt eine Tätigkeit „<strong>im</strong> Wirtschaftsleben“ vor,<br />
die unter Art. 39 (ex-Art. 48) EGV zu subsumieren ist. 1227<br />
Dies ist nicht nur konsequent für Arbeitnehmer außerhalb <strong>de</strong>s eigentlichen kirchlichen und<br />
religiösen Bereichs, z.B. reine Finanzunternehmen wie die Administ<strong>ra</strong>tionen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1222<br />
EuGH, Rs. 13/76 (Gaetano Donà/Mario Mantero), Slg. 1976, S. 1333 ff., 1340, Rz. 12/13.<br />
1223<br />
Vgl. die gemäß Art. 96 Abs. 2 EAGV a.F. erlassene Richtlinie vom 5. März 1962 über <strong>de</strong>n<br />
Zugang zu qualifizierten Beschäftigungen <strong>im</strong> Nuklearbereich, ABl. 1962, S. 1650.<br />
1224<br />
Ebenso Robbers, Fn. 442, S. 178 für <strong>de</strong>n Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> wirtschaftlichen Tätigkeit, in <strong>de</strong>n<br />
dieser auch die karitative Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen einbezieht.<br />
1225<br />
So auch Birk, Fn. 454, § 18, Rdnr. 94.<br />
1226<br />
EuGH, Rs. 41/74 (Yvonne van Duyn/Home Office), Slg. 1974, S. 1337 ff. (s.o. C.II.1);<br />
Rs. 300/84 (Van Roosmalen/Bedrijfsvereniging voor <strong>de</strong> Gezondheid), Slg. 1986, S. 3097 ff.<br />
(s.o. C.II.3), Rs. 196/87 (Steymann/Staatssecretaris van Justitie), Slg. 1988, S. 6159 ff. (s.o.<br />
C.II.4).<br />
1227<br />
Vgl. auch v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Wölker, Bd. 1, Vorbemerkung zu Art. 48 – 50,<br />
Rdnrn. 32 f.
309<br />
Vatikanbank 1228 , son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch für Mitarbeiter kirchlicher Stiftungen und<br />
Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>, da diese sämtliche Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>s Arbeitnehmerbegriffs erfüllen<br />
und daher je<strong>de</strong>nfalls am Wirtschaftsleben teilnehmen. 1229 Zwar liegen Triebfe<strong><strong>de</strong>r</strong> und<br />
Ursprung <strong><strong>de</strong>r</strong> Tätigkeit letztgenannter Einrichtungen oftmals in <strong><strong>de</strong>r</strong> p<strong>ra</strong>ktischen christlichen<br />
Nächstenliebe begrün<strong>de</strong>t. Soweit die einzelnen Mitarbeiter jedoch gegen Entgelt tätig wer<strong>de</strong>n,<br />
müssen sie sich – wie ihre säkularen Kollegen auch – als Arbeitnehmer einstufen lassen. 1230<br />
(iii) Der Vorbehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit, Art. 39 (ex-Art. 48)<br />
Abs. 3 EGV<br />
Die Vorschrift wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n EWG-Vert<strong>ra</strong>g eingefügt, um <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten zur Wahrung<br />
ihrer nationalen Interessen gewissermaßen ein „Sicherheitsventil“ 1231<br />
zu schaffen. Diesen<br />
wird also <strong>im</strong> Einzelfall die Möglichkeit eingeräumt, von einer an und für sich verbindlichen<br />
Gemeinschaftsrechtsregel abzuweichen. Während die „öffentliche Gesundheit“ zur<br />
Rechtfertigung nationaler Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelungen <strong>im</strong> Hinblick auf das <strong>Religionsrecht</strong> generell<br />
ausschei<strong>de</strong>t, könnte die „öffentliche Sicherheit“ <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Schutz religiöser<br />
Versammlungen v.a. unter freiem H<strong>im</strong>mel relevant wer<strong>de</strong>n; allerdings wird hierdurch in aller<br />
Regel die Freizügigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer i.S.d. Art. 39 (ex-Art. 48) EGV nicht berührt sein.<br />
1228 Im Jahre 1997 erzielte <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl selbst einen Gewinn von <strong>im</strong>merhin 10,85 Mio. US-$;<br />
vgl. Benz, Der Papst als Boß, RM Nr. 52 vom 25.12.1998, S. 13. Dieser ist nicht zu<br />
verwechseln mit <strong>de</strong>m Staat <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikanstadt“, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> gleichen Zeit<strong>ra</strong>um 21,4 Mio. US-$ an<br />
Gewinn verbuchte.<br />
1229 Dies ist auch in Deutschland gelten<strong>de</strong>s Recht: So hat das BVerwG in NJW 1998, S. 1166 ff.<br />
bestätigt, daß die Scientology-Organisation die han<strong>de</strong>lsrechtlichen Rechtsformen einhalten<br />
müsse, da sie einen Geschäftsbetrieb unterhalte; ebenso hat das OVG Bremen in NVwZ-RR<br />
1997, S. 408 ff., Scientology eine Gewinnerzielungsabsicht unterstellt und daher die Pflicht<br />
zur Vornahme einer Gewerbeanmeldung angenommen. In diesen bei<strong>de</strong>n Fällen war die<br />
Einordnung von Scientology als Wirtschaftsunternehmen unabhängig von <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge bejaht<br />
wor<strong>de</strong>n, ob diese nun eine Religionsgemeinschaft sei und ihr Tätigwer<strong>de</strong>n als<br />
Religionsausübung verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n müsse o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob dies nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall sei; vgl. Abel,<br />
Fn. 214, NJW 1999, S. 332. Blum, Fn. 814, S. 87, 89, will dagegen zwischen allgemeiner<br />
wirtschaftlicher Betätigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und „Religionsausübung in Form von p<strong>ra</strong>ktizierter<br />
Nächstenliebe“ unterschei<strong>de</strong>n, da es sich bei karitativen Einrichtungen um „Zuschußbetriebe“<br />
han<strong>de</strong>le. Soweit diese Zuschüsse jedoch überwiegend aus staatlicher Quelle<br />
fließen, erscheint eine Gleichstellung mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en wirtschaftlichen Unternehmen in<strong>de</strong>s<br />
gerechtfertigt.<br />
1230 So z.T. polemisch, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache selbst jedoch zutreffend: Neumann, Fn. 448, S. 56.<br />
1231 So v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Wölker, Bd. 1, Art. 48, Rdnr. 91.
310<br />
Hingegen bedarf <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „öffentlichen Ordnung“ einer näheren Erläuterung. Dieser<br />
orientiert sich nicht an <strong>de</strong>m <strong>im</strong> romanischen Rechtskreis geläufigen „ordre public-Vorbehalt“,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist gemeinschaftsrechtlich auszulegen. 1232 In <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 64/221 1233 sowie in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH 1234 wur<strong>de</strong> die „öffentliche Ordnung“ näher konkretisiert. Der<br />
Begriff ist eng zu verstehen 1235 und setzt je<strong>de</strong>nfalls vo<strong>ra</strong>us, daß neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Störung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
öffentlichen Ordnung, die schon mit je<strong><strong>de</strong>r</strong> Gesetzesverletzung gegeben ist, eine tatsächliche<br />
und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesellschaft<br />
berührt. 1236 Dabei ist ausnahmslos das persönliche Verhalten <strong><strong>de</strong>r</strong> in Bet<strong>ra</strong>cht kommen<strong>de</strong>n<br />
Einzelpersonen maßgeblich, vom Einzelfall losgelöste „gene<strong>ra</strong>lpräventive“ Erwägungen<br />
dürfen als Rechtfertigungsgrund einer nationalen Maßnahme nicht in Bet<strong>ra</strong>cht kommen. 1237<br />
(iv) Der Vorbehalt zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Verwaltung, Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV<br />
Grundsätzlich fin<strong>de</strong>n die Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts nicht nur auf private,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n gleichermaßen auch auf öffentliche Unternehmen Anwendung, wie es ausdrücklich in<br />
Art. 86 (ex-Art. 90) Abs. 1 EGV normiert ist. 1238<br />
Eine Durchbrechung <strong>de</strong>s Grundsatzes <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmerfreizügigkeit für Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status könnte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausnahmebest<strong>im</strong>mung<br />
<strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV zu sehen sein. Der EuGH hat jedoch entschie<strong>de</strong>n,<br />
daß Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV nur für klassisch-hoheitliche Tätigkeitsfel<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten, wie z.B. Militär, Justiz, Polizei, eingreifen kann. 1239<br />
Für sonstige öffentlichrechtliche<br />
Beschäftigungsverhältnisse gelangt Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV nicht zur<br />
1232<br />
Vgl. v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Wölker, Bd. 1, Art. 48, Rdnr. 93.<br />
1233<br />
RL 64/221/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Son<strong><strong>de</strong>r</strong>vorschriften<br />
für die Einreise und <strong>de</strong>n Aufenthalt von Auslän<strong><strong>de</strong>r</strong>n, soweit sie aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind, ABl. 1964, Nr. 56,<br />
S. 850 ff.<br />
1234<br />
EuGH, Rs. 41/74 (Yvonne van Duyn/Home Office), Slg. 1974, S. 1337 ff. (s.o. C.II.2);<br />
Rs. 67/74 (Bonsignore/Oberstadtdirektor <strong><strong>de</strong>r</strong> Stadt Köln), Slg. 1975, S. 297 ff.; Rs. 36/75<br />
(Roland Rutili/Minister <strong>de</strong>s Innern), Slg. 1975, S. 1219 ff.; Rs. 30/77 (Pierre Bouchereau),<br />
Slg. 1977, S. 1999 ff.; Verb. Rs. 115 u. 116/81 (Adoui u. Cornuaille/Belgischer Staat),<br />
Slg. 1982, S. 1665 ff.<br />
1235<br />
EuGH, Rs. 41/74, Fn. 1234 (s.o. C.II.2), Rz. 18/19; Rs. 36/75, Fn. 1234, Rz. 26/28.<br />
1236<br />
EuGH, Rs. 30/77, Fn. 1234, LS 4; Verb. Rs. 115 u. 116/81, Fn. 1234, Rz. 8.<br />
1237<br />
EuGH, Rs. 67/74, Fn. 1234, LS 2 u. 3; vgl. <strong>im</strong> übrigen die Ausführungen oben unter C.II.2.<br />
1238<br />
Vgl. hierzu Badu<strong>ra</strong>, Fn. 597, S. 298 f.<br />
1239<br />
EuGH, Rs. 149/79, Fn. 1216, S. 3900, Rz. 10 f.
311<br />
Anwendung. 1240 Entschei<strong>de</strong>nd ist somit allein eine funktionale Bet<strong>ra</strong>chtungsweise <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
speziellen Tätigkeit <strong>de</strong>s Arbeitnehmers. 1241<br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Rechtsstatus könnten sich<br />
nur dort auf die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV berufen, soweit sie<br />
1242<br />
hoheitliche Befugnisse <strong>de</strong>s Staates ausüben. Da die kirchlichen K.d.ö.R. <strong>de</strong>m Staat we<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
eingeglie<strong><strong>de</strong>r</strong>t noch einer staatlichen Kirchenhoheit unterworfen sind, 1243 muß die<br />
Anwendbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bereichsausnahme für <strong>de</strong>n kirchlichen Wirkungskreis in weitem Umfange<br />
ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n. 1244 Damit beinhaltet die bloße Existenz öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse<br />
für Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht die Möglichkeit, sich auf<br />
Art. 39 (ex-Art. 48) EGV zu berufen. 1245 Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> gebotenen funktionalen Bet<strong>ra</strong>chtungsweise<br />
können sich nur die Kirchensteuerstellen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen mit öffentlich-rechtlichem<br />
Körperschaftsstatus auf die Bereichsausnahme berufen, da diese bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung von<br />
Verwaltungszwang echte Hoheitsgewalt ausüben. 1246 Angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> gebotenen funktionalen<br />
Bet<strong>ra</strong>chtungsweise erscheint es dagegen angeb<strong>ra</strong>cht, die Anstalts- und Militärseelsorge nicht<br />
unter Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV zu subsumieren. 1247<br />
1240<br />
EuGH, Rs. 149/79, Fn. 1216, S. 3900, Rz. 19.<br />
1241<br />
Schweitzer, Fn. 1208, S. 753. Zur Konkretisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung hat die Kommission<br />
eine Mitteilung <strong>im</strong> Hinblick auf die Freizügigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer und <strong>de</strong>n Zugang zur<br />
Beschäftigung in <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Verwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten erlassen (ABl. 1988,<br />
Nr. C 72, S. 2 ff.). In ihr heißt es ausdrücklich: „Nach Ansicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission fallen<br />
aufgrund <strong>de</strong>s gegenwärtigen Stan<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s Gerichtshofs [...] unter die in<br />
Artikel 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegte Ausnahme: Die Streitkräfte; die Polizei und<br />
sonstige Ordnungskräfte; die Rechtspflege; die Steuerverwaltung und die Diplomatie.<br />
Außer<strong>de</strong>m gilt die Ausnahme für Stellen, die in die Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen<br />
Ministerien, <strong><strong>de</strong>r</strong> Regionalregierungen, <strong><strong>de</strong>r</strong> Gebietskörperschaften und sonstiger gleichgestellter<br />
Organe sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Zent<strong>ra</strong>lbanken fallen, sofern es sich um Personal han<strong>de</strong>lt, das<br />
Tätigkeiten <strong>im</strong> Zusammenhang mit hoheitlichen Befugnissen <strong>de</strong>s Staates o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer<br />
sonstigen juristischen Person <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts wie die Ausarbeitung von<br />
Rechtsakten, die Durchführung dieser Rechtsakte, die Überwachung ihrer Anwendung und<br />
die Beaufsichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> nachgeordneten Stellen ausübt.“<br />
1242<br />
Bleckmann, Fn. 484, 5. Aufl., Rdnr. 457; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., 6. Aufl., Rdnr. 759, ist hier nicht<br />
zuzust<strong>im</strong>men, da er – <strong>im</strong> Gegensatz zu seinen früheren Ausführungen, vgl. Fn. 310, S. 22 –<br />
nicht mehr zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausübung echter Hoheitsbefugnisse und bloßem öffentlichrechtlichen<br />
Körperschaftsstatus unterschei<strong>de</strong>t.<br />
1243<br />
So auch Hollerbach, Fn. 17, S. 278; vgl. hierzu die Ausführungen unten J.III.2.<br />
1244<br />
Ebenso Link, Fn. 100, S. 141.<br />
1245<br />
Ebenso Kalb, Fn. 393, S. 95.<br />
1246<br />
Vgl. insoweit zutreffend Bleckmann, Fn. 310, S. 22.<br />
1247<br />
A.A. Robbers, Fn. 341, S. 328.
312<br />
(v) Leitungsaufgaben innerhalb <strong>de</strong>s kirchlichen Dienstes i.e.S.<br />
F<strong>ra</strong>glich ist weiter, ob die kirchlichen Arbeitsverträge ausnahmslos <strong>de</strong>n<br />
Freizügigkeitsregelungen <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs zu unterstellen sind, d.h. unabhängig davon, ob sie<br />
zur Erfüllung geistlicher o<strong><strong>de</strong>r</strong> weltlicher Aufgaben abgeschlossen wur<strong>de</strong>n. Während sich<br />
Kirchen auf eine Ausnahme für Leitungs- und Be<strong>ra</strong>tungsaufgaben innerhalb <strong>de</strong>s eigentlichen<br />
kirchlichen Dienstes berufen, da das kultische und sak<strong>ra</strong>ment<strong>ra</strong>le Wirken je<strong>de</strong>nfalls zum<br />
Kernbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsausübung gehöre und insofern auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft eine strikte<br />
Neut<strong>ra</strong>lität abverlange, 1248 wird in <strong><strong>de</strong>r</strong> europarechtlichen Lite<strong>ra</strong>tur z.T. ohne nähere<br />
Begründung vertreten, daß eine solche Unterscheidung zwischen kirchlichen und sonstigen<br />
Arbeitgebern nicht durchzuführen sei. 1249<br />
Bei Subsumtion <strong><strong>de</strong>r</strong> Kriterien <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV und unter Berücksichtigung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH besteht jedoch kein Zweifel da<strong>ra</strong>n, daß es sich selbst bei<br />
geistlichen Wür<strong>de</strong>nträgern, wie z.B. bei Bischöfen, um Arbeitnehmer <strong>im</strong> gemeinschaftsrechtlichen<br />
Sinne han<strong>de</strong>ln muß, zumal auch diese für einen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en (die Kirche) Leistungen<br />
erbringen, hierbei – wie die Diskussion um einen Ausstieg aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Schwangerschaftsbe<strong>ra</strong>tung<br />
<strong>de</strong>utlich gezeigt hat 1250 – Weisungen (z.B. aus Rom) unterstehen und als Gegenleistung eine<br />
Vergütung erhalten. 1251 Auch wenn die Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften „nicht<br />
von dieser Welt“, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ethisch-mo<strong>ra</strong>lisch höherstehend als diejenigen vieler an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
Beschäftigungsverhältnisse sein mögen, so han<strong>de</strong>lt es sich <strong>de</strong>nnoch um solche. 1252<br />
Die Auffassung, eine Erstreckung <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeitsregeln auf öffentlich-rechtliche<br />
Kirchenkörperschaften sei vom EG-Vert<strong>ra</strong>g nicht vorgesehen, so daß eine Lücke vorliege, die<br />
nunmehr durch analoge Anwendung <strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV geschlossen wer<strong>de</strong>n<br />
ist angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> funktionalen Bet<strong>ra</strong>chtungsweise, die Lücken ausschließt, abzu-<br />
müsse, 1253<br />
1248<br />
Gemeinsame Stellungnahme, Fn. 510, S. 22.<br />
1249<br />
Vgl. v.d.Groeben/Thiesing/Ehlermann/Wölker, Bd. 1, Vorbemerkung zu Art. 48 – 50,<br />
Rdnr. 33.<br />
1250<br />
So wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Juni 1999 von <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bischofskonferenz – aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mißbilligung <strong>de</strong>s Vatikans <strong>im</strong> Januar 1999 – ausgehan<strong>de</strong>lte Kompromiß, wonach die von<br />
<strong>de</strong>n katholischen Be<strong>ra</strong>tungsstellen ausgestellten Be<strong>ra</strong>tungsscheine nicht zur Durchführung<br />
st<strong>ra</strong>ffreier Abtreibungen verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n können, durch eine neuerliche Erklärung <strong>de</strong>s<br />
Vatikans vom 16.9.1999 untersagt, vgl. PNP Nr. 218 vom 18.9.1999, S. 5.<br />
1251<br />
EuGH, Rs. 66/85, s.o. Fn. 1206 sowie Rs. 196/87, s.o. Fn. 1226.<br />
1252<br />
So <strong>im</strong> Ergebnis auch Link, Fn. 100, S. 140 f.; Robbers, Fn. 181, S. 89; Streinz, Fn. 77,<br />
S. 75 f.<br />
1253<br />
So Bleckmann, Fn. 133, S. 6.
313<br />
lehnen. Vielmehr sollen die Grundfreiheiten grds. in allen mitgliedstaatlichen Bereichen zur<br />
Anwendung gelangen, für die keine pr<strong>im</strong>ärrechtlichen Ausnahmebest<strong>im</strong>mungen vorgesehen<br />
sind. Außer<strong>de</strong>m wäre eine analoge Anwendung <strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV nur auf<br />
öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaften gleichheitswidrig gegenüber privatrechtlich<br />
organisierten Kirchen und Religionsgemeinschaften.<br />
(vi) Kirchliches Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />
Da Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV eine Ausnahme <strong>im</strong> wesentlichen nur für <strong>de</strong>n speziellen<br />
Bereich <strong>de</strong>s Kirchensteuerrechts schafft, käme grundsätzlich 1254<br />
Art. 39 (ex-Art. 48) EGV<br />
unmittelbar zur Anwendung, und zwar sowohl <strong>im</strong> allgemeinen kirchlichen Arbeits- und<br />
Dienstrecht als auch <strong>im</strong> innerkirchlichen Bereich.<br />
Daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
Gemeinschaftsgrundrechte als allgemeine Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts anerkennt,<br />
darf allerdings nicht vernachlässigt wer<strong>de</strong>n: Im Umfange <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsgemeinschaften nach <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen 1255 kann dieses<br />
die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV ausschließen. 1256<br />
bb) Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung von Mann und F<strong>ra</strong>u auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Lohngleichheit,<br />
Art. 141 (ex-Art. 119) EGV<br />
Art. 141 (ex-Art. 119) EGV, <strong><strong>de</strong>r</strong> vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Amsterdamer Regierungskonferenz lediglich F<strong>ra</strong>gen<br />
<strong>de</strong>s „gleichen Entgelts für Männer und F<strong>ra</strong>uen bei gleicher Arbeit“ regelte, besitzt unmittelbare<br />
Drittwirkung, was be<strong>de</strong>utet, daß Religionsgemeinschaften bzw. ihre Einrichtungen als<br />
private Arbeitgeber durch diese Vorschrift unmittelbar verpflichtet wer<strong>de</strong>n. 1257<br />
1254 Immerhin hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, Rs. C-55/95 (Gebhard/Consiglio <strong>de</strong>ll‘ Ordine <strong>de</strong>gli Avvocati e<br />
Procu<strong>ra</strong>tori di Milano), Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rz. 35, entschie<strong>de</strong>n, daß die zwingen<strong>de</strong>n<br />
Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse <strong>im</strong> Allgemeininteresse <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten über Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 3 u.<br />
Abs. 4 EGV hinaus Eingriffe in das Freizügigkeitsrecht erlauben.<br />
Infolge <strong>de</strong>s<br />
Vert<strong>ra</strong>gs von Amsterdam wur<strong>de</strong> Art. 141 EGV n.F. dahingehend geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t, daß ein gleiches<br />
Entgelt nicht nur bei „gleicher“, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch bei „gleichwertiger“ Arbeit gezahlt wer<strong>de</strong>n<br />
1255 S. hierzu die Ausführungen unten L.III.<br />
1256 So auch Hollerbach, Fn. 17, S. 277 f.; Robbers, Fn. 181, S. 90.<br />
1257 EuGH, Rs. 143/83 (Kommission/Dänemark), Slg. 1985, S. 427 ff., 433 ff.
314<br />
muß; 1258 <strong><strong>de</strong>r</strong> erweiterte Teil <strong>de</strong>s Art. 141 EGV n.F. ist somit ebenfalls unmittelbar<br />
anwendbar. 1259<br />
Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten berechtigt, nach Art. 141 Abs. 4 EGV n.F. zur vollen<br />
Gleichstellung von Männern und F<strong>ra</strong>uen <strong>im</strong> Arbeitsleben „spezifische Vergünstigungen“ von<br />
F<strong>ra</strong>uen beizubehalten o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu beschließen. Die Zulässigkeit positiver Diskr<strong>im</strong>inierungen von<br />
F<strong>ra</strong>uen 1260 in Bereichen, in <strong>de</strong>nen diese t<strong>ra</strong>ditionell unterrepräsentiert sind, wird damit als<br />
Antwort auf das Kalanke-Urteil <strong>de</strong>s EuGH 1261 nunmehr <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>ärrecht – und weitergehen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
als bisher in Art. 2 Abs. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 76/207/EWG 1262<br />
– anerkannt.<br />
Im Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Art. 141 (ex-Art. 119) EGV verbietet das Gemeinschaftsrecht<br />
ebenso wie bei Art. 39 (ex-Art. 48) EGV nicht nur offene Diskr<strong>im</strong>inierungen, d.h. solche, in<br />
<strong>de</strong>nen die Ungleichbehandlung ausdrücklich aufgrund <strong>de</strong>s Geschlechts erfolgt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch<br />
1258 Pr<strong>im</strong>ärrechtlich wird damit <strong><strong>de</strong>r</strong> seit langem bestehen<strong>de</strong>n sekundärrechtlichen Gleichstellung<br />
in Art. 1 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 75/117/EWG, ABl. 1975, Nr. L 45, S. 19 ff., abgedruckt in<br />
Sartorius II, Nr. 187, Rechnung get<strong>ra</strong>gen.<br />
1259 Ebenso Ukrow, Fn. 548, S. 150.<br />
1260 Zwar ist Art. 141 (ex-Art. 119) Abs. 4 EGV geschlechtsneut<strong>ra</strong>l („<strong>de</strong>s unterrepräsentierten<br />
Geschlechts“) abgefaßt; gemäß <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Erklärung Nr. 28 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte zum<br />
Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g sollen die Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten aber „in erster Linie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>uen <strong>im</strong> Arbeitsleben dienen“.<br />
1261 EuGH, Rs. C-450/93 (Eckhard Kalanke/Freie Hansestadt Bremen, unterstützt durch Heike<br />
Glißmann) Slg. 1995, S. I-3051 ff. = NJW 1995, S. 3109 = EuZW 1995, S. 762 m. Anm.<br />
Loritz; vgl. hierzu Vachek, Fn. 343, S. 410 ff. Suhr, Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung: Zur<br />
Vereinbarkeit von F<strong>ra</strong>uenquoten mit <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht, EuGRZ 1998, S. 121 ff.,<br />
geht schon auf die Rechtslage nach <strong>de</strong>m Urteil <strong>de</strong>s EuGH, Rs. C-409/95 (Hellmut<br />
Marschall/Land Nordrhein-Westfalen), Slg. 1997, S. I-6363 ff. = EuGRZ 1997, S. 563 ff. =<br />
EuR 1998, S. 199 ff., ein. Es muß davon ausgegangen wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> Urteil<br />
Marschall vom 11.11.1997 von seiner ursprünglichen Rechtsprechung, die noch <strong>de</strong>m<br />
Kalanke-Urteil sowie <strong>de</strong>n Schlußanträgen <strong>de</strong>s Gene<strong>ra</strong>lanwalts Jacobs in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Marschall,<br />
Slg. 1997, S. I-6365 ff., zugrun<strong>de</strong> lag, abgewichen ist, um einen künftigen Konflikt seiner<br />
Judikatur mit <strong>de</strong>n neuen Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 141 (ex-Art. 119) Abs. 4 EGV sowie Art. 3<br />
(ex-Art. 3) Abs. 2 EGV zu vermei<strong>de</strong>n, welche am 2.10.1997 – also kurz vor<br />
Urteilsverkündung – durch die Unterzeichnung <strong>de</strong>s Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>gs in <strong>de</strong>n<br />
EG-Vert<strong>ra</strong>g eingefügt wur<strong>de</strong>n. In diese Richtung auch Suhr, a.a.O., S. 121, 128.<br />
1262 S. sogleich unten Fn. 1266. Auch Art. 2 Abs. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG sollte <strong>de</strong> lege ferenda<br />
explizit Quotenregelungen mit Öffnungsklauseln vorsehen, vgl. die Initiative <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kommission, ABl. 1996, Nr. C 179, S. 8 ff.
315<br />
versteckte o<strong><strong>de</strong>r</strong> mittelbare Diskr<strong>im</strong>inierungen. 1263 Von letzterer spricht man, wenn eine<br />
nationale Regelung zwar formal neut<strong>ra</strong>l formuliert ist und daher auf Männer gleichermaßen<br />
wie auf F<strong>ra</strong>uen anzuwen<strong>de</strong>n ist, jedoch in <strong><strong>de</strong>r</strong> konkreten Umsetzung prozentual sehr viel mehr<br />
weibliche als männliche Arbeitnehmer betrifft. Versteckte Diskr<strong>im</strong>inierungen sind nur dann<br />
zulässig, wenn sie aus objektiven Grün<strong>de</strong>n, die nichts mit einer Diskr<strong>im</strong>inierung aufgrund <strong>de</strong>s<br />
Geschlechts zu tun haben, gerechtfertigt sind. 1264<br />
Durch <strong>de</strong>n Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g sind auch an an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Stelle <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs Neuerungen<br />
geschaffen wor<strong>de</strong>n, die zur Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichstellung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Geschlechter <strong>im</strong><br />
Arbeitsleben einen wesentlichen Beit<strong>ra</strong>g leisten sollen. 1265<br />
cc) Gleichbehandlungsrichtlinie<br />
Die RL 76/207/EWG vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung von<br />
Männern und F<strong>ra</strong>uen hinsichtlich <strong>de</strong>s Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsausbildung und<br />
zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen 1266 , die <strong>im</strong> Lichte <strong>de</strong>s<br />
höher<strong>ra</strong>ngigen Art. 141 Abs. 4 EGV n.F. auszulegen ist, erfaßt je<strong>de</strong><br />
Geschlechtsdiskr<strong>im</strong>inierung vor, während o<strong><strong>de</strong>r</strong> nach einem Arbeitsverhältnis. 1267<br />
Dabei stellt<br />
1263<br />
S.o. Fn. 1213.<br />
1264<br />
Z.B. EuGH, Rs. C-243/95 (Kathleen Hill u. Ann Stapleton/The Revenue Commissioners u.<br />
Department of Finance), Slg. 1998, S. I-3739 ff.; s. auch Hirsch, Fn. 92, S. 16.<br />
1265<br />
So wur<strong>de</strong> in Art. 2 (ex-Art. 2) EGV die Gleichstellung von Männern und F<strong>ra</strong>uen als<br />
Zielbest<strong>im</strong>mung aufgenommen. Im Anschluß an <strong>de</strong>n Aufgabenkatalog <strong>de</strong>s Art. 3 (ex-Art. 3)<br />
EGV wur<strong>de</strong> ein neuer Absatz 2 als sog. Querschnittsklausel eingefügt, wonach die<br />
Gemeinschaft bei allen in Abs. 1 genannten Tätigkeiten da<strong>ra</strong>uf hinwirken soll,<br />
Ungleichbehandlungen zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und F<strong>ra</strong>uen zu<br />
för<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Schließlich ist Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV zu erwähnen, wonach <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat einst<strong>im</strong>mig<br />
Vorkehrungen treffen kann, um Diskr<strong>im</strong>inierungen aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Geschlechts zu<br />
bekämpfen.<br />
1266<br />
ABl. 1976, Nr. L 39, S. 40 ff.<br />
1267<br />
Vgl. Reich, Anmerkung zum Urteil <strong>de</strong>s EuGH, Rs. C-185/97 (Belinda Jane Coote/G<strong>ra</strong>nada<br />
Hospitality Ltd), Slg. 1998, S. I-5199 ff. = EuZW 1999, S. 43 ff., 45. In Rs. C-185/97,<br />
a.a.O., S. I-5220, Rz. 22, stellte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH klar, daß die Mitgliedstaaten eine effektive<br />
gerichtliche Kontrolle zur Einhaltung <strong>de</strong>s Grundsatzes <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung auch für<br />
nachvert<strong>ra</strong>gliche arbeitsrechtliche Verpflichtungen (Zeugniserteilung) sicherzustellen<br />
haben.
316<br />
Art. 2 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG ebenso wie Art. 141 EGV n.F. einen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Anwendungsbereich<br />
<strong>de</strong>s Gleichheitsgrundsatzes dar. 1268<br />
Da Richtlinien <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung gleicher rechtlicher Verhältnisse in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten durch<br />
Rechtsangleichung dienen, sind sie – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als pr<strong>im</strong>ärrechtliche Diskr<strong>im</strong>inierungs- und<br />
Beschränkungsverbote, die einen grenzüberschreiten<strong>de</strong>n Bezug vo<strong>ra</strong>ussetzen – auch auf rein<br />
innerstaatliche Sachverhalte anwendbar, besitzen also nach ihrer Umsetzung unmittelbare<br />
Drittwirkung. Dies ergibt sich schon aus Art. 1 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG, wonach es<br />
erklärtes Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> besagten Richtlinie ist, in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong>de</strong>n Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung<br />
von Männern und F<strong>ra</strong>uen zu verwirklichen.<br />
Der Gleichheitsgrundsatz nach Art. 2 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG steht <strong>im</strong> Gegensatz zur<br />
Theologie und P<strong>ra</strong>xis vieler Glaubensgemeinschaften, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e zur Position <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-<br />
Kath. Kirche, die <strong>de</strong>n Zugang zum Priesterdienst und zu allen nachfolgen<strong>de</strong>n höheren<br />
geistlichen Ämtern – mit Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Äbtissin – an die Priesterweihe knüpft, welche<br />
ausnahmslos <strong>de</strong>m männlichen Geschlecht vorbehalten ist.<br />
Zwar gewährt Art. 2 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten die Befugnis, solche<br />
beruflichen Tätigkeiten vom Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie auszunehmen, „für die das<br />
Geschlecht auf Grund ihrer Art o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Bedingungen ihrer Ausübung eine unabdingbare<br />
Vo<strong>ra</strong>ussetzung darstellt“. <strong>Das</strong> Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis einer männlichen Priesterschaft erscheint – sieht<br />
man einmal von einer eventuellen theologischen Notwendigkeit ab – allerdings um so weniger<br />
unabdingbare Vo<strong>ra</strong>ussetzung <strong>de</strong>s kirchlichen Dienstes, je mehr Religionsgemeinschaften eine<br />
Ordination von Pastorinnen o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar Bischöfinnen gestatten. 1269<br />
1268 EuGH, Rs. C-13/94 (P/S u. Cornwall County Council), Slg. 1996, S. I-2143 ff., 2165,<br />
Rz. 18 f. = EuZW 1996, S. 398 f.: „Die Richtlinie ist somit nur eine Ausprägung <strong>de</strong>s<br />
Gleichheitssatzes, <strong><strong>de</strong>r</strong> eines <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundprinzipien <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts darstellt, in <strong>de</strong>m<br />
betreffen<strong>de</strong>n Bereich. Wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof außer<strong>de</strong>m bereits wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt festgestellt hat,<br />
stellt das Recht, nicht aufgrund <strong>de</strong>s Geschlechts diskr<strong>im</strong>iniert zu wer<strong>de</strong>n, eines <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Grundrechte <strong>de</strong>s Menschen dar, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Einhaltung er zu sichern hat (vgl. EuGH, Slg. 1978,<br />
1365, Rz. 26 u. 27 – Defrenne; EuGH, Slg. 1984, 1509, Rz. 16 – Razzouk u.<br />
Beydoun/Kommission).“ In <strong><strong>de</strong>r</strong> soeben zitierten Entscheidung hielt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof selbst<br />
die Entlassung einer t<strong>ra</strong>nssexuellen Person aus einem mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Umwandlung ihres<br />
Geschlechts zusammenhängen<strong>de</strong>n Grund für unvereinbar mit <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG.<br />
1269 A.A. Robbers, Fn. 341, S. 329, <strong><strong>de</strong>r</strong> die Ausnahmebest<strong>im</strong>mung nach Art. 2 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL als<br />
erfüllt ansieht. Über die Anerkennung eines kirchlichen Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts können<br />
m.E. ebenso, aber dogmatisch sauberer, die gleichen Freiräume für Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
erreicht wer<strong>de</strong>n.
317<br />
Daß eine Richtlinienbest<strong>im</strong>mung wie Art. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG genauso leicht geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n kann, wie sie gesetzt wur<strong>de</strong>, 1270<br />
mag theoretisch zutreffend sein, entspricht jedoch<br />
nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Neuerungen <strong>de</strong>s Art. 141 EGV n.F. sowie<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 2 (ex-Art. 2) EGV, Art. 3 Abs. 2 EGV n.F. durch <strong>de</strong>n Amsterdamer<br />
Vert<strong>ra</strong>g wur<strong>de</strong> pr<strong>im</strong>ärrechtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> mit Erlaß <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG eingeschlagene Weg<br />
nochmals bekräftigt und forciert. Nunmehr gilt erst recht, daß Art. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG als<br />
Sekundärrechtsakt gelten<strong>de</strong>m Pr<strong>im</strong>ärrecht nicht wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen darf.<br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften muß jedoch aufgrund eines auch i.R.d. Gemeinschaftsrechts<br />
anzuerkennen<strong>de</strong>n Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts in eigenen Angelegenheiten 1271 die<br />
Möglichkeit eröffnet sein, sich insoweit auf eine ungeschriebene, höher<strong>ra</strong>ngige Ausnahme von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG zu berufen. Ohne die Anerkennung eines solchen<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts müßte bei besserer Qualifikation einer F<strong>ra</strong>u nach strikter<br />
Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG eine F<strong>ra</strong>uenordination erfolgen, selbst wenn eine solche<br />
nach <strong>de</strong>m theologischen Selbstverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong>n Religionsgemeinschaft überhaupt<br />
nicht vorgesehen ist. 1272 Kirchlicherseits wäre es nämlich nicht möglich, eine bessere<br />
Qualifikation von F<strong>ra</strong>uen zur Ausübung <strong>de</strong>s Priesterberufs von vornherein dadurch zu<br />
konterkarieren, in<strong>de</strong>m diesen die Möglichkeit zur Erlangung einer adäquaten Ausbildung –<br />
z.B. am Priesterseminar – verweigert wür<strong>de</strong>; <strong><strong>de</strong>r</strong> gleiche Zugang zur Beschäftigung umfaßt<br />
schon <strong>de</strong>n gleichen Zugang zur Ausbildung. 1273<br />
Im Falle genereller Nichtberücksichtigung<br />
weiblicher Bewerberinnen müßte – selbst für <strong>de</strong>n Fall, daß sie auch bei unterlassener<br />
Diskr<strong>im</strong>inierung eine Stelle als Priesterin nicht erhalten hätten – an diese sogar ein<br />
1270<br />
Joseph H. Kaiser, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 106.<br />
1271<br />
Zum Umfang s.u. L.III.<br />
1272<br />
Rüfner, Fn. 448, S. 488, spricht sarkastisch von <strong><strong>de</strong>r</strong> „katholischen Priesterin k<strong>ra</strong>ft<br />
europäischen Rechts“. Hingegen überzeugt sein Ansatz, ein gemeinschaftsrechtliches<br />
Verbot solcher Maßnahmen über Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 1 EGV zu konstruieren, nicht<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s, zumal er auf S. 492 <strong>im</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch hierzu ausführt, daß das Gemeinschaftsrecht<br />
zwar einige Kompetenzen <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur besitze, nicht jedoch <strong>im</strong><br />
Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen.<br />
1273<br />
Die in Dänemark vom Minister für Kirchenangelegenheiten <strong>im</strong> Einvernehmen mit <strong>de</strong>m<br />
Folketing erlassene Ausnahmevorschrift, die es allen Religionsgemeinschaften ermöglicht,<br />
weiterhin nur männliche Priester einzusetzen, vgl. Schäfer, Fn. 1106, S. 83, wäre daher<br />
grds. wegen Verstoßes gegen <strong>de</strong>n höher<strong>ra</strong>ngigen Art. 2 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 76/207/EWG<br />
unwirksam, soweit nicht auf Gemeinschaftsrechtsebene durch die Anerkennung eines<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften die Möglichkeit zur<br />
Aufrechterhaltung dieser geschlechtsspezifischen Unterscheidung bestün<strong>de</strong>.
318<br />
Scha<strong>de</strong>nsersatz von max<strong>im</strong>al drei Monatsgehältern geleistet wer<strong>de</strong>n, 1274<br />
soweit ein kirchliches<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht nicht bestün<strong>de</strong>.<br />
Der EuGH hat in<strong>de</strong>s eine weitere Ausnahme vom Gleichheitsgrundsatz <strong>de</strong>s Art. 2 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
RL 76/207/EWG dann anerkannt, wenn es gegen die Mo<strong>ra</strong>l einer gewachsenen Gesellschaft<br />
verstieße, geschlechtsspezifische Unterscheidungen zu unterbin<strong>de</strong>n. 1275<br />
Ob diese Grundsätze,<br />
die angesichts <strong>de</strong>s Berufsbil<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Hebamme entwickelt wur<strong>de</strong>n, hier Anwendung fin<strong>de</strong>n,<br />
erscheint angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> freiwilligen F<strong>ra</strong>uenordination, die bei vielen Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften in <strong>de</strong>n letzten Jahren Einzug gehalten hat, wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um f<strong>ra</strong>glich.<br />
Jedoch gelangt man über die Anerkennung eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts für Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften zu <strong>de</strong>m zutreffen<strong>de</strong>n Ergebnis, daß diese Institutionen hierfür selbst<br />
die notwendigen Vo<strong>ra</strong>ussetzungen schaffen müssen und keine Oktroyierung von außen<br />
erfolgen darf.<br />
dd) Zusammenfassung<br />
Unter <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff fallen auch kirchliche Mitarbeiter,<br />
soweit sie nicht ehrenamtlich tätig sind. Aus diesem Grun<strong>de</strong> können sie sich gegenüber <strong>de</strong>n<br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften auch auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit,<br />
Art. 39 (ex-Art. 48) ff. EGV, berufen, zumal diesen Best<strong>im</strong>mungen unmittelbare Drittwirkung<br />
zukommt, da die genannten Institutionen autonome Regelungsbefugnisse besitzen.<br />
Staatsangehörigkeitsklauseln in Konkordaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenverträgen stehen daher <strong>im</strong><br />
Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zum Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit. Auch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gleichheitsgrundsatz zwischen Mann und F<strong>ra</strong>u wäre von <strong>de</strong>n Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften eigentlich innerhalb <strong>de</strong>s kirchlichen Dienstes zu beachten.<br />
Allerdings kommt hier das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht in eigenen Angelegenheiten zum T<strong>ra</strong>gen.<br />
aa) Europäischer Betriebs<strong>ra</strong>t<br />
b) Kollektives Arbeitsrecht<br />
1274 So EuGH, Rs. C-180/95 (D<strong>ra</strong>ehmpaehl/U<strong>ra</strong>nia), Slg. 1997, S. I-2195 ff., 2224, Rz. 37 =<br />
EuZW 1997, S. 340 ff. = NZA 1997, S. 645 ff. = NJW 1997, S. 1839 ff.; vgl. hierzu Abele,<br />
Scha<strong>de</strong>nsersatz wegen geschlechtsbezogener Diskr<strong>im</strong>inierung eines Stellenbewerbers,<br />
NZA 1997, S. 641 ff.; Worzalla, Die Haftung <strong>de</strong>s Arbeitgebers wegen geschlechtsspezifischer<br />
Diskr<strong>im</strong>inierung bei Einstellung nach <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH,<br />
NJW 1997, S. 1809 ff.<br />
1275 EuGH, Rs. 165/82 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Slg. 1983, S. 3431 ff. =<br />
NJW 1985, S. 539 f., vgl. hierzu Schäfer, Fn. 1106, S. 81 f.
319<br />
Nach<strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwurf <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. „Vre<strong>de</strong>ling-Richtlinie“ 1276 – diese ermächtigte in Art. 8 Abs. 2<br />
lit. a <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie die Mitgliedstaaten zum Erlaß von Son<strong><strong>de</strong>r</strong>best<strong>im</strong>mungen für Unternehmen<br />
und Betriebe, <strong><strong>de</strong>r</strong>en unmittelbare und überwiegen<strong>de</strong> Ziele u.a. in <strong><strong>de</strong>r</strong> Durchführung religiöser,<br />
humanitärer, karitativer und erzieherischer Aufgaben bestan<strong>de</strong>n – nicht weiterverfolgt wur<strong>de</strong>,<br />
kam es zur Ve<strong>ra</strong>bschiedung <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie über die Einsetzung eines <strong>Europäischen</strong><br />
Betriebs<strong>ra</strong>ts 1277<br />
. Da die RL 94/45/EG eine gewerkschaftliche Betätigung zuläßt, die<br />
beispielsweise in <strong>de</strong>n aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> §§ 118 Abs. 2 BetrVG, 1 Abs. 4 S. 2 MitbestG erlassenen<br />
kirchlichen Mitbest<strong>im</strong>mungsgesetzen ausgeschlossen war, könnte hierdurch <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. „Dritte<br />
Weg“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen betroffen sein.<br />
Während noch <strong>im</strong> Richtlinienentwurf <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission über die Einsetzung eines<br />
<strong>Europäischen</strong> Betriebs<strong>ra</strong>tes 1278 nicht geson<strong><strong>de</strong>r</strong>t auf kirchliche Belange eingegangen wor<strong>de</strong>n<br />
war, gestattet die endgültige Fassung <strong>de</strong>s Art. 8 Abs. 3 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 94/45/EG <strong>de</strong>n nationalen<br />
Gesetzgebern <strong>im</strong>merhin <strong>de</strong>n Erlaß von Ausnahmeregelungen für sog. Ten<strong>de</strong>nzbetriebe, d.h.<br />
Unternehmen, die „in bezug auf Berichterstattung und Meinungsäußerung unmittelbar und<br />
überwiegend eine best<strong>im</strong>mte weltanschauliche Ten<strong>de</strong>nz verfolgen“. Diese Ausnahme gilt<br />
jedoch nur, soweit die innerstaatlichen Rechtsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Best<strong>im</strong>mungen bis zum<br />
22. September 1994 – hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um <strong>de</strong>n Tag <strong><strong>de</strong>r</strong> Annahme <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 94/45/EG<br />
durch <strong>de</strong>n Rat – bereits vorgesehen haben. 1279<br />
Die <strong>de</strong>utschen Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften, <strong><strong>de</strong>r</strong>en kollektivarbeitsrechtliche Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung bisher nicht über<br />
die Rechtsfigur <strong>de</strong>s Ten<strong>de</strong>nzbetriebes i.S.d. § 118 Abs. 1 BetrVG, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n über ihr<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s § 118 Abs. 2 BetrVG eigens anerkannt<br />
war, müssen sich künftig gemeinschaftsrechtlich als Ten<strong>de</strong>nzbetrieb behan<strong>de</strong>ln lassen, um<br />
ihre bisherige Ausnahmeposition <strong>im</strong> Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 94/45/EG überhaupt weiter<br />
aufrechterhalten zu können. Da Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong>mer auch<br />
Überzeugungen einer best<strong>im</strong>mten weltanschaulichen Ten<strong>de</strong>nz vertreten, ist eine Subsumtion<br />
unter diesen Oberbegriff in<strong>de</strong>s ohne größere Schwierigkeiten möglich.<br />
1276 Vorschlag <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission für eine Richtlinie <strong>de</strong>s Rates über die Unterrichtung und<br />
Anhörung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer vom 13. Juli 1983, ABl. Nr. C 217, S. 3 ff.; vgl. hierzu<br />
Schäfer, Fn. 1106, S. 114.<br />
1277 Richtlinie 94/45/EG <strong>de</strong>s Rates vom 22. September 1994 über die Einsetzung eines<br />
<strong>Europäischen</strong> Betriebs<strong>ra</strong>tes o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und<br />
Anhörung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operieren<strong>de</strong>n Unternehmen und Unternehmensgruppen,<br />
ABl. 1994, Nr. L 254, S. 64 ff.; vgl. hierzu allgemein Gaul, <strong>Das</strong> neue<br />
Gesetz über die <strong>Europäischen</strong> Betriebsräte, NJW 1996, S. 3378 ff.<br />
1278 ABl. 1990, Nr. C 39, S. 10 ff.<br />
1279 Diese Einschränkung wur<strong>de</strong> <strong>im</strong> nachhinein durch <strong>de</strong>n vom EP geän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Standpunkt<br />
durchgesetzt, ABl. 1994 Nr. C 276, S. 14 ff., 16; vgl. auch Schäfer, Fn. 1106, S. 114 f.
320<br />
Allerdings bezieht sich die RL 94/45/EG ihrem Anwendungsbereich nach nur auf<br />
„gemeinschaftsweit operieren<strong>de</strong> Unternehmen“ o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Unternehmensgruppen“. Gemäß<br />
Art. 2 Abs. 1 lit. a – c <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 94/45/EG wer<strong>de</strong>n nur Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen<br />
mit min<strong>de</strong>stens 1000 Arbeitnehmern innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU erfaßt, wobei zusätzlich min<strong>de</strong>stens<br />
150 Arbeitnehmer in min<strong>de</strong>stens zwei Mitgliedstaaten beschäftigt sein müssen. Die kumulativ<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche zweite Vo<strong>ra</strong>ussetzung ist zwar für die meisten Kirchen und kirchlichen Werke<br />
innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU, nicht aber für die Presbyterianische Kirche auszuschließen, die für<br />
Nordirland und Irland gleichermaßen zuständig ist. 1280 Zum Teil wird sogar vertreten, daß<br />
kirchliche Wohlfahrtseinrichtungen aufgrund ihrer beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en sozialen Funktion nicht unter<br />
<strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s „Unternehmens“ i.S.d. RL 94/45/EG zu subsumieren seien, da insoweit das<br />
Wirtschaftlichkeitsmoment zurücktrete. 1281 Letztgenannte Ansicht erscheint angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
bisherigen Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH kaum haltbar. 1282<br />
Durch das Gesetz über europäische Betriebsräte vom 28. Oktober 1996 (EBRG) wur<strong>de</strong> die<br />
RL 94/45/EG inzwischen von Deutschland innerstaatlich umgesetzt. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Ermächtigung<br />
in Art. 8 Abs. 3 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 94/45/EG sieht § 34 EBRG eine Ausnahmebest<strong>im</strong>mung<br />
zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen vor.<br />
bb) Gemeinschaftscharta <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Grundrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer vom 3. Dezember 1989<br />
Die auf <strong>de</strong>m St<strong>ra</strong>ßburger Gipfel von 1989 proklamierte Sozialcharta sieht u.a. <strong>de</strong>n Zugang <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gewerkschaften zu Institutionen verschie<strong>de</strong>nster Art vor. Jedoch konnte sie – gescheitert am<br />
Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand Großbritanniens – nur als rechtlich unverbindliche Erklärung ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n. 1283 Auch die Erwähnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftscharta in Art. 136 Abs. 1 EGV n.F. än<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
hie<strong>ra</strong>n nichts. Zumin<strong>de</strong>st mißverständlich ist daher die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinsamen Stellungnahme<br />
verwandte Formulierung, nach welcher Art. 141 (ex-Art. 119) EGV „i.V. auch mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> Sozialcharta“ für das Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer<br />
unmittelbare Geltung zukomme. 1284<br />
cc) Sozialvorschriften <strong>im</strong> Titel XI <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs<br />
1280<br />
So Ehnes, Fn. 248, S. 50.<br />
1281<br />
So Schäfer, Fn. 1106, S. 117, 121.<br />
1282<br />
Vgl. EuGH, Rs. 196/87 (Steymann/Staatssecretaris van Justitie), Slg. 1988, S. 6159 ff. (s.o.<br />
C.II.4).<br />
1283<br />
Eichenhofer, <strong>Das</strong> <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g über die europäische <strong>Union</strong> angefügte „Protokoll über die<br />
Sozialpolitik“, S. 151 ff., S. 156.<br />
1284<br />
Gemeinsame Stellungnahme, Fn. 510, S. 22.
321<br />
Aufgrund <strong>de</strong>s Wahlsiegs <strong><strong>de</strong>r</strong> Labour-Party und <strong>de</strong>m damit verbun<strong>de</strong>nen Politikwechsel<br />
konnte das Abkommen über die Sozialpolitik vom 7. Februar 1992 1285 durch <strong>de</strong>n Amsterdamer<br />
Vert<strong>ra</strong>g vergemeinschaftet wer<strong>de</strong>n und mit einigen Erweiterungen als Titel XI in <strong>de</strong>n<br />
EG-Vert<strong>ra</strong>g eingefügt wer<strong>de</strong>n. 1286 Somit wur<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialpolitik ein „Europe<br />
à <strong>de</strong>ux vitesses“ und damit ein dauerhaftes Son<strong><strong>de</strong>r</strong>gemeinschaftsrecht nur für eine<br />
Teilgemeinschaft verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>t. 1287<br />
(1) Anwendbarkeit gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie kirchlicher<br />
Unternehmen<br />
Die Vorschriften <strong>de</strong>s Titels XI gelten unterschiedslos und mit unmittelbarer Geltung für das<br />
Verhältnis kirchlicher Arbeitgeber und Arbeitnehmer außerhalb <strong>de</strong>s klerikalen Bereichs, für<br />
<strong>de</strong>n insoweit das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften eingreift. Wür<strong>de</strong>n<br />
B<strong>ra</strong>uereien o<strong><strong>de</strong>r</strong> Banken, die nach erwerbswirtschaftlichen Kriterien gewinnmax<strong>im</strong>ierend<br />
arbeiten, nur <strong>de</strong>shalb an<strong><strong>de</strong>r</strong>s behan<strong>de</strong>lt, weil ihre Geschäftsanteile einer Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsgemeinschaft gehören, wäre dies als Verstoß gegen <strong>de</strong>n Gleichheitsgrundsatz<br />
anzusehen. Gleiches muß auch für die freien Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> gelten, die mit sonstigen<br />
privaten Anbietern am Markt in Konkurrenz treten.<br />
Auch wenn hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> durch Titel XI geregelten Materien grundsätzlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendungsbereich<br />
<strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips eröffnet ist, da die Materien nicht in die ausschließliche<br />
Gemeinschaftszuständigkeit fallen, 1288 erweist sich Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 2 EGV<br />
schon dann nicht als Sch<strong>ra</strong>nke für ein gesetzgeberisches Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, wenn<br />
sich zwar das <strong>de</strong>utsche Sozialsystem auf einem hohen Standard befän<strong>de</strong>, dasjenige an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
Mitgliedstaaten hingegen nicht ausreichend wäre. 1289<br />
In einem solchen Fall wäre die Gemeinschaft<br />
zum Erlaß einheitlicher Min<strong>de</strong>stvorschriften berechtigt, vgl. Art. 137 Abs. 2 UAbs. 1<br />
EGV (ex-Art. 2 Abs. 2 UAbs. 1 <strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik).<br />
1285<br />
Einzelheiten zur Entstehungsgeschichte, <strong>de</strong>m institutionellen Rang und <strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s<br />
Sozialprotokolls für die künftige europäische Entwicklung bei Eichenhofer, Fn. 1283,<br />
S. 151 ff.<br />
1286<br />
SZ Nr. 116 vom 23.5.1997, S. 9: „Die Europhobie ist vorbei“; sowie SZ Nr. 101 vom<br />
6.5.1997, S. 6: „London billigt EU-Sozialcharta – Labour-Regierung will Vereinbarung<br />
unterzeichnen.“<br />
1287<br />
Allerdings begünstigen die ebenfalls durch <strong>de</strong>n Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g eingefügten<br />
Best<strong>im</strong>mungen i.R.d. sog. „Flexibilität“ gemäß Art. 43 (ex-Art. K.15) , Art. 44<br />
(ex-Art. K.16) EUV sowie Art. 11 (ex-Art. 5a) EGV erneut ein solches „Europa <strong><strong>de</strong>r</strong> zwei<br />
Geschwindigkeiten“.<br />
1288<br />
So auch Eichenhofer, Fn. 1283, S. 163, für das Sozialabkommen.<br />
1289<br />
Vgl. insoweit die Ausführungen oben G.III.
322<br />
(2) Fortbestand <strong>de</strong>s „Dritten Weges“?<br />
Art. 136 UAbs. 2 EGV (ex-Art. 1 <strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik) sieht ausdrücklich<br />
vor, daß „die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten Maßnahmen durchführen, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Vielfalt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> einzelstaatlichen Gepflogenheiten, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e in <strong>de</strong>n vert<strong>ra</strong>glichen Beziehungen [...]<br />
Rechnung t<strong>ra</strong>gen.“ Als eine solche einzelstaatliche Gepflogenheit könnte auch <strong><strong>de</strong>r</strong> „Dritte<br />
Weg“ mit seiner speziellen Ausprägung <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmermitbest<strong>im</strong>mung o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong><br />
Bereich <strong>de</strong>s Kündigungsschutzes angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />
Eine Rechtsangleichung mit qualifizierter Mehrheit <strong>im</strong> Verfahren nach Art. 251<br />
(ex-Art. 189b) EGV kommt außer<strong>de</strong>m nur in <strong>de</strong>n in Art. 137 Abs. 1 EGV (ex-Art. 2 Abs. 1<br />
<strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik) enume<strong>ra</strong>tiv aufgezählten Materien in Bet<strong>ra</strong>cht.<br />
Abgesehen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeit, Regelungen für „Arbeitsbedingungen“ zu erlassen, han<strong>de</strong>lt<br />
es sich dabei <strong>im</strong> wesentlichen um Gebiete, für welche die Gemeinschaft schon vor Abschluß<br />
<strong>de</strong>s Sozialabkommens tätig gewor<strong>de</strong>n ist. 1290<br />
Sonstige Materien, die in Art. 137 Abs. 3 EGV (ex-Art. 2 Abs. 3 <strong>de</strong>s Abkommens über die<br />
Sozialpolitik) genannt wer<strong>de</strong>n – z.B. Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer bei Beendigung <strong>de</strong>s Arbeitsvert<strong>ra</strong>gs<br />
1291<br />
, Vertretung und kollektive Wahrnehmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer- und<br />
Arbeitgeberinteressen, einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitbest<strong>im</strong>mung – bedürfen nach wie vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Einst<strong>im</strong>migkeit. In Art. 137 Abs. 6 EGV (ex-Art. 2 Abs. 6 <strong>de</strong>s Abkommens über die<br />
Sozialpolitik) wird jedoch ausdrücklich festgelegt, daß Regelungen über das Arbeitsentgelt,<br />
das Koalitionsrecht, das Streikrecht sowie das Aussperrungsrecht nicht einmal einst<strong>im</strong>mig<br />
getroffen wer<strong>de</strong>n dürfen.<br />
Der „Dritte Weg“, <strong>de</strong>n die <strong>de</strong>utschen Kirchen – gegenüber <strong>de</strong>m üblichen Mo<strong>de</strong>ll bestehend<br />
aus Gewerkschaften einerseits und Arbeitgeberverbän<strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits – als Mitbest<strong>im</strong>mungsmo<strong>de</strong>ll<br />
gewählt haben, scheint zunächst aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 137 Abs. 6 EGV<br />
(ex-Art. 2 Abs. 6 <strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik) vor existenzgefähr<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen<br />
Harmonisierungsbestrebungen weitgehend verschont wor<strong>de</strong>n zu sein.<br />
Ungeachtet <strong>de</strong>ssen besitzt die Gemeinschaft für die in Art. 137 Abs. 3 EGV (ex-Art. 2 Abs. 3<br />
<strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik) genannten Materien die Möglichkeit <strong>de</strong>s Erlasses von<br />
1290 Eichenhofer, Fn. 1283, S. 151. Insofern hat das Sozialabkommen die Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft nicht „erheblich ausgeweitet“, wie Robbers, Fn. 181, S. 91, dies ann<strong>im</strong>mt.<br />
1291 Grds. könnte das Kündigungsschutzrecht gemeinschaftsrechtlich harmonisiert wer<strong>de</strong>n, was<br />
mitunter für die Loyalitätsanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>im</strong> kirchlichen Arbeitsrecht Folgen haben könnte,<br />
so auch Rüfner, Fn. 448, S. 489.
323<br />
verbindlichen Richtlinien. 1292<br />
Außer<strong>de</strong>m können sich Gefahren für <strong>de</strong>n „Dritten Weg“ infolge<br />
von Vereinbarungen zwischen <strong>de</strong>n Sozialpartnern ergeben.<br />
(3) Kirchen als „Sozialpartner“ i.S.d. Gemeinschaftsrechts?<br />
Gemäß Art. 138 f. (ex-Art. 118a, 118b) EGV bzw. <strong>de</strong>n Art. 3 und 4 <strong>de</strong>s bisherigen<br />
Abkommens über die Sozialpolitik bemüht sich die Kommission darum, <strong>de</strong>n Dialog zwischen<br />
<strong>de</strong>n Sozialpartnern auf europäischer Ebene zu entwickeln. Nach gängigem Verständnis<br />
wer<strong>de</strong>n als Sozialpartner die an arbeitsrechtlichen Kollektivvereinbarungen beteiligten<br />
Arbeitgeberverbän<strong>de</strong> und Gewerkschaften einschließlich ihrer Spitzenorganisationen<br />
bezeichnet. 1293 Die Großkirchen in Deutschland sind keine an arbeitsrechtlichen Kollektivvereinbarungen<br />
beteiligten Arbeitgeberverbän<strong>de</strong>; ihnen ist die Trennung zwischen<br />
Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die oftmals zu Konfrontation und Verhärtung auf bei<strong>de</strong>n<br />
Seiten führt, fremd. Aus diesem Grun<strong>de</strong> wird überwiegend die Auffassung vertreten, bei <strong>de</strong>n<br />
Kirchen han<strong>de</strong>le es sich nicht um Sozialpartner i.S. <strong>de</strong>s Art. 139 (ex-Art. 118b) EGV bzw.<br />
nach Art. 3, 4 <strong>de</strong>s Sozialabkommens, da sie – zumin<strong>de</strong>st <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit – nicht tarifwillig seien. 1294<br />
(4) Bindung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen an Vereinbarungen zwischen <strong>de</strong>n Sozialpartnern?<br />
Auch wenn eine kollektive Wahrnehmung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen<br />
gemäß Art. 137 Abs. 6 EGV (ex-Art. 2 Abs. 6 <strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik) nicht<br />
Gegenstand gemeinschaftsrechtlicher Regelungen ist, kann es nach Art. 139 Abs. 1 und 2<br />
EGV (ex-Art. 4 Abs. 1 und 2 <strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik) hierüber zu Vereinbarungen<br />
zwischen <strong>de</strong>n Sozialpartnern auf Gemeinschaftsebene kommen, falls diese es<br />
wünschen. Ob eine Bindung an Regelungen, die von <strong>de</strong>n Sozialpartnern <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s<br />
Art. 139 Abs. 2 EGV (ex-Art. 4 Abs. 2 <strong>de</strong>s Abkommens über die Sozialpolitik) auf Gemeinschaftsebene<br />
vereinbart wur<strong>de</strong>n, dadurch verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n kann, daß die Kirchen sich nicht<br />
an <strong>de</strong>n freiwilligen Verhandlungen beteiligen 1295<br />
, erscheint f<strong>ra</strong>glich. Vielmehr ist zu<br />
befürchten, daß einer durch europaweite Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen<br />
1292<br />
Hie<strong>ra</strong>n erinnert Schäfer, Fn. 1106, S. 23.<br />
1293<br />
Creifelds, Stichwort: Sozialpartner. Eine Übersicht über die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbän<strong>de</strong><br />
auf EG-Ebene fin<strong>de</strong>t sich bei Schäfer, Fn. 1106, S. 41.<br />
1294<br />
So auch Robbers, Fn. 181, S. 93. Nach Schäfer, Fn. 1106, S. 43, suchen die Kirchen <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit<br />
noch nach ihrem Platz in <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen Sozialordnung. Ob es für diese sinnvoll sei, sich<br />
am europäischen Dialog <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialpartner zu beteiligen, was u.U. die Aufgabe <strong>de</strong>s „Dritten<br />
Weges“ mit sich bringen könnte, müsse von diesen abgewogen wer<strong>de</strong>n.<br />
1295<br />
So aber Robbers, Fn. 181, S. 94.
324<br />
getroffene Regelung gemeinschaftsweit Gültigkeit zukommt – ohne Rücksichtnahme auf <strong>de</strong>n<br />
„Dritten Weg“. 1296<br />
dd) Zusammenfassung<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 94/45/EG über <strong>de</strong>n <strong>Europäischen</strong> Betriebs<strong>ra</strong>t, die auch für das kirchliche<br />
Arbeitsrecht außerhalb <strong>de</strong>s innerkirchlichen Dienstes Anwendung fin<strong>de</strong>t, kommen – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
als bisher <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht – Son<strong><strong>de</strong>r</strong>vorschriften für kirchliche Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> nicht<br />
aufgrund eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich über die Rechtsfigur <strong>de</strong>s Ten<strong>de</strong>nzbetriebes<br />
zur Anwendung. Eine Gefahr für <strong>de</strong>n „Dritten Weg“ stellt das vergemeinschaftete<br />
ehemalige Abkommen über die Sozialpolitik, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e gemeinschaftsweit ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>te<br />
Abkommen <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialpartner gemäß Art. 139 Abs. 2 EGV n.F., dar.<br />
II. Europäische Integ<strong>ra</strong>tion und kirchliches Wohlfahrtswesen<br />
1. Kirchliches Wohlfahrtswesen in Deutschland<br />
Die Kirchen und Religionsgemeinschaften verstehen ihren religiös motivierten sozialen<br />
Dienst – auch wenn hierdurch z.T. öffentliche Aufgaben erfüllt wer<strong>de</strong>n – vor<strong>ra</strong>ngig als<br />
Religionsausübung bzw. als „Liebestätigkeit“. 1297<br />
Häufig sind die freien Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>,<br />
mit Hilfe <strong><strong>de</strong>r</strong>er die Kirchen und Religionsgemeinschaften ihre diakonischen Dienste vor<strong>ra</strong>ngig<br />
ausführen, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsform <strong>de</strong>s Vereins- und Stiftungsrechts, seltener als Genossenschaften<br />
organisiert.<br />
In Deutschland stellen freie Träger ohne staatliche Verpflichtung ein vielfältiges soziales<br />
Angebot sicher, wodurch <strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzip prinzipiell am ehesten Rechnung get<strong>ra</strong>gen<br />
wird. 1298<br />
Allerdings kann das Subsidiaritätsprinzip <strong>de</strong>s Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV kein<br />
Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, soweit einige Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />
ein effektives Angebot an sozialen Diensten nicht sicherzustellen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage sind, da in<br />
1296<br />
Der Ansicht ist auch Schäfer, Fn. 1106, S. 25.<br />
1297<br />
Vgl. nur v. Campenhausen, Fn. 74, S. 180 ff.; 412; Ehnes, Fn. 248, S. 48. Der griechische<br />
Ursprung <strong>de</strong>s Wortes Diakonie (= διακονια) meint schließlich nichts an<strong><strong>de</strong>r</strong>es als <strong>de</strong>n aus<br />
Glauben motivierten p<strong>ra</strong>ktischen Dienst bzw. tätige Liebe.<br />
1298<br />
Gemeinsame Stellungnahme, Fn. 510, S. 12; v. Campenhausen, Fn. 74, S. 190.
325<br />
diesem Fall die „Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> in Bet<strong>ra</strong>cht gezogenen Maßnahmen auf Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
nicht ausreichend erreicht wer<strong>de</strong>n können.“ 1299<br />
2. Kommissionsentwurf einer „économie sociale“<br />
Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts soll nun für alle Vereine ein einheitliches neues<br />
Vereinsrecht geschaffen wer<strong>de</strong>n. Die Kommission je<strong>de</strong>nfalls war Impulsgeber für einen<br />
Vorschlag über das Statut <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Vereins (EUV) vom 6. März 1992. 1300 Pa<strong>ra</strong>llel<br />
hierzu hat diese auch eine Initiative über das Statut <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Genossenschaft<br />
(EUGEN) eingeb<strong>ra</strong>cht. 1301<br />
Diese bisher <strong>im</strong> Entwurfsstadium steckengebliebenen Vorschläge<br />
wur<strong>de</strong>n, da spezielle Regelungskompetenzen <strong>de</strong>s Vereins-, Stiftungs- und<br />
Genossenschaftsrechts nicht zur Verfügung stan<strong>de</strong>n, auf Art. 95 (ex-Art. 100a) EGV gestützt.<br />
Den Kommissionsentwürfen liegt das <strong>de</strong>m romanischen Rechtskreis entstammen<strong>de</strong> Konstrukt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> „économie sociale“ zugrun<strong>de</strong>, worunter man die Gesamtheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Unternehmungen in Form<br />
von Vereinen, Genossenschaften und Gegenseitigkeitsgesellschaften versteht, <strong>de</strong>nen das<br />
Nichtvorhan<strong>de</strong>nsein einer Gewinnorientierung ebenso gemeinsam ist wie die Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Solidarität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Beteiligung aller Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. 1302<br />
Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, daß sich die in<br />
freier Trägerschaft tätigen kirchlichen Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> bisher zur Erfüllung ihrer Ziele<br />
meist <strong>de</strong>s Vereins- bzw. <strong>de</strong>s Stiftungsstatus bedienten, kommt diesen Verordnungsvorschlägen,<br />
nach <strong>de</strong>nen Vereinen, Stiftungen und Genossenschaften die Möglichkeit eröffnet<br />
wer<strong>de</strong>n soll, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft grenzüberschreitend tätig zu wer<strong>de</strong>n, selbstre<strong>de</strong>nd große<br />
p<strong>ra</strong>ktische Relevanz zu. Exemplarisch sollen <strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>n Rechtsnatur und Wirkungen <strong>de</strong>s<br />
EUV näher analysiert wer<strong>de</strong>n.<br />
1299<br />
Vgl. die Ausführungen oben G.I.2.<br />
1300<br />
ABl. 1992, Nr. C 99, S. 1 ff.; geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch Vorschlag vom 6.7.1993, ABl. 1993, Nr. C<br />
236, S. 1 ff.<br />
1301<br />
Vorschlag für eine Verordnung <strong>de</strong>s Rates vom 6. März 1992 über das Statut <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> Genossenschaft, ABl. 1992, Nr. C 99, S. 17 ff., geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch Vorschlag<br />
vom 6.7.1993, ABl. 1993, Nr. C 236, S. 17 ff.<br />
1302<br />
So Weisbrod, Europäisches Vereinsrecht – Eine rechtsvergleichen<strong>de</strong> Studie, F<strong>ra</strong>nkfurt a.M.<br />
u.a. 1994, S. 254 f.
326<br />
3. Der Europäische Verein<br />
Die Gründung <strong>de</strong>s EUV soll gemäß Art. 1 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO <strong>de</strong>m dauerhaften Zusammenschluß<br />
von natürlichen und/o<strong><strong>de</strong>r</strong> juristischen Personen zur Verfolgung gemeinnütziger Zwecke o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
aber zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung beruflicher Interessen seiner Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> dienen. Eine Gleichstellung dieser<br />
bei<strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>gstypen erfolgt laut Erwägungsgrund Nr. 7 daher, weil heutzutage viele Vereine<br />
und Stiftungen zwecks Verwirklichung ihrer Ziele durch Ausübung einer wirtschaftlichen<br />
Haupt- und Nebentätigkeit gegen Entgelt am Wirtschaftsleben teilnähmen.<br />
Ungeachtet <strong>de</strong>ssen, daß kirchliche Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> ihr Tätigwer<strong>de</strong>n als nichtgewinnorientierte<br />
Religionsausübung bet<strong>ra</strong>chten, sieht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommissionsentwurf <strong>de</strong>s EUV für<br />
diese die gleiche Rechtsform vor, wie sie für sonstige gewerbliche Verbän<strong>de</strong> üblich ist.<br />
Generell darf eine solche Gleichstellung nicht übermäßig kritisch bewertet wer<strong>de</strong>n, da sich<br />
kirchliche Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> auch nach nationalem Vereins- und Stiftungsrecht in einer<br />
Rechtsform konstituieren müssen, die sie formal mit Vereinen an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Zielsetzung<br />
gleichstellt. Im <strong>de</strong>utschen Vereinsrecht wur<strong>de</strong> – <strong>im</strong> Gegensatz zum EUV 1303<br />
– bisher jedoch<br />
streng zwischen <strong>de</strong>m Wirtschaftlichen Verein (§ 22 BGB) und <strong>de</strong>m I<strong>de</strong>alverein (§ 21 BGB)<br />
unterschie<strong>de</strong>n.<br />
Die Gründungsvo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>s EUV, <strong><strong>de</strong>r</strong> gemäß Art. 2 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO eine eigene<br />
Rechtspersönlichkeit besitzt und gemäß Art. 2 Abs. 3 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO nur mit <strong>de</strong>m Vereinsvermögen<br />
haftet, wer<strong>de</strong>n in Art. 3 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO aufgezählt. Demnach muß es sich um einen Zusammenschluß<br />
von zwei juristischen o<strong><strong>de</strong>r</strong> min<strong>de</strong>stens sieben natürlichen Personen han<strong>de</strong>ln, die ihren Sitz in<br />
wenigstens zwei unterschiedlichen Mitgliedstaaten haben müssen. Ein EUV kann aber auch<br />
durch Umwandlung eines nationalen Vereins entstehen, sofern dieser bereits über eine<br />
Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassung in einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaat verfügt. Gemäß Art. 7 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 S. 2<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> VO ist ferner die Eint<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s EUV vorgeschrieben, durch welche dieser seine<br />
Rechtsfähigkeit erlangt.<br />
In einem auf Art. 44 (ex-Art. 54) EGV gestützten Vorschlag für eine Richtlinie zur Ergänzung<br />
<strong>de</strong>s Statuts <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Vereins hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer vom<br />
6. März 1992 1304<br />
hat die Kommission F<strong>ra</strong>gen <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmermitbest<strong>im</strong>mung geregelt. Nach<br />
Art. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL kann <strong><strong>de</strong>r</strong> EUV erst einget<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n, wenn ein Mitbest<strong>im</strong>mungsmo<strong>de</strong>ll<br />
1303<br />
Immerhin darf <strong><strong>de</strong>r</strong> EUV auch keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten, vgl.<br />
Art. 1 Abs. 2 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO, sowie Hohloch/Hohloch, EU-Handbuch Gesellschaftsrecht,<br />
Sup<strong>ra</strong>nationales Recht, Rdnr. 94.<br />
1304<br />
ABl. 1992, Nr. C 99, S. 14 ff., geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch <strong>de</strong>n Vorschlag vom 6.7.1993, ABl. 1993,<br />
Nr. C 236, S. 14 ff.
327<br />
gemäß Art. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL o<strong><strong>de</strong>r</strong> zumin<strong>de</strong>st ein Informations- und Konsultationsverfahren gemäß<br />
Art. 3 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL festgelegt wur<strong>de</strong>. Die Mitbest<strong>im</strong>mung, die sich nach <strong>de</strong>n Rechts- und<br />
Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten in <strong>de</strong>n Aufsichts- und Verwaltungsorganen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
nationalen Unternehmen regelt, wür<strong>de</strong> in Deutschland auf § 87 BetrVG verweisen; für eine<br />
Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelung <strong>de</strong>s kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts, wie sie <strong><strong>de</strong>r</strong> „Dritte Weg“<br />
vorsieht, wäre nur dann noch Raum, soweit die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 118 Abs. 2 BetrVG als<br />
ausdrückliche Ausnahmebest<strong>im</strong>mung zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften von Art. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
RL ebenfalls mitumfaßt wäre. Je<strong>de</strong>nfalls ist in <strong><strong>de</strong>r</strong> RL über das Statut <strong>de</strong>s EUV selbst keine<br />
Best<strong>im</strong>mung über ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Ten<strong>de</strong>nzschutz kirchlicher<br />
Einrichtungen enthalten. 1305<br />
In kirchlichen Kreisen besteht daher zu Recht die Befürchtung, daß sich durch das Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s<br />
EUV g<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong> Auswirkungen <strong>de</strong>s bisherigen Rechtsstatus ergeben könnten, zumal <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EUV nicht zwischen <strong>de</strong>n verfolgten Vereinszwecken unterschei<strong>de</strong>t und gemeinnützigen<br />
Vereinen <strong>im</strong> Gegensatz zu wirtschaftlichen Vereinen eine klare Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung einräumt, 1306<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n bei<strong>de</strong> Typen gleichbehan<strong>de</strong>lt. Außer<strong>de</strong>m sieht <strong><strong>de</strong>r</strong> EUV <strong>im</strong> Gegensatz zum <strong>de</strong>utschen<br />
Wohlfahrtswesen keine finanziellen Ausgleichsmechanismen für freie o<strong><strong>de</strong>r</strong> kirchliche Wohlfahrtsträger<br />
vor, was von Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen als Verletzung ihres Selbstverständnisses<br />
angesehen wird. 1307<br />
Als Hauptgrund für <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Ausgleichsmaßnahmen wird gemeinhin<br />
angesehen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat durch die Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> von Aufgaben entlastet<br />
wird, die er ansonsten – die kirchlichen Aktivitäten weggedacht – verbun<strong>de</strong>n mit einem hohen<br />
Kostenaufwand selbst wahrnehmen müßte.<br />
Da die Erklärung Nr. 23 <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs von Maastricht vorsieht, daß die<br />
gemeinschaftsrechtlichen Ziele auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialpolitik in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n<br />
Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>n erreicht wer<strong>de</strong>n sollen, kann es nur <strong>im</strong> Interesse letzterer liegen, ihren<br />
Standpunkt gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft <strong>de</strong>utlich zum Ausdruck zu bringen.<br />
Immerhin heißt es <strong>im</strong> letzten Erwägungsgrund <strong>de</strong>s Entwurfs <strong><strong>de</strong>r</strong> VO: „Die Inanspruchnahme<br />
dieses Statuts ist wahlfrei.“ Dies be<strong>de</strong>utet, daß bisherige nationale Vereine und Stiftungen<br />
etwa nach §§ 21 – 88 BGB unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t bestehen bleiben können. Nationales Vereins- und<br />
Stiftungsrecht wird daher durch <strong>de</strong>n EUV nicht ersetzt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich ergänzt. 1308<br />
Diese<br />
Wahlfreiheit ähnelt insofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Situation bei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> wirtschaftlichen<br />
1305<br />
Ebenso Kalb, Fn. 393, S. 94.<br />
1306<br />
Vgl. Ehnes, Fn. 248, S. 49.<br />
1307<br />
Vgl. Gemeinsame Stellungnahme, Fn. 510, S. 13.<br />
1308<br />
Hierin liegt zugleich auch die Schwäche <strong>de</strong>s EUV: Da vielfältige etablierte Organisationsformen<br />
zur Verfügung stehen, besteht eigentlich kein Bedürfnis für diese neue „Sozialwirtschaft“,<br />
vgl. Weisbrod, Fn. 1302, S. 280 ff.
328<br />
Interessenvereinigung (EWIV), die gemäß <strong><strong>de</strong>r</strong> VO Nr. 2137/85 1309 geschaffen wur<strong>de</strong>, und<br />
durch welche <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherige Numerus Clausus <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Personengesellschaftsformen<br />
(BGB-Gesellschaft; Partnerschaftsgesellschaft; OHG; KG) nicht beschränkt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n erweitert<br />
wur<strong>de</strong>. In<strong>de</strong>s konnte die EWIV die bisherigen Gesellschaftstypen <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Rechts nicht<br />
ernsthaft verdrängen. 1310<br />
4. „Gemeinnützigkeit“<br />
Wenn die Gemeinschaft nun zur Regelung <strong>de</strong>s Vereins- und Genossenschaftsrechts über<br />
Art. 95 (ex-Art. 100a) EGV rechtssetzend tätig wird, obwohl ihr pr<strong>im</strong>ärrechtlich keine<br />
spezielle Kompetenz zur Regelung von F<strong>ra</strong>gen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinnützigkeit zusteht, besteht die<br />
Gefahr, daß sie nicht nur in <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsform, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch steuerlich alle EUVs<br />
gleichbehan<strong>de</strong>lt.<br />
Art. 6 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO sieht <strong>im</strong> Grundsatz vor, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EUV <strong>de</strong>n Best<strong>im</strong>mungen dieser Verordnung<br />
unterliegt. Soweit diese o<strong><strong>de</strong>r</strong> keine Best<strong>im</strong>mung trifft, gelangen aber nach Art. 6 Abs. 1<br />
lit. c <strong><strong>de</strong>r</strong> VO die gesetzlichen Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten zur Anwendung, die in<br />
Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> die EUV betreffen<strong>de</strong>n Gemeinschaftsmaßnahmen erlassen wur<strong>de</strong>n. Für einen<br />
EUV mit Sitz in Deutschland sind daher subsidiär die §§ 21 – 89 BGB maßgeblich. Im<br />
Kapitel IV (Art. 36 ff. <strong><strong>de</strong>r</strong> VO) wird nicht geregelt, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> EUV steuerlich zu behan<strong>de</strong>ln ist.<br />
Art. 41 <strong><strong>de</strong>r</strong> VO legt lediglich fest, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EUV zu allen Finanzierungsformen unter <strong>de</strong>n<br />
günstigsten Bedingungen Zugang haben muß, wie sie für Vereine <strong>im</strong> Sitzstaat gelten. Damit<br />
wird je<strong><strong>de</strong>r</strong> EUV steuerlich <strong>de</strong>m I<strong>de</strong>alverein gleichgestellt, da dieser steuerlich günstiger ist als<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaftliche Verein. Dies könnte zur Folge haben, daß viele wirtschaftliche Vereine die<br />
Rechtsform <strong>de</strong>s EUV wählen, um steuerlich die Vorzüge <strong>de</strong>s I<strong>de</strong>alvereins zu erhalten,<br />
wodurch mittelbar die Position <strong>de</strong>s I<strong>de</strong>alvereins geschwächt wür<strong>de</strong>.<br />
1309 Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 <strong>de</strong>s Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer<br />
<strong>Europäischen</strong> wirtschaftlichen Interessenvereinigung, ABl. 1985, Nr. L 199, S. 1 ff.<br />
1310 So wur<strong>de</strong>n seit Wirksamwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> VO Nr. 2137/85 <strong>im</strong> Juli 1989 bis einschließlich<br />
Februar 1997 lediglich 796 EWIV in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten gegrün<strong>de</strong>t, von <strong>de</strong>nen bis zu<br />
diesem Zeitpunkt nur noch 741 EWIV (davon 65 EWIV in Deutschland) bestan<strong>de</strong>n, vgl.<br />
Neye, Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung – eine Zwischenbilanz, DB<br />
1997, S. 861 ff.
5. <strong>Das</strong> Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungsrecht <strong>de</strong>s Art. 43 ff. (ex-Art. 52 ff.) EGV<br />
329<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als die sich in kirchlicher Hand befindlichen erwerbswirtschaftlichen Unternehmen<br />
(z.B. Verlage, Gärtnereien, B<strong>ra</strong>uereien, Bankhäuser), die mit Gewinnerzielungsabsicht am<br />
Wirtschaftsleben teilhaben, könnten kirchliche Einrichtungen, die in einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Mitgliedstaat Tätigkeiten karitativer, religiöser o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar missionarischer Art versehen, u.U.<br />
wegen fehlen<strong>de</strong>m Erwerbszweck an einer freien Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassung gehin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n. 1311 Jedoch<br />
darf nicht die Gewinnerzielungsabsicht das entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kriterium für die Anwendung <strong>de</strong>s<br />
Art. 43 (ex-Art. 52) EGV sein. Vielmehr muß die Entgeltlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Dienst- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitsleistung genügen; diese liegt vor, wenn kosten<strong>de</strong>kkend Zahlungen erfolgen, worunter<br />
auch freiwillige Spen<strong>de</strong>n zu fassen sind. 1312<br />
6. Zusammenfassung<br />
Der Entwurf eines auf die Vorstellungen <strong><strong>de</strong>r</strong> „économie sociale“ zurückgehen<strong>de</strong>n Statuts <strong>de</strong>s<br />
<strong>Europäischen</strong> Vereins unterschei<strong>de</strong>t nicht danach, ob die von <strong>de</strong>m EUV verfolgten Ziele<br />
gemeinnütziger o<strong><strong>de</strong>r</strong> wirtschaftlicher Natur sind. Bei<strong>de</strong> Arten wer<strong>de</strong>n gleichbehan<strong>de</strong>lt. Zwar<br />
besteht Wahlfreiheit zwischen <strong>de</strong>m EUV und <strong>de</strong>n bisherigen Gesellschaftstypen. Da selbst ein<br />
wirtschaftlich orientierter EUV steuerlich wie ein I<strong>de</strong>alverein zu behan<strong>de</strong>ln wäre, könnte dies<br />
zur Aushöhlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinnützigkeit führen.<br />
1. In Deutschland<br />
III. Europäische Integ<strong>ra</strong>tion und Kirchenfinanzierung<br />
Die Kirchensteuer (KiSt) ist eine Abgabe zur Finanzierung kirchlicher Aufgaben 1313<br />
und<br />
ersetzt als solche <strong>de</strong>n seit <strong>de</strong>m 5. Jh. n.Chr. auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage von 4. Mose 18, 21 ff.<br />
p<strong>ra</strong>ktizierten Kirchenzehnt, <strong><strong>de</strong>r</strong> tatsächlich vorsah, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> zehnte Teil aus Erträgen und<br />
Früchten von Vieh und Grundstücken an die Kirche abgegeben wer<strong>de</strong>n und <strong><strong>de</strong>r</strong> – je nach<br />
Region – erst aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>nzösischen Revolution von 1789 bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Revolution 1848/49<br />
1311<br />
Vgl. Ran<strong>de</strong>lzhofer, in: G<strong>ra</strong>bitz (Hrsg.), Kommentar zum EWG-Vert<strong>ra</strong>g, Art. 52, Rdnr. 13.<br />
1312<br />
Ran<strong>de</strong>lzhofer, Fn. 1312, Art. 52, Rdnr. 15; Robbers, Fn. 181, S. 90.<br />
1313<br />
Herrmann, Wörterbuch Kirchenrecht, Stichwort: Kirchensteuer.
330<br />
abgeschafft wur<strong>de</strong>. 1314 Wie sonstige Staatsleistungen auch, wird die KiSt gemeinhin als<br />
Kompensation für die Enteignung kirchlichen Vermögens durch die Säkularisationen infolge<br />
<strong>de</strong>s Reichs<strong>de</strong>putationshauptschlusses vom 25. Februar 1803 begrün<strong>de</strong>t. 1315<br />
Kirchensteuererhebungsberechtigt „aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
lan<strong>de</strong>srechtlichen Best<strong>im</strong>mungen“ sind nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV<br />
diejenigen Religionsgesellschaften, die <strong>de</strong>n Status einer K.d.ö.R. innehaben; das Recht besteht<br />
somit nicht nur für die bei<strong>de</strong>n Großkirchen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n darüber hinaus für alle weiteren als<br />
K.d.ö.R. anerkannten Religionsgemeinschaften. 1316 Einzelheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt regeln die Lan<strong>de</strong>sgesetze<br />
und kirchliche Steuersatzungen, z.B. die Kirchensteuerordnungen. Die KiSt wird<br />
überwiegend 1317 <strong>de</strong>n Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen, die vom KiSt-Einzugsverfahren Geb<strong>ra</strong>uch<br />
machen, gemäß Art. 51a EStG als Anhangsteuer in Höhe von 8 % bzw. 9 % zur Einkommensteuer<br />
zugeschlagen. 1318 In Deutschland ist die KiSt bislang als Son<strong><strong>de</strong>r</strong>ausgabe nach<br />
§ 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG abzugsfähig. 1319 Mit <strong>de</strong>m Einzug <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt haben die grds. selbst<br />
einzugsberechtigten Religionsgemeinschaften i.d.R. die staatlichen Finanzämter beauft<strong>ra</strong>gt,<br />
wofür diese eine Entschädigung i.H.v. 3 – 5 % <strong>de</strong>s Kirchensteue<strong>ra</strong>ufkommens erhalten. 1320<br />
<strong>Das</strong> Kirchensteuersystem in Deutschland weist in dieser Hinsicht Züge eines<br />
Staatskirchentums auf. 1321<br />
1314<br />
Köbler, Fn. 65, Stichworte: Kirchensteuer/Kirchenzehnt.<br />
1315<br />
Petersen, Kirchensteuer in <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskussion, Hannover 1995, S. 22 f.; vgl. auch Zippelius,<br />
Fn. 2, S. 128 ff.; weitere Einzelheiten bei Puza, Modalitäten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenfinanzierung in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, ÖAKR (42) 1993, S. 178 ff., 185.<br />
1316<br />
Vgl. <strong>de</strong>n Überblick über die steuerberechtigten Kirchen, Religionsgemeinschaften und<br />
Weltanschauungsgesellschaften bei Giloy/Walter, Kirchensteuerrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis,<br />
Neuwied – Kriftel/Ts. – Berlin 1993, S. 14 ff., 16 ff.; Petersen, Fn. 1315, S. 34 ff.<br />
1317<br />
Daneben existieren an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Kirchenfinanzierungsformen, <strong>de</strong>nen allerdings nur untergeordnete<br />
Be<strong>de</strong>utung zukommt, so z.B. ein Zuschlag zur Vermögenssteuer o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Kirchgeld.<br />
1318<br />
Vgl. z.B. Giloy/Walter, Fn. 1316, S. 41 ff., 81 f.; List, Kirchensteuer – Rechtsgrundlagen<br />
und neuere Rechtsprechung, BB 1997, S. 17 ff., 21. Aufgrund ihrer Akzessorietät zur<br />
Einkommensteuer kommt die KiSt, die die individuelle Leistungsfähigkeit berücksichtigt,<br />
von ihrer Verteilung her <strong>de</strong>m Gerechtigkeitsmaßstab recht nahe.<br />
1319<br />
Vgl. hierzu Kirchhof, Die Kirchensteuer <strong>im</strong> System <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Staatsrechts, in: Fahr<br />
(Hrsg.), Fn. 118, S. 53 ff., 75 f.; Kirchhof/Söhn, Bd. 7, § 10, Rdnrn. G 6 ff., G 17, G 57 f.<br />
1320<br />
Dieses bequeme und gegenüber <strong>de</strong>m kircheneigenen Verwaltungseinzug wie in Österreich<br />
vergleichsweise günstige Verfahren geht in<strong>de</strong>s aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung zur Offenbarung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit gegenüber Staat und Arbeitgeber zu Lasten an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Religionsgemeinschaften,<br />
s.u. K.III.5.c).<br />
1321<br />
So han<strong>de</strong>lt es sich bei <strong>de</strong>n übrigen KiSt erheben<strong>de</strong>n Kirchen in Skandinavien um (z.T. in<br />
Auflösung begriffene) Staatskirchen. Vgl. überdies Erwin Fischer, Fn. 6, S. 216 ff. m.w.N.,
331<br />
Die Vorteile <strong>de</strong>s KiSt-Einzugsverfahrens für die Kirchen selbst liegen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand: <strong>Das</strong><br />
leicht berechenbare System zur Erhebung von Finanzmitteln ermöglicht infolge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Koppelung <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt an die Einkommen- bzw. Lohnsteuer relativ verläßlich und ohne großen<br />
Verwaltungsaufwand kalkulierbare Einnahmen. 1322 Diese betrugen 1997 nach Abzug <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verwaltungskosten für die EKD knapp 7,6 Mrd. DM, für die Röm.-Kath. Kirche 7,85 Mrd.<br />
DM. 1323<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Großkirchen initiierten Kirchenerklärung wur<strong>de</strong> ge<strong>ra</strong><strong>de</strong><br />
auch die Sicherung <strong>de</strong>s KiSt-Erhebungsverfahrens, das an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten überwiegend<br />
fremd ist, angestrebt. 1324 Dabei ist die KiSt-Erhebung zur ernsthaften und effizienten<br />
Erfüllung <strong>de</strong>s missionarisch-diakonischen Auft<strong>ra</strong>gs nicht zwingend erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich: So wird z.B.<br />
von <strong>de</strong>n meisten <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> VEF verbun<strong>de</strong>nen Kirchen bewußt auf eine KiSt-Erhebung von<br />
ihren Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n verzichtet, obwohl sie als K.d.ö.R. hierzu von Rechts wegen berechtigt<br />
wären. Diese Freikirchen mit ihren nur 300.000 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n in Deutschland betreiben<br />
<strong>im</strong>merhin 30 K<strong>ra</strong>nkenhäuser, 70 Alten- und Pflegehe<strong>im</strong>e, 20 the<strong>ra</strong>peutische Einrichtungen,<br />
14 Be<strong>ra</strong>tungsstellen sowie eine Vielzahl von Tagesstätten und Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten. 1325 Auch ein<br />
Blick nach USA zeigt <strong>de</strong>utlich, daß spen<strong>de</strong>nerheben<strong>de</strong> Kirchen sich sehr wohl selbst<br />
finanzieren können, sofern nur eine I<strong>de</strong>ntifikation <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit Lehre und Zielen ihrer<br />
Kirche vermittelt wer<strong>de</strong>n kann. 1326<br />
Im übrigen bestehen aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendbarkeit <strong>de</strong>s<br />
z.B. S. 218: „Den vom Staat völlig unabhängigen Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften<br />
aber bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ermittlung, Einziehung und Beitreibung <strong><strong>de</strong>r</strong> Beiträge<br />
mit öffentlich-rechtlichen Mitteln staatliche Hilfe zu gewähren, be<strong>de</strong>utet die partielle<br />
Gewährung einer staatskirchlichen Rechtsform.“ Diese ist durch Art. 140 GG i.V.m.<br />
Art. 137 Abs. 1 WRV ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> ausgeschlossen.<br />
1322<br />
Z.B. Marx, Die Kirchensteuer und die Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche, KuR 410, S. 1 ff., 4.<br />
1323<br />
Quelle: Statistisches Jahrbuch 1998, S. 96 f. Im Vergleich hierzu betrug das Kirchensteue<strong>ra</strong>ufkommen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Großkirchen zusammen <strong>im</strong> Jahr 1992 allerdings noch 17,1 Mrd.<br />
DM, vgl. Robbers, Fn. 177, S. 74.<br />
1324<br />
Voigt, Fn. 600, S. 109.<br />
1325<br />
Burkart, Fn. 115, S. 55.<br />
1326<br />
<strong>Das</strong> stereotyp wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kehren<strong>de</strong> Argument, das Spen<strong>de</strong>n- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kollektensystem beinhalte die<br />
Gefahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Abhängigkeit von einigen wenigen Kirchenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n, so z.B. bei v. Campenhausen,<br />
Fn. 74, S. 283, mit Verweis auf ein Votum <strong>de</strong>s Abgeordneten <strong><strong>de</strong>r</strong> We<strong>im</strong>arer<br />
Nationalversammlung Dr. Quarck; Feldhoff, Kirchensteuer in <strong><strong>de</strong>r</strong> Diskussion – Publizistisch,<br />
politisch, volkswirtschaftlich, rechtlich und theologisch, Köln 1996, S. 56; Marx,<br />
Fn. 1322, S. 35 f.; Petersen, Fn. 1315, S. 69; Rüfner, Fn. 448, S. 495; mag seine<br />
Berechtigung allenfalls in Gesellschaftstypen mit k<strong>ra</strong>ssem Wohlstandsgefälle wie z.B. in<br />
<strong>de</strong>n USA haben; in europäischen Freikirchen dagegen sind <strong><strong>de</strong>r</strong>artige „Gefahren“ kaum<br />
auszumachen.
332<br />
Verwaltungszwangs 1327 bei KiSt-Einzug, <strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> neutestamentlichen Freiwilligkeit <strong>de</strong>s<br />
Gebens 1328 wenig gemein hat, Be<strong>de</strong>nken an <strong>de</strong>ssen Verfassungsmäßigkeit; ist doch allgemein<br />
anerkannt, daß intensive Grundrechtseingriffe wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltungszwang einer Ermächtigung<br />
durch <strong>de</strong>n parlamentarischen Gesetzgeber bedürfen. 1329 Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Eigenschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt als<br />
res mixta 1330 muß dieses Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis – unabhängig von <strong>de</strong>m Selbstverwaltungsrecht in<br />
eigenen Angelegenheiten – auch hier gelten, was bei <strong>de</strong>n i.d.R. nicht gänzlich durch<br />
<strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tische Wahl zusammengesetzten katholischen Diözesen <strong>im</strong> Gegensatz zu<br />
evangelischen Syno<strong>de</strong>n nicht erfüllt ist. 1331<br />
Darüber hinaus erscheint problematisch, daß sich<br />
für einen Katholiken keine Alternative zur KiSt bietet, da dieser nach kanonischem Recht<br />
nicht aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche austreten kann, vgl. can. 87 CIC/1917; geschieht dies faktisch <strong>de</strong>nnoch<br />
durch Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>ruf <strong><strong>de</strong>r</strong> äußeren Kirchenmitgliedschaft, han<strong>de</strong>lt es sich hierbei um eine<br />
schwerwiegen<strong>de</strong> Verfehlung gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Gemeinschaft. Der Gläubige steht<br />
daher ohne je<strong>de</strong> Alternative vor <strong>de</strong>m „Alles-o<strong><strong>de</strong>r</strong>-nichts-Prinzip“, d.h. <strong>de</strong>m Ausschluß von<br />
allen Gna<strong>de</strong>nmitteln einerseits o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Zahlen <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits.<br />
1327 HdbStKirchR/Robbers, För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen durch <strong>de</strong>n Staat, Erster Bd., § 31, S. 867 ff.,<br />
887, weist zwar zutreffend da<strong>ra</strong>uf hin, daß eine privatrechtliche Konstruktion <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>beiträge<br />
<strong>de</strong>n Zwang lediglich verlagert. In diesem Falle könnten die Verpflichtungen<br />
jedoch ohne weiteres als Natu<strong>ra</strong>lobligation ausgestaltet wer<strong>de</strong>n, was ihnen <strong>de</strong>n<br />
Zwangscha<strong>ra</strong>kter nähme, wie dies bei <strong>de</strong>n Beit<strong>ra</strong>gsverpflichtungen innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> englischen<br />
Kirche („voluntary – but due“), vgl. Marré, Die Systeme <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenfinanzierung in<br />
Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> und in <strong>de</strong>n USA, ZevKR 42 (1997), S. 338 ff., 346, o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>de</strong>n „nur mo<strong>ra</strong>lisch verpflichten<strong>de</strong>n“ Beit<strong>ra</strong>gssystemen in F<strong>ra</strong>nkreich o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist, vgl. Rüfner, Fn. 448, S. 486.<br />
1328 Vgl. nur 2. Kor. 9, 7; hierzu sehr ausführlich und zu Recht die Freiwilligkeit betonend:<br />
Hübner, Die alte Kirche und das Geld, in: Fahr (Hrsg.), Fn. 118, S. 9 ff., 14, 21, 30 f.<br />
Geldsammlungen sind übrigens nach urchristlichem Verständnis für eine Kirche nicht<br />
unschicklich, vgl. 1. Kor. 16, 1 ff.; ebenso P<strong>ra</strong>ntl, Fn. 118, S. 89; a.A. ist wohl Marx,<br />
Fn. 1322, S. 6.<br />
1329 In BVerfGE 49, S. 126 f.; 83, S. 142 ff., 152, gelangt das BVerfG vom Gesetzesvorbehalt<br />
(Art. 20 Abs. 3 GG) zur „Wesentlichkeitstheorie“ und damit zum Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis eines Parlamentsvorbehalts<br />
bei intensiven Grundrechtseingriffen, vgl. statt vieler nur Seifert/Hömig/<br />
Dellmann, GG, vor Art. 70, Rdnr. 3.<br />
1330 Vgl. BVerfGE 19, S. 206 ff., 217; Listl, <strong>Das</strong> kirchliche Besteuerungsrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> neueren<br />
Rechtsprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichte <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, in: Isensee/Rüfner/Rees<br />
(Hrsg.), Fn. 112, S. 733; Starck, Fn. 448, S. 1427.<br />
1331 So schon Barion, Die religionsrechtliche Problematik <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirchensteuer,<br />
DÖV 1968, S. 532 ff., 536 f.; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Die religionsrechtliche Problematik <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen<br />
Kirchensteuer – Erste Bilanz, DÖV 1971, S. 31 ff., 32.
333<br />
Auch wenn eine Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Einnahmesystems insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e für die <strong>de</strong>utschen Großkirchen<br />
viele Annehmlichkeiten und Selbstverständlichkeiten vergangener Jahrzehnte entzöge, 1332<br />
weil hierdurch zumin<strong>de</strong>st kurzfristig ein weiterer Rückgang kirchlicher Einnahmen zu<br />
erwarten wäre, 1333 muß angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>zeitigen Überlegungen einer Reform <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt mit<br />
<strong>de</strong>m Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhöhung kirchlicher Einnahmen auch darüber nachgedacht wer<strong>de</strong>n, ob die KiSt,<br />
die in <strong>de</strong>n meisten Mitgliedstaaten unbekannt ist, um je<strong>de</strong>n Preis beibehalten wer<strong>de</strong>n<br />
sollte. 1334 Allerdings müßten <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Überlegungen in erster Linie durch die Kirchen selbst<br />
erfolgen, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat das bestehen<strong>de</strong> Kirchensteuerrecht in Deutschland zwar än<strong><strong>de</strong>r</strong>n kann, <strong>im</strong><br />
Grundsatz aber an Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV gebun<strong>de</strong>n ist. 1335<br />
<strong>Das</strong> sog.<br />
1332<br />
Schon aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> jetzigen Steue<strong>ra</strong>usfälle <strong>de</strong>nkt nicht nur die Bayerische Evangelisch-<br />
Lutherische Lan<strong>de</strong>skirche über Einsparungsmöglichkeiten durch Lohnverzicht und „sozialverträglichen<br />
Personalabbau“ nach, vgl. Glees, SZ Nr. 53 vom 5.3.1997, S. 51; vgl. zu<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Finanzsituation auch Böttcher, Fn. 1200, S. 92 ff.; Meier, Kirchliche Aufgaben und<br />
ihre Finanzierung, in: Fahr (Hrsg.), Fn. 118, S. 110 ff.<br />
Not kann aber auch erfin<strong><strong>de</strong>r</strong>isch machen: Ein verstärkter Einsatz von Teilzeitkräften sowie<br />
die Ausweitung <strong>de</strong>s Einsatzes Ehrenamtlicher, wie er in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten und<br />
Religionsgemeinschaften schon lange p<strong>ra</strong>ktiziert wird, könnte durchaus auch positive<br />
Folgen für die <strong>de</strong>utschen Großkirchen haben, wobei <strong><strong>de</strong>r</strong> Vatikan – mißbilligt durch die<br />
Deutsche Bischofskonferenz – aufgrund eines mit beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Autorität versehenen Schreibens<br />
zu <strong>de</strong>n Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Laien-Mitarbeit innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche in dieser Richtung nur wenig<br />
Spiel<strong>ra</strong>um beläßt, vgl. SZ Nr. 262 vom 14.11.1997, S. 8.<br />
1333<br />
Dies ist wohl das eigentliche Argument <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfechter <strong><strong>de</strong>r</strong> Beibehaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt, auch<br />
wenn es selten unverblümt be<strong>im</strong> Namen genannt wird, wohl aber bei Kleindienst/Bin<strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />
<strong>Das</strong> Finanzwesen <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>,<br />
BayVBl. 1999, S. 197 ff., 207; Marx, Fn. 1322, S. 5.<br />
1334<br />
Ebenso z.B. Henkel, in: Deutsche Sektion <strong><strong>de</strong>r</strong> Internationalen Juristen-Kommission (Hrsg.),<br />
Religionsfreiheit, Hei<strong>de</strong>lberg 1996, S. 103. Persönlich bezweifle ich die Richtigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Aussage Robbers, Fn. 1327, S. 889, wonach eine infolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Abschaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt ärmere<br />
Kirche „eine Kirche <strong><strong>de</strong>r</strong> wenigen und eine Kirche für wenige“ sei. Berichte aus sog.<br />
„Erweckungsgebieten“ (z.B. in Südamerika) sprechen eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Sp<strong>ra</strong>che.<br />
1335<br />
Seifert/Hömig/Bergmann, GG, Art. 140, Rdnr. 13; BVerfGE 19, S. 206 ff., 218. Zwar<br />
könnten Bun<strong>de</strong>stag und Bun<strong>de</strong>s<strong>ra</strong>t die Kirchensteuer theoretisch durch eine verfassungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong><br />
Mehrheit i.S.d. Art. 79 Abs. 2 GG abschaffen, die Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland<br />
wäre jedoch gemäß Art. 123 Abs. 2 GG bis zu einer Beendigung <strong>de</strong>s Reichskonkordats an<br />
<strong>de</strong>ssen Best<strong>im</strong>mungen in Art. 2 Abs. 1 S. 1 und Art. 13 (Schlußprotokoll) gebun<strong>de</strong>n, vgl.<br />
Kleindienst/Bin<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 1333, S. 203. <strong>Das</strong> Reichskonkordat geht <strong>de</strong>m EG-Recht auch nach<br />
Art. 307 (ex-Art. 234) EGV grds. vor; bei Unvereinbarkeit mit <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht<br />
bestün<strong>de</strong> aber die Verpflichtung zu <strong>de</strong>ssen Anpassung bzw. Kündigung, vgl. I.I.2.a).
334<br />
Lohnabzugsverfahren 1336 fin<strong>de</strong>t sich dagegen in dieser Vorschrift nicht; vielmehr war <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Staat <strong><strong>de</strong>r</strong> We<strong>im</strong>arer Republik lediglich verpflichtet, <strong>de</strong>n Kirchen die heutzutage nicht mehr<br />
existenten bürgerlichen Steuerlisten zur Verfügung zu stellen. 1337<br />
2. In an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten 1338<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU bestehen<br />
z.T. g<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong> Unterschie<strong>de</strong>:<br />
In Belgien wer<strong>de</strong>n Gehälter und Pensionen von Geistlichen und Laien anerkannter<br />
Religionsgemeinschaften gemäß Art. 181 Belg.Verf. – seit 1993 sogar diejenigen <strong><strong>de</strong>r</strong> gesetzlich<br />
anerkannten nicht-konfessionellen Weltanschauungen – vom Staat get<strong>ra</strong>gen, was die<br />
religiös-weltanschauliche Neut<strong>ra</strong>lität <strong>de</strong>s belgischen Staates beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong>de</strong>utlich hervorhebt.<br />
Außer<strong>de</strong>m beteiligt sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Belgische Staat überwiegend an <strong>de</strong>n Kosten <strong><strong>de</strong>r</strong> theologischen<br />
Fakultäten. Aufgrund dieser aus Steuermitteln gewährten staatlichen „Finanzspritze“ ist das<br />
Spen<strong>de</strong>nverhalten <strong><strong>de</strong>r</strong> belgischen Bevölkerung verständlicherweise nicht übermäßig<br />
ausgeprägt. 1339<br />
In Dänemark kann gemäß Art. 68 Dän.Verf. nur <strong><strong>de</strong>r</strong>jenige zu kirchlichen Verpflichtungen<br />
einer Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n, wenn er dieser zugehört.<br />
Hauptfinanzierungsquelle ist die Kirchensteuer 1340<br />
, welche von allen Steuerpflichtigen zu<br />
entrichten ist. Daneben wer<strong>de</strong>n staatliche Zuschüsse zu Gehältern und Pensionen von<br />
1336<br />
Vgl. hierzu v. Campenhausen, Fn. 74, S. 267.<br />
1337<br />
So auch P<strong>ra</strong>ntl, Fn. 118, S. 89; Robbers, Fn. 177, S. 73; Starck, Fn. 448, S. 1428.<br />
1338<br />
Vgl. hierzu Marré, Fn. 1327, ZevKR 42 (1997), S. 338 ff.; Petersen, Die Finanzierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchen in Europa – insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e in Italien und Spanien, KuR 140, S. 33 ff.; sehr ausführlich<br />
– wenn auch mittlerweile etwas ve<strong>ra</strong>ltet – P<strong>ra</strong><strong>de</strong>l, Kirche ohne Kirchenbeit<strong>ra</strong>g –<br />
Mittel und Metho<strong>de</strong>n kirchlicher Finanzierung. Dokumentation aus 75 Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n, Wien –<br />
München 1981; speziell zur Finanzierung kirchlichen Unterrichtswesens: Università <strong>de</strong>gli<br />
studi di Milano (Hrsg.), Stati e confessioni religiose in Europa – mo<strong>de</strong>lli di finanziamento<br />
pubblico – scuola e fattore religioso/Church and state in Europe – state financial support –<br />
religion and the school, Milano 1992.<br />
1339<br />
Vgl. Torfs, Fn. 195, S. 32 f.<br />
1340<br />
Diese ist jedoch in <strong>de</strong>n Kommunalsteuern enthalten und wird nicht eigens als Kirchensteuer<br />
ausgewiesen, vgl. Petersen, Fn. 1315, S. 79.
335<br />
Geistlichen <strong><strong>de</strong>r</strong> dänischen Volkskirchen bzw. zur Restaurierung von <strong><strong>de</strong>r</strong>en Kirchengebäu<strong>de</strong>n<br />
gewährt; an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Bekenntnisse erhalten grds. keine staatlichen Zuschüsse. 1341<br />
In Finnland sind sowohl die Evangelisch-Lutherische als auch die Orthodoxe Kirche zur<br />
Erhebung von Kirchensteuern berechtigt. Eine Kirchensteuerpflicht besteht für natürliche wie<br />
juristische Personen gleichermaßen. 1342<br />
In F<strong>ra</strong>nkreich wer<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Vergleich zu Deutschland nur wenige kirchliche Einrichtungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wohlfahrtspflege, wie z.B. K<strong>ra</strong>nkenhäuser o<strong><strong>de</strong>r</strong> Altenhe<strong>im</strong>e, unterhalten, weil die Finanzierung<br />
mangels einer staatlichen Finanzierung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuer überwiegend aus privaten<br />
Mitteln, d.h. über Schenkungen, Stiftungen und vor allem durch Kollekten erfolgen muß. 1343<br />
Ca. 25 % <strong>de</strong>s Finanzbedarfs wird über <strong>de</strong>n <strong>de</strong>nier <strong>de</strong> culte ge<strong>de</strong>ckt, einen freiwilligen Beit<strong>ra</strong>g<br />
zum Unterhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Priester und Laien in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche, <strong><strong>de</strong>r</strong> jährlich einmal erhoben wird und z.T.<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuer abgesetzt wer<strong>de</strong>n kann. 1344 Auch Schulgeistliche müssen hiervon bezahlt<br />
wer<strong>de</strong>n, da diese ebenfalls keinen finanziellen Unterhalt vom Staat erhalten. 1345 Indirekte<br />
staatliche Hilfen gibt es nur für Anstaltsgeistliche, für <strong>de</strong>n Unterhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen<br />
Kirchengebäu<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Diözesanvereine sowie durch die Zuerkennung einer steuerlichen<br />
Gemeinnützigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kult- und Diözesanvereine. 1346<br />
Son<strong><strong>de</strong>r</strong>best<strong>im</strong>mungen gelten jedoch für<br />
die östlichen Départements: Hier wer<strong>de</strong>n katholische Geistliche aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Weitergeltung<br />
<strong>de</strong>s Napoleonischen Konkordats nach wie vor vom Staat besol<strong>de</strong>t.<br />
In Griechenland existiert keine Kirchensteuer; vielmehr muß je<strong>de</strong> Religionsgemeinschaft –<br />
mit Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Griechisch-Orthodoxen Kirche – ihre Ausgaben durch Spen<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> durch<br />
Einkünfte aus Grundbesitz selbst <strong>de</strong>cken. Die Finanzen <strong><strong>de</strong>r</strong> vorherrschen<strong>de</strong>n Kirche wer<strong>de</strong>n<br />
dagegen fast gänzlich vom Staat übernommen durch Subventionen, Besoldung und<br />
Pensionszahlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Geistlichen sowie Steuerbefreiungen. 1347<br />
In Irland legt Art. 44 Abs. 2 Ziff. 2 Irl.Verf. fest, daß keiner Religionsgemeinschaft eine<br />
finanzielle Unterstützung gewährt wer<strong>de</strong>n darf. Aus diesem Grun<strong>de</strong> müssen Kirchen und<br />
religiöse Gruppen die finanziellen Mittel für die Errichtung und <strong>de</strong>n Unterhalt von<br />
Gotteshäusern ebenso wie für die Bezahlung von Pastoren eigenhändig aufbringen. Lediglich<br />
eine staatliche Unterstützung an kirchliche Privatschulen wird nicht ausgeschlossen, wobei<br />
1341 Dübeck, Fn. 133, S. 56.<br />
1342 Einzelheiten bei Heikkilä/Knuutila/Scheinin, Fn. 147, S. 314.<br />
1343 Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 139 f., 149.<br />
1344 Vgl. Puza, Fn. 1315, S. 183 f.<br />
1345 Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 143.<br />
1346 Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 149 f.<br />
1347 Papastathis, Fn. 141, S. 92 f.
336<br />
diese allerdings nach Art. 44 Abs. 2 Ziff. 4 Irl. Verf. nicht hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Leitung durch<br />
verschie<strong>de</strong>ne Religionsbekenntnisse differenzieren darf. Immerhin wer<strong>de</strong>n Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften von <strong><strong>de</strong>r</strong> Schenkungs- und Erbschaftsteuer befreit. 1348<br />
In Italien trägt <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat die finanziellen Lasten, die durch die Unterrichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen<br />
Religionslehre in Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten, Grundschulen und höheren Schulen entstehen. Aufwendungen<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Religionsgemeinschaften wer<strong>de</strong>n dagegen nicht get<strong>ra</strong>gen, selbst wenn diese staatliche<br />
Anerkennung gefun<strong>de</strong>n haben. 1349 Im übrigen genießen die anerkannten kirchlichen<br />
Körperschaften steuerliche Vergünstigungen; auch sind Spen<strong>de</strong>n an diese steuerlich absetzbar.<br />
1350<br />
Erwähnung fin<strong>de</strong>n soll an dieser Stelle etwas ausführlicher die seit <strong>de</strong>m 1. Januar 1990 in<br />
Italien – teilweise gegen <strong>de</strong>n Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Bischöfe – eingeführte Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit,<br />
welche die am 31. Dezember 1986 weggefallene staatliche Zahlung <strong><strong>de</strong>r</strong> congrua an die<br />
Geistlichen partiell kompensieren sollte. Je<strong><strong>de</strong>r</strong> italienische Steuerpflichtige – unabhängig von<br />
seiner Kirchenzugehörigkeit – kann bei <strong><strong>de</strong>r</strong> jährlichen Einkommensteuererklärung durch<br />
Ankreuzen eines mehrerer Kästchen wählen, wem er 0,8 % <strong><strong>de</strong>r</strong> von ihm zu entrichten<strong>de</strong>n<br />
Einkommensteuer (IRPEF) zukommen lassen will. 1351 So kann er diese alternativ <strong>de</strong>m<br />
Italienischen Staat für außeror<strong>de</strong>ntliche Maßnahmen gegen <strong>de</strong>n Hunger in <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gegen Naturkatastrophen bzw. zur Flüchtlingshilfe o<strong><strong>de</strong>r</strong> zur Erhaltung von Kulturgütern<br />
zukommen lassen. Er hat aber auch die Möglichkeit, die sog. otto per mille <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Röm.-Kath. Kirche für gottesdienstliche Zwecke, <strong>de</strong>n Unterhalt <strong>de</strong>s Klerus o<strong><strong>de</strong>r</strong> für <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
karitative Maßnahmen bzw. einer <strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen sechs Konfessionen zuzuwen<strong>de</strong>n, die vom<br />
Italienischen Staat als kirchliche Körperschaft anerkannt sind. 1352<br />
Soweit vom Steuer-<br />
pflichtigen keine Wahl getroffen wur<strong>de</strong>, wird <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong> Anteil an <strong><strong>de</strong>r</strong> IRPEF<br />
proportional auf die verschie<strong>de</strong>nen Empfänger nach <strong>de</strong>m Prozentsatz <strong><strong>de</strong>r</strong>er, die eine Wahl<br />
1348<br />
Vgl. Casey, Fn. 166, S. 177.<br />
1349<br />
Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 195 f.<br />
1350<br />
Vgl. <strong>im</strong> einzelnen Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 201 f.<br />
1351<br />
Hierzu kam es durch <strong>de</strong>n <strong>ra</strong>tifizierten konkordatsähnlichen Zusatzvert<strong>ra</strong>g vom 15.11.1984,<br />
vgl. zu <strong>de</strong>n Einzelheiten: Puza, Fn. 1315, S. 189 f.<br />
1352<br />
Vgl. hierzu die prozentualen Aufteilungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahre 1990 – 1993 bei Petersen, Fn. 1338,<br />
S. 40 f. Diese zeigt, daß die Steuerpflichtigen durch ihre Wahl inzwischen weniger <strong>de</strong>n<br />
Staat (1993: 17,7 %) als vielmehr die Religionsgemeinschaften (Röm.-Kath. Kirche:<br />
79,8 %; Adventisten: 2,0 %; Pfingstler: 0,5 %) unterstützen, wobei sich die t<strong>ra</strong>nsparente<br />
Rechnungslegung positiv auf die Mitve<strong>ra</strong>ntwortung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> auswirkt, vgl.<br />
Petersen, a.a.O., S. 41; sowie Puza, Fn. 1315, S. 191.
337<br />
getroffen haben, aufgeteilt. 1353 Darüber hinaus existiert durch die offerta <strong>de</strong>ducibile die<br />
Möglichkeit, freiwillige persönliche und konkrete Beträge an die Kirchen zu leisten, die<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um bis zu einem best<strong>im</strong>mten Bet<strong>ra</strong>g steuerlich absetzbar sind. 1354<br />
In Luxemburg wer<strong>de</strong>n die kirchlichen Amtsträger (Bischöfe, Priester und Laien) aller staatlich<br />
anerkannten Religionsgemeinschaften aufgrund Art. 106 Lux.Verf. ebenso wie in Belgien<br />
durch <strong>de</strong>n Luxemburgischen Staat unterhalten. 1355<br />
In <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n finanzieren sich die Röm.-Kath. und Evangelische Kirche zu 70 % aus<br />
freiwilligen Spen<strong>de</strong>n und Kollekten, welche die einzelnen Kirchengemein<strong>de</strong>n erhalten, z.T.<br />
aber an die Gesamtkirche weiterleiten. Seit 1981 wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n die Besoldung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Geistlichen, die Pensionen, Studiengel<strong><strong>de</strong>r</strong> und Verwaltungskosten nicht mehr vom<br />
Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen Staat übernommen, da diese Staatsleistungen (<strong>de</strong> on<strong><strong>de</strong>r</strong>schei<strong>de</strong>n<br />
kerkgenootschappen) seit diesem Zeitpunkt durch eine Einmalzahlung in Höhe von 250 Mio.<br />
Gul<strong>de</strong>n an die berechtigten Kirchen abgegolten wur<strong>de</strong>n. 1356 Der Staat unterstützt finanziell<br />
jedoch nach wie vor karitative Einrichtungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen ebenso wie konfessionelle<br />
Schulen. 1357<br />
In Österreich können Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>garten und Privatschulen in kirchlicher Trägerschaft finanziell<br />
geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n. 1358 Außer<strong>de</strong>m leistet die Republik Österreich aufgrund vert<strong>ra</strong>glicher<br />
Vereinbarungen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Basis <strong>de</strong>s Art. 26 <strong>de</strong>s Staatsvert<strong>ra</strong>gs von 1955 an einige Religionsgemeinschaften<br />
zur Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gutmachung finanzieller Schä<strong>de</strong>n während <strong><strong>de</strong>r</strong> NS-Zeit in nicht<br />
unbeträchtlicher Höhe Entschädigungsleistungen und för<strong><strong>de</strong>r</strong>t überdies die Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften durch Steuerbegünstigungen. 1359<br />
Schließlich sind die Römisch-<br />
Katholische, Altkatholische und Evangelische Kirche aufgrund <strong>de</strong>s nationalsozialistischen<br />
Kirchenbeit<strong>ra</strong>gsgesetzes vom 1. Mai 1939 – dieses war von seiner Zielrichtung her zur<br />
Zerschlagung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen gedacht, bewirkte in <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis jedoch eher das Gegenteil – zur<br />
Erhebung von Kirchenbeiträgen ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> berechtigt, wobei die aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1353<br />
Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 200. Die Baptistengemein<strong>de</strong>n haben ebenso wie die jüdischen Gemein<strong>de</strong>n<br />
auf die Zuwendungsmöglichkeit verzichtet; die vier übrigen anerkannten Bekenntnisse<br />
verwen<strong>de</strong>n diese Einkünfte ausschließlich für soziale und humanitäre Maßnahmen, da sie<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung sind, die Finanzierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche und ihrer Geistlichen müsse allein durch<br />
freiwillige Spen<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Gläubigen sichergestellt wer<strong>de</strong>n, vgl. Fer<strong>ra</strong>ri, a.a.O., S. 201.<br />
1354<br />
Vgl. Puza, Fn. 215, S. 69 f.<br />
1355<br />
Vgl. Pauly, Fn. 199, S. 225.<br />
1356<br />
Vgl. zu <strong>de</strong>n Einzelheiten Walf, Fn. 170, S. 96 f.<br />
1357<br />
Vgl. Petersen, Fn. 1315, S. 81; Walf, Fn. 170, S. 97.<br />
1358<br />
Vgl. Potz, Fn. 206, S. 264 f.<br />
1359<br />
Potz, Fn. 206, S. 273 ff.
338<br />
Beit<strong>ra</strong>gsanordnung nicht geleisteten Beit<strong>ra</strong>gsrückstän<strong>de</strong> grds. auf <strong>de</strong>m Zivilrechtsweg geltend<br />
gemacht wer<strong>de</strong>n können. 1360<br />
Hiernach wer<strong>de</strong>n 1,15 % <strong>de</strong>s zu versteuern<strong>de</strong>n Einkommens<br />
direkt von <strong>de</strong>n Diözesen eingezogen. Zwar ist insofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwaltungsaufwand höher als<br />
be<strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Kirchensteuersystem; <strong>im</strong> Unterschied zu letzterem entsteht hierdurch aber<br />
keine Kollision mit <strong>de</strong>n religiösen Freiheitsrechten An<strong><strong>de</strong>r</strong>sgläubiger.<br />
In Portugal muß sich die Kirche neben einem Spen<strong>de</strong>n- und Kollektensystem <strong>im</strong> wesentlichen<br />
aus <strong>de</strong>n Erträgen kircheneigener Besitzungen finanzieren, da hier kein System öffentlicher<br />
Subventionierung von Religionsgemeinschaften besteht; allerdings gehört <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath.<br />
Kirche in Portugal rund 20 % <strong><strong>de</strong>r</strong> landwirtschaftlich genutzten Fläche. 1361 Im übrigen<br />
profitiert diese – <strong>im</strong> Gegensatz zu allen übrigen Kirchen und Religionsgemeinschaften – von<br />
großzügigen Steuerbefreiungen. 1362<br />
In Schwe<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> seit <strong>de</strong>m 1. Januar 2000 die bisher bestehen<strong>de</strong> Gemein<strong>de</strong>kirchensteuer 1363<br />
durch einen Kirchenbeit<strong>ra</strong>g ersetzt, <strong><strong>de</strong>r</strong> jedoch, ähnlich wie die <strong>de</strong>utsche KiSt, über das<br />
allgemeine Steuersystem erhoben wird. Diese Möglichkeit wird an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Konfessionen<br />
ebenfalls eröffnet. 1364<br />
In Spanien 1365 wur<strong>de</strong> zur Ablösung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatszuwendungen, welche zur Entschädigung <strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> 2. Hälfte <strong>de</strong>s 19 Jh. statthaben<strong>de</strong>n Säkularisationen gezahlt wur<strong>de</strong>n, am 3. Januar 1979 ein<br />
Vert<strong>ra</strong>g zwischen <strong>de</strong>m Hl. Stuhl und <strong><strong>de</strong>r</strong> spanischen Regierung geschlossen, <strong><strong>de</strong>r</strong> ein<br />
dreiphasiges Kirchenfinanzierungsmo<strong>de</strong>ll vorsieht: In <strong><strong>de</strong>r</strong> 1. Phase sollte die Röm.-Kath.<br />
Kirche noch gänzlich durch <strong>de</strong>n spanischen Staat finanziert wer<strong>de</strong>n. Die zweite Phase, in die<br />
1988 eingetreten wur<strong>de</strong>, geht vom Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Doppelfinanzierung aus. Konkret heißt das, daß<br />
zunächst <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuerpflichtige wie i.R.d. italienischen Kultussteuer eine Zweckbest<strong>im</strong>mung<br />
darüber trifft, ob 0,5239 % seiner Einkommensteuer <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber<br />
sonstigen sozialen Zwecken zugeführt wer<strong>de</strong>n soll. Problematisch hierbei ist, daß diese<br />
gebun<strong>de</strong>ne Einkommensteuer – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als be<strong>im</strong> italienischen Mo<strong>de</strong>ll <strong><strong>de</strong>r</strong> otto per mille – nur<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche, nicht aber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften zugeführt wer<strong>de</strong>n<br />
Wird von <strong>de</strong>n Steuerpflichtigen keine Wahl über die Verwendung <strong>de</strong>s<br />
darf. 1366<br />
1360<br />
Potz, Fn. 206, S. 274.<br />
1361<br />
Vgl. Petersen, Fn. 1315, S. 79.<br />
1362<br />
Vgl. Canas, Fn. 202, S. 297.<br />
1363<br />
Ärmere Kirchengemein<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n hierbei über Ausgleichszuschüsse kirchengemeindlicher<br />
Kirchenfinanzierungsfonds unterstützt, vgl. Schött, Fn. 149, S. 328.<br />
1364<br />
Schött, Fn. 149, S. 325 f.<br />
1365<br />
Vgl. hierzu Ibán, Fn. 220, S. 117 ff.; Petersen, Fn. 1338, S. 42 ff.<br />
1366<br />
Die EKMR, BNr. 17522/90, E. v. 10.1.1992, DR 72, S. 256 ff., hat in<strong>de</strong>s in einem<br />
vergleichbaren Fall eine Diskr<strong>im</strong>inierung aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion hinsichtlich einer auf
339<br />
Son<strong><strong>de</strong>r</strong>bet<strong>ra</strong>ges getroffen, so wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Bet<strong>ra</strong>g nicht etwa wie in Italien proportional aufgeteilt,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist vom Staat für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e soziale Zwecke zu verwen<strong>de</strong>n. Darüber hinaus erhält die<br />
katholische Kirche <strong>de</strong>n nicht durch die Kultussteuer abge<strong>de</strong>ckten Finanzbedarf direkt aus<br />
staatlichen Haushaltsmitteln. 1367 Eine dritte Phase sieht eigentlich <strong>de</strong>n Wegfall <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Staatsleistungen vor, wobei <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Einkommensteuer<br />
zugewen<strong>de</strong>te Prozentsatz pa<strong>ra</strong>llel zum italienischen Mo<strong>de</strong>ll auf min<strong>de</strong>stens 0,8 % erhöht<br />
wer<strong>de</strong>n müßte, um <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche ausreichen<strong>de</strong> Einnahmen zu sichern. Erwähnt sei<br />
noch, daß die Spanische Regierung überdies Lehrer an konfessionellen Schulen sowie<br />
Anstaltsgeistliche unterstützt; dies gilt jedoch nur für die katholische Kirche 1368<br />
Im Vereinigten Königreich dagegen genießen Kirchen zwar einige Steuerbefreiungen, jedoch<br />
existieren keine Zahlungen <strong>de</strong>s Staates für die Gehälter und Pensionen <strong>de</strong>s Klerus o<strong><strong>de</strong>r</strong> für die<br />
Betriebskosten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen. Lediglich zur Erhaltung historischer Gebäu<strong>de</strong> vergibt <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat<br />
Zuschüsse. 1369<br />
Die Ausgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen wer<strong>de</strong>n daher zu über 90 % durch Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>-<br />
beiträge sowie durch eigenes Vermögen ge<strong>de</strong>ckt, das allerdings nicht unerheblich ist, da –<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als in vielen europäischen Mitgliedstaaten – <strong>im</strong> Vereinigten Königreich keine<br />
Säkularisationen stattfan<strong>de</strong>n.<br />
In <strong>de</strong>n ehemaligen kommunistischen Staaten Osteuropas, die als Beitrittskandidaten vor <strong>de</strong>n<br />
Toren <strong><strong>de</strong>r</strong> EU stehen, ist eine Selbstfinanzierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen ge<strong>ra</strong><strong>de</strong>zu selbstverständlich. So<br />
will <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>ger Kardinal Miroslav Vlk die Finanzierung <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche unabhängig<br />
vom Tschechischen Staat sichern, da diese in <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialistischen Unterdrückung auch ohne<br />
viel Geld überlebt habe. 1370 Vlks Position könnte insofern auch für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Kirchen Europas<br />
wegweisend sein, als ihm als Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s CCEE 1371 eine nicht unerhebliche Vorbildfunktion<br />
zukommt. Auch in Polen und Ungarn finanziert sich die katholische Kirche durch freiwillige<br />
Beiträge und Spen<strong>de</strong>n und erhält keine Unterstützung von Seiten <strong>de</strong>s Staates, 1372 sieht man<br />
von <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultussteuer in Ungarn einmal ab. 1373<br />
ein Konkordat zurückzuführen<strong>de</strong>n steuerlichen Son<strong><strong>de</strong>r</strong>behandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche<br />
in Spanien abgelehnt, vgl. Frowein/Peukert, Fn. 679, Art. 14, Rdnr. 43.<br />
1367<br />
Vgl. Petersen, Fn. 1315, S. 80.<br />
1368<br />
Einzelheiten bei Ibán, Fn. 220, S. 118 f.<br />
1369<br />
McClean, Fn. 136, S. 347 f.<br />
1370<br />
Riedlaicher, PNP Nr. 260 vom 11.11.1996, S. 3.<br />
1371<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen B.III.1.c).<br />
1372<br />
Vgl. Orszulik, Fn. 753, S. 103, Leitsatz 4; Erdö, Fn. 753, S. 149, LS 4.<br />
1373<br />
S. hierzu sogleich unten Fn. 1382.
340<br />
3. Ergebnis und Folgerung<br />
Es kann festgehalten wer<strong>de</strong>n, daß die Kirchenfinanzierung auf <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Ebene<br />
in stark differieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise geregelt ist. <strong>Das</strong> Kirchensteuersystem stellt dabei nur eine von<br />
etwa sechs bis sieben verschie<strong>de</strong>nen Möglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenfinanzierung dar, die in <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten häufig miteinan<strong><strong>de</strong>r</strong> kombiniert wer<strong>de</strong>n. 1374<br />
<strong>Das</strong> ursprünglichste, auf Gemein<strong>de</strong>beträgen und Spen<strong>de</strong>n beruhen<strong>de</strong> christliche<br />
Kirchenfinanzierungssystem, ist heute nicht etwa überholt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wird beispielsweise in <strong>de</strong>n<br />
Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n und Irland, in F<strong>ra</strong>nkreich, in <strong>de</strong>n bisher kommunistisch beherrschten Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Mittel- und Osteuropas, z.T. in Großbritannien und Portugal, aber auch in Freikirchen und<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen sowie überwiegend in <strong>de</strong>n USA p<strong>ra</strong>ktiziert. 1375 Eine<br />
Kirchenfinanzierung aus Gebühren hatte bislang in <strong>de</strong>n lutherischen Staatskirchen<br />
Skandinaviens einige Be<strong>de</strong>utung, da Pfarreien zugleich als unterste staatliche<br />
Verwaltungsbehör<strong>de</strong> fungierten und als solche Verwaltungsakte vornehmen konnten. Mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
zunehmen<strong>de</strong>n Trennung von Staat und Kirche ist diese Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenfinanzierung i.R.d.<br />
EU ebensowenig repräsentativ wie eine staatliche Al<strong>im</strong>entation <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche, wie sie z.B.<br />
Dänemark und Griechenland als Mitgliedstaaten mit echtem Staatskirchentum kennen. Die<br />
Entstehung <strong><strong>de</strong>r</strong> EU aus einer Wirtschaftsgemeinschaft he<strong>ra</strong>us zeigt <strong>de</strong>utlich auf, daß eher <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Trennungs-, als <strong><strong>de</strong>r</strong> Inkorpo<strong>ra</strong>tionsvariante auf Gemeinschaftsebene die Zukunft gehört.<br />
Daneben ist die Kirchenfinanzierung durch eigenes Vermögen zu erwähnen. Dieser kommt<br />
zwar künftig eine gewisse Be<strong>de</strong>utung zu, sofern die einzelnen Religionsgemeinschaften einen<br />
beträchtlichen Vermögensstamm (Grundbesitz etc.) besitzen, was in Anbet<strong>ra</strong>cht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Säkularisationen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit zumeist nicht mehr <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist. 1376<br />
Daher wird diese<br />
1374<br />
Vgl. hierzu Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len, Die unterschiedlichen Systeme <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenfinanzierung in Europa, in:<br />
Fahr (Hrsg.), Fn. 118, S. 36 ff.<br />
1375<br />
Vgl. Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len, Fn. 1374, S. 39 ff. Dabei haftet <strong>de</strong>m Spen<strong>de</strong>n- und Kollektensystem nicht<br />
system<strong>im</strong>manent als wesentlicher Nachteil an, daß viele Geber pr<strong>im</strong>är die eigene Pfarrei<br />
unterstützen und somit ein Finanzgefälle zwischen finanzkräftigen und -armen Pfarreien<br />
bzw. eine Vernachlässigung überregionaler Aufgaben eintreten muß, so aber Kleindienst/<br />
Bin<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 1333, S. 201. Ohne weiteres könnte trotz <strong>de</strong>s Spen<strong>de</strong>nsystems ein Finanzausgleich<br />
zwischen <strong>de</strong>n Pfarreien o<strong><strong>de</strong>r</strong> Diözesen durchgeführt wer<strong>de</strong>n, wie dies in Schwe<strong>de</strong>n<br />
bislang mit guten Erfahrungen p<strong>ra</strong>ktiziert wird, vgl. Schött, Fn. 149, S. 328. Auch wäre<br />
<strong>de</strong>nkbar, daß fixe Beträge seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Kirchengemein<strong>de</strong>n zugunsten überregionaler<br />
Einrichtungen abgeführt wer<strong>de</strong>n, so z.B. bei vielen Freikirchen in Deutschland.<br />
1376<br />
So wäre das Kapitalvermögen <strong><strong>de</strong>r</strong> Bayerischen Evangelisch-Lutherischen Lan<strong>de</strong>skirche in<br />
Höhe von ca. 245 Mio. DM bereits nach rund vier Monaten aufgeb<strong>ra</strong>ucht, wenn man allein<br />
hiervon die laufen<strong>de</strong>n Personalkosten abzu<strong>de</strong>cken hätte, vgl. Meier, Fn. 1332, S. 114.
341<br />
Finanzierungsform überwiegend ergänzen<strong>de</strong>n Cha<strong>ra</strong>kter haben. Eine sinnvolle<br />
Kirchenfinanzierung durch <strong>de</strong>n Staat kann bei <strong>de</strong>n res mixtae, <strong>de</strong>n gemeinsamen<br />
Angelegenheiten von Staat und Religionsgemeinschaft erfolgen, wie dies beispielsweise i.R.d.<br />
Finanzierung <strong>de</strong>s Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Militär- und<br />
Anstaltsseelsorge geschieht. Allerdings kann auch die staatliche Finanzierung nur eine<br />
ergänzen<strong>de</strong> sein, da auch für diejenigen (innerkirchlichen) Angelegenheiten, die keine<br />
gemeinsame Angelegenheit von Staat und Kirche mehr darstellen, ebenfalls eine Finanzierung<br />
gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n muß.<br />
Damit bleibt – neben <strong>de</strong>m meinerseits favorisierten Mo<strong>de</strong>ll einer Kirchenfinanzierung durch<br />
freiwillige Gemein<strong>de</strong>beiträge und Spen<strong>de</strong>n 1377<br />
– als Mo<strong>de</strong>ll, das sich <strong>im</strong> Falle einer stärkeren<br />
Vergemeinschaftung <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s auf Gemeinschaftsebene, wie auch i.R.d. faktischen<br />
Angleichung künftig in Europa etablieren könnte, nur die staatliche Besteuerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger<br />
zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften zu nennen.<br />
Hierbei muß unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n zwischen <strong>de</strong>m starren Kirchensteuersystem einerseits, wie<br />
es sich in Deutschland und in <strong>de</strong>n skandinavischen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n he<strong>ra</strong>usgebil<strong>de</strong>t hat – wobei das<br />
Kirchensteuersystem in Schwe<strong>de</strong>n allerdings <strong>de</strong>m eines Kirchenbeit<strong>ra</strong>gs angenähert ist 1378 –<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> flexiblen Kultussteuer an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits, wie sie insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Spanien seit En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 80er<br />
bzw. Italien seit Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre kennen. 1379<br />
Die Kultussteuer ist gegenüber <strong>de</strong>m herkömmlichen Kirchensteuersystem insofern flexibler,<br />
als sie <strong>de</strong>m Bürger die Wahl beläßt, ob er einen best<strong>im</strong>mten Teil seiner Steuer einer<br />
anerkannten Kirche zuwen<strong>de</strong>n will o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber hiermit sonstige soziale o<strong><strong>de</strong>r</strong> kulturelle Zwecke<br />
för<strong><strong>de</strong>r</strong>n will, d.h. in gewisser Weise auch <strong>de</strong>m Freiwilligkeitsaspekt Rechnung trägt. Auch in<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>en europäischen Staaten, wie z.B. in Österreich 1380 , <strong><strong>de</strong>r</strong> Schweiz 1381 sowie Ungarn 1382<br />
1377<br />
Die Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sbürger befürwortet schon seit langem die Abschaffung <strong>de</strong>s<br />
heutigen Kirchensteuersystems zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung eines Systems, bei <strong>de</strong>m sich die<br />
Kirchen durch freiwillige Zahlungen ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> finanzieren, vgl. SPIEGEL-Umf<strong>ra</strong>ge,<br />
in: DER SPIEGEL Nr. 25/1992, S. 36 ff., 57. Nach dieser Umf<strong>ra</strong>ge sp<strong>ra</strong>chen sich 1992<br />
64 % für freiwillige Zahlungen aus (ggü. 35 % <strong>im</strong> Jahre 1980). Heute wären die Zahlen<br />
sicherlich noch signifikanter.<br />
1378<br />
Vgl. v. Campenhausen, Fn. 74, S. 392.<br />
1379<br />
<strong>Das</strong> italienische Mo<strong>de</strong>ll hat <strong>im</strong> Vergleich zum spanischen <strong>de</strong>n entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Vorteil, die<br />
Parität <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen anerkannten Religionsgemeinschaften sicherzustellen. Im übrigen<br />
erscheint <strong><strong>de</strong>r</strong> spanische Prozentsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> für die Kirche best<strong>im</strong>mten Mehrwertsteuer allzu<br />
niedrig.<br />
1380<br />
Vgl. Potz, Fn. 206, S. 273, dort Fn. 45.<br />
1381<br />
Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>berger, Fn. 80, S. 298.
342<br />
und Polen 1383 bestehen Überlegungen einer Übernahme dieses fortschrittlichen Systems, das<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Selbstve<strong>ra</strong>ntwortung mündiger Bürger eher gerecht wird als eine starre, die Freiwilligkeit<br />
<strong>de</strong>s Gebens allenfalls sehr mittelbar berücksichtigen<strong>de</strong> Kirchensteuer. 1384<br />
Der große Vorteil <strong>de</strong>s KiSt-Systems, nicht von <strong><strong>de</strong>r</strong> Verbun<strong>de</strong>nheit <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen<br />
Gemein<strong>de</strong>glie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche abhängig zu sein, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>n „Säumigen und Geizigen“<br />
gleichsam als Kirchenfinancier he<strong>ra</strong>nziehen zu können, 1385<br />
erweist <strong>de</strong>n KiSt erheben<strong>de</strong>n<br />
Großkirchen nur kurzfristig einen Freundschaftsdienst. Auch entbehrt das Argument, daß es<br />
1382 Inzwischen hat die Kultussteuer auch in <strong>de</strong>m Beitrittskandidaten Ungarn einen konkreten<br />
Nachahmer gefun<strong>de</strong>n, vgl. FAZ Nr. 140 vom 20.6.1997, S. 8. So kann nunmehr je<strong><strong>de</strong>r</strong> ungarische<br />
Steuerzahler 1 % <strong><strong>de</strong>r</strong> zu entrichten<strong>de</strong>n Einkommensteuer einer Religionsgemein-<br />
schaft o<strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinnützigen Organisation zuweisen.<br />
1383 Vgl. Puza, Fn. 1315, S. 194.<br />
1384 Es erscheint allzu weit hergeholt, KiSt erheben<strong>de</strong> Kirchen als „in einem tieferen Sinne<br />
Freiwilligkeitskirchen“ zu bezeichnen, da viele ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> – obwohl keine Kirchgänger<br />
– freiwillig das Band zur Kirche aufrechterhalten wür<strong>de</strong>n, so aber v. Campenhausen,<br />
Fn. 74, S. 281 f. Es ist bekanntermaßen nicht möglich, keine KiSt zu leisten und <strong>de</strong>nnoch<br />
Mitglied in einer <strong><strong>de</strong>r</strong> Volkskirchen zu bleiben; es han<strong>de</strong>lt sich hier um <strong>de</strong>n klassischen<br />
Anwendungsbereich kirchlich-hoheitlichen Verwaltungszwangs. Zu Recht betont daher<br />
Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len, Fn. 1374, S. 50: „In stärkerem Maße als <strong>im</strong> Falle <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuer können sich<br />
die von <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultussteuer profitieren<strong>de</strong>n Kirchen aber auf die Freiwilligkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuerzahler<br />
berufen, die zwar <strong><strong>de</strong>r</strong> Zahlung an sich nicht ausweichen können, die aber nicht aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirche austreten müssen, wenn sie ihre Zahlungen nicht Zwecken <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche zufließen<br />
lassen wollen.“<br />
1385 Dies ist ein be<strong>de</strong>nkenswertes Hauptargument bei Kirchhof, Fn. 1319, S. 55. Ebenso richtig<br />
ist, daß durch die Einbeziehung „geiziger“ Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Überst<strong>ra</strong>pazierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
finanziellen Leistungsk<strong>ra</strong>ft „gebewilliger“ Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n kann, vgl. Kirchhof,<br />
Fn. 1319, S. 63. Allerdings kann auf kirchliche, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e christliche Finanzen nicht<br />
ohne weiteres das in staatsrechtlicher Hinsicht unbe<strong>de</strong>nkliche Prinzip eines non olet ohne<br />
Rücksicht auf die Herkunft <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzquelle angewandt wer<strong>de</strong>n, vgl. Jesaja 1, 11 u. 17. Da<br />
eine „mit Unwillen o<strong><strong>de</strong>r</strong> aus Zwang“ dargeb<strong>ra</strong>chte Gabe nicht besser als gar keine ist (vgl.<br />
2. Kor. 9, 7), darf die höhere Ert<strong>ra</strong>gsk<strong>ra</strong>ft nicht alleiniger Maßstab für die Akzeptanz o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nichtakzeptanz eines Kirchenfinanzierungssystems sein. Eine ärmere, aber konsequente<br />
Kirche wür<strong>de</strong> vermutlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Verkündigung Jesu besser entsprechen und auf die Mitmenschen<br />
überzeugen<strong><strong>de</strong>r</strong> wirken, vgl. Neuner, Thesen zum Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuer aus<br />
dogmatisch-ekklesiologischer Sicht, in: Fahr (Hrsg.), Fn. 118, S. 143 ff., 144, 150. Zugegebenermaßen<br />
könnte sie wohl auch nicht in <strong>de</strong>m Umfange die Aufgaben erfüllen, die eine<br />
Volkskirche erfüllt; es sei <strong>de</strong>nn, es gelänge ihr, in größerem Maße ehrenamtliche Mitarbeiter<br />
zu motivieren.
343<br />
sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultussteuer <strong>im</strong> Gegensatz zur KiSt eine „verkappte Staatsfinanzierung“ 1386<br />
han<strong>de</strong>le, insoweit seiner Grundlage, als ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> in Deutschland in großem Umfange<br />
Staatsleistungen direkt an die Großkirchen t<strong>ra</strong>nsferiert wer<strong>de</strong>n, während die Kultussteuer<br />
alleine von <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuerpflichtigen abhängig ist und ohne je<strong>de</strong> staatliche Beeinflußbarkeit<br />
<strong>de</strong>n Kirchen viel o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch nur wenig Finanzen zur Verfügung stellt. Langfristig muß<br />
– das haben nicht nur die Austrittswellen <strong><strong>de</strong>r</strong> 90er Jahre 1387 und das österreichische<br />
Kirchenvolksbegehren gezeigt – eine innere I<strong>de</strong>ntifikation <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit ihren<br />
Kirchen stattfin<strong>de</strong>n; eine neue Anschubk<strong>ra</strong>ft könnte dabei generell die Aufnahme von<br />
„Elementen <strong><strong>de</strong>r</strong> dynamischeren Freiwilligkeitskirche“ in die „statischere Amtskirche“ sein. 1388<br />
Von einer Akzeptanz <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultussteuer in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bevölkerung ist je<strong>de</strong>nfalls auszugehen, da die<br />
Wahlfreiheit <strong>de</strong>m heutigen plu<strong>ra</strong>listischen Gesellschaftstypus am nächsten kommt 1389 und die<br />
KiSt-Abführungspflicht als conditio sine qua non für eine verwaltungszwangfreie<br />
Kirchenmitgliedschaft nicht kennt. 1390 Aus diesem Grun<strong>de</strong> kann nur bedauert wer<strong>de</strong>n, daß die<br />
KiSt in <strong>de</strong>n neuen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n gegen <strong>de</strong>n Willen vieler Pfarrer eingeführt wur<strong>de</strong>, die bis<br />
zur Wen<strong>de</strong> auf ein funktionieren<strong>de</strong>s System freiwilliger Zahlungen zurückblicken konnten 1391<br />
und auch keine Möglichkeit zur Zahlung einer zweckgebun<strong>de</strong>nen KiSt an best<strong>im</strong>mte<br />
missionarische, karitative o<strong><strong>de</strong>r</strong> diakonische Werke in kirchlicher Trägerschaft besteht.<br />
Weil eine Kultussteuer überdies – wie eine Beit<strong>ra</strong>gserhebung österreichischen Zuschnitts auch<br />
– unnötige Konflikte mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit An<strong><strong>de</strong>r</strong>sgläubiger vermei<strong>de</strong>t, 1392<br />
die infolge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1386<br />
So Petersen, Fn. 1338, S. 44.<br />
1387<br />
Bei 72 % aller Kirchenaustritte wird nach einer vom Institut für Demoskopie in Allensbach<br />
durchgeführten Bef<strong>ra</strong>gung als Motiv hierfür die Existenz <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt angegeben, vgl. Puza, Fn.<br />
1315, S. 188; HK 47 (1993), S. 550 ff. Alleine <strong>im</strong> Jahre 1997 t<strong>ra</strong>ten in Deutschland 124.000<br />
Katholiken und 225.000 Protestanten aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche aus, vgl. Gabriel, Weil sie <strong>im</strong>mer<br />
weniger einnehmen: Auch die Kirchen <strong>de</strong>nken über eine Steuerreform nach, PNP Nr. 164<br />
vom 17.7.1999, S. 2.<br />
1388<br />
Zitat bei Müller-Volbehr, Fn. 24, S. 349.<br />
1389<br />
So auch Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len, Fn. 1374, S. 51.<br />
1390<br />
Vgl. Puza, Fn. 1315, S. 193 f.<br />
1391<br />
Die „Überstülpung“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuer hat in <strong>de</strong>n neuen Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>de</strong>mzufolge zu einer neuen<br />
Flut von Kirchenaustritten geführt, vgl. Müller-Volbehr, Fn. 24, S. 346; P<strong>ra</strong>ntl, Fn. 118,<br />
S. 87.<br />
1392<br />
Ebenso Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 201; Ramler, in: P<strong>ra</strong><strong>de</strong>l, Fn. 1338, S. 335, ist sich ebenso <strong>de</strong>s<br />
Konflikts <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuer mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Glaubens- und Gewissensfreiheit an<strong><strong>de</strong>r</strong>er bewußt,<br />
spricht sich dann allerdings für das Lohnabzugsverfahren mit folgen<strong><strong>de</strong>r</strong>, ehrlicher Begründung<br />
aus: „Man könnte sich sozusagen die Hän<strong>de</strong> in Unschuld waschen und wür<strong>de</strong> doch zu<br />
seinem Geld kommen.“ Zum Konflikt <strong>de</strong>s Lohnabzugsverfahrens mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />
unten K.III.5.c).
344<br />
Angabe <strong>de</strong>s religiösen Bekenntnisses auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Lohnsteuerkarte o<strong><strong>de</strong>r</strong> durch das kirchliche<br />
Mel<strong>de</strong>wesen entstehen, wäre es zu begrüßen, wenn diese sich – neben <strong><strong>de</strong>r</strong> urchristlichen<br />
Finanzierungsform durch freiwillige Spen<strong>de</strong>n 1393 als künftiges europäisches Mo<strong>de</strong>ll <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchenfinanzierung dauerhaft in <strong>de</strong>n einzelnen Mitgliedstaaten etablieren wür<strong>de</strong>. 1394<br />
Abzulehnen wäre dagegen in Deutschland eine Verfassungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, wonach nur von<br />
Konfessionslosen bzw. Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n von Kirchen, welche keine KiSt erheben, eine Kultur-<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sozialsteuer erhoben wür<strong>de</strong>. Eine solche „allgemeine Solida<strong>ra</strong>bgabe“ wur<strong>de</strong> erst vor<br />
kurzem von <strong><strong>de</strong>r</strong> CSU-Landtagsf<strong>ra</strong>ktion für Personen, die aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche ausgetreten sind,<br />
gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t. 1395 <strong>Das</strong> scheinbare Argument, daß diese Gruppe finanziell he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n<br />
müsse, da sie auch ohne KiSt-Zahlung von kirchlichen Einrichtungen – wie z.B. kirchlichen<br />
Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten o<strong><strong>de</strong>r</strong> K<strong>ra</strong>nkenhäusern – profitiere, die durch Kirchengel<strong><strong>de</strong>r</strong> mitfinanziert wor<strong>de</strong>n<br />
seien, läßt u.a. außer Acht, daß es sich mit <strong>de</strong>m Grundgesetz nur schwer vereinbaren läßt,<br />
Bürger mit einer Steuer zu belasten, nur weil sie keine Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> einer best<strong>im</strong>mten<br />
Religionsgemeinschaft sind. 1396<br />
Ebenso abzulehnen ist <strong><strong>de</strong>r</strong> jüngste Vorstoß <strong>de</strong>s Vorsitzen<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bischofskonferenz,<br />
Bischof Karl Lehmann, wonach die Kirchen vom Staat direkt einen Teil <strong>de</strong>s<br />
1393 Kleindienst/Bin<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 1333, S. 204, wür<strong>de</strong>n die Kultussteuer wohl auch akzeptieren,<br />
jedoch nicht anstelle <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n neben ihr, für <strong>de</strong>n Fall <strong><strong>de</strong>r</strong> Ablösung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsleistungen<br />
nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 WRV. Dem kann nicht gefolgt wer<strong>de</strong>n.<br />
1394 Torfs, Fn. 1735, S. 6, zeigt auf, daß Mitgliedschaft und lebenslange Zugehörigkeit zu einer<br />
Kirche nicht mehr die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Faktoren einer künftigen, <strong>de</strong>n Individualismus<br />
för<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Kirche sein wer<strong>de</strong>n. Auch Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len, Fn. 1374, S. 52, sowie Puza, Fn. 1315,<br />
S. 195, räumen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Kirchensteuer <strong>im</strong> europäischen Vergleich weniger Chancen<br />
ein, als <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultussteuer. Zwar kritisiert Marré, Die Kirchensteuer als Pa<strong>ra</strong>digma staatlicher<br />
Kirchenför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, KuR 410, S. 11 ff., 18; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 1338, S. 351, daß dieser Finanzierungsform<br />
eine mitgliedschaftliche Komponente sowie die Verbindlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchensteuerzahlung fehle, welche eine Gleichbehandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
ga<strong>ra</strong>ntiere. M.E. gehört bei<strong>de</strong>s jedoch nicht zwingend zum Wesen christlicher Kirche, vgl.<br />
1. Könige 10, 10 – 12 u. Joh. 19, 39 einerseits bzw. Mt. 6,3 u. Mk. 12, 43 an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits.<br />
1395 PNP Nr. 17 vom 22.1.1999, S. 7.<br />
1396 So zu Recht Feldhoff, Fn. 1326, S. 41 ff., mit weiteren Gegenargumenten. Immerhin muß<br />
eingeräumt wer<strong>de</strong>n, daß Schwe<strong>de</strong>n zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit, als dort noch das Staatskirchentum bestand<br />
(an<strong><strong>de</strong>r</strong>s Art. 137 Abs. 1 WRV), von Nichtmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n aufgrund <strong>de</strong>s Gedankens <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilhabe<br />
an gemeinnützigen Leistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche 30 % <strong>de</strong>s KiSt-Bet<strong>ra</strong>ges erhob, vgl. Petersen,<br />
Fn. 1315, S. 82. Allerdings hat es <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR, Nr. 187 (Darby/Schwe<strong>de</strong>n), E. v. 23.10.1990,<br />
EuGRZ 1990, S. 504, als Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 EMRK angesehen, wenn von Nichtmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
an eine religiöse Organisation Steuern zu zahlen sind.
345<br />
MwSt-Aufkommens erhalten sollten, da die sozialen Leistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen auch <strong>de</strong>n<br />
Bürgern zugute kämen, die keine KiSt zahlten. 1397 Zum einen wür<strong>de</strong> es sich hierbei um wohl<br />
eine gemeinschaftsrechtlich unzulässige staatliche Beihilfe han<strong>de</strong>ln, da sie die<br />
Wettbewerbsfähigkeit kirchlicher gegenüber sonstigen privaten Einrichtungen erhöhen wür<strong>de</strong>.<br />
Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en ist nicht ersichtlich, warum eventuell erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Unterhaltsmehrbeträge nicht<br />
direkt über höhere Nutzungsentgelte auf die konkreten Nutznießer <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen<br />
Einrichtungen umgelegt wer<strong>de</strong>n sollen. 1398 Überdies wird hierin teilweise eine Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsfreiheit gesehen, da <strong><strong>de</strong>r</strong> zur konfessionellen Neut<strong>ra</strong>lität verpflichtete Staat die Mittel,<br />
die er von allen Bürgern zwangsweise erhebt, so einzusetzen habe, daß sie nicht nur<br />
Einwohnern einer best<strong>im</strong>mten Gesinnung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion zugute kommen. 1399<br />
Rechtlich unbe<strong>de</strong>nklich erscheint dagegen eine Koppelung <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt an das Bruttoeinkommen<br />
anstatt wie bisher an die Einkommensteuerschuld, wodurch <strong><strong>de</strong>r</strong> Kreis <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuerzahler<br />
von bisher nur 1/3 <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf ein <strong>de</strong>utlich höheres Niveau ausgeweitet wer<strong>de</strong>n<br />
könnte. 1400<br />
1397 Vgl. Gabriel, Fn. 1387, PNP Nr. 164 vom 17.7.1999, S. 2.<br />
1398 Neumann, Fn. 448, S. 65, weist da<strong>ra</strong>ufhin, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Bau bzw. Ausbau kirchlicher<br />
Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten – ebenso wie be<strong>im</strong> Bau bzw. Ausbau eines städtischen Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gartens –<br />
üblicherweise in vollem Umfang von <strong><strong>de</strong>r</strong> kommunalen Gebietskörperschaft get<strong>ra</strong>gen wür<strong>de</strong>;<br />
auch erhielten kirchliche wie staatliche Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten pro Kind einen jährlichen<br />
Sachkostenzuschuß durch die Kommune in Höhe von ca. DM 300,-. Überdies bestreite das<br />
jeweilige Bun<strong>de</strong>sland ca. 30 %, die Kommune zusätzlich 35 % <strong>de</strong>s laufen<strong>de</strong>n Unterhalts.<br />
<strong>Das</strong> letzte Drittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterhaltsleistungen wer<strong>de</strong> überwiegend durch Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gartenbeiträge<br />
finanziert, so daß <strong><strong>de</strong>r</strong> min<strong>im</strong>ale Kirchensteue<strong>ra</strong>nteil, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit tatsächlich in diese<br />
kirchlichen Einrichtungen fließe – bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> angedachte künftige Anteil aus <strong><strong>de</strong>r</strong> MwSt –<br />
häufig dazu diene, die kirchlichen Einrichtungen gegenüber <strong>de</strong>nen, die allein von <strong>de</strong>n<br />
öffentlichen Haushalten bzw. <strong>de</strong>n Nutzungsgebühren leben müssen, att<strong>ra</strong>ktiver zu machen<br />
und somit einen Konkurrenzvorteil als „Zünglein an <strong><strong>de</strong>r</strong> Waage“ <strong>im</strong> Hinblick auf die Wahl<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> potentiellen Nutznießer schaffe.<br />
1399 Honegger, Fn. 210, S. 45 f. <strong>Das</strong> Argument, das Angebot <strong><strong>de</strong>r</strong> privilegierten Kirchen stün<strong>de</strong><br />
auch Nichtmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n zur Verfügung, überzeugt nur teilweise, da Eltern, die einer Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitenreligion<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar keiner Religion angehören, nicht selten Schwierigkeiten damit<br />
haben, ihre Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> in katholischen Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten einer Heiligen- und Marienverehrung<br />
auszusetzen, die sie selbst aufgrund ihres Glaubens o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihrer Weltanschauung nicht teilen.<br />
1400 Vgl. die aktuelle politische Diskussion bei Gabriel, PNP Nr. 164 vom 17.7.1999, S. 2.
346<br />
4. Auf EU-Ebene<br />
Gemeinschaftsrechtlich nicht unproblematisch ist neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Indienstnahme privater<br />
Arbeitgeber, welche die KiSt gemeinsam mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Lohnsteuer einbehalten und an das<br />
Finanzamt abführen müssen, vor allem das staatliche KiSt-Einzugsverfahren, das g<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong><br />
datenschutzrechtliche Probleme schafft. Gemeinschaftsrechtlich be<strong>de</strong>nklich erscheint es<br />
weiterhin, daß in Deutschland Kirchensteuern und Spen<strong>de</strong>n nur dann abzugsfähig sind, soweit<br />
sie an eine Religionsgemeinschaft geleistet wer<strong>de</strong>n, die inländische juristische Person <strong>de</strong>s<br />
öffentlichen Rechts ist.<br />
Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> divergieren<strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen Behandlung zwischen direkten und<br />
indirekten Steuern, 1401<br />
ist eine Differenzierung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Steue<strong>ra</strong>rten geboten.<br />
a) Indirekte Steuerharmonisierung<br />
Die Gemeinschaft besitzt gemäß Art. 93 (ex-Art. 99) EGV eine Kompetenz zur<br />
Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> indirekten Steuern; hierdurch sollen Wettbewerbsverfälschungen in <strong>de</strong>n<br />
innergemeinschaftlichen Wirtschaftsbeziehungen <strong>de</strong>s Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und<br />
Kapitalverkehrs vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Harmonisierung be<strong>de</strong>utet in diesem Zusammenhang nicht<br />
Vereinheitlichung i.S.v. vollständiger Steueri<strong>de</strong>ntität, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich Festlegung<br />
best<strong>im</strong>mter Min<strong>de</strong>st- und Höchstgrenzen. 1402<br />
Als indirekte Steuern wer<strong>de</strong>n jedoch nur Steuern<br />
angesehen, die an formale Verkehrsvorgänge anknüpfen, wie z.B. Mehrwert- und<br />
Verb<strong>ra</strong>uchssteuern. Die KiSt fällt nicht hierunter.<br />
b) Direkte Steuerharmonisierung<br />
aa) Definition<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt han<strong>de</strong>lt es sich vielmehr – wie bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Einkommensteuer auch – um eine direkte<br />
Steuer, da sie unmittelbar bei <strong>de</strong>mjenigen erhoben wird, <strong>de</strong>n sie wirtschaftlich treffen soll;<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>s ausgedrückt: Steuerzahler und Steuerträger sind bei direkten Steuern i<strong>de</strong>ntisch. 1403<br />
Die Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit liegt nun bei <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt in ihrer Akzessorietät zur Einkommensteuer:<br />
Einerseits kann die Höhe <strong>de</strong>s KiSt-Satzes per se abgeän<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n; an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits wür<strong>de</strong> die<br />
1401<br />
Vgl. nur Bieg, Der Gerichtshof <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften und sein Einfluß auf das<br />
<strong>de</strong>utsche Steuerrecht, S. 27.<br />
1402<br />
Weitere Einzelheiten bei: Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 1439 ff.<br />
1403<br />
Mössner, Einwirkung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts auf die direkten Steuern, S. 113.
347<br />
KiSt aufgrund ihrer Koppelung an die Einkommensteuer in <strong>de</strong>m Maße eine Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
erfahren, in <strong>de</strong>m letztere modifiziert wird. Auch eine Kultussteuer, wie sie in Italien und<br />
Spanien erhoben wird, stellt übrigens eine direkte Steuer dar.<br />
bb) Gemeinschaftskompetenz zum Erlaß von Rechtsvorschriften <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten<br />
Steuern<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Schumacker 1404 hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH unter Bezugnahme auf <strong>de</strong>n Entscheidungstenor einer<br />
früheren Entscheidung 1405 wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt, daß „<strong><strong>de</strong>r</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuer als solcher be<strong>im</strong><br />
gegenwärtigen Stand <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts nicht in die Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />
fällt.“ Der Hauptgrund dafür, daß die Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft eine Kompetenz<br />
hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuern nicht gleichzeitig mit <strong>de</strong>n indirekten Steuern übert<strong>ra</strong>gen<br />
haben, ist darin zu sehen, daß erstgenannte Steue<strong>ra</strong>rt die Souveränität <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
stärker berührt, zumal sie ein mit <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Rechts- und Gesellschaftsordnung eng<br />
verflochtenes und beliebtes politisches Lenkinstrument <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaft ist, wie es in <strong>de</strong>m<br />
illust<strong>ra</strong>tiven Sinnspruch „The power to tax is the power to govern“ 1406<br />
zum Ausdruck kommt.<br />
Ein Steuerfindungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft i.S.d. Steuergesetzgebungshoheit besteht daher<br />
grundsätzlich nicht – we<strong><strong>de</strong>r</strong> auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Einkünfte natürlicher Personen, wie z.B. <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Einkommensteuer, noch für die KiSt o<strong><strong>de</strong>r</strong> für die Einführung einer Kultussteuer italienischen<br />
Zuschnitts.<br />
Unabhängig von <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, daß eine Gemeinschaftskompetenz zur Harmonisierung<br />
direkter Steuern prinzipiell nicht besteht, bewirkt <strong><strong>de</strong>r</strong>en ten<strong>de</strong>nzielle Verlagerung hin zu <strong>de</strong>n<br />
indirekten Steuern 1407 eine sukzessive Vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt-Einnahmen. Maßgebend<br />
hierfür ist mitunter die Gemeinschaftskompetenz zur Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen<br />
Mehrwertsteuersysteme. 1408<br />
1404 EuGH, Rs. C-279/93 (FA Köln-Altstadt/Roland Schumacker), Slg. 1995, S. I-249 ff., 257,<br />
Rz. 21; vgl. hierzu z.B. <strong>de</strong> Weerth, EG-Recht und direkte Steuern – Jahresübersicht 1996,<br />
RIW 1997, S. 482 ff.<br />
1405 EuGH, Rs. C-249/89 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Slg. 1991, S. I-4585, Rz. 12.<br />
1406 Zitat bei Bieg, Fn. 1401, S. 25; Knobbe-Keuk, Die Einwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeit und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungsfreiheit auf die beschränkte Steuerpflicht, EuZW 1991, S. 649 ff., 650.<br />
1407 Durch die am 19.3.1999 beschlossene Steuerreform wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitzensteuersatz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Einkommensteuer in Deutschland von <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit 53 % schrittweise auf 51 % <strong>im</strong> Jahr 2000 und<br />
48,5 % <strong>im</strong> Jahr 2002 gesenkt, während umgekehrt die MwSt von 14 % über 15 % (ab<br />
1.1.1993) auf 16 % (ab 1.4.1997) angehoben wur<strong>de</strong> und angesichts bestehen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Haushalts<strong>de</strong>fizite weitere Steigerungen zu erwarten sind.<br />
1408 So auch Link, Fn. 100, S. 150; Robbers, Fn. 442, S. 180; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 341, S. 332.
348<br />
cc) Harmonisierungsmaßnahmen bei Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Gemeinsamen Marktes<br />
Ungeachtet <strong><strong>de</strong>r</strong> obigen Ausführungen können nach Art. 94 (ex-Art. 100) EGV gleichwohl<br />
einst<strong>im</strong>mige Harmonisierungsmaßnahmen zur Angleichung <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuern beschlossen<br />
wer<strong>de</strong>n, sofern nationale Systeme <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuererhebung das Funktionieren <strong>de</strong>s<br />
Gemeinsamen Marktes behin<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 1409 So hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH entschie<strong>de</strong>n, daß „die Mitgliedstaaten<br />
die ihnen verbliebenen Befugnisse jedoch unter Wahrung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts ausüben<br />
müssen.“ 1410 Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e dürfen <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Grundfreiheit keine nationalen Rechtsvorschriften <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuern<br />
entgegenstehen. 1411 Dies wäre <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall, soweit eine erheblich unterschiedliche Besteuerung<br />
zwischen zwei Mitgliedstaaten vorläge, da eine solche ein ernsthaftes Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nis für<br />
ausländische <strong>Union</strong>sbürger bzw. für Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong> bei grenzüberschreiten<strong>de</strong>m Bezug 1412 an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Aufnahme einer nichtselbständigen Tätigkeit <strong>im</strong> Inland darstellen wür<strong>de</strong>. 1413<br />
Eine Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuern kann allerdings nur aufgrund von<br />
Art. 94 (ex-Art. 100) EGV 1414 sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> sehr eng gefaßten Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 96 (ex-Art.<br />
101) EGV 1415<br />
erfolgen, wobei bei<strong>de</strong> Normen <strong>im</strong> Gegensatz zu Art. 95 (ex-Art. 100a) EGV<br />
zunächst Einst<strong>im</strong>migkeit <strong>im</strong> Rat vo<strong>ra</strong>ussetzen.<br />
Die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 95 (ex-Art. 100a) Abs. 1 EGV, nach <strong><strong>de</strong>r</strong> eine Harmonisierung von<br />
Rechtsvorschriften schon mit qualifizierter Mehrheit vorgenommen wer<strong>de</strong>n kann, ist gemäß<br />
Art. 95 (ex-Art. 100a) Abs. 2 EGV für die Harmonisierung mitgliedstaatlicher Steuervorschriften<br />
ausdrücklich ausgeschlossen.<br />
Im folgen<strong>de</strong>n soll ein kurzer Überblick über <strong>de</strong>n Entwicklungsstand <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuern <strong>im</strong><br />
Gemeinschaftsrecht vermittelt wer<strong>de</strong>n:<br />
1409<br />
Vgl. hierzu Bieg, Fn. 1401, S. 42; Tsourouflis, Die Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperschaftsteuer<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. u.a. 1997, S. 142 ff.<br />
1410<br />
EuGH, Rs. C-279/93, Fn. 1404, S. I-257, Rz. 21.<br />
1411<br />
EuGH, Rs. C-279/93, Fn. 1404, S. I-266, Rz. 59.<br />
1412<br />
EuGH, Rs. 115/78 (Knoors/Staatssekretär für Wirtschaft), Slg. 1979, S. 399 ff., 410,<br />
Rz. 24/26; Rs. C-107/94 (Asscher/Staatssecretaris van Financiën), Slg. 1996, S. I-3089 ff.,<br />
3123, Rz. 34.<br />
1413<br />
Mössner, Fn. 1403, S. 117.<br />
1414<br />
Vgl. hierzu Tsourouflis, Fn. 1409, S. 182 ff.<br />
1415<br />
Vgl. hierzu Tsourouflis, Fn. 1409, S. 184 ff.
349<br />
(1) Unternehmenssteuern<br />
Die meisten <strong><strong>de</strong>r</strong> auf Art. 94 (ex-Art. 100) EGV gestützten Harmonisierungsmaßnahmen<br />
beschränken sich <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit noch auf <strong>de</strong>n Unternehmensbereich. 1416<br />
Naturgemäß kam es in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vergangenheit hier zu <strong>de</strong>n häufigsten Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s gemeinsamen Marktes.<br />
(2) Einkommensteuer<br />
Im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Besteuerung natürlicher Personen hat die Kommission einen<br />
Richtlinienvorschlag i.R.d. Einkommensteuer 1417<br />
gemacht, <strong><strong>de</strong>r</strong> allerdings bislang nicht<br />
weiterverfolgt wor<strong>de</strong>n ist.<br />
Eine Ten<strong>de</strong>nz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen nationalen<br />
Einkommensteuersysteme läßt sich <strong>im</strong> Augenblick noch nicht erkennen. Jedoch wäre selbst<br />
bei einer Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Einkommensteuer das bestehen<strong>de</strong> Kirchensteuersystem als<br />
solches noch nicht prinzipiell in F<strong>ra</strong>ge gestellt, da <strong>im</strong> Anschluß an eine Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Einkommensteuer, durch welche die direkten Steuern gesenkt wür<strong>de</strong>n, nach wie vor eine<br />
Anhebung <strong>de</strong>s KiSt-Hebesatzes möglich bliebe. 1418 Allerdings müßten hierzu die einzelnen<br />
Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> zust<strong>im</strong>men. Höchst f<strong>ra</strong>glich erscheint es allerdings, ob eine solche Anhebung<br />
politisch durchsetzbar wäre, 1419<br />
da bei vielen Bun<strong>de</strong>sbürgern diesbezüglich eine<br />
„Schmerzgrenze“ erreicht ist; die Anhebung <strong>de</strong>s – <strong>im</strong> europäischen Vergleich ohnehin mit<br />
1416<br />
Vgl. auch Klein/Wolffgang, in: Carl Otto Lenz, EG-Vert<strong>ra</strong>g, Vorbem. Art. 95-99,<br />
Rdnrn. 19 ff.<br />
Ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n i.R.d. direkten Unternehmenssteuern bis dato die sog. „Bilanz-<br />
Richtlinien“, ABl. 1978, Nr. L 222, S. 11 ff.; ABl. 1983, Nr. L 193, S. 1 ff.; ABl. 1984,<br />
Nr. L 126, S. 20 ff., die sog. „Fusionsrichtlinie“ 90/434/EWG, ABl. 1990, Nr. L 225,<br />
S. 1 ff., die „Mutter-Tochter-Richtlinie“ 90/435/EWG, ABl. 1990, Nr. L 226, S. 6 ff., sowie<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Entwurf <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. „Verlust-Richtlinie“, ABl. 1991, Nr. C 53, S. 30 ff. Nähere Einzelheiten<br />
bei Bieg, Fn. 1401, S. 51 ff., sowie Tsourouflis, Fn. 1409, S. 37 ff.<br />
1417<br />
Vorschlag einer Richtlinie <strong>de</strong>s Rates zur Harmonisierung von Regelungen <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Einkommensteuer <strong>im</strong> Hinblick auf die Freizügigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft,<br />
ABl. 1980, Nr. C 21, S. 6 ff., betreffend die Einkünfte von Grenzgängern und nichtansässiger<br />
Arbeitnehmer.<br />
1418<br />
Vgl. Marré, Fn. 1394, S. 17; Starck, Fn. 448, S. 1431. Vgl. zum Nord-Süd-Gefälle be<strong>im</strong><br />
Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern Tsourouflis, Fn. 1409, S. 375 ff.,<br />
sowie die tabellarische Übersicht bei <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 1409, S. 410.<br />
1419<br />
So auch Link, Fn. 100, S. 150; Rüfner, Fn. 448, S. 492.
350<br />
Abstand höchsten – Kirchensteuersatzes 1420 um weitere Prozentpunkte wür<strong>de</strong> gewiß mit<br />
weiteren Austritten quittiert. 1421<br />
(3) Kirchensteuer<br />
Als eine aufgrund nationaler Rechtsvorschriften erlassene direkte Steuer, die gemäß<br />
Art. 94 (ex-Art. 100) EGV harmonisiert wer<strong>de</strong>n könnte, muß auch die KiSt selbst angesehen<br />
wer<strong>de</strong>n, und das selbst dann, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft keine spezielle religionsrechtliche<br />
Kompetenz zukommt. Da allerdings die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten kaum von <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenfinanzierung<br />
über die KiSt Geb<strong>ra</strong>uch gemacht haben und dies auch nicht zu erwarten ist, wird man<br />
eine Harmonisierung in diesem Bereich wohl ausschließen können. 1422 Überdies ist nur<br />
schwer vorstellbar, wie die KiSt, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Aufkommen nur die Kirchen, nicht aber <strong>de</strong>n Staat<br />
begünstigt, Grundfreiheiten <strong>de</strong>s Gemeinsamen Marktes beeinträchtigen soll. 1423<br />
c) Vereinbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung von Arbeitgebern zur KiSt-Abführung mit <strong>de</strong>m<br />
gemeinschaftsrechtlichen Diskr<strong>im</strong>inierungs- und Beschränkungsverbot<br />
Da die Mitgliedstaaten die ihnen verbliebenen Befugnisse unter Wahrung <strong>de</strong>s Gemeinschafts-<br />
rechts ausüben müssen, 1424<br />
sind sie selbst dann zur Beachtung <strong>de</strong>s gemeinschaftlichen<br />
Diskr<strong>im</strong>inierungsverbots verpflichtet, wenn ihnen die Kompetenz zum Erlaß von Vorschriften<br />
bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> direkten Steuern verblieben ist. Als Diskr<strong>im</strong>inierung von ausländischen<br />
<strong>Union</strong>sbürgern bzw. von Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>n bei grenzüberschreiten<strong>de</strong>m Bezug könnte sich <strong>de</strong>shalb die<br />
Verpflichtung privater Arbeitgeber auswirken, die als „verlängerter Arm“ <strong>de</strong>s Fiskus die KiSt<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Lohnsteuer einzubehalten und an die Finanzämter abzuführen haben. Problematisch<br />
ist diese Indienstnahme Privater zumin<strong>de</strong>st aus zwei Gesichtspunkten:<br />
Zum einen wird <strong>de</strong>n Arbeitgebern die hie<strong>ra</strong>us resultieren<strong>de</strong> Meh<strong>ra</strong>rbeit in keiner Form<br />
vergütet, obwohl sie durch das „lautlose Inkasso“ <strong>de</strong>n KiSt erheben<strong>de</strong>n Kirchen originäre<br />
Kirchenverwaltungsaufgaben abnehmen. Während die Großkirchen <strong>de</strong>m Staat 3 – 4 % <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1420<br />
Wenn in Deutschland die KiSt 8 % bzw. 9 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Einkommensteuerschuld beträgt, führt<br />
dies bei einem durchschnittlichen Einkommensteuersatz von 30 % zu einer KiSt in Höhe<br />
von umgerechnet ca. 2,5 % <strong>de</strong>s zu versteuern<strong>de</strong>n Einkommens. In Schwe<strong>de</strong>n dagegen wird<br />
KiSt bislang aus 1,25 %, in Österreich nur aus 1,15 % <strong>de</strong>s steuerpflichtigen Einkommens<br />
erhoben; die italienische bzw. spanische Kultussteuer macht dagegen lediglich 0,8 % bzw.<br />
0,5239 % <strong>de</strong>s zu versteuern<strong>de</strong>n Einkommens aus.<br />
1421<br />
Diese Befürchtung teilt auch Gabriel, Fn. 1387, PNP Nr. 164 vom 17.7.1999, S. 2.<br />
1422<br />
Ähnlich Petersen, Fn. 1315, S. 77.<br />
1423<br />
Ebenso Hollerbach, Fn. 17, S. 279 f.; Starck, Fn. 448, S. 1431.<br />
1424<br />
EuGH, Rs. C-279/93, Fn. 1404, S. I-257, Rz. 21.
351<br />
Kirchensteuereinnahmen als Pauschalbet<strong>ra</strong>g überweisen, wird ein Aufwendungsersatz an die<br />
Arbeitgeber nicht geleistet, obwohl diese bei konsequenter Anwendung <strong>de</strong>s Rechtsgedankens<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> ersparten Aufwendungen einen Anspruch da<strong>ra</strong>uf hätten, von Seiten <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong>n<br />
Kirchen hierfür finanziell entschädigt zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en besteht diese Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber selbst dann, wenn diese die KiSt<br />
aufgrund ihrer persönlichen Glaubensüberzeugung mißbilligen sollten. Daß hier die in<br />
Art. 4 GG grundsätzlich vorbehaltlos gewährleistete Religionsfreiheit, die auch einen status<br />
negativus umfaßt, ohne weiteres gegenüber einem bloßen finanziellen Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Großkirchen, welches nicht einmal in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV ve<strong>ra</strong>nkert ist,<br />
weichen soll, kann nicht vorschnell mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung abgetan wer<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber<br />
leiste seine Pflicht religionsneut<strong>ra</strong>l <strong>de</strong>m Staat und nicht <strong>de</strong>n Kirchen gegenüber; ist doch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Staat in diesem Fall selbst – wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber auch – nur Erfüllungsgehilfe <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche.<br />
Daß die Berechnung und Abführung <strong>im</strong> Zeitalter elektronischer Datenve<strong>ra</strong>rbeitung „p<strong>ra</strong>ktisch<br />
ohne zusätzlichen Aufwand“ zu leisten sei, 1425 zeugt von einer einseitigen Sichtweise.<br />
Bewertet man <strong>de</strong>n Aufwand <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber mit ½ <strong>de</strong>s Aufwan<strong>de</strong>s <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzämter, so<br />
müßten an diese Gruppe korrekterweise ca. 2 % <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt-Einnahmen als Aufwandsentschädigung<br />
abgeführt wer<strong>de</strong>n. 1426 Sofern man aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Annahme einer staatsgerichteten<br />
Pflicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber vertritt, daß die Entschädigung nicht von <strong>de</strong>n Kirchen selbst zu leisten<br />
sei, 1427 müßte in diesem Umfang kirchlicherseits eine Erhöhung <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Aufwandsentschädigung<br />
erfolgen, da es sich bei <strong>de</strong>m KiSt-Einzug <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s Lohnabzugsverfahrens<br />
ansonsten um eine Dienstleistung zu Vorzugsbedingungen und damit um eine unzulässige<br />
Beihilfe han<strong>de</strong>ln könnte. 1428<br />
aa) Tatbestandsvo<strong>ra</strong>ussetzungen einer Diskr<strong>im</strong>inierung<br />
Art. 12 (ex-Art. 6) EGV verbietet in seinem Regelungsbereich je<strong>de</strong> Art von Diskr<strong>im</strong>inierung,<br />
d.h. je<strong>de</strong> unterschiedliche Behandlung zweier vergleichbarer Gruppen, die zu einer<br />
Schlechterstellung für einen „Angehörigen“ einer <strong><strong>de</strong>r</strong> beteiligten Gruppen führt. 1429<br />
Um festzustellen,<br />
ob überhaupt eine Ungleichbehandlung vorliegt, muß i.R.d. Art. 12 (ex-Art. 6) EGV<br />
– ähnlich wie bei Art. 3 Abs. 1 GG – geprüft wer<strong>de</strong>n, ob eine Vergleichsgruppe besteht, die in<br />
tatsächlicher bzw. rechtlicher Hinsicht mit wesentlichen Merkmalen <strong><strong>de</strong>r</strong> betroffenen Gruppe<br />
1425<br />
So Starck, Fn. 448, S. 1432.<br />
1426<br />
Bei ca. 16 Mrd. DM KiSt-Einnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Großkirchen <strong>im</strong> Jahr 1997 wären dies<br />
<strong>im</strong>merhin ca. 320 Mio. DM jährlich.<br />
1427<br />
So Link, Fn. 100, S. 151.<br />
1428<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen unten K.III.6.c)ee).<br />
1429<br />
G<strong>ra</strong>bitz/Hilf/v. Bogdandy, Art. 6, Rdnr. 8.
352<br />
übereinst<strong>im</strong>mt, sodann, ob letztgenannte Gruppe an<strong><strong>de</strong>r</strong>s behan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n ist, als die<br />
Vergleichsgruppe. Um eine unzulässige Diskr<strong>im</strong>inierung han<strong>de</strong>lt es sich, wenn die betroffene<br />
Gruppe gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergleichsgruppe durch die unterschiedliche Behandlung benachteiligt<br />
wird, 1430 wobei auch eine mittelbare Diskr<strong>im</strong>inierung 1431 ausreicht. <strong>Das</strong> dogmatische Konzept<br />
i.R.d. subsidiären Art. 12 (ex-Art. 6) EGV zur Prüfung eines Verstoßes gegen das<br />
Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot ist auf die spezielleren Grundfreiheiten übert<strong>ra</strong>gbar. 1432<br />
Zwar kann aus Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit eine<br />
diskr<strong>im</strong>inieren<strong>de</strong> mitgliedstaatliche Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelung ausnahmsweise gerechtfertigt sein; 1433<br />
nicht hierunter fällt jedoch <strong><strong>de</strong>r</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt.<br />
bb) Subsumtion<br />
<strong>Das</strong> <strong>de</strong>utsche Einkommensteuerrecht orientiert sich heute nur noch sehr selten an <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit,<br />
1434<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n knüpft die Steuerpflicht regelmäßig an die Ansässigkeit <strong>im</strong><br />
Bun<strong>de</strong>sgebiet. Gleiches gilt daher für die KiSt als Anhangsteuer zur Einkommensteuer. Eine<br />
mittelbare Diskr<strong>im</strong>inierung könnte darin erblickt wer<strong>de</strong>n, daß ausländische <strong>Union</strong>sbürger, die<br />
sich in Deutschland als Selbständige nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelassen haben, entschädigungslos KiSt für ihre<br />
Arbeitnehmer abführen müssen, während diese Verpflichtung für Arbeitgeber in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Mitgliedstaaten – z.B. in F<strong>ra</strong>nkreich o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n – nicht besteht. Als relevante<br />
Vergleichsgruppe dürfen jedoch nicht die Arbeitgeber mit einer Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassung in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Mitgliedstaaten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur die übrigen Arbeitgeber in Deutschland he<strong>ra</strong>ngezogen wer<strong>de</strong>n.<br />
Ein in Deutschland nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelassener f<strong>ra</strong>nzösischer Unternehmer wird korrekterweise ebenso<br />
wie ein <strong>de</strong>utscher Unternehmer behan<strong>de</strong>lt, <strong><strong>de</strong>r</strong> die KiSt seiner Arbeitnehmer ebenfalls<br />
entschädigungslos an die Finanzämter abzuführen verpflichtet ist.<br />
cc) Allgemeines Beschränkungsverbot<br />
1430<br />
Vergleiche zu <strong>de</strong>n drei genannten Kriterien (Vergleichsgruppe, unterschiedliche Behandlung,<br />
Benachteiligung) Bieg, Fn. 1401, S. 89.<br />
1431<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen oben unter Fn. 1213.<br />
1432<br />
Bieg, Fn. 1401, S. 92, m.w.N.; EuGH, verb. Rs. 110 u. 111/78 (Ministère public u.<br />
Chambre Syndicale <strong>de</strong>s Agents artistiques et Impresarii <strong>de</strong> Belgique, ASBL/Willy van<br />
Wesemael u.a.), Slg. 1979, S. 35 ff., 52, Rz. 27; Rs. 246/80 (Broekmeulen/Huisarts<br />
Regist<strong>ra</strong>tie Commissie), Slg. 1981, S. 2311 ff., 2329, Rz. 20; Rs. 279/80 (St<strong>ra</strong>fverfahren<br />
gegen Alfred John Webb), Slg. 1981, S. 3305 ff., 3324, Rz. 14.<br />
1433<br />
Vgl. <strong>im</strong> einzelnen Bieg, Fn. 1401, S. 96 ff.<br />
1434<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>s noch § 1 Abs. 3 EStG a.F.
353<br />
<strong>Das</strong> Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot läßt in<strong>de</strong>s unberücksichtigt, daß selbst bei Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>gleichbehandlung<br />
eine faktische Beeinträchtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> wirtschaftlichen Aktivitäten<br />
ausländischer <strong>Union</strong>sbürger gegeben sein kann, da Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse <strong>im</strong> Wirtschaftsverkehr ihren<br />
Ursprung oftmals in <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterschiedlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Rechtsordnungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten haben, für welche – wie z.B. bei <strong>de</strong>n direkten Steuern – eine<br />
Gemeinschaftskompetenz nicht besteht. 1435 Aus diesem Grun<strong>de</strong> ist mittlerweile in Lite<strong>ra</strong>tur<br />
und Rechtsprechung anerkannt, daß die Grundfreiheiten nicht nur ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n darüber hinaus auch ein allgemeines Beschränkungsverbot beinhalten. 1436 Dies<br />
be<strong>de</strong>utet, daß auch nichtdiskr<strong>im</strong>inieren<strong>de</strong> Beschränkungen verboten sind, soweit sie nicht<br />
durch zwingen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> bzw. Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse <strong>de</strong>s Allgemeinwohls gerechtfertigt sind und das<br />
mil<strong>de</strong>ste Mittel zur Zielerreichung darstellen, d.h. verhältnismäßig sind. 1437<br />
(1) Zwingen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Allgemeinwohls<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Gouda 1438<br />
hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH einen ausführlichen Überblick über diejenigen Grün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Allgemeinwohls gegeben, die er bereits in früheren Entscheidungen anerkannt hatte, wobei<br />
hier we<strong><strong>de</strong>r</strong> die KiSt noch eine vergleichbare Materie aufgeführt wird.<br />
Ebenfalls in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Gouda hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH allerdings an späterer Stelle auch eine<br />
mitgliedstaatliche Kulturpolitik als zwingen<strong>de</strong>n Grund <strong>de</strong>s Allgemeininteresses anerkannt,<br />
durch welche die Meinungsfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen gesellschaftlichen, kulturellen,<br />
religiösen und geistigen Strömungen geschützt wer<strong>de</strong>n solle. 1439<br />
Für die vorliegen<strong>de</strong><br />
1435<br />
So auch Bieg, Fn. 1401, S. 93.<br />
1436<br />
Zuerst anerkannte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, daß nichtdiskr<strong>im</strong>inieren<strong>de</strong>, d.h. unterschiedslos auf<br />
inländische und eingeführte Waren angewandte, mitgliedstaatliche Regelungen mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Warenverkehrsfreiheit unvereinbar sein können, vgl. EuGH, Rs. 8/74 (Staatsanwalt/<br />
<strong>Das</strong>sonville), Slg. 1974, S. 837 ff., soweit sie nicht hingenommen wer<strong>de</strong>n müssen, um<br />
zwingen<strong>de</strong>n Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen <strong><strong>de</strong>r</strong> Allgemeinheit gerecht zu wer<strong>de</strong>n; EuGH, Rs. 120/78<br />
(Rewe/Bun<strong>de</strong>smonopolverwaltung für B<strong>ra</strong>nntwein) –„Cassis <strong>de</strong> Dijon“ –, Slg. 1979,<br />
S. 649 ff., 662, Rz. 8, vgl. bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelheiten: Schweitzer/Hummer, Fn. 35,<br />
Rdnrn. 1116 ff., 1134 ff., 1138.<br />
1437<br />
EuGH, Rs. 205/84 (Kommission/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Slg. 1986, S. 3755 ff., 3803,<br />
Rz. 29; Rs. C-55/95 (Gebhard/Consiglio <strong>de</strong>ll‘ Ordine <strong>de</strong>gli Avvocati e Procu<strong>ra</strong>tori di<br />
Milano), Slg. 1995, S. I-4165 ff.; vgl. nur Bieg, Fn. 1401, S. 94; Ja<strong>ra</strong>ss, Elemente einer<br />
Dogmatik <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten, EuR 1995, S. 214 ff.; Schweitzer/Hummer, Fn. 35,<br />
Rdnr. 1075.<br />
1438<br />
EuGH, Rs. C-288/89 (Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda u.a./Commissariaat<br />
voor <strong>de</strong> Media), Slg. 1991, S. I-4007 ff., 4041, Rz. 14.<br />
1439<br />
EuGH, Rs. C-288/89, Fn. 1438, S. I-4043, Rz. 22 f.
354<br />
Problematik kann höchstens entnommen wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>de</strong>n Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Plu<strong>ra</strong>lität<br />
religiöser Auffassungen sicherstellen will. Nicht übert<strong>ra</strong>gen läßt sich das vorgenannte Urteil<br />
auf das Einzugsverfahren <strong>im</strong> wesentlichen zweier Großkirchen, das die Angehörigen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
übrigen Religionsgemeinschaften zur Offenbarung ihrer religiösen Überzeugungen bzw. die<br />
Arbeitgeber zur entschädigungslosen Erfüllungsgehilfentätigkeit – u.U. sogar für eine frem<strong>de</strong><br />
Religionsgemeinschaft – verpflichtet.<br />
Allerdings hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH auch nationale Eigenarten als Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Dienstleistungsverkehrsfreiheit<br />
anerkannt. 1440 Immerhin ließe sich begrün<strong>de</strong>n, daß das KiSt-Einzugsverfahren<br />
über private Arbeitgeber bis En<strong>de</strong> 1999 eine exklusiv <strong>de</strong>utsche Erscheinungsform<br />
darstellte, 1441<br />
wobei es schwerfällt, ein <strong><strong>de</strong>r</strong>artiges rein organisatorisches Proce<strong><strong>de</strong>r</strong>e als<br />
nationale Eigenart einzustufen.<br />
(2) Verhältnismäßigkeit<br />
Ungeachtet <strong>de</strong>s Vorhan<strong>de</strong>nseins eines zwingen<strong>de</strong>n Grun<strong>de</strong>s <strong>de</strong>s Allgemeinwohls, muß sich<br />
die nationale Ausnahmeregelung – ähnlich wie <strong>im</strong> <strong>de</strong>utschen Recht – an <strong>de</strong>m<br />
Beurteilungsmaßstab <strong><strong>de</strong>r</strong> Geeignetheit, Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit und Angemessenheit <strong>im</strong> Hinblick auf<br />
<strong>de</strong>n mit ihr verfolgten Zweck messen lassen. 1442<br />
(i) Geeignetheit<br />
<strong>Das</strong> Lohnabzugsverfahren ist je<strong>de</strong>nfalls geeignet, das nach Art. 140 GG i.V.m.<br />
Art. 137 Abs. 6 WRV zulässige Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchensteuererhebung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlich-rechtlichen<br />
Kirchenkörperschaften zu erreichen.<br />
(ii) Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichkeit<br />
<strong>Das</strong> angestrebte Regelungsziel dürfte nicht durch eine mil<strong><strong>de</strong>r</strong>e, weniger einschnei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Maßnahme, die ebenso wirksam ist, erreicht wer<strong>de</strong>n können. Als solche könnte zum einen die<br />
Kultussteuer, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en ein kircheneigener Einzug <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt angeführt wer<strong>de</strong>n. Anerkannt<br />
ist jedoch, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaat dann, wenn eine Maßnahme unsicherer ist, auch die<br />
1440<br />
EuGH, Rs. 178/84 (Kommission/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland), Slg. 1987, S. 1227 ff.,<br />
1271, Rz. 35.<br />
1441<br />
Seit 1.1.2000 wur<strong>de</strong> das KiSt-Einzugsverfahren auch in Schwe<strong>de</strong>n eingeführt.<br />
1442<br />
Der für Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft gelten<strong>de</strong> Art. 5 (ex-Art. 3b) Abs. 3 EGV ist insoweit<br />
analog anzuwen<strong>de</strong>n.
355<br />
intensivere Maßnahme wählen darf, sofern diese sicherer zum Ziel führt, 1443<br />
wobei<br />
Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV allerdings keine best<strong>im</strong>mte Einnahmenhöhe<br />
ga<strong>ra</strong>ntiert. Anerkanntermaßen wür<strong>de</strong> ein kircheneigener KiSt-Einzug zu geringeren Einnahmen<br />
führen. Die teilweise ins Spiel geb<strong>ra</strong>chten 30 % – 40 % <strong>de</strong>s KiSt-Aufkommens<br />
erscheinen in<strong>de</strong>s bei weitem überhöht, da Österreich trotz gemein<strong>de</strong>eigenen Kirchenbeit<strong>ra</strong>gssystems<br />
lediglich 10 – 15 % an Beitreibungskosten verzeichnet. Wer<strong>de</strong>n letztgenanntem<br />
Bet<strong>ra</strong>g die ersparten Leistungen an Finanzämter und an Arbeitgeber gegenübergestellt – auch<br />
letztere sind konsequenterweise in Abzug zu bringen –, so stellt sich <strong><strong>de</strong>r</strong> finanzielle<br />
Unterschied bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Systeme nicht mehr <strong><strong>de</strong>r</strong>art g<strong>ra</strong>vierend dar.<br />
(iii) Angemessenheit<br />
Soweit man das Lohnabzugsverfahren überhaupt als erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ansieht, dürfte <strong><strong>de</strong>r</strong> zu<br />
erwarten<strong>de</strong> Erfolg <strong><strong>de</strong>r</strong> Maßnahme schließlich nicht außer Verhältnis zur Beeinträchtigung<br />
einer an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechtsposition stehen, wobei Vor- und Nachteile <strong><strong>de</strong>r</strong> beabsichtigten Maßnahme<br />
gegeneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> abzuwägen sind. 1444<br />
Wenn eine direkte Steuer o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Art ihrer Erhebung<br />
gegen die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lassungsfreiheit verstößt, wür<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendungsvor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts gegenüber nationalem Recht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge <strong><strong>de</strong>r</strong> Unanwendbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
innerstaatlichen Best<strong>im</strong>mung eingreifen.<br />
Eine Indienstnahme ausländischer Arbeitgeber wäre m.E. allenfalls dann gerechtfertigt, wenn<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Tätigkeit seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt erheben<strong>de</strong>n Kirchen durch eine aufwandsangemessene<br />
Entschädigungszahlung vergütet wür<strong>de</strong>.<br />
d) Vereinbarkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Abzugsfähigkeit von Spen<strong>de</strong>n und Kirchensteuer mit <strong>de</strong>m allgemeinen<br />
Beschränkungsverbot<br />
aa) Abzugsfähigkeit von Spen<strong>de</strong>n<br />
Als Beschränkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundfreiheiten stellt sich außer<strong>de</strong>m die Tatsache dar, daß in<br />
Deutschland Spen<strong>de</strong>n an Religionsgemeinschaften nur dann als abzugsfähige Son<strong><strong>de</strong>r</strong>ausgaben<br />
zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung kirchlicher Zwecke gemäß Art. 10b EStG anerkannt wer<strong>de</strong>n, soweit sie <strong>de</strong>n<br />
Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>s § 54 AO entsprechen. Hierzu muß die Spen<strong>de</strong> da<strong>ra</strong>uf gerichtet sein, eine<br />
Religionsgemeinschaft, die Körperschaft <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts ist, selbstlos zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Gemäß § 51 S. 2 AO wer<strong>de</strong>n als Körperschaft nur die Körperschaften i.S.d. KStG verstan<strong>de</strong>n.<br />
1443<br />
EuGH, Rs. 9/85 (Nordbutter/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland), Slg. 1986, S. 2831 ff., 2848,<br />
Rz. 15.<br />
1444<br />
EuGH, Rs. 5/73 (Balkan-Import-Export/Hauptzollamt Berlin-Packhof), Slg. 1973,<br />
S. 1091 ff., 1111 f., Rz. 22.
356<br />
§ 1 Abs. 1 KStG setzt vo<strong>ra</strong>us, daß die Körperschaft bzw. Personenvereinigung ihren Sitz <strong>im</strong><br />
Inland hat. Dies benachteiligt die in Deutschland beschäftigten <strong>Union</strong>sbürger eines an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Mitgliedstaats, die ihre kirchliche He<strong>im</strong>atgemein<strong>de</strong> finanziell unterstützen wollen, gegenüber<br />
Inlän<strong><strong>de</strong>r</strong>n und stellt <strong>de</strong>mnach einen Verstoß gegen das allgemeine Beschränkungsverbot<br />
dar. 1445<br />
bb) Abzugsfähigkeit von Kirchensteuer<br />
Eine pa<strong>ra</strong>llele Problematik stellt sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> ausschließlichen Abzugsfähigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt nach<br />
§ 10d EStG i.V.m. § 3 Abs. 1 AO nur für inländische öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaften.<br />
1446<br />
5. Kirchensteuer und Datenschutz<br />
a) In Deutschland<br />
Über die Eint<strong>ra</strong>gung <strong>de</strong>s religiösen Bekenntnisses auf <strong><strong>de</strong>r</strong> vom Einwohnermel<strong>de</strong>amt<br />
ausgestellten Lohnsteuerkarte wer<strong>de</strong>n durch <strong>de</strong>n Staat vom Bürger Daten erhoben, die seinen<br />
privaten Lebensbereich berühren. Die Daten wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m jeweiligen Arbeitgeber zugänglich<br />
gemacht, damit dieser <strong>de</strong>n Steue<strong>ra</strong>bzug für die KiSt als Anhangsteuer zur Lohnsteuer<br />
vornehmen und gemeinsam mit dieser <strong>de</strong>m Wohnsitzfinanzamt zuleiten kann. Dieses<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um greift auf die Daten für die Zuordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gel<strong><strong>de</strong>r</strong> an die betreffen<strong>de</strong> Religionsgemeinschaft<br />
zurück und leitet sie weiter. Durch das beschriebene sog. Lohnabzugsverfahren<br />
wird damit in die grundsätzlich sch<strong>ra</strong>nkenlos gewährte Religionsfreiheit, welche gemäß<br />
Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 WRV auch das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Auskunftsverweigerung über<br />
Glaubens- und Bekenntnisf<strong>ra</strong>gen ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch gegenüber staatlichen Einrichtungen und <strong>de</strong>m<br />
Arbeitgeber umfaßt, eingegriffen. 1447<br />
<strong>Das</strong> BDSG 1448<br />
ist schon vor <strong>de</strong>n Harmonisierungsbestrebungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft erlassen<br />
wor<strong>de</strong>n, um nach § 1 BDSG „<strong>de</strong>n einzelnen davor zu schützen, daß er durch <strong>de</strong>n Umgang mit<br />
seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird.“ <strong>Das</strong><br />
Gesetz soll für öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften jedoch grds. nicht zur<br />
Anwendung gelangen, da es sich hierbei we<strong><strong>de</strong>r</strong> um öffentliche Stellen i.S.d. § 1 Abs. 2 BDSG<br />
1445<br />
An<strong>de</strong>utungsweise schon Gaertner, Fn. 354, S. 11.<br />
1446<br />
Vgl. Kirchhof/Söhn/Söhn, Bd. 7, § 10, Rdnr. G 20.<br />
1447<br />
<strong>Das</strong> BVerfG hat in E 49, S. 375 ff., das Lohnabzugsverfahren allerdings gebilligt, vgl. nur<br />
Listl, Fn. 112, S. 744.<br />
1448<br />
Vom 20.12.1990, BGBl. 1990 I, S. 2954; abgedruckt unter Sartorius I, Nr. 245.
357<br />
bzw. § 15 Abs. 1 BDSG noch um nicht-öffentliche Stellen i.S.d. § 2 Abs. 4 BDSG han<strong>de</strong>le, da<br />
die Kirchen keine „Aufgaben <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Verwaltung“ i.S.d. § 2 Abs. 4 BDSG<br />
wahrnähmen. 1449 Soweit die Anwendbarkeit <strong>de</strong>s BDSG verneint wird, 1450 kommt <strong>de</strong>n<br />
kirchlichen Datenschutzgesetzen wie <strong><strong>de</strong>r</strong> KDO (Katholische Kirche) 1451 , <strong>de</strong>m KiDSG bzw.<br />
DSG-EKD (Evangelische Kirche) 1452 o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> DSO-EmK (Evangelisch-Methodistische<br />
Kirche), die sich an <strong>de</strong>n datenschutzrechtlichen Normen <strong>de</strong>s BDSG für öffentliche Stellen<br />
orientieren, 1453 <strong>im</strong> Hinblick auf das – auch innerkirchlich gelten<strong>de</strong> 1454<br />
– Grundrecht auf<br />
1449<br />
Schatzschnei<strong><strong>de</strong>r</strong>, Kirchenautonomie und Datenschutzrecht, Hei<strong>de</strong>lberg 1984, S. 18 ff., führt<br />
auf S. 27 ff. aus, warum es sich bei Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlichrechtlichem<br />
Status nach <strong>de</strong>utschem Recht nicht um <strong>de</strong>m Staat inkorporierte Gebil<strong>de</strong> und<br />
somit nicht um „öffentliche Stellen“ i.S.d. BDSG han<strong>de</strong>le. Vgl. außer<strong>de</strong>m Dammann, Die<br />
Anwendung <strong>de</strong>s neuen Bun<strong>de</strong>sdatenschutzgesetzes auf die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften,<br />
NVwZ 1992, S. 1147 ff., 1148, sowie Robbers, <strong>Das</strong> Datenschutzrecht und<br />
die Kirchen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, in: Robbers (Hrsg.), Europäisches<br />
Datenschutzrecht und die Kirchen, S. 33 ff., 36 ff. Immerhin erfüllen die Kirchen „<strong>im</strong><br />
Allgemeininteresse liegen<strong>de</strong> Aufgaben“, vgl. die Ausführungen oben J.VI.1.a).<br />
1450<br />
Nach Dammann, Fn. 1449, S. 1151, führe das in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV<br />
ve<strong>ra</strong>nkerte Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgesellschaften nur zu einer Exemtion bei<br />
organisationsinternen Angelegenheiten bzgl. ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> und Funktionsträger; soweit<br />
dagegen personenbezogene Daten <strong>im</strong> allgemeinen Rechtsverkehr anfielen, gelange das<br />
BDSG zur Anwendung, da insofern <strong><strong>de</strong>r</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgesellschaft nicht<br />
berührt wer<strong>de</strong>; <strong>de</strong>m wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spricht Robbers, Fn. 1449, S. 38, 43, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung, daß<br />
darüber hinaus auch personenbezogene Daten kirchlicher Arbeitnehmer aufgrund ihrer<br />
Loyalitätspflicht vom BDSG ausgenommen wer<strong>de</strong>n müßten, da sich das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgesellschaften auch hie<strong>ra</strong>uf erstrecke.<br />
1451<br />
Vgl. hierzu Fachet, Datenschutz in <strong><strong>de</strong>r</strong> Katholischen Kirche, KuR 580, S. 13 ff.; vgl. auch<br />
can. 220 CIC/1983.<br />
1452<br />
Vgl. hierzu Claessen, <strong>Das</strong> neue Datenschutzgesetz <strong><strong>de</strong>r</strong> evangelischen Kirche, KuR 580,<br />
S. 1 ff.<br />
1453<br />
Vgl. z.B. Hoeren, Kirchen und Datenschutz, Essen 1986, S. 31.<br />
1454<br />
Auf die Thematik, inwieweit sich einzelne Gläubige innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche auf<br />
Grundrechte (z.B. das Recht auf informationelle Selbstbest<strong>im</strong>mung) berufen können, kann<br />
hier nicht <strong>im</strong> einzelnen eingegangen wer<strong>de</strong>n. Schatzschnei<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 1449, S. 22 ff., ist m.E.<br />
zu Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht, daß eine mittelbare Drittwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte auch Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften bin<strong>de</strong>, wobei i.d.R. allerdings von einem Einverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gläubigen hinsichtlich <strong>de</strong>s Datenschutzes auszugehen sei; nur bei beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s elementaren<br />
Grundrechtsverletzungen trete die grundsätzlich unbeschränkte Glaubensfreiheit zurück.<br />
Ein Überblick über <strong>de</strong>n Meinungsstand fin<strong>de</strong>t sich bei Hoeren, Fn. 1453, S. 47 ff., 48, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong> Verleihung staatlicher Hoheitsgewalt <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Kirchensteuerrechts
358<br />
„informationelle Selbstbest<strong>im</strong>mung“ 1455 beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Be<strong>de</strong>utung zu. An<strong><strong>de</strong>r</strong>e Freikirchen haben<br />
keine eigenen Datenschutzbest<strong>im</strong>mungen erlassen, weil sie trotz öffentlich-rechtlichem<br />
Körperschaftsstatus auf ein Besteuerungsrecht verzichten. Da in diesem Fall keine<br />
personenbezogenen Daten an externe Stellen übermittelt wer<strong>de</strong>n, bedarf es lediglich<br />
Datensicherungsmaßnahmen hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>karteien. 1456<br />
b) In an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten<br />
An <strong><strong>de</strong>r</strong> Universität Trier fand <strong>im</strong> Juni 1993 eine Tagung zum Thema „Datenschutz und<br />
Kirchen“ statt, an <strong><strong>de</strong>r</strong> Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Mitgliedstaaten über ihr jeweiliges staatliches<br />
und ggf. kirchliches Datenschutzrecht berichteten und religionsrechtliche Bezüge herstellten;<br />
auf diese rechtsvergleichen<strong>de</strong>n Ausführungen wird hier verwiesen. 1457<br />
Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß in allen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten zum damaligen<br />
Zeitpunkt so gut wie keine kirchlichen Datenschutzgesetze bestan<strong>de</strong>n, sieht man für die<br />
Röm.-Kath. Kirche einmal von <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s can. 220 CIC/1983 ab; vielmehr fin<strong>de</strong>n die<br />
dortigen staatlichen Datenschutzgesetze auf Religionsgemeinschaften gleichermaßen<br />
Anwendung.<br />
c) Auf EU-Ebene<br />
Die sowohl auf <strong>de</strong>n öffentlichen als auch <strong>de</strong>n privaten Bereich anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, die nach fast zwei Jahrzehnten langer Untätigkeit<br />
Datenschutzrichtlinie 1458<br />
sowie <strong>de</strong>s Urteils <strong>de</strong>s BVerfG zum Volkszählungsgesetz ebenfalls von einer Grundrechtsbindung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen ausgeht, Hoeren, a.a.O., S. 49 f.; vgl. <strong>im</strong> übrigen zur Problematik die<br />
Ausführungen unten M.I.3.a).<br />
1455<br />
Vgl. hierzu BVerfGE 65, S. 1 ff. – Volkszählungsgesetz.<br />
1456<br />
Vgl. Schatzschnei<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 1449, S. 16 f., dort insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Fn. 56.<br />
1457<br />
Robbers (Hrsg.), Europäisches Datenschutzrecht und die Kirchen, Berlin 1994; vgl. hierzu<br />
<strong>de</strong>n Tagungsbericht von Meyer, ZevKR (38) 1993, S. 323 ff., sowie die Buchbesprechung<br />
von Szczekalla, DVBl. 1997, S. 132 f. Als datenschutzrechtlich be<strong>de</strong>nklich muß vor allem<br />
die in Griechenland obligatorische Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft<br />
<strong>im</strong> Personalausweis angesehen wer<strong>de</strong>n, vgl. Spyropoulos, Fn. 144, S. 45 ff., 48.<br />
1458<br />
Richtlinie 95/46/EG <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom 24. Oktober 1995<br />
zum Schutz natürlicher Personen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>rbeitung personenbezogener Daten und zum<br />
freien Datenverkehr, ABl. 1995 Nr. L 281, S. 31. Allgemein zur Datenschutzrichtlinie:<br />
Schild, Die EG-Datenschutz-Richtlinie, EuZW 1996, S. 549 ff.; S<strong>im</strong>itis, Die EU-<br />
Datenschutzrichtlinie – Stillstand o<strong><strong>de</strong>r</strong> Anreiz?, NJW 1997, S. 281 ff. [Inzwischen wur<strong>de</strong><br />
ebenfalls die Richtlinie 97/66/EG <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom
359<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission auf diesem Gebiet ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong> und sich an die<br />
Europa<strong>ra</strong>tskonvention zum Datenschutz 1459 anlehnt, erweitert <strong>de</strong>n Anwendungsbereich für<br />
sog. personenbezogene Daten gegenüber <strong>de</strong>m bisherigen BDSG erheblich. 1460<br />
Der Wer<strong>de</strong>gang <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG vom Entwurfsstadium bis zu seiner endgültigen Fassung<br />
belegt in eindrücklicher Weise die Notwendigkeit für Kirchen und Religionsgemeinschaften,<br />
sich intensiv mit gemeinschaftsrechtlichen Gesetzgebungsvorhaben auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>zusetzen,<br />
wollen diese nicht vollen<strong>de</strong>ten Tatsachen ins Auge sehen müssen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> gebotenen<br />
Weise auf <strong>de</strong>n Erlaß von Gemeinschaftsrechtsakten Einfluß nehmen. So hatte <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinienvorschlag<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission die Datenerhebung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit aus<br />
Datenschutzgesichtspunkten noch verboten und für die vom Lohnabzugsverfahren Geb<strong>ra</strong>uch<br />
machen<strong>de</strong>n Kirchen keine Exemtion vorgesehen; 1461 <strong><strong>de</strong>r</strong> ursprüngliche Vorschlag bezweckte<br />
eine einheitliche Regelung <strong>de</strong>s gesamten Datenschutzrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft und enthielt keine Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelungen für das Staat-Kirche-Verhältnis. 1462<br />
Dies<br />
hätte jedoch das <strong>de</strong>utsche System <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt-Erhebung <strong>im</strong> sog. Lohnabzugsverfahren in F<strong>ra</strong>ge<br />
15. Dezember 1997 über die Ve<strong>ra</strong>rbeitung personenbezogener Daten und <strong>de</strong>n Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Privatsphäre <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Telekommunikation, ABl. 1998, Nr. L 24, S. 1 ff., ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t.<br />
Diese erfaßt jedoch vorwiegend <strong>de</strong>n – Kirchen und Religionsgesellschaften nicht<br />
speziell betreffen<strong>de</strong>n – Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienste<br />
einschließlich <strong>de</strong>s ISDN und <strong><strong>de</strong>r</strong> digitalen Mobilfunknetze, nicht dagegen <strong>de</strong>n hier<br />
relevanteren Hör- und Fernsehfunk, vgl. Art. 2 lit. d <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 97/66/EG; vgl. hierzu allgemein<br />
vgl. Schild, Die Richtlinie über die Ve<strong>ra</strong>rbeitung personenbezogener Daten und <strong>de</strong>n Schutz<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Privatsphäre <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Telekommunikation, EuZW 1999, S. 69 ff.]<br />
1459 Konvention 108 – Übereinkommen zum Schutz <strong>de</strong>s Menschen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> automatischen<br />
Ve<strong>ra</strong>rbeitung personenbezogener Daten vom 28.1.1981, BGBl. 1985 II, S. 538; vgl. hierzu<br />
Kopp, Der Entwurf einer Datenschutzrichtlinie <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft, in: Robbers<br />
(Hrsg.), Fn. 1457, S. 9 ff., 11.<br />
1460 Schild, Fn. 1460, S. 550; Gegenüberstellung <strong>de</strong>s BDSG und <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG in NJW-CoR<br />
1997, S. 47 f.; S<strong>im</strong>itis, Fn. 1460, S. 287, weist auf das bisher bestehen<strong>de</strong> Datenschutz<strong>de</strong>fizit<br />
<strong>de</strong>s BSHG <strong>im</strong> nicht-öffentlichen Bereich hin.<br />
1461 Vgl. KOM(92), 422 endg.; ABl. 1992, Nr. C 311 ff.; vgl. hierzu Robbers, Fn. 1449, S. 42 f.<br />
1462 Vgl. Robbers, Gene<strong>ra</strong>lbericht: Datenschutzrecht in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> und die<br />
Kirchen, in: Robbers (Hrsg.), Fn. 1457, S. 185 ff., 188. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Rechtsprechung<br />
<strong>de</strong>s EuGH, nach <strong><strong>de</strong>r</strong> sich Kirchen grds. als Wirtschaftsunternehmen behan<strong>de</strong>ln<br />
lassen müssen, vgl. Rs. 196/87 „Bhagwan-Urteil“, s.o. C.II.4, hätte die Datenschutzrichtlinie<br />
in ihrer ursprünglichen Form auch auf Kirchen angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n müssen,<br />
sofern man nicht schon eine Ausnahme aufgrund <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />
und Religionsgemeinschaften ann<strong>im</strong>mt; a.A. ist wohl Starck, Fn. 448, S. 1433.
360<br />
gestellt. 1463 Die bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Großkirchen for<strong><strong>de</strong>r</strong>ten daher eine Bereichsausnahme für<br />
Kirchen bzw. erläutern<strong>de</strong> Zusätze bei <strong>de</strong>n vorgesehenen Ausnahmemöglichkeiten, um etwaige<br />
Auslegungsschwierigkeiten von vornherein zu unterbin<strong>de</strong>n 1464 – und sie wur<strong>de</strong> ihnen gewährt.<br />
Abgesehen davon hätte die ursprünglich vorgesehene Fassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Datenschutzrichtlinie das<br />
Seelsorgegehe<strong>im</strong>nis gefähr<strong>de</strong>t, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Datenschutzbehör<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugriff auf<br />
innerkirchliche Aktenbestän<strong>de</strong> und Daten zur Kontrolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Einhaltung <strong>de</strong>s Datenschutzes<br />
gestattet wor<strong>de</strong>n wäre. 1465<br />
Nach Art. 8 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG ist nunmehr die Erhebung und Ve<strong>ra</strong>rbeitung von Daten<br />
über religiöse Überzeugungen grundsätzlich nach wie vor untersagt:<br />
„(1) Die Mitgliedstaaten untersagen die Ve<strong>ra</strong>rbeitung personenbezogener Daten, aus <strong>de</strong>nen die<br />
<strong>ra</strong>ssische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse o<strong><strong>de</strong>r</strong> philosophische<br />
Überzeugungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie von Daten über<br />
Gesundheit und Sexualleben.“<br />
Allerdings sieht Art. 8 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG Ausnahmen von diesem Verbot vor. Für Kirchen<br />
und Religionsgemeinschaften ist Art. 8 Abs. 2 lit. d <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG von Be<strong>de</strong>utung:<br />
„(2) Absatz 1 fin<strong>de</strong>t in folgen<strong>de</strong>n Fällen keine Anwendung:<br />
[...]<br />
d) die Ve<strong>ra</strong>rbeitung erfolgt auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage angemessener Ga<strong>ra</strong>ntien durch eine politisch,<br />
philosophisch, religiös o<strong><strong>de</strong>r</strong> gewerkschaftlich ausgerichtete Stiftung, Vereinigung o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
sonstige Organisation, die keinen Erwerbszweck verfolgt, <strong>im</strong> Rahmen ihrer rechtmäßigen<br />
Tätigkeiten und unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Vo<strong>ra</strong>ussetzung, daß sich die Ve<strong>ra</strong>rbeitung nur auf die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Organisation o<strong><strong>de</strong>r</strong> auf Personen, die <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong><strong>de</strong>r</strong>en Tätigkeitszweck regelmäßige<br />
Kontakte mit ihr unterhalten, bezieht und die Daten nicht ohne Einwilligung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
betroffenen Person an Dritte weitergegeben wer<strong>de</strong>n;“<br />
Grundsätzlich sind eigene Beit<strong>ra</strong>gserhebungen durch Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
von Art. 8 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG ge<strong>de</strong>ckt, nicht dagegen die KiSt-Ve<strong>ra</strong>nlagung durch die<br />
staatlichen Finanzämter i.R.d. Lohnabzugsverfahrens. 1466<br />
1463<br />
So Ehnes, Fn. 248, S. 47. In an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten, wie z.B. Griechenland, sahen<br />
Religionsgemeinschaften keinen Anlaß, für eine Ausnahme <strong>de</strong>s Richtlinienvorschlags zu<br />
kämpfen, vgl. nur Spyropoulos, Fn. 144, S. 45 ff., 49.<br />
1464<br />
Gemeinsame Stellungnahme, Fn. 510, S. 25.<br />
1465<br />
So Robbers, Fn. 103, S. 623.<br />
1466<br />
So auch Starck, Fn. 448, S. 1434.
361<br />
Zusätzlich sieht Art. 8 Abs. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG jedoch vor, daß die Mitgliedstaaten<br />
vorbehaltlich angemessener Ga<strong>ra</strong>ntien aus Grün<strong>de</strong>n eines wichtigen öffentlichen Interesses <strong>im</strong><br />
Wege einer nationalen Rechtsvorschrift an<strong><strong>de</strong>r</strong>e als die in Absatz 2 genannten Ausnahmen<br />
vorsehen können.<br />
Dabei hätte man grds. davon ausgehen müssen, daß die Einziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt <strong>im</strong> Lohnabzugsverfahren<br />
nicht als wichtiges öffentliches Interesse angesehen wer<strong>de</strong>n kann. 1467<br />
Es wäre daher<br />
nur möglich gewesen, an<strong><strong>de</strong>r</strong>e – gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> Datenschutzrichtlinie höher<strong>ra</strong>ngige –<br />
Prinzipien, wie z.B. das Subsidiaritätsprinzip, zur Sicherung <strong>de</strong>s bisherigen KiSt-<br />
Einzugsverfahrens zu bemühen.<br />
Aufgrund einer massiven Intervention <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Großkirchen wur<strong>de</strong> in die Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Endfassung <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG nachfolgend genannter 35. Erwägungsgrund eingefügt, was zur<br />
Folge hat, daß die Datenve<strong>ra</strong>rbeitung zur KiSt-Erhebung <strong>im</strong> Lohnabzugsverfahren als ein<br />
solches wichtiges öffentliches Interesse anerkannt wer<strong>de</strong>n kann:<br />
„(35) Die Ve<strong>ra</strong>rbeitung personenbezogener Daten durch staatliche Stellen für verfassungsrechtlich<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> völkerrechtlich nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegte Zwecke von staatlich anerkannten Religionsgesellschaften<br />
erfolgt ebenfalls <strong>im</strong> Hinblick auf ein wichtiges öffentliches Interesse.“<br />
Der 35. Erwägungsgrund gehört zwar nicht unmittelbar zum Text <strong><strong>de</strong>r</strong> Datenschutzrichtlinie,<br />
kann aber vom EuGH zur Auslegung <strong>de</strong>s Art. 8 Abs. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG he<strong>ra</strong>ngezogen<br />
wer<strong>de</strong>n. Subsumiert man die gegenwärtige <strong>de</strong>utsche Rechtslage unter <strong>de</strong>n 35.<br />
Erwägungsgrund, so besteht für <strong>de</strong>n umfassen<strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>rbeitung in Art. 2 Ziff. b<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> RL95/46/EG eine Legal<strong>de</strong>finition, wonach u.a. das Erheben und Speichern, die<br />
Aufbewahrung, das Abf<strong>ra</strong>gen und die Weitergabe von Daten erfaßt wer<strong>de</strong>n. Als<br />
personenbezogene Daten gelten gemäß Art. 2 Ziff. a <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG alle Informationen über<br />
eine best<strong>im</strong>mte o<strong><strong>de</strong>r</strong> best<strong>im</strong>mbare natürliche Person, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e durch Zuordnung zu<br />
spezifischen Elementen, die Ausdruck u.a. ihrer kulturellen o<strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen I<strong>de</strong>ntität sind,<br />
hierunter fällt auch die Religionszugehörigkeit. Die <strong>im</strong> 35. Erwägungsgrund genannte<br />
staatliche Stelle ist das Finanzamt, welches für staatlich anerkannte Religionsgesellschaften –<br />
vgl. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV – tätig wird. Als verfassungsrechtlich<br />
nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegter Zweck wird durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV ausdrücklich <strong>de</strong>n<br />
Religionsgesellschaften mit öffentlich-rechtlichem Status die Berechtigung zuerkannt, nach<br />
Maßgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> lan<strong>de</strong>srechtlichen Best<strong>im</strong>mungen Kirchensteuern zu erheben. <strong>Das</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
KiSt-Erhebung ist für die Röm.-Kath. Kirche zusätzlich über die verschie<strong>de</strong>nen Konkordate<br />
1467 Starck, Fn. 448, S. 1434 f., weist zu Recht da<strong>ra</strong>uf hin, daß zwar generell die Erhebung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchensteuer durch Religionsgemeinschaften, nicht jedoch das Lohnabzugsverfahren nach<br />
Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV grundgesetzlich vorgesehen ist.
362<br />
<strong>de</strong>s Hl. Stuhls abgesichert; hie<strong>ra</strong>uf stellt <strong><strong>de</strong>r</strong> völkerrechtlich nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegte Zweck <strong>im</strong> 35.<br />
Erwägungsgrund ab. Als „völkerrechtlich nie<strong><strong>de</strong>r</strong>gelegte Zwecke“ können die Ga<strong>ra</strong>ntien in <strong>de</strong>n<br />
Kirchenverträgen <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen Kirchen mit <strong>de</strong>n einzelnen Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong>n mangels<br />
Völkerrechtssubjektivität <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Gliedkirchen nicht gewertet wer<strong>de</strong>n. 1468<br />
Dieser<br />
unterschiedlichen völkerrechtlichen Behandlung käme jedoch erst bei einer Aufhebung o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV Be<strong>de</strong>utung zu.<br />
Allerdings wird das Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> aufgrund von Art. 95 (ex-Art. 100a) EGV erlassenen<br />
Datenschutzrichtlinie, die Erreichung eines einheitlichen europäischen Datenschutzniveaus<br />
durch Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen nationalen Datenschutzstandards 1469 durch<br />
mitgliedstaatliche Ausnahmeregelungen gemäß Art. 8 Abs. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG wie<strong><strong>de</strong>r</strong> unterlaufen.<br />
1470 So (pekuniär) wertvoll sich eine nationale Ausnahmebest<strong>im</strong>mung für Kirchen, die<br />
vom Kirchensteuereinzugsverfahren Geb<strong>ra</strong>uch machen, darstellen mag, so kritisch muß eine<br />
solche Ausnahme <strong>de</strong>s Datenschutzes für sensible Daten wie die Religionszugehörigkeit bzw.<br />
religiöse Überzeugungen gesehen wer<strong>de</strong>n. 1471<br />
Daher stellt <strong><strong>de</strong>r</strong> 34. Erwägungsgrund – auf diesen bezieht sich auch <strong><strong>de</strong>r</strong> 35. Erwägungsgrund –<br />
für solcherlei Ausnahmen vom Verbot <strong><strong>de</strong>r</strong> Ve<strong>ra</strong>rbeitung sensibler Datenkategorien die<br />
folgen<strong>de</strong> Verpflichtung auf:<br />
„Die Mitgliedstaaten müssen jedoch geeignete beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ga<strong>ra</strong>ntien zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> Privatsphäre von Personen vorsehen.“<br />
Der Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte, <strong><strong>de</strong>r</strong> hier angesprochen ist, bezieht sich insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auf die<br />
Religionsfreiheit. Die Pflicht zur Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Lohnsteuerkarte<br />
hat für Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> von Religionsgemeinschaften, welche nicht vom KiSt-Einzugsverfahren<br />
1468 Vgl. insoweit die Ausführungen oben I.I.1.c).<br />
1469 Vgl. Kopp, Fn. 1459, S. 10.<br />
1470 So Geis, Internet und Datenschutzrecht, NJW 1997, S. 288 ff., 289.<br />
1471 So auch S<strong>im</strong>itis, Fn. 1460, S. 287, <strong><strong>de</strong>r</strong> sogar davon spricht, daß vom „kategorisch<br />
gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Verbot“ <strong>de</strong>s Art. 8 Abs. 1 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG durch die genannten<br />
Ausnahmebest<strong>im</strong>mungen nach Abs. 2 u. 4 „zu guter Letzt nichts übrig“ bleibt; ebenso<br />
Kaissis, Datenschutz in Griechenland?, in: Yessiou-Faltsi/Jost/Kaissis/Apalagaki (Hrsg.),<br />
S. 253 ff., 277: „Die große Anzahl von Ausnahmen macht die beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s schutzwürdigen<br />
sensitiven Daten p<strong>ra</strong>ktisch wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu normalen Daten.“ Auch innerkirchlich ist Datenve<strong>ra</strong>rbeitung<br />
ein „zweischneidiges Schwert“, vgl. die Ausführungen von Hoeren, Fn. 1453,<br />
S. 217 ff., <strong><strong>de</strong>r</strong> auf die „davidische Versuchung“, 2. Sam. 24, 2 – 4, 8, 9a, 10, hinweist.
363<br />
Geb<strong>ra</strong>uch machen, die Preisgabe <strong>de</strong>s Schutzes äußerst sensibler Daten zur Folge – ein Opfer,<br />
das von <strong>de</strong>n Befürwortern <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt meist als Selbstverständlichkeit vo<strong>ra</strong>usgesetzt wird. 1472<br />
Die Religionsfreiheit umfaßt hingegen nicht nur die korpo<strong>ra</strong>tiven Rechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Großkirchen zur<br />
Sicherung <strong>de</strong>s Lohnabzugsverfahrens, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch die Religionsfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> nicht von<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt Geb<strong>ra</strong>uch machen<strong>de</strong>n Religionsgemeinschaften sowie <strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>. Diese<br />
können sich auf das – aus <strong>de</strong>m allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleiteten – Freiheitsrecht<br />
auf informationelle Selbstbest<strong>im</strong>mung berufen. 1473<br />
Die hierdurch entstehen<strong>de</strong> Grundrechtskollision 1474 darf nicht von vornherein einseitig das<br />
Nachgeben <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtspositionen <strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen zur Folge haben. 1475<br />
Vielmehr muß<br />
1472<br />
So verweist Robbers, Fn. 1449, S. 33, in seinem Beit<strong>ra</strong>g über die religionsrechtliche Situation<br />
in Deutschland auf die „Existenz zweier Großkirchen“, ohne das Vorhan<strong>de</strong>nsein<br />
kleinerer Kirchen, wie z.B. Freikirchen, auch nur zu erwähnen. Ein in Österreich durchgeführter<br />
Testversuch zum Abzug <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt auf <strong>de</strong>m Wege <strong>de</strong>s Lohnabzugs stieß dagegen bei<br />
95,7 % <strong><strong>de</strong>r</strong> Beschäftigten auf Ablehnung o<strong><strong>de</strong>r</strong> zumin<strong>de</strong>st Indifferenz, vgl. P<strong>ra</strong><strong>de</strong>l, Fn. 1338,<br />
S. 334 f., da diese – zu Recht – Religion streng als Privatsache bet<strong>ra</strong>chteten, die „nicht ins<br />
Lohnbüro“ ihres Arbeitgebers gehöre.<br />
1473<br />
Im Gemeinschaftsrecht wur<strong>de</strong> dieses Grundrecht durch <strong>de</strong>n EuGH zwar noch nicht explizit<br />
festgestellt. Allerdings hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Existenz <strong>de</strong>s Grundrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Privatsphäre in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. 136/79 (National Panasonic/Kommission), Slg. 1980, S. 2033 ff.,<br />
2056 f., festgestellt, unter welches das Recht auf informationelle Selbstbest<strong>im</strong>mung<br />
ebenfalls subsumiert wer<strong>de</strong>n kann.<br />
1474<br />
So auch Giannoulis, Die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s „Europa <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger“ und ihre Be<strong>de</strong>utung für <strong>de</strong>n<br />
Grundrechtsschutz, in: Vorträge, Re<strong>de</strong>n und Berichte aus <strong>de</strong>m Europa-Institut, Sektion<br />
Rechtswissenschaft, hrsg. von Ress/Stein, Saarbrücken 1992, Nr. 268, S. 64; Kopp,<br />
Fn. 1459, S. 12. Giannoulis, a.a.O., weist zutreffend da<strong>ra</strong>uf hin, daß die Grundrechte, die<br />
<strong>de</strong>n Datenschutz for<strong><strong>de</strong>r</strong>n, keinen geringeren Schutz genießen, als die Grundrechte, die i.R.d.<br />
Wirtschaftsfreiheit [o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit] die Datenve<strong>ra</strong>rbeitung for<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Eine Bevorzugung<br />
auf Kosten <strong>de</strong>s Datenschutzes sei verfassungsrechtlich nicht haltbar.<br />
1475<br />
Dies wur<strong>de</strong> in Deutschland zuletzt durch das „Kruzifix-Urteil“, BVerfGE 93, S. 1 ff., 24,<br />
bestätigt; vgl. auch Geldbach, Fn. 189, S. 8, 10, <strong><strong>de</strong>r</strong> ebenfalls betont, daß die Religionsfreiheit<br />
ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> als Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitenschutz Verfassungsbestandteil ist. Wür<strong>de</strong> dagegen unter<br />
Berufung auf die Religionsfreiheit einseitig <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit eine Rechtsposition gewährt, so<br />
ginge dieser Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitenschutz ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> verloren. Für Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> kleinerer Religionsgemeinschaften<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> „Sekten“ kann die Pflicht zur Offenbarung ihrer Religionszugehörigkeit<br />
durchaus berufliche Nachteile mit sich bringen. Gleiches gilt u.U. dann, wann<br />
anstelle <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugehörigkeit zu einer <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Großkirchen gegenüber <strong>de</strong>m Arbeitgeber<br />
„keine“ angegeben wird.
364<br />
i.R.d. Grundrechtsabwägung nach Wegen gesucht wer<strong>de</strong>n, wie die Interessen bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppen<br />
von Religionsgemeinschaften zu einem schonen<strong>de</strong>n Ausgleich geführt wer<strong>de</strong>n könnten, wobei<br />
nicht allein zahlenmäßige Kriterien entschei<strong>de</strong>nd sein dürfen. Vielmehr muß berücksichtigt<br />
wer<strong>de</strong>n, daß das <strong>im</strong> Hinblick auf Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV als verfassungsrechtlich<br />
be<strong>de</strong>nklich einzustufen<strong>de</strong> Lohnabzugsverfahren 1476 als organisatorische Maßnahme<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedsbeit<strong>ra</strong>gseinziehung nur einen äußeren Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> korpo<strong>ra</strong>tiven Religionsfreiheit<br />
berührt, 1477 wohingegen die Pflicht zur Offenbarung <strong>de</strong>s Religionsbekenntnisses <strong>de</strong>n<br />
Schutzbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen Religionsfreiheit <strong>im</strong> Kern trifft. Die Auffassung Gerhard<br />
Robbers’, die Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit „wäre auch dann wesentlich, wenn die<br />
Kirchen in eigener Regie die Kirchensteuer erheben wür<strong>de</strong>n“ 1478 , wozu sie gemäß<br />
Art. 140 i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV „auf Grund <strong><strong>de</strong>r</strong> bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> lan<strong>de</strong>srechtlichen Best<strong>im</strong>mungen“ berechtigt wären, 1479 ist nicht zwingend. Da es keine<br />
bürgerlichen Steuerlisten mehr gibt, muß die Vorschrift <strong><strong>de</strong>r</strong> WRV – i.R.d. p<strong>ra</strong>ktischen<br />
Konkordanz mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit Dritter in Einklang geb<strong>ra</strong>cht – dahingehend ausgelegt<br />
wer<strong>de</strong>n, daß sie nur einen Einblick <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften in die Steuerlisten ihrer<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> gewährt. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften müßten eigentlich ihre<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>listen <strong>de</strong>m Finanzamt vorlegen, das da<strong>ra</strong>ufhin – ebenfalls gegen eine<br />
Aufwandsentschädigung – diesen das zu versteuern<strong>de</strong> Einkommen ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> nennt,<br />
wo<strong>ra</strong>uf die Einziehung <strong>de</strong>s maßgeblichen Bet<strong>ra</strong>ges erfolgt. Über die Religionszugehörigkeit<br />
müßten die Arbeitgeber in diesem Fall überhaupt nicht informiert wer<strong>de</strong>n. 1480<br />
Dies entspricht <strong><strong>de</strong>r</strong> ohnehin <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht p<strong>ra</strong>ktizierten und bewährten Rechtslage,<br />
die für die EG-Beamten in Art. 26 Abs. 4 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts ausdrücklich festlegt: „Die<br />
1476<br />
Vgl. z.B. Erwin Fischer, Fn. 6, S. 222.<br />
1477<br />
Es ist allgemein anerkannt, daß das kirchliche Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht nicht in <strong>de</strong>n Kern-,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in <strong>de</strong>n Randbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit fällt, vgl. nur Bleckmann, in: Christoph,<br />
Fn. 139, S. 416; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 133, S. 14.<br />
1478<br />
Robbers, Fn. 1449, S. 41.<br />
1479<br />
Vgl. hierzu Czermak, Fn. 184, S. 476.<br />
1480<br />
Die Kenntnis <strong>de</strong>s Arbeitgebers von <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit erscheint schon nach<br />
nationalem Verfassungsrecht be<strong>de</strong>nklich. So lautet Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 GG<br />
wörtlich: „Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behör<strong>de</strong>n<br />
haben nur soweit das Recht, nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu<br />
f<strong>ra</strong>gen, als davon Rechte und Pflichten abhängen o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine gesetzlich angeordnete<br />
statistische Erhebung dies erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t.“ Die „Rechte und Pflichten“ nach Art. 136 Abs. 3 S. 2<br />
WRV müssen <strong>im</strong> Hinblick auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbest<strong>im</strong>mung<br />
restriktiv ausgelegt wer<strong>de</strong>n und können sich <strong>im</strong> übrigen nur auf die Beziehungen zwischen<br />
Bürger und Staat beziehen; so auch Erwin Fischer, Fn. 6, S. 222.
365<br />
Personalakte darf keinerlei Angaben über die politischen, weltanschaulichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen<br />
Überzeugungen <strong>de</strong>s Beamten enthalten.“ 1481<br />
Der 35. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Datenschutzrichtlinie ist m.E. daher mit höher<strong>ra</strong>ngigem<br />
Gemeinschaftsrecht, zu welchen die Religionsfreiheit gemäß Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />
i.V.m. Art. 9 EMRK zählt, unvereinbar.<br />
d) Exkurs: Datenschutz und kirchliches Mel<strong>de</strong>wesen<br />
Ähnlich kritisch <strong>im</strong> Hinblick auf datenschutzrechtliche Gesichtspunkte muß die Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionszugehörigkeit <strong>im</strong> staatlichen Mel<strong>de</strong>wesen beurteilt wer<strong>de</strong>n. Die Pflicht zur Angabe<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit be<strong>im</strong> Einwohnermel<strong>de</strong>amt wird kirchlicherseits stets damit<br />
gerechtfertigt, das lan<strong>de</strong>skirchliche System <strong><strong>de</strong>r</strong> Evangelischen Kirchen sei da<strong>ra</strong>uf angewiesen,<br />
daß die staatlichen Mel<strong>de</strong>behör<strong>de</strong>n bei einem Umzug eines ihrer Kirchenmitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in das<br />
Einzugsgebiet einer neuen Lan<strong>de</strong>skirche, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> Umziehen<strong>de</strong> automatisch wer<strong>de</strong>,<br />
dieser die Mel<strong>de</strong>bescheinigung übersen<strong>de</strong>. 1482 Die Verpflichtung zur Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionszugehörigkeit <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Mel<strong>de</strong>wesens stellt – vergleichbar mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Pflicht zur<br />
Angabe <strong>de</strong>s religiösen Bekenntnisses auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Lohnsteuerkarte – einen Eingriff in das Recht<br />
auf informationelle Selbstbest<strong>im</strong>mung für die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> von Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen dar, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich<br />
nicht schon aufgrund <strong>de</strong>s Art. 140 i.V.m. 137 Abs. 3 WRV rechtfertigen läßt, zumal es sich<br />
bei <strong>de</strong>n Betroffenen nicht um eigene Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Großkirchen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n um Dritte<br />
han<strong>de</strong>lt. 1483<br />
1481<br />
Die Unterscheidung zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Überzeugung <strong>de</strong>s Arbeitnehmers und seiner<br />
Konfessionszugehörigkeit, wie sie v. Campenhausen, Fn. 74, S. 268, durchführt, wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n<br />
Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Überzeugung, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Konfessionszugehörigkeit<br />
manifestiert, unterlaufen, da es ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> <strong>im</strong> Hinblick auf einen wachsen<strong>de</strong>n Plu<strong>ra</strong>lismus unter<br />
Religionsgemeinschaften zu einer untrennbaren Vermischung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Merkmale kommt. So<br />
differiert z.B. die religiöse Überzeugung eines Baptisten von <strong><strong>de</strong>r</strong> eines Methodisten nur<br />
unwesentlich, macht sich aber exakt in <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen Konfession fest. Aus diesem<br />
Grun<strong>de</strong> sollen nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Entschließung zur Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, ABl. 1996, Nr. C 320, S. 36 ff., 56. Erwägungsgrund, vgl. oben<br />
Fn. 366, alle Informationen persönlichen Cha<strong>ra</strong>kters von einem Kontrollsystem ausgeschlossen<br />
wer<strong>de</strong>n, wobei hier die Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionszugehörigkeit ebenso wie die<br />
Speicherung religiöser Überzeugungen genannt wird.<br />
1482<br />
Robbers, Fn. 1449, S. 41 f., sieht wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um nur <strong>de</strong>n Aufwand, <strong>de</strong>n es ansonsten für die<br />
Kirchen darstellen wür<strong>de</strong>, ein eigenes Mel<strong>de</strong>wesen aufzubauen. Freikirchen z.B. gelingt die<br />
Aufrechterhaltung eines Mel<strong>de</strong>wesens ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> jedoch ohne größere Schwierigkeiten.<br />
1483<br />
Aus diesem Grund ist § 2 Abs. 1 Nr. 11 MRRG bzw. die entsprechen<strong>de</strong> lan<strong>de</strong>srechtliche<br />
Vorschrift, z.B. Art. 3 Abs. 1 Nr. 11, Abs. 2 Nr. 2, 18 Abs. 1, 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 5, S. 3
366<br />
Wür<strong>de</strong> dagegen europaweit ein Weg über eine Kultussteuer italienischen Zuschnitts in<br />
Ergänzung zu einem Spen<strong>de</strong>n- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Beit<strong>ra</strong>gssystem 1484 beschritten, stellten sich <strong><strong>de</strong>r</strong>artige<br />
Probleme nicht mehr. 1485 Insofern verschleiert die Bezeichnung <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt als bloßen<br />
„Mitgliedsbeit<strong>ra</strong>g“ 1486<br />
<strong>de</strong>n Blick für die datenschutzrechtlichen Probleme, die allein <strong>de</strong>shalb<br />
entstehen, weil die KiSt nicht von <strong>de</strong>n Kirchen selbst eingezogen wird, wie dies bei<br />
Mitgliedsbeiträgen die Regel ist.<br />
e) Exkurs: Art. 286 (ex-Art. 213b) EGV<br />
Durch <strong>de</strong>n Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g wur<strong>de</strong> eine eigene Datenschutznorm durch die neue<br />
Vorschrift Art. 286 (ex-Art. 213b) EGV in das Gemeinschaftsrecht eingefügt. Hintergrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schaffung einer solchen Best<strong>im</strong>mung war, daß die Datenschutzrichtlinie wie je<strong>de</strong> Richtlinie<br />
nur die Mitgliedstaaten selbst bin<strong>de</strong>t, vgl. Art. 249 (ex-Art. 189) Abs. 3 EGV, und daher auf<br />
Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane selbst keine Anwendung fin<strong>de</strong>t. 1487<br />
Art. 286<br />
(ex-Art. 213b) Abs.1 EGV sieht daher vor, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Datenschutz nach <strong>de</strong>m Sekundärrecht, d.h.<br />
BayMel<strong>de</strong>G, wonach die rechtliche Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen<br />
Religionsgesellschaft <strong>im</strong> Mel<strong><strong>de</strong>r</strong>egister gespeichert und übermittelt wer<strong>de</strong>n darf, ebenfalls<br />
verfassungs- sowie gemeinschaftsrechtlich als sehr be<strong>de</strong>nklich einzustufen. Noch <strong>de</strong>utlich<br />
steht in F<strong>ra</strong>nkreich <strong><strong>de</strong>r</strong> Mißb<strong>ra</strong>uch religiöser Daten durch die Vichy-Regierung sowie die<br />
<strong>de</strong>utsche Besatzungsmacht vor Augen, <strong>de</strong>nen die damals vorhan<strong>de</strong>nen Register über die<br />
jüdischen Mitbürger eine wesentliche Erleichterung zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en Auffindung b<strong>ra</strong>chte; das<br />
Vorhan<strong>de</strong>nsein von Daten über die Religionszugehörigkeit trug somit in nicht unerheblichem<br />
Umfange zur „Endlösung“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Ju<strong>de</strong>nf<strong>ra</strong>ge bei. Da für die Zukunft nicht mit allerletzter<br />
Sicherheit vo<strong>ra</strong>usgesagt wer<strong>de</strong>n kann, daß sich pa<strong>ra</strong>llele politische Entwicklungen<br />
niemals wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holen, muß <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufbau einer staatlichen Datenbank mit <strong><strong>de</strong>r</strong>art sensiblen<br />
Daten m.E. schon <strong>im</strong> Ke<strong>im</strong> erstickt wer<strong>de</strong>n.<br />
1484<br />
Feldhoff, Fn. 1326, S. 47, dagegen regt neben <strong>de</strong>m KiSt-System ein Spen<strong>de</strong>nsystem an. Die<br />
Gebefreudigkeit dürfte sich jedoch angesichts <strong>de</strong>s Zwangscha<strong>ra</strong>kters <strong>de</strong>s ersteren Systems,<br />
das – angekoppelt an die Einkommensteuer – ohnehin eine Progression bei wachsen<strong>de</strong>m<br />
Einkommen kennt, in Grenzen halten.<br />
1485<br />
In Österreich wur<strong>de</strong>n ursprünglich <strong>de</strong>n Kirchen und Religionsgemeinschaften die<br />
Haushaltslisten zur Erhebung <strong><strong>de</strong>r</strong> Bet<strong>ra</strong>gspflichtigen zugänglich gemacht. Mit <strong>de</strong>m Wegfall<br />
dieser Listen teilt <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat diesen wie<strong><strong>de</strong>r</strong> die Angabe <strong>de</strong>s Religionsbekenntnisses auf einem<br />
Mel<strong>de</strong>zettelabschnitt mit. Da man sich dort <strong><strong>de</strong>r</strong> datenrechtssensiblen Lage bewußt ist,<br />
bestehen konkrete Überlegungen zur Einführung einer Kultusabgabe, vgl. Potz, Fn. 206,<br />
S. 273, dort Fn. 45.<br />
1486<br />
Vgl. Feldhoff, Fn. 1326, S. 44 f.; 47.<br />
1487<br />
Vgl. Thun-Hohenstein, Fn. 98, S. 26.
367<br />
nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Datenschutzrichtlinie, ab 1. Januar 1999 auch auf Gemeinschaftsorgane und<br />
-einrichtungen erweitert wird. Gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift wer<strong>de</strong>n die<br />
Gemeinschaftsorgane durch eine unabhängige Kontrollinstanz auf die Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Datenschutzbest<strong>im</strong>mungen hin überwacht; für die bisher schon durch die<br />
Datenschutzrichtlinie verpflichteten Mitgliedstaaten ist eine solche Kontrolle schon aufgrund<br />
<strong>de</strong>s Art. 28 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG vorgesehen. Für die Religionsgemeinschaften dürfte die neue<br />
Vorschrift jedoch keine negativen Rechtsfolgen haben, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n allenfalls zum Schutz <strong>de</strong>s<br />
religiösen Bekenntnisses ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> beit<strong>ra</strong>gen.<br />
6. Staatliche Beihilfen<br />
a) Ursprünge und Wesen <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsleistungen an die Großkirchen in Deutschland<br />
Die Evangelischen Lan<strong>de</strong>skirchen und die Röm.-Kath. Kirche in Deutschland genießen<br />
beträchtliche Staatsleistungen, unabhängig davon, daß bei<strong>de</strong>n Kirchen mit <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt eigene<br />
Finanzierungsinstrumente zur Verfügung stehen. So erhalten sie vom Staat direkte<br />
Geldleistungen für die Gehälter ihrer Bischöfe und Lan<strong>de</strong>sbischöfe, Kirchenräte und<br />
Domkapitel, Militär-, Polizei- und Anstaltsgeistlichkeit; ebenso für Religionslehrer,<br />
Professoren von Theologischen Fakultäten sowie die Lehrkörper <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Hoch- und<br />
Privatschulen. 1488 Abgesehen davon wer<strong>de</strong>n Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten, K<strong>ra</strong>nkenhäuser und Altenhe<strong>im</strong>e in<br />
kirchlicher Trägerschaft fast zur Gänze unterhalten. Ferner sind negative Subventionen durch<br />
Steuerbefreiungen (Vermögen-, Körperschaft-, Erbschaft- und Grundsteuer) sowie Gebühren-<br />
und Kostenbefreiungen zu nennen. 1489 Die wohl wichtigste aktuelle Sachleistungspflicht ist<br />
die staatliche Baulast. 1490<br />
Als Ursprung dieser Staatsleistungen 1491 wer<strong>de</strong>n gemeinhin die Säkularisationen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Reformationszeit sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Jahre nach <strong>de</strong>m Reichs<strong>de</strong>putationshauptschluß von 1803 genannt,<br />
da sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Lan<strong>de</strong>sherr, <strong>de</strong>m das säkularisierte Kirchengut – z.B. Abteien, Klöster, Stiftungen,<br />
bischöfliche Domänen – zugefallen war, um die finanziellen Belange seiner Lan<strong>de</strong>skirche<br />
kümmerte. 1492<br />
Seit etwa Mitte <strong>de</strong>s 19. Jh. leistete <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat Zuschüsse zur Pfarrbesoldung und<br />
-versorgung.<br />
1488<br />
So Neumann, Fn. 448, S. 56.<br />
1489<br />
Vgl. Robbers, Fn. 1327, S. 869 f.<br />
1490<br />
RGG/Weber, Bd. 6, Stichwort: Staatsleistungen an die Kirchen, Sp. 316 f.<br />
1491<br />
Vgl. hierzu instruktiv Schmidt-Eichstaedt, Fn. 1179, S. 90 ff.<br />
1492<br />
Allerdings enthielt Art. 35 <strong>de</strong>s Reichs<strong>de</strong>putationshauptschlusses lediglich einen Vorbehalt<br />
zugunsten Ausstattung <strong><strong>de</strong>r</strong> Domkirchen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Pensionen <strong><strong>de</strong>r</strong> aufgehobenen Geistlichkeit,
368<br />
b) Pflicht zur Ablösung von Staatsleistungen<br />
Schon Art. 138 Abs. 1 S. 1 WRV for<strong><strong>de</strong>r</strong>te die Ablösung <strong><strong>de</strong>r</strong> auf Gesetz, Vert<strong>ra</strong>g o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechtstiteln beruhen<strong>de</strong>n Staatsleistungen an die Kirchen. Der Grund hierfür lag<br />
darin, daß in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit nur die Lan<strong>de</strong>skirchen eine finanzielle För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung erhalten<br />
hatten, da sich die <strong>de</strong>utschen Lan<strong>de</strong>sfürsten ausschließlich mit <strong>de</strong>n christlichen Großkirchen<br />
verbun<strong>de</strong>n fühlten, während <strong>de</strong>n kleinen Glaubensgemeinschaften jegliche Dotation<br />
verweigert wor<strong>de</strong>n war; diese Ungleichbehandlung wollte die We<strong>im</strong>arer Reichsversammlung<br />
been<strong>de</strong>n. 1493 Bis zum Erlaß eines entsprechen<strong>de</strong>n Reichsgesetzes, Art. 138 Abs. 1 S. 2 WRV,<br />
sollten die Staatsleistungen noch bestehen bleiben, vgl. Art. 173 WRV. Zwar wur<strong>de</strong> lediglich<br />
Art. 138 Abs. 1 WRV, nicht aber Art. 173 WRV, durch Art. 140 GG in das Grundgesetz<br />
übernommen. Da Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 S. 1 WRV jedoch die Ablösung ausdrücklich<br />
verlangt, dürfte hierfür ein einfaches Bun<strong>de</strong>sgesetz genügen. <strong>Das</strong> Grundgesetz kennt<br />
damit ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> nicht die Begründung neuer Leistungspflichten an die Kirchen, 1494 son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
vielmehr die Aufhebung dieser Pflichten. 1495 Die Ablösungspflicht ist Folge <strong>de</strong>s<br />
Paritätsgedankens aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV,<br />
wonach keine Staatskirche existiert. Der <strong>de</strong>utsche Staat hatte aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Verpflichtung zur<br />
Gleichbehandlung aller anerkannten Religionsgesellschaften ab 1919 entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> die bisher leer<br />
ausgehen<strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgesellschaften ebenfalls zu subventionieren o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber – diesen<br />
Weg legte Art. 138 Abs. 1 WRV fest – die Gleichheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgesellschaften durch<br />
Abschaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Staatsleistungen zu verwirklichen. 1496<br />
Der konsequent befolgte<br />
Paritätsgedanke stün<strong>de</strong> übrigens rechtlich sogar einer Ablösung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsleistungen gegen<br />
und galt nur für die Röm.-Kath. Kirche, vgl. B<strong>ra</strong>uns, Staatsleistungen an die Kirchen und<br />
ihre Ablösung, Berlin 1970, S. 16; die genannte Vorschrift wird ebenda unter Fn. 8 zitiert.<br />
1493<br />
Vgl. Schmidt-Eichstaedt, Fn. 1179, S. 94.<br />
1494<br />
So aber z.B. Robbers, Fn. 1327, S. 869, 875, <strong><strong>de</strong>r</strong> überdies – in offenkundigem Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch<br />
zum Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 138 Abs. 1 WRV und einzig infolge <strong><strong>de</strong>r</strong> bislang am Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchen gescheiterten gesetzgeberischen Initiative zur Abschaffung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsleistungen –<br />
über <strong>de</strong>n Rechtsgedanken <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwirkung eine „faktische wie rechtliche Ga<strong>ra</strong>ntie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Staatsleistungen“ konstruieren will, a.a.O., S. 874.<br />
1495<br />
So schon sehr ausführlich die – kirchlicherseits freilich selten <strong>im</strong> Detail zitierte – Dissertation<br />
von B<strong>ra</strong>uns, Fn. 1492, S. 11.<br />
1496<br />
Vgl. B<strong>ra</strong>uns, Fn. 1492, S. 91, 98 f., 100. Dieser führt zu Recht aus, daß Art. 137 Abs. 1<br />
WRV die „Bevorrechtung einiger weniger Kirchen, durch die <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat die positive<br />
Beurteilung von <strong><strong>de</strong>r</strong>en Glaubenslehren ausdrückte“, verbietet, B<strong>ra</strong>uns, a.a.O., S. 98.
369<br />
Entschädigung entgegen; 1497<br />
dies wäre jedoch politisch kaum durchsetzbar und p<strong>ra</strong>ktisch<br />
unve<strong>ra</strong>ntwortbar.<br />
Mittlerweile wur<strong>de</strong>n auch in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten, wie z.B. in Spanien o<strong><strong>de</strong>r</strong> Italien, die<br />
Staatsleistungen als Kompensation für enteignetes o<strong><strong>de</strong>r</strong> beschlagnahmtes Kirchengut durch<br />
die Kultussteuer abgelöst. Seit 1981 wird in <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n die Besoldung <strong><strong>de</strong>r</strong> Geistlichen<br />
ebenfalls nicht mehr übernommen; die bisherigen Staatsleistungen wur<strong>de</strong>n durch eine<br />
Einmalzahlung abgegolten. Auch in Deutschland wäre eine Ablösung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsleistungen,<br />
1498<br />
wie sie Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 WRV verlangt, längst überfällig, zumal<br />
1497<br />
A.A. HdbStKirchR/Isensee, Staatsleistungen an die Kirchen und Religionsgemeinschaften,<br />
Erster Bd., § 35, S. 1009 ff., 1016, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung, <strong><strong>de</strong>r</strong> ersatzlose Wegfall <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Staatsleistungen sei von Verfassungs wegen ausgeschlossen. Aus Art. 138 Abs. 1 WRV<br />
ergibt sich dies in<strong>de</strong>s nicht zwingend. Zu wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen ist Isensee, a.a.O., S. 1036, jedoch<br />
vor allem darin, daß eine Ablösung auch in einer wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kehren<strong>de</strong>n Leistung, etwa in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Zahlung einer „ewigen Rente“, erb<strong>ra</strong>cht wer<strong>de</strong>n könne. Faktisch han<strong>de</strong>lt es sich in einem<br />
solchen Fall m.E. nicht um eine Ablösung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n um die Fortschreibung <strong>de</strong>s Ist-<br />
Zustan<strong>de</strong>s. Schmidt-Eichstaedt, Fn. 1179, S. 97, weist zutreffend unter Verweis auf § 1199<br />
Abs. 2 BGB da<strong>ra</strong>uf hin, daß unter <strong>de</strong>m Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Ablösung nur eine endgültige Aufhebung<br />
vermögenswerter Leistungen gegen eine einmalige Ausgleichsleistung verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />
kann. Einer solchen Ausgleichszahlung dürfte, an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als dies Kleindienst/ Bin<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn.<br />
1333, S. 204, einfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n, auch nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> 18,6fache Jahreswert <strong><strong>de</strong>r</strong> Dotationen zugrun<strong>de</strong><br />
gelegt wer<strong>de</strong>n. Dieser Vervielfältiger wird nach § 13 Abs. 2 Hs. 1 BewG nur für<br />
<strong>im</strong>merwähren<strong>de</strong> Nutzungen und Leistungen gewährt. Als <strong>im</strong>merwährend sind jedoch nach<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s BFH vom 11.12.1970, BStBl. 1971 II, S. 386, Nutzungen und<br />
Lasten nur dann anzusehen, wenn ihr En<strong>de</strong> von Ereignissen abhängt, von <strong>de</strong>nen ungewiß<br />
ist, ob und wann sie in absehbarer Zeit eintreten. Daß die Staatsleistungen abgelöst wer<strong>de</strong>n<br />
sollen, ist jedoch seit 1919 durch <strong>de</strong>n pouvoir constituant ein<strong>de</strong>utig positiv beantwortet<br />
wor<strong>de</strong>n und somit nicht mehr von einem ungewissen Ereignis abhängig. Außer<strong>de</strong>m sollte<br />
man sich vor Augen führen, daß die Ablösung schon vor über 80 Jahren erfolgen sollte.<br />
Zusätzlich zur Ungleichbehandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenkörperschaften in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit wür<strong>de</strong><br />
eine <strong><strong>de</strong>r</strong>art hohe Ablösung diese Diskr<strong>im</strong>inierung nur noch perpetuieren. Erwin Fischer,<br />
Fn. 6, S. 240, zitiert diesbezüglich Ernst Mahrenholz, nach welchem es Sinn <strong>de</strong>s<br />
Ablösungsbefehls sei, <strong>im</strong> Hinblick auf das Verbot <strong>de</strong>s Staatskirchentums die finanziellen<br />
Beziehungen zwischen Staat und Kirche zu entflechten und insofern die Trennung von Staat<br />
und Kirche zu verwirklichen.<br />
1498<br />
P<strong>ra</strong>ntl, Fn. 118, S. 88 f., weist da<strong>ra</strong>uf hin, daß die Kirchen, die vor knapp 2 Jh. von<br />
Napoleon enteignet wur<strong>de</strong>n, heute weit besser dastehen, als die i.R.d. „Großen Bo<strong>de</strong>nreform“<br />
enteigneten Großgrundbesitzer Ostelbiens. Auch die Abgeordneten <strong><strong>de</strong>r</strong> WRV mit<br />
Ausnahme <strong>de</strong>s Zentrums und <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Rechten waren schon 1919 (!) <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht, daß<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Staat seinen möglicherweise mit <strong>de</strong>n Säkularisationsvorgängen begrün<strong>de</strong>ten Entschä-
370<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>artige Staatsleistungen aufgrund <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> geför<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Großkirchen<br />
nicht mehr Mittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenpolitik, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur noch Mittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Subventionierung<br />
ausgewählter Religionsgesellschaften sein kann, welche aufgrund von Paritätsüberlegungen<br />
ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n soll. 1499<br />
Allerdings wird die Verpflichtung zu Staatsleistungen häufig in Konkordaten 1500 o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchenverträgen 1501 geregelt. Selbst wenn diese eine vert<strong>ra</strong>gliche Verpflichtung von Bund<br />
und Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n zur Gewährung von Staatsleistungen enthalten, bestün<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n Staat eine<br />
Kündigungspflicht nach Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV, soweit durch das<br />
Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht gegen pr<strong>im</strong>äres o<strong><strong>de</strong>r</strong> sekundäres Gemeinschaftsrecht verstoßen wür<strong>de</strong>.<br />
Unerheblich ist, ob die Rechtsgrundlage für die Gewährung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsleistungen schon vor<br />
Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s EWG-Vert<strong>ra</strong>gs bestand o<strong><strong>de</strong>r</strong> erst <strong>im</strong> nachhinein geschaffen wur<strong>de</strong>. 1502<br />
c) Staatliche Beihilfe i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) EGV<br />
aa) Definition einer staatlichen Beihilfe<br />
Unter <strong>de</strong>n weit 1503<br />
auszulegen<strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Beihilfen i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92)<br />
EGV faßt man alle staatlichen „Maßnahmen, die in verschie<strong>de</strong>ner Form die Belastungen<br />
digungspflichten durch die langwähren<strong>de</strong> Unterstützung <strong><strong>de</strong>r</strong> Großkirchen längst Genüge<br />
getan habe, vgl. Schmidt-Eichstaedt, Fn. 1179, S. 94 m.w.N., dort Fn. 138. Ebenso B<strong>ra</strong>uns,<br />
Fn. 1492, S. 137: „Die Kirchen wären jedoch gut be<strong>ra</strong>ten, nicht an ve<strong>ra</strong>lteten Verbindungen<br />
zum Staat und Vergünstigungen durch ihn festzuhalten, die die Glaubwürdigkeit ihres<br />
Auft<strong>ra</strong>ges gefähr<strong>de</strong>n. Aber auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat – heute die He<strong>im</strong>statt aller Bürger unabhängig<br />
von ihrer jeweiligen religiösen Überzeugung – sollte <strong>de</strong>n Abbau heute nur noch historisch<br />
zu rechtfertigen<strong><strong>de</strong>r</strong> Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechte zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen nicht länger hinauszögern – nicht<br />
zuletzt <strong>im</strong> Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> ihm auferlegten konfessionellen Neut<strong>ra</strong>lität.“<br />
1499<br />
So auch B<strong>ra</strong>uns, Fn. 1492, S. 135 f.<br />
1500<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen oben I.I.1.a).<br />
1501<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen oben I.I.1.c).<br />
1502<br />
So Wemmer, Fn. 1020, S. 183, <strong>im</strong> Hinblick auf staatliche Beihilfen.<br />
1503<br />
Vgl. nur Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Vernünftige Investition o<strong><strong>de</strong>r</strong> Beihilfe? – Gemeinschaftsrechtliche<br />
Optionen zur Finanzierung öffentlicher Unternehmen, ZHR 161 (1997), S. 805 ff., 814,<br />
m.w.N.
371<br />
vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, welche ein Unternehmen normalerweise zu t<strong>ra</strong>gen hat.“ 1504 Eine Beihilfe ist also<br />
eine wirtschaftliche Vergünstigung, die unter normalen Marktbedingungen nicht gewährt<br />
wor<strong>de</strong>n wäre. 1505 Hierunter fallen alle Arten von Subventionen, d.h. sowohl Zuschüsse und<br />
Steuererleichterungen als auch unentgeltliche Vorteile ohne Gegenleistung. 1506 Aus diesem<br />
Grun<strong>de</strong> müssen die an kirchliche Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege gezahlten „verlorenen<br />
Zuschüsse“ grundsätzlich 1507 als staatliche Beihilfen i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) EGV<br />
angesehen wer<strong>de</strong>n. Gleiches muß konsequenterweise auch für Privilegierungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchen 1508<br />
durch Steuerfreiheit – z.B. Freistellung von <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperschaftsteuer, <strong><strong>de</strong>r</strong> Erbschaft-<br />
und Schenkungsteuer – sowie eine Dienstleistung zu Vorzugsbedingungen, wie diese<br />
eventuell in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zurverfügungstellung <strong>de</strong>s staatlichen Finanzappa<strong>ra</strong>ts zum KiSt-Einzug<br />
erblickt wer<strong>de</strong>n kann, gelten.<br />
Daß Staatsleistungen auf „altrechtlichen Titeln“ beruhen, schließt je<strong>de</strong>nfalls ihre Qualifizierung<br />
als Beihilfe noch nicht aus, 1509 da insofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Vor<strong>ra</strong>ng <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />
eingreift, welcher innerstaatliches Recht verdrängt. 1510<br />
1504<br />
EuGH, Rs. 30/59 (Steenkolenmijnen in L<strong>im</strong>burg/Hohe Behör<strong>de</strong>), Slg. 1961, S. 1 ff., 43.<br />
1505<br />
EuGH, Rs. C-342/96 (Spanien/Kommission), Urteil vom 29.4.1999, Rz. 41; Rs. C-256/97<br />
(Déménagements-Manutention T<strong>ra</strong>nsport SA [DMT]), Urteil vom 29.6.1999, EuZW 1999,<br />
S. 506 ff., 508, Rz. 22.<br />
1506<br />
Vgl. EuGH, Rs. 47/69 (F<strong>ra</strong>nkreich/Kommission), Slg. 1970, S. 487 ff.; Schweitzer/<br />
Hummer, Fn. 35, Rdnr. 1304.<br />
1507<br />
Vgl. aber auch die Ausführungen unten K.III.6.c)ee).<br />
1508<br />
Die von Wemmer, Fn. 1020, S. 188 f., vertretene Auffassung erscheint zunächst insofern<br />
wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüchlich, als dieser einerseits <strong>de</strong>n Unternehmensbegriff <strong>de</strong>s Art. 87 (ex-Art. 92)<br />
EGV weit auslegt und selbst auf öffentlich-rechtliche Körperschaften erstreckt, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits<br />
private Haushalte und – ohne nähere Begründung – Kirchen als K.d.ö.R. hiervon ausn<strong>im</strong>mt.<br />
Grundsätzlich wird man unter <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen Unternehmensbegriff auch die<br />
Kirchen subsumieren müssen, zumal beispielsweise auch Beihilfen zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kultur und <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhaltung <strong>de</strong>s kulturellen Erbes, vgl. Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 3 lit. d EGV,<br />
hierunter fallen; vgl. <strong>im</strong> übrigen auch die Ausführungen oben K.I.2.a)aa)(2)(ii), EuGH,<br />
Rs. 196/87 (Steymann/Staatssecretaris van Justitie), Slg. 1988, S. 6159 ff., sowie unten<br />
Fn. 1589.<br />
1509<br />
A.A. Link, Fn. 100, S. 151.<br />
1510<br />
So auch Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 1503, S. 808 f., <strong><strong>de</strong>r</strong> da<strong>ra</strong>uf hinweist, daß die logische Folge einer<br />
mit <strong>de</strong>m Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfe ihre Rückfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung ist, da hierdurch<br />
<strong>de</strong>m Beihilfeempfänger <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorteil gegenüber <strong>de</strong>n nicht in <strong>de</strong>n Genuß <strong><strong>de</strong>r</strong> Beihilfe<br />
gekommenen „Mitbewerbern“ – hier: an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften – wie<strong><strong>de</strong>r</strong> genommen<br />
wird. Vert<strong>ra</strong>uensschutzgesichtspunkte dürften aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> insoweit ein<strong>de</strong>utigen<br />
Ablösepflicht <strong>de</strong>s Art. 138 Abs. 1 WRV nicht eingreifen.
372<br />
bb) Grundsätzliches Verbot staatlicher Beihilfen<br />
Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 1 EGV stellt <strong>de</strong>n Grundsatz auf, daß aus staatlichen Mitteln<br />
gewährte Beihilfen je<strong><strong>de</strong>r</strong> Art, die durch die Begünstigung best<strong>im</strong>mter Unternehmen <strong>de</strong>n<br />
Wettbewerb verfälschen o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu verfälschen drohen, mit <strong>de</strong>m Gemeinsamen Markt<br />
unvereinbar sind, soweit sie <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>l zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und nicht<br />
eine spezielle Erlaubnis <strong>im</strong> EG-Vert<strong>ra</strong>g – z.B. nach Art. 36 (ex-Art. 42) EGV o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Art. 73 (ex-Art. 77) EGV – diese ausdrücklich gestattet. Eine Wettbewerbsverfälschung kann<br />
dann angenommen wer<strong>de</strong>n, wenn die begünstigten Unternehmen gegenüber nicht-begünstigten<br />
Unternehmen Wettbewerbsvorteile erhalten. 1511 Von einer Beeinträchtigung <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>ls<br />
zwischen <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten muß man ausgehen, wenn durch die Beihilfe die<br />
Wettbewerbsfähigkeit inländischer Unternehmen gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> von Unternehmen an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
Mitgliedstaaten verbessert wird. 1512 Nicht-begünstigte Kirchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong><br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Mitgliedstaaten können ihre sozialen und karitativen Dienstleistungen u.U. nicht<br />
ebenso günstig anbieten, wie die staatlich geför<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege. Aus<br />
diesem Grun<strong>de</strong> muß <strong>im</strong> Einzelfall eine mögliche Wettbewerbsverfälschung bejaht wer<strong>de</strong>n. 1513<br />
cc) Erlaubte staatliche Beihilfen<br />
Staatliche Beihilfen sind jedoch gemäß Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 2 EGV mit <strong>de</strong>m<br />
Gemeinsamen Markt vereinbar o<strong><strong>de</strong>r</strong> können gemäß Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 3 EGV als mit<br />
<strong>de</strong>m Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen wer<strong>de</strong>n, wenn sie unter eine <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n<br />
Katalogen genannten Ausnahmebest<strong>im</strong>mungen subsumiert wer<strong>de</strong>n können:<br />
(1) Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 2 EGV<br />
Eine Ausnahmebest<strong>im</strong>mung nach Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 2 EGV schei<strong>de</strong>t aus, da die<br />
Zuwendungen an Kirchen und freie Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege nicht <strong>de</strong>n dort aufgeführten<br />
Best<strong>im</strong>mungen zugeordnet wer<strong>de</strong>n können.<br />
(2) Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 3 EGV<br />
1511<br />
Vgl. EuGH, Rs. 730 (Philip Morris/Kommission), Slg. 1980, S. 2671 ff., 2688 f.;<br />
Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 1306.<br />
1512<br />
Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 1307.<br />
1513<br />
Selbst Bleckmann, Fn. 133, S. 4, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung: „Denn ein solcher Wettbewerb kann<br />
etwa für die kirchlichen K<strong>ra</strong>nkenhäuser, vielleicht auch für die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten sicherlich nicht<br />
geleugnet wer<strong>de</strong>n.“; vgl. auch Tempel, Fn. 695, S. 14.
373<br />
Die Zuwendungen könnten jedoch nach Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 3 lit. d EGV als Beihilfen<br />
zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur und <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhaltung <strong>de</strong>s kulturellen Erbes als mit <strong>de</strong>m Gemeinsamen<br />
Markt vereinbar angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />
(i) Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
Auch wenn das <strong>Religionsrecht</strong> als solches <strong><strong>de</strong>r</strong> Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 151 (ex-Art. 128) EGV<br />
nicht zugeordnet wer<strong>de</strong>n kann, 1514<br />
bestehen grds. keine Be<strong>de</strong>nken, <strong>de</strong>n religiösen Kultus von<br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften unter <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92)<br />
Abs. 3 lit. 3 d EGV zu subsumieren, da insoweit von einem umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kulturbegriff<br />
auszugehen ist.<br />
Staatliche Zuwendungen zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Denkmalschutzes an religiösen Bauten können<br />
unproblematisch als Beihilfen zur Erhaltung <strong>de</strong>s kulturellen Erbes angesehen wer<strong>de</strong>n. Daß<br />
auch die Gemeinschaft religiöse Bauten zum kulturellen Erbe zugehörig ansieht, wird u.a.<br />
da<strong>ra</strong>n <strong>de</strong>utlich, daß sie – gemäß Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 2, 2. Spiegelstrich EGV för<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
und ergänzt sie die Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhaltung und <strong>de</strong>s Schutzes<br />
von kulturellem Erbe von europäischer Be<strong>de</strong>utung – in ihr För<strong><strong>de</strong>r</strong>prog<strong>ra</strong>mm zur Erhaltung <strong>de</strong>s<br />
architektonischen Erbes Europas <strong>im</strong> Jahre 1995 explizit „Religiöse Bauten“ aufgenommen<br />
hat.<br />
Allerdings ist eine Beihilfe – auch wenn sie <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhaltung <strong>de</strong>s kulturellen Erbes dient –<br />
gemeinschaftsrechtlich nur zulässig, soweit sie <strong>de</strong>n Wettbewerbsbedingungen innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft nicht zuwi<strong><strong>de</strong>r</strong>läuft. Da durch die Staatsleistungen nur einige <strong><strong>de</strong>r</strong> grds.<br />
gleichberechtigten Religionsgemeinschaften – maßgebliches Kriterium <strong><strong>de</strong>r</strong> Gleichbehandlung<br />
müßte insoweit die Gewährung <strong>de</strong>s Status einer K.d.ö.R. o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer ähnlichen staatlichen<br />
Anerkennung sein 1515<br />
– subventioniert wer<strong>de</strong>n, kommt es innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten <strong>de</strong>s<br />
öfteren zu Wettbewerbsverzerrungen; diese führen zur Unzulässigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen Beihilfen.<br />
(ii) Freie Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege<br />
1514 Vgl. hierzu die Ausführungen unter F.<br />
1515 Bei einem System <strong>de</strong>s Staatskirchentums ist eine Subventionierung nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatskirche<br />
gerechtfertigt, da dieser <strong>im</strong> Gegensatz zu <strong>de</strong>n übrigen Religionsgemeinschaften eine he<strong>ra</strong>us<strong>ra</strong>gen<strong>de</strong><br />
Position zukommt; an<strong><strong>de</strong>r</strong>s dagegen stellt sich die Situation in Mitgliedstaaten dar,<br />
die sich von Verfassungs wegen zur Neut<strong>ra</strong>lität gegenüber allen Religionsgemeinschaften<br />
verpflichtet haben und die verschie<strong>de</strong>ne Kirchen und Religionsgemeinschaften aufgrund<br />
eines einheitlichen Status offiziell anerkennen.
374<br />
Die Zuwendungen an freie Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege können dagegen we<strong><strong>de</strong>r</strong> als Beihilfe<br />
zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 3 lit. d EGV noch als eine sonstige<br />
Beihilfe i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 3 lit. e EGV angesehen wer<strong>de</strong>n, da letzterenfalls ein<br />
Ratsbeschluß mit qualifizierter Mehrheit erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich wäre. Allenfalls könnte man annehmen,<br />
daß es sich hierbei um eine Beihilfe zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Entwicklung gewisser<br />
Wirtschaftszweige i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 3 lit. b han<strong>de</strong>lt, wobei sich auch hier das<br />
Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> paritätischen Mittelverteilung stellt.<br />
dd) Bereichsausnahme nach Art. 86 (ex-Art. 90) Abs. 2 EGV<br />
Duopolartige Unternehmen wie Caritas und Diakonisches Werk können sich auch nicht auf<br />
die Bereichsausnahme nach Art. 86 (ex-Art. 90) Abs. 2 EGV berufen, da ihre<br />
Dienstleistungen nicht von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse sind. 1516<br />
Auch han<strong>de</strong>lt es sich nicht um „öffentliche Unternehmen“ i.S.d. <strong><strong>de</strong>r</strong> Legal<strong>de</strong>finition <strong>de</strong>s Art. 2<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> auf Art. 86 (ex-Art. 90) Abs. 3 EGV gestützten T<strong>ra</strong>nsparenzrichtlinie 1517 . Hierunter zu<br />
subsumieren ist nur ein solches „Unternehmen, auf das die öffentliche Hand aufgrund<br />
Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonstiger Best<strong>im</strong>mungen, die die Tätigkeit<br />
<strong>de</strong>s Unternehmens regeln, unmittelbar o<strong><strong>de</strong>r</strong> mittelbar einen beherrschen<strong>de</strong>n Einfluß ausüben<br />
kann“. Die Mittelzuweisungen <strong>de</strong>s Staates per se stellen noch keine Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitsbeteiligungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Hand an <strong>de</strong>n freien Trägern <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege dar. 1518<br />
ee) Vorliegen einer Beihilfe<br />
1516 Ein allgemeines wirtschaftliches Interesse liegt nur vor, wenn die Dienstleistungen<br />
gegenüber sämtlichen Nutzern <strong>im</strong> gesamten Mitgliedstaat (Bun<strong>de</strong>sgebiet) erb<strong>ra</strong>cht wer<strong>de</strong>n,<br />
wie dies z.B. bei Dienstleistungen von Bahn, Post und Sen<strong>de</strong>anstalten zu bejahen ist.<br />
Ausgeschlossen sind jedoch in je<strong>de</strong>m Fall solche Tätigkeiten, die ausschließlich<br />
nichtwirtschaftlichen, d.h. karitativen, fürsorglichen o<strong><strong>de</strong>r</strong> kulturellen Zwecken dienen, wie<br />
dies für die freien Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege anzunehmen ist, vgl. v.d.Groeben/Thiesing/<br />
Ehlermann/Hochbaum, Bd. 2, Art. 90, Rdnrn. 46, 48; Bartosch, Öffentlich-rechtliche<br />
Rundfunkfinanzierung und EG-Beihilfenrecht, EuZW 1999, S. 176 ff., 178 f. Dies än<strong><strong>de</strong>r</strong>t<br />
jedoch nichts da<strong>ra</strong>n, daß es sich bei <strong>de</strong>n freien Trägern <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege um einen Teil<br />
<strong>de</strong>s Wirtschaftslebens i.S.d. Art. 2 (ex-Art. 2) EGV han<strong>de</strong>lt.<br />
1517 Richtlinie 80/723/EWG über die T<strong>ra</strong>nsparenz <strong><strong>de</strong>r</strong> finanziellen Beziehungen zwischen <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten und <strong>de</strong>n öffentlichen Unternehmen vom 25. Juni 1980, ABl. 1980,<br />
Nr. L 195, S. 35 ff., geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch RL 85/413/EWG, ABl. 1985, Nr. L 229, S. 20 ff.<br />
1518 Vgl. hierzu allgemein Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 1503, S. 816.
375<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Prüfung wur<strong>de</strong> jedoch unterstellt, daß es sich bei <strong>de</strong>n direkten staatlichen<br />
Zuwendungen an kirchliche o<strong><strong>de</strong>r</strong> freie Träger um Beihilfen i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 1<br />
EGV han<strong>de</strong>lt. Problematisch erscheint allein das dort genannte Merkmal <strong><strong>de</strong>r</strong> Begünstigung.<br />
Diese soll nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH nämlich überhaupt nicht vorliegen, wenn die<br />
Zuwendung lediglich die Gegenleistung für eine von ihrem Empfänger erb<strong>ra</strong>chte Leistung<br />
ist. 1519 Wür<strong>de</strong>n die Kirchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> freien Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege die als öffentlich zu<br />
qualifizieren<strong>de</strong>n sozialen Aufgaben nicht erbringen, so müßte diese <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat selbst<br />
wahrnehmen. Somit könnte die staatliche Zuwendung u.U. als Gegenleistung hierfür<br />
angesehen wer<strong>de</strong>n, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Folge, daß eine Begünstigung entfiele. 1520<br />
Da außer<strong>de</strong>m nicht nur die unmittelbaren Staatsleistungen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch die staatlichen<br />
Dienstleistungen zu Vorzugsbedingungen unter <strong>de</strong>n Beihilfenbegriff <strong>de</strong>s Art. 87 (ex-Art. 92)<br />
Abs. 1 EGV fallen, wenn diese eine Belastung min<strong><strong>de</strong>r</strong>n, die ein Unternehmen eigentlich zu<br />
t<strong>ra</strong>gen hat, könnte die Zurverfügungstellung <strong>de</strong>s staatlichen Finanzappa<strong>ra</strong>ts an die<br />
kirchensteuererheben<strong>de</strong>n Kirchen zum Lohnsteuereinzug gleichfalls als Beihilfe angesehen<br />
wer<strong>de</strong>n, soweit die Vergütung für die Mitwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzämter geringer als <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
tatsächlicher Aufwand wäre. 1521 Da die Kirchen ohne staatliche Hilfe ihren „Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>beit<strong>ra</strong>g“<br />
selbst einziehen müßten, was zu erheblich höheren Kosten führen wür<strong>de</strong>, erscheint<br />
f<strong>ra</strong>glich, ob hier nur die gezahlte Aufwandsvergütung von 3 - 5 % <strong>de</strong>s<br />
Kirchensteue<strong>ra</strong>ufkommens angesetzt wer<strong>de</strong>n kann. 1522 Zunächst wäre zu ermitteln, ob die<br />
Aufwandsvergütung <strong>de</strong>m tatsächlichen Aufwand entspricht o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihn gar leicht<br />
überkompensiert. 1523<br />
Bei einem Tätigwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Staates für die Allgemeinheit sind grds. nur<br />
die Kosten für <strong>de</strong>n tatsächlichen Aufwand anzusetzen; bei <strong>de</strong>n nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Allgemeinheit<br />
dienen<strong>de</strong>n sonstigen Fiskalgeschäften <strong>de</strong>s Staates muß <strong>im</strong> Gegensatz hierzu eine gewisse<br />
Gewinnspanne zum tatsächlichen Aufwand hinzugerechnet wer<strong>de</strong>n. Damit könnte die<br />
Begünstigung <strong>im</strong> Verzicht <strong>de</strong>s Staates auf einen möglichen Gewinn zu sehen sein. Für die<br />
Allgemeinheit wür<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat in religiöser Hinsicht nur dann tätig, wenn er allen öffentlich-<br />
1519<br />
EuGH, Rs. 240/83 (Procureur <strong>de</strong> la République/ADBHU), Slg. 1985, S. 531 ff., 550,<br />
Rz. 18; Rs. 47/69, Fn. 1506, S. 487 ff.<br />
1520<br />
Diese Argumentation hat Bartosch, Fn. 1516, S. 177 f., für die Finanzierung <strong>de</strong>s öffentlichrechtlichen<br />
Rundfunks entwickelt. Sie läßt sich aber ohne weiteres auch auf die staatliche<br />
Kirchenfinanzierung übert<strong>ra</strong>gen.<br />
1521<br />
So auch Starck, Fn. 448, S. 1431.<br />
1522<br />
Immerhin spricht selbst Robbers, Fn. 1327, S. 886, von einer „staatlichen För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>im</strong><br />
finanziellen Bereich [...] mittels <strong>de</strong>s staatlichen Kirchensteuereinzuges“, die zu einer Entlastung<br />
kirchlicher Kräfte führe.<br />
1523<br />
So je<strong>de</strong>nfalls Link, Fn. 100, S. 150.
376<br />
rechtlichen Kirchenkörperschaften die Möglichkeit <strong>de</strong>s KiSt-Einzugsverfahrens anbieten<br />
wür<strong>de</strong>. 1524<br />
Grundsätzlich je<strong>de</strong>nfalls müßte sowohl für alle direkten Staatsleistungen an freie und<br />
kirchliche Träger als auch für das Zurverfügungstellen <strong>de</strong>s staatlichen Finanzappa<strong>ra</strong>ts zu <strong>de</strong>n<br />
gegenwärtigen Konditionen an letztere ein sog. Market-Investor-Test angestellt wer<strong>de</strong>n, durch<br />
welchen festgestellt wer<strong>de</strong>n kann, ob ein privater Investor sein Kapital zu ähnlichen<br />
Bedingungen zur Verfügung gestellt hätte. 1525 Allerdings soll auf die Durchführung eines<br />
solchen Tests dann verzichtet wer<strong>de</strong>n können, soweit es sich um die Erfüllung spezifischer<br />
öffentlicher Aufgaben eines Mitgliedstaats han<strong>de</strong>lt; in diesem Fall kann nämlich die<br />
Gegenleistung einen Ausgleich für die mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgabenerfüllung verbun<strong>de</strong>nen Lasten<br />
darstellen. 1526<br />
ff) Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> Quantifizierung<br />
In einem weiteren Schritt müßte geklärt wer<strong>de</strong>n, in welchem Maße Kirchen und freie Träger<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege tatsächlich öffentliche Aufgaben wahrnehmen. <strong>Das</strong> EuG hat als<br />
beihilferechtlich anzuerkennen<strong>de</strong> Gegenleistung lediglich eine Kompensation für die mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Erfüllung <strong>de</strong>s öffentlichen Auft<strong>ra</strong>gs verbun<strong>de</strong>nen Nachteile anerkannt. 1527 Aus diesem Grun<strong>de</strong><br />
müßten die Zuwendungsempfänger theoretisch aufschlüsseln, in welcher Höhe ihnen durch<br />
die Erfüllung öffentlicher Aufgaben finanzieller Aufwand entstan<strong>de</strong>n ist und ob dieser<br />
Aufwand die staatlichen Zuwendungen übersteigt o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht. Der überschießen<strong>de</strong> Bet<strong>ra</strong>g wäre<br />
als staatliche Beihilfe i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) Abs. 1 EGV zu werten. Aufgrund <strong>de</strong>s weiten<br />
mitgliedstaatlichen Beurteilungsspiel<strong>ra</strong>ums sollten allerdings nur offensichtliche<br />
Überkompensationen <strong>de</strong>s Staates erfaßt wer<strong>de</strong>n. 1528<br />
1524<br />
Nach Art. 15 Abs. 1 <strong>de</strong>s bayerischen Kirchensteuergesetzes vom 26.11.1954 i.d.F. vom<br />
15.3.1967 (BayGVBl. 1967, S. 317), wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenlohnsteue<strong>ra</strong>bzug dagegen beispielsweise<br />
nur <strong>de</strong>njenigen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften gestattet, die in<br />
Bayern mehr als 25.000 Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> haben. Eine solche Unterscheidung bringt einige<br />
bevorzugte Gruppen hervor und erfüllt <strong>de</strong>shalb nicht mehr das Kriterium <strong>de</strong>s Tätigwer<strong>de</strong>ns<br />
für die Allgemeinheit.<br />
1525<br />
Vgl. z.B. EuGH, Rs. C-303/88 (Italienische Republik/Kommission), Slg. 1991,<br />
S. I-1433 ff., 1476, Rz. 21; Rs. C-261/89 (Italienische Republik/Kommission), Slg. 1991,<br />
S. I-4437 ff., 4458 f., Rz. 7 ff.; Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 1503, S. 817 ff.<br />
1526<br />
EuG, Rs. T-95/96 (Gestevisión Telecinco SA/Kommission), Slg. 1998, S. II-3410 ff., 3431,<br />
Rz. 83; Bartosch, Fn. 1516, S. 178.<br />
1527<br />
EuG, Rs. T-95/96, Fn. 1526, Bartosch, Fn. 1516, S. 178.<br />
1528<br />
So auch Bartosch, Fn. 1516, S. 178.
7. Zusammenfassung<br />
377<br />
Zukunft i.R.d. verschie<strong>de</strong>nen europäischen Kirchenfinanzierungsmo<strong>de</strong>lle hat entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> eine<br />
Finanzierung über Gemein<strong>de</strong>beträge und Spen<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber ein System <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuererhebung,<br />
wie dies einerseits das <strong>de</strong>utsche KiSt-System, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits die italienische Kultussteuer<br />
repräsentiert, wobei letztere <strong>de</strong>m Freiwilligkeitsaspekt besser Rechnung trägt und unnötige<br />
Konflikte mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit An<strong><strong>de</strong>r</strong>sgläubiger vermei<strong>de</strong>t.<br />
Sowohl bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Einkommensteuer als auch bei <strong><strong>de</strong>r</strong> an diese gekoppelte KiSt han<strong>de</strong>lt es sich<br />
um direkte Steue<strong>ra</strong>rten, für welche die Gemeinschaft nach Art. 94 (ex-Art. 100) EGV nur<br />
insoweit Kompetenzen innehat, als es durch sie zu einer Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Gemeinsamen<br />
Marktes kommen wür<strong>de</strong>. Problematisch erscheint eher, daß Mitgliedstaaten wie Deutschland<br />
zum Ausgleich für eine gemeinschaftsrechtlich gebotene sukzessive Erhöhung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mehrwertsteuer <strong>de</strong>n Einkommensteuersatz schrittweise absenken, was aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Akzessorietät <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt von <strong><strong>de</strong>r</strong> Einkommensteuer zu Min<strong><strong>de</strong>r</strong>einnahmen bei <strong>de</strong>n KiSt<br />
erheben<strong>de</strong>n Kirchen führt. Die Verpflichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber zur entschädigungslosen KiSt-<br />
Abführung kann sich <strong>im</strong> Einzelfall als Verstoß gegen das allgemeine Beschränkungsverbot<br />
darstellen, da hierfür zum einen kein zwingen<strong><strong>de</strong>r</strong> Grund <strong>de</strong>s Allgemeinwohls besteht und eine<br />
entschädigungslose Verpflichtung zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en unverhältnismäßig erscheint.<br />
Vor <strong>de</strong>m Erlaß <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG (Datenschutzrichtlichtlinie) galten – mit Ausnahme<br />
Deutschlands – in allen Mitgliedstaaten auch für die Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
staatliche Datenschutzgesetze. Auf Betreiben <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Großkirchen wur<strong>de</strong> in die RL<br />
95/46/EG ein 35. Erwägungsgrund eingeführt, wonach <strong><strong>de</strong>r</strong> KiSt-Einzug durch die staatlichen<br />
Finanzämter als „wichtiges öffentliches Interesse“ i.S.d. Art. 8 Abs. 4 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG angesehen<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Allerdings ist auch <strong><strong>de</strong>r</strong> 34. Erwägungsgrund zu beachten, wonach bei<br />
Ausnahmebest<strong>im</strong>mungen vom Datenschutz beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ga<strong>ra</strong>ntien zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte<br />
– hier ist die Religionsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbest<strong>im</strong>mung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Angehörigen von Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitsreligionen zu erwähnen – zu gewähren sind. Diese<br />
Grundrechtskollision darf nicht einseitig zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Großkirchen entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „staatlichen Beihilfen“ i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) EGV ist weit auszulegen<br />
und umfaßt auch die Leistungen an freie Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege und Kirchen. Da jedoch<br />
Beihilfen zur För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Erhaltung <strong>de</strong>s kulturellen Erbes jedoch mit <strong>de</strong>m<br />
Gemeinsamen Markt grds. als vereinbar angesehen wer<strong>de</strong>n können, sind staatliche Leistungen<br />
für <strong>de</strong>n kirchlichen Denkmalschutz und <strong>de</strong>n Kultus von Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
zulässig, soweit sie nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Staatliche Leistungen an freie<br />
Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege können jedoch nicht unter <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>s „allgemeinen<br />
wirtschaftlichen Interesses“ i.S.d. Art. 86 (ex-Art. 90) Abs. 2 EGV subsumiert wer<strong>de</strong>n. Daher<br />
kommt es entschei<strong>de</strong>nd da<strong>ra</strong>uf an, inwieweit diese <strong>im</strong> Einzelfall öffentliche Aufgaben<br />
wahrnehmen. Soweit dies <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist, liegt schon tatbestandlich keine Beihilfe, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n eine<br />
Gegenleistung für erb<strong>ra</strong>chte Leistungen vor.
378<br />
IV. Europäische Integ<strong>ra</strong>tion und kirchliches Bildungswesen<br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften besitzen oftmals eigene Bildungseinrichtungen, die von<br />
Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten über Schulen bis hin zu theologischen Fakultäten reichen. In einigen Mitgliedstaaten<br />
gibt es sogar Universitäten in kirchlicher Trägerschaft, wie z.B. Leuven und Louvain<br />
(Belgien) o<strong><strong>de</strong>r</strong> Eichstätt (Deutschland).<br />
1. Kompetenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft <strong>im</strong> Bildungswesen<br />
Die EG besitzt Kompetenzen <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Bildungswesens, vgl. Art. 149 f. (ex-Art. 126 f.)<br />
EGV, die jedoch eine Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechts- und Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
nicht beinhalten, vgl. Art. 149 (ex-Art. 126) Abs. 4, Art. 150 (ex-Art. 127) Abs. 4<br />
EGV. Während <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Berufsbildungspolitik, vgl. Art. 150 (ex-Art. 127) EGV,<br />
Maßnahmen zur Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong>de</strong>s Art. 150 (ex-Art. 127) EGV erlassen wer<strong>de</strong>n<br />
können, gestattet Art. 149 (ex-Art. 126) EGV <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Bildungspolitik nur<br />
För<strong><strong>de</strong>r</strong>maßnahmen und Empfehlungen.<br />
Allerdings bringen Art. 149 (ex-Art. 126) Abs. 1 und Art. 150 (ex-Art. 127) Abs. 1 EGV<br />
<strong>de</strong>utlich zum Ausdruck, daß die Mitgliedstaaten die Ve<strong>ra</strong>ntwortung für die Lehrinhalte und<br />
die Gestaltung <strong>de</strong>s Bildungssystems bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> beruflichen Bildung haben und die<br />
Gemeinschaft nur unterstützend und ergänzend tätig wird. Bildungseinrichtungen von Kirchen<br />
und Religionsgemeinschaften sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsunterricht an staatlichen Schulen wer<strong>de</strong>n<br />
von <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen Regeln in ihren Lehrinhalten nicht betroffen. Die „Achtung<br />
vor Gott“, wie sie z.B. als bayerisches Erziehungsziel anerkannt ist, wird somit vom<br />
Gemeinschaftsrecht ebensowenig tangiert wie die Existenz christlicher Bekenntnisschulen.<br />
Allerdings darf nicht verkannt wer<strong>de</strong>n, daß die Gemeinschaft durch konkrete<br />
För<strong><strong>de</strong>r</strong>maßnahmen mittelbar sehr wohl Einfluß auf ihr genehme Lehrinhalte ausüben kann.<br />
Im Bildungssektor haben jedoch neben Art. 149 (ex-Art. 126) f. EGV auch Art. 39<br />
(ex-Art. 48) EGV sowie die VO Nr. 1612/68 Be<strong>de</strong>utung. 1529<br />
1529 Vgl. insoweit die obigen Ausführungen unter K.I.
2. Rechtsverhältnisse an Theologischen Fakultäten<br />
379<br />
a) Stu<strong>de</strong>nten<br />
Für Stu<strong>de</strong>nten an Theologischen Fakultäten gilt die revidierte Stu<strong>de</strong>ntenrichtlinie 1530 , <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Art. 1 <strong>de</strong>n Stu<strong>de</strong>nten aus an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten einen nichtdiskr<strong>im</strong>inieren<strong>de</strong>n Zugang zur<br />
beruflichen Bildung gewährt. Eine Benachteiligung aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit ist<br />
damit unzulässig, was <strong>im</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zu <strong>de</strong>n sog. Staatsangehörigkeitsklauseln 1531<br />
in vielen<br />
Konkordaten steht.<br />
Für Berufe mit einer min<strong>de</strong>stens dreijährigen Hochschulausbildung, die nicht bereits<br />
Gegenstand einer speziellen Richtlinie sind – so auch die evangelische und katholische<br />
Theologie – fin<strong>de</strong>n die Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 89/48/EWG über eine allgemeine<br />
Regelung zur Anerkennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Hochschuldiplome 1532<br />
Anwendung.<br />
b) Lehrstuhlmitarbeiter<br />
Lehrstuhlmitarbeiter an Theologischen Fakultäten fallen in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Freizügigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer nach Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV. Eine Berufung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Universitäten auf die Bereichsausnahme <strong>de</strong>s Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV schei<strong>de</strong>t von<br />
vornherein aus, da es sich hierbei nicht um Hoheitsverwaltung i.e.S. han<strong>de</strong>lt.<br />
c) Hochschullehrer; insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Problematik <strong><strong>de</strong>r</strong> Konkordatslehrstühle<br />
Hochschullehrer Theologischer Fakultäten müssen – ebenfalls als Arbeitnehmer i.S.d.<br />
Art. 39 ff. (ex-Art. 48 ff.) EGV – die Vo<strong>ra</strong>ussetzungen sowohl <strong>de</strong>s Staates durch Habilitation<br />
als auch die <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Großkirche durch die Missio canonica bzw. Vocatio erfüllen.<br />
Als gemeinschaftsrechtlich heikel stellen sich die 21 bayerischen Konkordatslehrstühle dar:<br />
Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um „Professuren nichttheologischer Lehrfächer in <strong>de</strong>n Fachbereichen<br />
Philosophie, Gesellschaftswissenschaften und Pädagogik, d.h. Lehrstühle außerhalb<br />
Theologischer Fakultäten, die mit Persönlichkeiten zu besetzen sind, <strong><strong>de</strong>r</strong>en kirchlicherseits<br />
1530 Richtlinie 93/96/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 29. Oktober 1993 über das Aufenthaltsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Stu<strong>de</strong>nten, ABl. 1993, Nr. L 317, S. 59 ff.; die ursprüngliche Richtlinie 90/366/EWG <strong>de</strong>s<br />
Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht für Stu<strong>de</strong>nten wur<strong>de</strong> vom EuGH durch<br />
Urteil vom 7.7.1992, Rs. C-295/90 (EP/Rat), Slg. 1992, S. I-4193 ff., für nichtig erklärt.<br />
1531 Vgl. insoweit die Ausführungen oben unter Fn. 1218.<br />
1532 ABl. 1989, Nr. L 19, S. 16 ff.; abgedruckt unter Sartorius II, Nr. 192.
380<br />
gebilligter katholischer Standpunkt zweifelsfrei ist.“ 1533 Gerechtfertigt wer<strong>de</strong>n solche<br />
Konkordatslehrstühle mit <strong>de</strong>m Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis <strong><strong>de</strong>r</strong> Rekrutierung <strong>de</strong>s Lehrernachwuchses für<br />
konfessionelle Privatschulen, die in diesen Bereichen eine kirchenloyale Ausbildung genießen<br />
müßten. 1534 Zwar liegt <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit noch kein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vor, da das<br />
allgemeine Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot nach Art. 12 (ex-Art. 6) EGV nur Diskr<strong>im</strong>inierungen<br />
aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsangehörigkeit erfaßt und durch die Richtlinie 76/207/EWG 1535 nur die<br />
Gleichbehandlung von Männern und F<strong>ra</strong>uen hinsichtlich <strong>de</strong>s Zugangs zur Beschäftigung<br />
vorgeschrieben wird. Dies könnte sich durch <strong>de</strong>n Erlaß von Antidiskr<strong>im</strong>inierungsmaßnahmen<br />
aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung nach Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV jedoch än<strong><strong>de</strong>r</strong>n, da<br />
durch die Konkordatslehrstühle gleichqualifizierte habilitierte Bewerber an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Konfessionen<br />
mittelbar benachteiligt wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>n konkordatären Regelungen han<strong>de</strong>lt es sich in<strong>de</strong>s um –<br />
gegenüber <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht – bevorrechtigte „Altverträge“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>slän<strong><strong>de</strong>r</strong> nach<br />
Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV, wobei insoweit künftig eine Pflicht zur Kündigung nach<br />
Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV eingreifen könnte. 1536<br />
1. In Deutschland<br />
V. Europäische Integ<strong>ra</strong>tion und Sonn- und Feiertagsschutz<br />
Gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV genießen <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntag sowie die staatlich<br />
anerkannten Feiertage in Deutschland „als Tage <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitsruhe und seelischen Erhebung“<br />
Schutz als klassische „institutionelle Ga<strong>ra</strong>ntie“. 1537<br />
1533<br />
So v. Campenhausen, Fn. 831, S. 399 f., Rdnr. 49; vgl. hierzu Czermak, Fn. 184,<br />
S. 478 m.w.N.<br />
1534<br />
Vgl. v. Campenhausen, Fn. 831, S. 400, Rdnr. 49.<br />
1535<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen oben K.I.2.a)cc).<br />
1536<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen oben I.I.1.b) sowie I.I.2.a).<br />
1537<br />
Vgl. zum Sonn- und Feiertagsschutz Hollerbach, Freiheit kirchlichen Wirkens, in:<br />
Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch <strong>de</strong>s Staatsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland,<br />
Bd. VI, Hei<strong>de</strong>lberg 1989, § 140, Rdnrn. 60 ff.; HdbStKirchR/Kästner, Der Sonntag und die
381<br />
Im Arbeitszeitgesetz wer<strong>de</strong>n die Sonn- und Feiertage ebenfalls geschützt, da diese<br />
Vo<strong>ra</strong>ussetzungen für körperliche Regenerierung, aber auch für Muße zu religiöser Sammlung<br />
schaffen. 1538 Ergänzend hierzu ist § 105b GewO zu beachten, welcher die Ruhezeit an Sonn-<br />
und Feiertagen in enume<strong>ra</strong>tiv aufgezählten Gewerbebetrieben festlegt, in <strong>de</strong>n §§ 105c bis<br />
105j GewO allerdings wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zahlreiche Ausnahmen zuläßt. 1539<br />
In <strong>de</strong>n unterschiedlichen Lan<strong>de</strong>sverfassungen sind überdies – vergleichbar <strong>de</strong>n oben zitierten<br />
Grundgesetzbest<strong>im</strong>mungen – Ga<strong>ra</strong>ntien <strong>de</strong>s Sonn- und Feiertagsschutzes enthalten, 1540 welche<br />
durch die Feiertagsgesetze <strong><strong>de</strong>r</strong> Län<strong><strong>de</strong>r</strong> näher konkretisiert wer<strong>de</strong>n. 1541<br />
Nichts<strong>de</strong>stoweniger leisten in Deutschland aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> bestehen<strong>de</strong>n Ausnahmevorschriften<br />
<strong>im</strong> Arbeitszeitgesetz ca. 10 % aller Arbeitnehmer regelmäßig Sonn- und Feiertagsarbeit. 1542<br />
Dabei han<strong>de</strong>lt es sich längst nicht mehr nur um die Eisen- und Stahlindustrie, die mit <strong>de</strong>m<br />
Argument <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong>mensen Kosten <strong><strong>de</strong>r</strong> Abschaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Produktionsanlagen einen Rund-umdie-Uhr-Betrieb<br />
durchgesetzt hatten. Heutzutage schreitet die Erosion <strong><strong>de</strong>r</strong> verfassungsrechtlichen<br />
Sonntagsruhe in wettbewerbsorientierten High-Tech-Unternehmen durch<br />
Sonntagsarbeit ebenso vo<strong>ra</strong>n, wie <strong>im</strong> Pressewesen und auf <strong>de</strong>m Bewirtungs- und<br />
Freizeitsektor. 1543 Aber auch größere Kaufhäuser sträuben sich neuerdings gegen das seit<br />
1. November 1996 gelten<strong>de</strong> sog. gelockerte La<strong>de</strong>nschlußgesetz und öffnen angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
hohen Nachf<strong>ra</strong>ge be<strong>im</strong> Kun<strong>de</strong>n sogar unter Inkaufnahme von Zwangsgel<strong><strong>de</strong>r</strong>n ihre Geschäfte<br />
sonntags. 1544<br />
kirchlichen Feiertage, Zweiter Bd., § 51, S. 337 ff., 339 f.; Pahlke, Sonn- und<br />
Feiertagsschutz als Verfassungsgut, EssGespr. (24) 1990, S. 53 ff.; Richardi, Der Sonn- und<br />
Feiertagsschutz <strong>im</strong> Arbeitsleben, EssGespr. (24) 1990, S. 117 ff., sowie das Gemeinsame<br />
Wort <strong>de</strong>s Rates <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD und <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Bischofskonferenz vom 16. September 1985<br />
unter <strong>de</strong>m Titel „Der Sonntag muß geschützt bleiben“, EssGespr. (24) 1990, S. 186 f.<br />
1538<br />
Vgl. zur Problematik <strong>de</strong>s Arbeitszeitgesetzes Richardi, Fn. 1537, S. 146 f.<br />
1539<br />
Vgl. hierzu Richardi, Fn. 1537, S. 132 f.<br />
1540<br />
Vgl. hierzu die Übersicht bei Häberle, Feiertagsga<strong>ra</strong>ntien als kulturelle I<strong>de</strong>ntitätselemente<br />
<strong>de</strong>s Verfassungsstaates, Berlin 1987, S. 53, dort Fn. 78.<br />
1541<br />
Vgl. hierzu die Übersicht bei Kästner, Fn. 1537, S. 359, dort Fn. 89.<br />
1542<br />
Vgl. Heinze, Europäische Einflüsse auf das nationale Arbeitsrecht, RdA 1994, S. 1 ff., 19,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> für 1991 einen Faktor von 8,8 % errechnet hat.<br />
1543<br />
Vgl. auch Pahlke, Fn. 1537, S. 53.<br />
1544<br />
Vgl. nur PNP Nr. 178 vom 3.8.1999, S. 11; so haben sich bei einer TED-Umf<strong>ra</strong>ge <strong>de</strong>s RTL-<br />
Mittagsjournals „Punkt 12“ am 2.8.1999 67,6 % <strong><strong>de</strong>r</strong> 46.330 Anrufer für <strong>de</strong>n Einkaufsbummel<br />
am Sonntag ausgesprochen.
382<br />
<strong>Das</strong> BVerfG schließlich hat die Streichung <strong>de</strong>s Buß- und Bettages als ehemals staatlich<br />
anerkannter Feiertag als verfassungsgemäß anerkannt, da Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV<br />
keine Gewährleistung für das Fortbestehen best<strong>im</strong>mter Feiertage, also eine Bestandsga<strong>ra</strong>ntie<br />
für einen konkreten Feiertag o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine best<strong>im</strong>mte Anzahl <strong><strong>de</strong>r</strong>selben gewähre. Allerdings bin<strong>de</strong><br />
die genannte Vorschrift <strong>de</strong>n Gesetzgeber und verpflichte ihn, eine angemessene Zahl<br />
kirchlicher Feiertage staatlich anzuerkennen und durch gesetzliche Regelung zu gewährleisten,<br />
daß sie als Tage <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitsruhe und <strong><strong>de</strong>r</strong> seelischen Erhebung dienen können, wozu<br />
auch die Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme an kultischen Handlungen und religiösen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
weltanschaulichen Feiern und Gebräuchen gehöre. 1545<br />
2. Auf EU-Ebene<br />
a) Richtlinie 93/104/EG über die Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) 1546<br />
aa) Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG<br />
Die auf Art. 138 (ex-Art. 118a) EGV gestützte Arbeitszeitrichtlinie 1547 regelt neben <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
wöchentlichen Höchstarbeitszeit (Art. 6 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG) vor allem die Dauer <strong><strong>de</strong>r</strong> täglichen<br />
(Art. 3 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG) und wöchentlichen (Art. 5 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG) Min<strong>de</strong>struhezeiten,<br />
wobei die wöchentliche Min<strong>de</strong>struhezeit von 35 Stun<strong>de</strong>n – aufgrund einer <strong>de</strong>utschen<br />
Initiative 1548<br />
– in Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG wie folgt erweitert wur<strong>de</strong>:<br />
„Die Min<strong>de</strong>struhezeit schließt grundsätzlich <strong>de</strong>n Sonntag ein.“<br />
Angesichts <strong>de</strong>s Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisses <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntagsarbeit für 10 % <strong><strong>de</strong>r</strong> abhängig Erwerbstätigen in<br />
Deutschland konnte es sich hierbei nur um einen Grundsatz han<strong>de</strong>ln. Trotz<strong>de</strong>m bestand Grund<br />
1545<br />
BVerfG, NJW 1995, S. 3378 f., E. v. 18.9.1995; vgl. hierzu Kelm, Der gestrichene Bußund<br />
Bettag, Ju<strong>ra</strong> 1997, S. 598 ff.; vgl. auf <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Seite zu <strong>de</strong>n verlängerten La<strong>de</strong>nöffnungszeiten<br />
an Sonn- und Feiertagen aus Anlaß <strong><strong>de</strong>r</strong> Allerheiligenmesse: BVerwG, Urt. v.<br />
17.12.1998, NJW 1999, S. 1567 ff.<br />
1546<br />
Richtlinie 93/104/EG <strong>de</strong>s Rates vom 23. November 1993 über best<strong>im</strong>mte Aspekte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeitszeitgestaltung, ABl. 1993 Nr. L 307, S. 18 ff.<br />
1547<br />
Allgemein hierzu: Balze, Die Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung, EuZW 1994,<br />
S. 205 ff.<br />
1548<br />
Der Passus zum Sonntagsschutz fand sich in <strong>de</strong>m ursprünglichen Kommissionsvorschlag<br />
nicht, vgl. hierzu BR-Drucks. 713/90 vom 14.12.1990 sowie BT-Drucks. 12/315 vom<br />
25.3.1991.
383<br />
zur Annahme, daß die einzelnen Mitgliedstaaten verpflichtet gewesen sein könnten, <strong>de</strong>m<br />
Sonntagsschutz <strong>im</strong> Rahmen ihrer nationalen Umsetzungsgesetze so weit wie möglich<br />
Rechnung zu t<strong>ra</strong>gen. 1549<br />
Aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicht <strong><strong>de</strong>r</strong> christlichen Kirchen ließ die Arbeitszeitrichtlinie in<strong>de</strong>s Wünsche offen, da<br />
Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG durch Aufnahme folgen<strong>de</strong>n – von <strong><strong>de</strong>r</strong> britischen Regierung<br />
durchgesetzten – 10. Erwägungsgrun<strong>de</strong>s in die Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeitrichtlinie faktisch<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> eingeschränkt wur<strong>de</strong>:<br />
„Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> wöchentlichen Ruhezeit muß <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterschiedlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> kulturellen, ethnischen,<br />
religiösen und an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Faktoren in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten hinreichend Rechnung get<strong>ra</strong>gen<br />
wer<strong>de</strong>n. Insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e fällt es in <strong>de</strong>n Zuständigkeitsbereich eines je<strong>de</strong>n Mitgliedstaats, letztlich<br />
darüber zu befin<strong>de</strong>n, ob und in welchem Maße <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntag in die wöchentliche Ruhezeit<br />
einzubeziehen ist.“<br />
Unter Berücksichtigung dieses 10. Erwägungsgrun<strong>de</strong>s konnte die Wortwahl „grundsätzlich“<br />
in Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG nicht mehr ausschließlich dahingehend verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n,<br />
daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntag als Ruhetag einzuhalten wäre, soweit nicht die Arbeitnehmer aus Grün<strong>de</strong>n<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Auslastung von Produktionsanlagen o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en anzuerkennen<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Einhaltung <strong>de</strong>s Sonntags gehin<strong><strong>de</strong>r</strong>t sind, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n muß vielmehr be<strong>de</strong>uten, daß statt <strong>de</strong>s Sonntags<br />
„grundsätzlich“ auch ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Tag als Ruhetag best<strong>im</strong>mt wer<strong>de</strong>n könnte. 1550 Die<br />
Aufnahme <strong>de</strong>s 10. Erwägungsgrun<strong>de</strong>s ist schon daher enttäuschend, als je<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> gegenwärtig<br />
fünfzehn Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft <strong>de</strong>mselben t<strong>ra</strong>ditionell-christlichen Hintergrund<br />
entstammt. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonn- und Feiertage in<br />
<strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten nie in vergleichbarer Weise wie in Deutschland gewährleistet<br />
war. Daher hätte man in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung von Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG zu Recht von einem<br />
kleinen „ersten gemeinsamen Schritt zur europaweiten Sicherung <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntagsruhe“ 1551<br />
sprechen können, wenn nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH einer Klage Großbritanniens entsprochen hätte und<br />
ebendiesen Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung für nichtig erklärt hätte, daß<br />
„<strong><strong>de</strong>r</strong> Rat nicht dargetan [habe], warum <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntag als wöchentlicher Ruhetag in engerem<br />
Zusammenhang mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheit und <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicherheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer stehen solle als ein<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Arbeitstag“ 1552<br />
.<br />
1549<br />
So Heinze, Fn. 1542, S. 21.<br />
1550<br />
So GA Léger in <strong>de</strong>n Schlußanträgen zur Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich/Rat),<br />
Slg. 1996, S. I-5755 ff., 5786, Rz. 139.<br />
1551<br />
Heinze, Fn. 1542, S. 23.<br />
1552<br />
EuGH, Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich/Rat), Slg. 1996, S. I-5755 ff., 5805 f., Rz. 37.
384<br />
Es ist korrekt, daß die Festlegung eines best<strong>im</strong>mten Wochentags als Ruhezeit mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz nichts zu tun hat. <strong>Das</strong> Urteil <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH ist<br />
insoweit folgerichtig, als Art. 5 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG für nichtig erklärt wer<strong>de</strong>n mußte, da<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft – je<strong>de</strong>nfalls nach Art. 138 (ex-Art. 118a) EGV – je<strong>de</strong> Kompetenz zur<br />
Festlegung <strong>de</strong>s Feiertagsschutzes abgesprochen wer<strong>de</strong>n muß. 1553<br />
Nach<strong>de</strong>nklich st<strong>im</strong>mt<br />
allerdings, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> an dieser Stelle das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> begrenzten<br />
Ermächtigung so konsequent angewen<strong>de</strong>t hat, während er bei an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Materien eher gemäß<br />
<strong>de</strong>m Motto in dubio pro communitate entschei<strong>de</strong>t.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. „Entschließung zur Sonntagsarbeit“ for<strong><strong>de</strong>r</strong>te das EP <strong>im</strong> Anschluß an das Urteil die<br />
„Mitgliedstaaten und Sozialpartner auf, bei ihrer Umsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeitrichtlinie <strong>de</strong>n<br />
T<strong>ra</strong>ditionen sowie <strong>de</strong>n kulturellen, sozialen, religiösen und familiären Bedürfnissen ihrer<br />
Bürger angemessen Rechnung zu t<strong>ra</strong>gen und <strong>de</strong>n beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Cha<strong>ra</strong>kter <strong>de</strong>s Sonntags als<br />
Ruhetag anzuerkennen“ 1554 , was insofern <strong><strong>de</strong>r</strong> bisherigen Formulierung <strong>de</strong>s Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
RL 93/104/EG entsprochen hätte. Allerdings muß diese Entschließung offenkundig als<br />
Kompromiß verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, da das EP die Mitgliedstaaten ebenfalls auffor<strong><strong>de</strong>r</strong>te, „zu<br />
berücksichtigen, daß es in einer multikulturellen Gesellschaft auch Religionsgemeinschaften<br />
gibt, die möglicherweise einen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Ruhetag vorziehen“ 1555<br />
.<br />
bb) Art. 17 Abs. 1 lit. c <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG<br />
Art. 17 <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeitrichtlinie, <strong><strong>de</strong>r</strong> einen umfangreichen Ausnahmekatalog von <strong>de</strong>n<br />
Regelungen <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG vorsieht, ermächtigt die Mitgliedstaaten zu Son<strong><strong>de</strong>r</strong>regelungen<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e auch für die <strong>im</strong> liturgischen Bereich von Kirchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften<br />
beschäftigten Arbeitnehmer:<br />
„(1) Unter Beachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Grundsätze <strong>de</strong>s Schutzes <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicherheit und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gesundheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer können die Mitgliedstaaten von <strong>de</strong>n Artikeln 3, 4, 5, 6, 8 und 16<br />
abweichen, wenn die Arbeitszeit wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Merkmale <strong><strong>de</strong>r</strong> ausgeübten Tätigkeit<br />
nicht gemessen und/o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht <strong>im</strong> vo<strong>ra</strong>us festgelegt wird o<strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong>de</strong>n Arbeitnehmern selbst<br />
festgelegt wer<strong>de</strong>n kann, und zwar insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e in bezug auf nachstehen<strong>de</strong> Arbeitnehmer:<br />
[...]<br />
c) Arbeitnehmer, die <strong>im</strong> liturgischen Bereich von Kirchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften<br />
beschäftigt sind.“<br />
1553<br />
Aus diesem Grun<strong>de</strong> sollte auch nicht von einer „Feiertagsrichtlinie“ gesprochen wer<strong>de</strong>n, da<br />
eine Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur Harmonisierung nicht besteht; unpräzise daher<br />
Robbers, Fn. 107, S. 357.<br />
1554<br />
ABl. 1997, Nr. C 20, S. 140, Ziff. 1.<br />
1555<br />
Vgl. Fn. 1554, Ziff. 4.
385<br />
Aus diesem Grun<strong>de</strong> können z.B. Pfarrer, die eine Mitternachtsmesse abhalten o<strong><strong>de</strong>r</strong> an einer<br />
längeren Wallfahrt teilnehmen, von <strong>de</strong>n Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen <strong><strong>de</strong>r</strong> Einhaltung best<strong>im</strong>mter Ruhezeiten<br />
befreit wer<strong>de</strong>n.<br />
Die offensichtlich nicht <strong>im</strong> liturgischen Bereich angesie<strong>de</strong>lte Tätigkeit z.B. eines Mitarbeiters<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Caritas wird dagegen grds. vom Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG erfaßt. 1556<br />
b) Sonntagsverkaufsverbot<br />
In <strong>de</strong>n sog. „sunday working cases“ 1557 nahm <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH zum englischen Sonntagsverkaufsverbot<br />
Stellung, <strong>de</strong>m das Shops Act 1950 zugrun<strong>de</strong> liegt. Nach diesem Gesetz muß sonntags<br />
grundsätzlich je<strong>de</strong>s Geschäft geschlossen bleiben, soweit keine <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Fünften Anhang <strong>de</strong>s<br />
Gesetzes vorgesehene Ausnahmeregelung eingreift. In <strong>de</strong>n frühen Entscheidungen judizierte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH unter Berufung auf die Rs. Cinéthèque 1558 , daß Art. 28 (ex-Art. 30) E(W)GV dahin<br />
auszulegen sei, daß das von ihm ausgesprochene Verbot nicht für eine nationale Regelung<br />
gelte, die es Einzelhändlern verbiete, ihre Geschäfte am Sonntag zu öffnen, wenn die sich<br />
hie<strong>ra</strong>us möglicherweise ergeben<strong>de</strong>n beschränken<strong>de</strong>n Wirkungen auf <strong>de</strong>n<br />
innergemeinschaftlichen Han<strong>de</strong>l <strong>de</strong>n Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> einer solchen Regelung eigentümlichen<br />
Wirkungen nicht überschreiten wür<strong>de</strong>. 1559 Zwar rechtfertigte <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Ausnahme von<br />
Art. 28 (ex-Art. 30) E(W)GV damit, daß die Sonn- und Feiertagsregelungen „Ausdruck<br />
best<strong>im</strong>mter politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen“ und als solche <strong>de</strong>n<br />
„lan<strong>de</strong>sweiten o<strong><strong>de</strong>r</strong> regionalen sozialen und kulturellen Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten“ 1560<br />
angepaßt seien,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Beurteilung <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten obliege; ein darüber hinausgehen<strong><strong>de</strong>r</strong> Zusammenhang<br />
zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonn- und Feiertagsruhe und <strong>de</strong>m <strong>Religionsrecht</strong> selbst, in <strong>de</strong>ssen Gefüge diese<br />
1556<br />
A.A. Kalb, Fn. 393, S. 89, dort Fn. 6, unter Verweis auf die Wortwahl „insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e“.<br />
Allerdings muß einer allzu extensiven Auslegung Einhalt geboten wer<strong>de</strong>n, soll es nicht<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> – wie vor <strong>de</strong>m Erlaß <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeitrichtlinie – <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten überlassen sein,<br />
welchen Bereich sie selbst als Ausnahme <strong>de</strong>klarieren.<br />
1557<br />
EuGH, Rs. C-145/88 (Torfaen Borough Council/B & Q plc), Slg. 1989, S. I-3851 ff.;<br />
Rs. C-169/91 (Council of the City of Stoke-on-Trent u. Norwich City Council/B & Q plc)<br />
Slg. 1991, S. I-6635 ff. = DVBl. 1995, S. 33.<br />
1558<br />
EuGH, verb. Rs. 60 u. 61/84 (Cinéthèque SA/Fédé<strong>ra</strong>tion nationale <strong>de</strong>s cinémas f<strong>ra</strong>nçais),<br />
Slg. 1985, S. 2605 ff., 2618.<br />
1559<br />
EuGH, Rs. C-145/88, Fn. 1557, S. I-3889, Rz. 17.<br />
1560<br />
EuGH, Rs. C-145/88, Fn. 1557, S. I-3889, Rz. 14; Rs. C-169/91, Fn. 1557, S. I-6658,<br />
Rz. 11.
386<br />
Ruhezeiten eingebettet sind, vgl. Art. 140 GG i.V.m. 139 WRV, wird vom EuGH nicht<br />
hergestellt. 1561<br />
Soweit die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Cinéthèque-Rechtsprechung auf <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n Fall vom EuGH<br />
abgelehnt wor<strong>de</strong>n wäre, hätte sich das Sonntagsverkaufsverbot als verhältnismäßige<br />
Ausnahmeregelung <strong><strong>de</strong>r</strong> Warenverkehrsfreiheit darstellen müssen. Hiervon ist auszugehen,<br />
wenn das nationale Interesse an <strong><strong>de</strong>r</strong> Erreich-ung <strong>de</strong>s Sonntagsschutzes gegenüber <strong>de</strong>m<br />
Gemeinschaftsinteresse am freien Warenverkehr i.R.d. durchzuführen<strong>de</strong>n Abwägung als<br />
höher<strong>ra</strong>ngig eingestuft wird. 1562 Allerdings wür<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheit und <strong>de</strong>s<br />
Wohlbefin<strong>de</strong>ns <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer für sich bet<strong>ra</strong>chtet wohl noch keine nationale Ausnahme<br />
rechtfertigen. 1563<br />
Der eigentliche Grund für die Sonntagsverkaufsverbote wurzelt in erster Linie nicht <strong>im</strong><br />
Gesundheitsschutz, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong>im</strong> <strong>Religionsrecht</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten. 1564 Gene<strong>ra</strong>lanwalt Walter<br />
van Gerven anerkennt in seinen Schlußanträgen daher „das Bestreben, [...], <strong>de</strong>n Bürgern an<br />
ein und <strong>de</strong>mselben Tag die Möglichkeit zu gewähren, sich Zeit für die verschie<strong>de</strong>nsten<br />
(nichtberuflichen, unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em religiösen) Betätigungen und menschlichen Kontakte zu<br />
nehmen“, als selbständiges „zwingen<strong>de</strong>s Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis“ i.S.d. Art. 30 (ex-Art. 36) E(W)GV. 1565<br />
Ein solcher t<strong>ra</strong>ditionell eingeräumter allgemeiner Ruhetag wird daher für notwendig und<br />
angemessen e<strong>ra</strong>chtet. 1566<br />
1561<br />
In diese Richtung auch Kalb, Fn. 393, S. 93.<br />
1562<br />
EuGH, Rs. C-169/91, Fn. 1557, S. I-6658 f., Rz. 11 u. 15. GA van Gerven führt in seinen<br />
Schlußanträgen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. C-306/88 (Rochdale Borough Council/Stewart John An<strong><strong>de</strong>r</strong>s),<br />
Slg. 1992, S. I-6463 ff., 6472, Rz. 16, unter Verweis auf verschie<strong>de</strong>ne Urteile <strong>de</strong>s EuGH<br />
aus, daß diesem Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis Genüge sei, wenn die betreffen<strong>de</strong> nationale Regelung ein<strong>de</strong>utig<br />
in einem nur äußerst entfernten Zusammenhang mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einfuhr aus an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten<br />
stehe, wovon be<strong>im</strong> Sonntagsverkaufsverbot angesichts <strong>de</strong>ssen Zielrichtung auszugehen<br />
ist.<br />
1563<br />
Schlußanträge <strong>de</strong>s GA van Gerven, Rs. C-145/88, Fn. 1557, S. I-3882, Rz. 31. Insoweit sind<br />
die Pa<strong>ra</strong>llelen zum oben besprochenen Urteil <strong>de</strong>s EuGH zu Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitszeitrichtlinie<br />
offensichtlich, vgl. EuGH, Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich/Rat), Slg. 1996,<br />
S. I-5755 ff., 5805 f., Rz. 37.<br />
1564<br />
So wer<strong>de</strong>n die Hintergrün<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntagsga<strong>ra</strong>ntie in Art. 25 Verf. Nordrhein-Westfalen<br />
zutreffend mit <strong>de</strong>n Schlagworten „Gottesverehrung, seelische Erhebung, körperliche<br />
Erholung und Arbeitsruhe“ umschrieben, vgl. hierzu Häberle, Fn. 1540, S. 55.<br />
1565<br />
Schlußanträge <strong>de</strong>s GA, Rs. C-145/88, Fn. 1557, S. I-3882, Rz. 30 u. 31.<br />
1566<br />
So auch Häberle, Fn. 1540, S. 58 f.
387<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntagsruhe und <strong>de</strong>m damit zusammenhängen<strong>de</strong>n Verkaufsverbot han<strong>de</strong>lt es sich um<br />
ein t<strong>ra</strong>ditionell-religiöses Element gesamtabendländischer Kultur, <strong>de</strong>ssen sich die Gemeinschaft<br />
nicht einfach – vergleichbar <strong>de</strong>m Reinheitsgebot für Bier – infolge einer etwaigen<br />
Unvereinbarkeit mit Art. 28 (ex-Art. 30) EGV entledigen kann. Ein Verbot <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Aufrechterhaltung nationaler Schutzgesetze zugunsten best<strong>im</strong>mter Sonn- und Feiertage hätte<br />
aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> faktisch zu erwarten<strong>de</strong>n Repressalien <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber für viele Arbeitnehmer<br />
eine massive Beeinträchtigung ihres – auch gemeinschaftsrechtlich ga<strong>ra</strong>ntierten und<br />
gegenüber <strong>de</strong>n Freizügigkeitsrechten grundsätzlich höher<strong>ra</strong>ngigen – Grundrechts <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsfreiheit zur Folge, da sie nicht mehr gemeinsam mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gläubigen in<br />
Gottesdiensten ihren Glauben p<strong>ra</strong>ktizieren könnten. Eine ausschließlich auf die<br />
Warenverkehrsfreiheit gestützte Argumentation wird <strong>de</strong>n Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s<br />
daher nicht gerecht.<br />
Im Anschluß an die Entscheidung in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Keck 1567 , durch welche Verkaufsmodalitäten 1568<br />
generell aus <strong>de</strong>m – infolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Das</strong>sonville-Formel – fast grenzenlosen<br />
Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Art. 28 (ex-Art. 30) EGV ausgenommen wur<strong>de</strong>n, entschied <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EuGH in einem späteren Urteil 1569 in bezug auf italienische Rechtsvorschriften über <strong>de</strong>n<br />
Geschäftsschluß <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelhan<strong>de</strong>lsgeschäfte an Sonntagen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong>artige nationale<br />
Vorschriften, die die Verkaufsmodalitäten beschränkten, nicht in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s<br />
Art. 28 (ex-Art. 30) EGV fallen. 1570<br />
1567<br />
EuGH, verb. Rs. C-267 u. C-268/91 (Keck u. Mithouard), Slg. 1993, S. I-6097 ff.<br />
1568<br />
Verkaufsmodalitäten regeln die F<strong>ra</strong>gen, wann, wie, wo und von wem Waren verkauft<br />
wer<strong>de</strong>n dürfen; vgl. hierzu Ackermann, Warenverkehrsfreiheit und „Verkaufsmodalitäten“,<br />
RIW 1994, S. 189 ff., 191; weiterführend: Lü<strong><strong>de</strong>r</strong>, Die Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Keck-Rechtsprechung,<br />
EuZW 1996, S. 615 ff.<br />
1569<br />
EuGH, verb. Rs. C-69/93 u. C-258/93 (Punto Casa SpA/Sindaco <strong>de</strong>l Comune di Capena<br />
u.a.), Slg. 1994, S. I-2355 ff.<br />
1570<br />
EuGH, verb. Rs. C-69/93 u. C-258/93, Fn. 1569, S. I-2368, Rz. 11 f.: „Nach ständiger<br />
Rechtsprechung ist je<strong>de</strong> Regelung, die geeignet ist, <strong>de</strong>n innergemeinschaftlichen Han<strong>de</strong>l<br />
unmittelbar o<strong><strong>de</strong>r</strong> mittelbar, tatsächlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> potentiell zu behin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, als Maßnahme mit<br />
gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen (Urteil vom 11. Juli<br />
1974 in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache 8/74, <strong>Das</strong>sonville, Slg. 1874, 837, Randnr. 5). Hingegen ist die<br />
Anwendung nationaler Best<strong>im</strong>mungen, die best<strong>im</strong>mte Verkaufsmodalitäten beschränken<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> verbieten, auf Erzeugnisse aus an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten nicht geeignet, <strong>de</strong>n Han<strong>de</strong>l<br />
zwischen <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten <strong>im</strong> Sinne <strong>de</strong>s Urteils <strong>Das</strong>sonville unmittelbar o<strong><strong>de</strong>r</strong> mittelbar,<br />
tatsächlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> potentiell zu behin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, sofern diese Best<strong>im</strong>mungen für alle betroffenen<br />
Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit <strong>im</strong> Inland ausüben, und sofern sie <strong>de</strong>n<br />
Absatz <strong><strong>de</strong>r</strong> inländischen Erzeugnisse und <strong><strong>de</strong>r</strong> Erzeugnisse aus an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten<br />
rechtlich wie tatsächlich in <strong><strong>de</strong>r</strong> gleichen Weise berühren. [...] Diese Regelungen fallen daher
388<br />
3. Zusammenfassung<br />
Im Gegensatz zu Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV kennen die meisten Verfassungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
übrigen Mitgliedstaaten ein Gebot <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonntagsruhe nicht. Ein erster Schritt in Richtung eines<br />
europäischen Sonntagsschutzes hätte die Best<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG sein<br />
können, wonach die Min<strong>de</strong>struhezeit <strong>de</strong>n Sonntag grds. einschließt, die jedoch vom EuGH<br />
aufgehoben wur<strong>de</strong>. Nationale Sonntagsverkaufsverbote, die <strong>im</strong>mer in einem gewissen<br />
Spannungsverhältnis zur Warenverkehrsfreiheit <strong>de</strong>s Art. 28 (ex-Art. 30) EGV stan<strong>de</strong>n, sind<br />
seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Keck-Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH als Verkaufsmodalität und damit als Ausnahme vom<br />
Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Warenverkehrsfreiheit anerkannt.<br />
VI. Europäische Integ<strong>ra</strong>tion und soziale Kommunikation/ Medienwesen<br />
1. In Deutschland<br />
Soziale Kommunikation und Medienwesen stellen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik nach Art. 30, 70 GG<br />
ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>n Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n zugewiesene Hoheitsbereiche dar, auch wenn teilweise Staatsverträge<br />
zwischen <strong>de</strong>n Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n abgeschlossen wor<strong>de</strong>n sind, in welche <strong><strong>de</strong>r</strong> Bund einbezogen wur<strong>de</strong>.<br />
Die nationalen Rechtsgrundlagen gestehen <strong>de</strong>n Kirchen be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rechte zu. Zu erwähnen<br />
ist in erster Linie die Einräumung von Sen<strong>de</strong>zeiten für Gottesdienste und sonstige kirchliche<br />
Ve<strong>ra</strong>nstaltungen (Kirchentage etc.); außer<strong>de</strong>m existieren Prog<strong>ra</strong>mmgrundsätze, welche die<br />
kirchlichen Anliegen för<strong><strong>de</strong>r</strong>n, wie z.B. <strong>de</strong>n Schutz von Familie und Jugend o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Achtung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Überzeugung. 1571<br />
nicht in <strong>de</strong>n Anwendungsbereich von Artikel 28 (ex-Artikel 30 )E(W)G-Vert<strong>ra</strong>g (vgl. Urteil<br />
vom 24. November 1993 in <strong>de</strong>n verbun<strong>de</strong>nen Rechtssachen C-267/91 und C-268/91, Keck<br />
und Mithouard, Slg. 1993, I-6097, Rdnrn. 16 und 17).“<br />
1571 Vgl. hierzu HdbStKirchR/Link, Die gesetzlichen Regelungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />
in <strong>de</strong>n Einrichtungen <strong>de</strong>s Rundfunks und Fernsehens, Zweiter Bd., § 49, S. 285 ff.
2. Auf EU-Ebene<br />
389<br />
a) Allgemeines<br />
Durch <strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g von Maastricht wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft eine Kulturkompetenz gemäß<br />
Art. 151 (ex-Art. 128) EGV eingeräumt, die innerhalb Deutschlands insoweit zum Reizthema<br />
gewor<strong>de</strong>n ist, als <strong><strong>de</strong>r</strong> Bund hier über Län<strong><strong>de</strong>r</strong>kompetenzen verfügt hat. Trotz<strong>de</strong>m ist die<br />
Gemeinschaft 1572 schon vor Ink<strong>ra</strong>fttreten <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>svert<strong>ra</strong>gs am 1. November 1993 durch <strong>de</strong>n<br />
Erlaß <strong><strong>de</strong>r</strong> auf Art. 47 (ex-Art. 57) Abs. 2 i.V.m. Art. 55 (ex-Art. 66) EGV gestützten Fernsehrichtlinie<br />
1573 rechtsgestaltend tätig gewor<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m er Medien als Wirtschaftsgüter<br />
qualifizierte und die Fernsehtätigkeit als grenzüberschreiten<strong>de</strong> Dienstleistung einstufte. In<br />
dieser Pauschalität erscheint dies beispielsweise bei Fernsehgottesdiensten <strong>im</strong> Hinblick auf<br />
die Entgeltlichkeit von Dienstleistungen <strong>im</strong>merhin f<strong>ra</strong>glich. Inzwischen wur<strong>de</strong> die<br />
Fernsehrichtlinie novelliert, wobei sich die Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsrichtlinie 1574<br />
ebenfalls auf das<br />
Dienstleistungskapitel als Rechtsgrundlage stützte, zumal Art. 151 (ex-Art. 128) Abs. 5 EGV<br />
eine Harmonisierung von Rechtsvorschriften, wie sie Richtlinienbest<strong>im</strong>mungen <strong>im</strong>manent ist,<br />
ausgeschlossen hätte.<br />
b) Fernsehwerbung<br />
Art. 11 Abs. 5 <strong><strong>de</strong>r</strong> geän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten RL 89/552/EWG sieht nunmehr vor, daß die Übert<strong>ra</strong>gung von<br />
Gottesdiensten nicht durch Werbung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Teleshopping 1575<br />
(kursives eingefügt durch die<br />
Novellierung) unterbrochen wer<strong>de</strong>n darf. Gleiches gilt für Sendungen religiösen Inhalts unter<br />
1572<br />
Im Rahmen <strong>de</strong>s Europa<strong>ra</strong>ts wur<strong>de</strong> am 5.5.1989 das Europäische Übereinkommen über das<br />
grenzüberschreiten<strong>de</strong> Fernsehen (ERÜ) zur Unterzeichnung aufgelegt, welches <strong>im</strong> Gegensatz<br />
zur Fernsehrichtlinie nur grenzüberschreiten<strong>de</strong> Sendungen erfaßt, vgl. Link, Fn. 1571,<br />
S. 311 f.<br />
1573<br />
Richtlinie 89/552/EWG <strong>de</strong>s Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung best<strong>im</strong>mter<br />
Rechts- und Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten über die Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Fernsehtätigkeit,<br />
ABl. 1989, Nr. L 298, S. 23 ff.; vgl. hierzu allgemein Bogdandy, Europäischer<br />
Protektionismus <strong>im</strong> Medienbereich – Zu Inhalt und Rechtmäßigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Quotenregelungen<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Fernsehrichtlinie, EuZW 1992, S. 9 ff.<br />
1574<br />
Richtlinie 97/36/EG <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments und <strong>de</strong>s Rates vom 30. Juni 1997 zur<br />
Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie 89/552/EWG <strong>de</strong>s Rates zur Koordinierung best<strong>im</strong>mter Rechts- und<br />
Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten über die Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Fernsehtätigkeit,<br />
ABl. 1997 Nr. L 202, S. 60 ff.<br />
1575<br />
Gemäß Art. 1 lit. f <strong><strong>de</strong>r</strong> RL sind dies „Sendungen direkter Angebote an die Öffentlichkeit für<br />
<strong>de</strong>n Absatz von Waren o<strong><strong>de</strong>r</strong> die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich<br />
unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt.“
390<br />
30 Minuten Dauer. Gemäß Art. 12 lit. c <strong><strong>de</strong>r</strong> geän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten RL 89/552/EWG dürfen<br />
Fernsehwerbung und Teleshopping nicht gegen religiöse Überzeugungen verstoßen. Im<br />
Gegensatz zu Art. 2 lit. f. ERÜ, <strong><strong>de</strong>r</strong> auch die i<strong>de</strong>elle Werbung erfaßt, wird von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Fernsehrichtlinie gemäß Art. 1 lit. b <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 89/552/EWG nur die Wirtschaftswerbung<br />
erfaßt. 1576<br />
c) Prog<strong>ra</strong>mmauswahl<br />
Durch die Fernsehrichtlinie wer<strong>de</strong>n religiöse Interessen nur in bezug auf Fernsehwerbung und<br />
Teleshopping explizit geschützt. F<strong>ra</strong>glich ist, inwieweit die Prog<strong>ra</strong>mmauswahl selbst religiöse<br />
Interessen wahren muß. Hierbei muß zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen<br />
Sen<strong>de</strong>anstalten unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
Öffentlich-rechtliche Anbieter repräsentieren einen Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> mitgliedstaatlichen Exekutive und<br />
sind damit Verpflichtete <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie; als solche haben sie bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Umsetzung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Fernsehrichtlinie <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit Rechnung zu t<strong>ra</strong>gen. 1577<br />
Außer<strong>de</strong>m haben die Mitgliedstaaten nach Art. 22 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 89/552/EWG dafür zu<br />
sorgen, „daß die Sendungen nicht zu Haß aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nationalität aufreizen“. In Deutschland gilt <strong>im</strong> übrigen auch das Gebot <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen<br />
Neut<strong>ra</strong>lität gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften. 1578<br />
Die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten Jahre hin zu <strong>de</strong>n nach hoher Einschaltquote heischen<strong>de</strong>n privaten<br />
Sen<strong>de</strong>anstalten gibt <strong>im</strong> Hinblick auf die Prog<strong>ra</strong>mmauswahl eher Anlaß zur Befürchtung, da<br />
diese nicht Verpflichtete <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie sind, zumal <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine horizontale Wirkung von<br />
Richtlinien generell ablehnt. 1579<br />
Zwar bin<strong>de</strong>t die gemeinschaftsrechtliche Religionsfreiheit<br />
ausnahmsweise private Anbieter, die als rechtlich autonomer Verband grenzüberschreitend<br />
Dienstleistungen anbieten, allerdings nur, soweit durch diese gemeinschaftsrechtliche<br />
1576<br />
Vgl. zu <strong>de</strong>n Problemen, die sich aufgrund Art. 2 lit. f ERÜ ergeben können, Link, Fn. 1571,<br />
S. 313.<br />
1577<br />
S.o. E.IV.1.a)cc)(2)(ii).<br />
1578<br />
Allerdings hat das OVG Münster, NJW 1997, S. 1176 f., entschie<strong>de</strong>n, daß auch ein äußerst<br />
kirchenkritischer Fernsehbeit<strong>ra</strong>g einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt nicht gegen<br />
die Religionsfreiheit verstoße, da Glaubensanhänger nicht davor geschützt seien, daß sich<br />
einzelne Sendungen kritisch mit Glaubensinhalten auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzten. Nur das Gesamtprog<strong>ra</strong>mm<br />
eines solchen öffentlich-rechtlichen Sen<strong><strong>de</strong>r</strong>s müsse die religiöse Neut<strong>ra</strong>lität<br />
wahren.<br />
1579<br />
EuGH, Rs. C-91/92 (Paola Faccini Dori/Recreb Srl.), Slg. 1994, S. I-3325 ff., 3355 ff.; a.A.<br />
Gene<strong>ra</strong>lanwalt Carl Otto Lenz in seinen Schlußanträgen, Rs. C-91/92, a.a.O., S. I-3328 ff.,<br />
3338 ff.
391<br />
Grundfreiheiten eingeschränkt zu wer<strong>de</strong>n drohen. 1580 Darüber hinaus können die<br />
Mitgliedstaaten die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen, die in ihrem Mitgliedstaat<br />
ausgest<strong>ra</strong>hlt wer<strong>de</strong>n und gegen Art. 22 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 89/552/EWG verstoßen, aber unter <strong>de</strong>n<br />
Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>s Art. 2 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 89/552/EWG aussetzen, da sie für die Einhaltung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Fernsehrichtlinie zu sorgen haben; man bezeichnet dies als sog.<br />
Sen<strong>de</strong>staatsprinzip. 1581 Hierbei müssen die Mitgliedstaaten als Vollzugsorgane <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
RL 89/552/EWG die gemeinschaftsrechtliche Religionsfreiheit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Rundfunkfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Anbieter abwägen. 1582<br />
Insofern entsprechen die Vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Fernsehrichtlinie <strong><strong>de</strong>r</strong> – aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschrift <strong>de</strong>s<br />
Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV gemeinschaftsrechtlich zu beachten<strong>de</strong>n – Rechtsprechung <strong>de</strong>s<br />
EGMR: Dieser hat die Beschlagnahme eines Filmes mit aggressiv-antiklerikaler bzw.<br />
blasphemischer Ten<strong>de</strong>nz („<strong>Das</strong> Liebeskonzil“) durch <strong>de</strong>n österreichischen Staat nicht als<br />
Verstoß gegen die Meinungsfreiheit <strong>de</strong>s Art. 10 EMRK beurteilt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n angesichts <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
schweren Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> religiösen Gefühle <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Bevölkerungsmehrheit <strong>de</strong>n<br />
Schutz religiösen Frie<strong>de</strong>ns zu Recht als höher<strong>ra</strong>ngig eingestuft. 1583<br />
3. Zusammenfassung<br />
Die auf das Dienstleistungskapitel gestützte Fernsehrichtlinie wahrt an einigen Stellen<br />
ausdrücklich religiöse Rechtspositionen. So darf Werbung o<strong><strong>de</strong>r</strong> Teleshopping beispielsweise<br />
keine Gottesdienste o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sendungen religiösen Inhalts unter 30 Minuten Dauer unterbrechen.<br />
Während die öffentlich-rechtlichen Sen<strong>de</strong>anstalten unmittelbar an die Best<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1580 Vgl. hierzu die Ausführungen oben E.IV.1.a)cc)(3)(iii).<br />
1581 Vgl. hierzu Link, Fn. 100, S. 146; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 1571, S. 312.<br />
1582 Der 15. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 97/36/EG, Fn. 1574 sieht vor: „Nach Art. 6 (ex-Art. F)<br />
Abs. 2 EUV achtet die <strong>Union</strong> die Grundrechte, wie sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK gewährleistet sind, als<br />
allgemeine Grundsätze <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts. Je<strong>de</strong> Maßnahme zur Beschränkung <strong>de</strong>s<br />
Empfangs und/o<strong><strong>de</strong>r</strong> zur Aussetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Weiterverbreitung von Fernsehsendungen nach<br />
Artikel 2a <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 89/552/EWG in <strong><strong>de</strong>r</strong> durch diese Richtlinie geän<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Fassung muß mit<br />
diesen Grundsätzen vereinbar sein.“<br />
1583 EGMR, Série A 1994, Nr. 295-A (Otto-Preminger-Institut/Österreich), Rz. 56; vgl. hierzu<br />
G<strong>ra</strong>benwarter, Filmkunst <strong>im</strong> Spannungsfeld zwischen Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Meinungsäußerung und<br />
Religionsfreiheit, Anmerkungen zum Urteil <strong>de</strong>s EGMR vom 20.9.1994 <strong>im</strong> Fall Otto-<br />
Preminger-Institut, ZaöRV 55 (1995), S. 128 ff.; Her<strong>de</strong>gen, Fn. 40, Rdnr. 36; Frowein,<br />
Fn. 819, S. 9.
392<br />
Fernsehrichtlinie gebun<strong>de</strong>n sind, können die Mitgliedstaaten private Sen<strong><strong>de</strong>r</strong> gemäß<br />
Art. 2 Abs. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL an <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausst<strong>ra</strong>hlung extrem antiklerikaler Fernsehsendungen hin<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
VII. Europäische Integ<strong>ra</strong>tion und religiös-weltanschaulicher Meinungsplu<strong>ra</strong>lismus<br />
1. In Deutschland<br />
1996 wur<strong>de</strong> vom Bun<strong>de</strong>stag die Enquête-Kommission „Sogenannte Sekten und<br />
Psychogruppen“ eingesetzt 1584 , <strong><strong>de</strong>r</strong>en Zwischenbericht inzwischen vorliegt. 1585 In diesem<br />
Bericht, <strong><strong>de</strong>r</strong> gemäß § 56 GOBT zur Vorbereitung von Entscheidungen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages dienen<br />
soll, wer<strong>de</strong>n Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitenreligionen danach beurteilt, inwieweit sie sich von <strong>de</strong>n<br />
t<strong>ra</strong>ditionellen Lehren <strong><strong>de</strong>r</strong> großen christlichen Kirchen, <strong>de</strong>m säkularen Weltbild <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gesellschaftlichen Umwelt sowie <strong>de</strong>m Wirklichkeitsverständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> anerkannten<br />
Wissenschaften unterschei<strong>de</strong>n 1586 , während die Gefahren dieser religiös-weltanschaulichen<br />
Gruppen für die öffentliche Sicherheit nur am Ran<strong>de</strong> berührt wur<strong>de</strong>n. 1587<br />
2. Auf EU-Ebene<br />
Auf Gemeinschaftsrechtsebene wur<strong>de</strong> vom <strong>Europäischen</strong> Parlament eine „Entschließung zu<br />
<strong>de</strong>n Sekten in Europa“ 1588 veröffentlicht. Im Gegensatz zu <strong>de</strong>m Bericht <strong><strong>de</strong>r</strong> Enquête-<br />
Kommission differenziert die Entschließung zwischen legalen Gruppierungen und solchen,<br />
<strong>de</strong>nen illegale o<strong><strong>de</strong>r</strong> kr<strong>im</strong>inelle Machenschaften vorzuwerfen sind. Nur <strong>im</strong> Hinblick auf letztere<br />
wur<strong>de</strong> an die Mitgliedstaaten die Empfehlung ausgesprochen, gewährte Steuervorteile zu<br />
kappen, <strong>de</strong>n Status einer religiösen Gemeinschaft aufzuheben und die Zuwendung<br />
gemeinschaftsrechtlicher Beihilfen auszuschließen. 1589<br />
1584<br />
BT-Drucks. 13/1477.<br />
1585<br />
BT-Drucks. 13/8170; vgl. hierzu Kriele, Sektenjagd, ZRP 1998, S. 231 ff.<br />
1586<br />
BT-Drucks. 13/8170, S. 65.<br />
1587<br />
So Kriele, Fn. 1585, S. 231, 233.<br />
1588<br />
ABl. 1996, Nr. C 78, S. 31; s.o. Fn. 366; s.u. Fn. 1677.<br />
1589<br />
Wobei dies ein Beleg dafür ist, daß Zuwendungen an Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
sehr wohl als Beihilfen angesehen wer<strong>de</strong>n können, vgl. hierzu die Ausführungen oben<br />
K.III.6.c)aa).
393<br />
a) Neut<strong>ra</strong>lität <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten, die nur eine Staatskirche kennen, wird durch die<br />
Gemeinschaft keine best<strong>im</strong>mte Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion in <strong>de</strong>n Gründungsverträgen favorisiert.<br />
Dies <strong>im</strong>pliziert, daß sich die Gemeinschaft – wenn überhaupt – auf ein Trennungs- o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Koope<strong>ra</strong>tionsmo<strong>de</strong>ll festgelegt hat, da nur in diesen bei<strong>de</strong>n Mo<strong>de</strong>llen eine Bevorzugung einer<br />
best<strong>im</strong>mten Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion ausgeschlossen ist. Hie<strong>ra</strong>us muß gefolgert wer<strong>de</strong>n, daß <strong>im</strong><br />
Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Neut<strong>ra</strong>lität und Gleichbehandlung<br />
aller Kirchen und Religionsgemeinschaften gilt, unabhängig davon, ob die<br />
Mitgliedstaaten diese Grundsätze positivrechtlich in ihren Verfassungsüberlieferungen<br />
ve<strong>ra</strong>nkert haben. Aus <strong>de</strong>m Grundsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Neut<strong>ra</strong>lität <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft resultiert, daß alle<br />
Gemeinschaftsorgane bei ihren Rechtshandlungen, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e be<strong>im</strong> Erlaß von<br />
Sekundärrecht, diesem Grundsatz Rechnung t<strong>ra</strong>gen müssen und keine best<strong>im</strong>mte Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsgemeinschaft bevorzugen dürfen. 1590<br />
Da gemeinschaftsrechtlich nicht nur das Grundrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch das<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Meinungsäußerungsfreiheit verbürgt ist, 1591<br />
muß aber z.B. „Sektenbeauft<strong>ra</strong>gten“ <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
bei<strong>de</strong>n Großkirchen zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, sich auf sachliche Art und Weise über<br />
konkurrieren<strong>de</strong> religiöse Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten – umgekehrt gilt dies ebenso – negativ zu äußern,<br />
selbst wenn <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Stellungnahmen geeignet erscheinen mögen, <strong>de</strong>n Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>zuwachs <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
kritisierten Kirchen, Religionsgemeinschaften o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sekten zu hemmen.<br />
b) Einflußnahmemöglichkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft<br />
aa) Warn- bzw. Einschreitpflicht<br />
Den einzelnen Mitgliedstaaten obliegt die Pflicht zur Aufrechterhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen<br />
Sicherheit und Ordnung sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> St<strong>ra</strong>fverfolgung in ihrem Hoheitsgebiet. Aus diesem<br />
Grun<strong>de</strong> wird diesen die Kompetenz zum Erlaß sowohl von präventiven Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Aufklärung und Warnung vor individuell o<strong><strong>de</strong>r</strong> kollektiv schädlichen religiösen Gruppierungen<br />
als auch von repressiven St<strong>ra</strong>fverfolgungsmaßnahmen zugestan<strong>de</strong>n, sofern religiöse Gruppierungen<br />
die Rechte an<strong><strong>de</strong>r</strong>er bzw. Rechtspositionen <strong>de</strong>s Gemeinwesens verletzen.<br />
Die Fürsorgepflicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft für seine <strong>Union</strong>sbürger ist in<strong>de</strong>s aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> nur<br />
einzelne Teilaspekte umfassen<strong>de</strong>n Schutzfunktion <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>sbürgerschaft gemäß<br />
Art. 17 (ex-Art. 8) ff. EGV weit weniger ausgeprägt als <strong>im</strong> innerstaatlichen Recht.<br />
1590 Vgl. auch Art. 27 Abs. 2 <strong>de</strong>s Beamtenstatuts, s.o. C.I.3.a).<br />
1591 Vgl. EuGH, verb. Rs. 43 u. 63/82 (VBVB u. VBBB/Kommission), Slg. 1984, S. 19 ff., 62.
394<br />
Als Rechtfertigungsgrund für <strong><strong>de</strong>r</strong>artige präventive Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ließe sich<br />
höchstens Art. 152 (ex-Art. 129) Abs. 1 UAbs. 2 u. 3 EGV anführen, soweit Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Warnung und Aufklärung vor religiösen Gruppierungen als „Gesundheitsinformation“ zur<br />
Verhütung von K<strong>ra</strong>nkheiten aufgefaßt wer<strong>de</strong>n könnten, was man lediglich für die sog.<br />
„Psychosekten“ bejahen kann.<br />
Bei st<strong>ra</strong>frechtlich relevantem Verhalten von Sekten bestehen unionsrechtliche Befugnisse v.a.<br />
nach Art. 30 (ex-Art. K.2) Abs. 1 lit. a EUV zur Koordinierung <strong><strong>de</strong>r</strong> ope<strong>ra</strong>tiven Zusammenarbeit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> zuständigen mitgliedstaatlichen Behör<strong>de</strong>n <strong>im</strong> präventiven und repressiven Bereich<br />
i.R.d. Europol.<br />
bb) Grenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Einflußnahme<br />
Ähnlich wie <strong>im</strong> nationalen Bereich wird man eine Kompetenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft zur<br />
inhaltlichen Beurteilung und zum Erlaß beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er präventiver Warnhinweise <strong>im</strong> Hinblick<br />
auf Religionsgemeinschaften und Sekten nur dort bejahen können, wo diese nachweislich<br />
psychische Schä<strong>de</strong>n bei ihren Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n herbeiführen o<strong><strong>de</strong>r</strong> sich außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechtsordnung bewegen, wovon nur <strong>im</strong> Ausnahmefall auszugehen sein wird. Die<br />
Gemeinschaft besitzt jedoch keine Kompetenz zur Stellungnahme darüber, inwieweit<br />
Religionsgemeinschaften o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sekten von <strong>de</strong>n Großkirchen abweichen<strong>de</strong> Leh<strong>ra</strong>uffassungen<br />
vertreten. 1592<br />
3. Zusammenfassung<br />
Im Gegensatz zu einigen nationalen Rechtsordnungen favorisiert das Gemeinschaftsrecht<br />
keine best<strong>im</strong>mte Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n ist zur strikten Neut<strong>ra</strong>lität und<br />
Gleichbehandlung verpflichtet; dies gilt insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e be<strong>im</strong> Erlaß von Sekundärrecht. Die<br />
Gemeinschaft ist zu präventiven Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufklärung und Warnung vor religiösen<br />
Gruppierungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sekten berechtigt, soweit diese psychische Schä<strong>de</strong>n bei ihren Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
hervorrufen; repressive Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> i.R.d. Europol sind möglich, wenn sich diese<br />
außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsordnung bewegen. Eine Kompetenz zur inhaltlichen Beurteilung von<br />
Leh<strong>ra</strong>uffassungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften steht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nicht zu.<br />
1592 Ähnlich Kriele, Fn. 1585, S. 232, 234, bezogen auf <strong>de</strong>n Mitgliedstaat.
395
396<br />
L. Gemeinschaftsrechtliche Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung für Kirchen<br />
und Religionsgemeinschaften<br />
I. Exemtion für das <strong>Religionsrecht</strong><br />
Reine Exemtionen, d.h. Bereiche, die vom Gemeinschaftsrecht gänzlich ausgespart wer<strong>de</strong>n,<br />
sind heutzutage selten gewor<strong>de</strong>n, 1593<br />
zumal die Vergemeinschaftung einzelner, bisher <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten vorbehaltener, Rechtsgebiete stetig vo<strong>ra</strong>nschreitet.<br />
1. Bereichsausnahme aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Bosman 1594 hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH eine Exemtion für <strong>de</strong>n Sport nicht aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit <strong><strong>de</strong>r</strong> Materie anerkannt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n das Argument <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>sregierung, <strong>de</strong>m<br />
Berufssport komme pr<strong>im</strong>är kein wirtschaftlicher Cha<strong>ra</strong>kter zu, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sei <strong>de</strong>m Kulturbereich<br />
i.w.S. zuzurechnen, ausdrücklich abgelehnt. 1595 Ebensowenig ließ <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH gelten, daß<br />
Sportverbän<strong>de</strong> nach nationalem Recht über eine Eigenständigkeit außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen<br />
Rechtsordnung verfügen. Vielmehr vertritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof, eine sportliche Betätigung könne<br />
nur dann vom Geltungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsverträge ausgenommen sein, soweit es sich<br />
um eine unentgeltliche Tätigkeit han<strong>de</strong>le; ansonsten gehöre diese zum Wirtschaftsleben i.S.d.<br />
Art. 2 (ex-Art. 2) EGV. 1596<br />
Diese Erwägungen lassen sich ohne weiteres auf das Religions-<br />
1593<br />
So auch Streinz, Fn. 77, S. 56.<br />
1594<br />
EuGH, Rs. C-415/93 (<strong>Union</strong> royale belge <strong>de</strong>s sociétés <strong>de</strong> football association<br />
ASBL/Bosman, Royal club liégeois SA/Bosman u.a.), Slg. 1995, S. I-4921 ff. = JZ 1996,<br />
S. 248 ff. m. Anm. Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>.<br />
1595<br />
EuGH, Rs. C-415/93, Fn. 1594, Rz. 72.<br />
1596<br />
EuGH, Rs. C-415/93, Fn. 1594, Rz. 73 – 76; 81 – 83. Auch die soziale Funktion <strong>de</strong>s<br />
Berufssports rechtfertigt ebensowenig wie die Tatsache, daß es sich hierbei nicht um einen<br />
„typischen“ Wirtschaftsbereich han<strong>de</strong>lt, die Zulässigkeit einer Bereichsausnahme, vgl.<br />
Schroe<strong><strong>de</strong>r</strong>, Fn. 319, S. 35 ff., 38 f., <strong><strong>de</strong>r</strong>s., JZ 1996, S. 254.
397<br />
recht übert<strong>ra</strong>gen: Auch eine <strong>im</strong> Rahmen einer Religionsgemeinschaft erb<strong>ra</strong>chte entgeltliche<br />
Arbeits- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Dienstleistung eröffnet prinzipiell <strong>de</strong>n Anwendungsbereich <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>gs. 1597<br />
2. Bereichsausnahme für das <strong>Religionsrecht</strong> <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />
a) Kirchenerklärung<br />
Die Kirchenerklärung könnte von ihrem Wortlaut her grds. als Bereichsausnahme für das<br />
<strong>Religionsrecht</strong> angesehen wer<strong>de</strong>n. Dem steht allerdings schon ihre rechtliche<br />
Unverbindlichkeit entgegen. 1598<br />
b) Sonstiges Gemeinschaftsrecht<br />
Auch <strong>im</strong> sonstigen pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrecht fin<strong>de</strong>t sich keine Exemtion für das<br />
<strong>Religionsrecht</strong> als solches. Die vorgenannte Materie stellt damit keinen per se<br />
gemeinschaftsrechtsfreien Bereich dar. Eine generelle Bereichsausnahme wür<strong>de</strong> eine<br />
ausdrückliche Normierung in <strong>de</strong>n Gründungsverträgen selbst erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n. 1599<br />
Da <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH die Freizügigkeitsrechte auch auf Religionsgemeinschaften anwen<strong>de</strong>t und eine<br />
Exemtion gemäß Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 3 bzw. 4 EGV nicht eingreift, 1600<br />
müßten<br />
kirchliche Arbeitnehmer selbst <strong>im</strong> liturgischen Bereich konsequenterweise wie gewöhnliche<br />
Arbeitnehmer behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Dies hätte z.B. die Anwendbarkeit <strong>de</strong>s Prinzips <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Geschlechtergleichbehandlung zur Folge, was i.R.d. <strong>Religionsrecht</strong>s zu unbilligen und von<br />
keinem Mitgliedstaat gewollten Ergebnissen führen wür<strong>de</strong>.<br />
II. Berücksichtigung religionsrechtlicher Belange durch Anerkennung eines<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
1597 So auch Link, Fn. 100, S. 136; Streinz, Fn. 77, S. 63 f.<br />
1598 Vgl. hierzu die Ausführungen oben D.IV.10.<br />
1599 Ebenso Streinz, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. 31 (1997), S. 97.<br />
1600 A.A. Bleckmann, Fn. 484, 5. Aufl., Rdnr. 457; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., 6. Aufl., Rdnr. 759; dieser ist – entgegen<br />
einer früheren, differenzierteren Ansicht, vgl. Bleckmann, Fn. 310, S. 22 – <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Auffassung, <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorbehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> „öffentlichen Verwaltung“, Art. 39 (ex-Art. 48) Abs. 4 EGV,<br />
bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> „öffentlichen Gewalt“, Art. 45 (ex-Art. 55) EGV, greife generell zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchen ein, soweit diese nur einen öffentlich-rechtlichen Status innehaben.
398<br />
Alexan<strong><strong>de</strong>r</strong> Hollerbach hatte schon <strong>im</strong> Jahre 1990 erkannt, daß es vor<strong>ra</strong>ngiges Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />
sein müsse, ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts zu ve<strong>ra</strong>nkern. 1601 Dieses Ziel wur<strong>de</strong> durch die Kirchenerklärung,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Intention lediglich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Sicherung <strong>de</strong>s status quo bestand, nicht<br />
verwirklicht. 1602 Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n Sportvereinen mit Berufsfußballspielern, die in vollem<br />
Umfang die Grundfreiheiten beachten müssen, wird man zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften anführen können, daß diese sich auf das Gemeinschaftsgrundrecht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit berufen können und aus diesem Grund eine ungleich stärkere Position<br />
besitzen. 1603<br />
1. Ansätze eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften <strong>im</strong><br />
Gemeinschaftsrecht<br />
a) Pr<strong>im</strong>äres Gemeinschaftsrecht<br />
Im pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrecht fin<strong>de</strong>n sich keinerlei Best<strong>im</strong>mungen, die unmittelbar auf das<br />
Bestehen eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts von Religionsgemeinschaften hin<strong>de</strong>uten wür<strong>de</strong>n.<br />
b) Sekundäres Gemeinschaftsrecht<br />
Im sekundären Gemeinschaftsrecht fin<strong>de</strong>n sich vereinzelt Vorschriften, die in Teilbereichen<br />
eine Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften anerkennen. Im Regelfall wird diese<br />
Position nicht über ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n i.R.d.<br />
Ten<strong>de</strong>nzschutzes eingeräumt, so z.B. bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinie über die <strong>Europäischen</strong><br />
Betriebsräte. 1604<br />
Ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften als<br />
solches wird sekundärrechtlich nicht anerkannt; vielmehr wird teilweise lediglich eine<br />
Ermächtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Mitgliedstaaten ausgesprochen, i.R.d. Richtlinienumsetzung für<br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften eine Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung zu schaffen.<br />
1601<br />
Hollerbach, Fn. 17, S. 273: „Insofern müßte es gelingen, dasjenige, was sich in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechtsprechung <strong>de</strong>s BVerfG als Entfaltung <strong>de</strong>s grundrechtlichen Sachgehalts <strong>de</strong>s<br />
kirchlichen Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts darstellt, in die Judikatur <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gerichtshofs<br />
gewissermaßen hineinzut<strong>ra</strong>gen.“<br />
1602<br />
Die bloße Wahrung <strong>de</strong>s bestehen<strong>de</strong>n mitgliedstaatlichen Status ist weniger als ein<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht: Soweit letzteres innerstaatlich nicht gewährt wird, ist es auch auf<br />
Gemeinschaftsebene nicht zugestan<strong>de</strong>n.<br />
1603<br />
So auch Streinz, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. (31) 1997, S. 91.<br />
1604<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen oben K.I.2.b)aa).
399<br />
2. Gemeinsame Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten gemäß Art. 6<br />
(ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />
a) Bereich <strong>de</strong>s Kultus bzw. innerkirchlicher Angelegenheiten<br />
aa) Rechtsvergleichen<strong>de</strong> Untersuchung 1605<br />
Die belgische Verfassung gewährleistet in Art. 21 Belg.Verf. ausdrücklich ein<br />
Selbstverwaltungsrecht für innerkirchliche Angelegenheiten. Weltliche Gerichte sind hier auf<br />
die Überprüfbarkeit rein formaler F<strong>ra</strong>gen, wie z.B. die Zuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Stelle,<br />
1606<br />
beschränkt.<br />
Durch Art. 67 Dän.Verf. gesteht Dänemark einzelnen Bürgern das Recht zur Bildung von<br />
Vereinigungen zum Zwecke <strong><strong>de</strong>r</strong> Gottesverehrung entsprechend ihrer Überzeugung zu.<br />
In Deutschland wird Religionsgesellschaften über Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV<br />
das weitgehen<strong>de</strong> Recht eingeräumt, ihre Angelegenheiten innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Sch<strong>ra</strong>nken <strong>de</strong>s „für<br />
alle gelten<strong>de</strong>n Gesetzes“ selbst zu ordnen und zu verwalten.<br />
Ein kirchliches Selbstverwaltungsrecht ist in Finnlands Verfassung nicht direkt vorgesehen,<br />
da Art. 83 Finn.Verf., <strong><strong>de</strong>r</strong> zu<strong>de</strong>m unter einem Gesetzesvorbehalt steht, keine eigenen Rechte<br />
einräumt. Allerdings folgen die vom Parlament erlassenen Kirchengesetze für die bei<strong>de</strong>n<br />
Staatskirchen <strong>de</strong>m von <strong>de</strong>n Gene<strong>ra</strong>lversammlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen vorgeschlagenen Wortlaut;<br />
das Gesetz über die Religionsfreiheit schützt die Rechte religiöser und nichtreligiöser Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten.<br />
1607<br />
F<strong>ra</strong>nkreich kennt von Verfassungs wegen kein explizites Selbstverwaltungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsgemeinschaften, da Art. 2 S. 3 F<strong>ra</strong>nz.Verf. von 1958 nur Individualcha<strong>ra</strong>kter besitzt;<br />
allerdings wird ein solches Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Selbstorganisation faktisch anerkannt.<br />
Griechenland kennt nur ein eingeschränktes Recht auf Selbstverwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche, da <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
staatliche Gesetzgeber die Grundordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Orthodoxen Kirche vorgibt und <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Einhaltung überdies vom Staats<strong>ra</strong>t überprüft wird. Ein weitergehen<strong>de</strong>s Selbstverwaltungsrecht<br />
1605<br />
Ansätze hierzu fin<strong>de</strong>n sich schon bei Pernice, Fn. 17, S. 780, dort Fn. 63.<br />
1606<br />
Vgl. Torfs, Fn. 195, S. 22 f.<br />
1607<br />
Heikkilä/Knuutila/Scheinin, Fn. 147, S. 309.
400<br />
besteht jedoch für <strong>de</strong>n Berg Athos und für die Religionsgemeinschaften außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Griechisch-Orthodoxen Kirche.<br />
Irland erwähnt in Art. 44 Abs. 2 Ziff. 5 Irl.Verf. ausdrücklich ein Selbstverwaltungsrecht<br />
sowie eine Eigentumsga<strong>ra</strong>ntie für je<strong>de</strong> religiöse Konfession. Diese wird damit gerechtfertigt,<br />
daß <strong>de</strong>n Staat F<strong>ra</strong>gen kirchlicher Verwaltung nicht tangierten, da er keinerlei finanzielle<br />
Unterstützung für Kirchen und Religionsgemeinschaften leiste. 1608<br />
Italien enthält in Art. 7 Abs. 1 Ital.Verf. für die Röm-Kath. Kirche die Gewährleistung ihrer<br />
Unabhängigkeit vom Staat in eigenen Angelegenheiten; anerkannten nichtkatholischen<br />
Konfessionen gesteht Art. 8 Abs. 2 Ital.Verf. ausdrücklich das Recht zu, sich gemäß ihrer<br />
eigenen Satzungen zu organisieren, soweit diese nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> italienischen Rechtsordnung<br />
wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen. Zwar besteht für Religionsgemeinschaften, die die Rechtsform <strong>de</strong>s<br />
nichtrechtsfähigen Vereins gemäß Art. 36 ff. CC. wählen, die weitestgehen<strong>de</strong> Möglichkeit zur<br />
Selbstverwaltung, an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits aber auch keine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Rechtsstellung. Der Italienische<br />
Staat schließt nämlich nur Vereinbarungen über weitergehen<strong>de</strong> Rechte mit Konfessionen<br />
i.S.d. Art. 8 Ital.Verf., wobei hierzu die Erlangung <strong>de</strong>s Körperschaftsstatus aufgrund <strong>de</strong>s<br />
Gesetzes Nr. 1159/1929 erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist; <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperschaftsstatus erlaubt jedoch weitreichen<strong>de</strong><br />
staatliche Kontrollen und Aufsichtsrechte. 1609 Soweit einer Konfession allerdings aufgrund<br />
einer Vereinbarung eine Rechtsposition zuerkannt wur<strong>de</strong>, kann sie vom Staat grds. nicht mehr<br />
einseitig wi<strong><strong>de</strong>r</strong>rufen wer<strong>de</strong>n. 1610<br />
Luxemburg gewährleistet mit Art. 19 Lux.Verf. die Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsausübung. Ein<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht wird nicht ausdrücklich von Verfassungs wegen erwähnt.<br />
Die Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong> anerkennen durch Art. 6 Abs. 1 Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>l.Verf. ein Recht zur<br />
Religionsausübung in Gemeinschaft mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en. Ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht zur Regelung<br />
eigener Angelegenheiten ist dies zwar noch nicht. Allerdings schreitet die Entflechtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Staat-Kirche-Beziehungen – wie die Ablösung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsleistungen zeigt – <strong>im</strong>mer mehr in<br />
Richtung Eigenve<strong>ra</strong>ntwortlichkeit und Selbstbest<strong>im</strong>mung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften fort.<br />
Österreich gewährt anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften ein<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht zur selbständigen Ordnung und Verwaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> eigenen inneren<br />
Angelegenheiten nach Art. 15 StGG. Dieses wird durch die für die jeweiligen<br />
1608 Vgl. Casey, Fn. 166, S. 169.<br />
1609 Vgl. Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 191 ff.<br />
1610 Vgl. Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 194 f.
401<br />
Religionsgemeinschaften erlassenen Gesetze konkretisiert; in diesem Bereich ist eine<br />
staatliche Überprüfung durch staatliche Gerichte nicht möglich. 1611<br />
Den Kirchen und Religionsgemeinschaften wird in Portugal ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />
ausdrücklich nach Art. 41 Abs. 4 Port.Verf. gewährt, wonach diese vom Staat unabhängig<br />
sind und die Freiheit besitzen, ihre eigenen Gebräuche und ihre Anbetung zu organisieren und<br />
auszuüben.<br />
In Schwe<strong>de</strong>n ist in Kapitel 1, Art. 2 Abs. 4 Schwed.Verf. das Recht religiöser Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten<br />
ve<strong>ra</strong>nkert, das diesen die Bewahrung und Entwicklung eines eigenen kulturellen und sozialen<br />
Lebens ga<strong>ra</strong>ntiert. Für die Kirche von Schwe<strong>de</strong>n selbst bestand diese Autonomie in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vergangenheit nicht: Noch das Kirchengesetz von 1992 – dieses regelte u.a. die<br />
Mitgliedschaft in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche von Schwe<strong>de</strong>n sowie Personalf<strong>ra</strong>gen – wur<strong>de</strong> als Rahmengesetz<br />
vom schwedischen Parlament erlassen. Mittlerweile allerdings hat das Parlament<br />
innerkirchliche Angelegenheiten (z.B. F<strong>ra</strong>gen <strong>de</strong>s Gesangbuchs, <strong><strong>de</strong>r</strong> Gottesdienstordnung und<br />
Liturgie) an die kirchliche Gene<strong>ra</strong>lsyno<strong>de</strong> <strong>de</strong>legiert. 1612<br />
Die <strong><strong>de</strong>r</strong>zeitigen<br />
Trennungsbestrebungen wer<strong>de</strong>n zusätzlich zur Ausweitung <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts auch<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche von Schwe<strong>de</strong>n beit<strong>ra</strong>gen.<br />
Die Verfassung Spaniens ga<strong>ra</strong>ntiert in Art. 16 Abs. 1 Span.Verf. die kollektive<br />
Religionsfreiheit. Im übrigen wird diese durch jeweilige Abkommen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsgemeinschaften mit <strong>de</strong>m Spanischen Staat auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlage <strong>de</strong>s Art. 16 Abs. 3 S. 2<br />
Span.Verf. i.V.m. <strong>de</strong>m Ausführungsgesetz über die Religionsfreiheit näher konkretisiert.<br />
Allerdings wird von Verfassungs wegen ein volles Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsgemeinschaften nicht anerkannt.<br />
Da sich das Vereinigte Königreich keine geschriebene Verfassung gegeben hat, existieren<br />
auch keine formell verfassungsrechtlichen Ga<strong>ra</strong>ntien für das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften. Diese wer<strong>de</strong>n vielmehr freiwilligen Vereinigungen<br />
gleichgestellt; ein öffentlich-rechtlicher Status bzw. eine formelle Anerkennung ist <strong>im</strong><br />
Vereinigten Königreich unbekannt. Während sich das englische Parlament eine Kontrolle über<br />
kirchliche Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche von England vorbehält, wer<strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Kirchen einzelne<br />
Freiheiten gottesdienstlichen Han<strong>de</strong>lns eingeräumt, d.h. bei diesen Religionsgemeinschaften<br />
unterläßt es die Staatsgewalt, geistliche Funktionen auszuüben. 1613<br />
bb) Ergebnis<br />
1611 Vgl. Potz, Fn. 206, S. 255 f., 260, 262.<br />
1612 Schött, Fn. 149, S. 322 f.<br />
1613 McClean, Fn. 136, S. 337 ff.
402<br />
Im Gegensatz zu <strong>de</strong>m Befund <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD aus <strong>de</strong>m Jahre 1991 1614 läßt sich rechtsvergleichend<br />
innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Mitgliedstaaten ein Trend hin zur Anerkennung eines<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts für Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
unmittelbaren Religionsausübung erkennen. Zwar besteht in Staaten, die <strong>de</strong>m System <strong>de</strong>s<br />
Staatskirchentums anhängen, ein Letztentscheidungsrecht <strong>de</strong>s Staates in religiösen<br />
Angelegenheiten. Zum einen respektieren jedoch selbst diese Mitgliedstaaten das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gründung neuer Religionsgemeinschaften, die dieser weitgehen<strong>de</strong>n staatlichen Einflußnahme<br />
nicht unterworfen sind. Zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en sind sie <strong>im</strong> Begriff, <strong>de</strong>n Staatskirchen die gleichen<br />
Freiheiten wie <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften einzuräumen. 1615<br />
Rechtsvergleichend ist daher für Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> kultischen<br />
Kernbereich ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht zur selbständigen Ordnung und Verwaltung ihrer<br />
eigenen Angelegenheiten anzuerkennen, zumal gemeinschaftsrechtlich ein Min<strong>im</strong>alstandard<br />
abgelehnt wer<strong>de</strong>n muß. 1616 Aus diesem Grun<strong>de</strong> sind diese Institutionen <strong>im</strong><br />
Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts berechtigt, in innerkirchlichen Angelegenheiten<br />
autonomes Recht zu setzen. Dies hat zur Folge, daß hier allgemeinere Vorschriften <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts, wie z.B. Art. 39 (ex-Art. 48) EGV, nicht zur Anwendung gelangen. 1617<br />
Im übrigen wird man mit Streinz 1618 und van Bijsterveld 1619 auch das Abschließen<strong>de</strong><br />
Dokument <strong>de</strong>s Wiener KSZE-Folgetreffens vom 15. Januar 1989, das alle Mitgliedstaaten<br />
unterzeichnet haben, 1620<br />
trotz ihrer mangeln<strong>de</strong>n Rechtsverbindlichkeit als Indiz für ein<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften auf<br />
Gemeinschaftsrechtsebene he<strong>ra</strong>nziehen können, da es in <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprüchlich erschiene,<br />
wenn die Mitgliedstaaten einerseits auf KSZE-Ebene ein weitgehen<strong>de</strong>s<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften anerkennen wür<strong>de</strong>n, dieser gehobene<br />
Grundrechtsstandard an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits aber nicht gemeinschaftsrechtliches Gemeingut sein sollte.<br />
1614<br />
Kirchenamt <strong><strong>de</strong>r</strong> EKD (Hrsg.), Fn. 395, S. 376, These 2: „So kennt die Verfassungsordnung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als die <strong><strong>de</strong>r</strong> meisten an<strong><strong>de</strong>r</strong>en europäischen Staaten,<br />
über die Ga<strong>ra</strong>ntie <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit hinaus ein vom Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />
ausgehen<strong>de</strong>s System institutioneller staatskirchenrechtlicher Ga<strong>ra</strong>ntien [...].“<br />
1615<br />
In diesem Sinne auch v. Campenhausen, Fn. 177, S. 69; Robbers, Fn. 107, S. 353, 360;<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 598, S. 52.<br />
1616<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen oben E.II.3.a).<br />
1617<br />
Ebenso Hollerbach, Fn. 17, S. 277.<br />
1618<br />
Vgl. Streinz, Fn. 77, S. 65.<br />
1619<br />
Van Bijsterveld, Fn. 607, S. 29 f.<br />
1620<br />
Hierin wur<strong>de</strong> u.a. die Achtung <strong>de</strong>s Rechts religiöser Gemeinschaften <strong>im</strong> Hinblick auf ihre<br />
Selbstorganisation anerkannt, s.o. A.II.1.a)aa).
) Allgemeineres Dienst- und Arbeitsrecht<br />
403<br />
aa) Rechtsvergleichen<strong>de</strong> Untersuchung<br />
Im folgen<strong>de</strong>n soll untersucht wer<strong>de</strong>n, inwieweit <strong>de</strong>n Kirchen und Religionsgemeinschaften <strong>im</strong><br />
innerstaatlichen <strong>Religionsrecht</strong> die Kompetenz zum Erlaß eigener Rechtsvorschriften <strong>im</strong><br />
Bereich <strong>de</strong>s kirchlichen Arbeitsrechts zugestan<strong>de</strong>n wird. Ist dies nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall, so ist zu<br />
untersuchen, ob das staatliche Arbeitsrecht spezielle Verhaltensanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an kirchliche<br />
Mitarbeiter außerhalb geistlicher Ämter anerkennt.<br />
Obwohl Belgien durch Art. 21 Belg.Verf. ausdrücklich ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsgemeinschaften anerkennt, bezieht sich dies nur auf „kirchliche Organisationen <strong>im</strong><br />
striktesten Sinne“; <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheitsfürsorge o<strong><strong>de</strong>r</strong> Erziehung beispielsweise sind<br />
Kirchen an die gelten<strong>de</strong> staatliche Gesetzgebung gebun<strong>de</strong>n. 1621 Selbst die Tätigkeit von<br />
Geistlichen wird – soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitgeber kein religiöser Or<strong>de</strong>n ist – mittlerweile<br />
arbeitsvert<strong>ra</strong>gsrechtlich gewürdigt. Auch ist die Anwendung von Tarifverträgen auf kirchliche<br />
Laien unproblematisch möglich. 1622 Hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Loyalität kirchlicher Arbeitnehmer<br />
wer<strong>de</strong>n Abstufungen gemacht: Während wie<strong><strong>de</strong>r</strong>verhei<strong>ra</strong>teten Lehrern an konfessionellen<br />
Schulen aus diesem Grund grds. nicht gekündigt wer<strong>de</strong>n darf, ergibt sich an<strong><strong>de</strong>r</strong>es nur bei<br />
Religionslehrern. 1623<br />
Dänemark gewährt <strong><strong>de</strong>r</strong> dänischen Volkskirche ohnehin kein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht, da die<br />
maßgeblichen Entscheidungen durch das Folketing und <strong>de</strong>n Minister für<br />
Kirchenangelegenheiten beschlossen wer<strong>de</strong>n. Die Rechtsverhältnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Geistlichen wer<strong>de</strong>n<br />
<strong>im</strong> Beamtengesetz geregelt, das vor 1969 sogar Spezifika wie die Höhe <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezahlung vorsah.<br />
Auch <strong>im</strong> kollektiven Arbeitsrecht gibt es kein kirchliches Son<strong><strong>de</strong>r</strong>recht; vielmehr besitzen die<br />
Geistlichen – soweit sie nicht unmittelbar in <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsverwaltung tätig sind – ein Streikrecht.<br />
Die prinzipielle Anwendbarkeit <strong>de</strong>s staatlichen Mitbest<strong>im</strong>mungsrechts scheitert in <strong><strong>de</strong>r</strong> P<strong>ra</strong>xis<br />
i.d.R. allerdings an <strong><strong>de</strong>r</strong> Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer einzelner Kirchengemein<strong>de</strong>n. 1624<br />
Auch die<br />
sonstigen anerkannten Religionsgemeinschaften besitzen kein über <strong>de</strong>n Kultus<br />
hinausgehen<strong>de</strong>s Selbstverwaltungsrecht.<br />
In Deutschland dagegen wird das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen nicht nur auf <strong>de</strong>n<br />
engen innerkirchlichen Bereich beschränkt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auf religiös motiviertes Tätigwer<strong>de</strong>n<br />
i.w.S. – z.B. <strong>im</strong> Bereich von K<strong>ra</strong>nkenhäusern, Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Altershe<strong>im</strong>en – ausge<strong>de</strong>hnt.<br />
1621 Vgl. Torfs, Fn. 195, S. 24.<br />
1622 Torfs, Fn. 195, S. 30 f.<br />
1623 Vgl. Schäfer, Fn. 1106, S. 95 m.w.N.<br />
1624 Dübeck, Fn. 133, S. 54 f.
404<br />
<strong>Das</strong> Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht soll jedoch nicht nur <strong>de</strong>n verfaßten Kirchen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch<br />
rechtlich selbständigen Organisationen mit privatrechtlicher Rechtsform, zukommen. 1625 Dies<br />
ist in<strong>de</strong>s nicht unumstritten, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV<br />
ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht nur <strong>de</strong>n Religionsgesellschaften selbst einräumt. 1626 Nicht<br />
unproblematisch ist insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e das <strong>de</strong>n Freien Trägern <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege individualrechtlich<br />
eingeräumte Kündigungsrecht, soweit sich ein Mitarbeiter <strong>im</strong> nicht-theologischen<br />
Bereich in seinem privaten Lebenswan<strong>de</strong>l o<strong><strong>de</strong>r</strong> durch öffentliche Äußerungen <strong>de</strong>n<br />
Leh<strong>ra</strong>uffassungen seines Dienstherrn wi<strong><strong>de</strong>r</strong>setzt. 1627 Es ist nicht ganz zu Unrecht die F<strong>ra</strong>ge<br />
gestellt wor<strong>de</strong>n, welche Religionsausübung durch die Nicht-Kirchenzugehörigkeit eines<br />
Buchhalters eines K<strong>ra</strong>nkenhauses in kirchlicher Trägerschaft gestört wer<strong>de</strong>n kann. 1628<br />
Angesichts einer weitgehen<strong>de</strong>n Monopolstellung kirchlicher Einrichtungen <strong>im</strong><br />
sozialpflegerischen Bereich 1629 ist die Annahme dieses weitreichen<strong>de</strong>n kirchlichen<br />
Arbeitsrechts durchaus als be<strong>de</strong>nklich einzustufen. Im kollektiven Arbeitsrecht kommt für<br />
kirchliche Einrichtungen i.w.S. staatliches Mitbest<strong>im</strong>mungsrecht nicht zur Anwendung,<br />
vielmehr wird diesen ein sog. „Dritter Weg“ zugestan<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> we<strong><strong>de</strong>r</strong> Streikrecht noch<br />
Aussperrung kennt. 1630<br />
In Finnland wird das Personal <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n Staatskirchen verbeamtet, soweit nicht privatrechtliche<br />
Arbeitsverträge abgeschlossen wer<strong>de</strong>n, wie sie für die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Religionsgemeinschaften<br />
ohnehin üblich sind. <strong>Das</strong> Arbeitsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatskirchen wird in <strong>de</strong>n<br />
1625<br />
Vgl. Bethge, Fn. 444, S. 79 f.; Jurina, <strong>Das</strong> Dienst- und Arbeitsrecht <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland, Berlin 1979, S. 17 ff.; 92 ff.; Robbers, Fn. 177, S. 67 f.<br />
1626<br />
Wieland, Die verfassungsrechtliche Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen als Arbeitgeber, DB 1987,<br />
S. 1633, vertritt daher die Auffassung, daß sich das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht in ein<br />
„Fremdbest<strong>im</strong>mungsrecht“ verwan<strong>de</strong>le, soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtskreis <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgesellschaften<br />
überschritten und eine Rechtsbeziehung zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechtssubjekten geknüpft wer<strong>de</strong>.<br />
1627<br />
Vgl. hierzu BVerfGE 70, S. 138 ff., 162. Mittlerweile scheint das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />
jedoch zunehmend eine Einengung zu erfahren. So hat das BAG, NJW 1995, S. 275 ff., die<br />
Kündigung eines homosexuellen Mitarbeiters <strong>im</strong> nicht-theologischen Bereich wegen<br />
Verstoßes gegen § 242 BGB als unwirksam angesehen.<br />
1628<br />
So Struck, Entwicklung und Kritik <strong>de</strong>s Arbeitsrechts <strong>im</strong> kirchlichen Bereich, NZA 1991,<br />
S. 249 ff., 253.<br />
1629<br />
Konkrete Nachweise bei Neumann, Fn. 448, S. 64, 66. Für die meisten <strong><strong>de</strong>r</strong> ca. 850.000<br />
vollzeitbeschäftigten Mitarbeiter in konfessionellen K<strong>ra</strong>nkenhäusern, Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten, bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Caritas o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m Diakonischen Werk han<strong>de</strong>lt es sich bei ihrer beruflichen Tätigkeit um eine<br />
normale Arbeitsstelle, nicht dagegen um Religionsausübung. Kirchliches Son<strong><strong>de</strong>r</strong>recht<br />
außerhalb <strong>de</strong>s innerkirchlichen Bereichs wird daher nicht ohne Grund als „intole<strong>ra</strong>bel“<br />
bezeichnet, vgl. P<strong>ra</strong>ntl, Fn. 118, S. 90.<br />
1630<br />
Einzelheiten s.o. K.I.1.b).
405<br />
staatlichen Kirchengesetzen fixiert. Darüber hinaus sind auch tarifliche Vereinbarungen<br />
üblich. 1631<br />
Ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong>im</strong> kirchlichen Arbeitsrecht wird in F<strong>ra</strong>nkreich grds. nur dort<br />
anerkannt, wo es sich um klerikale Mitarbeiter han<strong>de</strong>lt. 1632 Der Rechtsstatus von<br />
Arbeitnehmern in einer konfessionell ausgerichteten Klinik richtet sich nach <strong>de</strong>m staatlichen<br />
Recht und <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n Tarifverträgen. Während für die pasto<strong>ra</strong>le Geistlichkeit ein<br />
Arbeitnehmerstatus und damit staatliches Arbeitsrecht nicht zur Anwendung gelangt, gilt<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>es schon bei theologischen Laien, wobei letztere zusätzlich <strong>im</strong> Besitz einer kirchlichen<br />
Missio sein müssen. 1633 Eine beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Loyalitätspflicht wird in Abweichung von Art. 122-45<br />
Co<strong>de</strong> du T<strong>ra</strong>vail – hiernach sind religiöse Überzeugungen eines Arbeitnehmers ohne Einfluß<br />
auf die Beziehung zu seinem Arbeitgeber – aufgrund Art. L 122-35 Co<strong>de</strong> du T<strong>ra</strong>vail nur an<br />
theologisches Personal sowie an kirchliche Privatschullehrer aufgrund ihres wichtigen<br />
Erziehungsauft<strong>ra</strong>gs, nicht aber an sonstiges kirchliches Personal gestellt. 1634 Daher kann<br />
einem sonstigen kirchlichen Mitarbeiter nicht aufgrund seines persönlichen Lebenswan<strong>de</strong>ls<br />
gekündigt wer<strong>de</strong>n, soweit dieser seinen Arbeitgeber nicht offensichtlich provoziert. 1635<br />
In Griechenland besteht aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> engen Verflechtung zwischen Staat und Kirche keine<br />
Bereichsausnahme von staatlichem Recht. Im übrigen unterhält nicht die Orthodoxe Kirche,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Griechische Staat selbst Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärten und Schulen, wobei allerdings bis 1988 nur<br />
Angehörige <strong><strong>de</strong>r</strong> Griechisch-Orthodoxen Konfession <strong>de</strong>n Lehrer- bzw. Erzieherberuf ausüben<br />
durften. 1636<br />
In Irland wird zwar das kirchliche Selbstverwaltungsrecht ga<strong>ra</strong>ntiert, vgl. Art. 44 Abs. 2<br />
Ziff. 1 u. 5 Irl.Verf., jedoch erstreckt sich dieses nicht auf das Arbeitsrecht. Die Beendigung<br />
von Arbeitsverhältnissen kirchlicher Laienmitarbeiter muß sich daher ebenso wie diejenige<br />
von Mitarbeitern <strong>im</strong> Schul- und K<strong>ra</strong>nkenhausbereich am allgemeinen irischen Arbeitsrecht<br />
(Unfair Dismissal Act 1977) messen lassen, wobei allerdings an Lehrpersonal in kirchlichen<br />
Einrichtungen best<strong>im</strong>mte Verhaltensanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen gestellt wer<strong>de</strong>n dürfen. 1637<br />
1631<br />
Heikkilä/Knuutila/Scheinin, Fn. 147, S. 313.<br />
1632<br />
Hout-Pleuroux, in: Christoph, Fn. 139, S. 418.<br />
1633<br />
Hout-Pleuroux, in: Christoph, Fn. 139, S. 418; Schäfer, Fn. 1106, S. 93, m.w.N.<br />
1634<br />
Bas<strong>de</strong>vant-Gau<strong>de</strong>met, Fn. 152, S. 140, 146 ff.; Schäfer, Fn. 1106, S. 92 f. Der Lehrstuhlinhaberin<br />
für Kirchengeschichte an einer privaten theologischen Fakultät konnte daher<br />
gekündigt wer<strong>de</strong>n, vgl. Schäfer, Fn. 1106, S. 93, m.w.N.<br />
1635<br />
Schäfer, Fn. 1106, S. 94, m.w.N.<br />
1636<br />
Vgl. Papastathis, Fn. 141, S. 89.<br />
1637<br />
Casey, Fn. 166, S. 175 f.; Treanor, in: Christoph, Fn. 139, S. 422 f.
406<br />
In Italien dagegen existiert für kirchliche Einrichtungen kein eigenes Dienst- und<br />
Arbeitsrecht; lediglich für Or<strong>de</strong>nsangehörige wird ein kirchliches Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />
anerkannt. 1638 Im übrigen gelangt nach Art. 831 CC. staatliches Individualarbeitsrecht zur<br />
Anwendung. Soweit kirchliche Organisationen ein ausdrückliches religiöses Gepräge besitzen<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> ein beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Erziehungsauft<strong>ra</strong>g von kirchlichen Arbeitnehmern wahrgenommen wird,<br />
können jedoch gewisse Loyalitätsanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an das kirchliche Personal gestellt<br />
wer<strong>de</strong>n. 1639<br />
Luxemburg kennt ebenfalls kein spezielles kollektives Arbeitsrecht für kirchliche<br />
Einrichtungen.<br />
In <strong>de</strong>n Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>n besteht zwar für Kirchen ein Selbstverwaltungsrecht; jedoch gilt<br />
staatliches Arbeits- und Sozialrecht für sämtliche kirchlichen Mitarbeiter mit Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Inhaber geistlicher Ämter. <strong>Das</strong> staatliche Mitarbeitervertretungsgesetz (Wet op <strong>de</strong><br />
on<strong><strong>de</strong>r</strong>nemings<strong>ra</strong>a<strong>de</strong>n), das keine Ausnahme für die Kirchen vorsieht, kommt nur <strong>de</strong>shalb<br />
nicht zur Anwendung, weil bislang die vorgeschriebene Min<strong>de</strong>stanzahl von Arbeitnehmern<br />
nicht erreicht wur<strong>de</strong>. 1640 Im Gegensatz zu Loyalitätsobliegenheiten, die an das lehren<strong>de</strong><br />
Personal an kirchlichen Hochschulen gestellt wer<strong>de</strong>n können, rechtfertigen allein religiöse<br />
Motive keine Entlassung kirchlicher Mitarbeiter in nichtreligiösen Funktionen. 1641<br />
Österreich anerkennt mit § 132 Abs. 4 ArbVG die Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtanwendung einiger<br />
Mitwirkungsbest<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s kollektiven Arbeitsrechts auf Unternehmen und Betriebe, die<br />
konfessionellen Zwecken dienen. Allerdings sind diese Ausnahmebest<strong>im</strong>mungen nicht so<br />
weitreichend wie in Deutschland, da Kirchen und Religionsgemeinschaften – und vor allem<br />
Vereine nach <strong>de</strong>m Vereinsgesetz, wie die Diözesan-Caritas – gemäß Art. 7 ArbVG kollektivvert<strong>ra</strong>gsfähig<br />
sind. 1642<br />
Im Individualarbeitsrecht steht <strong>de</strong>n öffentlich-rechtlichen Kirchen und<br />
1638<br />
Fer<strong>ra</strong>ri, Fn. 215, S. 195, 198, 204; Michaeler, in: Christoph, Fn. 139, S. 419 f.<br />
1639<br />
Vgl. Art. 4 Abs. 1 S. 2 <strong>de</strong>s Gesetzes zu Individualkündigungen vom 11.5.1990, Nr. 108,<br />
welches eine allgemeine Ten<strong>de</strong>nzschutzklausel enthält, allerdings in einem Spannungsfeld<br />
zu Art. 3 <strong>de</strong>sselben Gesetzes steht, wonach alle diskr<strong>im</strong>inieren<strong>de</strong>n Kündigungen nichtig<br />
sind. Im Falle einer Kündigung eines Lehrers an einer katholischen Privatschule, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich<br />
nur weltlich, nicht aber kirchlich t<strong>ra</strong>uen ließ, wur<strong>de</strong> höchstrichterlich <strong>de</strong>m Schutz<br />
kirchlicher Loyalitätsvorstellungen Vor<strong>ra</strong>ng eingeräumt, vgl. Schäfer, Fn. 1106, S. 95 f.<br />
m.w.N. Außerhalb eines solchen Erziehungsauft<strong>ra</strong>gs wäre eine Kündigung kirchlicher<br />
Arbeitnehmer außerhalb <strong>de</strong>s religiösen Amtes unzulässig, soweit sie sich ausschließlich auf<br />
die Verletzung von Loyalitätsobliegenheiten stützen wür<strong>de</strong>.<br />
1640<br />
Backbier, in: Christoph, Fn. 139, S. 424 f.<br />
1641<br />
Van Bijsterveld, Fn. 170, S. 243; Walf, Fn. 170, S. 91.<br />
1642<br />
Vgl. Schinkele, Fn. 854, S. 12, 18.
407<br />
Religionsgesellschaften keine Dienstherrnfähigkeit und damit nicht die Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Begründung öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse zu; die privatrechtlichen<br />
Dienstverhältnisse sind an das staatliche Arbeitsrecht gebun<strong>de</strong>n, 1643 wobei eine bestehen<strong>de</strong><br />
Treuepflicht <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Mitarbeiter je nach Nähe zum kirchlichen Verkündigungsauft<strong>ra</strong>g<br />
abgestuft wird. 1644<br />
Die Verfassung Portugals gewährt in Art. 41 Port.Verf. <strong>de</strong>n Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht für die eigenen Gebräuche und die<br />
Anbetung, d.h. <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Kultus, nicht dagegen <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s kirchlichen<br />
Arbeitsrechts.<br />
In Schwe<strong>de</strong>n existiert für Pfarrer kein kirchliches Son<strong><strong>de</strong>r</strong>recht; sie gelten als Arbeitnehmer<br />
und sind größtenteils gewerkschaftlich organisiert. Im Gegenzug ist die Vereinigung von<br />
Gemein<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen von Schwe<strong>de</strong>n als Arbeitgebervereinigung anzusehen. 1645<br />
Ein ein<strong>de</strong>utiger Befund dahingehend, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Spanische Staat ein erweitertes<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Arbeitsrechts respektieren wür<strong>de</strong>, läßt<br />
sich <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit noch nicht erkennen.<br />
Auch <strong>im</strong> Vereinigten Königreich gibt es keine verfassungsrechtliche Ga<strong>ra</strong>ntie <strong>de</strong>s kirchlichen<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts; vielmehr gelangt das staatliche Arbeitsrecht (Employment<br />
Protection Act 1978; Equal Pay Act 1970; Sex Discr<strong>im</strong>ination Act 1975) zur Anwendung,<br />
wobei letztgenanntes Gesetz für Kirchen und Religionsgemeinschaften Ausnahmen vorsieht,<br />
die in<strong>de</strong>s nur für kirchliche Amtsträger, nicht aber für gewöhnliche kirchliche Arbeitnehmer<br />
eingreifen. 1646 Verstöße gegen kirchliche Loyalitätsobliegenheiten sind daher lediglich be<strong>im</strong><br />
Klerus sanktionierbar. 1647<br />
bb) Ergebnis<br />
Kein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Mitgliedstaat kennt ein <strong><strong>de</strong>r</strong>art weitreichen<strong>de</strong>s kirchliches Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht,<br />
wie es in Deutschland über Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV selbst für<br />
<strong>de</strong>n kirchlich-sozialen Bereich anerkannt ist. 1648<br />
Aus Ten<strong>de</strong>nzschutzerwägungen he<strong>ra</strong>us<br />
1643<br />
Vgl. Schinkele, Fn. 854, S. 19.<br />
1644<br />
Vgl. Potz, Fn. 206, S. 270 f.<br />
1645<br />
Vgl. Schött, Fn. 149, S. 328.<br />
1646<br />
McClean, Fn. 136, S. 345 f.<br />
1647<br />
Pearce, in: Christoph, Fn. 139, S. 420 f.<br />
1648<br />
So auch Bleckmann, Fn. 310, S. 24, <strong><strong>de</strong>r</strong> ebenfalls zum Ergebnis gelangt, daß sich in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Mitgliedstaaten ähnliche weite Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen wie in Deutschland nicht fin<strong>de</strong>n
408<br />
gewähren die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten <strong>de</strong>n kirchlichen Organisationen in diesem Bereich<br />
allenfalls die Möglichkeit, Loyalitätspflichten ihrer Arbeitnehmer einzufor<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
<strong>Das</strong> Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen wür<strong>de</strong> durch die Einräumung einer<br />
gemeinschaftsrechtlichen 1649 Son<strong><strong>de</strong>r</strong>stellung <strong>im</strong> sozial-diakonischen Bereich<br />
überst<strong>ra</strong>paziert. 1650<br />
Die Rechtsvergleichung hat <strong>de</strong>utlich gezeigt, daß die nationalen<br />
Rechtsordnungen – mit Ausnahme Deutschlands und teilweise Österreichs – für <strong>de</strong>n sozial-<br />
lassen; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., Fn. 133, S. 152, aufgrund umfassen<strong><strong>de</strong>r</strong> rechtsvergleichen<strong><strong>de</strong>r</strong> Untersuchungen:<br />
„Grundsätzlich wird man trotz<strong>de</strong>m annehmen dürfen, daß in <strong>de</strong>n meisten Staaten das<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht auf die „inneren Angelegenheiten“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen beschränkt ist.“ Zu<br />
<strong>de</strong>n gleichen Ergebnissen gelangen auch Birk, in: Christoph, 2. Tagung über „Europäisches<br />
Gemeinschaftsrecht – kirchliches Dienst- und Arbeitsrecht“, ZevKR 36 (1991), S. 395 f.,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> auf die spärlich vorhan<strong>de</strong>nen Ten<strong>de</strong>nzschutzvorschriften <strong>im</strong> Individual- und Kollektivarbeitsrecht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten eingeht; ebenso Link, Fn. 100, S. 134 f.; Rißmann,<br />
Europäische Integ<strong>ra</strong>tion und das kirchliche Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht in Deutschland,<br />
europablätter 1997, S. 53 ff., 57, weist da<strong>ra</strong>uf hin, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, führte er hinsichtlich <strong>de</strong>s<br />
kirchlichen Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts eine rechtsvergleichen<strong>de</strong> Gesamtschau <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassungen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten durch, wahrscheinlich zu einer Rechtsprechung käme, „die <strong>im</strong><br />
Vergleich zu <strong>de</strong>n verfassungsrechtlichen Regelungen Deutschlands eine eher laizistische<br />
Ten<strong>de</strong>nz verfolgt, weil dies mehr <strong><strong>de</strong>r</strong> staatskirchenrechtlichen Ordnung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Mitgliedstaaten<br />
(z.B. F<strong>ra</strong>nkreichs) entspräche.“; ebenso Streinz, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr. 31<br />
(1997), S. 97. A.A. ist dagegen Schäfer, Fn. 1106, S. 97, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich aber zu sehr von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>de</strong>utschen Vorstellung einer christlichen Dienstgemeinschaft leiten läßt.<br />
1649<br />
Selbst <strong>im</strong> bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen Recht spricht sich schon Czermak, Fn. 184, S. 477, für eine<br />
Über<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>s Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV aus.<br />
1650<br />
A.A. Hollerbach, Fn. 17, S. 278 f.: So solle aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Respektierung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />
bzw. Kirchenfreiheit folgen, daß gemeinschaftsrechtlich je<strong>de</strong>nfalls in seiner Substanz<br />
dasjenige gewährleistet sei, was in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>utschen Rechtsordnung mit <strong>de</strong>m Begriff <strong>de</strong>s<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts gekennzeichnet wer<strong>de</strong>. Die von Hollerbach nicht näher belegte<br />
These ist schon <strong>de</strong>swegen abzulehnen, weil auch aus <strong>de</strong>m Repräsentationsprinzip <strong>de</strong>s Art. 9<br />
EMRK eine kollektive Religionsfreiheit nur für <strong>de</strong>n innerkirchlichen Bereich folgt, s.o.<br />
E.III.2.b)bb). Darüber hinaus wer<strong>de</strong>n vom Gemeinschaftsrecht nicht zwangsläufig alle<br />
nationalen Errungenschaften per se in ihrer Substanz gewahrt, soweit gemeinschaftsrechtliche<br />
Kompetenzen bestehen; dies hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH, verb. Rs. C-46 u. 48/93 (B<strong>ra</strong>sserie du<br />
pêcheur/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland u.a.), Slg. 1996, S. I-1029 ff., <strong>im</strong> Hinblick auf das<br />
t<strong>ra</strong>ditionelle Reinheitsgebot für Bier hinreichend <strong>de</strong>utlich gemacht. Eine Substanzwahrung<br />
ist gemeinschaftsrechtlich nur <strong>im</strong> Hinblick auf die Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen I<strong>de</strong>ntität gemäß<br />
Art. 6 Abs. 3 EUV n.F., verfassungsrechtlich allein bezüglich <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsgüter <strong>de</strong>s<br />
Art. 79 Abs. 3 GG gesichert.
409<br />
diakonischen Bereich kein kirchliches Recht, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur die staatliche Gesetzgebung<br />
kennen, welche über die Anerkennung best<strong>im</strong>mter Verhaltensanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>n kirchlichen<br />
Interessen hinreichend Rechnung trägt. Über die Vorschrift <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />
be<strong>de</strong>utet dies, daß – <strong>im</strong> Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts – auf die Rechtsverhältnisse<br />
<strong>im</strong> sozial-diakonischen Bereich ebenfalls kein kirchliches, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr<br />
säkulares, sup<strong>ra</strong>nationales Recht anzuwen<strong>de</strong>n ist.<br />
Eine p<strong>ra</strong>ktische Folge dieser Unterscheidung zwischen geistlichen Amtsträgern und<br />
kirchlichen Mitarbeitern <strong>im</strong> sozial-diakonischen Bereich ist beispielsweise, daß sich letztere<br />
auf die Freizügigkeitsrechte berufen können, weil das Gemeinschaftsrecht hier grds.<br />
anwendbar ist.<br />
Durch rechtsvergleichen<strong>de</strong> Untersuchung lassen sich hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen<br />
Mitarbeiterschaft außerhalb <strong>de</strong>s kultischen Dienstes zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften allerdings abgestufte Loyalitätspflichten dieser Mitarbeiter<br />
konstatieren:<br />
Soweit kirchliche Mitarbeiter einen Leh<strong>ra</strong>uft<strong>ra</strong>g zur Vermittlung religiöser Inhalte – z.B. als<br />
ReligionslehrerInnen, als Lehrbeauft<strong>ra</strong>gte an einer theologischen Fakultät 1651<br />
und u.U. auch<br />
als Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>gärtnerInnen – wahrnehmen, besteht ein anzuerkennen<strong>de</strong>s Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften, die Nichtbeachtung ihres religiösen Selbstverständnisses zu<br />
sanktionieren, um nicht <strong>im</strong> Inneren konturenarm und nach außen hin unglaubwürdig zu<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Nicht möglich ist es dagegen, Loyalitätspflichten für sämtliche kirchlichen Arbeitnehmer, vor<br />
allem solche <strong>im</strong> sozial-diakonischen Bereich, zu begrün<strong>de</strong>n, es sei <strong>de</strong>nn, man ginge – m.E.<br />
unzutreffend – von einem Max<strong>im</strong>alstandard 1652 <strong>de</strong>s Gemeinschaftsgrundrechts auf Religionsfreiheit<br />
aus. 1653<br />
1651<br />
Vgl. hierzu jüngst Mainusch, Lehrmäßige Beanstandung eines evangelischen Theologieprofessors,<br />
DÖV 1999, S. 677 – 685.<br />
1652<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen oben E.II.3.b).<br />
1653<br />
Ebenso Link, Fn. 100, S. 142; Streinz, Fn. 77, S. 76.
410<br />
3. Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV i.V.m. Art. 9 EMRK<br />
a) Bleckmanns Theorie vom Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen durch Rechtsvergleichung<br />
i.R.d. Art. 9 EMRK<br />
Albert Bleckmann ist da<strong>ra</strong>n gelegen, durch eine Monog<strong>ra</strong>phie 1654 <strong>de</strong>n Nachweis zu erbringen,<br />
daß Art. 9 Abs. 1 EMRK trotz seines ein<strong>de</strong>utigen, nur auf Individualrechte gemünzten<br />
Wortlauts zusätzlich das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen ve<strong>ra</strong>nkere. 1655<br />
Hierzu wählt er die Metho<strong>de</strong> einer rechtsvergleichen<strong>de</strong>n Untersuchung <strong><strong>de</strong>r</strong> unterschiedlichen<br />
religionsrechtlichen Systeme <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten. 1656 Die Rechtsvergleichung spiele wie <strong>im</strong><br />
Gemeinschaftsrecht auch bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK eine „he<strong>ra</strong>us<strong>ra</strong>gen<strong>de</strong> Rolle“; dies gehe<br />
zum einen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Präambel <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK, zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en aus einem Urteil <strong>de</strong>s EGMR hervor, in<br />
<strong>de</strong>m dieser festgestellt habe, die Tatsache allein, daß eine gesetzliche Regelung in einem<br />
Mitgliedstaat von <strong><strong>de</strong>r</strong> in allen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten gültigen abweiche, indiziere noch<br />
keinen Verstoß gegen die EMRK. 1657<br />
Auch spräche die Ähnlichkeit <strong>de</strong>s Art. 18 Abs. 1 IPbpR mit Art. 9 EMRK – wobei ersterer<br />
nach Auffassung eines Kommentators weit auszulegen sei, so daß unter <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
„Ausübung“ mitunter die Gründung und Unterhaltung von Wohlfahrtseinrichtungen zu<br />
subsumieren sei – dafür, daß gleiches auch <strong>im</strong> Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> „Ausübung religiöser Gebräuche“<br />
<strong>de</strong>s Art. 9 EMRK gelte. 1658<br />
Außer<strong>de</strong>m könne sich neuerdings eine Kirche selbst auf das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />
berufen. 1659<br />
Aus diesem Grund stelle sich die Religionsfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK als Doppelgrundrecht<br />
mit individual- und kollektivrechtlicher Komponente dar, wobei das<br />
Selbstverwaltungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen über die Verrichtung <strong><strong>de</strong>r</strong> kultisch-liturgischen Angelegen-<br />
1654<br />
Bleckmann, Von <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen Religionsfreiheit <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK zum Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen – Ansätze zu einem „<strong>Europäischen</strong> Staatskirchenrecht“, s.o.<br />
Fn. 133.<br />
1655<br />
Hollerbach, Trennung von Staat und Kirche: Internationale Aspekte und <strong>de</strong>utsche<br />
Erfahrungen, in: Carlen (Hrsg.), Trennung von Kirche und Staat – Sépa<strong>ra</strong>tion <strong>de</strong> l’église et<br />
<strong>de</strong> l’état, Freiburg (Schweiz) 1994, S. 21 ff., 32, weist dagegen – m.E. zu Recht – da<strong>ra</strong>uf<br />
hin, daß eine universale Geltung beanspruchen<strong>de</strong> Ga<strong>ra</strong>ntie <strong>de</strong>s kirchlichen bzw. religionsgemeinschaftlichen<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts noch nicht besteht.<br />
1656<br />
Bleckmann, Fn. 133, S. 11, 66, 73 ff.<br />
1657<br />
Bleckmann, Fn. 133, S. 13.<br />
1658<br />
Bleckmann, Fn. 133, S. 22 ff.<br />
1659<br />
Bleckmann, Fn. 133, S. 27, unter Verweis auf Frowein/Peukert, Fn. 679, Art. 9, Rdnr. 8.
411<br />
heiten hinausgehe. 1660 Hierbei sei zu beachten, daß einige Mitgliedstaaten (Dänemark,<br />
Griechenland, Großbritannien) aufgrund <strong>de</strong>s dortigen Staatskirchentums weitgehen<strong>de</strong><br />
Eingriffsrechte in <strong>de</strong>n Status dieser Kirchen besäßen, die über die Sch<strong>ra</strong>nken <strong>de</strong>s<br />
Art. 9 Abs. 2 EMRK hinausreichten. 1661 Dieser Konflikt könne nur <strong><strong>de</strong>r</strong>art gelöst wer<strong>de</strong>n, daß<br />
das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht nach Art. 9 EMRK entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> restriktiv ausgelegt wer<strong>de</strong>, um nicht<br />
das <strong>Religionsrecht</strong> dieser Mitgliedstaaten in F<strong>ra</strong>ge zu stellen 1662 o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber – wofür Bleckmann<br />
plädiert – weit ausgelegt wer<strong>de</strong>n müsse, wobei die Kirchenorgane <strong>im</strong> Verhältnis zu <strong>de</strong>n<br />
Staatsorganen stillschweigend über Art. 9 Abs. 2 EMRK hinausreichen<strong>de</strong> Eingriffsrechte<br />
gewährten, und es somit zu einem partiellen Verzicht auf das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht nur für<br />
Vert<strong>ra</strong>gsstaaten mit einem Staatskirchentum komme. 1663<br />
Dabei könnten die mitgliedstaatlichen Kirchen ihre eigenen Angelegenheiten selbst<br />
<strong>de</strong>finieren, so daß eine Aus<strong>de</strong>hnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsausübung auf <strong>de</strong>n Betrieb z.B. von<br />
K<strong>ra</strong>nkenhäusern möglich sei, auch wenn dies nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> gelten<strong>de</strong>n P<strong>ra</strong>xis in allen<br />
Mitgliedstaaten entspreche. 1664<br />
Als Sch<strong>ra</strong>nke <strong><strong>de</strong>r</strong> korpo<strong>ra</strong>tiven Religionsfreiheit könnten sich zwar die „Rechte und Freiheiten<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>er“ und damit auch die individuelle Religionsfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Mitarbeiter<br />
darstellen. 1665 Jedoch gäbe es ergänzen<strong>de</strong> Prinzipien, die das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchen <strong>de</strong>n Rechten <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer vorgehen lasse. 1666<br />
b) Würdigung und Kritik<br />
Die eben dargestellte Auffassung Bleckmanns kann in<strong>de</strong>s nicht unwi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprochen<br />
hingenommen wer<strong>de</strong>n. Vor allem lei<strong>de</strong>t die These Bleckmanns, Art. 9 EMRK ve<strong>ra</strong>nkere das<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen, schon an einer unzutreffen<strong>de</strong>n Prämisse: Eine<br />
Rechtsvergleichung gehört ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> nicht zu <strong>de</strong>n Auslegungsmetho<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nen sich die<br />
St<strong>ra</strong>ßburger Organe – <strong>im</strong> Gegensatz zum EuGH – in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit häufig bedient haben:<br />
Während <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR über einen ausführlichen Grundrechtskatalog verfügt, <strong><strong>de</strong>r</strong> erstens eine<br />
Orientierung ermöglicht und zweitens regelmäßig durch nachfolgen<strong>de</strong> Protokolle um weitere<br />
spezifische Grundrechtsverbürgungen ergänzt wird, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH mangels eines solchen<br />
Kataloges gezwungen, die Gemeinschaftsgrundrechte durch Rechtsvergleichung über die<br />
1660<br />
Bleckmann, Fn. 133, S. 30, unter Verweis auf Blum, Fn. 814, S. 170, 175.<br />
1661<br />
Bleckmann, Fn. 133, S. 42.<br />
1662<br />
Bleckmann, in: Christoph, Fn. 1648, S. 398 f.<br />
1663<br />
Bleckmann, Fn. 133, S. 45; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., in: Christoph, Fn. 1648, S. 399.<br />
1664<br />
Bleckmann, Fn. 133, S. 47 f.<br />
1665<br />
Bleckmann, Fn. 133, S. 64; <strong><strong>de</strong>r</strong>s., in: Christoph, Fn. 139, S. 416.<br />
1666<br />
Bleckmann, Fn. 133, S. 64.
412<br />
allgemeinen Rechtsgrundsätze aus <strong>de</strong>n gemeinsamen Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
he<strong>ra</strong>uszufiltern. Es kann daher keinesfalls davon gesprochen wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechtsvergleichung i.R.d. EMRK ebenso wie <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht eine he<strong>ra</strong>us<strong>ra</strong>gen<strong>de</strong><br />
Rolle zukommen müßte. Im übrigen überzeugen die wenigen Zitate in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung<br />
<strong>de</strong>s EGMR hierfür nicht. Wenn dieser judiziert, daß die gesetzliche Regelung in einem<br />
Mitgliedstaat, welche von <strong><strong>de</strong>r</strong> in allen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Mitgliedstaaten gültigen abweiche, noch<br />
keinen Verstoß gegen die EMRK indiziere, kann dies nur so verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, daß<br />
hierdurch eben ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> nicht die rechtsvergleichen<strong>de</strong> Schau <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtslage in einzelnen<br />
Mitgliedstaaten entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Kriterium für die Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK ist; ansonsten wäre<br />
die überwiegend unterschiedliche Auslegung in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> ein Indiz für die<br />
Rechtswidrigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> gesetzlichen Regelung in <strong>de</strong>m einen Mitgliedstaat.<br />
Da das mitgliedstaatliche <strong>Religionsrecht</strong> stark voneinan<strong><strong>de</strong>r</strong> divergiert und die EMRK als<br />
völkerrechtlicher Vert<strong>ra</strong>g von <strong>de</strong>n nationalen Verfassungstexten abweichen kann, muß man<br />
ge<strong>ra</strong><strong>de</strong> von einer autonomen Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR ausgehen. Mit dieser<br />
Autonomie ließe es sich nur schwerlich vereinbaren, wür<strong>de</strong> man eine i.R.d. Art. 18 IPbpR<br />
gewonnene Interpretation unmittelbar auf die EMRK übert<strong>ra</strong>gen, zumal es sich hierbei we<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
um <strong>de</strong>n Gesetzestext selbst noch um Rechtsprechung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n lediglich um eine Kommentarmeinung<br />
han<strong>de</strong>lt. Abgesehen hiervon verfügt die EMRK von 1950 über ein wesentlich<br />
effektiveres Rechtsschutzsystem und eine viel ausgefeiltere Rechtsprechung <strong>im</strong> Grundrechtsbereich,<br />
als <strong><strong>de</strong>r</strong> erst 1976 in K<strong>ra</strong>ft getretene IPbpR, so daß eine Orientierung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK an<br />
letzterem nur wenig sinnvoll erscheint.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> autonomen Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR ebenfalls unvereinbar wäre es,<br />
wenn die Kirchen selbst best<strong>im</strong>men könnten, wann eine eigene Angelegenheit vorläge und<br />
wann nicht. In diesem Fall wür<strong>de</strong>n sie nämlich die Tatbestandsvo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>s<br />
Art. 9 EMRK selbst <strong>de</strong>finieren und könnten so z.B. erwerbswirtschaftliches Han<strong>de</strong>ln als<br />
Religionsausübung <strong>de</strong>klarieren.<br />
Wie an früherer Stelle 1667 nachgewiesen, kann eine Religionsgemeinschaft lediglich<br />
Individualrechte <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. Prozeßstandschaft für ihre Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> geltend machen.<br />
Daher han<strong>de</strong>lt es sich bei Art. 9 EMRK nur insoweit um ein Doppelgrundrecht, als zugleich<br />
<strong>im</strong> Individualbereich eine korrespondieren<strong>de</strong> Rechtsposition <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> einer Religionsgemeinschaft<br />
vorhan<strong>de</strong>n ist, da Kirchen und Religionsgemeinschaften nur durch die ihren<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n gewährten Rechte aus Art. 9 EMRK in ihrem Recht auf Religionsausübung u.a.<br />
geschützt sind. 1668<br />
Die Probleme, die Bleckmann aufgrund <strong>de</strong>s nicht durch Art. 9 EMRK<br />
1667<br />
Vgl. die Ausführungen oben E.III.2.b)aa).<br />
1668<br />
Tempel, Fn. 695, S. 12 f., führt zutreffend aus, daß es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> letztlich auf Blum,<br />
Fn. 814, S. 170, zurückgehen<strong>de</strong>n Ansicht um eine ausschließlich in Deutschland
413<br />
ge<strong>de</strong>ckten weiten Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts 1669<br />
i.R.d. Eingriffsrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatskirchen nach<br />
Art. 9 Abs. 2 EMRK zu bewältigen hat, sind daher selbstgeschaffen.<br />
Auch die Theorie <strong>de</strong>s stillschweigen<strong>de</strong>n Verzichts muß als theoretisches Konstrukt abgelehnt<br />
wer<strong>de</strong>n; ist doch das Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung eines weiten Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen<br />
lediglich, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Interessen i.R.d. kirchlichen Arbeitsrechts <strong>de</strong>n Rechten <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitnehmer<br />
vorgehen zu lassen, was mit <strong>de</strong>m Repräsentationsprinzip schlechterdings unvereinbar wäre.<br />
Da sowohl eine Rechtsvergleichung i.R.d. EMRK abgelehnt wer<strong>de</strong>n muß und ein <strong><strong>de</strong>r</strong>art<br />
weites – zu<strong>de</strong>m noch selbst<strong>de</strong>finiertes – Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht, we<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK noch in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> St<strong>ra</strong>ßburger Organe seine Stütze fin<strong>de</strong>t, muß die Auffassung<br />
Bleckmanns abgelehnt wer<strong>de</strong>n.<br />
III. Umfang <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften<br />
1. <strong>Religionsrecht</strong>liche Strukturen i.e.S.<br />
Unter <strong>de</strong>n Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> religionsrechtlichen Strukturen i.e.S. sind v.a. <strong><strong>de</strong>r</strong> liturgische Dienst<br />
sowie das Dienstrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Priester, Pastoren und theologischen Mitarbeiter zu fassen. Es<br />
han<strong>de</strong>lt sich also um Bereiche, die <strong>de</strong>n Kultus <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften direkt berühren.<br />
Hier – und nur hier – ist ein in <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit wurzeln<strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />
anzunehmen, mit <strong>de</strong>m Ergebnis, daß <strong>de</strong>n Kirchen und Religionsgemeinschaften –<br />
vorbehaltlich innerstaatlicher Rechtsnormen – die volle Gestaltungsfreiheit dieser Dienstverhältnisse<br />
obliegt, ohne durch gemeinschaftsrechtliche Vorschriften – mit Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaftsgrundrechte – gebun<strong>de</strong>n zu sein.<br />
2. <strong>Religionsrecht</strong>liche Strukturen i.w.S.<br />
vorherrschen<strong>de</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>meinung han<strong>de</strong>lt, die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EGMR keine Stütze<br />
fin<strong>de</strong>t, da sie mit einem Staatskirchentum nicht vereinbar wäre; ein echtes korpo<strong>ra</strong>tives<br />
Grundrecht verlange eine gewisse Trennung vom Staat.<br />
1669 Auch nach Schäfer, Fn. 1106, S. 5, wer<strong>de</strong> durch Bleckmanns Theorie die T<strong>ra</strong>gfähigkeit <strong>de</strong>s<br />
grundrechtlichen Ansatzes, auf <strong>de</strong>n sich ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht aus Art. 9 Abs. 1<br />
EMRK stütze, überlastet.
414<br />
Als religionsrechtliche Strukturen i.w.S. sind die nicht unmittelbar mit <strong>de</strong>m Kultus<br />
zusammenhängen<strong>de</strong>n Bereiche <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s zu verstehen, wie z.B. die<br />
Kirchenfinanzierung o<strong><strong>de</strong>r</strong> kirchliche Wohlfahrtseinrichtungen, einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> von letzteren<br />
begrün<strong>de</strong>ten Arbeitsverhältnissen. Selbst wenn sich die <strong>de</strong>utschen Großkirchen für <strong><strong>de</strong>r</strong>artige<br />
Materien ebenfalls auf das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen berufen, hat diese<br />
Bet<strong>ra</strong>chtungsweise gemeinschaftsrechtlich i.R.d. Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV we<strong><strong>de</strong>r</strong> über<br />
die gemeinsamen Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten noch über Art. 9 EMRK<br />
Bestand. Vielmehr kann das Gemeinschaftsrecht hier – soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendungsbereich <strong>de</strong>s<br />
Vert<strong>ra</strong>gs eröffnet ist – Geltung beanspruchen; eine generelle Bereichsausnahme ist für <strong>de</strong>n<br />
Bereich <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s i.w.S. nicht anzunehmen. Über die Rechtsfigur <strong>de</strong>s<br />
„Ten<strong>de</strong>nzbetriebes“ kann kirchlichen Interessen in diesem Fall ausreichend Rechnung<br />
get<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n.<br />
IV. Zusammenfassung<br />
Eine gemeinschaftsrechtliche Exemtion für das <strong>Religionsrecht</strong> wegen <strong><strong>de</strong>r</strong> Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Materie besteht ebensowenig wie eine explizite, unmittelbare Ausnahme in <strong>de</strong>n Gründungsverträgen,<br />
zumal es sich bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung nicht um einen rechtsverbindlichen<br />
Rechtsakt han<strong>de</strong>lt. Allerdings ist rechtsvergleichend über Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV ein<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>s Kultus<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen innerkirchlichen Angelegenheiten anzuerkennen, soweit nicht vom<br />
Min<strong>im</strong>alstandard <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte ausgegangen wird. Die Folge <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts<br />
für Kirchen und Religionsgemeinschaften ist, daß diese sich eine selbständige Ordnung geben<br />
und ihre Angelegenheiten eigenständig verwalten können. Allgemeines Gemeinschaftsrecht,<br />
z.B. Art. 39 (ex-Art. 48) EGV, fin<strong>de</strong>t <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts keine<br />
Anwendung.<br />
Im Bereich <strong>de</strong>s allgemeinen Dienst- und Arbeitsrechts ist dagegen – an<strong><strong>de</strong>r</strong>s als in Deutschland<br />
– <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsvergleichung über Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV kein<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen anzuerkennen. Vielmehr hat das Gemeinschaftsrecht<br />
hier – soweit anwendbar – Einfluß auf die kirchlichen Arbeitsverhältnisse <strong>im</strong> sozialdiakonischen<br />
Bereich. Immerhin bestehen abgestufte Loyalitätsanfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>im</strong> Hinblick auf<br />
die konkret ausgeübte nicht-klerikale Tätigkeit.
M. Rechtsschutzmöglichkeiten für<br />
Religionsgemeinschaften und Individuen<br />
I. Rechtsschutz i.R.d. Gemeinschaftsrechts<br />
1. Rechtsschutz gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane<br />
415<br />
a) Verfahren vor <strong>de</strong>m EuGH<br />
Von <strong>de</strong>n möglichen Verfahrensarten vor <strong>de</strong>m EuGH und <strong>de</strong>m EuG 1670<br />
wer<strong>de</strong>n <strong>im</strong> folgen<strong>de</strong>n<br />
die für die Kirchen und Religionsgemeinschaften wichtigsten zwei Verfahren vor <strong>de</strong>m EuGH<br />
besprochen.<br />
aa) Nichtigkeitsklage<br />
Rechtsschutzziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtigkeitsklage ist die Rechtmäßigkeitskontrolle <strong><strong>de</strong>r</strong> Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
einzelnen Gemeinschaftsorgane i.S.d. Art. 7 (ex-Art. 4) und Art. 8 (ex-Art. 4a) EGV v.a. <strong>im</strong><br />
Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Erlaß von gemeinschaftsrechtlichem Sekundärrecht.<br />
(1) Nichtigkeitsgrün<strong>de</strong><br />
Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 1 EGV kennt vier Nichtigkeitsgrün<strong>de</strong>. Von beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Be<strong>de</strong>utung<br />
i.R.d. <strong>Religionsrecht</strong>s sind die bei<strong>de</strong>n Nichtigkeitsgrün<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> „Unzuständigkeit“ und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
„Verletzung dieses Vert<strong>ra</strong>gs o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer bei seiner Durchführung anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Rechtsnorm“.<br />
(i) „Unzuständigkeit“<br />
(a) Äußere Unzuständigkeit<br />
Der Anwendungsfall <strong><strong>de</strong>r</strong> äußeren Unzuständigkeit muß dann bejaht wer<strong>de</strong>n, wenn die<br />
Gemeinschaft für eine Materie überhaupt keine Kompetenz besitzt, die Gemeinschaftsorgane<br />
aber gleichwohl rechtssetzend tätig wer<strong>de</strong>n. Da die Gemeinschaft für viele F<strong>ra</strong>gen <strong>de</strong>s<br />
1670 Vgl. hierzu ausführlich Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 464 ff.
416<br />
<strong>Religionsrecht</strong>s – z.B. zur Regelung eines gemeinschaftseinheitlichen KiSt-Satzes – keine<br />
Kompetenz besitzt, wären Rechtsakte in diesen Tätigkeitsfel<strong><strong>de</strong>r</strong>n durch <strong>de</strong>n EuGH wegen<br />
Verstoßes gegen das „institutionelle Gleichgewicht“ zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten<br />
aufzuheben. 1671<br />
(b) Innere Unzuständigkeit<br />
Soweit die Gemeinschaft eine Kompetenz zur Regelung religionsrechtlicher F<strong>ra</strong>gen besitzt,<br />
diese Kompetenz aber aufgrund <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips eingeschränkt ist o<strong><strong>de</strong>r</strong> aber nur <strong>de</strong>n<br />
Erlaß von Richtlinien, nicht dagegen <strong>de</strong>n Erlaß von Verordnungen vorsieht, 1672<br />
wür<strong>de</strong> sich die<br />
Art <strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen Tätigwer<strong>de</strong>ns als Verstoß gegen die gemeinschaftsinterne<br />
Kompetenzordnung darstellen.<br />
(ii) „Verletzung dieses Vert<strong>ra</strong>gs o<strong><strong>de</strong>r</strong> einer bei seiner Durchführung anzuwen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Rechtsnorm“<br />
Hierunter wer<strong>de</strong>n als Auffangtatbestand gegenüber <strong>de</strong>m Nichtigkeitsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
„Zuständigkeit“ v.a. Verstöße <strong>de</strong>s Sekundärrechts gegen das <strong>ra</strong>nghöhere geschriebene und<br />
ungeschriebene Pr<strong>im</strong>ärrecht verstan<strong>de</strong>n. 1673<br />
Sofern ein Sekundärrechtsakt z.B. die gemäß<br />
Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV i.V.m. Art. 9 EMRK gewährleistete gemeinschaftsrechtliche<br />
Religionsfreiheit nur unzureichend berücksichtigt, wür<strong>de</strong> hierdurch <strong><strong>de</strong>r</strong> „Vert<strong>ra</strong>g“ – dieser<br />
Begriff ist weit auszulegen – verletzt.<br />
(2) Klagelegit<strong>im</strong>ation<br />
Aktiv klagebefugt sind neben <strong>de</strong>n in Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 2 EGV aufgeführten<br />
Mitgliedstaaten nach Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 4 EGV sowohl natürliche Personen als auch<br />
juristische Personen. Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status<br />
wer<strong>de</strong>n nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH bzw. EuG 1674<br />
<strong>de</strong>n juristischen Personen, nicht<br />
jedoch <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten zugeordnet, weshalb sie einer eigenen Klagebefugnis – vgl. unten<br />
(4) – bedürfen.<br />
1671 Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 484.<br />
1672 Allgemein hierzu Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 484.<br />
1673 Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 486.<br />
1674 Vgl. <strong>im</strong> Hinblick auf die öffentlich-rechtlichen autonomen Gebietskörperschaften<br />
Wallonien bzw. Friaul/Venedig: EuGH, verb. Rs. 62/87 u. 72/87 (Wallon u. Glaverbel/<br />
Kommission), Slg. 1988, S. 1573 ff.; EuG, Rs. T-288/97 (Regione autonoma Friuli<br />
Venezia/Kommission), Tätigkeiten EuGH/EuG Nr. 17/99, S. 30 ff., 31 f.
417<br />
(3) Klagegegenstand<br />
Klagegegenstand können nur verbindliche Rechtshandlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> in Art. 230 (ex-Art. 173)<br />
Abs. 1 EGV genannten Gemeinschaftsorgane sein. Liegt dagegen beispielsweise eine<br />
Entschließung <strong>de</strong>s EP o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Stellungnahme eines an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Gemeinschaftsorgans vor, so<br />
sind diese grundsätzlich nicht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtigkeitsklage angreifbar, da es insoweit an ihrer<br />
Rechtsverbindlichkeit mangelt. 1675 Selbst ein als „Entschließung“ bezeichneter Rechtsakt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft könnte jedoch – das Vorliegen <strong><strong>de</strong>r</strong> übrigen Zulässigkeitsvo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />
unterstellt – von natürlichen und juristischen Personen angefochten wer<strong>de</strong>n, soweit dieser<br />
ihnen gegenüber Rechtswirkungen entfaltet. 1676 Auch wenn ein Rechtsakt wie die<br />
„Entschließung zu <strong>de</strong>n Sekten in Europa“ 1677 formal als unverbindliche Stellungnahme<br />
anzusehen ist, könnte dieser einen Eingriff in die Religionsfreiheit religiöser Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sekten beinhalten, soweit die Gemeinschaft hierdurch ihre Verpflichtung zu religiöser<br />
Neut<strong>ra</strong>lität überschritten hätte. Aus diesem Grun<strong>de</strong> müssen alle Rechtsakte, die potentielle<br />
Rechtsverletzungen enthalten, vom EuGH auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft wer<strong>de</strong>n<br />
können, unabhängig von <strong><strong>de</strong>r</strong> konkret gewählten Rechtsform. 1678<br />
(4) Klagebefugnis<br />
Da es sich bei natürlichen und juristischen Personen i.S.d. Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 4 EGV<br />
nicht um sog. „privilegierte“ Klagebefugte han<strong>de</strong>lt, ist für diese Gruppen grds. weiter<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, daß eine <strong><strong>de</strong>r</strong> folgen<strong>de</strong>n drei Fallgruppen vorliegt:<br />
(i) Klagebefugnis bei einer an <strong>de</strong>n Kläger gerichteten Entscheidung<br />
Wenn eine Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans direkt an eine Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Religionsgemeinschaft gerichtet ist, besteht für diese je<strong>de</strong>nfalls eine Klagebefugnis.<br />
(ii) Klagebefugnis bei einer an eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Person gerichteten Entscheidung, die <strong>de</strong>n Kläger<br />
unmittelbar und individuell betrifft<br />
1675 Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 489.<br />
1676 So auch Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 490 mit Hinweis auf EuGH, Rs. 108/93<br />
(Luxemburg/Parlament), Slg. 1984, S. 1945 ff.<br />
1677 ABl. 1996, Nr. C 78, S. 31; s.o. Fn. 366.<br />
1678 Ebenso Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 497.
418<br />
Der EuGH hat kürzlich ausgeführt, daß ein „Kläger, <strong>de</strong>ssen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Situation [...] bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vornahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Handlung nicht berücksichtigt wur<strong>de</strong> und <strong>de</strong>n diese allgemein und abst<strong>ra</strong>kt und<br />
letztlich wie je<strong>de</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Person betrifft, die sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> gleichen Situation befin<strong>de</strong>t, von dieser<br />
Handlung nicht individuell betroffen ist. Gleiches gilt für die Vereinigungen, die ihre<br />
Klagebefugnis da<strong>ra</strong>uf stützen, daß die Personen, die sie repräsentieren, von <strong><strong>de</strong>r</strong> angefochtenen<br />
Entscheidung individuell betroffen seien.“ 1679<br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften können daher bei nicht an sie adressierten<br />
Entscheidungen gerichtlich ebensowenig als „Sp<strong>ra</strong>chrohr für religiös-ethische Belange“<br />
auftreten, wie z.B. Greenpeace als „Anwalt für die Umwelt“, da <strong><strong>de</strong>r</strong> mo<strong>ra</strong>lische Werteverfall<br />
ebenso wie die Umweltzerstörung nicht nur die Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> jeweiligen Vereinigungen,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n letztlich je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann betrifft. Entschei<strong>de</strong>nd für die individuelle Betroffenheit ist daher,<br />
daß <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong> Rechtsakt Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften wegen<br />
best<strong>im</strong>mter persönlicher Eigenschaften aus <strong>de</strong>m Kreis aller übrigen Personen he<strong>ra</strong>ushebt und<br />
in ähnlicher Weise individualisiert wie <strong>de</strong>n Adressaten einer Entscheidung. 1680<br />
Von einer an einen Dritten ergangenen Entscheidung sind Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
dagegen <strong>im</strong>mer dann individuell und unmittelbar betroffen, wenn ihnen in<br />
einem vo<strong>ra</strong>ngegangenen Verwaltungsverfahren Beteiligungsrechte zukamen. 1681<br />
(iii) Den Kläger unmittelbar und individuell betreffen<strong>de</strong> Verordnungen<br />
Der EuGH hat wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt entschie<strong>de</strong>n, daß ein einzelner nur dann von einer Verordnung<br />
unmittelbar betroffen ist, wenn „die beanstan<strong>de</strong>te Maßnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft sich auf seine<br />
Rechtsstellung unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung bet<strong>ra</strong>ut<br />
sind, keinerlei Ermessensspiel<strong>ra</strong>um läßt, ihr Erlaß vielmehr rein automatisch erfolgt und sich<br />
allein aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne daß weitere Durchführungsvorschriften<br />
angewandt wer<strong>de</strong>n.“ 1682<br />
1679<br />
EuGH, Rs. C-321/95 (Stichting Greenpeace Council (Greenpeace International) u.a./Kommission),<br />
Slg. 1998, S. I-1651 ff., 1715, Rz. 28 f.<br />
1680<br />
Vgl. z.B. EuGH, Rs. 25/62 (Plaumann/Kommission), Slg. 1963, S. 213 ff., 238; Schweitzer/<br />
Hummer, Fn. 35, Rdnr. 500.<br />
1681<br />
EuGH, Rs. 26/76 (Metro/Kommission), Slg. 1977, S. 1875 ff., 1903.<br />
1682<br />
Vgl. nur EuGH, Rs. C-386/96 (Société Louis Dreyfus/Kommission), Slg. 1998,<br />
S. I-2309 ff., 2370 f., Rz. 43 m.w.N.; Rs. 92/78 (S<strong>im</strong>menthal/Kommission), Slg. 1979,<br />
S. 777 ff., 798.
419<br />
(iv) Klagebefugnis gegen Richtlinien?<br />
Eine Rechtsschutzmöglichkeit von Individuen gegen Richtlinien ist pr<strong>im</strong>ärrechtlich nicht<br />
vorgesehen, da diese we<strong><strong>de</strong>r</strong> Adressaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtlinien i.S.d. Art. 249 (ex-Art. 189) EGV noch<br />
für <strong><strong>de</strong>r</strong>en Umsetzung innerstaatlich zuständig sind. 1683<br />
Diese Rechtsprechung fin<strong>de</strong>t je<strong>de</strong>nfalls auf privatrechtlich organisierte<br />
Religionsgemeinschaften Anwendung. Kirchenkörperschaften mit öffentlich-rechtlichem<br />
Status dagegen üben einerseits be<strong>im</strong> KiSt-Einzug staatliche Hoheitsgewalt aus. 1684<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits müssen sie nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH aber auch schon aufgrund ihrer<br />
Bevorzugung gegenüber an<strong><strong>de</strong>r</strong>en privatrechtlichen Rechtspersonen als Teil <strong>de</strong>s Mitgliedstaats<br />
angesehen wer<strong>de</strong>n. 1685<br />
Öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaften sind daher schon vor <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Umsetzung einer Richtlinie durch die Mitgliedstaaten an <strong><strong>de</strong>r</strong>en einzelne Best<strong>im</strong>mungen<br />
gebun<strong>de</strong>n, soweit sie diese Kirchen und Religionsgemeinschaften betreffen. Infolge<strong>de</strong>ssen<br />
müßte Art. 230 (ex-Art. 173) Abs. 4 EGV m.E. erweiternd dahin ausgelegt wer<strong>de</strong>n, daß<br />
juristische Personen <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts gegen Richtlinien Klage erheben können, die sie<br />
individuell betreffen. Diese Erweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> Klagebefugnis für juristische Personen <strong>de</strong>s<br />
öffentlichen Rechts rechtfertigt sich aus <strong><strong>de</strong>r</strong> erweiterten Bindung gegenüber juristischen<br />
Personen <strong>de</strong>s Privatrechts.<br />
(5) Klagefrist<br />
Die Nichtigkeitsklage ist gemäß Art. 230 (ex-Art. 173) EGV binnen zwei Monaten ab<br />
Bekanntgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong>n Handlung bzw. ab Kenntniserlangung hiervon zu erheben.<br />
bb) Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahren<br />
(1) Regelungszweck<br />
Im Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 (ex-Art. 177) EGV entschei<strong>de</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH<br />
über die Auslegung von pr<strong>im</strong>ärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht sowie über die<br />
1683<br />
EuGH, Rs. C-10/95 (Asociación Española <strong>de</strong> Empresas <strong>de</strong> la Carne/Rat), Slg. 1995,<br />
S. I-4149 ff., 4159, Rz. 29; 4162, Rz. 41; EuG, Rs. T-99/94 (Asociación Española <strong>de</strong><br />
Empresas <strong>de</strong> la Carne/Rat), Slg. 1994, S. II-871 ff., 878, Rz. 13; 881, Rz. 21 = EuZW 1995,<br />
S. 254 f.; vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 498.<br />
1684<br />
Vgl. die Ausführungen oben J.III.<br />
1685<br />
Vgl. EuGH, Rs. C-188/89 (Foster u.a./British Gas), Slg. 1990, S. I-3313 ff., 3348, Rz. 18,<br />
sowie die Ausführungen oben J.V.
420<br />
Gültigkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht und stellt somit eine einheitliche Auslegung<br />
<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten sicher.<br />
(2) Vorlageberechtigung und Vorlageverpflichtung<br />
Allerdings sind nur die letztinstanzlichen 1686<br />
nationalen Gerichte gemäß Art. 234<br />
(ex-Art. 177) Abs. 3 EGV zur Vorlage an <strong>de</strong>n EuGH verpflichtet, soweit die<br />
Vorlagevo<strong>ra</strong>ussetzungen erfüllt sind; für die übrigen nationalen Gerichte besteht lediglich eine<br />
Vorlageberechtigung, selbst wenn die Vorlagef<strong>ra</strong>ge entscheidungserheblich sein sollte, vgl.<br />
Art. 234 (ex-Art. 177) Abs. 2 EGV.<br />
(3) Ausnahmen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorlagepflicht<br />
Auch ein letztinstanzliches Gericht ist zur Vorlage nicht verpflichtet, soweit die gestellte<br />
Vorlagef<strong>ra</strong>ge nicht entscheidungserheblich ist, <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH bereits über die betreffen<strong>de</strong><br />
gemeinschaftsrechtliche Best<strong>im</strong>mung entschie<strong>de</strong>n hat o<strong><strong>de</strong>r</strong> die richtige Anwendung <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong>art offenkundig ist, daß für einen vernünftigen Zweifel keinerlei<br />
Raum bleibt (sog. acte clair-Doktrin). 1687<br />
(4) Möglichkeiten bei Nichtvorlage<br />
Eine Religionsgemeinschaft kann eine Vorlage eines nationalen Gerichts an <strong>de</strong>n EuGH nicht<br />
<strong>im</strong> Wege einer Nichtvorlagebeschwer<strong>de</strong> erzwingen. 1688 Allerdings besteht in Falle einer<br />
willkürlichen Nichtvorlage eines letztinstanzlichen Gerichts die Möglichkeit, be<strong>im</strong> BVerfG<br />
<strong>de</strong>n Entzug <strong>de</strong>s gesetzlichen Richters i.S.d. Art. 101 Abs. 2 GG zu rügen. 1689<br />
(5) Gerichtsbegriff i.S.d. Art. 234 (ex-Art. 177) EGV<br />
1686<br />
Vgl. hierzu Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 530.<br />
1687<br />
Vgl. Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 529.<br />
1688<br />
Die Schaffung einer solchen Beschwer<strong>de</strong>möglichkeit befürwortet z.B. Chwolik-Lanfermann,<br />
Fn. 630, S. 344 ff. m.w.N.<br />
1689<br />
BVerfGE 73, S. 339 ff., 366; 75, S. 223 ff., 233 f.; vgl. hierzu Chwolik-Lanfermann,<br />
Fn. 630, S. 254 ff.
421<br />
Es muß sich i.R.d. Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahrens um ein „Gericht eines Mitgliedstaats“<br />
han<strong>de</strong>ln, nicht dagegen um ein privates Schiedsgericht. 1690 F<strong>ra</strong>glich ist daher, ob kirchliche<br />
Gerichte nach Art. 234 (ex-Art. 177) EGV vorlageberechtigt und -verpflichtet sind. Die vom<br />
EuGH gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>te enge Verbindung zwischen kirchlicher Gerichtsbarkeit und <strong>de</strong>m allgemeinen<br />
mitgliedstaatlichen Rechtsschutzsystem sieht Detmar Schäfer in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ga<strong>ra</strong>ntie <strong>de</strong>s kirchlichen<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV, welches zugleich<br />
die Existenz kirchlicher Gerichte – v.a. <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Arbeitsrechts – gewährleiste. 1691 Für<br />
die mitarbeitervertretungsrechtlichen Schlichtungsstellen sowie <strong>de</strong>n kirchlichen<br />
Verwaltungsrechtsweg nach § 63 MVG (evangelisch) sowie für die nach § 10 Abs. 2 GrO<br />
(katholisch) eingerichteten kirchlichen Gerichte differenziert Schäfer zwischen einer<br />
Vorlageberechtigung – von <strong><strong>de</strong>r</strong> ausgegangen wer<strong>de</strong>n müsse, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH an einer<br />
einheitlichen Auslegung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts interessiert sei, weshalb er weitestgehend<br />
auch Vorlagen nichtstaatlicher Gerichte angenommen habe – und einer Vorlagepflicht für<br />
letztinstanzliche kirchliche Gerichte, die zu verneinen sei, „um einer schwer abschätzbaren<br />
Arbeitsbelastung <strong>de</strong>s EuGH zu begegnen“ und um die kirchliche Selbstbest<strong>im</strong>mung nicht zu<br />
gefähr<strong>de</strong>n. 1692<br />
Eine <strong><strong>de</strong>r</strong>artige „Rosinentheorie“ ist m.E. jedoch abzulehnen: Entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> wird ein kirchliches<br />
Gericht aufgrund seiner engen staatlichen Anbindung als „Gericht“ i.S.d. Art. 234<br />
(ex-Art. 177) EGV angesehen. In diesem Fall wäre es sowohl vorlageberechtigt als auch – in<br />
letzter Instanz – vorlageverpflichtet. O<strong><strong>de</strong>r</strong> man wird, wofür die Rechtslage <strong>im</strong> nationalen<br />
Recht spricht, 1693<br />
schon die Vorlageberechtigung kirchlicher Gerichte verneinen müssen.<br />
Je<strong>de</strong>nfalls kann eine fehlen<strong>de</strong> Vorlagepflicht nicht mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeitsbelastung <strong>de</strong>s EuGH<br />
begrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, da eine solche bei einer Vorlageberechtigung gleichermaßen anfiele,<br />
obwohl hier noch die Möglichkeit einer nachträglichen innerstaatlichen Korrektur besteht.<br />
Auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Hinweis auf das kirchliche Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht überzeugt nicht: Wäre es<br />
einschlägig, wür<strong>de</strong> es eine Ausnahme von <strong>de</strong>n europarechtlichen Verpflichtungen schaffen; in<br />
diesem Falle wäre eine Vorlage an <strong>de</strong>n EuGH von vornherein entbehrlich. Soweit das<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht hingegen nicht <strong><strong>de</strong>r</strong>art weitreichend sein sollte und eine Vorschrift <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts tatsächlich entscheidungserheblich wäre, ist nicht ersichtlich, weshalb<br />
das letztinstanzliche kirchliche Gericht von <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorlagepflicht an <strong>de</strong>n EuGH befreit wer<strong>de</strong>n<br />
sollte.<br />
1690<br />
EuGH, Rs. 102/81 (Nordsee Deutsche Hochseefischerei/Ree<strong><strong>de</strong>r</strong>ei Mond Hochseefischerei<br />
Nordstern), Slg. 1982, S. 1095 ff., 1110 f.; vgl. auch Schweitzer/Hummer, Fn. 35,<br />
Rdnrn. 533 ff.<br />
1691<br />
So Schäfer, Fn. 1106, S. 125.<br />
1692<br />
Schäfer, Fn. 1106, S. 124 ff., 129.<br />
1693<br />
<strong>Das</strong> BVerfG n<strong>im</strong>mt keine Vorlagen kirchlicher Gerichte <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> konkreten Normenkontrolle<br />
nach Art. 100 Abs. 1 GG an, vgl. Maunz/Dürig, GG, Art. 100, Rdnr. 28.
422<br />
cc) Rechtsfolgen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit<br />
(1) Vor<strong>ra</strong>ng <strong><strong>de</strong>r</strong> grundrechtskonformen Auslegung<br />
Der EuGH vertritt die Auffassung, daß diejenige Auslegung, durch welche eine Kollision <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaftsregelung mit einem konkreten Grundrecht ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n kann,<br />
vor<strong>ra</strong>ngig zu berücksichtigen ist, 1694 wobei sich diese grundrechtskonforme Auslegung auf<br />
sämtliches Gemeinschaftsrecht bezieht. 1695<br />
(2) Nichtigkeit bzw. Ungültigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsnorm<br />
Soweit <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH i.R.d. Nichtigkeitsklage eine Handlung eines Gemeinschaftsorgans für<br />
rechtswidrig befin<strong>de</strong>t, da keine grundrechtskonforme Auslegung mehr möglich ist, spricht er<br />
gemäß Art. 231 (ex-Art. 174) Abs. 1 EGV <strong>de</strong>ssen Nichtigkeit aus und hebt die entsprechen<strong>de</strong><br />
Handlung mit ex tunc-Wirkung auf. Im Rahmen eines Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahrens kann <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EuGH bei einem Verstoß einer gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrechtsnorm gegen die<br />
pr<strong>im</strong>ärrechtliche Religionsfreiheit <strong><strong>de</strong>r</strong>en Ungültigkeit feststellen. 1696<br />
(3) Scha<strong>de</strong>nsersatzanspruch gegen die Gemeinschaft<br />
Im grundrechtssensiblen Bereich <strong>de</strong>s <strong>Religionsrecht</strong>s reicht es oftmals nicht aus, nur die<br />
Ungültigkeit einer Gemeinschaftshandlung auszusprechen; darüber hinaus kann u.U. ein<br />
Amtshaftungsanspruch gemäß Art. 235 (ex-Art. 178) i.V.m. Art. 288 (ex-Art. 215) Abs. 2<br />
EGV gegeben sein. 1697<br />
1694<br />
EuGH, Rs. 249/86 (Kommission/Deutschland), Slg. 1989, S. 1263 ff., Rz. 10 ff.; vgl. auch<br />
Obwexer, Fn. 554, S. 71.<br />
1695<br />
EuGH, Rs. 29/69 (Stau<strong><strong>de</strong>r</strong>/Stadt Ulm, Sozialamt), Slg. 1969, S. 419 ff., 425; Rs. 374/87<br />
(Orkem/ Kommission), Slg. 1989, S. 3283 ff., 3350, Rz. 28; vgl. auch Wetter, Fn. 630,<br />
S. 113 f.<br />
1696<br />
Vgl. allgemein EuGH, Rs. C-280/93 (Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland/Rat), Slg. 1994,<br />
S. I-4973 ff., 4993, Rz. 42.<br />
1697<br />
Vgl. EuGH, Rs. 5/71 (Schöppenstedt/Rat), Slg. 1971, S. 975 ff., Rz. 11; Rs. 145/83<br />
(Adams/Kommission), Slg. 1985, S. 3539 ff., 3592, Rz. 53 – 55.
) Verfahren vor <strong>de</strong>m BVerfG<br />
423<br />
aa) Verfassungsbeschwer<strong>de</strong><br />
Sofern EG-Rechtsakte ausnahmsweise unmittelbar durch die Gemeinschaft vollzogen wer<strong>de</strong>n<br />
– wie dies bei einigen Verordnungen und Entscheidungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist – <strong>de</strong>n unabdingbaren<br />
grundgesetzlichen Grundrechtsstandard <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit nicht mehr gewährleisten<br />
wür<strong>de</strong>n, könnten Kirchen und Religionsgemeinschaften als juristische Personen i.S.d.<br />
Art. 19 Abs. 3 GG Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG erheben. 1698 Sofern<br />
zuvor eine Direktklage be<strong>im</strong> EuGH angestrengt wor<strong>de</strong>n ist, kann das BVerfG als<br />
letztinstanzliches nationales Gericht i.S.d. Art. 234 (ex-Art. 177) Abs. 3 EGV ausnahmsweise<br />
auf eine erneute Vorlage an <strong>de</strong>n EuGH verzichten. 1699<br />
Außer<strong>de</strong>m haben die letztinstanzlichen nationalen Fachgerichte bei Auslegungsschwierigkeiten<br />
<strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts grds. eine Vorlagepflicht an <strong>de</strong>n EuGH nach<br />
Art. 234 (ex-Art. 177) EGV. Wird diese Vorlagepflicht verletzt, kann eine<br />
Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG zum BVerfG wegen Entzugs <strong>de</strong>s<br />
gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG erhoben wer<strong>de</strong>n. 1700<br />
bb) Konkrete Normenkontrolle<br />
Neben <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> kommt außer<strong>de</strong>m eine konkrete Normenkontrolle nach<br />
Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG analog in Bet<strong>ra</strong>cht, da <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechtsschutz <strong>im</strong> bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utschen<br />
Rechtssystem insofern lückenhaft ist. 1701 Soweit ein mit einem konkreten Streitfall befaßtes<br />
nationales Fachgericht zur Auffassung gelangt, daß eine Handlung eines<br />
Gemeinschaftsorgans gegen die grundgesetzliche Religionsfreiheit verstößt, ist dieses zur<br />
Vorlage an das BVerfG berechtigt, soweit zuvor <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s<br />
Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahrens angerufen wur<strong>de</strong>. 1702<br />
1698<br />
Vgl. T<strong>ra</strong>utwein, Fn. 483, S. 894.<br />
1699<br />
Einzelheiten bei Zuck/Christofer Lenz, Fn. 474, S. 1199 f.<br />
1700<br />
Vgl. BVerfGE 73, S. 339 ff., 366 f.; 75, S. 223 ff., 233; 82, S. 159 ff., 194 ff.<br />
1701<br />
Vgl. hierzu Vachek, Fn. 437, S. 139 ff.<br />
1702<br />
Vgl. Streinz, Fn. 453, Rdnr. 219.
424<br />
c) Verfahren vor <strong>de</strong>m EGMR<br />
Ein Verfahren vor <strong>de</strong>n St<strong>ra</strong>ßburger Instanzen gegen die Gemeinschaftsgewalt wegen eines<br />
möglichen Verstoßes gegen Art. 9 EMRK ist schon daher unzulässig, weil die EG selbst kein<br />
Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK ist. 1703<br />
2. Rechtsschutz gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
aa) Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahren<br />
a) Verfahren vor <strong>de</strong>m EuGH<br />
(1) Vo<strong>ra</strong>ussetzungen<br />
<strong>Das</strong> Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 (ex-Art. 177) EGV 1704 stellt das einzig<br />
mögliche Klageverfahren dar, auf <strong>de</strong>m sich Religionsgemeinschaften und Individuen<br />
unmittelbar vor <strong>de</strong>m EuGH gegen eine mögliche Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen<br />
Religionsfreiheit durch die Mitgliedstaaten zur Wehr setzen können; allerdings ist eine<br />
Vorlage <strong>de</strong>s nationalen Gerichts an <strong>de</strong>n Gerichtshof nicht erzwingbar. 1705<br />
(2) Rechtsfolgen<br />
Im Gegensatz zu einer Vert<strong>ra</strong>gsverletzung durch Gemeinschaftsorgane kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Amtshaftungsanspruch<br />
nach Art. 235 (ex-Art. 178), 288 (ex-Art. 215) Abs. 2 EGV bei einem<br />
Verstoß eines Mitgliedstaats gegen die gemeinschaftsrechtliche Religionsfreiheit nicht<br />
angewandt wer<strong>de</strong>n. Statt <strong>de</strong>ssen hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH jedoch einen – <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht selbst<br />
begrün<strong>de</strong>ten – Staatshaftungsanspruch sui generis anerkannt. 1706<br />
1703<br />
EKMR, BNr. 13258/87, Fn. 769, S. 865 ff., 866; EGMR, BNr. 24833/94 (Denise<br />
Matthews/Vereinigtes Königreich), EuZW 1999, S. 308 ff. m. Anm. Christopher Lenz,<br />
Rz. 32; vgl. hierzu die Ausführungen oben E.III.1.d)dd)(1).<br />
1704<br />
Einzelheiten s.o. M.I.1.a)bb).<br />
1705<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen oben M.I.1.a)bb)(4).<br />
1706<br />
EuGH, verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90 (Andrea F<strong>ra</strong>ncovich, Danila Bonifaci u.a./Italienische<br />
Republik), Slg. 1991, S. I-5357 ff. (bei Nichtumsetzung von Richtlinien); Rs. C-392/93<br />
(The Queen/H.M. Treasury, ex parte: British Telecommunications), Slg. 1996, S. I-1631 ff.<br />
(bei fehlerhafter Umsetzung von Richtlinien); verb. Rs. C-46/93 u. 48/93 (B<strong>ra</strong>sserie du<br />
pêcheur/Bun<strong>de</strong>srepublik Deutschland u.a.), Slg. 1996, S. I-1029 ff. = EuZW 1996, S. 205 ff.
425<br />
bb) Ant<strong>ra</strong>g bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission auf Einleitung eines Vert<strong>ra</strong>gsverletzungsverfahrens<br />
Unbenommen bleibt es einer Religionsgemeinschaft o<strong><strong>de</strong>r</strong> einem Individuum jedoch, einen<br />
Ant<strong>ra</strong>g bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission auf Einleitung eines Vert<strong>ra</strong>gsverletzungsverfahrens nach<br />
Art. 226 (ex-Art. 169) EGV zu stellen. 1707<br />
Die Kommission wird durch diese Anregung nicht<br />
zu einem Tätigwer<strong>de</strong>n verpflichtet. Führt sie aber <strong>de</strong>nnoch ein Vorverfahren durch und<br />
kommt <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaat <strong><strong>de</strong>r</strong> in diesem Rahmen ergehen<strong>de</strong>n Entscheidung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission<br />
nicht nach , so urteilt <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> anschließen<strong>de</strong>n Hauptverfahren durch Feststellungsurteil<br />
darüber, ob <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong> Mitgliedstaat Gemeinschaftsrecht verletzt hat. Im Falle <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nichtbefolgung <strong>de</strong>s Urteils besteht die Möglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhängung eines Zwangsgel<strong>de</strong>s nach<br />
Art. 228 (ex-Art. 171) Abs. 2 UAbs. 3 EGV.<br />
b) Verfahren vor <strong>de</strong>m BVerfG<br />
aa) Verfassungsbeschwer<strong>de</strong><br />
Akte <strong>de</strong>utscher Behör<strong>de</strong>n, durch welche Gemeinschaftsrecht i.R.d. Richtlinienumsetzung<br />
vollzogen wird, müssen bei Auslegungsschwierigkeiten <strong>de</strong>m EuGH grds. nach Art. 234<br />
(ex-Art. 177) EGV vorgelegt wer<strong>de</strong>n. Bei Verletzung dieser Vorlagepflicht, kann eine<br />
Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG wegen Entzugs <strong>de</strong>s gesetzlichen<br />
Richters nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG erhoben wer<strong>de</strong>n. 1708<br />
bb) Konkrete Normenkontrolle<br />
Halten Fachgerichte, die <strong>de</strong>m EuGH <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s Art. 234 (ex-Art. 177) EGV eine<br />
Auslegungsf<strong>ra</strong>ge vorlegt haben, die Auslegung <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts für<br />
verfassungswidrig, so können sie von <strong><strong>de</strong>r</strong> Möglichkeit einer konkreten Normenkontrolle nach<br />
Art. 100 Abs. 1 GG Geb<strong>ra</strong>uch machen, da umgesetztes Gemeinschaftsrecht auch als „Akt<br />
öffentlicher Gewalt“ i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG angesehen wer<strong>de</strong>n muß. 1709<br />
(bei Verstoß gegen Pr<strong>im</strong>ärrecht). Einzelheiten bei Streinz, Anmerkungen zu <strong>de</strong>m EuGH-<br />
Urteil in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtssache B<strong>ra</strong>sserie du Pêcheur und Factortame, EuZW 1996, S. 201 ff.<br />
1707 Einzelheiten bei Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnrn. 466 ff., 477.<br />
1708 Vgl. BVerfGE 73, S. 339 ff., 366 f.; 75, S. 223 ff., 233; 82, S. 159 ff., 194 ff.<br />
1709 Vgl. T<strong>ra</strong>utwein, Fn. 483, S. 894; Zuck/Christofer Lenz, Fn. 474, S. 1197, 1200.
426<br />
c) Verfahren vor <strong>de</strong>m EGMR<br />
aa) Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Rechtsschutzsystems <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />
Infolge <strong>de</strong>s Ink<strong>ra</strong>fttretens <strong>de</strong>s 11. Protokolls am 1. November 1998 hat sich das bisher<br />
komplexe Rechtsschutzsystem <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK, welches bisher aus <strong>de</strong>n drei<br />
Rechtsprechungsorganen EGMR, EKMR und Ministerkomitee bestand, tiefgreifend<br />
gewan<strong>de</strong>lt: So wur<strong>de</strong> die EKMR aufgelöst und die Tätigkeit <strong>de</strong>s Ministerkomitees auf die<br />
Überwachung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Urteile beschränkt, vgl. Art. 46 Abs. 2 EMRK n.F., so daß<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> nunmehr ständige EGMR als einziges Rechtsprechungsorgan <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK verblieben ist.<br />
Die Gerichtsbarkeit <strong>de</strong>s EGMR ist fortan nicht mehr fakultativ, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n für Individual- und<br />
Staatenbeschwer<strong>de</strong> obligatorisch, vgl. Art. 33, 34 EMRK n.F. 1710<br />
bb) Statthafter Rechtsbehelf<br />
Gemäß Art. 34 EMRK n.F. hat eine Einzelperson ebenso wie eine Religionsgemeinschaft als<br />
„nichtstaatliche Organisation o<strong><strong>de</strong>r</strong> Personenvereinigung“ seit kurzem das Recht, <strong>de</strong>n<br />
Gerichtshof direkt über die Individualbeschwer<strong>de</strong> anzurufen, wobei ihr eine Stellung als<br />
Verfahrenspartei zukommt.<br />
cc) Beschwer<strong>de</strong>befugnis<br />
Schon i.R.d. bisherigen Rechtsschutzverfahrens hatte die EKMR anerkannt, daß Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften ein eigenes Beschwer<strong><strong>de</strong>r</strong>echt zu <strong>de</strong>n Rechtsschutzorganen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EMRK besitzen, soweit sie begrün<strong>de</strong>t behaupten können, selbst in Art. 9 EMRK verletzt zu<br />
sein. 1711<br />
dd) Weiteres Verfahren<br />
Soweit die Beschwer<strong>de</strong> nicht schon durch <strong>de</strong>n mit drei Richtern besetzten Ausschuß zur<br />
Vorprüfung – vgl. Art. 27 Abs. 1 S. 2, Art. 28 EMRK n.F. – o<strong><strong>de</strong>r</strong> die mit sieben Richtern<br />
besetzte Kammer, welcher <strong><strong>de</strong>r</strong> für <strong>de</strong>n beklagten Staat gewählte Richter zwingend angehört,<br />
1710 Vgl. hierzu z.B. Frowein/Peukert, Fn. 679, Art. 19, Rdnrn. 2 ff., 9 ff.; Her<strong>de</strong>gen, Fn. 40,<br />
Rdnrn. 20 ff.; Meyer-La<strong>de</strong>wig/Petzold, Fn. 778, S. 1165 f.; Schlette, Fn. 688, S. 222 f.;<br />
Schweitzer, Fn. 39, Rdnrn. 728 ff.<br />
1711 EKMR, BNr. 7805/77 (Pastor X/Church of Scientology), Annuaire 22 (1979), S. 244 ff.;<br />
BNr. 34614/97 (Scientology Kirche Deutschland e.V./Deutschland), EuGRZ 1997,<br />
S. 616 ff., 618; HdbStKirchR/Weber, Fn. 1133, S. 1078; <strong>im</strong> übrigen wird auf die ausführliche<br />
Darlegung oben E.III.2.b)aa) verwiesen.
427<br />
vgl. Art. 27 Abs. 2 EMRK n.F., als offensichtlich unzulässig verworfen wur<strong>de</strong>, wird über sie<br />
in einem meh<strong>ra</strong>ktigen Verfahren entschie<strong>de</strong>n. 1712<br />
ee) <strong>Das</strong> Verhältnis von Art. 9 EMRK zu abgeleitetem Gemeinschaftsrecht<br />
Sowohl die EKMR als auch <strong><strong>de</strong>r</strong> neue ständige EGMR haben übereinst<strong>im</strong>mend entschie<strong>de</strong>n,<br />
daß die Übert<strong>ra</strong>gung von Hoheitsrechten die Mitgliedstaaten nicht von <strong><strong>de</strong>r</strong> Einhaltung <strong>de</strong>s<br />
EMRK-Rechtsschutzes – und damit von <strong>de</strong>n Rechtsga<strong>ra</strong>ntien <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK –<br />
entbin<strong>de</strong>t. 1713 Während die Entscheidung <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR noch <strong>de</strong>utliche Pa<strong>ra</strong>llelen zur Solange II-<br />
Entscheidung <strong>de</strong>s BVerfG aufwies, hat <strong><strong>de</strong>r</strong> EGMR festgestellt, daß ein Mitgliedstaat an die<br />
Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Pflichten unabhängig von entgegenstehen<strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht<br />
gebun<strong>de</strong>n sei und sich nicht damit rechtfertigen könne, aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> sup<strong>ra</strong>nationalen<br />
Regelung keinen Einfluß auf die Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK-Verpflichtung zu haben. 1714<br />
d) Verfahren vor <strong>de</strong>m IGH<br />
Soweit Konkordatsstreitigkeiten zwischen einem Mitgliedstaat und <strong>de</strong>m Hl. Stuhl infolge <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kündigung eines Konkordats auftreten wür<strong>de</strong>n, weil ein Mitgliedstaat hierdurch <strong>de</strong>n<br />
Verpflichtungen nach Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 2 EGV nachkommen will, könnte hierfür<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Internationale Gerichtshof (IGH) zuständig sein. Allerdings gehört <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl we<strong><strong>de</strong>r</strong> zu<br />
<strong>de</strong>n Signatarstaaten <strong>de</strong>s Statuts <strong>de</strong>s Internationalen Gerichtshofs, 1715 die gemäß Art. 36 Abs. 2<br />
IGH-Statut je<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit die Zuständigkeit <strong>de</strong>s IGH anerkennen können, noch ist er ein Mitglied<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinten Nationen, für die gemäß Art. 35 Abs. 1 IGH-Statut <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugang zum IGH<br />
offensteht, da es <strong>de</strong>m Hl. Stuhl insoweit an <strong><strong>de</strong>r</strong> Staatsqualität i.S.d. Art. 4 UNO-Satzung fehlt.<br />
Gemäß Art. 35 Abs. 3 IGH-Statut wäre unter zwei Vo<strong>ra</strong>ussetzungen <strong>de</strong>nkbar, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Hl. Stuhl als Nichtmitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> Vereinigten Nationen in einem Verfahren vor <strong>de</strong>m IGH als<br />
Streitpartei auftritt: Zum einen müßte er sich durch ad hoc-Vereinbarung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtsbarkeit<br />
<strong>de</strong>s IGH unterwerfen; zum an<strong><strong>de</strong>r</strong>en müßte <strong><strong>de</strong>r</strong> Begriff <strong>de</strong>s „Staates“ in Art. 34 Abs. 1<br />
IGH-Statut erweiternd ausgelegt wer<strong>de</strong>n, wogegen keine rechtlichen Be<strong>de</strong>nken bestehen. 1716<br />
1712<br />
Vgl. die weiteren Einzelheiten z.B. bei Schlette, Fn. 688, S. 223 f.<br />
1713<br />
EKMR, BNr. 13258/87, Fn. 769, S. 865 ff., 867; EGMR, Fn. 804, Rz. 32; vgl. hierzu<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Ausführungen oben Fn. 806.<br />
1714<br />
EGMR, Fn. 804, Rz. 34 f.; vgl. hierzu insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e die Ausführungen oben Fn. 809.<br />
1715<br />
Vgl. Sartorius II, Nr. 2.<br />
1716<br />
So auch HdbStKirchR/Weber, Fn.1133, S. 1080.
428<br />
3. Rechtsschutz von Individuen gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften<br />
a) Innerkirchliche Gerichtsbarkeit<br />
In rein innerkirchlichen F<strong>ra</strong>gen kommt <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Eigenständigkeit Vor<strong>ra</strong>ng vor <strong>de</strong>m<br />
staatlichen Rechtsschutz zu. 1717 Problematisch ist hierbei die Geltung von Grundrechten<br />
innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche. Überwiegend wird eine Grundrechtsgeltung mit <strong>de</strong>m Argument<br />
abgelehnt, man könne sich <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen Gewalt <strong>im</strong> Gegensatz zur staatlichen Gewalt durch<br />
Austritt entziehen. 1718 Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, daß sich die Kirche selbst zu <strong>de</strong>n Grundfreiheiten<br />
und Menschenrechten bzw. <strong>de</strong>n in ihnen zum Ausdruck kommen<strong>de</strong>n<br />
Grundrechtsstandards bekennt, mehren sich neuerdings aber die St<strong>im</strong>men, daß<br />
Menschenrechte nicht nur gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch gegenüber <strong><strong>de</strong>r</strong> kirchlichen<br />
Ordnung geltend gemacht wer<strong>de</strong>n können müßten, wolle sich die Kirche nicht um <strong>de</strong>n Genuß<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> ihr eingeräumten Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechte, wie z.B. <strong>de</strong>n öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus,<br />
bringen. 1719<br />
b) Verwaltungsgerichtsbarkeit/Or<strong>de</strong>ntliche Gerichtsbarkeit<br />
Steht dagegen weltliches Recht <strong>im</strong> Streit, so ist für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verwaltungsrechtsweg, für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> or<strong>de</strong>ntliche Rechtsweg<br />
bzw. <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit eröffnet, wobei als Grundsatz gilt: <strong>Das</strong><br />
Han<strong>de</strong>ln <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlich-rechtlich organisierten Kirchen ist <strong>de</strong>m öffentlichen Recht zuzuordnen,<br />
privatrechtlich organisierte Kirchen können nicht öffentlich-rechtlich han<strong>de</strong>ln. 1720<br />
1717 Vgl. hierzu HdbStKirchR/Rüfner, Zuständigkeit staatlicher Gerichte in kirchlichen Angelegenheiten,<br />
Zweiter Bd., § 73, S. 1081 ff., 1091.<br />
1718 Vgl. Honecker, Fn. 6, S. 107.<br />
1719 Köck, Menschenrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche – Mit Bezug auf die in <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK enthaltenen<br />
europäischen Grundrechtsstandards, ZfRV 1996, S. 89 ff., 106 ff. Für eine ausdrückliche<br />
Normierung innerkirchlicher Grundrechte sprechen sich aus Ehnes, Grundrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirche, in: Rau/Reuter/Schlaich (Hrsg.), <strong>Das</strong> Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche, Bd. I, Zur Theorie <strong>de</strong>s<br />
Kirchenrechts, Gütersloh 1997, S. 545 ff., 550; sowie Huber, Grundrechte in <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche, in:<br />
Rau/Reuter/Schlaich (Hrsg.), a.a.O., S. 518 ff., 543. Vgl. <strong>im</strong> übrigen die Ausführungen oben<br />
Fn. 1454.<br />
1720 Rüfner, Fn. 1717, S. 1091, 1093. Allerdings müssen Dienstverhältnisse einer öffentlichrechtlichen<br />
Kirchenkörperschaft nicht zwingend beamtenähnlich, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n können auch als<br />
rein privatrechtliches Arbeitsverhältnis ausgestaltet wer<strong>de</strong>n.
429<br />
Im Bereich <strong><strong>de</strong>r</strong> res mixtae, <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Aufgaben zwischen Staat und Kirche, ist<br />
generell <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsweg zu <strong>de</strong>n staatlichen Gerichten eröffnet. Gleiches gilt in Angelegenheiten<br />
<strong>de</strong>s kirchlichen Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts, soweit hierdurch Außenwirkungen entstehen,<br />
wie dies v.a. bei Kündigungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist. Von einer Rechtswegszuständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> staatlichen<br />
Gerichte ist ferner auszugehen, soweit Kirchen und Religionsgemeinschaften am allgemeinen<br />
Rechtsverkehr teilnehmen. 1721<br />
Die staatlichen 1722 Gerichte sind zur Beachtung <strong>de</strong>s vor<strong>ra</strong>ngigen Gemeinschaftsrechts<br />
verpflichtet, d.h. sie haben <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache Rechnung zu t<strong>ra</strong>gen, daß hoheitlich han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong><br />
Kirchen gemeinschaftsrechtlich zugleich als Grundrechtsverpflichtete angesehen wer<strong>de</strong>n. 1723<br />
Bei Auslegungsschwierigkeiten o<strong><strong>de</strong>r</strong> Zweifeln an <strong><strong>de</strong>r</strong> Gültigkeit einer Norm <strong>de</strong>s pr<strong>im</strong>ären o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
sekundären Gemeinschaftsrechts besteht eine Vorlageberechtigung bzw. -pflicht i.R.d.<br />
Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahrens nach Art. 234 (ex-Art. 177) EGV.<br />
Schließlich können Individuen bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission die Einleitung eines<br />
Vert<strong>ra</strong>gsverletzungsverfahrens nach Art. 226 (ex-Art. 169) EGV gegen einen Mitgliedstaat<br />
anregen, soweit eine öffentlich-rechtliche Kirchenkörperschaft gegen Gemeinschaftsrecht<br />
verstößt.<br />
c) Verfahren vor <strong>de</strong>m EGMR<br />
Soweit Kirchen und Religionsgemeinschaften mit öffentlich-rechtlichem Status staatliche<br />
Hoheitsbefugnisse ausüben, wie dies <strong>im</strong> Kirchensteuerrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist, sind sie zugleich<br />
Grundrechtsverpflichtete <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK. Daher ist bei einer<br />
Rechtsverletzung durch die Kirchen ein Individualbeschwer<strong>de</strong>verfahren gegen <strong>de</strong>n<br />
betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat möglich. 1724<br />
II. Rechtsschutz i.R.d. <strong>Union</strong>srechts<br />
1721<br />
Vgl. hierzu jüngst Kirchberg, Staatlicher Rechtsschutz in Kirchensachen, NVwZ 1999,<br />
S. 734 f.<br />
1722<br />
Vgl. zur Problematik <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorlagebefugnis kirchlicher Gerichte nach Art. 234 (ex-Art. 177)<br />
EGV die Ausführungen oben M.I.1.a)bb)(5).<br />
1723<br />
Vgl. hierzu die Ausführungen oben E.IV.1.a)cc)(3)(iii) für das hoheitliche Tätigwer<strong>de</strong>n von<br />
Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>s Kirchensteuereinzugs sowie bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Einschränkung<br />
von Freizügigkeitsrechten, soweit nicht das Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht eingreift.<br />
1724<br />
So auch Bleckmann, Fn 310, S. 24.
430<br />
<strong>Union</strong>srecht gilt pr<strong>im</strong>är <strong>im</strong> Verhältnis zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> EU und <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten. Rechtsakte<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> beliehenen Gemeinschaftsorgane i.R.d. <strong>Union</strong>srechts können vom EuGH grundsätzlich<br />
nicht <strong>im</strong> Hinblick auf die Wahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte <strong>de</strong>s Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV<br />
überprüft wer<strong>de</strong>n.<br />
1. Mitgliedstaatliche Verfassungsgerichte<br />
Mitgliedstaatliche Verfassungsgerichte sind nicht befugt, i.R.d. GASP o<strong><strong>de</strong>r</strong> ZBJI ergangene<br />
Sekundärrechtsakte auf die Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit i.S.d. Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2<br />
EUV i.V.m. Art. 9 EMRK zu überprüfen. <strong>Das</strong> BVerfG n<strong>im</strong>mt jedoch seine Gerichtsbarkeit<br />
nur zurück, soweit auf zwischenstaatlicher Ebene ein adäquater Grundrechtsschutz<br />
gewährleistet wird, was i.R.d. <strong>Union</strong>srechts nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall ist. Daher muß <strong>de</strong>m BVerfG bei<br />
Unvereinbarkeit eines unionsrechtlichen Sekundärrechtsakts mit <strong><strong>de</strong>r</strong> innerstaatlichen<br />
Religionsfreiheit die Kompetenz zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, diesen <strong>im</strong> betreffen<strong>de</strong>n Hoheitsgebiet<br />
für unanwendbar zu erklären. 1725<br />
2. EMRK-Organe<br />
Im <strong>Union</strong>srecht ist kein <strong>de</strong>m Gemeinschaftsrecht vergleichbarer Rechtsschutz sichergestellt.<br />
Schon daher kann <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rs. Melchers ausgesprochene Verzicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Überprüfung<br />
nationaler Rechtsakte am Maßstab <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK nicht analog auf die<br />
mitgliedstaatlichen T<strong>ra</strong>nsformationsgesetze unionsrechtlichen Sekundärrechts angewandt<br />
wer<strong>de</strong>n. 1726<br />
III. Zusammenfassung<br />
Im Bereich <strong>de</strong>s Rechtsschutzes muß unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n zwischen Rechtsakten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaftsorgane, <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten und solchen <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften:<br />
1725 Vgl. hierzu ausführlich die Ausführungen oben E.V.5.a).<br />
1726 Vgl. hierzu ausführlich die Ausführungen oben E.V.5.b).
431<br />
Gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane kann <strong><strong>de</strong>r</strong> EuGH <strong>im</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Nichtigkeitsklage<br />
nach Art. 230 (ex-Art. 173) EGV und <strong>de</strong>s Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahrens nach<br />
Art. 234 (ex-Art. 177) EGV angerufen wer<strong>de</strong>n, wobei ein kirchliches Gericht aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
mangeln<strong>de</strong>n engen staatlichen Anbindung nicht als „Gericht“ i.S.d. Art. 234 (ex-Art. 234)<br />
EGV angesehen wer<strong>de</strong>n kann. Vor <strong>de</strong>m BVerfG kann <strong>im</strong> Einzelfall Verfassungsbeschwer<strong>de</strong><br />
nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG sowie konkrete Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1<br />
S. 1 GG analog erhoben wer<strong>de</strong>n.<br />
Gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten be<strong>im</strong> Vollzug von Gemeinschaftsrecht ist eine<br />
Befassung <strong>de</strong>s EuGH über das Vo<strong>ra</strong>bentscheidungsverfahren sowie das<br />
Vert<strong>ra</strong>gsverletzungsverfahrens nach Art. 226 (ex-Art. 169) EGV durch die Kommission auf<br />
Anregung von Kirchen und Religionsgemeinschaften möglich. <strong>Das</strong> BVerfG kann durch<br />
Verfassungsbeschwer<strong>de</strong> und konkrete Normenkontrolle ebenso angerufen wer<strong>de</strong>n wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EGMR i.R.d. Individualbeschwer<strong>de</strong>. Außer<strong>de</strong>m könnte sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Hl. Stuhl <strong>im</strong> Hinblick auf<br />
eine konkordatäre Streitigkeit durch ad hoc-Anerkennung <strong>de</strong>s IGH an diesen wen<strong>de</strong>n.<br />
Bei Rechtsakten <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften ist zu differenzieren zwischen rein<br />
innerkirchlichen F<strong>ra</strong>gen einerseits, für welche die innerkirchliche Gerichtsbarkeit zuständig<br />
ist, sowie <strong>de</strong>n res mixtae, <strong>de</strong>m kirchlichen Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht bei Außenwirkung und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Teilnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen am allgemeinen Rechtsverkehr an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits; für letztere<br />
Angelegenheiten ist die staatliche Gerichtsbarkeit zuständig. Soweit öffentlich-rechtliche<br />
Kirchenkörperschaften Hoheitsbefugnis ausüben, ist eine Anrufung <strong>de</strong>s EGMR <strong>im</strong> Wege einer<br />
Individualbeschwer<strong>de</strong> gegen <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaat möglich.<br />
In weiten Bereich <strong>de</strong>s <strong>Union</strong>srechts ist eine Zuständigkeit <strong>de</strong>s EuGH nicht begrün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n.<br />
Aus diesem Grun<strong>de</strong> kann die Solange-Rechtsprechung <strong>de</strong>s BVerfG schon <strong>de</strong>shalb nicht<br />
eingreifen, weil auf <strong>Union</strong>sebene kein adäquater Grundrechtsschutz gewährleistet ist; das<br />
BVerfG kann bei g<strong>ra</strong>vieren<strong>de</strong>n Verstößen gegen Art. 4 GG angerufen wer<strong>de</strong>n. Eine pa<strong>ra</strong>llele<br />
Situation ergibt sich <strong>im</strong> Hinblick auf Art. 9 EMRK hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuständigkeit <strong>de</strong>s EGMR.
432
N. Schaffung eines einheitlichen Status für Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften auf EU-Ebene<br />
433<br />
Teilweise wird die Schaffung eines einheitlichen Status für Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften auf Gemeinschaftsebene als faktische Unmöglichkeit angesehen. So<br />
schließe die – oben unter B. geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>te – Unterschiedlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> religionsrechtlichen<br />
Systeme innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> EU, die sich vor allem in technischen Details dokumentiere, eine<br />
einheitliche europäische Lösung per se aus. 1727 Der bisherige Weg <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen<br />
Integ<strong>ra</strong>tion ist m.E. jedoch ein Beleg dafür, daß die Einigung auf eine einheitliche europäische<br />
Lösung zu keinem Zeitpunkt an <strong><strong>de</strong>r</strong> Verschie<strong>de</strong>nartigkeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> Komplexität nationaler<br />
Systeme, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n allenfalls an einem entsprechen<strong>de</strong>n politischen Willen gescheitert ist. 1728<br />
<strong>Das</strong> eigentliche Motiv <strong><strong>de</strong>r</strong> Ablehnung eines einheitlichen Status für Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften ist wohl eher an<strong><strong>de</strong>r</strong>swo zu suchen: Dem – auf konkreten<br />
Negativerfahrungen beruhen<strong>de</strong>n – vorschnellen „Ausbrechen“ von Rechtslösungen aus <strong>de</strong>n<br />
Kulturen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten und <strong>de</strong>m an<strong><strong>de</strong>r</strong>weitigen „Einpflanzen“ 1729<br />
in das Recht <strong><strong>de</strong>r</strong> EU<br />
soll <strong><strong>de</strong>r</strong> Riegel vorgeschoben wer<strong>de</strong>n.<br />
Erstaunen mag es hingegen, daß sich das damalige Oberhaupt <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche, Papst<br />
Pius XII., durch das Prinzip <strong><strong>de</strong>r</strong> Übert<strong>ra</strong>gung nationaler Hoheitsrechte auf die sup<strong>ra</strong>nationale<br />
Gemeinschaft nicht nur eine wirtschaftliche und kulturelle, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch eine geistige und<br />
religiöse Bereicherung versp<strong>ra</strong>ch. 1730<br />
Ebenso plädiert Ingolf Pernice für eine „Integ<strong>ra</strong>tion <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
1727<br />
Voigt, Fn. 600, S. 109: „We<strong><strong>de</strong>r</strong> die Vielfalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Denominationen noch die Verschie<strong>de</strong>nheit<br />
ihrer geschichtlichen Erfahrungen als Staatskirchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> staatsunabhängige Kirchen, als<br />
Lan<strong>de</strong>skirchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitenkirchen, noch das jeweils spezifische theologische<br />
Proprium, das ihr Selbstverständnis cha<strong>ra</strong>kterisiert, machen es möglich, die Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
christlichen Kirchen und <strong><strong>de</strong>r</strong> nichtchristlichen Religionsgemeinschaften auf <strong>de</strong>m Wege<br />
europaweiter Gesetzgebung zu regeln.“<br />
1728<br />
Vgl. nur die erfolgreiche Rechtsangleichung auf <strong>de</strong>m komplizierten Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> technischen<br />
Harmonisierung und Normung, Schweitzer/Hummer, Fn. 35, Rdnr. 1233.<br />
1729<br />
Vgl. zu <strong>de</strong>n Begrifflichkeiten Großfeld, Europäisches Erbe als Europäische Zukunft –<br />
System<strong>de</strong>nken und Internationalität, JZ 1999, S. 1 ff., 7.<br />
1730<br />
„Les pays d’Europe, qui ont admis le principe <strong>de</strong> déléguer une partie <strong>de</strong> leur souve<strong>ra</strong>ineté à<br />
un organisme sup<strong>ra</strong>national, entrent, croyons-Nous, dans une voie salutaire, d’où peut sortir<br />
eux-mêmes et pour l’Europe une vie nouvelle dans tous les domaines, un enrichessement<br />
non seulement économique et culturel, mais aussi spirituel et religieux.“; Ansp<strong>ra</strong>che vom<br />
4.11.1957 vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Versammlung <strong><strong>de</strong>r</strong> EGKS; Zitat bei Köck, Fn. 231, S. 746.
434<br />
religiösen Interessen ,in‘ Europa“: Angesichts <strong>de</strong>s staatsübergreifen<strong>de</strong>n Cha<strong>ra</strong>kters sei nicht<br />
nur eine materielle – <strong>im</strong> Lichte <strong><strong>de</strong>r</strong> individuellen Religionsfreiheit zu verstehen<strong>de</strong> –<br />
Gleichbehandlung, „son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch institutionelle Berücksichtigung religiöser Interessen <strong>im</strong><br />
Rahmen eines gemeinschaftlichen <strong>Religionsrecht</strong>s sogar integ<strong>ra</strong>tionspolitisch opportun“. 1731<br />
Dies stellt die direkte Gegenposition zu <strong><strong>de</strong>r</strong> sonst z.T. gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Bereichsausnahme für das<br />
<strong>Religionsrecht</strong> dar. Hierbei darf nicht verkannt wer<strong>de</strong>n, daß auch Pernice die Ve<strong>ra</strong>nkerung<br />
eines Selbstbest<strong>im</strong>mungsrechts <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaften ins Auge gefaßt hat. 1732<br />
solcher einheitlicher Status müßte allerdings <strong>de</strong> lege ferenda <strong>im</strong> Wege <strong>de</strong>s<br />
Vert<strong>ra</strong>gsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungsverfahrens geschaffen wer<strong>de</strong>n.<br />
Nachteile bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Schaffung einer einheitlichen Lösung auf Gemeinschaftsebene könnten sich<br />
– soweit hierdurch ein durchschnittlicher o<strong><strong>de</strong>r</strong> gehobener Status <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht festgeschrieben<br />
wür<strong>de</strong> – allenfalls für die bisher privilegiertesten Kirchen, wie z.B. die <strong>de</strong>utschen<br />
Großkirchen, ergeben: Daß eine Kirche mit einem Status einer öffentlich-rechtlichen<br />
Körperschaft in Verbindung geb<strong>ra</strong>cht wird, gilt zwar in Deutschland, nicht aber in <strong>de</strong>n<br />
meisten Mitgliedstaaten <strong><strong>de</strong>r</strong> EU; zum europäischen Gemeingut gehört nämlich kaum mehr, als<br />
daß Kirchen und Religionsgemeinschaften überhaupt eine Form zur Verfügung gestellt<br />
wer<strong>de</strong>n muß, damit diese ihre Botschaft vermitteln können. 1733<br />
Ein offiziell erlangbarer Status für Kirchen und Religionsgemeinschaften – vergleichbar mit<br />
<strong>de</strong>m einer K.d.ö.R. – ebnet bestehen<strong>de</strong> Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n Religionsgemeinschaften<br />
nicht zwangsläufig ein, 1734 da es nach wie vor neue religiöse Bewegungen geben wird, die die<br />
Vo<strong>ra</strong>ussetzungen an einen zu schaffen<strong>de</strong>n neuen Standard nicht o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht sogleich<br />
erfüllen. 1735<br />
In Deutschland jedoch wur<strong>de</strong>n für die Großkirchen durch Konkordat bzw.<br />
Kirchenvert<strong>ra</strong>g Son<strong><strong>de</strong>r</strong>rechte – wie z.B. die Schaffung eines eigenen Religionsunterrichts o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
die Einrichtung theologischer Lehrstühle an <strong>de</strong>n Universitäten – eingeräumt, die nicht an <strong>de</strong>n<br />
Körperschaftsstatus anknüpften und daher kleineren Religionsgemeinschaften verwehrt<br />
1731<br />
Pernice, Fn. 17, S. 778, 781.<br />
1732<br />
Pernice, Fn. 17, S. 780.<br />
1733<br />
Hans-Joach<strong>im</strong> Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 104.<br />
1734<br />
Aus dieser Befürchtung he<strong>ra</strong>us scheint Conring, Fn. 25, S. 398, die „Implementierung“<br />
eines Status für Kirchen und Religionsgemeinschaften auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts<br />
abzulehnen.<br />
1735<br />
Torfs, Introduction, S. 7.<br />
Ein
435<br />
blieben. Solche gleichheitswidrigen 1736 Privilegien müssen in einem zukünftigen<br />
gemeinsamen Europa vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. 1737<br />
Die Annahme, die Schaffung eines gemeinschaftsweiten Status, <strong><strong>de</strong>r</strong> anhand objektiver<br />
Pa<strong>ra</strong>meter festgelegt wer<strong>de</strong>, sei für die weniger gut verfaßten Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitskirchen o<strong><strong>de</strong>r</strong> neuen<br />
religiösen Bewegungen von Nachteil und vergrößere <strong>de</strong>n bisherigen Spalt zwischen <strong>de</strong>n<br />
etablierten Kirchen und neuen religiösen Strömungen ohne formale Strukturen 1738 , ist dann<br />
nicht zwingend, soweit zunächst die Gemeinschaftsorgane die Kriterien, nach <strong>de</strong>nen ein<br />
gemeinschaftseigener Status für Kirchen und Religionsgemeinschaften zuzuerkennen wäre,<br />
strikt einhalten und nicht weitere ungeschriebene Anerkennungsvo<strong>ra</strong>ussetzungen schaffen<br />
wür<strong>de</strong>n, wobei man wohl verlangen darf und muß, daß eine gemeinschaftsrechtlich<br />
anerkannte Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft die Grundprinzipien westlicher Demok<strong>ra</strong>tien<br />
respektiert. 1739<br />
Des weiteren dürfte die Min<strong>de</strong>stanzahl <strong><strong>de</strong>r</strong> festen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> in einzelnen<br />
Mitgliedstaaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsweit nicht <strong><strong>de</strong>r</strong>art hoch angesetzt wer<strong>de</strong>n, daß faktisch<br />
weiterhin nur die bisherigen Großkirchen in <strong>de</strong>n Genuß <strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen Status<br />
kämen.<br />
Soweit eine Religionsgemeinschaft gemeinschaftsrechtlich anerkannt wäre, wür<strong>de</strong> sie<br />
aufgrund <strong>de</strong>s gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitsgebots, konkretisiert durch Art. 13<br />
(ex-Art. 6a) EGV, einen Anspruch auf finanzielle und sonstige För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung entsprechen<strong>de</strong>n<br />
Umfangs genießen, wie dieser bislang <strong>de</strong>n Großkirchen zuteil wird. Dabei neige ich ebenfalls<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht von Rik Torfs zu, daß nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewährung von Geldmitteln an Kirchen und<br />
religiöse Organisationen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung eines juristisch abgesicherten Status auf<br />
1736 Vgl. beispielsweise zu <strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>nken <strong>im</strong> nationalen Recht gegen die einseitig begünstigen<strong>de</strong>n<br />
Finanzzuwendungen durch das Vert<strong>ra</strong>gskirchenrecht: Schmidt-Eichstaedt, Fn. 1179,<br />
S. 87 ff.<br />
1737 Schmidtchen, Fn. 1168, S. 17, Sp. 5, legt als Nationalökonom überzeugend dar, daß ein<br />
„Wettbewerb“ auf <strong>de</strong>m religiösen Markt die gleichen Vorteile wie auf an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Märkten<br />
biete. Religiöser Plu<strong>ra</strong>lismus för<strong><strong>de</strong>r</strong>e keinesfalls säkulares Denken, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n st<strong>im</strong>uliere <strong>im</strong><br />
Gegenteil religiöse Aktivität; hingegen ziehe religiöser Monopolismus, angereichert durch<br />
Privilegien, eine geringere Innovation, mehr Ineffizienz sowie eine Verselbständigung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Funktionäre nach sich.<br />
1738 So Torfs, Introduction, Fn. 1735, S. 7. Dieser sieht z.B. die Unterhaltung eines ständigen<br />
Büros in Brüssel als unabdingbare Vo<strong>ra</strong>ussetzung für einen offiziellen Status. Dem ist nicht<br />
zuzust<strong>im</strong>men, da auch kleinere Kirchenkörperschaften in Deutschland trotz <strong>de</strong>s ihnen<br />
verliehenen Status in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit kein Bonner Büro eingerichtet hatten.<br />
1739 Ebenso Torfs, Fn. 1735, S. 8.
436<br />
Gemeinschaftsebene Vor<strong>ra</strong>ng zukommt, 1740<br />
wie dies durch die Kirchenerklärung nicht in<br />
ausreichen<strong>de</strong>m Maße geschehen ist.<br />
Die Schaffung eines einheitlichen Status für Kirchen und Religionsgemeinschaften auf<br />
Gemeinschaftsebene wäre keinesfalls als Schritt hin zur „Welteinheitskirche“, wie sie mit<br />
Recht von vielen Gläubigen abgelehnt wird, zu werten. Einer solchen Einheitskirche<br />
europäischen Zuschnitts wür<strong>de</strong> nur dann Vorschub geleistet, wenn es dabei zu Angleichungen<br />
auf <strong><strong>de</strong>r</strong> inhaltlich-theologischen Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen Religionsgemeinschaften <strong>im</strong> Sinne eines<br />
Synkretismus käme, wie ihn vereinzelt Vertreter <strong><strong>de</strong>r</strong> ökumenischen Bewegung mit <strong>de</strong>m<br />
Argument <strong><strong>de</strong>r</strong> angeblichen „Erhöhung <strong>de</strong>s christlichen Zeugnisses in <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt“ einfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n.<br />
Eine rein äußerliche Gleichbehandlung durch Schaffung eines einheitlichen Rahmens führt<br />
eine Einheitskirche schon <strong>de</strong>swegen nicht herbei, da je<strong>de</strong> Kirche o<strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsgemeinschaft<br />
nach wie vor rechtlich selbständig bliebe und keine Vereinigung „unter einem Dach“<br />
gegrün<strong>de</strong>t wür<strong>de</strong>. 1741 Übrigens gehört selbst für <strong>de</strong>n 1948 gegrün<strong>de</strong>ten Ökumenischen Rat <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kirchen (ÖRK) 1742 mit Sitz in Genf – dieser hat weit über 300 Mitgliedskirchen mit<br />
Ausnahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Röm.-Kath. Kirche – seit <strong><strong>de</strong>r</strong> „Torontoerklärung“ von 1950 zu <strong>de</strong>ssen<br />
Selbstverständnis: „Der ÖRK ist und wird keine Überkirche, er vertritt keine best<strong>im</strong>mte<br />
Ekklesiologie o<strong><strong>de</strong>r</strong> Einheitskonzeption. Die Mitgliedskirchen müssen einan<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht als<br />
Kirchen <strong>im</strong> vollen Sinne anerkennen.“ 1743<br />
Nichts<strong>de</strong>stoweniger müßte es <strong>im</strong> Interesse von Kirchen und Religionsgemeinschaften liegen,<br />
zu einem gewissen Maße gemeinsame Gremien zur Vo<strong>ra</strong>bst<strong>im</strong>mung zu schaffen, damit die<br />
EU-Kommission in ihrer p<strong>ra</strong>ktischen Gesetzgebungsarbeit auf die Positionen verschie<strong>de</strong>ner<br />
Kirchen und Religionsgemeinschaften besser eingehen kann. 1744<br />
Als erster Schritt in diese<br />
Richtung kann die Aufhebung <strong><strong>de</strong>r</strong> gegenseitigen Verurteilung zwischen Katholiken und<br />
Luthe<strong>ra</strong>nern durch die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ <strong>de</strong>s Lutherischen<br />
Weltbun<strong>de</strong>s (Genf) bzw. <strong>de</strong>s Päpstlichen Rates für die Einheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Christen (Rom) vom<br />
25. Juni 1998 angesehen wer<strong>de</strong>n, die am 30. Oktober 1999 in Augsburg unterzeichnet<br />
1740<br />
Vgl. Torfs, Fn. 228, S. 87 f.<br />
1741<br />
Auch wenn ein einheitlicher Status für Kirchen und Religionsgemeinschaften – vergleichbar<br />
einem harmonisierten Vereinstypus – geschaffen wür<strong>de</strong>, be<strong>de</strong>utet dies keinesfalls, daß<br />
alle Vereine infolge<strong>de</strong>ssen dieselben Ziele verfolgen müßten; die bisherige Plu<strong>ra</strong>lität vom<br />
Kaninchenzüchterverein über <strong>de</strong>n Kegelverein bis hin zum Kulturför<strong><strong>de</strong>r</strong>verein bliebe nach<br />
wie vor erhalten.<br />
1742<br />
Vgl. ausführlich hierzu Stiller, Der Ökumenische Rat <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen, seine Rechtsnatur und<br />
seine Rechtsbeziehungen zur Evangelischen Kirche in Deutschland, ZevKR 43 (1998),<br />
S. 71 ff.<br />
1743<br />
Vgl. auch HdbStKirchR/K<strong>im</strong>minich, Fn. 46, S. 239 f.<br />
1744<br />
So auch schon Hans-Joach<strong>im</strong> Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 104.
437<br />
wur<strong>de</strong> 1745 und durch welche ein Schlußstrich unter einen fast 500 Jahre dauern<strong>de</strong>n<br />
Kirchenstreit gezogen wur<strong>de</strong>. 1746<br />
<strong>Das</strong> bisherige Fehlen einer formalen Position für Kirchen und Religionsgemeinschaften führt<br />
ebenfalls zu Nachteilen 1747<br />
, was sich z.B. darin manifestiert, daß Kirchen und<br />
Religionsgemeinschaften über die strikte Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Freizügigkeitsregeln mit<br />
gewöhnlichen Arbeitgebern gleichgestellt wer<strong>de</strong>n und <strong>im</strong> Hinblick auf ein<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen in eigenen Angelegenheiten viele F<strong>ra</strong>gen offen sind.<br />
Vor einem – unter Vernachlässigung <strong>de</strong>s Individualrechtscha<strong>ra</strong>kters <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit –<br />
auf die alleinige Durchsetzung institutioneller Rechtspositionen gerichteten Vorstoß, wie er in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong>de</strong>n Großkirchen initiierten Kirchenerklärung zum Ausdruck kam, ist<br />
bezeichnen<strong><strong>de</strong>r</strong>weise schon vor Ve<strong>ra</strong>bschiedung <strong>de</strong>s konkreten Wortlauts <strong><strong>de</strong>r</strong> Erklärung<br />
gewarnt wor<strong>de</strong>n. 1748<br />
Diese vo<strong>ra</strong>usschauen<strong>de</strong> Kritik ist durchaus berechtigt, da die<br />
Religionsfreiheit – wie dies für Art. 9 EMRK und Art. 4 GG anerkannt ist – neben ihrer<br />
individuellen Ausformung auch ein korpo<strong>ra</strong>tives Element enthält. Ein ausdrückliches<br />
Erwähnen <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit mit seiner individualrechtlichen und institutionellen Seite<br />
anstelle o<strong><strong>de</strong>r</strong> neben <strong>de</strong>m Inhalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchenerklärung hätte mit Sicherheit zu einer besseren<br />
Berücksichtigung religiöser Interessen <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht geführt. Zur Ve<strong>ra</strong>nkerung eines<br />
gemeinschaftseinheitlichen Status für Kirchen und Religionsgemeinschaften auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene<br />
<strong>de</strong>s Pr<strong>im</strong>ärrechts sollte daher ein neuerlicher Versuch unternommen wer<strong>de</strong>n.<br />
1745<br />
SZ Nr. 253 vom 2.11.1999, S. 2.<br />
1746<br />
Vgl. Drobinski; <strong>Das</strong> En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Verdammnis – Katholiken und Luthe<strong>ra</strong>ner heben die<br />
gegenseitige Verurteilung auf, SZ Nr. 167 vom 23.7.1998, S. 1, sowie ausführlich<br />
Hilbe<strong>ra</strong>th/Pannenberg (Hrsg.), Zur Zukunft <strong><strong>de</strong>r</strong> Ökumene – Die „Gemeinsame Erklärung<br />
zur Rechtfertigungslehre“, Regensburg 1999; vgl. außer<strong>de</strong>m die „Gemeinsame offizielle<br />
Feststellung“ <strong>de</strong>s Lutherischen Weltbun<strong>de</strong>s und <strong><strong>de</strong>r</strong> katholischen Kirche vom 11.6.1999 zur<br />
Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre, MD 1999, S. 78 f.<br />
1747<br />
Torfs, Fn. 1735, S. 7.<br />
1748<br />
Bernd-Otto Kuper, Diskussionsbeit<strong>ra</strong>g in EssGespr (27) 1993, S. 102.
438
1. Art. 6 (ex-Art. F) EUV<br />
O. Anhang<br />
I. Ausgewählte Best<strong>im</strong>mungen aus <strong>de</strong>m EUV<br />
439<br />
(1) Die <strong>Union</strong> beruht auf <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong><strong>de</strong>r</strong> Freiheit, <strong><strong>de</strong>r</strong> Demok<strong>ra</strong>tie, <strong><strong>de</strong>r</strong> Achtung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze<br />
sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam.<br />
(2) Die <strong>Union</strong> achtet die Grundrechte, wie sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> am 4. November 1950 in Rom<br />
unterzeichneten <strong>Europäischen</strong> Konvention zum Schutze <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte und<br />
Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus <strong>de</strong>n gemeinsamen<br />
Verfassungsüberlieferungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze <strong>de</strong>s<br />
Gemeinschaftsrechts ergeben.<br />
(3) Die <strong>Union</strong> achtet die nationale I<strong>de</strong>ntität ihrer Mitgliedstaaten.<br />
2. Art. 7 (ex-Art. F.1) EUV<br />
(1) Auf Vorschlag eines Drittels <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission und nach<br />
Zust<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat, <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Zusammensetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staats- und Regierungschefs tagt, einst<strong>im</strong>mig feststellen, daß<br />
eine schwerwiegen<strong>de</strong> und anhalten<strong>de</strong> Verletzung von in Artikel 6 Absatz 1<br />
genannten Grundsätzen durch einen Mitgliedstaat vorliegt, nach<strong>de</strong>m er die Regierung<br />
<strong>de</strong>s betroffenen Mitgliedstaats zu einer Stellungnahme aufgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t hat.<br />
(2) Wur<strong>de</strong> eine solche Feststellung getroffen, so kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat mit qualifizierter Mehrheit<br />
beschließen, best<strong>im</strong>mte Rechte auszusetzen, die sich aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung dieses<br />
Vert<strong>ra</strong>gs auf <strong>de</strong>n betroffenen Mitgliedstaat herleiten, einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> St<strong>im</strong>mrechte<br />
<strong>de</strong>s Vertreters <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierung dieses Mitgliedstaats <strong>im</strong> Rat. Dabei berücksichtigt er<br />
die möglichen Auswirkungen einer solchen Aussetzung auf die Rechte und Pflichten<br />
natürlicher und juristischer Personen.<br />
Die sich aus diesem Vert<strong>ra</strong>g ergeben<strong>de</strong>n Verpflichtungen <strong>de</strong>s betroffenen<br />
Mitgliedstaats sind für diesen auf je<strong>de</strong>n Fall weiterhin verbindlich.
440<br />
(3) Der Rat kann zu einem späteren Zeitpunkt mit qualifizierter Mehrheit beschließen,<br />
nach Absatz 2 getroffene Maßnahmen abzuän<strong><strong>de</strong>r</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> aufzuheben, wenn in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Lage, die zur Verhängung dieser Maßnahmen geführt hat, Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen eingetreten<br />
sind.<br />
(4) Für die Zwecke dieses Artikels han<strong>de</strong>lt <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat ohne Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> St<strong>im</strong>me<br />
<strong>de</strong>s Vertreters <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierung <strong>de</strong>s betroffenen Mitgliedstaats. Die St<strong>im</strong>menthaltung<br />
von anwesen<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> vertretenen Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n steht <strong>de</strong>m Zustan<strong>de</strong>kommen von<br />
Beschlüssen nach Absatz 1 nicht entgegen. Als qualifizierte Mehrheit gilt <strong><strong>de</strong>r</strong>selbe<br />
Anteil <strong><strong>de</strong>r</strong> gewogenen St<strong>im</strong>men <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong>n Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Rates, <strong><strong>de</strong>r</strong> in Artikel<br />
205 Absatz 2 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft festgelegt<br />
ist.<br />
Dieser Absatz gilt auch, wenn St<strong>im</strong>mrechte nach Absatz 2 ausgesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />
(5) Für die Zwecke dieses Artikels beschließt das Europäische Parlament mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mehrheit von zwei Dritteln <strong><strong>de</strong>r</strong> abgegebenen St<strong>im</strong>men und mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit seiner<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong>.<br />
3. Art. 46 (ex-Art. L) EUV<br />
Die Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft, <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs<br />
über die Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft für Kohle und Stahl und <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur<br />
Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Atomgemeinschaft betreffend die Zuständigkeit <strong>de</strong>s Gerichtshofs<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften und die Ausübung dieser Zuständigkeit gelten nur für<br />
folgen<strong>de</strong> Best<strong>im</strong>mungen dieses Vert<strong>ra</strong>gs:<br />
a) die Best<strong>im</strong>mungen zur Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Wirtschaftsgemeinschaft <strong>im</strong> Hinblick auf die Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Gemeinschaft, <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs über die Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft für<br />
Kohle und Stahl und <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Atomgemeinschaft;<br />
b) die Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Titels VI nach Maßgabe <strong>de</strong>s Artikels 35;<br />
c) die Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s Titels VII nach Maßgabe <strong>de</strong>s Artikels 11 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur<br />
Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft und <strong>de</strong>s Artikels 40 dieses Vert<strong>ra</strong>gs;<br />
d) Artikel 6 Absatz 2 in bezug auf Handlungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Organe, sofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Gerichtshof <strong>im</strong><br />
Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Verträge zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften und <strong>im</strong><br />
Rahmen dieses Vert<strong>ra</strong>gs zuständig ist;<br />
e) die Artikel 46 bis 53.
4. Art. 49 (ex-Art. O) Abs. 1 EUV<br />
441<br />
Je<strong><strong>de</strong>r</strong> europäische Staat, <strong><strong>de</strong>r</strong> die in Artikel 6 Absatz 1 genannten Grundsätze achtet, kann<br />
beant<strong>ra</strong>gen, Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> zu wer<strong>de</strong>n. Er richtet seinen Ant<strong>ra</strong>g an <strong>de</strong>n Rat; dieser<br />
beschließt einst<strong>im</strong>mig nach Anhörung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission und nach Zust<strong>im</strong>mung <strong>de</strong>s<br />
<strong>Europäischen</strong> Parlaments, das mit <strong><strong>de</strong>r</strong> absoluten Mehrheit seiner Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> beschließt.<br />
1. Art. 5 (ex-Art. 3b) EGV<br />
II. Ausgewählte Best<strong>im</strong>mungen aus <strong>de</strong>m EGV<br />
(1) Die Gemeinschaft wird innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzen und <strong><strong>de</strong>r</strong> ihr in diesem Vert<strong>ra</strong>g zugewiesenen<br />
Befugnisse und gesetzten Ziele tätig.<br />
(2) In <strong>de</strong>n Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die<br />
Gemeinschaft nach <strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> in Bet<strong>ra</strong>cht gezogenen Maßnahmen auf Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten nicht<br />
ausreichend erreicht wer<strong>de</strong>n können und daher wegen ihres Umfangs o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihrer<br />
Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht wer<strong>de</strong>n können.<br />
(3) Die Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft gehen nicht über das für die Erreichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele<br />
dieses Vert<strong>ra</strong>gs erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Maß hinaus.<br />
2. Art. 13 (ex-Art. 6a) EGV<br />
Unbescha<strong>de</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen Best<strong>im</strong>mungen dieses Vert<strong>ra</strong>gs kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat <strong>im</strong> Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> durch<br />
<strong>de</strong>n Vert<strong>ra</strong>g gegebenen Zuständigkeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft auf Vorschlag <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission und<br />
nach Anhörung <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Parlaments einst<strong>im</strong>mig geeignete Vorkehrungen treffen, um<br />
Diskr<strong>im</strong>inierungen aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Geschlechts, <strong><strong>de</strong>r</strong> Rasse, <strong><strong>de</strong>r</strong> ethnischen Zugehörigkeit,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Glaubens, einer Behin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, <strong>de</strong>s Alters o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> sexuellen Ausrichtung<br />
zu bekämpfen.<br />
3. Art. 151 (ex-Art. 128) EGV<br />
(1) Die Gemeinschaft leistet einen Beit<strong>ra</strong>g zur Entfaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kulturen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitgliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie<br />
gleichzeitiger Hervorhebung <strong>de</strong>s gemeinsamen kulturellen Erbes.
442<br />
(2) Die Gemeinschaft för<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch ihre Tätigkeit die Zusammenarbeit zwischen <strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaaten und unterstützt und ergänzt erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichenfalls <strong><strong>de</strong>r</strong>en Tätigkeit in<br />
folgen<strong>de</strong>n Bereichen:<br />
- Verbesserung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kenntnis und Verbreitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kultur und Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
europäischen Völker,<br />
- Erhaltung und Schutz <strong>de</strong>s kulturellen Erbes von europäischer Be<strong>de</strong>utung,<br />
- nichtkommerzieller Kultu<strong>ra</strong>ustausch<br />
- künstlerisches und lite<strong>ra</strong>risches Schaffen, einschließlich <strong>im</strong> audiovisuellen<br />
Bereich.<br />
(3) Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten för<strong><strong>de</strong>r</strong>n die Zusammenarbeit mit dritten<br />
Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n und <strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Kulturbereich zuständigen internationalen Organisationen,<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e mit <strong>de</strong>m Europa<strong>ra</strong>t.<br />
(4) Die Gemeinschaft trägt bei ihrer Tätigkeit aufgrund an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Best<strong>im</strong>mungen dieses<br />
Vert<strong>ra</strong>gs <strong>de</strong>n kulturellen Aspekten Rechnung, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e zur Wahrung und<br />
För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vielfalt ihrer Kulturen.<br />
(5) Als Beit<strong>ra</strong>g zur Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele dieses Artikels erläßt <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat<br />
- gemäß <strong>de</strong>m Verfahren <strong>de</strong>s Artikels 251 und nach Anhörung <strong>de</strong>s Ausschusses <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Regionen För<strong><strong>de</strong>r</strong>maßnahmen unter Ausschluß jeglicher Harmonisierung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechts- und Verwaltungsvorschriften <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten. Der Rat beschließt <strong>im</strong><br />
Rahmen <strong>de</strong>s Verfahrens <strong>de</strong>s Artikels 251 einst<strong>im</strong>mig;<br />
- einst<strong>im</strong>mig auf Vorschlag <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission Empfehlungen.<br />
4. Art. 307 (ex-Art. 234) EGV<br />
(1) Die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor Ink<strong>ra</strong>fttreten dieses Vert<strong>ra</strong>gs<br />
zwischen einem o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehreren Mitgliedstaaten einerseits und einem o<strong><strong>de</strong>r</strong> mehreren<br />
dritten Staaten an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits geschlossen wur<strong>de</strong>n, wer<strong>de</strong>n durch diesen Vert<strong>ra</strong>g nicht<br />
berührt.<br />
(2) Soweit diese Übereinkünfte mit diesem Vert<strong>ra</strong>g nicht vereinbar sind, wen<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> die betreffen<strong>de</strong>n Mitgliedstaaten alle geeigneten Mittel an, um die festgestellten<br />
Unvereinbarkeiten zu beheben. Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichenfalls leisten die Mitgliedstaaten zu<br />
diesem Zweck einan<strong><strong>de</strong>r</strong> Hilfe; sie nehmen gegebenenfalls eine gemeinsame Haltung<br />
ein.
443<br />
5. Protokoll Nr. 30 über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verhältnismäßigkeit<br />
PROTOKOLL<br />
ÜBER DIE ANWENDUNG DER GRUNDSÄTZE DER SUBSIDIARITÄT<br />
UND DER VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT<br />
DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN –<br />
ENTSCHLOSSEN, die Bedingungen für die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> in Artikel 5 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur<br />
Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft ve<strong>ra</strong>nkerten Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verhältnismäßigkeit festzulegen, um die Kriterien für ihre Anwendung zu präzisieren, und die<br />
strikte Beachtung und kohärente Anwendung dieser Grundsätze durch alle Organe zu<br />
gewährleisten,<br />
IN DEM WUNSCH sicherzustellen, daß Entscheidungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong> so bürgernah wie<br />
möglich getroffen wer<strong>de</strong>n,<br />
IN ANBETRACHT <strong><strong>de</strong>r</strong> Interinstitutionellen Vereinbarung vom 25. Oktober 1993 zwischen<br />
<strong>de</strong>m <strong>Europäischen</strong> Parlament, <strong>de</strong>m Rat und <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission über die Verfahren zur<br />
Anwendung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips,<br />
HABEN BEKRÄFTIGT, daß die Schlußfolgerungen <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Rates von<br />
Birmingham vom 16. Oktober 1992 und das vom <strong>Europäischen</strong> Rat auf seiner Tagung am<br />
11.-12. Dezember 1992 in Edinburgh vereinbarte Gesamtkonzept für die Anwendung <strong>de</strong>s<br />
Subsidiaritätsprinzips weiterhin die Richtschnur für das Han<strong>de</strong>ln <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane<br />
sowie für die Weiterentwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips bil<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n –<br />
SIND zu diesem Zweck über folgen<strong>de</strong> Best<strong>im</strong>mungen ÜBEREINGEKOMMEN, die <strong>de</strong>m<br />
Vert<strong>ra</strong>g zur Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft beigefügt sind:<br />
1. Je<strong>de</strong>s Organ gewährleistet bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausübung seiner Befugnisse die Einhaltung <strong>de</strong>s<br />
Subsidiaritätsprinzips. Je<strong>de</strong>s Organ gewährleistet ferner die Beachtung <strong>de</strong>s<br />
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, <strong>de</strong>mzufolge die Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft nicht<br />
über das für die Erreichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Maß hinausgehen<br />
dürfen.<br />
2. Die Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit wer<strong>de</strong>n unter Beachtung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> allgemeinen Best<strong>im</strong>mungen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs angewandt, insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
unter voller Wahrung <strong>de</strong>s gemeinschaftlichen Besitzstands und <strong>de</strong>s institutionellen
444<br />
Gleichgewichts; dabei wer<strong>de</strong>n die vom Gerichtshof aufgestellten Grundsätze für das<br />
Verhältnis zwischen einzelstaatlichem Recht und Gemeinschaftsrecht nicht berührt,<br />
und Artikel 6 Absatz 4 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs über die Europäische <strong>Union</strong>, wonach sich die<br />
<strong>Union</strong> mit <strong>de</strong>n Mitteln ausstattet, ,,die zum Erreichen ihrer Ziele und zur<br />
Durchführung ihrer Politiken erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sind“, sollte Rechnung get<strong>ra</strong>gen wer<strong>de</strong>n.<br />
3. <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip stellt nicht die Befugnisse in F<strong>ra</strong>ge, über die die Europäische<br />
Gemeinschaft aufgrund <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs entsprechend <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong>de</strong>s Gerichtshofs<br />
verfügt. Die in Artikel 5 Absatz 2 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs genannten Kriterien gelten für<br />
Bereiche, für die die Gemeinschaft nicht die ausschließliche Zuständigkeit besitzt. <strong>Das</strong><br />
Subsidiaritätsprinzip ist eine Richtschnur dafür, wie diese Befugnisse auf Gemeinschaftsebene<br />
auszuüben sind. Die Subsidiarität ist ein dynamisches Konzept und sollte<br />
unter Berücksichtigung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> Vert<strong>ra</strong>g festgelegten Ziele angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Nach<br />
<strong>de</strong>m Subsidiaritätsprinzip kann die Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft <strong>im</strong> Rahmen ihrer<br />
Befugnisse sowohl erweitert wer<strong>de</strong>n, wenn die Umstän<strong>de</strong> dies erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n, als auch<br />
eingeschränkt o<strong><strong>de</strong>r</strong> eingestellt wer<strong>de</strong>n, wenn sie nicht mehr gerechtfertigt ist.<br />
4. Je<strong><strong>de</strong>r</strong> Vorschlag für gemeinschaftliche Rechtsvorschriften wird begrün<strong>de</strong>t, um zu<br />
rechtfertigen, daß dabei die Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Subsidiarität und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verhältnismäßigkeit<br />
eingehalten wer<strong>de</strong>n; die Feststellung, daß ein Gemeinschaftsziel besser auf<br />
Gemeinschaftsebene erreicht wer<strong>de</strong>n kann, muß auf qualitativen o<strong><strong>de</strong>r</strong> – soweit möglich<br />
– auf quantitativen Kriterien beruhen.<br />
5. Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft sind nur gerechtfertigt, wenn bei<strong>de</strong> Bedingungen <strong>de</strong>s<br />
Subsidiaritätsprinzips erfüllt sind: Die Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> in Bet<strong>ra</strong>cht gezogenen Maßnahmen<br />
können nicht ausreichend durch Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten <strong>im</strong> Rahmen ihrer<br />
Verfassungsordnung erreicht wer<strong>de</strong>n und können daher besser durch Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft erreicht wer<strong>de</strong>n.<br />
Folgen<strong>de</strong> Leitlinien sollten bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Prüfung <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>ge, ob die genannte Vo<strong>ra</strong>ussetzung<br />
erfüllt ist, befolgt wer<strong>de</strong>n:<br />
- Der betreffen<strong>de</strong> Bereich weist t<strong>ra</strong>nsnationale Aspekte auf, die durch Maßnahmen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten nicht ausreichend geregelt wer<strong>de</strong>n können,<br />
- alleinige Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Fehlen von<br />
Gemeinschaftsmaßnahmen wür<strong>de</strong>n gegen die Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs<br />
(beispielsweise Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nis <strong><strong>de</strong>r</strong> Korrektur von Wettbewerbsverzerrungen, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vermeidung verschleierter Han<strong>de</strong>lsbeschränkungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Stärkung <strong>de</strong>s<br />
wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts) verstoßen o<strong><strong>de</strong>r</strong> auf sonstige Weise<br />
die Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigen,<br />
- Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene wür<strong>de</strong>n wegen ihres Umfangs o<strong><strong>de</strong>r</strong> ihrer<br />
Wirkungen <strong>im</strong> Vergleich zu Maßnahmen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
<strong>de</strong>utliche Vorteile mit sich bringen.
445<br />
6. Für Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft ist eine möglichst einfache Form zu wählen, wobei<br />
da<strong>ra</strong>uf geachtet wer<strong>de</strong>n muß, daß das Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Maßnahme in zufrie<strong>de</strong>nstellen<strong><strong>de</strong>r</strong> Weise<br />
erreicht wird und die Maßnahme tatsächlich zur Anwendung gelangt. Die<br />
Rechtsetzungstätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft sollte über das erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche Maß nicht<br />
hinausgehen. Dementsprechend wäre unter sonst gleichen Gegebenheiten eine<br />
Richtlinie einer Verordnung und eine Rahmenrichtlinie einer <strong>de</strong>taillierten Maßnahme<br />
vorzuziehen. Richtlinien nach Maßgabe <strong>de</strong>s Artikels 249 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs, die für je<strong>de</strong>n<br />
Mitgliedstaat, an <strong>de</strong>n sie gerichtet sind hinsichtlich <strong>de</strong>s zu erreichen<strong>de</strong>n Ziels<br />
verbindlich sind, überlassen <strong>de</strong>n innerstaatlichen Stellen die Wahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Form und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mittel.<br />
7. Was Art und Umfang <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lns <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft betrifft, so sollte bei<br />
Maßnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft so viel Raum für nationale Entscheidungen bleiben,<br />
wie dies <strong>im</strong> Einklang mit <strong>de</strong>m Ziel <strong><strong>de</strong>r</strong> Maßnahme und <strong>de</strong>n Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong>de</strong>s<br />
Vert<strong>ra</strong>gs möglich ist. Unter Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften<br />
sollten bewährte nationale Regelungen sowie Struktur und Funktionsweise <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rechtssysteme <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten geachtet wer<strong>de</strong>n. Den Mitgliedstaaten sollten in<br />
<strong>de</strong>n Gemeinschaftsmaßnahmen Alternativen zur Erreichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong><strong>de</strong>r</strong> Maßnahmen<br />
angeboten wer<strong>de</strong>n, sofern dies für eine ordnungsgemäße Durchführung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Maßnahmen angemessen und erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich ist.<br />
8. Führt die Anwendung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips dazu, daß ein Tätigwer<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gemeinschaft unterbleibt, so müssen die Mitgliedstaaten bei ihren Tätigkeiten <strong>de</strong>n<br />
allgemeinen Vorschriften <strong>de</strong>s Artikels 10 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs genügen, in<strong>de</strong>m sie alle<br />
geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g treffen<br />
und alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ziele <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs gefähr<strong>de</strong>n<br />
könnten, unterlassen.<br />
9. Unbescha<strong>de</strong>t ihres Initiativrechts sollte die Kommission<br />
- vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Untertreibung von Vorschlägen für Rechtsvorschriften außer <strong>im</strong> Falle<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Dringlichkeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> Vert<strong>ra</strong>ulichkeit umfassen<strong>de</strong> Anhörungen durchführen<br />
und in je<strong>de</strong>m geeigneten Fall Konsultationsunterlagen veröffentlichen;<br />
- die Sachdienlichkeit ihrer Vorschläge unter <strong>de</strong>m Aspekt <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips<br />
begrün<strong>de</strong>n; hierzu sind erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichenfalls in <strong><strong>de</strong>r</strong> Begründung <strong>de</strong>s Vorschlags<br />
ausführliche Angaben zu machen. Wird eine Gemeinschaftsmaßnahme ganz o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
teilweise aus <strong>de</strong>m Gemeinschaftshaushalt finanziert, so ist eine Erläuterung<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich;<br />
- gebührend berücksichtigen, daß die finanzielle Belastung und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verwaltungsaufwand <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft, <strong><strong>de</strong>r</strong> Regierungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
örtlichen Behör<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirtschaft und <strong><strong>de</strong>r</strong> Bürger so gering wie möglich gehalten<br />
wer<strong>de</strong>n und in einem angemessenen Verhältnis zu <strong>de</strong>m angestrebten Ziel stehen<br />
müssen;<br />
- <strong>de</strong>m <strong>Europäischen</strong> Rat, <strong>de</strong>m <strong>Europäischen</strong> Parlament und <strong>de</strong>m Rat jährlich einen<br />
Bericht über die Anwendung <strong>de</strong>s Artikels 5 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs vorlegen. Dieser Jahres-
446<br />
bericht ist auch <strong>de</strong>m Ausschuß <strong><strong>de</strong>r</strong> Regionen und <strong>de</strong>m Wirtschafts- und<br />
Sozialausschuß zuzuleiten.<br />
10. Der Europäische Rat berücksichtigt <strong>de</strong>n Bericht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission nach Nummer 9<br />
vierter Gedankenstrich <strong>im</strong> Rahmen <strong>de</strong>s Berichts über die Fortschritte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Union</strong>, <strong>de</strong>n<br />
er gemäß Artikel 4 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs über die Europäische <strong>Union</strong> <strong>de</strong>m <strong>Europäischen</strong><br />
Parlament vorzulegen hat.<br />
11. <strong>Das</strong> Europäische Parlament und <strong><strong>de</strong>r</strong> Rat prüfen unter strikter Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gelten<strong>de</strong>n Verfahren als Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> umfassen<strong>de</strong>n Prüfung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommissionsvorschläge,<br />
ob diese mit Artikel 5 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs <strong>im</strong> Einklang stehen. Dies gilt sowohl für <strong>de</strong>n<br />
ursprünglichen Vorschlag <strong><strong>de</strong>r</strong> Kommission als auch für vom <strong>Europäischen</strong> Parlament<br />
und vom Rat in Bet<strong>ra</strong>cht gezogene Än<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an <strong>de</strong>m Vorschlag.<br />
12. <strong>Das</strong> Europäische Parlament wird <strong>im</strong> Rahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfahren nach<br />
<strong>de</strong>n Artikeln 251 und 252 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs durch die Angabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Grün<strong>de</strong>, die <strong>de</strong>n Rat zur<br />
Festlegung seines gemeinsamen Standpunkts ve<strong>ra</strong>nlaßt haben, über die Auffassung<br />
<strong>de</strong>s Rates hinsichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung <strong>de</strong>s Artikels 5 <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs unterrichtet. Der<br />
Rat teilt <strong>de</strong>m <strong>Europäischen</strong> Parlament mit, weshalb seiner Auffassung nach ein<br />
Kommissionsvorschlag ganz o<strong><strong>de</strong>r</strong> teilweise <strong>im</strong> Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch zu Artikel 5 <strong>de</strong>s<br />
Vert<strong>ra</strong>gs steht.<br />
13. Die Einhaltung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips wird gemäß <strong>de</strong>n Best<strong>im</strong>mungen <strong>de</strong>s<br />
Vert<strong>ra</strong>gs geprüft.<br />
6. Protokoll Nr. 33 über <strong>de</strong>n Tierschutz und das Wohlergehen <strong><strong>de</strong>r</strong> Tiere<br />
PROTOKOLL<br />
ÜBER DEN TIERSCHUTZ UND DAS WOHLERGEHEN DER TIERE<br />
DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN –<br />
IN DEM WUNSCH sicherzustellen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Tierschutz verbessert und das Wohlergehen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Tiere als fühlen<strong>de</strong> Wesen berücksichtigt wird –<br />
SIND über folgen<strong>de</strong> Best<strong>im</strong>mung ÜBEREINGEKOMMEN, die <strong>de</strong>m Vert<strong>ra</strong>g zur Gründung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft beigefügt ist:
447<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Festlegung und Durchführung <strong><strong>de</strong>r</strong> Politik <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaft in <strong>de</strong>n Bereichen<br />
Landwirtschaft, Verkehr, Binnenmarkt und Forschung t<strong>ra</strong>gen die Gemeinschaft und die<br />
Mitgliedstaaten <strong>de</strong>n Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nissen <strong>de</strong>s Wohlergehens <strong><strong>de</strong>r</strong> Tiere in vollem Umfang Rechnung;<br />
sie berücksichtigen hierbei die Rechts- und Verwaltungsvorschriften und die Gepflogenheiten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e in bezug auf religiöse Riten, kulturelle T<strong>ra</strong>ditionen und das<br />
regionale Erbe.<br />
III. Ausgewählte Erklärungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte zum Amsterdamer Vert<strong>ra</strong>g<br />
1. Erklärung Nr. 11 zum Status <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften<br />
Die <strong>Union</strong> achtet <strong>de</strong>n Status, <strong>de</strong>n Kirchen und religiöse Vereinigungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaften<br />
in <strong>de</strong>n Mitgliedstaaten nach <strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechtsvorschriften genießen und läßt ihn unangetastet.<br />
Ebenso achtet die <strong>Union</strong> <strong>de</strong>n Status von weltanschaulichen und nichtkonfessionellen<br />
Organisationen.<br />
2. Erklärung Nr. 38 zu freiwilligen Diensten<br />
Die Konferenz erkennt an, daß die freiwilligen Dienste einen wichtigen Beit<strong>ra</strong>g zur<br />
Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Solidarität leisten.<br />
Die Gemeinschaft wird die europäische D<strong>im</strong>ension freiwilliger Vereinigungen för<strong><strong>de</strong>r</strong>n und<br />
dabei beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Wert auf <strong>de</strong>n Austausch von Informationen und Erfahrungen sowie die<br />
Mitwirkung von Jugendlichen und älteren Menschen an freiwilliger Arbeit legen.<br />
IV. Ausgewählte Erklärungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußakte zum Vert<strong>ra</strong>g von Maastricht<br />
Erklärung Nr. 23 zur Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong>n<br />
Die Konferenz betont, daß zur Erreichung <strong><strong>de</strong>r</strong> in Artikel 136 (ex-Art. 117) <strong>de</strong>s Vert<strong>ra</strong>gs zur<br />
Gründung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft genannten Ziele eine Zusammenarbeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft mit <strong>de</strong>n Verbän<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege und <strong>de</strong>n Stiftungen als<br />
Trägern sozialer Einrichtungen und Dienste von großer Be<strong>de</strong>utung ist.
448<br />
1. Art. 9 EMRK<br />
Authentische Sp<strong>ra</strong>chen<br />
V. Ausgewählte Best<strong>im</strong>mungen aus EMRK, IPbpR und ErklMR<br />
1. Englisch:<br />
Everyone has the right to freedom of thought, conscience and religion; this right inclu<strong>de</strong>s<br />
freedom to change this religion or belief and freedom, either alone or in community with<br />
others and in public or private, to manifest his religion or belief, in worship, teaching, p<strong>ra</strong>ctice<br />
and observance.<br />
Freedom to manifest one’s religion or beliefs shall be subject only to such l<strong>im</strong>itations as are<br />
prescribed by law and are necessary in a <strong>de</strong>moc<strong>ra</strong>tic society in the interests of public safety,<br />
for the protection of public or<strong><strong>de</strong>r</strong>, health or mo<strong>ra</strong>ls, or for the protection of the rights and<br />
freedoms of others.<br />
2. F<strong>ra</strong>nzösisch:<br />
Toute personne a droit à liberté <strong>de</strong> pensée, <strong>de</strong> conscience et <strong>de</strong> religion; ce droit <strong>im</strong>plique la<br />
liberté <strong>de</strong> changer <strong>de</strong> religion ou <strong>de</strong> conviction, ainsi que la liberté <strong>de</strong> manifester sa religion ou<br />
sa conviction individuellement ou collectivement, en public ou en privé, par le culte,<br />
l’enseignement, les p<strong>ra</strong>tiques et l’accomplissement <strong>de</strong>s rites.<br />
La liberté <strong>de</strong> manifester sa religion ou ses convictions ne peut faire l’objet d’autres restrictions<br />
que celles qui, prévues par la loi, constituent <strong>de</strong>s mesures nécessaires dans une société<br />
démoc<strong>ra</strong>tique, à la sécurité publique, à la protection <strong>de</strong> l’ordre, <strong>de</strong> la santé ou <strong>de</strong> la mo<strong>ra</strong>le<br />
publiques, ou à la protection <strong>de</strong>s droits et libertés d’autrui.<br />
Deutsche Übersetzung<br />
Je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht<br />
umfaßt die Freiheit <strong>de</strong>s einzelnen zum Wechsel <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung sowie<br />
die Freiheit, seine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung einzeln o<strong><strong>de</strong>r</strong> in Gemeinschaft mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
öffentlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Beachtung religiöser<br />
Gebräuche auszuüben.<br />
Die Religions- und Bekenntnisfreiheit darf nicht Gegenstand an<strong><strong>de</strong>r</strong>er als vom Gesetz<br />
vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer <strong>de</strong>mok<strong>ra</strong>tischen Gesellschaft notwendige<br />
Maßnahmen <strong>im</strong> Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Sicherheit, <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Ordnung, Gesundheit<br />
und Mo<strong>ra</strong>l o<strong><strong>de</strong>r</strong> für <strong>de</strong>n Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechte und Freiheiten an<strong><strong>de</strong>r</strong>er sind.
2. Art. 14 EMRK<br />
449<br />
Der Genuß <strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> vorliegen<strong>de</strong>n Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ist ohne<br />
Benachteiligung zu gewährleisten, die insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e <strong>im</strong> Geschlecht, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rasse, Hautfarbe,<br />
Sp<strong>ra</strong>che, Religion, in <strong>de</strong>n politischen o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen Anschauungen, in nationaler o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
sozialer Herkunft, in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zugehörigkeit zu einer nationalen Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heit, <strong>im</strong> Vermögen, in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Geburt o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>im</strong> sonstigen Status begrün<strong>de</strong>t ist.<br />
3. Art. 18 IPbpR<br />
Je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht<br />
umfaßt die Freiheit, eine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
anzunehmen, und die Freiheit, seine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung allein o<strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />
Gemeinschaft mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en, öffentlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser<br />
Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekun<strong>de</strong>n.<br />
Niemand darf einem Zwang ausgesetzt wer<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> seine Freiheit, eine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine<br />
Weltanschauung seiner Wahl zu haben o<strong><strong>de</strong>r</strong> anzunehmen, beeinträchtigen wür<strong>de</strong>.<br />
Die Freiheit, seine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Weltanschauung zu bekun<strong>de</strong>n, darf nur <strong>de</strong>n gesetzlich<br />
vorgesehenen Einschränkungen unterworfen wer<strong>de</strong>n, die zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen<br />
Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, Sittlichkeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte und -freiheiten an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich sind.<br />
Die Vert<strong>ra</strong>gsstaaten verpflichten sich, die Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Eltern und gegebenenfalls <strong>de</strong>s<br />
Vormunds o<strong><strong>de</strong>r</strong> Pflegers zu achten, die religiöse und sittliche Erziehung ihrer Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />
Übereinst<strong>im</strong>mung mit ihren eigenen Überzeugungen sicherzustellen.<br />
4. Art. 26 IPbpR<br />
Alle Menschen sind vor <strong>de</strong>m Gesetz gleich und haben ohne Diskr<strong>im</strong>inierung Anspruch auf<br />
gleichen Schutz durch das Gesetz. In dieser Hinsicht hat das Gesetz je<strong>de</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung zu<br />
verbieten und allen Menschen gegen je<strong>de</strong> Diskr<strong>im</strong>inierung, wie insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e wegen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Rasse, <strong><strong>de</strong>r</strong> Hautfarbe, <strong>de</strong>s Geschlechts, <strong><strong>de</strong>r</strong> Sp<strong>ra</strong>che, <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion, <strong><strong>de</strong>r</strong> politischen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
sonstigen Anschauung, <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen o<strong><strong>de</strong>r</strong> sozialen Herkunft, <strong>de</strong>s Vermögens, <strong><strong>de</strong>r</strong> Geburt<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s sonstigen Status, gleichen und wirksamen Schutz zu gewährleisten.<br />
5. Art. 27 IPbpR
450<br />
In Staaten mit ethnischen, religiösen o<strong><strong>de</strong>r</strong> sp<strong>ra</strong>chlichen Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten darf Angehörigen<br />
solcher Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten nicht das Recht vorenthalten wer<strong>de</strong>n, gemeinsam mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu<br />
bekennen und auszuüben o<strong><strong>de</strong>r</strong> sich ihrer eigenen Sp<strong>ra</strong>che zu bedienen.<br />
6. Art. 2 Abs. 1 ErklMR<br />
Je<strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkün<strong>de</strong>ten Rechte und Freiheiten,<br />
ohne irgen<strong>de</strong>ine Unterscheidung, wie etwa nach Rasse, Farbe, Geschlecht, Sp<strong>ra</strong>che, Religion,<br />
politischer und sonstiger Überzeugung, nationaler o<strong><strong>de</strong>r</strong> sozialer Herkunft, nach Eigentum,<br />
Geburt o<strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen Unterschie<strong>de</strong>n.<br />
7. Art. 18 ErklMR<br />
Je<strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheitdieses Recht<br />
umfaßt die Freiheit, seine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit,<br />
seine Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> seine Überzeugung allein o<strong><strong>de</strong>r</strong> in Gemeinschaft mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en, in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Öffentlichkeit o<strong><strong>de</strong>r</strong> privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten<br />
zu bekun<strong>de</strong>n.
Zusammenfassung<br />
451<br />
1. Es ist angeb<strong>ra</strong>cht, für die Gesamtheit aller staatlichen bzw. sup<strong>ra</strong>nationalen Normen, die<br />
religiösen Interessen Rechnung t<strong>ra</strong>gen, anstelle <strong>de</strong>s Begriffs <strong>de</strong>s „Staatskirchenrechts“<br />
<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s „<strong>Religionsrecht</strong>s“ zu verwen<strong>de</strong>n.<br />
2. <strong>Das</strong> <strong>Religionsrecht</strong> in <strong>de</strong>n einzelnen Mitgliedstaaten ist sehr unterschiedlich ausgeprägt:<br />
Neben <strong>de</strong>n Extrempositionen einer strikten Trennung von Staat und Kirche einerseits und<br />
<strong>de</strong>m Staatskirchentum an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits bestehen Formen <strong><strong>de</strong>r</strong> Koope<strong>ra</strong>tion zwischen Staat und<br />
Kirche trotz grundsätzlicher Trennung bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtskreise. Insgesamt kann<br />
rechtsvergleichend eine Entflechtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Staat-Kirche-Beziehungen festgestellt wer<strong>de</strong>n.<br />
3. Der Kernbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> über Art. 140 GG inkorporierten religionsrechtlichen Vorschriften<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> WRV wird nur insoweit durch Art. 79 Abs. 3 GG gewährleistet, als <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Rechtspositionen zugleich auch in Art. 4 GG enthalten sind. Ein gemeinschaftsrechtlicher<br />
Rechtsakt, durch welchen eine religionsrechtliche Materie geregelt wird, wäre in<br />
Deutschland unanwendbar, soweit für diesen entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> gar kein Kompetenztitel besteht<br />
(ult<strong>ra</strong> vires-Rechtsakt) o<strong><strong>de</strong>r</strong> Art. 4 GG in seinem Wesensgehalt beeinträchtigt wür<strong>de</strong>.<br />
4. <strong>Das</strong> <strong>Religionsrecht</strong> stellt eine typische Querschnittsmaterie dar und weist somit vielfach<br />
Berührungspunkte zu Materien auf, in <strong>de</strong>nen die Gemeinschaft Regelungskompetenzen<br />
innehat, wobei diese funktional zu verstehen sind.<br />
5. Obwohl die Kirchenerklärung als gemeinsame Erklärung ve<strong>ra</strong>bschie<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, kann sie<br />
nicht zum verbindlichen pr<strong>im</strong>ären Gemeinschaftsrecht gerechnet wer<strong>de</strong>n. Durch die<br />
Erklärung wur<strong>de</strong>n keine neuen Rechte auf Gemeinschaftsebene verliehen, die Chance<br />
einer „Fortschreibung“ bisheriger Rechtspositionen nicht genutzt.<br />
6. Aus Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV kann eine Bindung <strong>de</strong>s EuGH an <strong>de</strong>n konkreten<br />
Wortlaut <strong><strong>de</strong>r</strong> materiellen EMRK-Vorschriften ebensowenig gefolgert wer<strong>de</strong>n, wie an die<br />
Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR. Um für die Mitgliedstaaten Kollisionen<br />
zwischen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen und solchen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> EMRK<br />
auszuschließen, ist jedoch eine strikte Orientierung <strong>de</strong>s EuGH an <strong><strong>de</strong>r</strong> Auslegung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
EMRK durch <strong>de</strong>n EGMR geboten.<br />
7. Dem Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 9 EMRK zufolge wer<strong>de</strong>n lediglich verschie<strong>de</strong>ne Arten <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
individuellen Religionsfreiheit geschützt. Die Rechtsprechung <strong><strong>de</strong>r</strong> EKMR anerkennt<br />
jedoch auch eine Aktivlegit<strong>im</strong>ation von Kirchen und Religionsgemeinschaften, soweit
452<br />
diese als Repräsentanten ihrer Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> auftreten und die Verletzung von Rechten ihrer<br />
Mitglie<strong><strong>de</strong>r</strong> geltend machen. Kirchliche Wohlfahrtsverbän<strong>de</strong> können sich nicht auf einen<br />
erweiterten Ten<strong>de</strong>nzschutz aus Art. 9 EMRK stützen.<br />
8. Unter Zugrun<strong>de</strong>legung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinsamen Verfassungsbest<strong>im</strong>mungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten<br />
müssen auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Ebene <strong>de</strong>s Gemeinschaftsrechts je<strong>de</strong>nfalls ein Diskr<strong>im</strong>inierungsverbot aus<br />
Grün<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Religion o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Glaubens sowie die individuelle und kollektive<br />
Religionsfreiheit anerkannt wer<strong>de</strong>n.<br />
9. Grundrechtsträger <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftsrechtlichen Religionsfreiheit sind neben Individuen<br />
und juristischen Personen <strong>de</strong>s Privatrechts grundsätzlich auch Drittstaatsangehörige<br />
sowie Kirchenkörperschaften <strong>de</strong>s öffentlichen Rechts.<br />
10. Obwohl das „gemeinsame kulturelle Erbe“ <strong><strong>de</strong>r</strong> Mitgliedstaaten gemäß Art. 151<br />
(ex-Art. 128) Abs. 1 EGV zu weiten Teilen auf religiös motiviertem Han<strong>de</strong>ln beruht,<br />
kann das <strong>Religionsrecht</strong> selbst nur als aliud zur Kulturkompetenz <strong>de</strong>s Art. 151 (ex-Art.<br />
128) EGV angesehen wer<strong>de</strong>n.<br />
11. Trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Konkretisierung <strong>de</strong>s Subsidiaritätsprinzips durch das Subsidiaritätsprotokoll<br />
bestehen aufgrund <strong>de</strong>s weiten Beurteilungsspiel<strong>ra</strong>ums <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinschaftsorgane<br />
Be<strong>de</strong>nken an <strong><strong>de</strong>r</strong> Effizienz <strong>de</strong>s Prinzips.<br />
12. Konkordate können sog. Altverträge i.S.d. Art. 307 (ex-Art. 234) Abs. 1 EGV darstellen.<br />
Kirchenverträge mit <strong>de</strong>n Evangelischen Lan<strong>de</strong>skirchen sind mangels Völkerrechtsfähigkeit<br />
letzterer nicht unter Art. 307 (ex-Art. 234) EGV zu subsumieren.<br />
13. Aufgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausstattung mit beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Rechten müssen die öffentlich-rechtlichen<br />
Kirchenkörperschaften in Deutschland gemeinschaftsrechtlich als Teil <strong>de</strong>s Mitgliedstaats<br />
ansehen wer<strong>de</strong>n.<br />
14. Unter <strong>de</strong>n gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff fallen auch kirchliche<br />
Mitarbeiter, soweit sie nicht ehrenamtlich tätig sind. Hinsichtlich <strong>de</strong>s<br />
Gleichbehandlungsgrundsatzes ist in innerkirchlichen Angelegenheiten das<br />
Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften zu beachten.<br />
15. Der Entwurf eines auf die Vorstellungen <strong><strong>de</strong>r</strong> „économie sociale“ zurückgehen<strong>de</strong>n Statuts<br />
<strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Vereins kann zur Aushöhlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemeinnützigkeit führen.
453<br />
16. Zukunft i.R.d. verschie<strong>de</strong>nen europäischen Kirchenfinanzierungsmo<strong>de</strong>lle haben eine<br />
Finanzierung über Gemein<strong>de</strong>beträge und Spen<strong>de</strong>n sowie ein System <strong><strong>de</strong>r</strong> Steuererhebung,<br />
wobei die Kultussteuer <strong>de</strong>m Freiwilligkeitsaspekt besser Rechnung trägt, als die KiSt und<br />
zu<strong>de</strong>m unnötige Konflikte mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Religionsfreiheit An<strong><strong>de</strong>r</strong>sgläubiger vermei<strong>de</strong>t.<br />
17. Im Hinblick auf das <strong>Religionsrecht</strong> ist nicht nur <strong><strong>de</strong>r</strong> 35. Erwägungsgrund, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> 34. Erwägungsgrund <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 95/46/EG von Be<strong>de</strong>utung. Hiernach sind für Ausnahmebest<strong>im</strong>mungen<br />
vom Datenschutz beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Ga<strong>ra</strong>ntien zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundrechte,<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e für Angehörige von Min<strong><strong>de</strong>r</strong>heitsreligionen, zu gewähren.<br />
18. Der Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> „staatlichen Beihilfen“ i.S.d. Art. 87 (ex-Art. 92) EGV ist weit<br />
auszulegen und umfaßt auch die Leistungen an freie Träger <strong><strong>de</strong>r</strong> Wohlfahrtspflege und<br />
Kirchen.<br />
19. Ein erster Schritt in Richtung eines europäischen Sonntagsschutzes hätte die Best<strong>im</strong>mung<br />
<strong>de</strong>s Art. 5 S. 2 <strong><strong>de</strong>r</strong> RL 93/104/EG sein können, die jedoch vom EuGH aufgehoben wur<strong>de</strong>.<br />
Nationale Sonntagsverkaufsverbote sind seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Keck-Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH als<br />
Ausnahme vom Anwendungsbereich <strong><strong>de</strong>r</strong> Warenverkehrsfreiheit anerkannt.<br />
20. Über Art. 6 (ex-Art. F) Abs. 2 EUV ist rechtsvergleichend ein Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen und Religionsgemeinschaften für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>s Kultus und <strong><strong>de</strong>r</strong> sonstigen<br />
innerkirchlichen Angelegenheiten – <strong>im</strong> Gegensatz zum allgemeinen Dienst- und Arbeitsrecht<br />
– anzuerkennen.<br />
21. Die Schaffung eines einheitlichen Status für Kirchen und Religionsgemeinschaften auf<br />
Gemeinschaftsebene dient <strong><strong>de</strong>r</strong> Verwirklichung <strong>de</strong>s Gleichheitssatzes, wobei die<br />
Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen hie<strong>ra</strong>n nicht übermäßig hoch gesteckt wer<strong>de</strong>n dürfen.
454<br />
Résumé<br />
«<br />
1. Il se<strong>ra</strong>it opportun d’opter en faveur <strong>de</strong> l’application <strong>de</strong> la notion <strong>de</strong>s «droits <strong>de</strong>s religions» à<br />
la place <strong>de</strong> la notion <strong>de</strong> «droit ecclésiastique soutenu par l’Etat» („Staatskirchenrecht“) à<br />
l’ensemble <strong>de</strong>s normes nationales et sup<strong>ra</strong>nationales régissant les intérêts religieux.<br />
2. Les droits <strong>de</strong>s religions ne connaîssent pas le même t<strong>ra</strong>itement dans les différents Etatsmembres:<br />
A côté <strong>de</strong> <strong>de</strong>ux positions extrêmes, l’une en faveur d’une stricte sépa<strong>ra</strong>tion entre<br />
l’Etat et l’Eglise et l’autre en faveur d’un système conçu sur la religion d’Etat, il existe <strong>de</strong>s<br />
formes <strong>de</strong> coopé<strong>ra</strong>tion entre l’Etat et l’Eglise malgré une sépa<strong>ra</strong>tion <strong>de</strong> principe entre les<br />
<strong>de</strong>ux entités <strong>de</strong> droit. En compa<strong>ra</strong>nt les différents systèmes <strong>de</strong> droit, on constate, dans<br />
l’ensemble, une certaine tendance à la sépa<strong>ra</strong>tion dans les relations Etat-Eglise.<br />
3. Le principal champ d’application <strong>de</strong>s dispositions <strong>de</strong> la Constitution <strong>de</strong> We<strong>im</strong>ar relatives<br />
aux droits <strong>de</strong>s religions et qui sont incorporées dans l’Article 140 <strong>de</strong> la Loi Fondamentale,<br />
ne jouit <strong>de</strong> la couverture <strong>de</strong> l’Article 79, alinéa 3 <strong>de</strong> la Loi Fondamentale que dans la<br />
mesure où ses positions juridiques sont également contenues dans l’Article 4 <strong>de</strong> la Loi<br />
Fondamentale. Un acte juridique en matière <strong>de</strong>s droits <strong>de</strong>s religions à l’échelle<br />
communautaire se<strong>ra</strong>it inapplicable en Allemagne, soit parce qu’il manque une justification<br />
<strong>de</strong> compétence à ce effet (acte ult<strong>ra</strong> vires) soit parce qu’il porte<strong>ra</strong>it atteinte à la substancemême<br />
<strong>de</strong> l’Article 4 <strong>de</strong> la Loi Fondamentale.<br />
4. Les droits <strong>de</strong>s religions constituent un cadre géné<strong>ra</strong>l multidisciplinaire et, en cette qualité, il<br />
couvre d’autres b<strong>ra</strong>nches <strong>de</strong> droit relevant <strong>de</strong> la compétence <strong>de</strong> la Communauté, tout au<br />
moins sur un plan purement fonctionnel.<br />
5. Bien que la décla<strong>ra</strong>tion sur l’Eglise ait été adoptée communément, elle ne sau<strong>ra</strong>it toutefois<br />
s’<strong>im</strong>poser <strong>de</strong> en tant que droit communautaire pr<strong>im</strong>aire. La décla<strong>ra</strong>tion n'a pas en effet<br />
engendré <strong>de</strong> nouveaux droits à l’échelle communautaire et l’occasion qu’elle a offerte <strong>de</strong><br />
procé<strong><strong>de</strong>r</strong> à une «réévaluation» <strong>de</strong>s positions juridiques existantes jusque-là n’a pas été<br />
saisie.<br />
6. Par référence à l’Article 6 (ancien Article F), alinéa 2 du T<strong>ra</strong>ité <strong>de</strong> l’<strong>Union</strong> européenne, on<br />
ne sau<strong>ra</strong>it conclure à une obligation <strong>de</strong> la Cour <strong>de</strong> Justice <strong>de</strong>s Communautés Européennes<br />
<strong>de</strong> se conformer à la lettre aux dispositions <strong>de</strong> la Convention Européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong><br />
l’Homme et encore moins d’exiger d’elle une interprétation <strong>de</strong> la dite Convention. En vue,<br />
cependant, d’éviter aux Etats-membres <strong>de</strong>s conflits entre leurs obligations au titre du droit<br />
communautaire et celles issues <strong>de</strong> la Convention Européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme, il<br />
se<strong>ra</strong>it recommandable que la Cour <strong>de</strong> Justice <strong>de</strong>s Communautés Européennes fasse
455<br />
strictement sienne l’interprétation que fait la Cour européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme <strong>de</strong> la<br />
Convention Européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme.<br />
7. Aux termes <strong>de</strong> l’Article 9 <strong>de</strong> la Convention Européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme, seules<br />
quelques cas relatifs à la liberté religieuse individuelle peuvent bénéficier <strong>de</strong> la protection<br />
légale. La jurispru<strong>de</strong>nce <strong>de</strong> la Commission Européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme reconnait<br />
cependant une habilitation d’agir aux églises et communautés religieuses, pour autant que<br />
celles-ci aient qualité <strong>de</strong> représenter leurs adhérents et qu’elles fassent valoir <strong>de</strong>s atteintes<br />
aux droits <strong>de</strong> ces <strong><strong>de</strong>r</strong>niers. Les organismes ecclésiastiques <strong>de</strong> bienfaisance ne peuvent<br />
prétendre à l’extension <strong>de</strong> la protection juridique en leur faveur en vertu <strong>de</strong> l’Article 9 <strong>de</strong> la<br />
Convention Européenne <strong>de</strong>s Droits <strong>de</strong> l’Homme.<br />
8. Par référence aux dispositions constitutionnelles communes <strong>de</strong>s Etats-membres, il<br />
<strong>im</strong>porte<strong>ra</strong>it en tout cas <strong>de</strong> reconnaître dans le cadre du droit communautaire l’interdiction <strong>de</strong><br />
toute discr<strong>im</strong>ination pour cause <strong>de</strong> religion ou <strong>de</strong> confession ainsi que la liberté religieuse,<br />
individuelle et collective.<br />
9. Les titulaires du droit fondamental que constitue la liberté religieuse dans la cadre du droit<br />
communautaire sont, en principe, les personnes physiques et les personnes juridiques <strong>de</strong><br />
droit privé ainsi que les ressortissants d’Etats tiers et les corpo<strong>ra</strong>tions ecclésiastiques <strong>de</strong><br />
droit public.<br />
10. Bien que «l’héritage culturel commun» <strong>de</strong>s Etats-membres repose, en vertu <strong>de</strong> l’Article 151<br />
(ancien Article 128), alinéa 1 du T<strong>ra</strong>ité <strong>de</strong> la Communauté Economique Européenne, en<br />
g<strong>ra</strong>n<strong>de</strong> partie sur <strong>de</strong>s motivations religieuses incontestables, les droits <strong>de</strong>s religions ne peut<br />
être considéré que comme aliud par <strong>ra</strong>pport au champ <strong>de</strong> compétence culturelle prévu à<br />
l’Article 151 (ancien Article 128) du T<strong>ra</strong>ité <strong>de</strong> la Communauté Economique Européenne.<br />
11. Malgré la concrétisation du principe <strong>de</strong> subsidiarité par le biais du Protocole sur la<br />
subsidiarité, il subsiste encore <strong>de</strong>s doutes quant à l’efficience <strong>de</strong> ce principe en <strong>ra</strong>ison du<br />
large champ d’interprétation laissé aux organes <strong>de</strong> la Communauté.<br />
12. Les concordats sont à considérer comme les «anciens t<strong>ra</strong>ités» au sens <strong>de</strong> l’Article 307<br />
(ancien Article 234), alinéa 1 du T<strong>ra</strong>ité <strong>de</strong> la Communauté Economique Européenne. Les<br />
conventions conclues avec les églises protestantes à l’échelle <strong>de</strong>s Laen<strong><strong>de</strong>r</strong> ne peuvent être<br />
soumises à l’Article 307 (ancien Article 234) du T<strong>ra</strong>ité <strong>de</strong> la Communauté Economique<br />
Européenne et ce, pour manque <strong>de</strong> capacité juridique <strong>de</strong> droit international.
456<br />
13. Dotés <strong>de</strong> droits particuliers, les corpo<strong>ra</strong>tions ecclésiastiques <strong>de</strong> droit public en Allemagne<br />
doivent être considérées, en vertu du droit communautaire, comme faisant partie intég<strong>ra</strong>nte<br />
<strong>de</strong> l’Etat-membre.<br />
14. La notion d’employé au sens du droit communautaire s’applique également aux employés<br />
<strong>de</strong> l’Eglise pour autant qu’ils n'interviennent pas à titre bénévole. En vertu du principe <strong>de</strong><br />
l’égalité <strong>de</strong> t<strong>ra</strong>itement, il y a lieu <strong>de</strong> respecter le droit d’autodétermination <strong>de</strong>s églises et <strong>de</strong>s<br />
communautés religieuses pour ce qui est <strong>de</strong> la gestion <strong>de</strong> leurs affaires intérieures.<br />
15. Le projet <strong>de</strong> statuts <strong>de</strong> l’Association Européenne selon les projections d’une «économie<br />
sociale» peut, à terme, vi<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong> son sens le principe <strong>de</strong> l’intérêt public.<br />
16. Dans le cadre <strong>de</strong>s différents modèles européens <strong>de</strong> financement <strong>de</strong>s églises, le financement<br />
se fe<strong>ra</strong> à l’avenir au moyen <strong>de</strong> re<strong>de</strong>vances paroissiennes et <strong>de</strong> dons ainsi que par un système<br />
d’<strong>im</strong>position, étant entendu que l’<strong>im</strong>pôt cultuel tient plus compte du ca<strong>ra</strong>ctère volontaire <strong>de</strong><br />
son paiement que l’<strong>im</strong>pôt ecclésiastique et permet en outre d’éviter les inutiles conflits avec<br />
la liberté religieuse d’autres personnes <strong>de</strong> confession différente.<br />
17. Il y a lieu <strong>de</strong> souligner que le 35ème considé<strong>ra</strong>nt <strong>de</strong> la directive 95/46/CE n'est pas le seul à<br />
présenter <strong>de</strong> l’<strong>im</strong>portance pour les droits <strong>de</strong>s religions, mais aussi le 34ème considé<strong>ra</strong>nt. A<br />
cet égard, il <strong>im</strong>porte<strong>ra</strong>it <strong>de</strong> prévoir en faveur <strong>de</strong>s dispositions dérogatoires <strong>de</strong>s ga<strong>ra</strong>nties<br />
particulières pour protéger les droits fondamentaux, notamment <strong>de</strong>s membres appartenant à<br />
<strong>de</strong>s minorités religieuses, contre l’usage abusif <strong>de</strong>s informations t<strong>ra</strong>itées par ordinateur.<br />
18. La notion d’«ai<strong>de</strong>s étatiques» au sens <strong>de</strong> l’Article 87 (ancien Article 92) du T<strong>ra</strong>ité <strong>de</strong> la<br />
Comunauté Economique Européenne <strong>de</strong>v<strong>ra</strong>it connaître une interprétation plus extensive<br />
pour couvrir également les prestations au profit <strong>de</strong>s oeuvres <strong>de</strong> bienfaisance et <strong>de</strong>s églises.<br />
19. L’Article 5 <strong>de</strong> la directive 93/104/CE au<strong>ra</strong>it pu constituer un premier pas en direction d’une<br />
protection européenne du d<strong>im</strong>anche, mais celui-ci a été annulée par la Cour <strong>de</strong> Justice <strong>de</strong>s<br />
Communautés Européennes. Les interdictions à l’échelle nationale <strong>de</strong>s ventes les d<strong>im</strong>anche<br />
doivent être considérées, <strong>de</strong>puis l’arrêt Keck <strong>de</strong> la Cour européenne <strong>de</strong> justice, comme<br />
dérogeant au champ d’application <strong>de</strong> la liberté <strong>de</strong> vente <strong>de</strong> produits.<br />
20. Sur la base d’une étu<strong>de</strong> comparée <strong>de</strong>s droits, il est reconnu, en vertu <strong>de</strong> l’Article 6 (ancien<br />
Article F), alinéa 2 du T<strong>ra</strong>ité <strong>de</strong> l’<strong>Union</strong> européenne, aux églises et aux communautés<br />
religieuses une autonomie <strong>de</strong> gestion en matière <strong>de</strong> culte et d’affaires intérieures, à l’opposé<br />
<strong>de</strong>s règles géné<strong>ra</strong>les du droit du t<strong>ra</strong>vail et <strong>de</strong>s prestations <strong>de</strong> services.
457<br />
21. La réalisation d’un statut unique commun à l’échelle <strong>de</strong> la Communauté pour l’ensemble<br />
<strong>de</strong>s églises et <strong>de</strong>s communautés religieuses va dans le sens <strong>de</strong> la concrétisation du principe<br />
<strong>de</strong> l’égalité, pour autant que l’on ne formule pas à cet effet <strong>de</strong>s exigences démesurées.
458<br />
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Dalla Torre, Guiseppe: Situation et auto-compréhension <strong>de</strong>s églises et <strong>de</strong>s<br />
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<strong>ra</strong>pport à l’<strong>Union</strong> Européenne – Fin ou renouvellement <strong>de</strong> l’Ère<br />
Constantinienne – Quelles sont les options pour l’avenir?<br />
Zusammengefaßtes unveröffentlichtes Refe<strong>ra</strong>t, gehalten auf <strong>de</strong>m Symposium unter<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Schirmherrschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Universitäten von Löwen (Belgien) und<br />
Tübingen (Deutschland) in Zusammenarbeit mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong><br />
Ökumenischen Kommission für Kirche und Gesellschaft, Brüssel und <strong><strong>de</strong>r</strong>
465<br />
Bischofskonferenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft (COMECE),<br />
Brüssel unter <strong>de</strong>m Thema: „Die Kirchen, Religionen und die Europäische<br />
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Füßer, Klaus: Grundrecht auf wirtschaftliche Freizügigkeit und Art. 8a EGV als<br />
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Nr. 164 vom 17.7.1999, S. 2.<br />
Gaertner, Joach<strong>im</strong>: Auswirkungen <strong>de</strong>s Rechts <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft<br />
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Gaertner, Joach<strong>im</strong>: Europa: He<strong>ra</strong>usfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an die Evangelische Kirche,<br />
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Grewe, Constance: Religionsfreiheit in <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>nzösischen Rechtsp<strong>ra</strong>xis, in:<br />
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Griller, Stefan: Der verbliebene Reformbedarf <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> nach<br />
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Griller, Stefan: Grundzüge <strong>de</strong>s Rechts <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>, Wien –<br />
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Gr<strong>im</strong>m, Dieter: Europäischer Gerichtshof und nationale Arbeitsgerichte aus<br />
verfassungsrechtlicher Sicht – Zur Lage nach <strong>de</strong>m Maastricht-Urteil <strong>de</strong>s<br />
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Groeben, Hans von <strong><strong>de</strong>r</strong>/Thiesing, Jochen/Ehlermann, Claus-Dieter (Hrsg.):<br />
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Gromitsaris, Athanasios: Laizität und Neut<strong>ra</strong>lität in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule – Ein Vergleich<br />
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auch <strong>im</strong> Blick auf die Europäische <strong>Union</strong> – Eine evangelische Selbsteinschätzung.<br />
Zusammengefaßtes unveröffentlichtes Refe<strong>ra</strong>t, gehalten auf<br />
<strong>de</strong>m Symposium unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Schirmherrschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Universitäten von Löwen<br />
(Belgien) und Tübingen (Deutschland) in Zusammenarbeit mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Europäischen</strong> Ökumenischen Kommission für Kirche und Gesellschaft,<br />
Brüssel und <strong><strong>de</strong>r</strong> Bischofskonferenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft<br />
(COMECE), Brüssel unter <strong>de</strong>m Thema: „Die Kirchen, Religionen<br />
und die Europäische <strong>Union</strong> – Gedanken über die künftigen Beziehungen“<br />
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Torfs, Rik: Introduction. Unveröffentlichtes Refe<strong>ra</strong>t auf <strong>de</strong>m Symposium unter<br />
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Ökumenischen Kommission für Kirche und Gesellschaft, Brüssel und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bischofskonferenzen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft (COMECE),<br />
Brüssel unter <strong>de</strong>m Thema: „Die Kirchen, Religionen und die Europäische<br />
<strong>Union</strong> – Gedanken über die künftigen Beziehungen“ vom 7./8. März<br />
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Torfs, Rik: Staat und Kirche in Belgien, in: Gerhard Robbers (Hrsg.), Staat und<br />
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Hans-Joach<strong>im</strong> Ki<strong><strong>de</strong>r</strong>len/Heidrun Tempel/Rik Torfs (Hrsg.), Which<br />
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Tretter, Hannes: Die Menschenrechte <strong>im</strong> Abschließen<strong>de</strong>n Dokument <strong>de</strong>s Wiener<br />
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Trute, Hans-Heinrich: <strong>Das</strong> Schächten von Tieren <strong>im</strong> Spannungsfeld von Tierschutz<br />
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zu einer nicht nur für die Kirchen wichtigen Diskussion, KuR<br />
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Turowski, Leopold: Staatskirchenrecht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong>? – Überlegungen<br />
zu einer nicht nur für die Kirchen wichtigen Diskussion (Teil 2),<br />
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Vachek, Marcel: Fallbeispiele zur Anwendung <strong>de</strong>s EuGVÜ <strong>im</strong> Unternehmensbereich,<br />
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Vachek, Marcel: Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> F<strong>ra</strong>uenför<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
durch Quotenregelungen? – EuGH NJW 1995, 3109, JuS 1997,<br />
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Ved<strong><strong>de</strong>r</strong>, Christoph: Die „verfassungsrechtliche D<strong>im</strong>ension“ – die bisher unbekannte<br />
Grenze für Gemeinschaftshan<strong>de</strong>ln? – Anmerkung zum Gutachten<br />
2/94, EMRK, <strong>de</strong>s EuGH, EuR 1996, S. 309 – 319.<br />
Voigt, Karl Heinz: „Religionsartikel“ für die EU: Fortschreiben statt Festschreiben,<br />
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Wachsmann, Patrick: L’avis 2/94 <strong>de</strong> la Cour <strong>de</strong> justice relatif à l’adhésion <strong>de</strong> la<br />
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Wei<strong>de</strong>nfeld, Werner (Hrsg.): Reform <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> <strong>Union</strong> – Materialien zur<br />
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Weiler, Rudolf/Laun, Andreas (Hrsg.): Die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Beziehung<br />
zwischen Kirche und Staat <strong>im</strong> Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen<br />
Kultur und ihre Be<strong>de</strong>utung für die rechtliche und politische Kultur in<br />
Vergangenheit und Zukunft, Refe<strong>ra</strong>te und Diskussionsbeiträge am Forschungsgespräch<br />
vom 27. bis 30. November 1990 in Wien, Wien 1991.<br />
Weis, Hubert: Die außervert<strong>ra</strong>gliche Haftung <strong><strong>de</strong>r</strong> EWG gemäß Art. 215 II<br />
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Weisbrod, Christian: Europäisches Vereinsrecht – Eine rechtsvergleichen<strong>de</strong><br />
Studie, Diss., F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. – Berlin – Bern – New York – Paris – Wien<br />
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Wemmer, Benedikt: Die neuen Kulturklauseln <strong>de</strong>s EG-Vert<strong>ra</strong>ges, Diss.,<br />
F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. – Berlin – Bern – New York – Paris 1996.<br />
Wetter, Irmgard: Die Grundrechtscharta <strong>de</strong>s <strong>Europäischen</strong> Gerichtshofs – Die<br />
Konkretisierung <strong><strong>de</strong>r</strong> gemeinschaftlichen Grundrechte durch die Rechtsprechung<br />
<strong>de</strong>s EuGH zu <strong>de</strong>n allgemeinen Rechtsgrundsätzen, Diss.,<br />
F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. – Berlin – Bern – New York – Paris 1998.<br />
Wieland, Joach<strong>im</strong>: Die verfassungsrechtliche Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirchen als Arbeitgeber,<br />
DB 1987, S. 1633 – 1638.<br />
Wilhelm, Walter (Hrsg.), Studien zur <strong>Europäischen</strong> Rechtsgeschichte, FS für<br />
Helmut Coing, F<strong>ra</strong>nkfurt a.M. 1972.<br />
Winkelmann, Ingo: Die Bun<strong>de</strong>sregierung als Sachwalter von Län<strong><strong>de</strong>r</strong>rechten –<br />
Zugleich Anmerkung zum EG-Fernsehrichtlinien-Urteil <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichts,<br />
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Wörterbuch <strong>de</strong>s Kirchenrechts für Studium und P<strong>ra</strong>xis, Kleines: hrsg. von Horst<br />
Herrmann, Freiburg – Basel – Wien 1972.<br />
Worzalla, Michael: Die Haftung <strong>de</strong>s Arbeitgebers wegen geschlechtsspezifischer<br />
Diskr<strong>im</strong>inierung bei Einstellung nach <strong><strong>de</strong>r</strong> neuen<br />
Rechtsprechung <strong>de</strong>s EuGH, NJW 1997, S. 1809 – 1812.<br />
Yücelen, Yüksel: Was sagt <strong><strong>de</strong>r</strong> Ko<strong>ra</strong>n dazu? – Die Lehren und Gebote <strong>de</strong>s<br />
Heiligen Buches, 2. Aufl., München 1988.
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Zippelius, Reinhold: Staat und Kirche – Eine Geschichte von <strong><strong>de</strong>r</strong> Antike bis zur<br />
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Zuck, Rüdiger/Lenz, Christopher: Verfassungsrechtlicher Rechtsschutz gegen<br />
Europa – Prozessuale Möglichkeiten vor <strong>de</strong>n Fachgerichten und <strong>de</strong>m<br />
BVerfG gegen Rechtsakte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaft, NJW 1997,<br />
S. 1193 – 1200.<br />
Zuck, Rüdiger: Scientology – na und ?, NJW 1997, S. 697 – 699.<br />
Zuleeg, Manfred: Bananen und Grundrechte – Anlaß zum Konflikt zwischen<br />
europäischer und <strong>de</strong>utscher Gerichtsbarkeit, NJW 1997, S. 1201 – 1207.<br />
Zuleeg, Manfred: Die Haltung <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen Gerichtsbarkeit und <strong><strong>de</strong>r</strong> nationalen<br />
Lehre zum Schutz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschenrechte <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht und<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Rechtsprechung <strong>de</strong>s Gerichtshofs <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Europäischen</strong> Gemeinschaften,<br />
in: Julia Iliopoulos-St<strong>ra</strong>ngas (Hrsg.), Grundrechtsschutz <strong>im</strong><br />
europäischen Raum – Refe<strong>ra</strong>te <strong>de</strong>s internationalen Seminars <strong><strong>de</strong>r</strong> Ma<strong>ra</strong>ngopoulos<br />
Stiftung für Menschenrechte, Athen vom 14. Januar bis<br />
12. Februar 1991, Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1993, S. 231 – 247.<br />
Zuleeg, Manfred: Die Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> rechtsprechen<strong>de</strong>n Gewalt in <strong><strong>de</strong>r</strong> europäischen<br />
Integ<strong>ra</strong>tion, JZ 1994, S. 1 – 8.<br />
Zulehner, Paul Michael: Eröffnungsrefe<strong>ra</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> Tagung „Europa ohne Kirchen“<br />
in Bad Griesbach, in: Martin Riedlaicher, Europa b<strong>ra</strong>ucht Kirchen auch<br />
nach <strong>de</strong>m Jahr 2000, PNP Nr. 258 vom 8.11.1996, S. 8.