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WISSENSCHAFTLICHE HAUSARBEIT ZUR ... - Michael Rappe

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2.1. DIE MUSIK UND DER RHYTHMUS<br />

Eine der wichtigsten Unterschiede zur Musik der Literate Culture war die Tatsache, dass es keinen<br />

Unterschied zwischen dem Musiker und dem Zuhörer gab: Musiziert wurde im ganzen<br />

Sozialverband. "Musik war ein integraler Bestandteil religiöser Rituale sowie des alltäglichen<br />

Lebens und wurde oftmals bis zur Erschöpfung aller Beteiligten produziert und rezipiert."(I0) Das<br />

Musizieren fand meist in der "call & response"-Form statt, d.h. ein Sänger und Instrumentalist gab<br />

eine musikalische Phrase (Melodie oder Strophe) vor und die Gemeinschaft sang es nach. "The<br />

solist gives the melody while a chorus sings a refrain, wich at times are but ejaculations. The chief<br />

singer remains standing and as the melody is given out, they turn to one other, each improvising in<br />

turn. Their power of invention and improvisation may last for hours"(11).<br />

Nach A. Dauer war nicht die anfängliche Idee eines Liedes die Komposition, sondern das<br />

Ineinandergreifen von rhythmisch-melodischen Formeln, die dem Zweck dienten, ein gemeinsames<br />

klangliches Resultat zu schaffen. Dies war als eigentliche Komposition zu betrachten.(12) Dabei<br />

war die Musik für melodische Variationen offen. Dies wurde sogar erwünscht, da es als besonders<br />

intelligent angesehen wurde und von einer hohen Persönlichkeitsstruktur zeugte, wenn<br />

musikalische und verbale Sachverhalte nicht direkt, sondern über Umschreibungen dargestellt<br />

wurden.<br />

Musik in Afrika war somit Grundlage der meisten gesellschaftlichen Vorgänge, und stand für<br />

soziale Integration des Einzelnen bei gleichzeitiger Förderung von Individualität durch die variativen<br />

Veränderung von musikalischen Inhalten.<br />

Diese grundsätzlichen Funktionen und Techniken finden sich in der afroamerikanischen Musik<br />

wieder. Im Blues, Jazz, Gospel, Soul, Funk und im Hip Hop finden sich Formen des call &<br />

response. Der ganze Blues in seinem textlichen und musikalischen Aufbau ist ein einziges Fragen<br />

und Antworten. Der Reverend in der Kirche predigt, und der Gospel-Chor samt Kirchengemeinde<br />

antwortet ihm. Darüber hinaus ist die Gospelmusik der beste Beweis für die Untrennbarkeit von<br />

Kunst und Leben.<br />

Im Soul, als einer Mischung von Blues und Gospel leben diese Traditionen weiter. Genau wie im<br />

Hip Hop, gibt es dort Publikumsaufforderungen, die im call & response beantwortet werden. Aber<br />

mehr noch als dies, ist das erneute Zusammenwachsen zwischen den Musikern und den Zuhörern<br />

wichtig. Hip Hop ist eine Live-Musik. Sie lebt und entwickelt sich weiter durch den Kontakt<br />

zwischen den MCs, den <strong>Rappe</strong>rn, den Tänzern und den Zuhörern. Sie lebt von der Atmosphäre, in<br />

der sie stattfindet.<br />

Stücke innerhalb eines Konzerts sind nicht auf Single gerechte Zeiten zurechtgestutzt. Dauer der<br />

Stücke und Länge der Konzerte sind nicht zuletzt abhängig von den Beteiligten.<br />

Außerdem sind Hip Hopper Meister in der variativen und motivischen Veränderung. Wie<br />

afrikanische Musiker verändern sie vorhandenes Tonmaterial. Mit Plattenspielern und Samplern<br />

verzahnen sie immer wieder kleine rhythmische und melodische Motive miteinander und entwickeln<br />

so, in einem afrikanischen Sinne, neue Musik; und es gibt so viele MC- und DJ-Stile, wie es MCs<br />

und DJs gibt. Jeder hat seinen persönlichen Stil, seine geheimen Platten, seine Rap-Skills.<br />

Individualstil ist im Hip Hop ebenso wichtig wie z.B. im Jazz, der von den variativen Veränderungen<br />

in den Soli der Jazz-Musiker und ihrem jeweiligen Personalstil lebt.<br />

Aus diesem Grund sind Hip Hop-Gruppen anders als Rock- oder Pop-Gruppen aufgebaut. Eine<br />

Rock-Band wie Queen lebt zum größten Teil durch ihren Gesamtsound. Zwar übernehmen die<br />

einzelnen Bandmitglieder unterschiedliche Funktionen (hier z. B. die zurückhaltende Band mit<br />

einem sehr expressiven Sänger, dem vor kurzen gestorbenen, Freddie Mercury) entscheidend ist<br />

jedoch, was die Band als homogene Erscheinung darstellt. Im Hip Hop bedeutet die Zugehörigkeit<br />

zu einer Band nicht die Unterordnung in ein fest gefügtes System. Individualität innerhalb eines<br />

losen Verbundes (Posse, Crew, Family, Nation, Tribe, Unit oder Tongue) ist, genau wie im Jazz,<br />

wichtig und erwünscht. Dazu Shock G, Mitglied der Hip Hop Gruppe Digital Underground:<br />

"Bei uns ist jeder anders. Jeder hat einen anderen Fluss in seinem Rap, einen anderen Stil... Wenn<br />

jemand zu Digital Underground gehören will, kann er nicht wie Humpty, Money B, 2Pac, Schmoov<br />

oder ich sein. Digital Underground präsentiert das ganze Spektrum von Hip Hop und Rhythm 'n<br />

14

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