Mehr BIO von hier. - Bizz!
Mehr BIO von hier. - Bizz!
Mehr BIO von hier. - Bizz!
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
WAS FÜR EIN THEATER!<br />
Vom Bairischen Dialekt zur Hochsprache<br />
Die deutsche Sprache,<br />
wie wir sie heute kennen,<br />
wäre ohne den<br />
bairischen Dialekt<br />
nicht denkbar. Denn<br />
Dialekte sind grundsätzlich<br />
die geschichtlich<br />
älteren und damit die ursprünglicheren<br />
Formen unserer Sprache. Es<br />
gibt sie also schon sehr viel länger als<br />
die einheitliche deutsche Standardsprache<br />
und vor allem in einer großen Vielfalt.<br />
Allein schon aus diesem Grund sind<br />
Dialekte – und natürlich vor allem das<br />
Bairische – so wertvoll, dass man ganz<br />
besonders auf sie aufpassen sollte und<br />
vor allem darauf, dass sie gerade in ihrer<br />
Vielfalt nicht verloren gehen.<br />
Heutzutage gibt es ja die Tendenz, dass man<br />
alles, was als gefährdet gilt, in einen Zoo<br />
oder in ein Museum verbannt und dort für alle<br />
Zeiten für die nachkommenden Generationen<br />
aufbewahren möchte. Zum Glück geht das mit<br />
gesprochenen Sprachen eher schlecht. Denn,<br />
unter uns gesagt, finde ich den Gedanken<br />
auch nicht besonders anziehend, wenn man<br />
uns Dialektsprecher in eine museale Glasvitrine<br />
oder in einen Zoo, so zwischen Eisbären<br />
und Pinguinen, sperren möchte. Zum Glück<br />
ist noch keiner auf diese Idee gekommen. Allenfalls<br />
in Tonbandaufnahmen wird der Dialekt<br />
bereits jetzt festgehalten und zum Beispiel<br />
beim Bayerischen Sprachatlas in München<br />
aufbewahrt.<br />
Aber mal ehrlich, es wäre doch fad, wenn man<br />
in Oberbayern nicht ein bisschen anders Bairisch<br />
sprechen würde als zum Beispiel in der<br />
Oberpfalz oder in Niederbayern. Und wie langweilig<br />
wäre es erst, wenn man in Bayern gar<br />
keinen Dialekt mehr sprechen würde, sondern<br />
nur noch eine einheitliche „hochdeutsche“<br />
Standardsprache.<br />
Aber keine Angst, das wird nicht passieren.<br />
Womit wir aber beim Thema wären: Wie kam<br />
es zu dieser Vereinheitlichung des Deutschen<br />
im Gegensatz zur Vielfalt der Dialekte und welchen<br />
Anteil hat das Bairische an der Standardsprache?<br />
Die deutsche Sprachgeschichte ist komplex<br />
und ereignisreich. Eine besondere Rolle bei<br />
der Herausbildung einer einheitlichen geschriebenen<br />
Sprache innerhalb der Vielfalt<br />
<strong>von</strong> Dialekten spielt das 16. Jahrhundert und<br />
dabei Luthers Bibelübersetzung, die sich dank<br />
des Buchdrucks stark verbreiten konnte. Luther<br />
griff für seine Bibelübersetzung vielfach<br />
Sprachformen der so genannten oberdeutschen<br />
Dialekte auf, zu denen das Bairische<br />
gehört. Während aber in der Folge dann die<br />
Menschen im Norden ihre niederdeutschen<br />
Sprachformen an das Deutsche der Lutherbibel<br />
anpassten und es sowohl mündlich als<br />
auch schriftlich verwendeten, wurde dieses<br />
Hochdeutsch im Süden zwar zunehmend zur<br />
Schriftsprache, mündlich wurde aber weiterhin<br />
Dialekt gesprochen. Und das selbst in höchsten<br />
gesellschaftlichen Kreisen!<br />
So dauerte es noch bis zum Ende des 19.<br />
Jahrhunderts, bis auch bei uns im Süden des<br />
deutschen Sprachraums ein einheitliches gesprochenes<br />
Deutsch an Bedeutung gewann.<br />
Der Grund dafür ist eigentlich ein richtiges<br />
Theater. Also die Bühne, um genau zu sein.<br />
Denn die Theaterdirektoren wollten die Klassiker<br />
der Weltliteratur nicht im Dialekt aufführen<br />
lassen. Wo kämen wir denn da hin, wenn Goethes<br />
Faust mit dem Teufel auf Bairisch über<br />
kulttour 37<br />
das bairische Eck<br />
Dialektwächterin Isabella Guttenstein<br />
seine Seele verhandeln möchte! Das könnte, so<br />
befürchtete man, die hochgeschätzten Stücke<br />
abwerten und womöglich der Lächerlichkeit<br />
preisgeben – das wollte man keinesfalls zulassen.<br />
Also legte man eine einheitliche Sprache<br />
und vor allem Aussprache für die Bühne fest und<br />
fixierte die Regeln dafür am Ende des 19. Jahrhunderts<br />
in einem Buch. Doch blieb diese Bühnensprache<br />
in der Folge nicht allein auf<br />
das Theater beschränkt, sondern galt<br />
bald darüber hinaus als das bessere<br />
und das feinere Deutsch. Damit wurde<br />
diese mündliche Form auch außerhalb<br />
des Theaters zunehmend zur – zumindest<br />
gewünschten – Sprachnorm.<br />
Also denken Sie beim nächsten Mal,<br />
wenn man Ihnen die Bühnensprache als das<br />
bessere Deutsch vor Augen halten will, vor allem<br />
an zwei Dinge: Erstens: Bairische Dialekte hatten<br />
einen großen Anteil an Entstehung und Form<br />
der deutschen Standardsprache. Und zweitens:<br />
Das ist doch alles nur Theater!<br />
Bleiben Sie sich treu!<br />
Bis zum nächsten Mal,<br />
Ihre Dialektwächterin<br />
Isabella Guttenstein<br />
P.S.: Zum Nach- und Weiterlesen: Bayerisches<br />
Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Dialekte<br />
in Bayern – Handreichung für den Unterricht,<br />
München 2006; Werner König, Kurt Rein,<br />
Eberhard Wagner und Ludwig Zehetner, Bayerns<br />
Mundarten – Dialektproben mit Kommentaren,<br />
München 1991; Ludwig Zehetner, Das bairische<br />
Dialektbuch, München 1985.