breezy art ensemble - Martin-Luther-Viertel
breezy art ensemble - Martin-Luther-Viertel
breezy art ensemble - Martin-Luther-Viertel
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
einflussen Wasserläufe und deren Umgebung<br />
die Architektur.<br />
In Venedig beispielsweise werden Häuser,<br />
Paläste, Kirchen auf ein Eichenbohlenfundament<br />
gesetzt. Das gleiche gilt für Pisa. Hier ist<br />
es der Fluss Arno und sein allmähliche Austrocknen.<br />
Um im Wasser, im Fließsand bauen zu können,<br />
sind unzählige Eichenbalken, meistens in<br />
ca. zwei Meter, dicht nebeneinander gestellt,<br />
erforderlich.<br />
Dreihundert Eichenpfähle „tragen“<br />
Kirche<br />
Die Baumeister der <strong>Luther</strong>kirche griffen in den<br />
Jahren 1734 bis 1739 zur gleichen höchst<br />
effektiven Methode. Wenige Meter entfernt<br />
floss zu der Zeit die Ahse vorbei, nebst wiederkehrenden<br />
häufigen Überschwemmungen.<br />
Die damaligen Architekten der Kirche befleißigten<br />
sich größter Weitsicht und bauten für Jahrhunderte<br />
in die Zukunft. Gleiche Techniken<br />
wurden und werden ebenfalls seit mehr als<br />
tausend Jahren in der Lagunenstadt Venedig<br />
angewandt.<br />
Die Statik hält solange, wie die Rahmenbedingungen<br />
greifen. Verändert der Mensch diese<br />
sich gegenseitig bedingenden Wechselbeziehungen,<br />
entstehen dicke Probleme, was in<br />
Venedig für Alle deutlich sichtbar ist.<br />
Hauptursache für das Sinken des<br />
Grundwassers war die Ahse-<br />
Verlegung<br />
Das Grundwasser sinkt, die einst im Wasser<br />
stehenden Eichenholzbalken stehen auf einmal<br />
in der Luft und fangen an zu faulen. Nichts<br />
anderes ist auch in unserem Qu<strong>art</strong>ier passiert.<br />
Durch die Verlegung der Ahse, durch größere<br />
Neubauten in unmittelbarer Nähe der Kirche,<br />
durch Bombenerschütterungen im zweiten<br />
Weltkrieg kamen die dreihundert vorhandenen<br />
„Untergrund“balken mit Luft in Berührung und<br />
begannen zu faulen. Dieser Prozess setzte<br />
bereits zum Zeitraum der Ahseverlegung ein.<br />
Zwar wurden in zeitlich etwas größeren Abständen<br />
Versuche unternommen, die Schieflage<br />
des Turms, das Versinken des Kirchenschiffes,<br />
das Aufreißen der Wände und des<br />
Fundaments zu stoppen. Aber auf Grund der<br />
realen Rahmenbedingungen gelang das nur<br />
mit begrenztem Erfolg.<br />
1987, 1988 schellten die Alarmsirenen rund<br />
um das Gotteshaus unüberhörbar. Anfänglich<br />
herrschte noch der Glaube vor, dass mit fünfstelligen<br />
Sanierungssummen Lösungen realisiert<br />
werden könnten. Nachdem aber der<br />
Kirchturm fünf Zentimeter in die Tiefe und über<br />
dreißig Zentimeter zur Neige ging, das Kirchenschiff<br />
selber um drei Zentimeter sank,<br />
mussten grundlegende Lösungen gefunden<br />
werden.<br />
Stellen Sie sich bitte jetzt einmal vor, Sie müssen<br />
den Untergrund Ihres Hauses großflächig<br />
sanieren, ohne das Haus verschieben oder<br />
anheben zu dürfen. Sie müssen unter dem<br />
Haus arbeiten, ohne es bewegen zu können.<br />
Es ist eine unheimlich komplizierte und technisch<br />
aufwendige Angelegenheit.<br />
In Venedig wird diese Methode täglich dutzendfach<br />
praktiziert. Und was in der Lagunenstadt<br />
geht, das geht auch in Hamm. Unter<br />
Leitung des damaligen Kirchenarchitekten,<br />
Herrn Lohmann gingen die Verantwortlichen<br />
zu Werke. Vorher flammten noch kurz Diskussionen<br />
auf, ob ein Kirchenabriss nicht günstiger<br />
wäre. Aber Gottlob, die Erhaltungslobby<br />
war sehr stark.<br />
12