Wir Heldsdörfer - Heldsdorf
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Abbildung 1: Anzahl der Mitglieder der evangelischen Kirchengemeinde <strong>Heldsdorf</strong> von 1963-2007<br />
Abbildung 2: Anzahl der ausgereisten Haushalte 1941-1989 nach Zeitphasen (n=55)<br />
dem Jahrzehnt ausgewanderten zwölf<br />
Haushalte mit der Auslandsreise eines<br />
Familienmitgliedes, das nicht mehr<br />
zurückkehrte. Auch in den 1980er<br />
Jahren blieb dies ein relativ oft genutz- ter<br />
Ausreiseweg: Bei fünf der 32 in den<br />
1980er Jahren ausgereisten Haushalte<br />
stand eine Auslandsreise am Anfang der<br />
Familienauswanderung. Allerdings wurde<br />
diese Art der Ausreise in der Regel teuer<br />
erkauft: Sechs der sieben <strong>Heldsdörfer</strong>, die<br />
nach einer Deutschlandreise nicht mehr<br />
zurückkehrten, hatten eine Familie in<br />
<strong>Heldsdorf</strong> zurück gelassen. Im günstig- sten<br />
Fall konnte diese zwölf Monate spä- ter<br />
ebenfalls ausreisen. Es konnte aber auch,<br />
wie in einem Fall, 36 Monate dau- ern, bis<br />
die Familie, Eltern und zwei Kinder,<br />
wieder vereint war! Die schwieri- gen<br />
Ausreisebedingungen der 1970er und<br />
beginnenden 1980er Jahre beleuch- tet der<br />
Beitrag von Irmgard Muell "Der Kampf um<br />
die Ausreisegenehmigung".<br />
5. Formell gesehen wurde die Ausreise<br />
nach der Revolution 1989 erleichtert.<br />
Abbildung 3 verdeutlicht, dass vor allem in<br />
den Monaten April bis Juni 1990 die<br />
<strong>Heldsdörfer</strong> die Gelegenheit nutzten. Eine<br />
solche Ausreisegeschichte stellt Hanni-<br />
Martha Franz in ihrem Beitrag<br />
"Wie lange bleibt die Grenze offen?" vor.<br />
Von 1753 auf 207<br />
in 30 Jahren<br />
Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der<br />
Anzahl der Mitglieder der evangelischen<br />
Kirche <strong>Heldsdorf</strong> von 1963 bis 2007. Zur<br />
Ergänzung: Nach Hans Mooser (1967)<br />
wohnten in <strong>Heldsdorf</strong> im Jahr 1900 2104<br />
Sachsen, 1920 war ihre Anzahl auf 2255<br />
gestiegen, 1940 dann aber auf 2104 und<br />
1960 auf 1800 gesunken. Als Grundlage für<br />
das Diagramm wurde die<br />
Mitgliedszahl der Kirchengemeinde<br />
genommen, die aber nicht genau dek-<br />
12 <strong>Wir</strong> <strong>Heldsdörfer</strong> Aus der Heimatgemeinschaft<br />
kungsgleich mit der Anzahl der Sachsen in<br />
<strong>Heldsdorf</strong> sein muss: Sie umfasst auch<br />
Personen, die nicht in <strong>Heldsdorf</strong> wohnen,<br />
jedoch der Kirchengemeinde angehören,<br />
bzw. erfasst Personen nicht, die in<br />
<strong>Heldsdorf</strong> wohnen, aber nicht der<br />
Kirchengemeinde angehören. Zumindest<br />
bis zur Ausreisewelle von 1989 waren<br />
aber diese Werte, gemessen an der<br />
Gesamtheit der Kirchenmitglieder, relativ<br />
klein.<br />
Der größte Mitgliederschwund ist, wie<br />
nicht anders zu erwarten war, durch die<br />
Ausreisewelle in den Jahren 1990/91 zu<br />
verzeichnen. Allerdings zeigt Abbildung 1<br />
auch, dass bereits in den 1970er und<br />
besonders in den 1980er Jahren die<br />
Kirchengemeinde unter einem starken<br />
Mitgliederschwund litt. Die folgenden<br />
Abbildungen geben Befragungsergeb-<br />
nisse wieder. In der Bildunterschrift steht in<br />
Klammern jeweils die Anzahl der<br />
Teilnehmer, die zu dem dargestellten<br />
Sachverhalt Stellung nahmen. Die<br />
Einheiten in den Abbildungen 2 und 3<br />
sind Haushalte. Ein Haushalt umfasst im<br />
Durchschnitt 3,3 Personen - mit den 112<br />
Fragebögen wurde das Ausreisever-<br />
halten von 370 Heldsörfern abgedeckt.<br />
Abbildung 2 zeigt die Anzahl der aus<br />
<strong>Heldsdorf</strong> ausgereisten Haushalte in<br />
Fünf-Jahreszeiträumen und bestätigt die in<br />
Abbildung 1 ersichtliche Entwicklung:<br />
Spätestens in den 1980er Jahren zeich-<br />
nete sich die allmähliche Entleerung der<br />
Gemeinde ab, die Lücken in <strong>Heldsdorf</strong><br />
wurden immer größer. Ein <strong>Heldsdörfer</strong><br />
äußerte sich zu dem für die damals<br />
Zurückgebliebenen sehr belastbaren<br />
Vorgang: "Ich empfand [die<br />
Ausreisewelle nach der Revolution] end-<br />
gültig besser als die [sich über<br />
Jahrzehnte ziehende] Abwanderung der<br />
Familien. […] Die Zurückbleibenden<br />
waren traurig und verunsichert, es blieb<br />
immer eine Lücke. [Die Ausreisenden]<br />
haben uns gefehlt, die [zurückgebliebe-<br />
nen] Jugendlichen haben sich als<br />
Dumme gefühlt, es war ein Thema, dass nie<br />
endete. […] Die Revolution brachte für<br />
alle die Freiheit."<br />
Die Revolution führte dazu, dass die<br />
<strong>Heldsdörfer</strong> Kirchengemeinde 1990 über<br />
die Hälfte ihrer Mitglieder verlor:<br />
Während es Ende 1989 noch 1132 waren,<br />
ging ihre Zahl bis Ende 1990 auf 523<br />
zurück. Abbildung 3 zeigt, dass die<br />
Ausreisewelle vor allem in den Monaten<br />
April bis Juni 1990 rollte. Danach ebbte<br />
sie stark ab.<br />
Zwar wären viele der 1989 noch in<br />
<strong>Heldsdorf</strong> ansässigen <strong>Heldsdörfer</strong> kurz-<br />
oder mittelfristig ohnehin ausgereist.<br />
Sowohl die absehbare Entwicklung<br />
(Abbildung 1) als auch Abbildung 4 bestä-<br />
tigen dies: Bei 77 Prozent der<br />
<strong>Heldsdörfer</strong> bestand ein Ausreise-