Wir Heldsdörfer - Heldsdorf
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Meine Ausreise erfolgte im August<br />
1970. Ich hatte bereits 1961 und<br />
1963 Ausreiseanträge mit meiner<br />
Adoptivmutter Frieda Franz (geb.<br />
Wagner) gestellt. <strong>Wir</strong> wollten zur<br />
Großtante nach Bad Homburg ausreisen, die<br />
schon seit 1916 in Deutschland lebte. Beide<br />
Male erfolgte jedoch die Absage.<br />
1967 heiratete meine Mutter Hermann<br />
Franz (23/22), der seit Ende des II.<br />
Weltkriegs in Marburg lebte. Sie konnte im<br />
Juli 1968 zu ihm kommen. Auf ihr<br />
Drängen stellte ich 1969 einen<br />
Besuchsantrag (zu diesem Zeitpunkt<br />
konnte man schwer Ausreiseanträge<br />
stellen). Daraufhin wurde ich im Oktober zur<br />
Polizei nach Kronstadt bestellt und gefragt,<br />
warum ich zu Besuch und nicht für immer<br />
nach Deutschland will, ich hätte ja<br />
schließlich keine näheren Verwandten<br />
mehr in Rumänien - meinen Mann kannte<br />
ich damals nicht näher. Meine Antwort<br />
war: "Ich möchte mir zuerst die Lage<br />
anschauen und entschei- den, ob es mir in<br />
Deutschland überhaupt gefällt". Mir wurde<br />
aber nahe gelegt, mich sofort zu<br />
entscheiden, ob ich für immer ausreisen<br />
wollte. Ich sprach, dass ich es schweren<br />
Herzens tue und auch nur, wenn sie mir<br />
garantieren würden, dass ich die<br />
Ausreisegenehmigung erhal- te.<br />
Dann kam mein Mann ins Spiel: Am 1. April<br />
1970 erfolgte die standesamtliche Trauung.<br />
Mein "Mädchenname" wurde aufgrund<br />
der anstehenden Ausreise als<br />
Familienname gewählt. Am 30. Mai wur-<br />
den wir kirchlich getraut. Zwei Wochen<br />
nachdem wir zusammen gezogen waren,<br />
erhielt ich die Ausreisegenehmigung. Drei<br />
Wochen vor der geplanten Ausreise wurde<br />
ich am Arbeitsplatz in Zeiden angerufen<br />
und zu einem Stelldichein nach<br />
Kronstadt auf dem Prunt bestellt. Ein<br />
Securitate-Mann empfing mich und fragte<br />
mich während eines Spaziergangs<br />
Von den Nachteilen, als<br />
Spätaussiedler zu früh in<br />
einer nicht vorbereiteten<br />
Stadt zu sein<br />
durch mir unbekannte Gassen (was mir<br />
etwas unheimlich war) aus: Was und wo ich<br />
gelernt hätte, wo ich arbeiten würde,<br />
erkundigte sich über Kollegen und Chefs,<br />
meine Haltung zum Regime usw. Er kann- te ja<br />
bereits alles aus meinen Unterlagen. Er<br />
wollte wissen, ob ich nach der<br />
Ausreise in die BRD dort über Rumänien<br />
schimpfen würde. Da ich nichts<br />
Negatives berichtete - es ging mir ja<br />
auch gut in <strong>Heldsdorf</strong>, ich hatte viele<br />
Freunde und in Zeiden auch gute<br />
Arbeitskollegen - hatte ich Glück und<br />
bekam schnell die Papiere.<br />
Am 1. August 1970 war die Ausreise vom<br />
Flughafen Otopeni in Bukarest. Da ich nur<br />
einen Koffer und nichts zu<br />
Verzollen hatte, ging alles<br />
glatt. In Frankfurt am Main<br />
erwartete mich Mutter und ich<br />
konnte mit ihr gleich nach<br />
Marburg fahren - was leider ein<br />
Fehler war. Hier behandel- te<br />
man mich wie eine<br />
Ausländerin und sagte mir, ich<br />
würde erst nach fünf Jahren<br />
eingebürgert werden!<br />
<strong>Wir</strong> fuhren dann nach<br />
Nürnberg und landeten in<br />
Zirndorf, also auch am fal-<br />
schen Ort. Mutter hatte ihren<br />
Registrierschein daheim vergessen.<br />
Zudem konnte uns keiner sagen, wo die<br />
Durchgangsstelle für Aussiedler war. Erst<br />
beim zweiten Anlauf, nachdem wir noch mal<br />
nach Marburg zurückgekehrt waren, klappte<br />
es dann.<br />
In Marburg kannte man sich mit<br />
Aussiedlern nicht aus. Es wurde ein<br />
Spießrutenlaufen bei den Behörden, bis wir,<br />
mein Mann und ich, endlich Personal- und<br />
Flüchtlingsausweise hatten. Für den Erhalt<br />
des Flüchtlingsausweises, sagte man uns,<br />
sei der Personalausweis not- wendig.<br />
Allerdings hieß es auch, für den Erhalt des<br />
Personalausweises müssten<br />
Wilhelmine<br />
Wagner<br />
Wilhelmine Wagner (geb. Wagner)<br />
wurde 1948 in <strong>Heldsdorf</strong> geboren<br />
und wohnte in der Obergasse Nr.<br />
14/15. Seit 1970 ist sie mit Eckhard<br />
Wagner (geb. Dezsö, 1942 geboren,<br />
Hintergasse Nr. 495/427) verheira-<br />
tet. Wilhelmine und Eckhard haben<br />
zwei Söhne, Ralf (geb. 1973) und<br />
Frank (geb. 1977) sowie zwei<br />
Enkelkinder und wohnen in Kirchhain<br />
bei Marburg. Wilhelmine arbeitete<br />
früher als Buchhalterin, Eckhard als<br />
Elektriker.<br />
Aus der Heimatgemeinschaft <strong>Wir</strong> <strong>Heldsdörfer</strong><br />
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