Wir Heldsdörfer - Heldsdorf
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ar - es roch nach Angst. Im<br />
Warteraum bei der Securitate<br />
waren wir nur drei oder vier<br />
Personen, Nervosität und Angst<br />
aber noch grösser - der<br />
Aschenbecher war auf der<br />
Tischplatte festgemacht!<br />
In unserem Umfeld fanden wir<br />
wenig Verständnis für unseren<br />
Ausreisewunsch: "Warum wollt<br />
ihr ausreisen, es geht euch gut, ihr<br />
schlachtet jeden Winter ein<br />
Schwein", oder "Ihr übt Verrat<br />
an unserem Sächsischen Volk,<br />
es hat die Türkenkriege überstanden<br />
und die Ahnen sind der<br />
Heimaterde treu geblieben"<br />
oder "Ich wünsche euch, dass<br />
ihr nie den Pass bekommt". Ich<br />
weiß heute noch, wer uns dies<br />
und ähnliches sagte - es waren<br />
Freunde oder gar Verwandte:<br />
Sie sind heute alle in<br />
Deutschland - manche von<br />
ihnen konnten noch vor uns<br />
Das erste Passbild von 1963: Irmgard Muell mit ihren Söhnen Paul-Werner (links) und Hanspeter (rechts)<br />
ausreisen. In den sechziger<br />
Jahren nahm der Trend zur<br />
Ausreise zu.<br />
Mein Mann, der<br />
Hause und mein Leben wurde<br />
Auf jedes Gesuch kam für uns eine<br />
Absage; ich schrieb "Memorii" und neue<br />
Jahrzehnte als Farmleiter bei<br />
der GOSTAT in verant- “In unserem Umfeld<br />
nur noch von den<br />
Bemühungen um die<br />
Anträge. In dieser Zeit bekamen wir noch wortlicher Position tätig fanden wir wenig<br />
zwei Kinder, ich musste Krankheiten und OPs gewesen war, kündigte<br />
überstehen: ein ganz normales Leben seinen Dienst und wir Verständnis für<br />
einerseits, andererseits die "privatisierten". <strong>Wir</strong> bezo- unseren<br />
Ausreise beherrscht, ich<br />
hatte auch keine Angst mehr<br />
vor Behördengängen, die<br />
Beamten waren nur<br />
Ausreisebemühungen ohne Erfolg.<br />
Anfang der 70er Jahre sagte mir ein ehrlicher<br />
Freund: "So erreichst du gar<br />
gen unsere beiden großen<br />
Ausreisewunsch:<br />
Jungs in unsere<br />
Entscheidung mit ein und "Warum wollt ihr<br />
Menschen, ich hatte erlebt<br />
wie es sich anfühlt, wenn es<br />
ans Sterben geht. Von der<br />
nichts, du kannst Gesuche schreiben bis<br />
zum Nimmerleinstag: Du musst bei<br />
denen (Polizei, Partei, Securitate) stän- dig<br />
auf der Matte stehen." Das tat ich dann;<br />
Hanspeter sagte: "Und ausreisen, es geht<br />
setzet ihr nicht das Leben<br />
ein, nie wird euch das euch gut, ihr<br />
Leben gewonnen sein." schlachtet jeden<br />
Krankheit noch angeschlagen<br />
und trotz Doppelsehen war<br />
ich ständig bei den Behörden<br />
unterwegs und erreichte endich<br />
spüre heute noch die Angst, wenn Paul-Werner sah das Winter ein<br />
ich an alles Erlebte denke: genauso, auch Irmgard<br />
Magenschmerzen, Pulsrasen, Hände- und Georg-Harald haben Schwein"”<br />
lich, dass wir Audienzen -<br />
auch vor den Kommissionen -<br />
bekamen.<br />
zittern, Brustenge usw. Namen die ich nie diese Entscheidung mit-<br />
Und all das brachte endlich<br />
vergesse: Neagu (Miliz Kronstadt), der<br />
bellte; Matei (Parteiboss), kaum erreichbar;<br />
ein Vorzimmer-Wauwau war<br />
Vornicu, mit dem ich ein sehr heftiges<br />
Erlebnis hatte; General Serban von der<br />
Securitate - ebenfalls unerreichbar,<br />
trotz wiederholten<br />
getragen. Wie die<br />
Konsequenzen vor allem für die Kinder<br />
sein würden, falls wir nicht ausreisen<br />
durften, war nicht voraussehbar. Die<br />
Kinder besuchten das Gymnasium - wür- den<br />
sie je studieren dürfen?<br />
Im Februar 1979 erkrankte<br />
den angestrebten Erfolg! Am 20.<br />
November 1980 sind wir, Familie Muell, in<br />
die BRD ausgereist, gemeinsam mit der<br />
inzwischen über 73 Jahre alten Mutter. Dies<br />
ist eine Kurzfassung, ich könnte so<br />
manches Erlebte (recht Unangenehmes,<br />
Vorsprechens bei der “Du musst bei denen<br />
Securitate und Bitte um<br />
Audienz! Aber es gab auch (Polizei, Partei,<br />
Beamte, die sich mensch- Securitate) ständig<br />
lich verhielten, wie z.B. Col. auf der Matte<br />
Cotuna von der Kronstädter<br />
Miliz und andere. Es folgten stehen."<br />
Audienzen in Bukarest beim<br />
ich schwer an einer<br />
Meningoenzephalitis - ich<br />
habe überlebt, ich hatte<br />
wohl noch Pflichten hier<br />
unten, vor allem vier<br />
Kinder, die aus Rumänien<br />
raus mussten. Die beiden<br />
Großen leisteten inzwi-<br />
Aufregendes) detailliert berichten - es ist in<br />
mein Hirn eingebrannt wie auf einer<br />
Festplatte.<br />
Der Neubeginn in Deutschland ist ein<br />
anderes Kapitel - nicht ohne viele<br />
Stolpersteine! Trotzdem kam bei uns kein<br />
Heimweh auf, niemals auch nur der<br />
geringste Zweifel, ob es richtig gewesen<br />
Innenministerium und bei der Deutschen<br />
Botschaft. Danach wurde ich zur Miliz<br />
schen ihren dreijährigen Militärdienst an der ist, die "alte Heimat" zu verlassen. Meine<br />
Schaufel ab, Irmgard unterbrach die Schule. Kinder haben hier Heimat gefunden.<br />
zitiert: Zwei Zivilisten machten auf Sie und Georg-Harald mussten kräftig<br />
"böser Mann - guter Mann": "Dies ist kein neben ihrem Vater in unserer<br />
Verhör, nur eine Befragung" sagte "Privatwirtschaft" mitarbeiten. Im Mai<br />
Letzterer. Die nervliche Belastung lässt sich<br />
nicht beschreiben.<br />
1979 kam ich aus dem Krankenhaus nach<br />
Aus der Heimatgemeinschaft <strong>Wir</strong> <strong>Heldsdörfer</strong><br />
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