124_vpod-magi_ROP04 - vpod-bildungspolitik
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thema<br />
namentlich<br />
die Pflicht, das Kind zu pflegen und zu<br />
erziehen (Art. 301 Abs. 1 ZGB),<br />
die Bestimmung über den Aufenthaltsort<br />
des Kindes (Obhutsrecht) (Art. 301<br />
Abs. 3 ZGB),<br />
die Pflicht, dem Kind eine seinen Fähigkeiten<br />
und Neigungen soweit möglich<br />
entsprechende allgemeine und berufliche<br />
Ausbildung zu verschaffen (Art. 302<br />
Abs. 2 ZGB),<br />
die ausschliessliche Befugnis der religiösen<br />
Erziehung (Art. 303 ZGB),<br />
die gesetzliche Vertretung des Kindes<br />
gegenüber Dritten (Art. 304 ZGB),<br />
die Pflicht, mit der Schule und, wo es die<br />
Umstände erfordern, mit der öffentlichen<br />
und gemeinnützigen Jugendhilfe<br />
zusammenzuarbeiten (Art. 302 Abs. 3<br />
ZGB).<br />
Wird dieser umfassende Auftrag von<br />
den Eltern nicht oder unvollständig<br />
wahrgenommen und ist dadurch das<br />
Wohl des Kindes gefährdet, trifft die Vormundschaftsbehörde<br />
die geeigneten<br />
Massnahmen zum Schutz des Kindes.<br />
Eine Gefährdung liegt vor, sobald nach<br />
den Umständen die ernstliche Möglichkeit<br />
einer Beeinträchtigung des körperlichen<br />
sittlichen, geistigen oder psychischen<br />
Wohls des Kindes vorauszusehen<br />
ist.<br />
Der zivilrechtliche<br />
Kindesschutz als<br />
taugliches<br />
Instrumentarium,<br />
der Gefährdung<br />
von Kindern zu<br />
begegnen<br />
Leitideen des zivilrechtlichen<br />
Kindesschutzes<br />
Der zivilrechtliche Kindesschutz<br />
greift nur, wenn die Eltern bei einer<br />
Gefährdung des Kindes nicht<br />
20 <strong>vpod</strong> magazin <strong>124</strong>/01<br />
von sich aus für Abhilfe sorgen oder<br />
wenn sie dazu ausserstande sind (Art.<br />
307 Abs. 1 ZGB, Grundsatz der Subsidiarität).<br />
Dabei spielt es keine Rolle, ob<br />
den Eltern aus ihrem Verhalten ein Vorwurf<br />
gemacht werden kann (Verschuldensunabhängigkeit<br />
des Eingriffs).<br />
Die Kindesschutzmassnahmen sollen<br />
die vorhandenen elterlichen Fähigkeiten<br />
ergänzen und nicht verdrängen<br />
(Grundsatz der Komplementarität). Der<br />
Eingriff darf darum auch nicht stärker<br />
sein als notwendig, er muss geeignet<br />
sein zur Abwendung oder Milderung der<br />
Gefährdung, und die elterliche Sorge<br />
muss so wenig wie möglich, aber so viel<br />
wie nötig eingeschränkt werden (Grundsatz<br />
der Verhältnismässigkeit).<br />
Der zivilrechtliche Kindesschutz<br />
dient also der Abwendung einer Gefährdung<br />
des Kindeswohls. Bei diesen beiden<br />
Schlüsselbegriffen handelt es sich<br />
um auslegungsbedürftige unbestimmte<br />
Rechtsbegriffe, die im Einzelfall konkretisiert<br />
werden müssen. Allgemein können<br />
sie wie folgt umschrieben werden:<br />
Das Kindeswohl ist der Inbegriff der Voraussetzungen<br />
für eine optimale Entwicklung<br />
der Persönlichkeit des Kindes<br />
und umfasst affektive und intellektuelle,<br />
körperliche und psychische, soziale<br />
und rechtliche Aspekte.<br />
Eine Gefährdung des Kindeswohls<br />
liegt vor, sobald nach den Umständen<br />
die ernstliche Möglichkeit einer Beeinträchtigung<br />
des körperlichen, sittlichen<br />
oder geistigen Wohls des Kindes vorauszusehen<br />
ist. Dabei spielt es keine<br />
Rolle, ob die Ursachen der Gefährdung<br />
in den Anlagen oder in einem Fehlverhalten<br />
des Kindes, der Eltern oder anderer<br />
Bezugspersonen liegen. Der zivilrechtliche<br />
Kindesschutz ist somit eindeutig<br />
präventiv angelegt und die Vormundschaftsbehörde<br />
ist ermächtigt<br />
und verpflichtet, bei einer Gefährdung<br />
und nicht erst beim Vorliegen von grössten<br />
Problemen und irreversiblen Schädigungen<br />
einzugreifen.<br />
Das System der<br />
Kindesschutzmassnahmen<br />
Geeignete Massnahmen<br />
nach Art. 307 Abs. 3 ZGB<br />
Danach kann die Vormundschaftsbehörde<br />
die Eltern, die Pflegeeltern<br />
oder das Kind ermahnen, ihnen<br />
bestimmte Weisungen für die Pflege,<br />
Erziehung oder Ausbildung erteilen<br />
und eine geeignete Person oder Stelle<br />
bezeichnen, der Einblick und Auskunft<br />
zu geben ist. Für diese Massnahme haben<br />
sich in der Praxis die Begriffe Erziehungsaufsicht<br />
oder vormundschaftliche<br />
Aufsicht eingebürgert. Die Eltern<br />
sind dadurch in ihren Rechten und<br />
Pflichten nicht eingeschränkt, sie müssen<br />
sich aber gefallen lassen, dass sich<br />
eine aussenstehende Person nach dem<br />
Wohlergehen des Kindes erkundigt und<br />
darüber wacht.<br />
Erziehungsbeistandschaft<br />
nach Art. 308 ZGB<br />
Auch dieser Begriff hat sich in der Praxis<br />
herausgebildet. Er steht für eine dreistufige<br />
Massnahme. Nach Abs. 1 kann<br />
die Vormundschaftsbehörde dem Kind<br />
einen Beistand ernennen, der die Eltern<br />
in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und<br />
Tat unterstützt. Die elterliche Sorge ist<br />
auch hier nicht eingeschränkt. Bei Kooperationsbereitschaft<br />
der Eltern sind<br />
unter diesem Titel jede Art von im Einzelfall<br />
geeigneter Erziehungs- und Familienberatung<br />
möglich.<br />
Der Unterschied zur Aufsicht im Sinne<br />
von Art. 307 Abs. 3 ist der verbindlichere<br />
und umfassendere Auftrag des<br />
Beistands.<br />
Gestützt auf Abs. 2 kann die Behörde<br />
der Beiständin besondere Befugnisse<br />
übertragen. Im Gesetz ausdrücklich erwähnt<br />
sind die Vertretung des Kindes<br />
bei der Wahrung seines Unterhaltsanspruchs<br />
und die Überwachung des Besuchrechts.<br />
Dies sind denn auch die