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124_vpod-magi_ROP04 - vpod-bildungspolitik

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«Mutlosigkeit<br />

können wir uns<br />

ganz einfach nicht<br />

leisten.»<br />

Ruedi Wullschleger ist gestorben<br />

Ewald Ackermann<br />

Vor fünf Jahren, anlässlich seines 80. Geburtstages, riet<br />

ich ihm, etwas an seiner ungebrochenen Schaffenskraft<br />

aufzusparen, um diese in die Niederschrift seiner Memoiren<br />

zu lenken: weil dahinter ein Dreivierteljahrhundert<br />

konfliktreicher linker Geschichte aufleuchtete – und vielleicht<br />

verständlicher würde. Er lächelte, schüttelte den Kopf: Es lägen<br />

zuviel drängende Probleme vor uns, als dass wir den Blick<br />

rückwärts an die verschlungenen Wege einer Biografie zu heften<br />

hätten.<br />

Das war Ruedi Wullschleger, genannt Wulli: bescheiden, kein<br />

Aufheben um die eigene Person, keine nachhallende Bitterkeit,<br />

dem Kampf um soziale Gerechtigkeit und eine diskrimi-<br />

6 <strong>vpod</strong> magazin <strong>124</strong>/01<br />

nierungsfreie Gesellschaft auch dann verbunden, als ihn diese<br />

zum Outsider gestempelt hatte. Seit dem 6. November ist<br />

er nicht mehr.<br />

Wulli wird am 2.10.1916 im Berner Oberland geboren, er studiert<br />

Geschichte und Volkswirtschaft. Mit 18 stösst er als engagierter<br />

Antifaschist zur SP, während des Krieges wechselt<br />

er zur KPS, 1948 wird er als Dozent nach Halle (damals noch<br />

Sowjetzone, später DDR) berufen. 1952 kehrt er als Unangepasster<br />

in die Schweiz zurück. Er bleibt verfemt auch dann,<br />

als er 1956 der in seinem Urteil «hoffnungslos festgefahrenen»<br />

kommunistischen Partei den Rücken kehrt. Als linker Einzelgänger,<br />

mit Schreibverbot belegt, jobt er sich durchs Leben.<br />

1970 tritt er wieder der SP bei. Wulli schreibt nunmehr für den<br />

SGB-Pressedienst, unter Pseudonym; ab 73 beschäftigt ihn der<br />

VPOD als wissenschaftlichen Mitarbeiter. 1982 wird er pensioniert.<br />

Den Gewerkschaften steht er – in seinen Worten: «als<br />

fröhlicher Pensionär» – weiterhin hilfreich zur Seite. Als einer<br />

der ersten überhaupt widmet er sich umfassend der Lohndiskriminierung<br />

von Frauen.<br />

«Mutlosigkeit können wir uns ganz einfach nicht leisten.» So<br />

antwortete Wulli 1986 auf die Frage einer Journalistin, die von<br />

ihm wissen wollte, wie er all die zerschlagenen Hoffnungen,<br />

die persönlichen Diskriminierungen überwunden habe. Und<br />

fuhr fort: «Wir müssen uns nach Massgabe unserer Möglichkeiten<br />

für eine lebenswertere Welt einsetzen.» Das hat Wulli<br />

ein entbehrungsreiches Leben lang getan. Wie kaum ein zweiter<br />

verkörpert er den aufrechten, den suchenden Linken, der<br />

aus dem Sozialismus als einer Quelle des Humanismus und<br />

der kritischen Analyse schöpft: wider die komfortable Einrichtung<br />

in der Welt, die er allzu angepassten Linken vorwarf,<br />

wider das reine Hissen der Flagge jenseits realen Wirkens und<br />

Wissens, das ihn von nur emotionalen Stürmern und Drängern<br />

trennte. Wulli fehlt uns: als Zeitzeuge, als Analytiker – und vor<br />

allem als Mensch.<br />

Der <strong>vpod</strong> hat Ruedi Wullschleger viel<br />

zu verdanken<br />

Ruedi Tobler<br />

Beim Aufschwung der Lehrberufe im <strong>vpod</strong> in den Siebzigerjahren<br />

hat Ruedi Wullschleger eine wesentliche Rolle gespielt.<br />

Als er die Betreuung dieses Fachbereichs übernahm, bildete<br />

dieser eher einen Randbereich innerhalb des Gesamtverbandes.<br />

Ein Blick in die Mitgliederstatistik zeigt dies deutlich: 1973<br />

rangierten die «Lehrer» an zehnter Stelle der Berufsgruppen,<br />

klar hinter Militärpersonal und Luftverkehr. 1982 standen sie<br />

an der Spitze, praktisch gleichauf mit dem Tram- und Busper-<br />

sonal. Foto: Archiv <strong>vpod</strong>

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