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124_vpod-magi_ROP04 - vpod-bildungspolitik

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lesen<br />

Völkermord<br />

– ein neues Thema für die Schweiz?<br />

Im September ist ein bemerkenswertes Lehrmittel<br />

erschienen: «Vergessen oder Erinnern? Völkermord in<br />

Geschichte und Gegenwart». Es richtet sich an die<br />

Sekundarstufen I und II, ist aber durchaus auch für<br />

Erwachsene lesenswert.<br />

Ruedi Tobler<br />

Im September 2000 ist die Schweiz der Völkermordkonvention<br />

von 1948 als 132. Staat beigetreten. Im Oktober<br />

2001 ist die Schweiz dem internationalen Strafgerichtshof<br />

als 43. Staat beigetreten. Aktueller könnte also das Lehrmittel<br />

von Peter Gautschi und Helmut Meyer kaum sein.<br />

Didaktischer Aufbau<br />

Das Werk hat einen doppelten didaktischen Aufbau. Zum einen<br />

wird jeder Teil mit Hinweisen auf den Umgang im Unterricht<br />

eingeleitet und mit Fragestellungen<br />

für Aufgaben abgeschlossen.<br />

Aber auch die<br />

Gliederung in fünf Teile dient einem<br />

didaktischen Zweck: Der<br />

erste, «Erinnerungen an Schreckenstaten»,<br />

geht bis weit in die<br />

Geschichte zurück und dient<br />

der Annäherung ans Thema:<br />

Nicht jede Schreckenstat ist<br />

Völkermord. Im zweiten, «Von<br />

der einzelnen Schreckenstat<br />

zur Völkervernichtung (Genozid)»,<br />

wird erläutert, welche gesellschaftlich-politischen<br />

und<br />

technisch-organisatorischen<br />

Entwicklungen den modernen<br />

Völkermord im 20. Jahrhundert<br />

erst möglich machten, der im<br />

umfangreichsten dritten Teil<br />

«Völkermorde im 20. Jahrhundert»<br />

an vier Beispielen dargestellt<br />

wird. Der vierte Teil «Völkermord<br />

– heute und morgen?»<br />

geht auf drei «aktuelle» Genozide ein. Zu kurz geraten ist der<br />

fünfte Teil «Wie verhindern wir Völkermord?», der Entwicklungen<br />

im Völkerrecht nach dem 2. Weltkrieg aufzeigt.<br />

Das Buch ist sorgfältig ausgearbeitet, sorgsam illustriert –<br />

28 <strong>vpod</strong> magazin <strong>124</strong>/01<br />

es vermeidet spektakulären Voyeurismus – und schreckt auch<br />

vor kontroversen Fragen nicht zurück, wie dem Völkermord<br />

an den ArmenierInnen oder im einleitenden Teil den Flächenbombardementen<br />

der Alliierten auf Dresden im 2. Weltkrieg.<br />

Es ist sehr zu wünschen, dass dieses Lehrmittel grosse Verbreitung<br />

findet und einen guten Einsatz im Unterricht findet.<br />

Dennoch möchte ich einige kritische Anmerkungen anbringen.<br />

Einige Kritikpunkte<br />

Das Buch hätte ein sorgfältigeres Lektorat verdient. Es sollte<br />

nicht mehr vorkommen, dass Muslime als «Mohammedaner»<br />

bezeichnet werden (Seite 9), und während im Grossen und<br />

Ganzen eine geschlechtsneutrale Sprache gepflegt wird, fallen<br />

einzelne Kapitel durch ihre rein männliche Prägung auf.<br />

Eindeutig zu kurz ausgefallen ist das Kapitel über den Kolonialismus,<br />

umso mehr als weder der Vernichtung der indianischen<br />

Bevölkerung Nordamerikas (einer der grössten Genozide<br />

in der Menschheitsgeschichte),<br />

noch der Sklaverei<br />

und dem (vor allem transatlantischen)<br />

SklavInnenhandel<br />

eigene Kapitel gewidmet sind.<br />

Zwangsläufig unbefriedigend,<br />

wenn auch keinesfalls überflüssig<br />

ist der aktuelle vierte<br />

Teil, müsste er doch laufend<br />

nachgeführt werden können.<br />

Das Schlusskapitel hätte sich<br />

für eine Auseinandersetzung<br />

mit der Haltung und der Rolle<br />

der Schweiz geradezu aufgedrängt.<br />

Warum hat sie fast<br />

vierzig Jahre gebraucht, um<br />

der Völkermordkonvention<br />

beizutreten – ist aber beim internationalen<br />

Strafgerichtshof<br />

von Anfang an dabei? Als Ergänzung<br />

sei auf die entsprechenden<br />

bundesrätlichen Botschaften<br />

verwiesen.<br />

Aber noch einmal, trotz der<br />

angeführten Kritiken ist dieses Lehrmittel sehr zu empfehlen.<br />

Vergessen oder Erinnern? Völkermord in Geschichte und Gegenwart, von Peter<br />

Gautschi und Helmut Meyer, 118 Seiten, Lehrmittelverlag des Kantons<br />

Zürich, 2001, Fr. 27.–, Schulpreis: Fr. 17.50

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