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E&W Dezember 2008 - GEW

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Erziehung<br />

undWissenschaft<br />

Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft <strong>GEW</strong> 12/<strong>2008</strong><br />

Studie 1 ·TestergebnisA · Untersuchung 1 · Bildungsbericht<br />

2001 · Gutachten 2001 · Studie 2 ·<br />

Testergebnis B · Untersuchung 2 · Bildungsbericht<br />

2002 · Gutachten 2002 · Studie 3 · Testergebnis C ·<br />

Untersuchung 3 · Bildungsbericht 2003 · Gutachten<br />

2003 · Studie 4 ·Testergebnis D · Untersuchung 4 ·<br />

Bildungsbericht 2004 · Gutachten 2004 · Studie 5 ·<br />

Testergebnis E · Untersuchung 5 · Bildungsbericht<br />

2005 · Gutachten 2005 · Studie 6 · Testergebnis F ·<br />

Untersuchung 6 · Bildungsbericht 2006 · Gutachten<br />

2006 · Studie 7 · Testergebnis G · Untersuchung 7 ·<br />

Bildungsbericht 2007 · Gutachten 2007 · Studie 8 ·<br />

Testergebnis H · Untersuchung 8 · Bildungsbericht<br />

<strong>2008</strong>·Gutachten <strong>2008</strong> · Studie 9 ·Testergebnis I · Untersuchung<br />

9 · Bildungsbericht 2009 · Gutachten 2009<br />

Studie 10 · Testergebnis J · Untersuchung 10 · Bildungsbericht<br />

2010 · Gutachten 2010 ·Studie 11 ·Testergebnis<br />

K · Untersuchung 11 · Bildungsbericht 2011<br />

PISA-E<br />

Den Daten müssen<br />

endlichTaten folgen


GASTKOMMENTAR<br />

Forscher, nur Mut!<br />

Seit mehr als acht Jahren überhäufen uns<br />

internationale und nationale Wissenschaftler<br />

mit Studien, Testergebnissen, Untersuchungen<br />

und Bildungsberichten: Auf PISA<br />

weltweit folgt PISA Deutschland, jetzt zum<br />

dritten Mal. Die empirische Bildungsforschung<br />

boomt. Bundesbildungsministerin<br />

Annette Schavan (CDU) schüttet ihr Füllhorn<br />

großzügig über dieser wissenschaftlichen<br />

Zunft aus und umgarnt sie mit zahllosen<br />

Beiräten, Kommissionen und Konsortien.<br />

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />

liefern Berichte und Gutachten<br />

über Gutachten, die oft genug<br />

in den Schubladen der<br />

Ministerien verschwinden,<br />

bis sie auf dem Schreibtisch<br />

des unermüdlichen Karl-<br />

Heinz Reith der Nachrichtenagentur<br />

dpa auftauchen<br />

und kurzfristig hektische<br />

mediale und politische<br />

Reaktionen auslösen. Aus<br />

dem Boom der Forschung<br />

folgt nichts, zumindest nicht<br />

das, was folgen sollte: eine<br />

wissenschaftlich fundierte,<br />

gesamtstaatliche Bildungs-<br />

planung.<br />

Und sie wird auch erklärter- Jutta Roitsch<br />

maßen nicht gewollt, wie<br />

der so genannte Dresdner Bildungsgipfel<br />

dokumentiert hat (s. E&W 11/<strong>2008</strong>, Seiten<br />

26-28). Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

(CDU) hat keine tatsächliche Durch- und<br />

Umsetzungsmacht in der Bildungspolitik,<br />

jeder der 16 Ministerpräsidenten verfolgt<br />

eine je eigene Linie, die mit Bildungspolitik<br />

wenig zu tun hat. Das ist der eigentliche<br />

Skandal in Deutschland. Dies ist eine Folge<br />

der ersten Föderalismusreform aus dem<br />

Jahr 2006, die Merkel und Vizekanzler<br />

Franz Müntefering (SPD) damals als einen<br />

machtvollen Durchbruch feierten, zu dem<br />

nur eine Große Koalition fähig sei.<br />

Der angebliche Durchbruch wandelte sich<br />

in einen Abbruch. Eine gesamtstaatliche<br />

Bildungsplanung, wie sie schlecht und<br />

recht, aber immerhin in der Bund-Länder-<br />

Kommission für Bildungsplanung (BLK)<br />

über drei Jahrzehnte eingeübt worden war,<br />

beendeten die Großkoalitionäre mit einem<br />

Federstrich. Die „wirksamen Steuerungsinstrumente“,<br />

die sich Bund und Länder<br />

ausdenken wollten, stehen als Ankündigung<br />

immer noch auf der Homepage des<br />

Bundesbildungsministeriums. Die Kultusminister<br />

sprechen neuerdings verschwiemelt<br />

von ländereinheitlichen oder länder-<br />

2 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

übergreifenden Maßnahmen, so als gäbe<br />

es die Bundesrepublik nicht, sondern einen<br />

losen Staatenbund. Zu einer gesamtstaatlichen<br />

Verantwortung für die Bildung und<br />

Ausbildung der Kinder und Jugendlichen in<br />

Deutschland haben sich weder die Kultusminister<br />

noch die Ministerpräsidenten<br />

durchringen können. Sie leben den föderalen<br />

Wettbewerb aus und sind Darsteller in<br />

eigener Sache.<br />

Dies betrifft nicht nur die Bildungs-, sondern<br />

auch die Integrationspolitik, die in<br />

Berlin mit bombastischem Forschungs- und<br />

Kommissionsaufwand beschworen<br />

wird und dann in<br />

den Ländern versickert.<br />

Doch hier ereignete sich<br />

jetzt Erstaunliches: Sonst<br />

stets um das Wohlwollen<br />

der Regierenden bemühten<br />

Wissenschaftlern und noblen<br />

Stiftungen riss der Geduldsfaden.<br />

Mitte Oktober<br />

<strong>2008</strong> setzten acht deutsche<br />

Stiftungen einen unabhängigen,<br />

ehrenamtlich arbeitendenSachverständigenrat<br />

Integration und Migration<br />

nebst Geschäftsstelle<br />

ein. Der Rat soll das Themenfeld<br />

Integration systematisch,<br />

kontinuierlich und unabhängig<br />

kritisch begleiten. Dieser Schritt ist bisher<br />

einmalig und sagt viel über das Verhältnis<br />

von Wissenschaft und Politik aus. Er schafft<br />

neue Fakten, löst die Forscher aus der politischen<br />

Abhängigkeit wie Einbindung und<br />

gibt ihnen ein Stück (Bewegungs- und Meinungs-)Freiheit<br />

zurück. Großartig.<br />

Ein solcher Schritt ist auch für das gesellschaftspolitisch<br />

ebenso entscheidende<br />

Themenfeld Bildung fällig. Bildungsforscher,<br />

die sich nun acht Jahre die immer<br />

wiederkehrenden Reflexe und Ignoranzen<br />

der Politiker in Bund und Ländern zugemutet<br />

haben, sollten so entschlossen wie der<br />

Rat für Integration ihre Unabhängigkeit<br />

zurückerobern. Ein solches zweites Signal<br />

durch die Stiftungen könnte die Politik<br />

nachhaltig (ver-)stören. Nur Mut, Bildungsforscher<br />

und Stifter, die Kinder und Jugendlichen,<br />

die Jahr für Jahr im Bildungssystem<br />

scheitern und in der Ausbildung abgehängt<br />

werden, brauchen gewichtige Fürsprecher.<br />

Sonst passiert nichts.<br />

Foto: privat<br />

Jutta Roitsch, Bildungsjournalistin, ehem.<br />

Redakteurin der Frankfurter Rundschau<br />

Prämie<br />

des Monats<br />

Seite 5<br />

Engagement zahlt sich doppelt aus:<br />

Werben Sie im <strong>Dezember</strong> ein neues<br />

<strong>GEW</strong>-Mitglied und spenden Sie damit<br />

30 Euro für ein internationales<br />

Hilfsprojekt. Es danken Ihnen: die<br />

<strong>GEW</strong> und ein Mensch, der Unterstützung<br />

braucht!<br />

Impressum<br />

Erziehung und Wissenschaft<br />

Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung · 60. Jg.<br />

Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft<br />

im Deutschen Gewerkschaftsbund.<br />

Vorsitzender: Ulrich Thöne.<br />

Redaktion: Ulf Rödde (verantwortlich),<br />

Helga Haas-Rietschel.<br />

Redaktionsassistenz: Renate Körner.<br />

Postanschrift der Redaktion:<br />

Reifenberger Straße 21, 60489 Frankfurt a. M.,<br />

Telefon (0 69) 7 89 73-0, Telefax (0 69) 7 89 73-202.<br />

Internet: www.gew.de<br />

Redaktionsschluss ist der 10. eines jeden Monats.<br />

Erziehung und Wissenschaft erscheint elfmal jährlich, jeweils<br />

am 5. des Monats mit Ausnahme der Sommerferien.<br />

Gestaltung: Werbeagentur Zimmermann,<br />

Heddernheimer Landstraße 144, 60439 Frankfurt<br />

Druck: apm AG, Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt.<br />

Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag<br />

enthalten. Für Nichtmitglieder beträgt der Bezugspreis<br />

jährlich Euro 7,20 zuzüglich Euro 11,30 Zustellgebühr inkl.<br />

MwSt. Für die Mitglieder der Landesverbände Bayern,<br />

Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Rheinland-Pfalz, Saar, Sachsen, Schleswig-Holstein und<br />

Thüringen werden die jeweiligen Landeszeitungen der<br />

E&W beigelegt. Für unverlangt eingesandte Manuskripte<br />

und Rezensionsexemplare wird keine Verantwortung<br />

übernommen. Die mit dem Namen des Verfassers gekennzeichneten<br />

Beiträge stellen nicht unbedingt die<br />

Meinung der Redaktion oder des Herausgebers dar.<br />

Verlag mit Anzeigenabteilung: Stamm Verlag GmbH,<br />

Goldammerweg 16, 45134 Essen;<br />

Verantw. f. Anzeigen: Mathias Müller,<br />

Tel. (0201) 84300-0,Telefax (0201) 472590,<br />

anzeigen@stamm.de; www.stamm.de;<br />

zz. gültige Anzeigenpreisliste Nr. 36 vom 1. 1. 2007;<br />

Anzeigenschluss am 5. des Vormonats.<br />

E&W wird auf chlorfrei<br />

gebleichtem Papier gedruckt.<br />

ISSN 0342-0671


Vorbild Sachsen? – fragt Jürgen Amendt in unserer Titelgeschichte<br />

zur aktuellen PISA-Ergänzungsstudie. Kaum<br />

Neues und Besseres resümiert Karlheinz Rosenzweig über<br />

die Ergebnisse. Auf ein methodisches Chaos des deutschen<br />

PISA-Konsortiums weist Marianne Demmer hin. Was bringen<br />

die Vergleiche für Lehrende und Lernende?<br />

Klaus-Jürgen Tillmann macht deutlich, dass PISA-Befunde<br />

vor allem machtpolitischem Kalkül dienen. Die Schülerleistungen<br />

differieren zwischen den Ländern zum Teil sehr<br />

stark. Klaus Klemm sieht einen deutlichen Zusammenhang<br />

mit den unterschiedlichen sozioökonomischen Bedingungen.<br />

Fest steht: Die Kernprobleme des deutschen Bildungssystems<br />

bleiben nach wie vor ungelöst. Weitere Beiträge<br />

von Jutta Roitsch und Eckhard Stengel.<br />

Schwerpunkt PISA-E ab Seite 6<br />

Gastkommentar<br />

Forscher, nur Mut! Seite 2<br />

Impressum Seite 2<br />

Auf einen Blick Seite 4<br />

Prämie des Monats Seite 5<br />

Titel: PISA-E<br />

1. Vorbild Sachsen? Seite 6<br />

2. Bremen: „Richtig unter Dampf“ Seite 10<br />

3. Bundesländervergleich – zum Letzten Seite 13<br />

4. Testen – testen – testen Seite 16<br />

5. Gleichwertige Lebensverhältnisse? Seite 18<br />

6. Machtpolitisches Kalkül bestimmt Reformen Seite 21<br />

7. „Wir brauchen keinen weiteren Sonderschultyp“ Seite 23<br />

Tarifrunde 2009<br />

1. Geld ist genug da, ... Seite 24<br />

2. Eine unendliche Geschichte:<br />

Ohne Druck keine akzeptable Entgeltordnung Seite 24<br />

Wirtschaftspolitik<br />

Finanzmarktkrise: Geplatzte Illusionen Seite 26<br />

Bildungspolitik<br />

1. Kommentar: Migrantenkinder massiv fördern Seite 28<br />

2. Interview mit Andreas Meyer-Lauber:<br />

„Motivation funktioniert nicht über Geld“ Seite 29<br />

Foto: Christian Nitsche<br />

Die E&W-Redaktion wünscht allen Leserinnen<br />

und Lesern ein friedliches, besinnliches und<br />

fröhliches Weihnachtsfest und ein gesundes,<br />

anregendes und produktives 2009!<br />

Berufliche Bildung/Weiterbildung<br />

1. Schule bildet nicht nur für die Wirtschaft aus Seite 30<br />

2. Herbstakademie Weiterbildung: Ohne Druck geht es nicht Seite 31<br />

Gender<br />

1. Gendergerechtigkeit in der Schule Seite 32<br />

2. Kommentar: Wir brauchen genderkompetente Lehrkräfte Seite 33<br />

Hochschule und Forschung<br />

1. KISSWIN-Kongress:<br />

„Googelst du noch oder forschst du schon?“ Seite 34<br />

2. Kommentar: Berechenbare Karriereperspektiven Seite 35<br />

Internationales<br />

Spenden für Südafrika: „Häuser jetzt!“ Seite 36<br />

<strong>GEW</strong>-Intern<br />

1. BFW: Schulpartnerschaft mit Nicaragua Seite 37<br />

2. BFW Seite 38<br />

Marktplatz Seite 41<br />

Leserforum Seite 43<br />

Diesmal Seite 48<br />

Titel: Werbeagentur Zimmermann<br />

Liebe Kolleginnen<br />

und Kollegen,<br />

in der Heftmitte dieser E&W-<br />

Ausgabe findet ihr zwei Flugblätter<br />

aus der Mitgliederwerbe-Serie<br />

„Auf ein Wort...“. Flugblatt<br />

eins richtet sich an Beschäftigte<br />

in Schulen, Flugblatt<br />

zwei thematisiert die Arbeitsbedingungen<br />

in Hochschule und<br />

Forschung. Nutzt die Infos, um<br />

Kolleginnen und Kollegen aus<br />

eurem Arbeitsumfeld auf eine<br />

Mitgliedschaft in der <strong>GEW</strong> anzusprechen.<br />

Insbesondere mit<br />

Blick auf die ins Haus stehende<br />

Tarif- und Besoldungsrunde<br />

2009.<br />

Die ersten Rückmeldungen auf<br />

diese Aktion sind positiv – und<br />

damit ermutigend. Deshalb gehen<br />

wir jetzt in die dritte Runde.<br />

Je mehr Mitglieder für die <strong>GEW</strong><br />

stehen, desto größer ist ihre<br />

Durchsetzungskraft. Das gilt für<br />

die Beamten- und Tarifpolitik<br />

ebenso wie in der Bildungspolitik.<br />

Deshalb schon jetzt: Vielen<br />

Dank für eure Unterstützung!<br />

Ilse Schaad, Ulf Rödde<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 3


AUF EINEN BLICK<br />

Infos zu TALIS:<br />

http://www.oecd.org/d<br />

ocument/0/0,3343,en_<br />

2649_39263231_380521<br />

60_1_1_1_1,00.html#4<br />

Rund 100 000<br />

Schülerinnen und<br />

Schüler protestierten<br />

Anfang<br />

November bundesweit<br />

gegen<br />

die Bildungsmisere<br />

in<br />

Deutschland.<br />

<strong>GEW</strong> befragt Lehrkräfte und Schulleitungen zur Arbeitssituation<br />

Die Kultusminister wollen zwar nicht wissen, was wir denken, wir sagen es ihnen aber trotzdem: In der ersten <strong>Dezember</strong>woche<br />

startet die <strong>GEW</strong> eine für Mitglieder im Schulbereich repräsentative Mail-Online-Befragung über deren berufliche Situation. Die<br />

für die Stichprobe gezogenen Mitglieder werden per E-Mail benachrichtigt. Die <strong>GEW</strong> bittet die Mitglieder, an der Umfrage teilzunehmen.<br />

Bis zum 31. <strong>Dezember</strong> <strong>2008</strong> können die Fragebögen ausgefüllt werden. Nachdem die Kultusminister der Länder es abgelehnt<br />

hatten, sich an TALIS (Teaching and Learning International Survey), einer internationalen Lehrer-Befragung der OECD,<br />

zu beteiligen, ist jetzt die Bildungsgewerkschaft in die Bresche gesprungen.<br />

24 Länder der OECD nehmen an der TALIS-Umfrage teil. Diese Staaten haben erkannt, dass die Probleme des Bildungsbereichs<br />

nur dann erfolgreich angepackt werden können, wenn die berufliche Lage, das professionelle Wissen und Können sowie die Einstellungen<br />

der Lehrkräfte und Schulleitungen zu ihrer Tätigkeit und gegenüber den Schülern einbezogen werden. Die <strong>GEW</strong> will<br />

Pädagoginnen und Pädagogen sowie Schulleitungen die Möglichkeit geben, sich an der internationalen Debatte über die Weiterentwicklung<br />

ihrer Profession zu beteiligen. Deshalb führt die Bildungsgewerkschaft die Befragung – mit Einverständnis der<br />

OECD – auf der Grundlage der TALIS-Fragebögen durch. Die Daten verbleiben bei der <strong>GEW</strong>, die Auswertung übernehmen Experten.<br />

Darüber hinaus können sich alle anderen Lehrkräfte für eine (nicht repräsentative) Sonderauswertung ab Anfang <strong>Dezember</strong> an<br />

der Befragung über die Homepage der <strong>GEW</strong> www.gew.de beteiligen.<br />

Schülerproteste gegen Bildungsmisere<br />

Rund 100 000 Schülerinnen<br />

und Schüler haben Anfang<br />

November bundesweit gegen<br />

die Bildungsmisere in<br />

Deutschland protestiert. Der<br />

überwiegend friedliche Protest<br />

richtete sich gegen Unterrichtsausfall,Lehrermangel,<br />

Turboabitur, Prüfungsstress<br />

und das gegliederte, selektive<br />

Schulsystem. Die<br />

<strong>GEW</strong> begrüßte die Schülerproteste.<br />

Schüler wie Lehrkräfte<br />

benötigten „gute Schulen und gute Lernbedingungen“,<br />

sagte Marianne Demmer, Leiterin des <strong>GEW</strong>-Organisationsbereichs<br />

Schule. Die Forderungen der Schüler deckten sich mit<br />

vielen Vorschlägen zur qualitativen Verbesserung des Schulwesens,<br />

die die <strong>GEW</strong> gemacht hat. Auch die Bildungsgewerkschaft<br />

setze sich, so Demmer, für die Verwirklichung von mehr<br />

Chancengleichheit für alle Kinder und Jugendlichen ein.<br />

4 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

Foto: imago<br />

Berliner Beschäftigte erstreiken Tarifkompromiss<br />

Nach massiven Streiks der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Berlin im<br />

Oktober (s. E&W 11/<strong>2008</strong>) und Anfang November – daran hatten sich jeweils<br />

über 8000 angestellte Lehrkräfte beteiligt – erzielten die Gewerkschaften des<br />

öffentlichen Dienstes ver.di und <strong>GEW</strong> mit den Arbeitgebern einen Tarifkompromiss.<br />

Das Ergebnis der Urabstimmung der Mitglieder lag bei Redaktionsschluss<br />

noch nicht vor. Die <strong>GEW</strong>-Landesvorsitzende Rose-Marie Seggelke geht<br />

davon aus, „dass das nötige Urabstimmungsquorum erreicht wird“. Die tariflichen<br />

Regelungen im Einzelnen:<br />

● Die monatliche Vergütung wird ab dem 1. Juni 2009 für Vollbeschäftigte um<br />

35 Euro (Sockelbetrag) erhöht und dauerhaft, also über <strong>Dezember</strong> 2009 hinaus,<br />

gezahlt.<br />

● 2009 werden Tarifverhandlungen zur Übernahme des Tarifvertrages der<br />

Länder bzw. des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes (TV-L/TVöD) zum 1.<br />

Januar 2010 geführt.<br />

● Innensenator Ehrhart Körting (SPD) signalisierte, er sei zu Gesprächen bereit,<br />

wenn in der bundesweiten Tarifrunde 2009 im Bereich des TV-L Einkommensverbesserungen<br />

vereinbart werden.<br />

● Die Absenkungsregelungen gemäß Anwendungstarifvertrag laufen zum 31.<br />

<strong>Dezember</strong> 2009 definitiv aus.<br />

Weitere Infos s. auch: www.gew-berlin.de<br />

Riester-Zulage für 2006 beantragen<br />

Alle angestellten Lehrkräfte in den östlichen Bundesländern<br />

und alle anderen Beschäftigten im Tarifgebiet Ost, die bei der<br />

Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) pflichtversichert<br />

sind, haben für ihren Arbeitnehmerbeitrag zur Zusatzversorgung,<br />

den der Arbeitgeber automatisch von ihrem<br />

Gehalt einbehält, Anspruch auf „Riester“-Förderung (Altersvorsorgezulagen<br />

und Steuerbefreiung). Die Zulagen gibt es<br />

nur auf Antrag. Die volle Steuerförderung erhält nur, wer zuvor<br />

Zulagen beantragt hat. Dabei genügt es, einmal über die<br />

Personalstelle an die VBL einen Dauer-Zulagenantrag zu stellen,<br />

dieser bleibt für die Folgejahre gültig. Viele Kolleginnen<br />

und Kollegen haben jedoch noch keine Anträge gestellt. Für<br />

die Riester-Zulagen für 2006 läuft die Antragsfrist Ende <strong>2008</strong><br />

ab. Wer sie nicht einhält, verschenkt Geld! Auch für Kolleginnen<br />

und Kollegen, die einen privaten Riester-Vertrag abgeschlossen<br />

haben, ist der Zulagenantrag bei der VBL interessant,<br />

weil diese dann in ihren Privat-Vertrag weniger einzahlen<br />

müssen, um die Höchstförderung zu erhalten. Auskünfte erteilen<br />

neben den Personal- auch die <strong>GEW</strong>-Landesrechtsschutzstellen.<br />

Kommunen müssen Klassenfahrten<br />

für Hartz IV-Kinder zahlen<br />

Müssen Kinder von Hartz IV-Empfängern<br />

zu Hause bleiben, wenn ihre Mitschüler auf<br />

Klassenfahrt gehen? Nein! Das Bundessozialgericht<br />

hat jetzt aufgrund der Klage einer<br />

Berliner Familie entschieden: Die Kommunen<br />

müssen die gesamten Kosten für Klassenfahren<br />

übernehmen. Höchstgrenzen<br />

festzulegen erlaube das Sozialgesetz nicht,<br />

befand das Bundessozialgericht. „Kinder sollen<br />

gerade im schulischen Bereich nicht<br />

benachteiligt werden“, hieß es in der Urteilsbegründung.<br />

Die Behörden sind damit verpflichtet,<br />

einen Zuschuss und nicht nur ein<br />

Darlehen zum Arbeitslosengeld II zu gewähren.<br />

Allerdings müssen die Klassenfahrten,<br />

damit die Kosten erstattet werden, die<br />

entsprechenden schulrechtlichen Bestimmungen<br />

der einzelnen Länder erfüllen.<br />

(Az: B 14 AS 36/07 R)


#<br />

Bitte in Druckschrift ausfüllen.<br />

Ihre Daten sind entsprechend den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes geschützt.<br />

...für jedes neu geworbene <strong>GEW</strong>-Mitglied unternehmen Sie etwas gegen den Hunger in derWelt.<br />

Antrag auf<br />

Mitgliedschaft<br />

Vorname/Name<br />

Straße/Nr.<br />

Land/PLZ/Ort<br />

Geburtsdatum/Nationalität<br />

Bisher gewerkschaftlich organisiert bei von bis (Monat/Jahr)<br />

Jedes Mitglied der <strong>GEW</strong> ist verpflichtet,den satzungsgemäßen Beitrag zu entrichten und<br />

seine Zahlungen daraufhin regelmäßig zu überprüfen.<br />

Mit meiner Unterschrift auf diesem Antrag erkenne ich die Satzung der <strong>GEW</strong> an und ermächtige<br />

die <strong>GEW</strong> zugleich widerruflich,den von mir zu leistenden Mitgliedsbeitrag vierteljährlich<br />

von meinem Konto abzubuchen.<br />

Ort/Datum Unterschrift<br />

Daten desWerbers<br />

Ich habe die oben genannte Person als neues <strong>GEW</strong>-Mitglied geworben.<br />

Vorname/Name<br />

Straße/Nr.<br />

PLZ/Ort<br />

Prämie des Monats <strong>Dezember</strong><br />

Ihr Mitgliedsbeitrag:<br />

- Beamtinnen und Beamte zahlen 0,75 Prozent der 6. Stufe.<br />

- Angestellte zahlen 0,7 Prozent der Entgeltgruppe und Stufe, nach der vergütet wird.<br />

- Der Mindestbeitrag beträgt immer 0,6 Prozent der untersten Stufe der Entgeltgruppe 1 des TVöD.<br />

- Arbeitslose zahlen ein Drittel des Mindestbeitrages.<br />

- Studierende zahlen einen Festbetrag von 2,50 Euro.<br />

- Mitglieder im Referendariat oder Praktikum zahlen einen Festbetrag von 4 Euro.<br />

- Mitglieder im Ruhestand zahlen 0,66 Prozent ihrer Ruhestandsbezüge.<br />

Weitere Informationen sind der Beitragsordnung zu entnehmen.<br />

Telefon Fax<br />

E-Mail<br />

Berufsbezeichnung/-ziel beschäftigt seit Fachgruppe<br />

Name/Ort der Bank<br />

Kontonummer BLZ<br />

Besoldungs-/Entgeltgruppe gültig seit Stufe Bruttoeinkommen € monatlich<br />

Betrieb/Dienststelle Träger<br />

Straße/Nr. des Betriebes/der Dienststelle PLZ/Ort<br />

<strong>GEW</strong>-Landesverband<br />

Telefon Fax<br />

E-Mail<br />

Mitmachen<br />

lohnt sich!<br />

Eine 30-Euro-Spende für internationale Organisationen<br />

(Bitte wählen Sie zwischen dem Heinrich-Rodenstein-Fonds und derWelthungerhilfe)<br />

Spende für dieWelthungerhilfe<br />

Spende für den<br />

Heinrich-Rodenstein-Fonds<br />

E+W-Prämie des<br />

Monats <strong>Dezember</strong> <strong>2008</strong>/<br />

Spende<br />

Beschäftigungsverhältnis<br />

angestellt<br />

beamtet<br />

Honorarkraft<br />

in Rente<br />

pensioniert<br />

Altersübergangsgeld<br />

arbeitslos<br />

beurlaubt ohne Bezüge<br />

teilzeitbeschäftigt mit<br />

Prozent<br />

im Studium<br />

ABM<br />

Vorbereitungsdienst/<br />

Berufspraktikum<br />

befristet bis<br />

Sonstiges<br />

Bitte den Antrag vollständig<br />

ausfüllen und<br />

an folgende Adresse<br />

senden:<br />

Gewerkschaft<br />

Erziehung<br />

und Wissenschaft<br />

Brigitte Stamm<br />

Reifenberger Straße 21<br />

60489 Frankfurt a.M.<br />

Fax:069/78973-102<br />

Vielen Dank!<br />

Ihre <strong>GEW</strong><br />

Dieses Angebot gilt nur für <strong>GEW</strong>-Mitglieder.


Vorbild S<br />

Im ostdeutschen Freistaat ticken die PISA-Uhren etwas anders<br />

6 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong>


achsen?<br />

Sachsen hat im aktuellen innerdeutschen PISA-Vergleich<br />

am besten abgeschnitten. Steht in allen getesteten<br />

Disziplinen – Naturwissenschaften, Mathematik,<br />

Lese- und Textverständnis – an der Spitze und verweist<br />

damit den bisherigen Spitzenreiter Bayern auf<br />

den zweiten Rang. Der Lernvorsprung zum Schlusslicht<br />

Bremen beträgt bis zu zwei Schuljahre (s. Seite<br />

10). Sind ein zweigliedriges Schulsystem, kleinere<br />

Klassen, bessere Lehrerversorgung die Gründe für das<br />

relativ hohe Leistungsniveau sächsischer Schülerinnen<br />

und Schüler? Bestätigen die PISA-Ergebnisse (s. Seite<br />

13 f.) die Schulpolitik des Freistaats? Ist Sachsen,<br />

schulisch gesehen, also Vorbild?<br />

*Im Schnitt gibt<br />

Deutschland 5 100 Euro<br />

pro Schüler aus.<br />

**Quelle: Sächsischer<br />

Bildungsbericht<br />

2007/08, er bezieht sich<br />

auf das Statistische Bundesamt<br />

und „eigene Berechnungen“.<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 7<br />

Foto: Christian Nitsche


PISA-E<br />

Viel Druck am<br />

sächsischen Gymnasium:<br />

„Das<br />

Niveau unserer<br />

Vergleichstests<br />

ist zu hoch“,<br />

kritisiert Schulleiterin<br />

Uta<br />

Machner.<br />

*Im Schnitt gibt<br />

Deutschland 5100 Euro<br />

pro Schüler aus.<br />

**Quelle: Sächsischer<br />

Bildungsbericht<br />

2007/08, er bezieht sich<br />

auf das Statistische<br />

Bundesamt und<br />

„eigene<br />

Berechnungen“.<br />

Die sächsische<br />

<strong>GEW</strong>-Landesvorsitzende<br />

Sabine<br />

Gerold: „Wir hatten<br />

nach der Wende<br />

durch stabile<br />

politische Mehrheiten<br />

eine gewisse<br />

Kontinuität<br />

in der Bildungspolitik.<br />

Das ist für<br />

die Arbeit von<br />

Lehrerinnen und<br />

Lehrern immer<br />

hilfreich.“<br />

Foto: <strong>GEW</strong> Sachsen Foto: Ulli Winkler<br />

Brauner, abgeblätterter Putz,<br />

kaputte Fensterscheiben –<br />

sieht so eine deutsche PISA-<br />

Sieger-Schule aus? Das Humboldt-Gymnasium<br />

im Leipziger<br />

Stadtteil Reudnitz hat<br />

schon bessere Zeiten erlebt. 100 Jahre alt<br />

ist die Schule in diesem Jahr geworden.<br />

Das Gebäude, in dem die rund 600<br />

Zehn- bis 18-Jährigen täglich lernen,<br />

macht den Eindruck, als ob der Zahn<br />

der Zeit doppelt so lange an der<br />

Substanz genagt hat. „Das wird alles besser“,<br />

sagt Schulleiterin Uta Machner<br />

gleich beim Empfang. „Im nächsten<br />

Jahr beginnt die Sanierung des Gebäudes.“<br />

Zwei Lernprofile<br />

Das pädagogische Innenleben der<br />

Schule ist dagegen schon vor Jahren saniert<br />

worden. Hier lernen angehende<br />

Musiker und bildende Künstler Tür an<br />

Tür mit späteren Ingenieuren, Informatikern<br />

oder Biologen. Das Humboldt-<br />

Gymnasium bietet dazu zwei Lernprofile<br />

an: eine naturwissenschaftlichtechnisch<br />

orientierte Fächerwahl und<br />

eine Kombination aus Kunst und Musik.<br />

Im jeweiligen Schwerpunkt wird<br />

zusätzlich eine Stunde pro Woche interdisziplinär<br />

unterrichtet, so sind im<br />

Profilbereich Naturwissenschaften die<br />

Fächer Physik, Chemie und Biologie<br />

zu einem Fach zusammengefasst. An<br />

drei Tagen in der Woche bleiben die<br />

Kinder und Jugendlichen auch nachmittags<br />

in der Schule. Es gibt Hausaufgabenbetreuung<br />

und Förderunterricht<br />

sowohl für Leistungsschwächere wie<br />

auch für die besonders Begabten. Das<br />

gelte vor allem für den Bereich Naturwissenschaft/Mathematik,<br />

für den es<br />

Kooperationsvereinbarungen mit den<br />

örtlichen Hochschulen gebe. Hierdurch<br />

könnten bereits Achtklässler<br />

Uni-Luft schnuppern.<br />

Das Gymnasium liegt damit auf der<br />

vom sächsischen Schulministerium vorgegebenen<br />

Linie. Dieses hatte nach der<br />

ersten PISA-Studie verkündet: Wir sind<br />

gut, wollen aber noch besser werden!<br />

Der Schwerpunkt liegt dabei auf einem<br />

Ausbau des fächerübergreifenden, interdisziplinären<br />

Unterrichts sowie von<br />

Ganztagsangeboten. Außerdem wird<br />

Informatik-Bildung – in anderen Bundesländern<br />

oft stiefmütterlich behandelt<br />

– seit der ersten PISA-Studie als verbindlicher<br />

Lerninhalt bereits in der<br />

Grundschule vermittelt.<br />

Sachsen hat nach PISA aber noch andere<br />

Schlussfolgerungen gezogen. Eine davon<br />

heißt: Wenn wir im innerdeutschen<br />

Vergleich gut abschneiden, dann haben<br />

8 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

Foto: Ulli Winkler<br />

Am Humboldt-Gymnasium in Leipzig blättert der Putz ab. Das 100-jährige Gebäude<br />

ist höchst renovierungsbedürftig. Das schulische Innenleben dagegen ist schon vor<br />

Jahren saniert worden. Hier lernen angehende Musiker und bildende Künstler Tür an<br />

Tür mit späteren Ingenieuren, Informatikern oder Biologen.<br />

wir schon vor PISA alles richtig gemacht!<br />

Bei der sächsischen Bildungsagentur<br />

verweist man auf die im Bundesvergleich<br />

überdurchschnittlichen<br />

Ausgaben von 5800 Euro jährlich pro<br />

Schüler*, die zentralen Abschlussprüfungen,<br />

das Abitur nach der 12. Klasse<br />

sowie die Wiedereinführung der Ziffernnoten<br />

schon für Zweitklässler Mitte der<br />

1990er-Jahre. Zudem sei die Klassengröße<br />

gerade in der Sekundarstufe I kleiner<br />

als in anderen Ländern. Während<br />

bundesweit 2007 in den Klassen 5 bis 10<br />

statistisch gesehen 24,7 Kinder pro Klasse<br />

lernten, seien es in Sachsen zwei<br />

Schüler weniger gewesen. Kleinere Klassen,<br />

aber auch eine bessere Lehrerversorgung<br />

– in der Sekundarstufe I: 12,4<br />

Schüler pro Lehrer – schaffen vergleichsweise<br />

gute Lern- und Arbeitsbedingungen.<br />

Schlussfolgerungen nach PISA<br />

Ergänzt werden diese Maßnahmen<br />

durch so genannte Orientierungsarbeiten<br />

in den Fächern Deutsch und Mathematik<br />

in den dritten Klassen sowie zusätzlich<br />

in Englisch an den Mittelschulen<br />

und Gymnasien in den Klassenstufen<br />

6 und 8. „Das Niveau dieser Tests ist<br />

zu hoch“, kritisiert Uta Machner. „Die<br />

Ergebnisse fallen schlechter aus als die<br />

Leistungen, die die Schüler während des<br />

ganzen Jahres über erbringen.“ Sie setzt<br />

deshalb darauf, dass mit der von der<br />

Landesregierung versprochenen Um-<br />

stellung auf Kompetenztests, die nicht<br />

benotet werden müssen, der Druck auf<br />

Lehrer wie Schüler ab dem nächsten<br />

Schuljahr weniger wird.<br />

Die sächsische <strong>GEW</strong>-Vorsitzende Sabine<br />

Gerold ist nicht ganz so optimistisch. Sie<br />

fürchtet, dass sich inhaltlich an den Vergleichstests<br />

nicht viel ändern wird und<br />

dass die Arbeiten zu einem Schulranking<br />

missbraucht werden könnten. Sie<br />

teilt auch nur bedingt die Zufriedenheit<br />

des Schulministeriums in Dresden mit<br />

dem sehr guten Abschneiden sächsischer<br />

Schüler beim innerdeutschen<br />

PISA-Test (PISA-E). Im Freistaat seien<br />

die sozialen Unterschiede noch nicht so<br />

groß wie in vielen westdeutschen Ländern<br />

(s. Seite 18 f.). Zudem haben hier,<br />

wie ein Blick in die Statistik zeige, Migranten<br />

weniger Probleme mit dem<br />

Schulsystem und umgekehrt. So gehen<br />

42 Prozent der jungen Vietnamesen, die<br />

ein Viertel der rund 3,7 Prozent Schüler<br />

mit Migrationshintergrund** im Land<br />

stellen, aufs Gymnasium. Insgesamt<br />

stieg der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund<br />

an den Gymnasien in<br />

den vergangenen fünf Jahren von 1,9 auf<br />

3,6 Prozent. Am Leipziger Humboldt-<br />

Gymnasium sind es vor allem Schüler<br />

aus den GUS-Staaten, die durch gute<br />

Leistungen glänzen.<br />

<strong>GEW</strong> ist nicht optimistisch<br />

Der erste sächsische Bildungsbericht,<br />

den Schulminister Roland Wöller (CDU)


Anfang Oktober<br />

<strong>2008</strong> vorlegte, bestätigt<br />

die PISA-<br />

Befunde. Die<br />

Übertrittsquote<br />

auf die Gymnasien<br />

nach der vierten<br />

Klasse ist im<br />

vergangenen<br />

Schuljahr landesweit<br />

auf 50,5 Prozent<br />

gestiegen,<br />

die Unterschiede<br />

zwischen den<br />

Landkreisen sind<br />

gering. Sachsen<br />

nimmt damit eine<br />

Spitzenposition<br />

unter allen 16<br />

Bundesländern<br />

ein. Die Befürchtungen,Gymnasiallehrerversuchten,leistungsschwächereKinder<br />

auf die Mittelschulenabzustufen,<br />

haben sich<br />

nicht bewahrheitet.<br />

Sachsenweit<br />

liegt die entsprechende<br />

Quote<br />

jährlich bei rund<br />

zwei Prozent. Sabine<br />

Gerold sieht<br />

den Grund auch<br />

in der Ausbildung<br />

der Lehrer, die ihr<br />

Handwerk in der<br />

Regel noch in der<br />

DDR gelernt und<br />

daher „einen<br />

Blick für die Notwendigkeitindividueller<br />

Förderung” hätten.<br />

Allerdings bleiben auf dem Weg zum<br />

Abitur in den höheren Klassen überdurchschnittlich<br />

viele Schüler auf der<br />

Strecke. An Uta Machners Schule liegt<br />

die Durchfallerquote jährlich bei fünf<br />

bis zehn Prozent, landesweit haben im<br />

vergangenen Schuljahr fast zehn Prozent<br />

der Zwölftklässler die hohe Messlatte<br />

des sächsischen Zentralabiturs<br />

nicht überspringen können und die Tendenz<br />

der vergangenen Jahre ist laut Bildungsbericht<br />

ansteigend.<br />

Im sächsischen Schulministerium sieht<br />

man solche Zahlen ganz und gar nicht<br />

gerne und verweist lieber auf die Bildungsangebote<br />

der Mittelschulen.<br />

Roman Schulz von der Regionalstelle<br />

Leipzig der sächsischen Bildungsagentur<br />

betont, dass Schulen, in denen<br />

Haupt- und Realschüler gemeinsam ler-<br />

nen, anderen unionsgeführten Ländern<br />

heute als Vorbild dienten. Die bildungspolitische<br />

Sprecherin der Linksfraktion<br />

im sächsischen Landtag, Cornelia Falken,<br />

sieht diese Vorbildfunktion dagegen nur<br />

bedingt. Zum einen sei es begrüßenswert,<br />

dass man in Sachsen nicht den<br />

Fehler gemacht habe, nach der Wende<br />

das dreigliedrige System aus dem Westen<br />

zu importieren und auf die Hauptschule<br />

verzichtet hat. Andererseits gebe<br />

es natürlich auch in den Mittelschulen<br />

eine Aufspaltung der Schülerschaft in<br />

Haupt- und Realschulklassen, kritisiert<br />

Falken. Und die von der sächsischen<br />

Landesregierung gebetsmühlenartig beschworene<br />

Durchlässigkeit des zweigliedrigen<br />

Schulsystems existiere nur in der<br />

Theorie.<br />

Nach dem Ansturm auf die Gymnasien<br />

nach der vierten Klasse mauert man<br />

auch in Sachsen: Zwischen der fünften<br />

und der zehnten Klasse liegt die Übertrittsquote<br />

von den Mittelschulen auf<br />

die Gymnasien im Schnitt bei 0,5 Prozent<br />

pro Jahr.<br />

Sabine Gerold wiederum betont, dass der<br />

Freistaat mit seinem System aus Mittelschule<br />

und Gymnasium lediglich das<br />

Leistungspotenzial eines gegliederten<br />

Schulsystems optimal ausschöpfe. „Wer<br />

bessere Bildung will, muss auch die<br />

Schulstruktur verändern.“ Und vielleicht,<br />

gibt sie zu bedenken, sei das Geheimnis<br />

des sächsischen PISA-Erfolgs viel profaner.<br />

„Wir hatten nach der Wende durch<br />

stabile politische Mehrheiten eine gewisse<br />

Kontinuität in der Bildungspolitik,<br />

und das ist für die Arbeit von Lehrerinnen<br />

und Lehrern immer hilfreich.“<br />

Jürgen Amendt, Redakteur<br />

„Neues Deutschland“<br />

Foto: Christian Nitsche<br />

PISA-E<br />

Es gibt Hausaufgabenbetreuung<br />

und Förderunterricht<br />

für Leistungsschwächere<br />

wie auch für die<br />

besonders Begabten<br />

am Leipziger<br />

Humboldt Gymnasium.<br />

Das gilt vor<br />

allem für den BereichNaturwissenschaft/Mathematik.<br />

Der erste sächsischeBildungsbericht,<br />

den<br />

Schulminister<br />

Roland Wöller<br />

(CDU) im Oktober<br />

<strong>2008</strong> vorlegte,<br />

bestätigt die<br />

PISA-Befunde:<br />

Die Übertrittsquote<br />

auf die<br />

Gymnasien nach<br />

der vierten Klasse<br />

ist im vergangenen<br />

Schuljahr<br />

landesweit auf<br />

50,5 Prozent gestiegen.<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 9<br />

Foto: imago


PISA-E<br />

Bremen war und<br />

ist bei PISA stets<br />

das Schlusslicht:<br />

Das Sek I-Schulzentrum<br />

Wilhelm-<br />

Olbers-Schule<br />

dürfte einst zum<br />

schlechten Abschneiden<br />

der<br />

Hansestadt beigetragen<br />

haben.<br />

Aber seitdem hat<br />

sich viel getan.<br />

„Richtig unter Dampf“<br />

Mehr Stress durch PISA in Bremen<br />

Bremen war bei den bisherigen PISA-<br />

Studien stets das Schlusslicht und ist es<br />

auch wieder beim dritten PISA-Bundesländervergleich<br />

(s. Seite 13 f.).<br />

Trotzdem hat sich in dem Stadtstaat<br />

viel getan. Bei den Leistungszuwächsen<br />

der Schüler, die PISA von 2000<br />

bis 2006 festgestellt hat, liegt die Hansestadt<br />

auf den vordersten Plätzen.<br />

Was Praktiker von den PISA-Reformen<br />

an der Weser halten und wie sich<br />

der pädagogische Arbeitsalltag dadurch<br />

verändert hat, zeigt E&Wam<br />

Beispiel eines Bremer Sek I-Schulzentrums.<br />

10 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

Schön bunt ist es hier,<br />

draußen wie drinnen. Die<br />

Fassade der Bremer Wilhelm-Olbers-Schule<br />

glänzt<br />

seit der letzten Sanierung<br />

in rot, blau, gelb und grün.<br />

Drinnen tummeln sich tausend Gymnasiasten,<br />

Real-, Haupt- und Sonderschüler<br />

aus 22 Nationen und sehr unterschiedlichen<br />

Stadtteilen, vom eher dörflichen<br />

Mahndorf bis zum Arbeiter- und<br />

Migrantenviertel Hemelingen. Eine<br />

bunte Mischung, die das Unterrichten<br />

nicht immer leicht macht. Das Sek I-<br />

Schulzentrum (in anderen Bundesländern<br />

würde man es Kooperative Gesamtschule<br />

nennen) dürfte einst zum<br />

schlechten Abschneiden Bremens bei<br />

den ersten PISA-Studien beigetragen<br />

haben. Aber seitdem hat sich viel getan.<br />

„PISA war ein heftiger Schock“, sagt Petra<br />

Perplies-Voet, die seit vier Jahren die<br />

Bildungsstätte leitet. „Aber dadurch entstand<br />

ganz viel Aufbruchstimmung.“<br />

An der Olbers-Schule bildeten sich unter<br />

anderem Arbeitsgruppen zur Schulentwicklung.<br />

Auf Landesebene beschlossen<br />

die damalige SPD/CDU-Koalition<br />

und ihr Bildungssenator Willi<br />

Lemke (SPD) diverse Änderungen. Perplies-Voet,<br />

bis 2004 selber in der Bildungsbehörde,<br />

bewertet diese Reformen<br />

sehr differenziert.<br />

Der an ihrer und einzelnen anderen<br />

Schulen eingeführte Ganztagsunterricht<br />

mit nachmittäglichen Kür- und<br />

Pflichtangeboten erscheint der 49-jährigen<br />

Sonderpädagogin sinnvoll. Problematischer<br />

findet sie die Abschaffung der<br />

Orientierungsstufe (s. Seite 21 f.). „So,<br />

wie diese war, arbeitete sie nicht erfolgreich.<br />

Aber sie war ein guter Anfang für<br />

eine längere gemeinsame Beschulung.“<br />

Dafür arbeitet die Olbers-Schule nun<br />

Fotos: Eckhard Stengel


12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 11


PISA-E<br />

Schulleiterin<br />

Petra Perplies-<br />

Voet: „PISA war<br />

ein heftiger<br />

Schock, aber<br />

dadurch entstand<br />

ganz viel Aufbruchstimmung.“<br />

intensiver mit Grundschulen zusammen.<br />

Das Ziel: ein möglichst „bruchloser<br />

Übergang“ für die Kinder.<br />

Schritt in richtige Richtung<br />

Dass Bremer Haupt- und Realschüler<br />

jetzt bis Ende der 8. Klasse gemeinsam<br />

lernen (sie heißen seitdem „Sekundarschüler“),<br />

ist für Perplies-Voet ein Schritt<br />

in die richtige Richtung – aber ein halbherziger.<br />

Denn die besonders leistungsstarken<br />

Kinder landen weiterhin auf<br />

dem Gymnasialzweig und fehlen im<br />

Sekundarschulbereich.<br />

Zum Glück hat das Olbers-Schulzentrum<br />

schon lange vor PISA eine enge interne<br />

Kooperation angeschoben: Zwei<br />

bis drei Klassen aus den verschiedenen<br />

Schulzweigen bilden jeweils kleine Gemeinschaften<br />

(„Häuser“) und bekommen<br />

möglichst benachbarte Räume.<br />

Zum Teil kooperieren sie zudem mit<br />

Sonderschulklassen eines „Förderzentrums“,<br />

das hier eine Art Außenstelle<br />

unterhält. Die Lehrkräfte eines „Hauses“<br />

arbeiten im Team. In Fächern wie<br />

Kunst, Sport oder Arbeitslehre lernen<br />

die Sekundarschüler und Gymnasiasten<br />

gemeinsam.<br />

Weiterhin separiert wird dagegen in den<br />

Leistungsfächern. Hier ist der Druck<br />

zum getrennten Unterrichten noch gestiegen,<br />

seitdem auch Bremen das Abitur<br />

nach zwölf Jahren eingeführt hat.<br />

Perplies-Voet hält die „heftige Verdichtung“<br />

des Stoffes für ein großes Problem<br />

12 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

– ausgerechnet in dem Alter, „in dem die<br />

Kinder im Wesentlichen aus Östrogen<br />

und Testosteron bestehen“. Seitdem<br />

stünden nicht nur die Gymnasiasten,<br />

sondern auch ihre Lehrkräfte „richtig<br />

unter Dampf“. Aber vielleicht sei das<br />

nur ein Übergangsproblem.<br />

Mit Übergängen haben auch manche<br />

Schüler ein Problem: Sie sind versetzungsgefährdet.<br />

Seit PISA wird ihnen in<br />

Bremen mit „Ostercamps“ geholfen: In<br />

den Ferien erhalten sie an ausgewählten<br />

Schulen Nachhilfe – so auch an der Olbers-Schule.<br />

„Ich finde das genial“, sagt<br />

die Direktorin.<br />

„Wir reparieren spät...“<br />

Überhaupt wird dank PISA besonders<br />

viel für leistungsschwache Schülerinnen<br />

und Schüler getan. So bietet die Olbers-<br />

Schule gleich in der 5. Klasse Lese-Intensivkurse<br />

an. Drei Lehrerinnen aus<br />

Russland, der Türkei und dem Iran unterrichten<br />

Deutsch für Migranten und<br />

zudem deren Muttersprache. „Das alte<br />

deutsche Problem“, sagt die Schulleiterin:<br />

„Wir reparieren spät, statt früh<br />

Prävention zu betreiben.“<br />

Zu reparieren gibt es aber noch genug.<br />

Mancher Abgänger hat das Wissen eines<br />

Viertklässlers. Deshalb bemüht sich die<br />

Schule um eine intensive Begleitung in<br />

die Berufswelt, etwa mit Praktika oder<br />

Beratungsangeboten.<br />

Neben dem Fördern kommt auch das<br />

Fordern nicht zu kurz. Perplies-Voet ou-<br />

tet sich als Anhängerin der nach PISA<br />

eingeführten zentralen Vergleichstests<br />

und Abschlussprüfungen: „Es muss verbindliche<br />

Standards geben. Wir müssen<br />

raus aus den Beliebigkeiten.“<br />

Dass in Bremen die Macht der Schulleitungen<br />

gestärkt wurde, hält die Direktorin<br />

für sinnvoll. Aber sie weiß auch:<br />

„Schulentwicklung ist nur gemeinsam<br />

mit dem Kollegium möglich.“<br />

Skeptisch äußert sich Perplies-Voet über<br />

das Vorhaben der neuen rot-grünen Koalition<br />

und der Lemke-Nachfolgerin Renate<br />

Jürgens-Pieper (SPD), das gerade erst<br />

reformierte Schulsystem schon wieder<br />

umzubauen. Neben den Gymnasien<br />

soll es dann anstelle von Gesamtschulen<br />

und Schulzentren nur noch „Oberschulen“<br />

geben. „Ich fürchte, damit wird die<br />

Zweigliedrigkeit festgeschrieben“, sagt<br />

Perplies-Voet. Sie wünscht sich langfristig<br />

„eine Schule für alle Kinder bis zur 9.<br />

Klasse“, weiß aber auch, dass die sich<br />

nicht so schnell realisieren lässt.<br />

Bereits jetzt klagen viele über zu häufige<br />

Umbrüche. Perplies-Voet: „Das ist für<br />

die Eltern und das Kollegium sehr verunsichernd.“<br />

Die Lehrkräfte hätten oft<br />

das Gefühl, bei Änderungen der Schulstruktur<br />

„mit ihren Erfahrungen nicht<br />

mit einbezogen zu werden“.<br />

Schon die bisherigen PISA-Maßnahmen<br />

haben allen Beteiligten viele zusätzliche<br />

Belastungen gebracht. Elke<br />

Baumann, eine der drei <strong>GEW</strong>-Landesvorstandssprecher/innen,<br />

die ebenfalls<br />

an der Olbers-Schule arbeitet, hat den<br />

Eindruck, dass der Leistungsdruck nicht<br />

nur für die Schülerinnen und Schüler,<br />

sondern auch für die Lehrkräfte wesentlich<br />

größer geworden ist – wegen der<br />

neuen Förderangebote und Vergleichsarbeiten,<br />

aber auch durch die zusätzlich<br />

vorgeschriebenen Präsenzzeiten an<br />

Nachmittagen und in den Ferien, die erweiterten<br />

Fortbildungspflichten, Evaluationen,<br />

Jahresplanungen. Auch<br />

durch mehr Bürokratie: So muss beispielsweise<br />

die Klassenkonferenz nach<br />

jeder „Vier minus“ eine Förderempfehlung<br />

formulieren. „Das alles wird einfach<br />

oben draufgepackt“, zusätzlich<br />

zum bereits früher erhöhten Stundensoll,<br />

kritisiert Baumann.<br />

Aber immerhin zeigen sich erste Erfolge.<br />

Perplies-Voet erzählt, dass die Olbers-Schule<br />

seit zwei Jahren stärkeren<br />

Zulauf von Gymnasiasten erlebt. Früher<br />

schickten bildungsnahe Eltern ihre Kinder<br />

lieber auf entferntere Gymnasien<br />

statt ins lokale Schulzentrum. „Inzwischen<br />

haben wir sie wohl überzeugt,<br />

dass es hier eine Schule gibt, in der die<br />

Kinder gut aufgehoben sind.“<br />

Eckhard Stengel, freier Journalist


PISA-E<br />

Bundesländervergleich<br />

– zum Letzten<br />

Die Ergebnisse zeigen: kaum Neues und Besseres<br />

Alles wird gut, beschwichtigt<br />

PISA-Forscher Manfred Prenzel<br />

die Öffentlichkeit. Doch die<br />

Mitte November vorgelegte neue<br />

innerdeutsche PISA-Ergänzungsstudie<br />

(PISA-E) enthält in<br />

Wirklichkeit kaum Neues und<br />

Besseres. Der dritte Bundesländervergleich<br />

seit dem ersten<br />

PISA-Test 2000 wird in dieser<br />

Form zugleich auch der letzte<br />

sein.<br />

Prenzels frohe Botschaften<br />

über die vielen angeblichen<br />

„Trends zum<br />

Besseren“ erfreuen vor<br />

allem die Kultusminister,<br />

die sich seit dem<br />

öffentlichen Schock über die Ergebnisse<br />

des ersten internationalen<br />

PISA-Schultests aus dem Jahr<br />

2000 permanent am Pranger sehen.<br />

Doch der Balsam, den der<br />

Wissenschaftler beredt in ihre<br />

waidwunden Seelen träufelt, verzerrt<br />

die deutsche Schulwirklichkeit.<br />

Das erfahren nicht nur die<br />

Praktiker täglich vor Ort. Das zeigt<br />

auch ein kritischer Blick in den<br />

umfangreichen Tabellenteil der<br />

Studie.*<br />

Viele Fragen bleiben offen<br />

Viele Fragen, die die drei jeweils<br />

parallel zum weltweiten PISA-Test<br />

der OECD durchgeführten aufwändigen<br />

innerdeutschen Ergänzungsstudien<br />

aufgeworfen haben,<br />

werden nie beantwortet werden.<br />

Das gilt insbesondere auch diesmal<br />

für die strittige Frage, wie<br />

chancengerecht der Zugang zu<br />

gymnasialer Bildung im Vergleich<br />

der Länder untereinander gestaltet<br />

ist, aber auch für das Problem, wie<br />

groß der Anteil so genannter Risikoschüler<br />

tatsächlich ist. Deutschland<br />

macht zwar weiterhin bei PI-<br />

SA-International mit. Leistungsvergleiche<br />

der 16 Bundesländer<br />

soll es hingegen schon ab 2009<br />

nicht mehr nach den bisher üblichen<br />

PISA-Kriterien der OECD<br />

geben, sondern nur noch auf der<br />

Basis der neuen bundesweiten Bildungsstandards<br />

der Kultusminister.<br />

Neue Basis für Test<br />

Während für PISA-International<br />

künftig das Deutsche Institut für<br />

Internationale Pädagogische Forschung<br />

(DIPF) in Frankfurt/Main<br />

mit Eckhard Klieme zuständig ist,<br />

wird das Institut zur Qualitätsentwicklung<br />

im Bildungswesen (IQB)<br />

in Berlin mit Olaf Köller die innerdeutschen<br />

Vergleiche auf der Basis<br />

der Bildungsstandards organisieren.<br />

Bisher hatten die Kultusminister<br />

zusätzlich zu der für den internationalen<br />

PISA-Test geforderten<br />

Stichprobe von etwa 5000 Schülerinnen<br />

und Schülern weitere<br />

40000 bis 50000 Jungen und<br />

Mädchen im Alter von 15 Jahren<br />

durch das deutsche PISA-Konsortium<br />

nach den OECD-Kriterien<br />

testen und auch nach deren sozialem<br />

Hintergrund befragen lassen.<br />

Auch das IQB in Berlin wird mit<br />

einer Stichprobe in ähnlicher<br />

Größenordnung arbeiten und die<br />

Lernstandserhebungen der Bundesländer<br />

auf der Basis der Bildungsstandards<br />

miteinander vergleichen.<br />

Ob und in welchem Umfang<br />

dabei auch Sozialdaten erhoben<br />

werden sollen – darüber sei<br />

noch nicht gesprochen worden,<br />

hört man aus dem Schulausschuss<br />

der Kultusministerkonferenz<br />

(KMK). Dabei geht es im Hintergrund<br />

um mehr als einen sozialwissenschaftlichenMethodenstreit.<br />

Die Frage lautet, wie man<br />

Chancengleichheit in der Bildung<br />

definiert. Der erste bundesweite<br />

Test auf der Basis der Bildungsstandards<br />

soll bereits im Frühsommer<br />

2009 starten.<br />

Deutungshoheit erobert<br />

Mit der Trennung von PISA-International<br />

und dessen Testkriterien<br />

(s. Seite 16) und der Etablierung eines<br />

eigenen innerdeutschen Untersuchungsinstrumentariumsgewinnen<br />

die Kultusminister vor al-<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 13


PISA-E<br />

*www.gew.de/PISA_<br />

E.html<br />

**Zu der oberen Dienstklasse<br />

zählen freie akademische<br />

Berufe, leitende<br />

Angestellte, selbstständige<br />

Unternehmer<br />

(mit mehr als zehn Mitarbeitern)<br />

sowie Hochschul-<br />

und Gymnasiallehrer.<br />

lem jene Deutungshoheit zurück, die sie<br />

im Streit mit den Bildungsforschern aus<br />

der Pariser OECD-Zentrale in den vergangenen<br />

Jahren oft schmerzlich vermisst<br />

haben. Ein Vergleich des ersten nationalen<br />

Tests 2009 mit früheren PISA-<br />

Ergebnissen wird kaum möglich sein.<br />

„Risikoschüler“: Nach wie vor erreicht<br />

in der wichtigen Basisqualifikation<br />

Lesen/Textverständnis jeder fünfte<br />

15-Jährige allenfalls die unterste Kompetenzstufe<br />

I – und hat damit nach<br />

Aussage der PISA-Forscher erhebliche<br />

Probleme, den Sprung ins Erwerbsleben<br />

zu schaffen. Der Anteil dieser problematischen<br />

Schülergruppe gilt gegenüber<br />

dem ersten Test 2000 als nahezu<br />

konstant. PISA-International 2009<br />

wird erneut das Lesen zum Untersuchungsschwerpunkt<br />

machen.<br />

Chanchengleichheit: Bundesweit hat<br />

nach wie vor ein Schüler aus der Oberschicht<br />

eine 3,2 mal größere Chance,<br />

ein Gymnasium zu besuchen als ein<br />

Gleichaltriger aus einer Facharbeiterfamilie<br />

– und dies trotz gleicher Lesekompetenz.<br />

Laut PISA 2006 konnte<br />

die Abhängigkeit gymnasialer Chancen<br />

von der sozialen Herkunft gegenüber<br />

der ersten Studie 2000 in Bayern,<br />

14 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

Aber auch wer die aktuelle PISA-E-Studie<br />

mit früheren Veröffentlichungen des<br />

deutschen PISA-Konsortiums aus 2000<br />

und 2003 vergleichen will, hat schon<br />

heute Probleme. Vor allem bei der Frage<br />

der hohen Abhängigkeit des Schulerfolgs<br />

von der sozialen Herkunft er-<br />

Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein<br />

reduziert werden. In Brandenburg,<br />

Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen<br />

nahm sie hingegen zu.<br />

Migranten: Die Bildungssituation für<br />

die meisten jugendlichen Migranten ist<br />

laut PISA 2006 „im Wesentlichen die<br />

gleiche wie im Jahr 2000“. Migrantenkinder<br />

besuchen erheblich häufiger die<br />

Hauptschule und seltener ein Gymnasium<br />

als ihre deutschen Mitschüler, wiederholen<br />

häufiger eine Klasse und brechen<br />

die Schule wesentlich häufiger ab.<br />

Sie erzielen insgesamt niedrige Bildungsabschlüsse<br />

und auch ihre Kompetenzen<br />

sind in allen drei PISA-Disziplinen<br />

deutlich geringer als bei deutschen<br />

Schülern. So müssen Jugendliche mit<br />

Migrationshintergrund in Baden-Württemberg<br />

und Bayern fast doppelt so<br />

häufig die Klasse wiederholen. Im<br />

aktuellen PISA-Untersuchungsschwerpunkt<br />

Naturwissenschaften lagen sie im<br />

schwert häufiger Methodenwechsel den<br />

Überblick über die Langzeitentwicklung.<br />

Dabei werden bei der Beschreibung<br />

der sozioökonomischen Situation<br />

der Eltern nicht nur die Modelle der<br />

Schichtenklassifikationen sprunghaft<br />

gewechselt. Auch bei der Definition der<br />

Leistungsstärke eines Schülers finden<br />

sich zwischen den Veröffentlichungen<br />

der deutschen PISA-Forscher ständig<br />

Änderungen. Mal werden die Lesekenntnisse<br />

herangezogen, mal wird die<br />

Lese- und Mathematikkompetenz zusammengefasst<br />

(wie 2003), mal werden<br />

die kognitiven Grundfähigkeiten mit<br />

berücksichtigt.<br />

Trotzdem macht Prenzel 2006 bei der<br />

Frage der Abhängigkeit von Schulerfolg<br />

und sozialer Herkunft „einen Trend<br />

zum Besseren“ aus – obwohl die Studie<br />

nur Bayern und Rheinland-Pfalz „statistisch<br />

bedeutsame“ Verbesserungen bescheinigt.<br />

In Bayern galten laut früherer<br />

PISA-Studien die Gymnasialchancen<br />

von Facharbeiterkindern im Vergleich<br />

zu Schülern aus Oberschichtsfamilien<br />

als besonders schlecht. 15-Jährige aus<br />

der „oberen Dienstklasse“ haben dort eine<br />

mehr als sechsfach so große Chance,<br />

das Abitur zu erwerben wie Facharbeiterkinder.**<br />

Rheinland-Pfalz hat in den<br />

vergangenen Jahren sein Ganztagsschulangebot<br />

erheblich ausgeweitet und<br />

wird ab 2011 an mehr als jeder dritten<br />

Schule Ganztagsbetreuung anbieten.<br />

Karlheinz Rosenzweig, Bildungsjournalist<br />

„Neues“ aus dem PISA-Bundesländervergleich 2006:<br />

Cartoons: Freimut Woessner<br />

Schnitt fast zweieinhalb Schuljahre hinter<br />

deutschen Jugendlichen zurück.<br />

Bundesländerranking: Sachsen verweist<br />

in allen drei Disziplinen (Naturwissenschaften,<br />

Mathematik, Leseund<br />

Textverständnis) den bisherigen<br />

PISA-Sieger Bayern auf Rang zwei –<br />

bei teilweise marginalen Punktvorsprüngen.<br />

Während Sachsen seit 2000<br />

aufgeholt hat, stagnieren die Leistungen<br />

in Bayern. Nach wie vor ist die Leistungsspreizung<br />

zwischen den Bundesländern<br />

laut PISA 2006 erheblich. In<br />

Sachsen zeigten 15-Jährige gegenüber<br />

Gleichaltrigen aus Bremen beim PISA-<br />

Test in den Naturwissenschaften einen<br />

Lernvorsprung „von zirka zwei Schuljahren“<br />

(OECD PISA-E 2006). Der<br />

deutsche PISA-Chef Manfred Prenzel<br />

preist das zweigliedrige sächsische<br />

Schulmodell als wegweisend für die<br />

Schulstrukturdebatte auch in anderen<br />

Bundesländern.


PISA-E<br />

Marianne Demmer<br />

Foto: Christian v. Polentz / transit Berlin<br />

Testen – testen – testen . . .<br />

16 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

... doch wer unterstützt Lehrkräfte und Schüler?<br />

In Deutschlands Lehrerzimmern<br />

wächst der Überdruss an einem<br />

Übermaß an Lernstandserhebungen<br />

und Leistungsvergleichen.<br />

Die teilweise albernen Rituale<br />

der Kultusminister, die<br />

Rankings und methodischen<br />

Probleme im Zusammenhang<br />

mit PISA-E,<br />

dem Bundesländervergleich,<br />

nähren die Überzeugung: Diese<br />

Vergleiche sind höchst entbehrlich. Sie<br />

werden parteipolitisch instrumentalisiert<br />

und dienen der Legitimierung von<br />

allen möglichen, ideologisch motivierten<br />

Schnellschüssen: Kopfnoten, Turbo-Abitur,<br />

ein Übermaß an Lernstandserhebungen<br />

und Vergleichsarbeiten.<br />

Solche Maßnahmen bereiten den Schulen<br />

nichts als Probleme, ohne dass Unterstützung<br />

und Hilfen folgen. Und immer<br />

noch haben die wenigsten Kultusminister<br />

kapiert, dass sie ihre Politik auf<br />

die Schülerinnen und Schüler mit den<br />

größten Lernproblemen konzentrieren,<br />

die Aussonderung in Sonderschulen beendet<br />

und der Hauptschulbildungsgang<br />

abgeschafft werden müssen. Vom Wiegen<br />

wird die Sau nur dann fetter, wenn<br />

sie anschließend in guter Umgebung<br />

richtig gefüttert wird.<br />

Im Nebel gestochert<br />

Wer Aufschluss über Effektivität und<br />

Effizienz politischer Handlungen erhalten<br />

will, braucht andere Untersuchungen<br />

als die recht groben Instrumente<br />

des PISA-Bundesländervergleichs. Diese<br />

sind Momentaufnahmen. Sie beschreiben,<br />

was ist und wie einzelne Faktoren<br />

zusammenhängen, sagen aber<br />

nichts über Ursachen von Leistungsmängeln<br />

und wie man Lernprobleme<br />

aussichtsreich bearbeiten könnte. In<br />

diesen zentralen Fragen wird weiterhin<br />

im Nebel gestochert.<br />

Am Beispiel des PISA-Ersten Sachsen<br />

ist das sehr deutlich geworden: Vergleichsweise<br />

hohe Ausgaben pro<br />

Schüler, kleinere Klassen, günstigere<br />

Schüler-Lehrer-Relation, traditionell<br />

hohe Wertschätzung der Naturwissenschaften,<br />

eine größere Anzahl von Unterrichtsstunden<br />

in diesem Bereich, das<br />

nachwirkende Gleichheitsideal aus<br />

DDR-Zeiten mit Fokus auf Leistungsschwächere,<br />

ein geringer Migrantenanteil,<br />

keine Hauptschulen, höhere Sonderschulquote<br />

– alles mögliche Gründe<br />

für den sächsischen Erfolg. Aber vielleicht<br />

hat man in den Schulen auch ein<br />

spezielles Testtraining veranstaltet. Wie<br />

die einzelnen Faktoren zusammenwirken<br />

und was letztlich den Ausschlag gab<br />

und Sachsen an die Spitze beförderte,<br />

weiß niemand.<br />

Problem: Beteiligungsquote<br />

Zudem darf eines nicht vergessen werden:<br />

Der Unterschied Sachsens zu Finnland<br />

beträgt in Naturwissenschaften<br />

und Mathematik 22 und 25, in der Lesekompetenz<br />

sogar 35 Punkte, das entspricht<br />

einem Rückstand von etwa einem<br />

Schuljahr. Sachsen und Finnland<br />

sind hinsichtlich der Bevölkerungsgröße,<br />

der sozioökonomischen Bedingungen<br />

und eines eher geringen Migrantenanteils<br />

gut miteinander zu vergleichen.<br />

Auch Sachsen hat bis zur Weltspitze<br />

noch einen weiten Weg.<br />

Besonders ärgerlich sind die Rankings,<br />

bei denen praktisch und statistisch völlig<br />

zu vernachlässigende Unterschiede<br />

von einem Punkt über den niedrigeren<br />

oder höheren Platz eines Bundeslandes<br />

entscheiden. Praktische Bedeutung bekommen<br />

Unterschiede erst ab einer Differenz<br />

von ungefähr zehn Punkten.<br />

Die üblichen Mittelwert-Rankings sind<br />

aber auch noch aus anderen Gesichtspunkten<br />

problematisch. In Baden-<br />

Württemberg, Bayern und Niedersachsen<br />

ist die Beteiligung an PISA freiwillig,<br />

was eine niedrige Beteiligungsquote zur<br />

Folge hat, die nur knapp über der international<br />

festgelegten Mindestquote von<br />

85 Prozent liegt. Die Beteiligungsquote<br />

in den übrigen Bundesländern liegt<br />

deutlich – teilweise um zehn Prozentpunkte<br />

– höher.<br />

Die PISA-Forscher haben nun berechnet,<br />

wie sich die Ergebnisse verändern<br />

würden, wenn für alle Bundesländer<br />

dieselbe niedrige Quote von nur 85,6<br />

Prozent (Baden-Württemberg) angenommen<br />

und davon ausgegangen wird,<br />

dass sich jeweils die Leistungsschwäch-


sten nicht am PISA-Test beteiligt hätten.<br />

In diesem Fall würde Baden-Württemberg<br />

auf den neunten Rang nach Sachsen,<br />

Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Brandenburg,<br />

Saarland und Rheinland-Pfalz rutschen.<br />

(PISA-E 2006).<br />

Eine ganz andere Rangfolge ergäbe sich,<br />

wenn man die Bundesländer nach ihren<br />

Lernzuwächsen seit der ersten PISA-<br />

Studie (2000) ordnet. Das sähe für die<br />

Lesekompetenz so aus: Sachsen-Anhalt<br />

(33 Punkte Zuwachs), Brandenburg (27<br />

Punkte) und Bremen (26 Punkte) stünden<br />

an der Spitze. Bayern (ein Punkt),<br />

Baden-Württemberg (null Punkte) und<br />

Hamburg (– 2 Punkte) bildeten die<br />

Schlusslichter. Auch in Mathematik<br />

hätten Brandenburg und Bremen bei<br />

den Zuwächsen die Nase ganz vorn,<br />

Bayern und Baden-Württemberg trügen<br />

hingegen die rote Laterne. Bayern und<br />

Baden-Württemberg stagnieren also im<br />

Leistungsniveau. Übermut tut eben selten<br />

gut.<br />

Methodisches Chaos<br />

Ein Kernproblem in Deutschland ist der<br />

Zusammenhang von sozialer Herkunft<br />

und Schulleistung. Hier hat Deutschland<br />

im weltweiten Vergleich äußerst<br />

schlechte Werte. Ob sich in dieser Beziehung<br />

Verbesserungen ergeben haben, ist<br />

deshalb schulpolitisch von großem Interesse.<br />

Doch leider herrscht seit der ersten<br />

PISA-Studie gerade in dieser Beziehung<br />

methodisches Chaos. Warum? Die<br />

OECD benutzt andere Indizes als das<br />

deutsche PISA-Konsortium. Sie verwendet<br />

den Index ESCS (Economic, Social<br />

and Cultural Status), der mehr Indikatoren<br />

umfasst als der vom deutschen PISA-<br />

Konsortium benutzte Index ISEI (International<br />

Socio-Economic Index of Occupational<br />

Status). Es entsteht so die<br />

missliche Situation, dass die deutschen<br />

Werte von den internationalen abweichen.<br />

Die deutsche Variante erzielt für<br />

die Bundesrepublik günstigere Ergebnisse<br />

– was der Kultusministerkonferenz<br />

(KMK) und dem unermüdlich Optimismus<br />

verbreitenden deutschen PISA-Koordinator<br />

Manfred Prenzel durchaus gelegen<br />

kommen dürfte. Schließlich möchten<br />

alle gerne auch in der Gerechtigkeitsfrage<br />

für Deutschland punkten. So verständlich<br />

dieser Wunsch ist – das Methodenproblem<br />

hinterlässt einen scha-<br />

len Beigeschmack. Manche sprechen sogar<br />

von statistischen Taschenspielertricks.<br />

Der notwendigen empirischen<br />

Bildungsforschung tut man damit jedenfalls<br />

keinen Gefallen.<br />

Bei allen Fragwürdigkeiten – eines steht<br />

fest: Deutschland braucht internationale<br />

Vergleichsstudien wie PISA und<br />

IGLU für den Blick über den Tellerrand<br />

und die Einbindung in die internationale<br />

Forschung. An die Stelle der PISA-<br />

Bundesländervergleiche, die es nach<br />

dem Beschluss der KMK ab 2009 nicht<br />

mehr gibt, sollten vertiefende regionale<br />

Analysen und eine qualitative Ursachen-<br />

und Wirkungsforschung treten.<br />

Statt testen – testen – testen brauchen<br />

Lehrkräfte Fortbildungen, Schulen Unterstützungssysteme<br />

und die Schülerinnen<br />

und Schüler individuelle Förderung<br />

– am besten in einer Schule für alle.<br />

Schließlich: Schluss mit den Mittelwertrankings<br />

und dem Politzirkus der Bundesländer!<br />

Und wenn überhaupt Tabellen:<br />

Nicht Momentaufnahmen, die<br />

Entwicklungsprozesse sind das Interessante<br />

und Relevante.<br />

Marianne Demmer, Leiterin des<br />

<strong>GEW</strong>-Organisationsbereichs Schule<br />

PISA-E<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 17


PISA-E<br />

„Es gibt einen<br />

Zusammenhang<br />

zwischen den<br />

sozioökonomischenRahmenbedingungen<br />

in<br />

den Ländern und<br />

den Schulleistungen.“<br />

*Baumert, J.: (Hrsg.):<br />

PISA 2000 – Die Länder<br />

der Bundesrepublik<br />

Deutschland im Vergleich.<br />

Opladen 2002,<br />

S. 225.<br />

**Baumert, J. u. a. in:<br />

Prenzel, M. u. a. (Hrsg.):<br />

PISA 2003 – Der zweite<br />

Vergleich der Länder.<br />

Münster 2005, S. 361<br />

Gleichwertige<br />

Lebensverhältnisse?<br />

Die innerdeutschen Auswertungen der<br />

bisherigen drei PISA-Studien belegen:<br />

Die durchschnittlichen Kompetenzwerte,<br />

die Deutschlands Schülerinnen<br />

und Schüler in den Naturwissenschaften,<br />

im Leseverständnis und in Mathematik<br />

erreichen, machen auf unübersehbare<br />

Unterschiede zwischen den<br />

einzelnen Bundesländern aufmerksam.<br />

Diese gehen mit sehr differenten<br />

demographischen, wirtschaftlichen, sozialen<br />

und kulturellen Rahmenbedingungen<br />

einher. Das zeige, so Klaus<br />

Klemm in seinem Fachbeitrag, die Lebensverhältnisse<br />

in den 16 Bundesländern<br />

sind alles andere als gleichwertig.<br />

18 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

Schülerleistungen und sozioökonomische Rahmenbedingungen der Länder<br />

Fest steht: Die Leistungsunterschiede<br />

zwischen den Schulen<br />

der Bundesländer sind sowohl<br />

Ausdruck als auch Folge einer<br />

nicht vorhandenen Gleichwertigkeit<br />

der Lebensverhältnisse.<br />

Darauf, dass es einen Zusammenhang<br />

zwischen den sozioökonomischen<br />

Rahmenbedingungen der Länder<br />

und den dortigen Schulleistungen gibt,<br />

haben Bildungsforscher bereits in den<br />

innerdeutschen Auswertungen zu den<br />

PISA-Studien 2000 und 2003 hingewiesen.<br />

So schrieben Jürgen Baumert und<br />

Cordula Artelt – beide Max-Planck-Institut<br />

für Bildungsforschung, Berlin – zur<br />

PISA-Studie 2000: „Dies spricht dafür,<br />

dass primär bereichsübergreifende ökonomische,<br />

soziale, kulturelle, aber auch<br />

institutionelle Bedingungen für Leistungsunterschiede<br />

zwischen den Ländern<br />

verantwortlich sein dürften.“* Bei<br />

der Analyse zu PISA 2003 unterstreichen<br />

Jürgen Baumert, Claus H. Carstensen<br />

und Thilo Siegle diese Einschätzung,<br />

fügen aber einschränkend hinzu, dass<br />

die Leistungsdifferenzen zwischen den<br />

Ländern nicht „auf Unterschiede in den<br />

untersuchten individuellen und kontextuellen<br />

Merkmalen reduzierbar<br />

sind“.** Wegen der unübersehbaren<br />

Bedeutung, die den sozioökonomischen<br />

Rahmenbedingungen für schulisches<br />

Lernen zugeschrieben werden<br />

kann, soll im Folgenden das Ausmaß<br />

der im außerschulischen Bereich erkennbaren<br />

Unterschiede in den Lebensverhältnissen<br />

mit Hilfe von drei


Merkmalsgruppen skizziert werden,<br />

nämlich<br />

● mit Wohlstandsindikatoren als<br />

im engeren Sinne ökonomischen<br />

Merkmalen der 16 Länder,<br />

● mit Daten zum familiären Umfeld<br />

der Schülerinnen und<br />

Schüler sowie<br />

● mit Indikatoren, die Aussagen<br />

über die den Schulen zur Verfügung<br />

gestellten Ressourcen machen.<br />

Wohl- und Schuldenstand<br />

Die dazu herangezogenen Daten<br />

beziehen sich in der Regel auf das<br />

PISA-Jahr 2006. Zu jedem der<br />

vorgestellten Indikatoren werden<br />

die jeweils stärksten und schwächsten<br />

Flächenstaaten benannt; die<br />

Positionen der drei Stadtstaaten,<br />

die eher mit Großstädten in den<br />

Flächenstaaten zu vergleichen<br />

sind, werden, wenn es sinnvoll erscheint,<br />

nachrichtlich mitgeteilt.<br />

In der Gesamtübersicht der Befunde<br />

sollen Länder herausgestellt<br />

werden, die in den hier berichteten<br />

Merkmalsbereichen<br />

eher, was schulisches Lernen an-<br />

Foto: imago<br />

PISA-E<br />

geht, günstige Rahmenbedingungen<br />

bieten.<br />

Greift man unter den Merkmalen,<br />

die den Wohlstand eines Bundeslandes<br />

charakterisieren, den Indikator<br />

Bruttoinlandsprodukt (BIP)<br />

je Einwohner heraus (für diesen<br />

Indikator wird die Summe dessen,<br />

was ein Land in einem Jahr<br />

erwirtschaftet, durch die Zahl seiner<br />

Einwohner dividiert), haben<br />

neben den Stadtstaaten Hamburg<br />

und Bremen (die aufgrund der hohen<br />

Zahl einpendelnder Arbeitnehmer<br />

mit den übrigen Ländern<br />

nicht verglichen werden dürfen),<br />

Hessen, Bayern und Baden-Württemberg<br />

die Nase vorn – bei einer<br />

Spannweite unter den Flächenstaaten<br />

von 33 614 Euro je Einwohner<br />

in Hessen und 19 112 Euro<br />

in Mecklenburg-Vorpommern<br />

(s. Tabelle 1). Wenn man diesem<br />

einen weiteren Indikator, der das<br />

Ausmaß der in der Vergangenheit<br />

aufgehäuften Schulden kennzeichnet,<br />

hinzufügt, zeigt sich, dass<br />

Bayern (mit 3070 Euro), Sachsen<br />

und Baden-Württemberg je Einwohner<br />

gerechnet, am wenigsten<br />

verschuldet sind. Die höchste Verschuldung<br />

je Einwohner haben<br />

das Saarland mit 9262 Euro und –<br />

bei Einbezug der Stadtstaaten –<br />

Bremen mit 20149 Euro angesammelt.<br />

Arbeitslosenquote<br />

Auch bei den Indikatoren, die<br />

sich stärker auf den familiären<br />

Hintergrund von Jugendlichen<br />

beziehen, stoßen wir unter den<br />

Bundesländern auf eine beachtliche<br />

Spreizung: Beim monatlichen<br />

Bruttoverdienst führen wiederum<br />

Hessen, Baden-Württemberg<br />

und Bayern; Thüringen liegt<br />

auf dem letzten Platz. Ein vergleichbares<br />

Bild bieten die Arbeitslosenquote,<br />

die in Baden-<br />

Württemberg (6,3 Prozent), Bayern<br />

und Rheinland-Pfalz am geringsten<br />

ist, in Mecklenburg-Vorpommern<br />

mit 19 Prozent einen<br />

Spitzenwert erreicht. Hamburg,<br />

Bremen und Berlin (17,5 Prozent)<br />

schneiden dabei durchgängig<br />

schlecht ab. Sie weisen auch den<br />

höchsten Anteil an Sozialhilfeempfängern<br />

auf (Hartz IV):<br />

Während von allen über 18-Jährigen<br />

in den alten Bundesländern<br />

in Baden-Württemberg und Bayern,<br />

in den neuen Bundesländern<br />

in Sachsen die wenigsten Men-<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 19


PISA-E<br />

schen diese Hilfe beanspruchen, nehmen<br />

die drei Stadtstaaten hier Spitzenplätze<br />

ein (s. Tabelle 2).<br />

Zwei weitere Indikatoren, die etwas zur<br />

Bruttoinlandsprodukt je Einwohner<br />

in Euro (2006)<br />

Baden-Württemberg 31.388<br />

Bayern 32.815<br />

Berlin 23.715<br />

Brandenburg 19.386<br />

Bremen 38.107<br />

Hamburg 49.318<br />

Hessen 33.614<br />

Mecklenburg-Vorpommern 19.112<br />

Niedersachsen 24.646<br />

Nordrhein-Westfalen 27.811<br />

Rheinland-Pfalz 24.843<br />

Saarland 26.759<br />

Sachsen 20.815<br />

Sachsen-Anhalt 20.409<br />

Schleswig-Holstein 24.670<br />

Thüringen 19.797<br />

Deutschland 28.010<br />

Quelle: Statistisches Bundesamt: Die Bundesländer:<br />

Strukturen und Entwicklungen. Wiesbaden<br />

<strong>2008</strong>, S. 61<br />

Tabelle 1<br />

sozialen Lage von Familien aussagen,<br />

vermitteln ein von den ökonomischen<br />

Daten der Länder und der einzelnen Familien<br />

abweichendes Bild: Beim Anteil<br />

derer an der Bevölkerung, die über eine<br />

Hochschulreife verfügen, liegen Hessen<br />

(26,7 Prozent), Nordrhein-Westfalen<br />

und Baden-Württemberg auf den vorderen<br />

Plätzen, hingegen belegt Sachsen-<br />

Anhalt (16,4 Prozent) Platz 16.<br />

Bildungsniveau und Migration<br />

Betrachtet man den Indikator „Bevölkerung<br />

mit Migrationshintergrund“ so<br />

fällt auf, dass die neuen Länder (gemeinsamer<br />

Durchschnittswert: 4,7 Prozent)<br />

sich massiv von den alten abheben: Unter<br />

den Letztgenannten haben Schleswig-Holstein,<br />

das Saarland und Bayern<br />

die geringsten, Bremen und Hamburg<br />

die höchsten Migrantenanteile.<br />

Noch einmal ein anderes Bild ergibt<br />

sich, wenn man die Ressourcen, die den<br />

Schulen in den Ländern zur Verfügung<br />

stehen, betrachtet: Es zeigt sich, dass bei<br />

den Ausgaben je Schüler (die Werte beziehen<br />

sich auf das Jahr 2005!) Thüringen<br />

(mit 5600 Euro), Sachsen-Anhalt<br />

und Sachsen bei den Flächenstaaten ins-<br />

20 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

gesamt führend sind. Bei den alten Bundesländern<br />

liegen Baden-Württemberg<br />

(mit 4900 Euro) und Bayern vorn. Die<br />

Stadtstaaten Berlin und Hamburg (mit<br />

5700 bzw. 5600 Euro) heben sich bei<br />

den Ausgaben pro Schüler von den anderen<br />

14 Bundesländern deutlich ab.<br />

Die auf den ersten Blick überraschend<br />

starke Position der neuen Länder wird<br />

dadurch ermöglicht, dass sich deren im<br />

Vergleich eher schwachen Wohlfahrtsdaten<br />

auf dem Wege des Länderfinanzausgleichs<br />

kompensieren lassen: Nach<br />

dem Länderfinanzausgleich sind die<br />

Steuereinnahmen pro Einwohner bei<br />

den Flächenstaaten in Sachsen-Anhalt,<br />

Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern<br />

am höchsten, in Niedersachsen<br />

am niedrigsten. Dies verschafft den neuen<br />

Ländern genug Spielraum, um ein<br />

hohes Maß an Unterrichtsstunden zu finanzieren.<br />

Anzahl der Unterrichtsstunden<br />

Eingesetzt werden diese z. B. in den<br />

Jahrgangsstufen eins bis neun je Klasse –<br />

für Unterricht im Klassenverband, für<br />

den Einsatz von zwei Lehrkräften je<br />

Klasse oder für individuelle Fördermaßnahmen:<br />

Sachsen (in neun Jahren werden<br />

dort je Klasse insgesamt 12 107 Unterrichtsstunden<br />

bereitgestellt) und<br />

Brandenburg nehmen mit Schleswig-<br />

Holstein eine Spitzenposition ein (s. Tabelle<br />

3). Niedersachsen rangiert mit insgesamt<br />

nur 10635 Unterrichtsstunden<br />

dagegen auf dem letzten Platz.<br />

Fazit: Setzt man die hier präsentierten<br />

Arbeitslosenquoten 2006 (in Prozent)<br />

Baden-Württemberg 6,3<br />

Bayern 6,8<br />

Berlin 17,5<br />

Brandenburg 17,0<br />

Bremen 14,9<br />

Hamburg 11,0<br />

Hessen 9,2<br />

Mecklenburg-Vorpommern 19,0<br />

Niedersachsen 10,5<br />

Nordrhein-Westfalen 11,4<br />

Rheinland-Pfalz 8,0<br />

Saarland 9,9<br />

Sachsen 17,0<br />

Sachsen-Anhalt 18,3<br />

Schleswig-Holstein 10,0<br />

Thüringen 15,6<br />

Quelle: Amtliche Nachrichten der Bundesagentur<br />

für Arbeit (ANBA)<br />

Tabelle 2<br />

Von Klasse 1 bis 9 insgesamt je<br />

Klasse erteilte Unterrichtsstunden*<br />

Länder Unterrichtsstunden<br />

von Klasse 1 bis 9<br />

insgesamt<br />

Baden-Württemberg 11.165<br />

Bayern 11.496<br />

Berlin 13.296<br />

Brandenburg 11.860<br />

Bremen 11.139<br />

Hamburg 13.062<br />

Hessen 11.104<br />

Mecklenburg-Vorpommern 11.217<br />

Niedersachsen 10.635<br />

Nordrhein-Westfalen 11.106<br />

Rheinland-Pfalz 11.082<br />

Saarland 11.166<br />

Sachsen 12.107<br />

Sachsen-Anhalt 11.178<br />

Schleswig-Holstein 11.585<br />

Thüringen 11.161<br />

Deutschland 11.263<br />

*bei durchschnittlich 38 Schulwochen je Jahr; im<br />

Klassenverband, in Teilungsstunden oder durch<br />

Doppelbesetzungen „verbrauchte“ Unterrichtsstunden;<br />

unter der Annahme, dass die Regelungen des<br />

Jahres 2006/07 auch in den vorangegangenen Jahren<br />

galten.<br />

Quelle: KMK: Schüler, Klassen, Lehrer und Absolventen<br />

der Schulen – 1997 bis 2006.<br />

Bonn 2007 (eigene Berechnungen)<br />

Tabelle 3<br />

Indikatoren zu Wohlstand und familiärem<br />

Hintergrund in den Ländern sowie<br />

zu den Ressourcen, die diese ihren<br />

Schulen zur Verfügung stellen, in Relation,<br />

fällt auf – lässt man die Stadtstaaten<br />

unberücksichtigt –, dass Bayern und<br />

Baden-Württemberg zumeist und auch<br />

Sachsen – wenn auch weniger häufig –<br />

günstigere Rahmenbedingungen für<br />

schulisches Lernen bieten. Der genaue<br />

Blick auf die Bundesländer bestätigt:<br />

Die Lebensverhältnisse in Deutschland<br />

sind nicht gleichwertig! Deutlich wird<br />

allerdings auch, dass die beschriebenen<br />

Rahmenbedingungen nicht ausschließlich<br />

die in den Schulen dieser Länder erbrachten<br />

Leistungen erklären können:<br />

Die PISA-Studien 2000 und 2003 haben<br />

gezeigt, dass die Leistungsergebnisse<br />

die Rangfolge im Bereich der sozioökonomischen<br />

Rahmenbedingungen,<br />

die sich bei den 16 Bundesländern ergibt,<br />

nicht unmittelbar widerspiegeln.<br />

Klaus Klemm, Bildungsforscher,<br />

Prof. em. Uni Essen


Machtpolitisches Kalkül<br />

bestimmt Reformen<br />

Wie Leistungsstudien Bildungspolitik beeinflussen<br />

Wie wurden und werden die PISA-<br />

Ergebnisse politisch verarbeitet? Welche<br />

pädagogischen Maßnahmen in<br />

den Ländern sind aus welchen Interessen<br />

ergriffen worden. Der Bildungsforscher<br />

Klaus-Jürgen Tillmann hat zusammen<br />

mit seinem Team die Rezeption<br />

der PISA-Ergebnisse (von 2001<br />

bis 2004) empirisch untersucht und in<br />

dem Buch „PISA als bildungspolitisches<br />

Ereignis“ veröffentlicht.* Im Folgenden<br />

präsentiert der Autor am Beispiel<br />

Bremens einige zentrale Erkenntnisse.<br />

PISA ist eine Stichproben-<br />

Untersuchung, die Aussagen<br />

über Schulsysteme,<br />

nicht jedoch über einzelne<br />

Schulen macht. Dementsprechend<br />

heißt es in der offiziellen<br />

PISA-Broschüre der OECD:<br />

„Das Hauptziel der Entwicklung und<br />

Durchführung dieser groß angelegten<br />

Untersuchung ist ... die Gewinnung von<br />

empirisch gesicherten Informationen,<br />

die als Grundlage von schulpolitischen<br />

Entscheidungen dienen können“<br />

(OECD-PISA 2000**).<br />

Vom Konzept her richtet sich PISA an<br />

die politischen Entscheidungsträger in<br />

den beteiligten Ländern – und erst in<br />

zweiter Linie an die breite Öffentlichkeit.<br />

Seit <strong>Dezember</strong> 2001 (erste PISA-<br />

Studie) zeigt sich aber, dass die Intention,<br />

schulpolitische Maßnahmen über<br />

PISA zu steuern, durch die Eigendynamik<br />

der öffentlichen Diskussion hierzulande<br />

völlig überrannt wurde. Aufgrund<br />

der hohen öffentlichen Aufmerksamkeit<br />

gerieten die Schulministerien bereits<br />

im <strong>Dezember</strong> 2001 ins Zentrum der<br />

Kritik. Dementsprechend ging es Politikern<br />

bald nicht mehr „nur“ um die<br />

„richtigen“ Maßnahmen zur Problemlösung,<br />

sondern zunehmend um eine<br />

möglichst günstige öffentliche Darstellung<br />

der eigenen Position.<br />

Das Beispiel Bremen<br />

Im Sommer 2001, sechs Monate vor Veröffentlichung<br />

der ersten PISA-Daten,<br />

sind in Bremen standardisierte Verfahren<br />

der Leistungsüberprüfung so gut wie<br />

unbekannt: Es gibt weder Lernstandserhebungen<br />

noch Vergleichsarbeiten,<br />

auch keine zentralen Abschlussprüfungen.<br />

Nur drei Jahre später (Mitte 2004)<br />

sieht die Situation völlig anders aus:<br />

● Alle Schülerinnen und Schüler der<br />

vierten Klassen nehmen an Leistungsüberprüfungen<br />

im Rahmen des VERA-<br />

Projekts teil.<br />

● Weitere verbindliche Vergleichsarbeiten<br />

gibt es in den Jahrgängen 6,9 und 10.<br />

● Zentraler Sekundarstufen-I-Abschluss<br />

und Zentralabitur sind beschlossen und<br />

werden spätestens 2007 eingeführt.<br />

Auf welche Weise haben die PISA-Ergebnisse<br />

diese Entwicklung beeinflusst?<br />

Kurz zum Ablauf:<br />

Die im <strong>Dezember</strong> 2001 veröffentlichten<br />

bundesweiten PISA-Daten sind in der<br />

Bremer Presse ausführlich dargestellt<br />

worden. Vorschläge zur Einführung von<br />

Vergleichsarbeiten und zentralen Prüfungen<br />

haben die Medien durchgängig<br />

positiv bewertet. Bei den damaligen Regierungsparteien<br />

CDU und SPD bestand<br />

Konsens, dass die Einführung von<br />

Vergleichsarbeiten das Leistungsniveau<br />

anhebt. Sehr kontrovers ging es bei der<br />

Frage der zentralen Prüfungen zu. Die<br />

CDU begründete mit den bundesweiten<br />

PISA-Befunden die Notwendigkeit,<br />

das Zentralabitur und eine zentrale Sekundarstufenprüfung<br />

einzuführen. Die<br />

SPD lehnte dies ab: Es sei überhaupt<br />

nicht zu erkennen, ob sich dadurch die<br />

fachlichen Leistungen der Schüler<br />

tatsächlich verbesserten. Stattdessen befürchteten<br />

die Sozialdemokraten, dass<br />

sich damit die Selektion im Schulsystem<br />

verschärfe.<br />

Die PISA-Länderergebnisse – veröffentlicht<br />

im Juni 2002 – waren für Bremen<br />

niederschmetternd. Bei fast allen Leistungsdaten<br />

bildete der Stadtstaat das<br />

Schlusslicht unter den Bundesländern.<br />

Der SPD-CDU-Senat reagierte unmittelbar:<br />

Bürgermeister Henning Scherf<br />

(SPD) bekannte sich einen Tag später<br />

zur politischen „Schuld“ an diesem Desaster<br />

und bezeichnete die schlechten<br />

Leistungswerte als Ausdruck einer 40jährigen,<br />

offensichtlich mangelhaften<br />

Fotos: imago<br />

(sozialdemokratischen) Bildungspolitik.<br />

Am gleichen Tag teilte Bildungssenator<br />

Willi Lemke (SPD) der Presse mit,<br />

welche Maßnahmen ergriffen werden<br />

sollten. Dazu gehörte eine massive Verstärkung<br />

von Lernstandserhebungen<br />

und zentralen Prüfungen (Sek. I, Zentralabitur).<br />

In der Öffentlichkeit stellte<br />

die Bremer Politik dies als notwendige<br />

Konsequenz aus PISA dar. Faktisch bedeutete<br />

es ein vollständiges Einschwenken<br />

der Senatspolitik auf die lange bekannten<br />

Forderungen der CDU.<br />

Legitimationskrise<br />

Was zeigt das Fallbeispiel? Es macht<br />

zunächst die große öffentliche Wirkung<br />

der PISA-Ergebnisse deutlich: Das<br />

schlechte Abschneiden Bremens wirkte<br />

sich unmittelbar auf die Landespolitik<br />

aus und stürzte den sozialdemokratischen<br />

Teil der Regierung in eine Legitimationskrise.<br />

Die PISA-Ergebnisse wurden<br />

somit genutzt, um seit langem geforderte<br />

Maßnahmen (z. B. das Zentralabitur),<br />

die bis dahin aber auf großen<br />

PISA-E<br />

Ex-Bildungssenator<br />

Willi<br />

Lemke (SPD)<br />

ordnete nach dem<br />

PISA-Desaster<br />

„von oben“ Reformen<br />

an: eine massive<br />

Verstärkung<br />

von Lernstandserhebungen<br />

und<br />

zentrale Prüfungen.<br />

Aufgrund der hohen öffentlichen Aufmerksamkeit der PISA-<br />

Ergebnisse gerieten die Schulministerien der Länder bereits<br />

im <strong>Dezember</strong> 2001 ins Zentrum der Kritik. Dementsprechend<br />

ging es Politikern bald nicht mehr „nur“ um die „richtigen“<br />

Maßnahmen zur Problemlösung, sondern zunehmend um eine<br />

möglichst günstige öffentliche Darstellung der eigenen<br />

Position. Zum Beispiel in Bremen.<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 21


PISA-E<br />

Ex-Bürgermeister<br />

Henning Scherf<br />

(SPD) bekannte<br />

sich kurz nach<br />

Veröffentlichung<br />

der niederschmetternden<br />

PISA-Daten zur<br />

„politischen<br />

Schuld“.<br />

* Tillmann, K.J./Dedering,<br />

K./Kneuper,<br />

D./Kuhlmann, C./Nessel,<br />

I: PISA als bildungspolitisches<br />

Ereignis.<br />

Fallstudien in vier Bundesländern.<br />

VS-Verlag<br />

Wiesbaden <strong>2008</strong><br />

** OECD-PISA (Hrsg.)<br />

(2000): Schülerleistungen<br />

im internationalen<br />

Vergleich. Eine neue<br />

Rahmenkonzeption für<br />

die Erfassung von Wissen<br />

und Fähigkeiten.<br />

Berlin: MPI<br />

*** Mayntz, R. (2004):<br />

Governance im modernen<br />

Staat. In: Benz, A.<br />

(Hrsg.): Governance –<br />

Regieren in komplexen<br />

Regelsystemen. Wiesbaden:<br />

VS-Verlag<br />

Politik benutzt<br />

die PISA-Daten<br />

sehr gerne, um<br />

ohnehin getroffeneEntscheidungen<br />

zusätzlich oder<br />

im Nachhinein<br />

zu legitimieren.<br />

öffentlichen Widerstand gestoßen waren,<br />

nun politisch durchzudrücken.<br />

PISA übte, so gesehen, eine beschleunigende<br />

bzw. verstärkende Wirkung aus,<br />

bestimmte bildungspolitische Interessen<br />

durchzusetzen. Die Forderung nach<br />

zentralen Abschlussprüfungen wurde<br />

angesichts der schlechten PISA-Werte<br />

mehrheitsfähig – die SPD gab ihren Widerstand<br />

auf. Diese schnelle Entscheidung<br />

für zentrale Leistungsüberprüfungen<br />

unterstellte, dass damit die durch<br />

PISA aufgedeckten Defizite (Kompetenzdefizite<br />

in Lesen und Mathematik,<br />

hohe soziale Selektion) behoben werden<br />

könnten. Es ist aber empirisch überhaupt<br />

nicht erwiesen, dass kontinuierliche<br />

Leistungsüberprüfungen zu einem<br />

durchgängig verbesserten Unterricht<br />

und einem höheren Leistungsniveau<br />

führen.<br />

Allerdings war und ist ein großer Teil der<br />

Öffentlichkeit davon überzeugt, dass<br />

zentrale Prüfungen zu besseren Leistungen<br />

beitragen. Vor dem Hintergrund des<br />

besonders scharfen „PISA-Schocks“ in<br />

Bremen waren deshalb zentrale Prüfungen<br />

politisch nicht mehr zu stoppen.<br />

So wie in Bremen haben wir in unserer<br />

Untersuchung insgesamt 13 themenbezogene<br />

Fallstudien (zentrale Prüfungen,<br />

Ganztagsschule, Schulstruktur) durchgeführt,<br />

und zwar in vier Bundesländern<br />

(Brandenburg, Bremen, Rheinland-<br />

Pfalz, Thüringen). Welche Erkenntnisse<br />

haben wir aus der Analyse bildungspolitischer<br />

Prozesse nach PISA gewinnen<br />

22 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

können? Versetzten die Befunde die<br />

„Steuerleute“ – also die politischen Entscheidungsträger<br />

– tatsächlich in die Lage,<br />

auf die schulischen Probleme angemessen<br />

zu reagieren und entsprechende<br />

Maßnahmen zu initiieren?<br />

Wir stellten zunächst fest, dass Vergleichsstudien<br />

wie PISA mit ihren Resultaten<br />

keinesfalls bevorzugt die „Steuerleute“<br />

beliefern, sondern vor allem eine<br />

sehr aktive Medienöffentlichkeit bedienen.<br />

Seit PISA müssen sich Kultusminister<br />

vor allem mit dem öffentlichen<br />

Bild der Ergebnisse auseinandersetzen.<br />

Sie versuchen deshalb, darauf Einfluss<br />

zu nehmen und es zugleich für ihre Interessen<br />

zu nutzen. Das heißt: Bildungspolitische<br />

Maßnahmen im Anschluss<br />

an PISA erscheinen aus der Sicht der<br />

Ministerien nur dann als sinnvoll, wenn<br />

sie zugleich die öffentliche Akzeptanz<br />

der Regierungspolitik stärken. Die Einführung<br />

zentraler Prüfungen beispielsweise<br />

weist genau dieses Legitimationspotenzial<br />

auf. Ein anderes Beispiel ist<br />

der Ausbau offener Ganztagsschulen,<br />

den fast alle Schulministerien nach<br />

PISA betrieben haben. Was folgt daraus?<br />

Bestätigt wird die politikwissenschaftliche<br />

Erkenntnis, dass (bildungs-)<br />

politische Reformen nicht nur nach<br />

sachlichen Gründen, sondern häufig<br />

auch „aus einem machtpolitischen Kalkül<br />

gewählt und verfolgt“ werden<br />

(Mayntz 2004***).<br />

Politische Handlungslogik<br />

Diese kritische Sicht auf die bildungspolitischen<br />

Prozesse darf man allerdings<br />

nicht auf eine naive Politik- und Politikerschelte<br />

reduzieren: Die von uns in<br />

den Blick genommenen Akteure in den<br />

Ministerien sind in aller Regel kenntnisreich<br />

und souverän mit den PISA-Ergebnissen<br />

umgegangen – allerdings souverän<br />

innerhalb ihrer politischen Handlungslogik.<br />

Was bedeutet das? Bildungspolitisches<br />

Handeln kann sich nicht allein<br />

auf eine gründliche Prüfung von<br />

Forschungsergebnissen stützen, um aus<br />

dieser Perspektive die „richtigen“ Maßnahmen<br />

abzuleiten. Vielmehr spielen in<br />

der bildungspolitischen Arena noch andere<br />

Faktoren, Interessen und Akteure<br />

eine Rolle: Koalitionskompromisse<br />

ebenso wie regionale Besonderheiten<br />

und finanzielle Bedingungen. Politik<br />

hat diese Faktoren alle abzuwägen – dabei<br />

sind die PISA-Daten nur ein Element<br />

unter vielen. Es zeigt sich aber<br />

auch, dass Politik die PISA-Studien sehr<br />

gern benutzt, um ohnehin getroffene<br />

Entscheidungen (etwa die Abschaffung<br />

der Orientierungsstufe in Bremen) zusätzlich<br />

oder im Nachhinein zu legiti-<br />

mieren. Mit PISA politisch begründet<br />

wurde, übrigens zeitgleich, in einem anderen<br />

Bundesland (Brandenburg) das<br />

genaue Gegenteil: die Beibehaltung des<br />

gemeinsamen Lernens in den Jahrgängen<br />

5/6.<br />

Nun soll hier nicht behauptet werden,<br />

dass politische Entscheidungen nie<br />

sach-, sondern immer nur macht- und<br />

interessenorientiert verlaufen. Aber die<br />

Vorstellung von einer rationalen Steuerung<br />

des Bildungssystems durch die Ergebnisse<br />

der empirischen Bildungsforschung<br />

greift zumindest für die hier beschriebenen<br />

Prozesse nach PISA zu<br />

kurz. Denn es bleibt nicht nur unklar,<br />

was unter „Steuerungswissen“ eigentlich<br />

zu verstehen ist und wie die „Steuerleute“<br />

in den Ministerien die „richtigen“<br />

Konsequenzen ziehen können. Entscheidend<br />

in diesem Kontext ist vielmehr,<br />

dass politische Legitimation eine<br />

hohe Relevanz besitzt. Daraus ergibt<br />

sich: Alle politisch vorgetragenen Argumente<br />

des Typs „Aus den PISA-Ergebnissen<br />

ergibt sich, dass nun auf jeden<br />

Fall die Maßnahme X zu realisieren ist“,<br />

sind äußerst skeptisch zu bewerten: Wie<br />

wird z. B. plausibel gemacht, dass die<br />

Maßnahme X bei den Schülerinnen und<br />

Schülern tatsächlich fachliche Kompetenzen<br />

verbessert oder soziale Selektivität<br />

verringert? Und welche Forschungsergebnisse<br />

belegen das? Gleichzeitig<br />

gilt: Alle Aussagen der Art, die<br />

Maßnahme Y (z. B. Veränderung der<br />

Schulstrukturen) löse nicht die Probleme<br />

und sei deshalb abzulehnen, stehen<br />

oft auf nicht weniger tönernen Füßen.<br />

Hier muss kritisch nachgefragt werden:<br />

Welche politischen Interessen stehen<br />

dahinter, bestimmte Reformen von<br />

vornherein auszunehmen?<br />

Fazit<br />

Fest steht: Ein direkter Zusammenhang<br />

zwischen PISA-Ergebnissen und bildungspolitischen<br />

Reformen – eine Art<br />

„Sachzwang“ – existiert nicht. Deshalb<br />

lassen sich „Steuerungsmaßnahmen“<br />

aus PISA nicht einfach ableiten. Welche<br />

Reformen der Öffentlichkeit als notwendig<br />

und sinnvoll präsentiert werden,<br />

wird vielmehr im politischen Diskurs<br />

entschieden. Wenn es der Fach- und<br />

Medienöffentlichkeit gelänge, in diesem<br />

Diskurs stärker die Sicht und die Interessen<br />

von Lehrkräften und Schülern<br />

einzubringen, wäre einiges gewonnen:<br />

Es bestünde dann zumindest die Chance,<br />

pädagogisches Handeln zielgenauer<br />

und an den Problemen orientierter auszurichten.<br />

Klaus-Jürgen Tillmann, Professor für<br />

Schulpädagogik em., Universität Bielefeld


„Wir brauchen keinen<br />

weiteren Sonderschultyp“<br />

KMK muss ihre falsche Hauptschulpolitik beenden<br />

Die kurz vor Veröffentlichung der<br />

innerdeutschen PISA-Befunde bekanntgewordene<br />

Absicht der Kultusminister,<br />

die Qualitätsüberprüfung<br />

für den Hauptschulabschluss auf die<br />

lange Bank zu schieben, hat in der<br />

Öffentlichkeit, bei Experten und der<br />

<strong>GEW</strong> einigen Wirbel verursacht.<br />

Marianne Demmer weist in ihrem<br />

Beitrag auf den Zusammenhang zwischen<br />

mangelhaften Schülerleistungen<br />

und selektiver Schulstruktur sowie<br />

fehlender individueller Förderung hin.<br />

Die <strong>GEW</strong> hatte seit längerem davor<br />

gewarnt, Bildungs- als Prüfungsstandards<br />

für bundesweite zentrale Abschlussprüfungen<br />

vorzusehen.<br />

Jetzt sitzt die Kultusministerkonferenz<br />

(KMK) in der Patsche<br />

und muss die Suppe auslöffeln,<br />

die sie sich gegen den Rat aller<br />

Experten selbst eingebrockt hat.<br />

Alle, die sich nur etwas näher<br />

mit den PISA-Ergebnissen beschäftigt<br />

haben, haben die KMK davor<br />

gewarnt, ihre Bildungsstandards als Abschluss<br />

bezogene Prüfungsstandards zu<br />

konzipieren. Die Experten der so genannten<br />

Klieme-Expertise* und die<br />

<strong>GEW</strong> haben mit Nachdruck dafür plädiert,<br />

die Bildungsstandards als Orientierungs-<br />

und Förderstandards auszulegen.<br />

Die Lehrkräfte sollten einen Maßstab<br />

für Qualität an die Hand bekommen,<br />

und für die politische und die<br />

schulaufsichtliche Ebene sollte deutlich<br />

werden, wo besondere Unterstützung<br />

notwendig ist.<br />

Weg ins Desaster<br />

Die <strong>GEW</strong> hat darauf hingewiesen, dass<br />

vor allem zentrale bundesweite Abschlussprüfungen<br />

für den Hauptschulabschluss,<br />

die auf einheitlichen Standards<br />

beruhen, in einem föderalen Land<br />

wie Deutschland nur ins Desaster<br />

führen könnten. Die Hauptschulquote<br />

lag 2006 bundesweit im 8. Schuljahr bei<br />

21,8 Prozent und bewegte sich unter den<br />

Bundesländern zwischen 10,9 Prozent<br />

in Hamburg und 34,7 Prozent in Bayern.<br />

Dass unter solchen Bedingungen<br />

Vergleiche nur in die Irre führen können,<br />

leuchtet unmittelbar ein. Entweder<br />

müssten die Anforderungen an den<br />

Bundesländern mit den schwächsten Ergebnissen<br />

ausgerichtet werden oder viele<br />

Schülerinnen und Schüler, die im anregungsarmen<br />

Milieu der Hauptschulen<br />

lernen müssen, bekommen keinen Abschluss.<br />

Letzteres ist zynisch und unverantwortlich<br />

gegenüber den Betroffenen.<br />

Eine Absenkung der Anforderungen<br />

und die Abkopplung von den übrigen<br />

Schulformen der Sekundarstufe I ist für<br />

die Qualitätsentwicklung verheerend.<br />

Die Hauptschule als weiterer Sonderschultyp<br />

ist wirklich das Letzte, was wir<br />

in Deutschland brauchen können.<br />

Vor allem die konservativen Kultusminister<br />

bestanden auf Hauptschul-Prüfungsstandards.<br />

Die KMK beauftragte<br />

das Institut für Qualitätsentwicklung im<br />

Bildungswesen (IQB) in Berlin, die entsprechenden<br />

Testaufgaben in Anlehnung<br />

an die Kompetenzstufen des<br />

PISA-Formats zu entwickeln und zu<br />

überprüfen. Und was stellten die Forscher<br />

fest? Mehr als 50 Prozent der<br />

Hauptschüler erreichen in Mathematik<br />

nicht den Mindeststandard (Kompetenzstufe<br />

II), 75 Prozent scheitern am<br />

schriftlichen Mindeststandard des Gemeinsamen<br />

Europäischen Referenzrahmens<br />

für Fremdsprachen.<br />

Und das sind die bundesdeutschen<br />

Durchschnittswerte! In den einzelnen<br />

Ländern dürften die Werte für Mathematik<br />

zwischen 40 und über 70 Prozent<br />

liegen. Anders ausgedrückt: Koppelt<br />

man den Hauptschulabschluss an die<br />

Mindestanforderungen, dürften ihn im<br />

Bundesdurchschnitt zirka 50 Prozent<br />

der Hauptschüler und in manchen Bundesländern<br />

sogar mehr als zwei Drittel<br />

nicht erhalten. Was das für die sowieso<br />

brachliegende Motivation dieser Schülergruppe<br />

bedeutet, muss nicht illustriert<br />

werden.<br />

Die KMK befindet sich in der babylonischen<br />

Gefangenschaft der Ideologie eines<br />

angeblich begabungsgerecht fördernden<br />

Schulsystems. Was soll sie tun?<br />

Soll sie die Qualitätsüberprüfung für<br />

Foto: imago<br />

den Hauptschulabschluss auf die lange<br />

Bank schieben und der Öffentlichkeit<br />

vorgaukeln, jetzt nähme man ganz<br />

enorme Unterstützungsmaßnahmen in<br />

Angriff, wie in einem vertraulichen Papier<br />

des IQB empfohlen wurde? Oder<br />

soll sie die Standards durch das IQB<br />

„passgenau“ machen lassen, sprich das<br />

Niveau absenken, wie es in der Empfehlung<br />

der Staatssekretäre für die KMK-<br />

Konferenz im <strong>Dezember</strong> anklingt?<br />

Hauptschulpolitik gescheitert<br />

Es gibt nur eine vernünftige Konsequenz:<br />

Die KMK muss das Scheitern ihrer<br />

Hauptschulpolitik und ihrer Politik<br />

der Bildungsstandards als Prüfungsstandards<br />

eingestehen. Vertuschen, schönen,<br />

die Ansprüche herunterschrauben<br />

hilft niemandem, vor allem den Hauptschülerinnen<br />

und -schülern nicht. Die<br />

einzig vernünftige Reaktion wäre: Abschaffen<br />

des Bildungsgangs Hauptschule<br />

und konsequente Förderung schwacher<br />

Schülerinnen und Schüler. Irgendwann<br />

werden sie es einsehen – fragt sich<br />

nur, wie lange die Hauptschulideologen<br />

dazu brauchen.<br />

Marianne Demmer, Leiterin des<br />

<strong>GEW</strong>-Organisationsbereichs Schule<br />

PISA-E<br />

Weitere Infos und die<br />

Position der Bildungsgewerkschaft<br />

zu den Bildungsstandards<br />

in der<br />

<strong>GEW</strong>-Publikation „NationaleBildungsstandards<br />

– Wundermittel<br />

oder Teufelszeug“,<br />

Darmstadt 2003,<br />

www.gew.de/Bildungsstandards.pdf<br />

s. auch <strong>GEW</strong>-Stellungnahme<br />

auf der Homepage:www.gew.de/gewstellungnahme-standards.pdf<br />

s. auch E&W-Berichterstattung<br />

zu Bildungsstandards<br />

in 6/2002,<br />

11/2002, 3/2003,<br />

9/2003, 10/2003,<br />

12/2003, 7-8/2004,<br />

10/2004, 12/2005.<br />

*Eckhard Klieme u. a.:<br />

„Zur Entwicklung nationaler<br />

Bildungsstandards<br />

– Eine Expertise, Deutsches<br />

Institut für Internationale<br />

Pädagogische<br />

Forschung 2003<br />

Die schlechten<br />

Leistungsergebnisse<br />

der Hauptschulen<br />

lassen<br />

sich nicht schönreden.<br />

Die einzig<br />

vernünftige Reaktion<br />

wäre: Abschaffung<br />

der<br />

Hauptschule.<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 23


TARIFPOLITIK<br />

*Das Realeinkommen<br />

ist der Betrag, der nach<br />

Abzug der Preissteigerung<br />

und der Inflation<br />

vom Einkommen übrig<br />

bleibt.<br />

Geld ist genug da, ...<br />

Zwischen 2000 und 2006 ist das<br />

Volkseinkommen in Deutschland um<br />

206 Milliarden Euro gestiegen. Die<br />

Arbeitnehmerentgelte wuchsen allerdings<br />

lediglich um 45 Milliarden<br />

Euro. Gut 161 Milliarden sind Gewinn-<br />

und Vermögenseinkommen.<br />

Die Beschäftigten, die diesen Anstieg<br />

durch höhere Produktivität – also<br />

mehr Leistung – ermöglichten, haben<br />

davon nichts gesehen.<br />

Im Gegenteil: Im gleichen Zeitraum<br />

stiegen die Preise um zehn<br />

Prozent. Real sind die Einkommen<br />

der abhängig Beschäftigten<br />

um zirka sechs Prozent gesunken.*<br />

Damit gehört Deutschland im europäischen<br />

Vergleich zu den Schlusslichtern<br />

in punkto Lohn- und Gehaltswachstum.<br />

Tarifliche Lohnforderungen haben das<br />

Ziel, die Beschäftigten an den von ihnen<br />

erwirtschafteten Gewinnen zu beteiligen.<br />

Die Mindestforderungen basieren<br />

auf einer einfachen Faustformel: Produktivitäts-<br />

plus Preissteigerung gleich<br />

„neutraler Verteilungsspielraum“. Neutral<br />

bedeutet in diesem Zusammenhang,<br />

dass die Verteilungsquote der Gewinne<br />

zwischen Beschäftigten und Unternehmen<br />

konstant bleibt.<br />

Verteilungsspielraum<br />

Seit den 1990er-Jahren gelingt es den<br />

Gewerkschaften nicht mehr, diesen<br />

Spielraum in den Tarifauseinandersetzungen<br />

auszuschöpfen. Das Ergebnis<br />

sind überproportional hohe Gewinne,<br />

die dem Wertschöpfungskreislauf unter<br />

den Bedingungen der globalisierten<br />

Wirtschaft entzogen worden sind.<br />

Während in der letzten Aufschwungphase<br />

1998 bis<br />

2000 der private Konsum<br />

u. a. durch bessere Tarifabschlüsse<br />

deutlich gestärkt<br />

worden ist, blieb<br />

dies in der aktuellen<br />

Aufschwungphase<br />

aus: Die Einkommen<br />

sind real gesunken.<br />

Die deutsche Konjunktur<br />

krankt am<br />

schwachen Binnenmarkt.<br />

Vier von fünf<br />

24 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

...es muss nur anders verteilt werden<br />

Arbeitsplätzen hängen in Deutschland<br />

vom Binnenmarkt ab. Die Steuer- und<br />

Finanzpolitik der letzten zehn Jahre ist<br />

dieser Entwicklung nicht wirksam begegnet,<br />

sondern hat sie noch durch die<br />

Umverteilung von unten nach oben begünstigende<br />

Rahmenbedingungen und<br />

Steuergeschenke beflügelt. Ohne eine<br />

tarifpolitische Offensive für den Binnenmarkt<br />

werden die konjunkturellen<br />

Folgen der Finanzkrise nicht nur nicht<br />

bewältigt, sie verschärfen diese noch.<br />

Dieser Entwicklung muss entgegengesteuert<br />

werden. Es ist nicht zu wenig<br />

Geld da, es ist jedoch falsch verteilt.<br />

Deshalb setzt sich die <strong>GEW</strong> dafür ein,<br />

dass der neutrale Verteilungsspielraum<br />

durch die Erhöhung der Einkommen<br />

der abhängig Beschäftigten ausgeschöpft<br />

wird. Motor dafür müssen starke<br />

und durchsetzungsfähige Gewerkschaften<br />

im öffentlichen Dienst sein,<br />

die den Beschäftigten z. B. einen hohen<br />

kollektivrechtlichen Schutz ihrer Einkommens-<br />

und Arbeitsbedingungen<br />

durch verlässliche Flächentarifverträge<br />

erkämpfen können.<br />

Problem Finanzkrise<br />

Die aktuelle Finanzkrise hat das Wirtschaftswachstum<br />

beeinträchtigt, die Immobilienblase<br />

in den USA ist geplatzt<br />

und hat das weltweite System undurchsichtiger<br />

Geschäfte zusammenbrechen<br />

lassen (s. Seite 26). Sie wird die kommende<br />

Tarifrunde massiv belasten –<br />

nicht nur objektiv. Die Arbeitgeber werden<br />

die Krise nutzen, um damit öffentlich<br />

für „moderate Tarifabschlüsse“ zu<br />

argumentieren. Tatsächlich nutzt dies<br />

aber nur denjenigen, die die falsche Verteilung<br />

seit Jahren mit wechselnden Argumenten<br />

zum Nachteil der abhängig<br />

Beschäftigten verteidigen.<br />

Dauerhafter Wohlstand für alle wird<br />

durch Arbeit, nicht durch Hedgefonds,<br />

Leerverkäufe oder Zweckgesellschaften<br />

in Steuerparadiesen geschaffen. Die Beschäftigten<br />

müssen die sozialen Errungenschaften<br />

in diesem Land verteidigen<br />

und dafür kämpfen, dass die Ergebnisse<br />

des wirtschaftlichen Erfolges bei denjenigen<br />

landen, die diesen schaffen: bei<br />

den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.<br />

Ilse Schaad, Leiterin des <strong>GEW</strong>-Arbeitsbereiches<br />

Angestellten- und Beamtenpolitik<br />

Eine unen<br />

Ohne gewerkschaftlichen Druck kei<br />

Hehre Ziele haben die Gewerkschaften<br />

mit der Neugestaltung des Tarifrechts<br />

für den öffentlichen Dienst verfolgt.<br />

Diskriminierungsfrei sollte es ein, die<br />

Beschäftigten sollten durch die Überleitung<br />

keine Verluste erleiden, die Wertebenen<br />

erhalten werden.<br />

Auch wenn man berücksichtigt,<br />

dass Tarifabschlüsse<br />

immer Kompromisscharakter<br />

haben,<br />

muss man kurz vor der im<br />

Januar und Februar 2009<br />

stattfindenden zweiten Verhandlungsphase<br />

für den Tarifvertrag der Länder<br />

(TV-L) feststellen, dass die Beschäftigten<br />

bisher den Kürzeren gezogen haben.<br />

Der Hauptgrund: Es ist bis jetzt nicht<br />

gelungen, eines der größten Probleme<br />

des neuen Tarifrechts anzugehen. Für alle<br />

Bereiche fehlen die Regelungen zur<br />

Entgeltordnung.<br />

Im Verlauf der Verhandlungen ist allen<br />

Beteiligten klar geworden: Die Materie<br />

ist so umfangreich, kompliziert und<br />

komplex, dass es nicht möglich ist, mit<br />

Inkrafttreten des neuen Tarifrechts auch<br />

eine neue Entgeltordnung zu tarifieren.<br />

Das hatte zur Folge, dass das bisherige<br />

Eingruppierungsrecht als ein entscheidendes<br />

Element des tariflichen Bezahlungssystems<br />

weiter gültig ist – und die<br />

neue Entgelttabelle damit nur unzureichend<br />

korrespondiert. Mit dieser Regelung<br />

geht einher, dass alle Neueingestellten<br />

und teilweise auch die vom<br />

Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) in<br />

den Tarifvertrag öffentlicher Dienst<br />

(TVöD)/TV-L übergeleiteten Beschäftigten<br />

ihre Aufstiegsgewinne verlieren.<br />

Die Termine, die für das Inkrafttreten


dliche Geschichte<br />

ne akzeptable Entgeltordnung<br />

des neuen Eingruppierungsrechts vereinbart<br />

wurden, sind immer wieder hinausgeschoben<br />

worden – vom 31. <strong>Dezember</strong><br />

2006 auf den 31. <strong>Dezember</strong><br />

2007. Heute gibt es keine Terminsetzung<br />

mehr. Nur aus der Tarifeinigung vom 31.<br />

März <strong>2008</strong> für den Bereich des Bundes<br />

und der Kommunen lässt sich aus den<br />

geänderten Besitzstandsregelungen zu<br />

den Aufstiegen indirekt entnehmen,<br />

dass der 31. <strong>Dezember</strong> 2009 ein denkbares<br />

Datum für das Inkrafttreten des neuen<br />

Eingruppierungsrechts sein könnte.<br />

Aber auch hier haben die Tarifvertragsparteien<br />

ein weiteres Hinausschieben<br />

des Termins vorsorglich nicht ausgeschlossen.<br />

Für den Bereich der Länder sieht es<br />

nicht besser aus.<br />

Arbeitgeber sparen Geld<br />

Zwar ist es zum ersten Mal gelungen, die<br />

Arbeitgeber zu zwingen, auch für Lehrkräfte<br />

künftig eine Entgeltordnung zu<br />

tarifieren, seither sitzen die Arbeitgeber<br />

das Thema jedoch aus – und sparen kräftig<br />

Personalkosten. Gerade für Beschäftigte<br />

im Bildungsbereich wirkt sich die<br />

fehlende Entgeltordnung gravierend<br />

aus. Die Einkommensverluste neu eingestellter<br />

Lehrkräfte und wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter z. B. belaufen sich auf<br />

mehr als 25 Prozent – gemessen am<br />

früheren BAT-Einkommen. Durch den<br />

Wegfall der Bewährungsaufstiege sieht<br />

es für den Sozial- und Erziehungsdienst<br />

nicht besser aus.<br />

Für diese Bereiche, insbesondere bei Erzieherinnen,<br />

sind sich zudem die an den<br />

Verhandlungen beteiligten Gewerkschaften<br />

bei der Zielsetzung nicht einig. Nach<br />

Ansicht der <strong>GEW</strong> sind auch Erzieherinnen<br />

nach Grundmerkmalen so einzu-<br />

gruppieren wie alle anderen Beschäftigten,<br />

deren Tätigkeit in der Regel eine<br />

Fachschulausbildung nach einer abgeschlossenen<br />

einschlägigen Berufsausbildung<br />

erfordert. Ver.di hält dem entgegen,<br />

dass Erzieherinnen sich in einer „atypischen“<br />

Fachschulausbildung auf ihre<br />

Tätigkeit vorbereiteten. Dies rechtfertige,<br />

sie bei der Eingruppierung über die<br />

Grundmerkmale eine Gruppe tiefer als<br />

beispielsweise Techniker einzuordnen.<br />

Auch für Lehrkräfte hat ein Diskussionsprozess<br />

stattgefunden, in dem wesentliche<br />

Eckpunkte der Forderungen<br />

zur „Lehrereingruppierung“ entwickelt<br />

worden sind. Hierzu gehören unter anderem<br />

die Abkehr von dem Verweis auf<br />

die Eingruppierung nach statusrechtlichem<br />

Amt und einer nach Schularten<br />

und -stufen differenzierten Eingruppierung<br />

sowie die Regeleingruppierung in<br />

die Entgeltgruppe 13 für voll ausgebildete<br />

Lehrkräfte. Anders als für den Sozialund<br />

Erziehungsdienst geht die <strong>GEW</strong> für<br />

die Lehrereingruppierung jedoch von<br />

einer stärkeren Gewichtung der Ausbildung<br />

aus, ohne dass sich eine nicht vollständige<br />

Ausbildung im formellen Sinne<br />

für immer und ewig in einer niedrigeren<br />

Entgeltgruppe niederschlagen darf.<br />

Die Tätigkeit soll für die Eingruppierung<br />

von Lehrkräften mit Blick auf<br />

Tätigkeitsfelder eine Rolle spielen.<br />

Denn zu dieser Gruppe zählen nicht nur<br />

Lehrer, sondern auch pädagogische Mitarbeiterinnen,<br />

Mitarbeiter u. a.<br />

Spartenbezogen eingruppieren<br />

Die Tarifrunde 2009 betrifft rund 1,95<br />

Millionen Beschäftigte. Davon arbeiten<br />

941 000 als Lehrkräfte und sozialpädagogische<br />

Angestellte in Schulen,<br />

weitere 100 000 im Hochschulbereich.<br />

Wirkung entfaltet der Tarifvertrag aber<br />

auch für viele in Forschungseinrichtungen<br />

Tätige.<br />

Im Bereich Wissenschaft schlägt die<br />

<strong>GEW</strong> eine spartenbezogene und bundesweit<br />

geltende, funktionsbezogene<br />

Eingruppierung vor, weil sich die Tätigkeiten<br />

in der Regel nicht sinnvoll in Arbeitsvorgänge<br />

aufspalten lassen. Für das<br />

wissenschaftliche, künstlerische und sonstige<br />

Fachpersonal in Lehre, Forschung<br />

sowie Wissenschaftsmanagement wird<br />

eine primär an der Ausbildung ausgerichtete<br />

Eingruppierung gefordert. Die Eckeingruppierung<br />

ist die Entgeltgruppe 13,<br />

wenn es sich im Sinne der EU-Charta zur<br />

Einstellung von Forschern um „Nachwuchswissenschaftler“<br />

handelt. D. h.,<br />

wenn ihre Ausbildung auch zur Promotion<br />

befähigt. In die Gruppe 14 sind „erfahrene<br />

Forscher“ im Sinne der EU-<br />

Charta einzusortieren. In die Gruppe 15<br />

kommen Beschäftigte, die die Voraussetzungen<br />

für Gruppe 14 erfüllen und entweder<br />

über zusätzliche Qualifikationen,<br />

wie eine erfolgreiche Juniorprofessur<br />

oder Habilitation, verfügen oder Tätigkeiten<br />

wahrnehmen, die Verantwortung<br />

für Personal, Finanzen oder Projektkoordination<br />

umfassen. Soweit die Voraussetzungen<br />

für eine Eingruppierung in 13<br />

nicht vorliegen, kommen Beschäftigte in<br />

die Entgeltgruppe 12.<br />

In der Tarifrunde <strong>2008</strong> haben die Gewerkschaften<br />

durchgesetzt, dass die Verhandlungen<br />

über vorläufige Regelungen<br />

zur Entgeltordnung im Sozial- und<br />

Erziehungsdienst „vorgezogen“ werden.<br />

In der Tarifrunde 2009 muss es gelingen,<br />

dies auch für das lehrende Personal<br />

durchzusetzen.<br />

Ilse Schaad, Leiterin des <strong>GEW</strong>-Arbeitsbereiches<br />

Angestellten- und Beamtenpolitik<br />

Foto: imago<br />

TARIFPOLITIK<br />

Die Tarifrunde<br />

2009 betrifft rund<br />

1,95 Millionen<br />

im öffentlichen<br />

Dienst bei den<br />

Ländern Beschäftigte.<br />

Davon<br />

arbeiten 941 000<br />

als Lehrkräfte<br />

und sozialpädagogischeAngestellte<br />

an Schulen,<br />

weitere<br />

100 000 im Hochschulbereich.<br />

Ilse Schaad<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 25<br />

Foto: Privat


WIRTSCHAFTSPOLITIK<br />

Anm. d. Red.:<br />

*Verbriefungen: Gemeint<br />

ist, handelbare<br />

Wertpapiere aus Kreditforderungen<br />

oder<br />

Eigentumsrechten (z. B.<br />

Leasing-Forderungen)<br />

im weitesten Sinne zu<br />

schaffen.<br />

**Homöopathie basiert<br />

auf dem Ähnlichkeitsprinzip:<br />

„Ähnliches soll<br />

durch Ähnliches geheilt<br />

werden.“ In der Homöopathie<br />

wird die Arzneisubstanz<br />

schrittweise<br />

mit Wasser und Alkohol<br />

verdünnt, sodass der<br />

Ausgangsstoff nicht<br />

mehr nachweisbar ist.<br />

***Subprime-Kredite:<br />

Als Subprime-Markt<br />

wird ein Teil des privatenHypothekendarlehensmarktesbezeichnet,<br />

der überwiegend<br />

aus Kreditnehmern mit<br />

sehr geringer Bonität<br />

besteht.<br />

Geplatzte Illusionen<br />

26 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

Nur koordiniert kann sich Europa aus der Finanzkrise befreien<br />

<strong>2008</strong> schreibt Wirtschaftsgeschichte.<br />

Selten sind innerhalb eines so kurzen<br />

Zeitraums derartig viele zuvor als<br />

eherne Grundsätze geltende Verhaltensweisen<br />

über Bord gegangen wie in<br />

diesem Jahr. Vieles, was vor wenigen<br />

Monaten noch undenkbar schien, wie<br />

die Teilverstaatlichung des Bankensektors<br />

auf beiden Seiten des Atlantiks,<br />

ist nunmehr Realität. Was geschehen<br />

ist, analysiert der Finanzexperte<br />

Gustav A. Horn.<br />

Geschehen ist vor allem der<br />

Zusammenbruch wirtschaftlicher<br />

Illusionen.<br />

Sie bestanden im Kern<br />

darin, dass die Akteure<br />

auf den globalen Finanzmärkten<br />

glaubten, sie könnten durch<br />

geschickte und intelligente Innovationen<br />

von Finanzmarktprodukten auf<br />

Dauer eine höhere Rendite auf ihr Ei-<br />

genkapital erzielen als dies in der Realwirtschaft<br />

langfristig möglich ist. Dabei<br />

hängt der Finanzmarkt unausweichlich<br />

am Tropf der Realwirtschaft. Jeder Finanzmarktkontrakt<br />

vom einfachsten<br />

Kreditgeschäft bis hin zum Handel mit<br />

komplexen Verbriefungen* basiert letztlich<br />

auf einer realwirtschaftlichen Transaktion.<br />

Nur wenn ein Unternehmen,<br />

ein privater Haushalt oder der Staat seine<br />

Geschäfte oder Vorhaben nicht mit<br />

Barmitteln durchführen kann oder will,<br />

wird die Hilfe des Finanzmarktes in Anspruch<br />

genommen. Dies kann als<br />

Schuldner oder als Gläubiger geschehen.<br />

Jeder Gläubiger führt dem Kapitalmarkt<br />

Mittel zu, jeder Schuldner entzieht<br />

sie ihm. Damit sind die dem Kapitalmarkt<br />

zur Verfügung stehenden Ressourcen<br />

unmittelbar mit der Einkommensentwicklung<br />

der Realwirtschaft<br />

verknüpft. Die Rahmenbedingungen<br />

werden darüber hinaus noch von der allgemeinen<br />

wirtschaftlichen Entwicklung<br />

und der Geldpolitik gestaltet, die über<br />

die Leitzinsen einen maßgeblichen Einfluss<br />

auf die Zinsen, also die Preise auf<br />

den Finanzmärkten, ausübt.<br />

Sind die Renditen auf dem Finanzmarkt<br />

höher als in der Realwirtschaft, wird das<br />

Angebot an Finanzmitteln durch Gläubiger<br />

stärker zunehmen als die Nachfrage<br />

nach ihnen durch Schuldner. Denn<br />

in diesem Fall ist es rentabler, seine Mittel<br />

auf dem Finanzmarkt anzulegen als<br />

realwirtschaftlich zu investieren. Das<br />

bedeutet aber, die Kreditvergabe muss<br />

billiger werden. Somit sinkt die Finanzmarktrendite<br />

in Richtung der realwirtschaftlichen.<br />

Analoges gilt für den umgekehrten<br />

Fall einer niedrigeren Finanzmarktrendite.<br />

Immer wieder sorgt der<br />

Marktmechanismus dafür, dass sich die<br />

Renditen auf beiden Märkten nicht dauerhaft<br />

auseinanderentwickeln. Unter<br />

diesen Umständen sind höhere Renditen<br />

im Einzelfall nur temporär oder aber<br />

mit dem Eingehen höherer Risiken<br />

möglich.<br />

Dieser Zusammenhang geriet aber of-<br />

Illustration: Thomas Plaßmann


fensichtlich in den vergangenen Jahren<br />

in Vergessenheit. Die neu strukturierten<br />

Finanzmarktprodukte erweckten die Illusion,<br />

dass Risiken auf diese Weise<br />

„homöopathisiert“** und so zum Verschwinden<br />

gebracht würden. Tatsächlich<br />

wird zwar das Risiko einer einzelnen<br />

Anlage für den Erzeuger der Finanzanlage<br />

(Originator) vermindert. Dies erwies<br />

sich jedoch wie im Fall der Subprime-Kredite***<br />

in den USA als Anreiz,<br />

größere Risiken als früher einzugehen.<br />

Gleichzeitig werden diese sogar über die<br />

Verbreitung durch Verbriefungen in<br />

Form von Wertpapieren noch weiter gestreut.<br />

Die Risiken bleiben erhalten,<br />

wenn auch jeweils in kleineren Dosierungen.<br />

Werden, wie im Fall der Subprime-Produkte,<br />

die Risiken relevant,<br />

bleiben die Schäden nicht auf die ursprünglichen<br />

Risikonehmer begrenzt,<br />

sondern weiten sich rasch über den gesamten<br />

globalen Finanzmarkt aus. Damit<br />

schwindet dann aber das Vertrauen<br />

in alle möglichen Produkte, die Kurse<br />

fallen und Kapital wird vernichtet.<br />

Folgen für die Realwirtschaft<br />

Es wird zunehmend deutlicher, dass –<br />

ausgehend vom Zusammenbruch des<br />

US-amerikanischen Subprime-Immobilienmarktes<br />

– sich die realwirtschaftlichen<br />

Folgen der Übersteigerungen auf<br />

den Finanzmärkten in immer höheren<br />

Wellen weltweit ausbreiten. Nicht nur<br />

die USA, sondern auch Europa und viele<br />

Schwellenländer stehen mittlerweile<br />

am Rande einer Rezession oder befinden<br />

sich bereits mittendrin. Banken und<br />

Finanzmarktinvestoren gehen nur noch<br />

geringere Risiken ein. Weltweit wird die<br />

Kreditvergabe restriktiver. Das gilt auch<br />

für die Banken untereinander. Der Interbankenmarkt<br />

(der Geldhandel zwischen<br />

den einzelnen Banken – Anm. d.<br />

Red.) ist zum Erliegen gekommen und<br />

damit stockt der Geldkreislauf. Dies<br />

trifft zunehmend die Finanzierung von<br />

realwirtschaftlichen Investitionen, die<br />

entsprechend gesenkt werden. Ein globaler<br />

Investitionseinbruch ist zu befürchten,<br />

wahrscheinlich bereits im Entstehen<br />

begriffen. Generell gilt, dass die<br />

Instabilität der Finanzmärkte sich auf<br />

diese Weise zunehmend negativ auf die<br />

Stabilität der Konjunktur auswirkt und<br />

Aufschwünge und damit auch die Beschäftigungsdynamik<br />

zum Erliegen<br />

bringen. Die Zeche zahlen am Ende die<br />

Arbeitnehmer.<br />

Was ist zu tun?<br />

Die Verschärfung der Finanzmarktkrise<br />

hat die nationalen Regierungen zum<br />

massiven Einschreiten gezwungen. Eu-<br />

ropas Regierungen haben Rettungspakete<br />

im Gesamtumfang von über zwei<br />

Billionen Euro geschnürt (ohne erhöhte<br />

Einlagensicherung). Fast täglich werden<br />

Banken teilverstaatlicht. Auch die Bundesregierung<br />

hat 500 Milliarden Euro<br />

zur Stabilisierung des Finanzsektors zur<br />

Verfügung gestellt. Nach der Erleichterung<br />

über die groß angelegte globale Initiative<br />

zur Stabilisierung der Kreditwirtschaft<br />

und der Finanzmärkte ist mittlerweile<br />

eine gewisse Ernüchterung festzustellen.<br />

Aktien haben weiterhin weltweit<br />

an Wert verloren, und wenig deutet bisher<br />

darauf hin, dass sich das Vertrauen<br />

zwischen den Banken wieder hergestellt<br />

hätte. Noch immer kann der komplette<br />

Zusammenbruch des Finanzsystems<br />

nicht völlig ausgeschlossen werden.<br />

Abgestimmte Rettungsaktion<br />

In den vergangenen Wochen ist es aber<br />

gelungen, eine international abgestimmte<br />

Rettungsaktion für den Bankensektor<br />

in Gang zu setzen. Was allerdings<br />

noch fehlt, sind international koordinierte<br />

kräftige konjunkturpolitische<br />

Maßnahmen gegen die weltwirtschaftliche<br />

Rezession. Diese zweite Komponente<br />

muss in einem Konjunkturprogramm<br />

bestehen, das die Wirtschaft insgesamt<br />

stimuliert und nicht nur einzelne<br />

Sektoren. Zwar dürfte der finanzielle<br />

Aufwand für den Staat bei einer aktiven<br />

Konjunktur- und Wachstumspolitik<br />

und durch die Staatsgarantien zunächst<br />

höher sein als ohne diese, aber im Laufe<br />

der Zeit müsste sich der höhere Anfangsaufwand<br />

mehr als ausgleichen.<br />

Denn die Banken erholen sich rascher<br />

aufgrund der schneller wieder Fuß fassenden<br />

Konjunktur. Damit werden sie<br />

ihre Vorsicht bei der Kreditvergabe<br />

schneller überwinden und den Unternehmenssektor<br />

hierdurch stimulieren.<br />

Es entsteht in der Folge eine positive<br />

Wechselwirkung zwischen Konjunktur<br />

und Konsolidierung des Finanzsystems.<br />

Dies führt auch zu höheren Steuereinnahmen<br />

des Staates. Gleichzeitig erlaubt<br />

die raschere Konsolidierung des<br />

Bankensektors einen schnelleren Verkauf<br />

der staatlichen Anteile am Bankensystem<br />

sowie der übernommenen Finanztitel<br />

zu einem höheren Preis. Damit<br />

kann die Schuldenlast wieder reduziert<br />

werden.<br />

Wachstumspaket schnüren<br />

Ein Vorschlag ist:<br />

1. Die Finanzpolitik muss die automatischen<br />

Stabilisatoren voll wirken lassen,<br />

d. h. sie muss konjunkturbedingte Defizite<br />

hinnehmen und darf ihnen nicht<br />

hinterher sparen. Anders ausgedrückt:<br />

Mit dem Abschwung sinken die Einnahmen<br />

des Staates, während seine Ausgaben<br />

z. B. für Arbeitslosengeld steigen.<br />

Werden also weniger Steuern gezahlt<br />

und wird dafür mehr Arbeitslosengeld<br />

ausgezahlt, „stabilisiert sich zwar automatisch“<br />

die Wirtschaft, aber zugleich<br />

vergrößert sich das Haushaltsdefizit des<br />

Staates. Nur so lässt sich der Abwärtstrend<br />

durchbrechen. Diese Entwicklung<br />

darf man allerdings nicht durch<br />

Sparprogramme konterkarieren.<br />

2. Über diese automatischen Stabilisatoren<br />

hinaus bedarf es eines zusätzlichen<br />

kräftigen fiskalischen Impulses durch<br />

ein Wachstumspaket. Um eine spürbare<br />

Wirkung zu entfalten, sollte der gesamtstaatliche<br />

Impuls angesichts der Schärfe<br />

des zu erwartenden Abschwungs im<br />

nächsten Jahr nicht schwächer als 25<br />

Milliarden Euro (ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts<br />

[BIP]) sein. Auch<br />

dieser Impuls darf nicht durch Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen<br />

an<br />

anderer Stelle konterkariert werden.<br />

3. Das Wachstumspaket sollte Maßnahmen<br />

aus vier Teilbereichen kombinieren,<br />

die sich sowohl zeitlich als auch<br />

hinsichtlich ihrer Wirkung optimal ergänzen.<br />

Bei den Teilbereichen handelt<br />

es sich um<br />

● die konjunktur- und wachstumspolitisch<br />

besonders effektive dauerhafte<br />

Aufstockung der öffentlichen Investitionen<br />

in Bildung und ökologische Infrastruktur,<br />

● die Stützung des privaten Konsums<br />

durch zeitlich befristete breite Entlastungen<br />

für die privaten Haushalte,<br />

● selektive zeitlich befristete Kredithilfen<br />

sowie Investitions- und Beschäftigungsanreize<br />

im Bereich der ökologischen<br />

Modernisierung und zur Förderung<br />

von Handwerksdienstleistungen,<br />

● enge Kooperation zwischen den Gebietskörperschaften,<br />

insbesondere finanzielle<br />

Unterstützung der Gemeinden,<br />

damit diese als zentrale öffentliche<br />

Investoren ihre Investitionen bei konjunkturbedingten<br />

Einnahmeausfällen<br />

nicht kürzen müssen.<br />

Im Rahmen eines solchen Programms<br />

kann sich die Konjunktur im Lauf des<br />

kommenden Jahres wieder erholen. Voraussetzung<br />

hierfür ist aber auch, dass in<br />

allen Ländern des Euroraums ähnliche<br />

Maßnahmen ergriffen werden und die<br />

Geldpolitik diesen Kurs auch unterstützt.<br />

Nur koordiniert kann sich Europa<br />

aus dieser Krise befreien. Auch dies<br />

ist eine Lehre aus <strong>2008</strong>, das ein besonderes<br />

Jahr ist.<br />

Gustav A. Horn, Finanzexperte,<br />

Hans-Böckler-Stiftung<br />

WIRTSCHAFTSPOLITIK<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 27


BILDUNGSPOLITIK<br />

„Vor allem Migrantenkinder<br />

sind die Verlierer<br />

unseres Bildungswesens.<br />

Sie verlassen<br />

die Schule<br />

doppelt so häufig<br />

wie ihre deutschen<br />

Mitschüler<br />

ohne Abschluss.“<br />

Migrantenkinder<br />

massiv fördern<br />

Nach dem Bildungsgipfel – wie weiter?<br />

Die PISA-Daten für die Bundesländer<br />

stellen dem deutschen Schulsystem erneut<br />

ein miserables Zeugnis aus. Sie zeigen,<br />

dass es bei der Frage der sozialen Auslese<br />

in unserem Bildungswesen kaum eine<br />

Besserung gibt (siehe S. 13 f.).<br />

Dieser Befund liegt im Trend<br />

zahlreicher nationaler und<br />

internationaler Studien<br />

über unser Schulsystem:<br />

Hauptschüler haben zunehmend<br />

schlechte Chancen,<br />

den Sprung in Ausbildung und Beruf<br />

zu meistern. Unser gegliedertes<br />

Schulsystem gleicht einer Rutschbahn,<br />

auf der soziale Auslese „nach unten“<br />

bestens funktioniert. Vor allem Migrantenkinder<br />

sind die Verlierer unseres Bildungswesens.<br />

Sie verlassen die Schule<br />

doppelt so häufig wie ihre deutschen<br />

Mitschüler ohne Abschluss. Von „stabilen<br />

Problemlagen“ spricht eine von der<br />

Kultusministerkonferenz (KMK) unter<br />

Verschluss gehaltene Studie renommierter<br />

Bildungsforscher um Jürgen Baumert<br />

(s. E&W 9/<strong>2008</strong>). Angesichts der engen<br />

Kopplung von sozialer Herkunft und<br />

Bildungserfolg, der hohen Abbrecherquote<br />

im Schulwesen und der großen<br />

Zahl so genannter Risikoschüler sei ein<br />

28 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

Foto: imago<br />

grundlegender<br />

Strategiewandel in<br />

der Bildungspolitik<br />

notwendig. Dabei<br />

liegt auf der<br />

Hand, was viele<br />

Wissenschaftler<br />

von der Politik verlangen:Insbesondere<br />

die Verlierer<br />

des Schulsystems<br />

Ulrich Thöne müssen „massiv<br />

und systematisch“<br />

gefördert werden!<br />

Gerade das hatte vielleicht Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel (CDU) im Blick, als<br />

sie im Sommer diesen Jahres die „Bildungsrepublik<br />

Deutschland“ ausrief –<br />

und die Ministerpräsidenten der Bundesländer<br />

zum Gipfel nach Dresden einlud.<br />

Angesichts der gravierenden Probleme<br />

des Bildungswesens und des<br />

Kompetenzgerangels zwischen Bund<br />

und Ländern geriet der groß angekündigte<br />

Gipfel leider zu einer Pleite. Bund<br />

und Länder verabschiedeten am Ende<br />

ein kleinteiliges 52-Punkte-Papier, das<br />

im Grunde eine Bestandsaufnahme bereits<br />

beschlossener Maßnahmen sowie<br />

ein Sammelsurium vager Zielformulierungen<br />

und politischer Absichtserklärungen<br />

ist. Inhaltliche Substanz hat<br />

der Beschluss nur dort, wo es um Maßnahmen<br />

geht, die längst „abgemachte<br />

Sache“ sind. Den Rechtsanspruch auf<br />

einen Krippenplatz etwa hat man in<br />

dem Gipfelpapier erneut festgeschrieben,<br />

er ist aber nicht dessen Ergebnis,<br />

sondern wurde von Bundesrat und Bundestag<br />

längst auf den Weg gebracht.<br />

Eher ist zu fragen, welche Projekte man<br />

ohne den Gipfel nicht in Angriff genommen<br />

hätte?<br />

Foto: christian v. Polentz / transit Berlin<br />

Politische Ignoranz<br />

Trotz aller Skepsis hatte die <strong>GEW</strong> begrüßt,<br />

dass es überhaupt zum Treffen in<br />

Dresden kam. Endlich kehrte die Bildungspolitik<br />

wieder auf die nationale<br />

Bühne zurück, bestand die Chance,<br />

dass Bund und Länder wieder mehr gemeinsame<br />

Verantwortung für das deutsche<br />

Bildungswesen übernehmen. Die<br />

<strong>GEW</strong> hat sich immer dafür eingesetzt,<br />

einen „Wettbewerbsföderalismus“ zu<br />

überwinden – zugunsten einer nationalen<br />

Bildungsstrategie, die auf einer vernünftigen<br />

Kooperation aller staatlichen<br />

Ebenen beruht. Doch letztlich konnte<br />

selbst die Bundeskanzlerin die Unions-<br />

Ministerpräsidenten nicht zu einer konstruktiven<br />

Zusammenarbeit bewegen.<br />

Das ganze Dilemma des deutschen<br />

Bildungsföderalismus zeigt sich in einer<br />

Äußerung des Ministerpräsidenten<br />

Sachsen-Anhalts, WolfgangBöhmer (CDU):<br />

„Ich erwarte, dass der Bildungsgipfel<br />

nach drei Stunden vorbei ist. Ich habe<br />

ihn nicht erfunden.“ Deutlicher lässt<br />

sich die Ignoranz gegenüber den dramatischen<br />

Problemen an unseren Kindergärten,<br />

Schulen und Hochschulen nicht<br />

formulieren.<br />

Welche Konsequenzen müssen die Gewerkschaften<br />

aus dem Scheitern des Bildungsgipfels<br />

ziehen? Immerhin haben<br />

Bund und Länder ein paar hehre Absichten<br />

beschlossen: Die Zahl der<br />

Schul- und der Ausbildungsabbrecher<br />

soll bis 2015 halbiert, die Beteiligung an<br />

der Weiterbildung erhöht sowie die<br />

Quote der Studienanfänger auf 40 Prozent<br />

eines jeden Jahrgangs angehoben<br />

werden. Auch hier ist Skepsis angebracht.<br />

Beispiel Schulabbrecher: Schon<br />

im Rahmen der europaweiten „Lissabon-Strategie“<br />

hat sich die Bundesrepublik<br />

verpflichtet, die Zahl der Jugendlichen<br />

ohne Schulabschluss bis 2010 zu<br />

halbieren. Beim Integrationsgipfel im<br />

Bundeskanzleramt verständigte man<br />

sich im Herbst darauf, die Zahl der jungen<br />

Migranten ohne Schulabschluss bis<br />

zum Jahr 2012 um die Hälfte zu senken.<br />

In Dresden ist dieses Ziel auf das Jahr<br />

2015 verschoben worden. So sinken von<br />

Gipfel zu Gipfel die eigenen Ansprüche.<br />

Bildungsgipfel-Monitor<br />

Die Gewerkschaften müssen diese Strategie<br />

öffentlich durchkreuzen. Denn die<br />

Menschen brauchen Lösungen! Wir<br />

sollten Bund und Länder an ihren eigenen<br />

Zielen messen. Mein Vorschlag: Jedes<br />

Jahr im Herbst veröffentlichen<br />

DGB und Gewerkschaften gemeinsam<br />

einen „Bildungsgipfel-Monitor“. Dort<br />

soll für alle Menschen sichtbar dokumentiert<br />

werden, welche Fort- und<br />

Rückschritte Bund und Länder bei der<br />

Umsetzung ihrer ureigenen Versprechen<br />

machen. Bestandteil dieses Monitors<br />

sollte eine Prioritätenliste der gravierendsten<br />

Mängel sein, die es dringend<br />

zu beseitigen gibt. Wir sollten den<br />

Druck auf Kanzlerin und Ministerpräsidenten<br />

so konkret wie möglich machen<br />

und ihn damit erhöhen!<br />

Ulrich Thöne, <strong>GEW</strong>-Vorsitzender


BERUFLICHE BILDUNG<br />

Klaus Hurrelmann,<br />

Uni Bielefeld:<br />

„Jugendliche<br />

wollen sich nicht<br />

festlegen, halten<br />

sich in Zeiten der<br />

Ungewissheit<br />

Optionen offen.<br />

Das ist eine kluge<br />

Strategie.“<br />

Michael Winkler,<br />

Uni Jena:<br />

„Es ist vorrangige<br />

Aufgabe von<br />

Schule, dafür zu<br />

sorgen, dass junge<br />

Menschen<br />

Selbstvertrauen<br />

entwickeln.“<br />

Tobias Dreher,<br />

Bundesagentur<br />

für Arbeit: „Den<br />

Schulen kommt<br />

heute mehr Bedeutung<br />

bei der<br />

Berufsorientierung<br />

zu.“<br />

Fotos: Christian von Polentz, transit<br />

Schule bildet nicht nur für<br />

die Wirtschaft aus<br />

Berufsorientierung in Schulen<br />

Wie Schulabgänger auf das Berufsleben<br />

vorbereitet werden, war Thema<br />

der Fachtagung „Zukunft in die Schule<br />

holen – Lebensplanung, Arbeitswelt<br />

und Berufsorientierung“, zu der die<br />

<strong>GEW</strong> Anfang November gemeinsam<br />

mit der Bundesagentur für Arbeit<br />

(BA) u.a. in das Berliner Abgeordnetenhaus<br />

eingeladen hatte.<br />

Bei der Frage nach der passenden<br />

Ausbildung für<br />

Schulabgänger reden viele<br />

mit: Die Eltern wollen für<br />

ihre Kinder einen Beruf,<br />

der soziales Prestige bringt<br />

und von dem sich später gut leben lässt.<br />

Die Schule gibt sich Mühe, Jugendlichen<br />

den Arbeitsmarkt zu erklären und<br />

sie für die Bewerbung fit zu machen.<br />

Die BA, laut Gesetz für die Berufsorientierung<br />

zuständig, schickt ihre Berater in<br />

die Schulen. Diese erläutern Bildungswege,<br />

Berufsbilder, Anforderungsprofile<br />

und Karrierechancen. Die Wirtschaft<br />

erwartet gut qualifizierten Nachwuchs.<br />

Junge Menschen mit Problemen und<br />

Benachteiligungen sind eher unerwünscht.<br />

Und die Heranwachsenden selbst? Sie<br />

tun sich schwer mit Entscheidungen.<br />

Sollen sie eine Ausbildung machen oder<br />

lieber studieren? Welcher Job kommt<br />

überhaupt in Frage? Welcher berufliche<br />

Weg bringt Spaß, Anerkennung und<br />

materielle Sicherheit? Lohnen schulische<br />

Anstrengungen überhaupt, wenn<br />

man am Ende doch keine Lehrstelle ergattert?<br />

Kluge Strategie<br />

„Das Verhalten der Jugendlichen ist völlig<br />

logisch“, stellte Prof. Dr. Klaus Hurrelmann<br />

von der Universität Bielefeld klar.<br />

„Sie wollen sich nicht festlegen, halten<br />

sich in Zeiten der Ungewissheit Optionen<br />

offen. Das ist eine kluge Strategie.“<br />

Denn die Berufswahl sei nicht mehr vergleichbar<br />

mit der vor 50 oder auch nur<br />

vor 20 Jahren. Heute lernt man nicht<br />

mehr einen Beruf für das ganze Leben.<br />

Außerdem verschiebt sich der Übergang<br />

30 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

ins Arbeitsleben immer weiter nach hinten.<br />

Erst mit Ende 20 bekämen viele die<br />

Chance, in den Arbeitsmarkt einzusteigen,<br />

betonte Hurrelmann. Das gilt nicht<br />

nur für Studierende. Einsteiger in das<br />

duale System sind heute im Schnitt 18<br />

bis 19 Jahre alt.<br />

Auch Birgit Reißig vom Deutschen Jugendinstitut<br />

(DJI) München hat diese<br />

Tendenz beobachtet. Sie untersuchte<br />

die Berufswahl von Hauptschulabsolventen.<br />

Dabei zeigte sich, dass diese immer<br />

seltener direkte Übergänge in die<br />

Berufsausbildung finden. Eine Alternative<br />

sahen viele in einem weiteren<br />

Schulbesuch.<br />

„Den Schulen kommt heute mehr Bedeutung<br />

bei der Berufsorientierung zu“,<br />

erklärte Tobias Dreher von der BA. Diese<br />

stünden gemeinsam mit den Berufsberatern<br />

in der Verantwortung, die Jugendlichen<br />

auf das berufliche Leben vorzubereiten.<br />

Seine Institution, die schon<br />

seit langem den Grundsatz „Eine Schule<br />

– ein Berater“ vertritt, möchte die Berufsorientierung<br />

weiter verbessern. „Wir<br />

wollen flexibler auf die einzelnen<br />

Schularten eingehen, enger mit den<br />

Schulen zusammenarbeiten. Außerdem<br />

will die BA zeitiger mit den Schülern in<br />

Kontakt treten, etwa ab Klasse 7.“<br />

Ob es richtig ist, die Berufsorientierung<br />

in den Unterricht einzubeziehen und zu<br />

zensieren, wird in den Schulen kritisch<br />

diskutiert. „Lebensorientierung ist nur<br />

möglich, wenn Vertrauen von und zu<br />

den Jugendlichen aufgebaut wird“, sagte<br />

ein langjähriger Arbeitslehre-Lehrer.<br />

„Die Schüler müssen Erfahrungen machen,<br />

was sie können und was nicht.<br />

Das schafft man nicht in einer Unterrichtsstunde<br />

mit der ganzen Klasse.“<br />

Besser sei es, Sozialpädagogen einzubeziehen.<br />

Aber daran werde vielerorts gespart.<br />

Mitunter fühlen sich Schulen mit diesen<br />

Problemen allein gelassen. „Es gibt<br />

kaum Netzwerke, nur gegenseitige<br />

Schuldzuweisungen“, beklagte sich ein<br />

Lehrer. „Die Schule schlägt auf die Eltern<br />

ein, die Wirtschaft auf die Schule.“<br />

Dabei sei es Aufgabe der gesamten Gesellschaft,<br />

der Jugend eine Perspektive<br />

zu geben. Das unterstrich auch <strong>GEW</strong>-<br />

Schulexpertin Marianne Demmer. Sie<br />

stellte aber klar, dass die Schule keineswegs<br />

dazu da ist, den Nachwuchs für die<br />

Wirtschaft heranzubilden. „Den Beschluss,<br />

den der <strong>GEW</strong>-Hauptvorstand<br />

im Jahr 2000 gefasst hat, haben wir jetzt<br />

noch einmal bekräftigt. Unsere Bezugspunkte<br />

sind die allgemeinen humanen<br />

und zivilisatorischen Werte. Und die<br />

dürfen nicht durch einen homo oeconomicus<br />

ersetzt werden.“<br />

Trotz der zunehmenden Instabilität des<br />

Arbeitsmarktes – oder sogar gerade deshalb<br />

–, ergänzte Prof. Michael Winkler,<br />

Uni Jena, sei es vorrangige Aufgabe von<br />

Schule, dafür zu sorgen, dass junge<br />

Menschen Selbstvertrauen entwickeln.<br />

Katja Fischer, Report Presseagentur<br />

Jugendliche tun sich bei der Berufswahl<br />

schwer. Sollen sie eine Ausbildung machen<br />

oder lieber studieren? Lohnen<br />

schulische Anstrengungen überhaupt,<br />

wenn am Ende doch keine Lehrstelle<br />

winkt?<br />

Foto: imago


Ohne Druck geht es nicht<br />

Herbstakademie Weiterbildung <strong>2008</strong> sucht Wege aus der Prekarität<br />

„Prekäre Arbeit in der Weiterbildung“<br />

lautete das Thema der 8. Herbstakademie<br />

der <strong>GEW</strong> in Weimar. Mit<br />

Hilfe des Sachverstands aus Wissenschaft,<br />

Politik, Praxis und Gewerkschaft<br />

suchte man nach Strategien,<br />

wie gute Bedingungen für gute Arbeit<br />

zu erreichen sind.<br />

Die Anzahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse<br />

in<br />

Deutschland steigt stetig.<br />

Das Forschungsinstitut der<br />

Bundesagentur für Arbeit<br />

(BA), das IAB in Nürnberg,<br />

hat errechnet, dass 2007 bereits 45<br />

Prozent aller neu abgeschlossenen Arbeitsverträge<br />

befristet waren und dieses<br />

Phänomen um etwa zwei Prozent pro<br />

Jahr zunimmt. Das „Normalarbeitsverhältnis“<br />

weicht in allen Branchen zunehmend<br />

auf. Dabei sind befristete Projektverträge<br />

nur die Spitze des Eisbergs.<br />

„Statusklage“ als Ausweg<br />

Gerade in der Weiterbildung arbeiten<br />

traditionell viele „freie“ Honorarkräfte.<br />

Ihre finanzielle Lage hat sich seit Jahrzehnten<br />

nicht verbessert. Im Gegenteil:<br />

Auf der Herbstakademie wurde deutlich,<br />

wie groß der Druck auf die Dozentinnen<br />

und Teamer ist, die vom kargen<br />

Stundensatz die vollen Sozialversicherungssätze<br />

zahlen müssen – und dabei<br />

wissen, dass sie nie mehr als eine Mindestrente<br />

erhalten werden. Einen juristischen<br />

Weg aus dem Dilemma zeigte<br />

Fachanwalt Karl Otte auf, die „Statusklage“.<br />

Wer vor Gericht überprüfen lässt, ob die<br />

Einbindung in den Weiterbildungsbetrieb<br />

und der Umfang der Arbeit nicht<br />

längst eine Festanstellung rechtfertigen,<br />

kann auf Rechtsschutz der <strong>GEW</strong><br />

zählen, riskiert aber unter Umständen<br />

den Lehrauftrag an sich. Das Problem,<br />

geltendes Recht einzuklagen, kennt<br />

auch Andreas Schmidt von der Gewerkschaft<br />

der Privatangestellten (gpa) in<br />

Wien gut: Es gibt in Österreich zwar klare<br />

Kriterien, um einen Werkvertrag vom<br />

„echten“ und vom „freien“ Dienstvertrag<br />

zu unterscheiden, beschrieb er.<br />

Doch rechtliche Schritte sind ohne organisierte<br />

Gegenwehr ein stumpfes<br />

Schwert. Die gpa hat deshalb Plattfor-<br />

Stephanie Odenwald, <strong>GEW</strong>-Weiterbildungsexpertin<br />

men geschaffen, auf denen sich prekär<br />

Beschäftigte aus verschiedenen Branchen<br />

vernetzen können, ohne Gewerkschaftsmitglied<br />

zu sein, beispielsweise<br />

work@education.<br />

„Ohne Druck geht es nicht. Organisieren<br />

ist der einzige Weg“, das ist die Botschaft<br />

der Herbstakademie. Das gesellschaftliche<br />

Prestige der Weiterbildner müsse steigen,<br />

ebenso wie die Bezahlung, hieß es.<br />

Dafür, dass bei der Einkommensentwicklung<br />

zumindest die Spirale nach unten<br />

aufgehalten wird, könnte bald der Mindestlohn<br />

sorgen. Die Gewerkschaften<br />

<strong>GEW</strong> und ver.di haben mit dem Arbeitgeberverband<br />

BBB einen Branchentarifvertrag<br />

Weiterbildung abgeschlossen, der<br />

voraussichtlich Anfang 2009 ins Entsendegesetz<br />

aufgenommen wird. Im zweiten<br />

Schritt kann das Arbeitsministerium<br />

dann die vereinbarten Tarife für allgemein<br />

verbindlich erklären. Der „Mindestlohn<br />

als strukturierendes Element in<br />

einer hochheterogenen Branche“, wie<br />

ihn Veronika Jäger, Referentin für Ange-<br />

Andreas Schmidt, Gewerkschaft der Privatangestellten,<br />

Österreich<br />

Fotos: Manfred Gläser<br />

stellten- und Tarifpolitik beim <strong>GEW</strong>-<br />

Hauptvorstand, bezeichnete, könnte<br />

auch positive Folgen für Honorarkräfte<br />

haben. Unter der Voraussetzung, dass öffentliche<br />

Zuschussgeber – von der BA bis<br />

zum Bundesamt für Migration und<br />

Flüchtlinge (BAMF) – darauf verpflichtet<br />

werden. Da kommt Arbeit auf <strong>GEW</strong> und<br />

ver.di sowie die Betriebsräte der Bildungsträger<br />

zu.<br />

Anspruch an Qualität<br />

Breiten Raum bei den Diskussionen in<br />

Weimar nahm die Frage ein, welchen<br />

Stellenwert Qualität in der Erwachsenenbildung<br />

hat. „Unsere Qualifikation<br />

wird geschätzt, aber nicht honoriert“,<br />

war eine von vielen geteilte Erfahrung.<br />

Es sei gefährlich, um der Kursteilnehmenden<br />

willen Selbstausbeutung zu betreiben<br />

und trotz miserabler Bezahlung<br />

hohes Engagement an den Tag zu legen,<br />

hieß es. Denn auf Dauer gefährde das<br />

die eigene Gesundheit und bestätige zudem<br />

den gefährlichen Trend bei öffentlichen<br />

Ausschreibungen, immer mehr<br />

zu verlangen und weniger zu bezahlen.<br />

Ein überraschendes Signal sandte BA-<br />

Vertreter Kay Senius aus. Er erklärte, dass<br />

bei den geltenden Vergabekriterien häufig<br />

der günstigere Preis den Ausschlag<br />

für die Zuschlagserteilung gebe, weil die<br />

beschriebene Qualität im Allgemeinen<br />

ein „Leistungsversprechen“ sei und nur<br />

das berücksichtigt werden könne, was<br />

vergabe- und bewertungsrelevant nach<br />

der VOL/Verdingungsunterlagen sei.<br />

Doch dann sagte er: „Die Frage ist also,<br />

brauchen wir etwas, was geeigneter ist<br />

als die „Verdingungsordnung für Leistungen<br />

(VOL)?“ Erforderlich wäre in jedem<br />

Fall, sich auf verbindliche Qualitätsstandards<br />

zu verständigen.<br />

Stephanie Odenwald, Leiterin des <strong>GEW</strong>-<br />

Organisationsbereichs Berufliche Bildung/<br />

Weiterbildung kommentierte: „Die BA<br />

kann nur dann eine hohe Qualität der<br />

beruflichen Weiterbildung erwarten,<br />

wenn man Lehrkräfte angemessen bezahlt<br />

und diese gute Arbeitsbedingungen<br />

haben. Das gehört zu den wesentlichen<br />

Qualitätsstandards, die von gewerkschaftlicher<br />

Seite gefordert werden.<br />

Das gleiche gilt für das Bundesamt<br />

für Migration und Flüchtlinge (BAMF),<br />

das die Integrationskurse steuert.“<br />

Helga Ballauf, freie Journalistin<br />

WEITERBILDUNG<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 31


GENDER<br />

Literaturtipps:<br />

Budde, Jürgen; Scholand,<br />

Barbara; Faulstich-<br />

Wieland, Hannelore<br />

(<strong>2008</strong>): Geschlechtergerechtigkeit<br />

in der Schule.<br />

Eine Studie zu Chancen,<br />

Blockaden und Perspektiven<br />

einer gendersensiblen<br />

Schulkultur. 1.<br />

Aufl. Weinheim: Juventa<br />

(Veröffentlichungen<br />

der Max-Träger-Stiftung,<br />

44).<br />

Faulstich-Wieland,<br />

Hannelore; Willems,<br />

Katharina; Feltz, Nina;<br />

Freese, Urte; Läzer, Katrin<br />

Luise (<strong>2008</strong>): Genus<br />

– geschlechtergerechter<br />

naturwissenschaftlicher<br />

Unterricht in der Sekundarstufe<br />

I. Bad Heilbrunn:<br />

Klinkhardt<br />

(Klinkhardt Forschung).<br />

Hannelore Faulstich-Wieland:<br />

„Verfestigte Vorstellungen,<br />

wie<br />

Mädchen und Jungen<br />

sein sollen,<br />

müssen sichtbar<br />

gemacht und<br />

überwunden werden.“<br />

Gendergerechtigkeit in der Schule<br />

32 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

Eine Schavan-Äußerung zur Koedukation erlangt Medienaufmerksamkeit<br />

Jungen und Mädchen sollten teilweise<br />

getrennt unterrichtet werden. Mit dieser<br />

Äußerung sorgte Bundesbildungsministerin<br />

Annette Schavan (CDU)<br />

für reges Medieninteresse (s. Kommentar<br />

Seite 33). Doch der Weg zur Gendergerechtigkeit<br />

in der Schule ist komplexer<br />

und vielfältiger. Statt die Geschlechter<br />

getrennt lernen zu lassen,<br />

plädieren Wissenschaftlerinnen und<br />

Forscher dafür, dass Lehrkräfte im<br />

koedukativen Unterricht geschlechtersensibler<br />

agieren.<br />

Es sei eine sehr zurückhaltende<br />

Äußerung der Ministerin gewesen,<br />

lautet die Stellungnahme<br />

aus dem Bildungsministerium.<br />

Schavan habe nur<br />

betont, dass jedem Kind die<br />

bestmögliche Förderung zuteil werden<br />

solle. Neue Konzepte zum geschlechtergetrennten<br />

Unterricht gebe es nicht.<br />

Dennoch, die Aussage der Ministerin<br />

kurz vor dem Bildungsgipfel sorgte<br />

dafür, dass das Thema Koedukation und<br />

Geschlechtergerechtigkeit in der Schule<br />

wieder diskutiert wurde. „In einzelnen<br />

Fächern in bestimmten Altersstufen<br />

kann getrennter Unterricht von Jungen<br />

und Mädchen durchaus sinnvoll sein“,<br />

sagte Schavan im Interview mit dem<br />

Hamburger Abendblatt. „Wir haben Erfahrungen,<br />

dass im Bereich der Natur-<br />

wissenschaften oder der Sprachen es<br />

nicht immer gelingt, Jungen und<br />

Mädchen in gleicher Weise anzusprechen.“<br />

Für Hannelore Faulstich-Wieland, Professorin<br />

für Erziehungswissenschaft an der<br />

Universität Hamburg, setzt genau an<br />

dieser Stelle die Kritik ein. Ein pauschal<br />

geforderter monoedukativer Unterricht<br />

verstärke die Differenz zwischen<br />

Mädchen und Jungen und führe dazu,<br />

dass sich geschlechterspezifische Rollenmuster<br />

verbreiten und verfestigen. Es<br />

sei zwar notwendig, die Geschlechterverhältnisse<br />

zu beleuchten, eine Überbetonung<br />

der Unterschiede zwischen<br />

Mädchen und Jungen habe aber eher einen<br />

gegenteiligen Effekt.<br />

Stereotypen überwinden<br />

Die Erziehungswissenschaftlerin plädiert<br />

für eine so genannte „reflexive<br />

Koedukation“. D. h., für einen gemeinsamen<br />

Unterricht, bei dem eine Trennung<br />

nach Geschlecht im Einzelfall<br />

pädagogisch begründet und verantwortet<br />

werden muss. „Verfestigte Vorstellungen<br />

wie Mädchen und Jungen sein sollen,<br />

müssen sichtbar gemacht und überwunden<br />

werden.“ Man spreche hier von<br />

Dramatisierung und Entdramatisierung<br />

des Geschlechts. Das Ziel: eine Dekonstruktion<br />

der Geschlechterrollen.<br />

„Gender Mainstreaming ist nach wie vor<br />

eine Querschnittsaufgabe“, so Faulstich-Wieland.<br />

Darum müsse man<br />

Geschlechtergerechtigkeit als Gestaltungsaufgabe<br />

von<br />

Schulkultur betrachten<br />

und dürfe<br />

nicht nur einzelneMaßnahmen<br />

zur JungenoderMädchenförderung<br />

Blick haben.<br />

im<br />

Dass das Thema<br />

überhaupt eine<br />

solche Resonanz<br />

gefunden habe,<br />

erklärt Bildungsforscher<br />

Jürgen<br />

Budde vom Zentrum<br />

für SchulundBildungsforschung<br />

der UniversitätHalle-Wittenberg<br />

damit,<br />

dass die schuli-<br />

Foto: dpa<br />

schen „Misserfolge“ von Jungen – u. a.<br />

durch PISA – stärker in den Blickpunkt<br />

der Öffentlichkeit gerückt sind. Aufgrund<br />

ihrer schlechteren Leistungen<br />

und Schulabschlüsse etikettiere man<br />

Jungen als „Bildungsverlierer“. Für Budde<br />

eine Stigmatisierung.<br />

Auch führten, kritisiert der Wissenschaftler,<br />

die fehlenden empirischen<br />

Untersuchungen über die Ursachen<br />

schlechterer Leistungen von Jungen zu<br />

nicht überzeugenden Forderungen, wie<br />

dem Ruf nach mehr männlichen Lehrkräften<br />

oder fächerbezogenem geschlechtergetrennten<br />

Unterricht. „Doch<br />

was wir brauchen, sind genderkompetente<br />

Lehrkräfte, die geschlechtliche Lebenslagen<br />

erkennen und verstehen.“<br />

Es gehe dabei um eine professionelle<br />

Reflexion, erläutert Budde. „Als Lehrer<br />

oder Lehrerin muss ich erkennen, wo<br />

ich Geschlechterstereotype verstärke<br />

und wie ich diese abbauen kann.“<br />

Fort- und Ausbildungen für Lehrkräfte<br />

sowie eine stärkere Berücksichtigung<br />

dieser Themen in der universitären Lehrerausbildung<br />

seien dafür unerlässlich.<br />

Auch müsse es in der Praxis eine kollegiale<br />

Beratung und einen institutionalisierten<br />

Austausch der Lehrkräfte geben.<br />

Budde räumt jedoch ein, dass ein geschlechtergetrennter<br />

Unterricht durchaus<br />

vernünftig sein könne, wenn es um<br />

den Erwerb sozialer Kompetenzen geht.<br />

So könne man die größten Effekte bei<br />

der Trennung der Geschlechter im Bereich<br />

sozialen Lernens sowie der Berufsund<br />

Lebensplanung feststellen. „Sinnvoll<br />

ist jedoch ein individualisierender,<br />

fehlerfreundlicher und ermutigender<br />

Unterricht für alle“, so der Bildungsforscher.<br />

Er müsse Neugier wecken und<br />

sich an der Lebenswelt der Jugendlichen<br />

orientieren.<br />

Blick in die Praxis<br />

Wie geschlechterbewusste Bildung im<br />

Unterricht jahrgangs- und fächerübergreifend<br />

praktiziert werden kann, zeigt<br />

das Konzept der Gesamtschule Stieghorst<br />

in Bielefeld. Im Unterricht achtet<br />

man auf einen geschlechterbewussten<br />

Sprachgebrauch und im Fach Gesellschaftslehre<br />

wird nicht nur „Männergeschichte“<br />

abgefragt, sondern weibliche<br />

und männliche Alltagsgeschichte vermittelt.<br />

Themen zur Selbst- und Fremdwahrnehmung<br />

bietet die Schule in Zusam-


menarbeit mit dem Pädagogisch-Psychologischen<br />

Dienst an, wie auch Projekte<br />

in der Mädchen- und Jungenarbeit.<br />

Darüber hinaus sollen die Schülerinnen<br />

und Schüler in einem Haushaltspass<br />

den Nachweis unterschiedlicher<br />

Tätigkeiten erbringen, vom Nagel in die<br />

Wand schlagen bis zum Toilette putzen.<br />

Regelmäßig finden Mädchen- und Jungenkonferenzen<br />

statt, in denen die Jugendlichen<br />

geschlechtersensible Themen<br />

besprechen.<br />

„Unser Lehrpersonal wird entsprechend<br />

geschult“, erklärt Lehrerin Gundula Jasper,<br />

Koordinatorin für Mädchen- und<br />

Jungenarbeit. Dass dazu alle Lehrkräfte<br />

verpflichtend an einer Fortbildung zu<br />

Gender-Themen teilnehmen müssen,<br />

sei wichtig. „Damit wir erfolgreich geschlechterbewusst<br />

arbeiten können,<br />

müssen alle einbezogen werden.“<br />

Kühne These<br />

Eine über das Schulsystem hinausreichende<br />

– etwas kühne – These vertritt<br />

Marcel Helbig vom Wissenschaftszentrum<br />

Berlin für Sozialforschung (WZB).<br />

„Eine geschlechtergerechte Gesellschaft,<br />

die weniger mit Stereotypen arbeitet,<br />

kommt auch im Bildungssystem<br />

zu anderen Ergebnissen.“ Helbig nennt<br />

als Beleg die PISA-Studie. In Deutschland<br />

erzielen Jungen in Mathe etwas<br />

bessere Ergebnisse als Mädchen (s. Seiten<br />

13 f.). Beim Lesen erreichen hierzulande<br />

Schülerinnen deutlich bessere<br />

Werte als Schüler (vgl. die Befunde der<br />

PISA-E-Studie 2006). Für den jungen<br />

Wissenschaftler ein Indiz von ausgeprägter<br />

Geschlechterungerechtigkeit.<br />

Auch innerhalb Deutschlands seien die<br />

Unterschiede groß. „In Ostdeutschland<br />

liegt die ohnehin gute Abiturquote von<br />

Frauen um 5,5 Prozent höher als im<br />

Westen“**, so Helbig. 1995 habe die<br />

Differenz allerdings noch zehn Prozent<br />

betragen. Bei Männern sei die Quote<br />

vergleichbar. Island sei hingegen ein<br />

gutes Beispiel für ein geschlechtergerechtes<br />

Land. „Mädchen und Jungen<br />

schneiden dort im Matheunterricht<br />

gleich gut ab, auch ohne Geschlechtertrennung.“<br />

Ein gendergerechter Unterricht, darin<br />

sind sich die Wissenschaftler einig, könne<br />

nicht einfach durch Geschlechtertrennung<br />

erreicht werden. Er müsse methodisch-didaktisch<br />

die individuellen<br />

Möglichkeiten der Kinder und Jugendlichen<br />

berücksichtigen. Empirisch habe<br />

sich gezeigt, dass ein „guter“ naturwissenschaftlicher<br />

Unterricht den Ausschlag<br />

gebe, ob sich Jugendliche und<br />

speziell Mädchen dafür interessieren.<br />

Britta Jagusch, freie Journalistin<br />

*Marcel Helbig ist wissenschaftlicherMitarbeiter<br />

im Team der<br />

WZB-Direktorin Prof.<br />

Jutta Allmendinger und<br />

promoviert über „Geschlechterspezifische<br />

Unterschiede in der Bildung“.<br />

**2007 haben im Westen<br />

28,5 Prozent der<br />

Mädchen Abitur gemacht,<br />

im Osten 32<br />

Prozent. Angaben: Statistisches<br />

Bundesamt.<br />

Eine Schule für<br />

Mädchen und Jungen<br />

Praxishilfe mit Unterrichtskonzepten<br />

für eine<br />

geschlechtergerechte<br />

Bildung.<br />

Studie im Auftrag der<br />

Max-Traeger-Stiftung erstellt<br />

von Prof.Dr. Friederike<br />

Heinzel, Rabea<br />

Henze und Sabine<br />

Klomfaß an der Universität<br />

Kassel.<br />

Die Broschüre erhalten<br />

Sie im <strong>GEW</strong>-Shop<br />

(www.gew-shop.de, E-<br />

Mail: gew-shop@callagift.de,<br />

Fax: 06103<br />

30332-20)<br />

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10 Stück, Einzelpreis<br />

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und Versandkosten<br />

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Euro.<br />

Einzelbestellungen an:<br />

sekretariat.frauen<br />

politik@gew.de<br />

Wir brauchen genderkompetente<br />

Lehrkräfte<br />

Kommentar zum geschlechtergetrennten Unterricht<br />

Die Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses<br />

Ulla Burchardt<br />

(SPD) spricht nach der Äußerung von<br />

Bildungsministerin Annette Schavan<br />

(CDU) (s. Seite 32), Jungen und<br />

Mädchen teilweise<br />

wieder getrennt zu<br />

unterrichten, von einem<br />

„Rückfall in finstere<br />

Zeiten“ und erinnert<br />

sich an ihre eigene<br />

Schulzeit auf einer<br />

Mädchenschule.<br />

Andere Politiker und<br />

Bildungsexperten befürworten<br />

den getrennten<br />

Ansatz wiederum,<br />

um den<br />

Schulerfolg von Jungen<br />

gezielter fördern<br />

zu können.<br />

Zunächst einmal: Auf<br />

dem Bildungsgipfel<br />

spielte das Thema kei-<br />

Anne Jenter<br />

ne Rolle. Angesichts von Fachkräftemangel<br />

und hoher Schulabbruchquote<br />

wäre es aber wichtig gewesen, über<br />

innovative Wege in der Pädagogik zu<br />

diskutieren. Ein geschlechtersensibler<br />

Unterricht fördert den einzelnen Jungen<br />

und das einzelne Mädchen in ihrer<br />

Individualität – also gerade nicht<br />

als Jungen oder Mädchen – und eröffnet<br />

ihnen vielfältige Möglichkeiten<br />

der Identifikation.<br />

Dabei geht es weder um nach Geschlechtern<br />

getrennte Schulen, wie<br />

wir sie von früher kennen und in denen<br />

Mädchen geringer qualifiziert<br />

wurden. Noch geht es darum, pauschal<br />

eine Problemgruppe auszumachen<br />

und diese besonders zu fördern.<br />

Denn es gibt keine einheitliche Gruppe<br />

von männlichen Schulverlierern.<br />

Die Lernerfolge variieren je nach sozialem<br />

Hintergrund und Bildung der<br />

Eltern. Im Schnitt sind Jungen zwar<br />

schlechter in der Schule als Mädchen,<br />

haben aber im späteren Berufsleben<br />

die Nase vorn – vor allem sie lernen<br />

zukunftsträchtige technische Berufe.<br />

Gerade in der Pubertät findet die Zementierung<br />

der Geschlechterrollen<br />

statt, die sich auf die spätere Schulund<br />

Berufslaufbahn auswirkt. Ein<br />

zeitweise getrennter Unterricht – vor<br />

GENDER<br />

allem an weiterführenden Schulen –<br />

bietet die Möglichkeit, in verschiedenen<br />

Fächern an die diversen Interessen<br />

und Lebenswelten der Jungen und<br />

Mädchen anzuknüpfen. Er bietet zudem<br />

die Chance,<br />

über Rollenstereotype<br />

und Selbstwahrnehmung<br />

zu reflektieren,<br />

mit dem Ziel,<br />

die einengende Geschlechterrolleabzulegen<br />

und die individuelle<br />

Person in den<br />

Mittelpunkt zu<br />

rücken. Auch bei der<br />

Berufswahl ist es<br />

sinnvoll, teilweise in<br />

geschlechtergleichen<br />

Gruppen zu diskutieren,<br />

um das Rollenverständnis<br />

in Frage<br />

zu stellen.<br />

Ein geschlechtergerechter<br />

Unterricht setzt jedoch eine<br />

entsprechende Aus- und Fortbildung<br />

der Lehrerinnen und Lehrer voraus.<br />

Nur wenn sie ihre eigenen Rollenerwartungen<br />

an Frauen und Männer reflektieren,<br />

sind sie in der Lage, Genderkompetenz<br />

im Unterricht einzubringen.<br />

Das Selbstbild der Jungen und ihre<br />

Schulprobleme durch mehr Männer<br />

in Erziehungsberufen und insbesondere<br />

an Grundschulen ändern zu wollen,<br />

greift zu kurz. Zum einen werden<br />

größere Leistungsunterschiede zwischen<br />

den Geschlechtern erst in der<br />

Pubertät – also an weiterführenden<br />

Schulen – festgestellt. Zum anderen<br />

sind nur männliche Vorbilder von<br />

Vorteil, die Geschlechtergerechtigkeit<br />

leben. Die gesellschaftliche Norm<br />

von Männlichkeit, die auch vielen<br />

Jungen nicht gut tut, muss reflektiert<br />

werden. Oder anders ausgedrückt:<br />

Wenn Männer in der Schule für Sport,<br />

Physik, Werkbank oder Schulleitung<br />

zuständig sind, während sich die Frauen<br />

ums Singen und Basteln sowie das<br />

„Soziale“ im Kollegium kümmern, ist<br />

das mit Sicherheit der falsche Weg.<br />

Foto: Christian v. Polentz / transit Berlin<br />

Anne Jenter, Leiterin des<br />

<strong>GEW</strong>-Arbeitsbereichs Frauenpolitik<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 33


HOCHSCHULE UND FORSCHUNG<br />

Andreas Keller:<br />

„Die Probleme<br />

des wissenschaftlichenNachwuchses<br />

lassen sich<br />

nicht auf ein Informationsdefizit<br />

reduzieren. Ihnen<br />

liegt vielmehr ein<br />

strukturelles Defizit<br />

zu Grunde.“<br />

Homepage des BMBF<br />

für junge Forscherinnen<br />

und Forscher:<br />

www.kisswin.de<br />

Bundesbericht zur Förderung<br />

des wissenschaftlichenNachwuchses<br />

(BuWiN): www.buwin.de<br />

Literaturhinweis:<br />

„Denkanstöße in einer<br />

föderalisierten Hochschullandschaft“<br />

lautet<br />

der Titel des Jahrbuchs<br />

Hochschule gestalten<br />

2007/<strong>2008</strong>, das Frauke<br />

Gützkow und Gunter<br />

Quaißer herausgegeben<br />

haben. Bestellung bei:<br />

UVW Verlag, Bünder<br />

Str. 1-3, 33613 Bielefeld,<br />

E-Mail: info@universitaetsverlag.de,<br />

per Fax<br />

0521/92 36 10 22 oder<br />

im Buchhandel. 220<br />

Seiten, 27,90 Euro zuzüglich<br />

Versandkosten.<br />

Foto: David Ausserhofer<br />

„Googelst du noch oder forschst<br />

34 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

KISSWIN-Kongress: „Lust auf wissenschaftliche Karriere“<br />

„KISSWIN“ heißt ein neues Portal<br />

für den Nachwuchs-Forscher, das auf<br />

dem Berliner Kongress „Lust auf wissenschaftliche<br />

Karriere in Deutschland“<br />

vorgestellt wurde. KISSWIN<br />

steht für „Kommunikations- und Informationssystem<br />

Wissenschaftlicher<br />

Nachwuchs“ und wird vom Bundesforschungsministerium<br />

gefördert. Die<br />

Homepage soll alle notwendigen Informationen<br />

auf dem Weg zur Professur<br />

bündeln. Doch die Politik muss erheblich<br />

mehr tun als künftig über Karrierewege<br />

besser zu informieren.<br />

In Internet-Foren nennt er sich „Nemo“.<br />

Er ist knapp 40 Jahre, theoretischer<br />

Physiker, bestens qualifiziert<br />

– und machte nach eigener Einschätzung<br />

„den größten Fehler<br />

meines Lebens“, als er Ende der<br />

1990er-Jahre ein Angebot aus Oxford ablehnte,<br />

um ins deutsche Wissenschaftssystem<br />

zurückzukehren. „Ich habe mir damals<br />

gute Chancen ausgerechnet, in<br />

Deutschland rasch zu habilitieren und<br />

dann eine Professur erhalten zu können“,<br />

schreibt „Nemo“ im Diskussionsforum<br />

der neuen Homepage „KISSWIN“.<br />

Denn wer eine Hochschul-Karriere anstrebt,<br />

musste bisher zunächst vor allem<br />

Geduld beim Zusammentragen aller<br />

notwendigen Teilinformationen beweisen.<br />

„Googelst du noch oder forschst du<br />

schon?“ provoziert Klaus Henning deshalb<br />

seine Zuhörer gerne. Henning ist<br />

Leiter des Instituts für Lern- und Wis-<br />

Vernetz’ dich mit Europa<br />

1200 Universitäten, 900 Newsfeeds,<br />

28 Städte, neun Länder, vier Sprachen<br />

– ein Europa. Mitte Oktober<br />

wurde das Portal EFORS.eu<br />

(www.efors.eu) zum MLP-Hochschultag<br />

in Berlin freigeschaltet.<br />

EFORS.eu steht für Europe for Students<br />

und ist eine europäische Informations-<br />

und Kommunikationsplattform.<br />

Die Website bietet die<br />

wichtigsten Informationen und<br />

Nachrichten zum mobilen Studieren<br />

in Europa in vier Sprachen. Kontakt:<br />

Thomas Brömme, E-Mail: tb@<br />

efors.eu, Internet: www.efors.eu<br />

sensmanagement an der RWTH Aachen<br />

und einer der KISSWIN-Verantwortlichen.<br />

„Deutschland muss etwas tun für<br />

seinen wissenschaftlichen Nachwuchs“,<br />

verlangt der Aachener Professor, „oft<br />

fehlt die Transparenz und Orientierung<br />

in der nationalen Forschungslandschaft.“<br />

Das neue Portal „KISSWIN“<br />

soll hier Abhilfe schaffen: mit einer Stellen-Suchmaschine,<br />

Möglichkeiten zur<br />

individuellen Karriere-Beratung und<br />

Hinweisen auf Veranstaltungen, Workshops<br />

und Förderinstrumente für junge<br />

Forscher. Ist das Nachwuchs-Problem in<br />

der Forschung also nur ein Informationsproblem?<br />

Die Antwort vieler Experten ist klar: Die<br />

strukturellen Probleme sind ungleich<br />

größer. Das zeigt zum Beispiel der aktuelle<br />

„Bundesbericht zur Förderung des<br />

wissenschaftlichen Nachwuchses“ (Bu-<br />

WiN) (s. E&W 9/<strong>2008</strong>). Er bescheinigt<br />

den deutschen Hochschulen, dass deren<br />

Karrieresystem „im Vergleich zu Großbritannien,<br />

Frankreich und den USA für<br />

Promovierte die geringste Chance bietet,<br />

auf eine selbstständige und unbefristete<br />

Hochschullehrerstelle zu gelangen.”<br />

Nur eine von fünf Wissenschaft-


du schon?“<br />

lerstellen in Deutschland ist unbefristet,<br />

in den USA dagegen hat mehr als jeder<br />

zweite Hochschullehrer einen Dauer-<br />

Vertrag, in Frankreich sind es sogar drei<br />

„Making Excellence“<br />

Unter diesem Motto stand eine Tagung<br />

über Grundlagen, Praxis und<br />

Konsequenzen der Exzellenzinitiative,<br />

die die <strong>GEW</strong> 2007 gemeinsam<br />

mit dem Institut für Hochschulforschung<br />

an der Universität Halle/<br />

Wittenberg durchgeführt hat. Dokumentiert<br />

wird diese Veranstaltung<br />

in einem Sammelband:<br />

Roland Bloch, Andreas Keller, André<br />

Lottmann, Carsten Würmann (Hrsg.):<br />

Making Excellence. Grundlagen,<br />

Praxis und Konsequenzen. <strong>GEW</strong>-<br />

Materialien aus Hochschule und<br />

Forschung, W. Bertelsmann Verlag<br />

Bielefeld <strong>2008</strong>, 19,90 Euro. <strong>GEW</strong>-<br />

Mitglieder können bei diesem Buch<br />

vom Herausgeberrabatt (30 Prozent)<br />

profitieren. Bestellungen bitte an:<br />

christine.sturm@gew.de<br />

Viertel – mit so viel Risiko wie in<br />

Deutschland ist die Karriere sonst nirgendwo<br />

behaftet.<br />

Mehr Dauer-Stellen schaffen<br />

Trotz föderalistischer Streitigkeiten<br />

müssten Bund und Länder zusammenarbeiten<br />

und für mehr Dauer-Stellen in<br />

der Wissenschaft sorgen, fordert deshalb<br />

die <strong>GEW</strong>. Kombiniert mit der gezielten<br />

Förderung von Wissenschaftlerinnen<br />

könnten damit die Nachwuchs-<br />

Strukturen dauerhaft verbessert werden<br />

– was aus Sicht der „Projektgruppe DoktorandInnen“<br />

der <strong>GEW</strong> auch dringend<br />

nötig ist. Denn nicht zuletzt durch den<br />

Bologna-Prozess werde vieles reformiert,<br />

ohne dabei die Interessen derer<br />

zu berücksichtigen, um die es geht: „die<br />

Doktorandinnen und Doktoranden,<br />

über die oft, mit denen aber selten geredet<br />

wird“, wie es in einer Stellungnahme<br />

der Projektgruppe heißt.<br />

Wie unsicher und unklar die Lage für<br />

den Nachwuchs ist, zeigte sich auch<br />

beim KISSWIN-Kongress. Viele der<br />

über 1000 Teilnehmenden hatten gar<br />

nicht den Mut, allzu weit in die berufliche<br />

Zukunft zu blicken: „Das System<br />

der möglichen wissenschaftlichen Karrierewege<br />

ist undurchschaubar”, klagte<br />

etwa Svenja Plöger (28). Sie promoviert<br />

gerade, weiß aber noch nicht, ob ihr<br />

Weg in Richtung Wissenschaft oder Industrie<br />

führt. Und auch Harald Birkholz<br />

aus Rostock ist verunsichert: „Mich<br />

würde der mehrfache Wechsel zwischen<br />

Forschung und Wissenschaft in meinem<br />

Leben reizen”, sagt der 25-jährige Mathematik-Doktorand<br />

– doch er weiß,<br />

dass die Systeme kaum aufeinander abgestimmt<br />

sind.<br />

Konkrete Verbesserungen<br />

Wer solche berufliche Ungewissheit<br />

schon länger ertragen muss, neigt – wen<br />

wundert’s? – zum Fatalismus. So wie<br />

„Nemo“: Der Physiker hält das KISS-<br />

WIN-Projekt nur für eine „großspurige<br />

Ankündigung“, wirklich verbessern werde<br />

sich die Lage für den wissenschaftlichen<br />

Nachwuchs dadurch nicht. Diese<br />

Hoffnung jedoch will Peter Strohschneider,<br />

Vorsitzender des Wissenschaftsrats<br />

(WR), noch nicht aufgeben: Nach dem<br />

gefloppten Bildungsgipfel von Dresden<br />

fordert er, dass „die Politik in ihren Finanzentscheidungen<br />

Bildung und Wissenschaft<br />

gegenüber anderen Politikbereichen<br />

wirklich mehr Bedeutung beimisst<br />

als bisher” – nur so könnten die vagen<br />

Absichtserklärungen zu konkreten<br />

Verbesserungen führen.<br />

Armin Himmelrath, freier Journalist<br />

HOCHSCHULE UND FORSCHUNG<br />

Berechenbare<br />

Karriereperspektiven<br />

Kommentar: kein Informationsdefizit<br />

Der wissenschaftliche<br />

Nachwuchs wisse nicht,<br />

welche interessanten Fördermöglichkeiten<br />

ihnen<br />

Bund, Länder und Hochschulen<br />

bieten und sei deshalb<br />

„schlecht gelaunt“,<br />

lautet die Diagnose des AachenerIngenieurwissenschaftlers<br />

Prof. Klaus Henning,<br />

Initiator des KISS-<br />

WIN-Portals in Berlin (s.<br />

Seite 34).<br />

Andreas Keller<br />

Die Probleme des wissenschaftlichen<br />

Nachwuchses<br />

in Deutschland lassen sich aber nicht auf ein Informationsdefizit<br />

reduzieren. Ihnen liegt vielmehr ein strukturelles<br />

Defizit zu Grunde. Das hat ausgerechnet der vom Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung (BMBF) in<br />

Auftrag gegebene Bundesbericht zur Förderung des wissenschaftlichen<br />

Nachwuchses (BuWiN, s. E&W 9/<strong>2008</strong>)<br />

bestätigt. „In der Regel werden Nachwuchsforscherinnen<br />

und -forscher aber noch zu lange darüber im Unklaren gelassen,<br />

ob sie sich auf eine Hochschulkarriere dauerhaft<br />

einlassen können“, wird dort messerscharf analysiert.<br />

Junge Menschen, die nach Studium und Promotion an<br />

der Uni bleiben, sind regelrechte Hasardeure, die Kopf<br />

und Kragen riskieren. Denn wer nicht den Sprung auf eine<br />

Professur schafft, landet nach einer Patchwork-Karriere<br />

aus Zeitverträgen und Stipendien häufig in einer beruflichen<br />

Sackgasse. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />

brauchen daher endlich auch in Deutschland<br />

frühzeitig berechenbare Karriereperspektiven.<br />

Um die überfällige Strukturreform an den Hochschulen<br />

anzustoßen, fordert die <strong>GEW</strong> ein Bund-Länder-Programm<br />

für 10 000 zusätzliche Postdoc-Stellen für promovierte<br />

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Hochschulen<br />

sollen die Finanzierung einer Postdoc-Stelle für<br />

sechs Jahre dann beantragen können, wenn sie verbindlich<br />

zusagen, die Postdocs im Falle einer positiven Evaluierung<br />

in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis zu<br />

überführen (so genannte Tenure-Track-Option). Mindestens<br />

60 Prozent der Postdoc-Stellen sind für qualifizierte<br />

Frauen zu reservieren – heute bleiben gerade in der Phase<br />

zwischen Promotion und Berufung besonders viele Frauen<br />

„auf der Strecke“.<br />

Mit dem Programm für 10 000 Postdoc-Stellen könnten<br />

Bund und Länder nicht nur die überfällige Strukturreform<br />

anstoßen, sondern auch für die zusätzlichen Fachkräfte<br />

sorgen, die wir brauchen, um den Generationenwechsel<br />

in der Hochschullehrerschaft, den von Bund und<br />

Ländern versprochenen Ausbau der Hochschulen und<br />

die vom Wissenschaftsrat geforderte Verbesserung der<br />

Qualität der Lehre zu bewältigen.<br />

Foto: privat<br />

Andreas Keller, Leiter des <strong>GEW</strong>-Organisationsbereichs<br />

Hochschule und Forschung<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 35


Die Bewohnerinnen<br />

und BewohnerMasiphumeleles<br />

in Südafrika,<br />

deren Hütten im<br />

Herbst 2006 niederbrannten,<br />

sind<br />

entschlossen,<br />

nicht wieder Behausungen<br />

aus<br />

Abfällen zu errichten.<br />

Spendenkonto:<br />

DESWOS e.V., Konto<br />

660 222 1, BLZ 370 501<br />

98, Sparkasse Köln-<br />

Bonn, Stichwort: Häuser<br />

jetzt!<br />

Armut überwinden!<br />

Erzbischof Desmond M. Tutu bittet um Spenden<br />

„Ich bitte Sie sehr, das Amakhaya<br />

ngoku, ein Pilotprojekt für den Wohnungsbau,<br />

zu unterstützen, das auch<br />

andere Gemeinden inspirieren könnte!<br />

Masiphumelele ist eine der ärmsten<br />

Kommunen am Westkap Südafrikas.<br />

Und dennoch haben die Menschen<br />

Erzbischof Desmond<br />

M. Tutu<br />

Foto: Archiv Büro Tutu<br />

„Häuser jetzt!“<br />

in Masiphumelele ein unglaubliches<br />

Gefühl für Sprache: Denn Masiphumelele<br />

bedeutet übersetzt: Es wird<br />

uns gelingen! Lasst es uns schaffen,<br />

die Armut zu überwinden, den Hunger<br />

zu beenden, AIDS zu bekämpfen<br />

und jetzt ein einfaches Zuhause für<br />

einige Hundert Familien zu bauen, die zum wiederholten<br />

Male durch schreckliche Brände alles verloren haben.<br />

Amakhaya ngoku ist für mich ein Pilotprojekt, das für andere<br />

benachteiligte Gemeinschaften Vorbildcharakter hat.<br />

Auch weil es die Behörden und die Privatwirtschaft als Unterstützer<br />

gewinnen konnte. Ich bitte Sie inständig, diese<br />

sehr wertvolle Initiative durch Ihre Spende zu fördern, um<br />

zu zeigen: Masiphumelele – es wird uns gelingen!<br />

Amakhaya ngoku – Häuser jetzt!“<br />

36 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

Eine Armensiedlung in Südafrika kämpft ums Überleben<br />

Nach dem Besuch einer <strong>GEW</strong>-Delegation<br />

in der sehr armen südafrikanischen<br />

Kommune Masiphumelele im<br />

Oktober 2007 beschloss die Bildungs-<br />

gewerkschaft, sich an einem Modellprojekt<br />

zur dauerhaften Überwindung<br />

von Armut zu beteiligen. Als Kooperationspartner<br />

hat die <strong>GEW</strong> DES-<br />

WOS (Deutsche Entwicklungshilfe<br />

für soziales Wohnungs- und Siedlungswesen)<br />

gewonnen. DESWOS<br />

hat inzwischen einen Förderantrag<br />

beim Bundesministerium für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit (BMZ)<br />

gestellt. Das BMZ sagte eine Förderung<br />

von 500 000 Euro zu, wenn es<br />

gelingt, den Restbetrag in Höhe von<br />

140 000 Euro über private Spenden<br />

aus Deutschland aufzutreiben. Warum<br />

ist diese Hilfe nötig?<br />

Im Oktober 2006 brannten in einer<br />

Nacht rund 400 Hütten in Masiphumelele,<br />

einem der ärmsten<br />

Townships Südafrikas, nieder –<br />

nicht zum ersten Mal rannten Hunderte<br />

um ihr Leben, in den Armen<br />

Babys oder die wenige Habe, die sich in<br />

letzter Minute retten ließ. Viele, vor allem<br />

Kinder und alte Leute, die nicht<br />

schnell genug wegkamen, erlitten schwere<br />

Verbrennungen. Wie durch ein Wunder<br />

starb in dieser Nacht niemand. Denn<br />

die Feuerwehr kam spät und achtete nur<br />

darauf, dass das Feuer nicht auf Häuser<br />

außerhalb des Armutsgebiets übergriff.<br />

Foto: dpa<br />

INTERNATIONALES<br />

Etwas jedoch war anders nach dieser<br />

Nacht: Eine Gruppe von Bewohnerinnen<br />

und Bewohner Masiphumeleles war<br />

entschlossen, nicht wieder neue Hütten<br />

aus Abfällen zu errichten, nicht länger<br />

mit über 1200 Menschen 40 Toiletten<br />

und zwei Wasserhähne zu teilen und auf<br />

das nächste Feuer zu warten. Sie suchten<br />

eine dauerhafte Lösung, nicht nur für einige,<br />

sondern für alle, auch für die Allerärmsten<br />

und Schwächsten. „Etwa ein<br />

Drittel unserer Kinder ist immer krank“,<br />

sagte eine Mutter damals, „allein aufgrund<br />

der unhygienischen Lebensbedingungen.”<br />

Menschenwürdig wohnen<br />

Nur einen Steinwurf entfernt von diesem<br />

Armutsgebiet, das den Namen<br />

„School Site” trägt, steht das HOKISA-<br />

Friedenshaus. Sein Versammlungsraum<br />

wurde zum Treffpunkt und Geburtsort<br />

der inzwischen sogar von der südafrikanischen<br />

Regierung anerkannten Wohnungsbau-Organisation<br />

„Amakhaya<br />

ngoku – Häuser jetzt!” In den vergangenen<br />

Jahren haben alle auf der School Site<br />

lebenden 352 Familien mehrfach Anträge<br />

auf staatliche Subvention gestellt –<br />

zunächst vergeblich. Erst nach zahlreichen<br />

Protesten, einschließlich einer<br />

Blockade des zuständigen Ministeriums,<br />

hat man diese bewilligt, haben<br />

Fachleute Baupläne entworfen, ist immer<br />

wieder die Öffentlichkeit um Unterstützung<br />

gebeten worden.<br />

Das zentrale Ziel dieses Pilotprojektes<br />

ist nicht nur, menschenwürdige Wohnungen<br />

zu bauen, sondern auf dem Weg<br />

dahin Ausbildungsplätze für Jugendliche<br />

sowie Jobs für Arbeitslose zu schaffen.<br />

Die Bewohner sollen künftig die<br />

Wohnungen als Kooperative selbst verwalten<br />

und nach vier Jahren Eigentümer<br />

werden, um dauerhaft der Armut zu entkommen.<br />

Geplant ist der Bau von 352<br />

Zwei-Zimmer-Wohungen in zwölf Häusern<br />

sowie ein Gemeinschaftszentrum<br />

mit Kindergarten, Spielplatz und Büros.<br />

Die Menschen brauchen diese beispielhaften<br />

Projekte, die – wie im Township<br />

Masiphumelele – Mut machen, dass Armut<br />

überwunden werden kann und<br />

Menschen in Würde leben können. Bitte<br />

helfen Sie mit, dass alle Kinder ohne<br />

Angst vor Bränden und mit der Hoffnung<br />

auf Zukunft aufwachsen können.<br />

In diesem Township, in Südafrika und<br />

überall auf der Welt.<br />

Lutz van Dijk, seit 2001 in Kapstadt<br />

Ko-Direktor von HOKISA (Homes for<br />

Kids in South Africa, www.hokisa.co.za ),<br />

von Township-Bewohnern in den Vorstand<br />

von „Amakhaya ngoku” gewählt.


<strong>GEW</strong>-INTERN<br />

„Wir konnten unsere europäischen<br />

Maßstäbe nicht anwenden“<br />

BFW unterstützt Schulpartnerschaft in Nicaragua<br />

Sie ist die erste Event-Managerin mit<br />

Rektorenstelle an einer deutschen<br />

Schule: Heidemarie Danz von der Oswald-von-Nell-Breuning-Schule<br />

im<br />

hessischen Rödermark betreut umfangreiche<br />

Austauschprogramme in die<br />

ganze Welt, oft auch mit Hilfe des Bildungs-<br />

und Förderungswerks der<br />

<strong>GEW</strong>. Zum Beispiel bei einer Schulpartnerschaft,<br />

die bis nach Masaya in<br />

Nicaragua reicht.<br />

Nach einer knappen halben<br />

Stunde unterbricht die<br />

Managerin ihren Bericht,<br />

sie überlegt kurz, zögert<br />

nur einen Moment. Wann<br />

der nächste Austausch anstehe?<br />

Heidemarie Danz ruft im Geiste<br />

ihren Terminkalender für das kommende<br />

Jahr ab und beginnt mit den Franzosen,<br />

„die kommen im Januar zu uns in<br />

die Schule“, dann folgen Spanier, Engländer,<br />

später noch Italiener. Ach ja, und<br />

Polen, auch da sei 2009 „noch was geplant“,<br />

genau wie mit Ungarn, „da fahre<br />

ich selbst hin mit meiner Klasse. Unsere<br />

Schüler können so viel über die Lebensweisen<br />

in anderen Ländern hautnah erfahren.“<br />

Danz ist die erste Event-Managerin einer<br />

deutschen Schule. Natürlich ist sie<br />

zuvorderst Lehrerin, sie unterrichtet<br />

Mathe, Deutsch und Gesellschaftslehre,<br />

ist Klassenlehrerin. Doch als ihre Schule<br />

eine Rektorenstelle eigens für das Event-<br />

Management ausschrieb, bewarb sie<br />

sich – und bekam den ungewöhnlichen<br />

Job. Jetzt betreut sie alle Aktivitäten der<br />

Europaschule, das reicht von zahlreichen<br />

Austauschprogrammen mit Schulen<br />

in anderen europäischen Staaten bis<br />

hin zu Ausstellungen oder Schulfesten.<br />

„An einer Schule mit einem solch vielfältigen<br />

Programm war dies die beste<br />

Möglichkeit, alle Aktivitäten effizient<br />

durchzuführen“, sagt Danz. „Deshalb<br />

wurde die Stelle geschaffen.“<br />

Außergewöhnliche Geschichte<br />

Mit Antritt des Postens hat Danz aber<br />

auch eine ganz besondere Verantwortung<br />

übernommen: die Pflege und Fort-<br />

führung einer 1998 an der Heinrich-<br />

Mann-Schule, Dietzenbach, begonnenen<br />

Partnerschaft mit einer Schule in<br />

Masaya in Nicaragua. „Das“, sagt Danz,<br />

„ist eine ganz außergewöhnliche Geschichte.“<br />

Schon vor mehr als 20 Jahren hatten die<br />

Lehrerinnen Brigitte Fischer und Gisela<br />

Beez die Verbindung zu der Schule Instituto<br />

Reforma, heute Instituto José de la<br />

Cruz Mena, einer Schule in Masaya,<br />

aufgebaut. „Daraus entstand eine gemeinsame<br />

Partnerschaft zweier benachbarter<br />

Schulen mit Nicaragua“, sagt<br />

Danz. Heute betreuen Maria Erdmann-<br />

Martinez (Dietzenbach) und Danz (Rödermark)<br />

das Nicaragua-Projekt, inklusive<br />

gegenseitiger Besuche alle zwei bis<br />

fünf Jahre. Sie haben dafür Arbeitsgemeinschaften<br />

und Eine-Welt-Läden eingerichtet.<br />

Die Beziehungen nach Lateinamerika<br />

kosten Zeit und vor allem<br />

Geld. Die Schule auf dem anderen Kontinent<br />

soll unterstützt und natürlich besucht<br />

werden.<br />

Am 1. Juli vergangenen Jahres war es so<br />

weit, eine kleine Delegation flog nach<br />

Managua, der Hauptstadt des lateinamerikanischen<br />

Landes. Nach monatelangen<br />

Vorbereitungen wollte die Gruppe<br />

die Lebensbedingungen der Kinder<br />

in Masaya kennen lernen und lernte als<br />

Erstes, „dass wir unsere europäischen<br />

Maßstäbe nicht anwenden konnten“,<br />

berichtet Danz. Innerhalb von drei Wochen<br />

besuchte die Gruppe Schulen und<br />

Kindergärten, Werkstätten und Schildkrötenschutzgebiete,<br />

Städte und Vulkane,<br />

Gewerkschaftszentren und Müllentsorgungsanlagen.<br />

„So viel habe ich auf<br />

einer Studienreise noch nie mitbekommen“,<br />

sagt Danz. Damit ist sie nicht allein,<br />

die Schüler Sabine Kemmler und<br />

Daniel Hunkel – beide 19, 13. Klasse –,<br />

die an der Nicaragua-Reise teilgenommen<br />

haben, sind sehr beeindruckt, dass<br />

„die Nicas trotz der schlechten wirtschaftlichen<br />

und sozialen Verhältnisse<br />

in ihrem Land die Schönheit der Natur<br />

und die kulturelle Vielfalt zu schätzen<br />

wissen“. Und Sabine betont: „Mitgenommen<br />

habe ich ein Stück der nicaraguanischen<br />

Lebenseinstellung: die Fähigkeit,<br />

mir nicht die Lebensfreude wegen<br />

eines Problems rauben zu lassen.“<br />

Der Gegenbesuch aus Nicaragua folgte<br />

vor vier Monaten in Rödermark und<br />

Dietzenbach – und „seitdem verbinden<br />

uns“, so Daniel, „persönliche Beziehungen<br />

zu den Gastschülern“. Bis zur<br />

nächsten Reise nach Masaya ist erst einmal<br />

etwas Ruhe eingekehrt – und die<br />

Schüler tauschen E-Mails aus.<br />

Felix Helbig, freier Journalist<br />

Bildungs- und Förderungswerk<br />

der <strong>GEW</strong> im DGB e.V.<br />

Foto: Oswald-von-Nell-Breuning-Schule<br />

Schulpartnerschaft<br />

mit Nicaragua<br />

– Einblicke<br />

in andere Lebenswelten:<br />

Drei Wochen<br />

lang besuchte<br />

eine Schülerund<br />

Lehrergruppe<br />

aus Hessen Schulen<br />

und Kindergärten,Schildkrötenschutzgebiete,<br />

Städte und Vulkane.<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 37


<strong>GEW</strong>-INTERN<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

wer verantwortlich vorsorgen will, kommt nicht daran vorbei, auch über die finanzielle Absicherung im Todesfall nachzudenken.<br />

Brechen Sie ein Tabu und treffen Sie Vorsorge für den Fall der Fälle.<br />

Ein Todesfall ist immer eine hohe psychische Belastung für alle Hinterbliebenen. Neben der Trauer müssen eine Reihe organisatorischer Aufgaben bewältigt<br />

werden. Von der Gestaltung der Trauerfeier bis hin zur Wohnungsauflösung. Aus Erfahrung wissen wir, dass die Kosten für eine würdige Bestattung<br />

5 000 EUR oft weit übersteigen. Sichern Sie Ihre Angehörigen rechtzeitig ab durch den Abschluss einer Sterbegeldversicherung. Denn seit<br />

dem 01.01.2004 wurde das von den gesetzlichen Krankenkassen gezahlte Sterbegeld komplett gestrichen.<br />

Eigenverantwortung ist jetzt unverzichtbar – Wir helfen Ihnen dabei.<br />

Sie können jetzt mit der BFW-Sterbegeldversicherung Ihre Lücke in der Vorsorge schließen; dabei kommen Ihnen die besonders günstigen Beiträge<br />

für <strong>GEW</strong>-Mitglieder zugute. Diese und weitere Vorteile gelten auch für Ihre Angehörigen:<br />

Vorteile auf einen Blick:<br />

Bildungs- und Förderungswerk<br />

der <strong>GEW</strong> im DGB e.V.<br />

● Niedrige Beiträge durch Gruppenvertrag ● Garantierte Aufnahme bis 80 Jahre<br />

● Steuerbegünstigung der Beiträge ● Doppelzahlung bei Unfalltod<br />

● Keine Gesundheitsprüfung, ● Leistungsverbesserung durch Überschussbeteiligung<br />

Warum sollten Sie eine Sterbegeldversicherung beim Bildungs- und Förderungswerk der <strong>GEW</strong> abschließen?<br />

In der Bereitstellung finanzieller Mittel für ein würdiges Begräbnis sieht das BFW der <strong>GEW</strong> seine Hauptaufgabe. Durch den Gruppenvertrag mit der<br />

DBV-Winterthur Versicherung bieten wir <strong>GEW</strong>-Mitgliedern und deren Angehörigen seit über 35 Jahren besonders günstige Versicherungsbeiträge.<br />

Wählen Sie eine Versicherungssumme zwischen 500 € und 12500 €.<br />

Senden Sie uns den folgenden Antrag am besten noch heute zurück.<br />

Beitragstabelle Monatsbeiträge je 500 EUR Versicherungssumme Tarif VG9/<strong>2008</strong><br />

Eintritts Männer Frauen<br />

-alter EUR EUR<br />

15 0,59 EUR 0,51 EUR<br />

16 0,61 EUR 0,52 EUR<br />

17 0,62 EUR 0,53 EUR<br />

18 0,63 EUR 0,54 EUR<br />

19 0,65 EUR 0,56 EUR<br />

20 0,66 EUR 0,57 EUR<br />

21 0,67 EUR 0,58 EUR<br />

22 0,69 EUR 0,59 EUR<br />

23 0,71 EUR 0,60 EUR<br />

24 0,72 EUR 0,62 EUR<br />

25 0,74 EUR 0,63 EUR<br />

26 0,76 EUR 0,65 EUR<br />

27 0,78 EUR 0,66 EUR<br />

28 0,80 EUR 0,68 EUR<br />

29 0,82 EUR 0,69 EUR<br />

30 0,84 EUR 0,71 EUR<br />

31 0,86 EUR 0,73 EUR<br />

Eintrittsalter: Beginnjahr der Versicherung minus Geburtsjahr der zu versichernden Person.<br />

Bei Eintrittsalter 15-74 ist die Unfallzusatzversicherung obligatorisch eingeschlossen.<br />

Für andere Versicherungssummen als 500 Euro ist der Betrag entsprechend zu vervielfältigen.<br />

Die Monatsbeiträge sind versicherungstechnisch mit sieben Nachkommastellen gerechnet. Aus Vereinfachungsgründen sind aber nur zwei Nachkommastellen<br />

in der Beitragstabelle ausgewiesen. Deshalb kann es zu Rundungsdifferenzen kommen, die sich allerdings nur im Cent-Bereich bewegen.<br />

Endalter Beitragszahlung: 85 Jahre, aber mindestens fünf Jahre.<br />

38 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

Eintritts Männer Frauen<br />

-alter EUR EUR<br />

32 0,89 EUR 0,75 EUR<br />

33 0,91 EUR 0,77 EUR<br />

34 0,94 EUR 0,79 EUR<br />

35 0,97 EUR 0,81 EUR<br />

36 1,00 EUR 0,83 EUR<br />

37 1,03 EUR 0,86 EUR<br />

38 1,06 EUR 0,88 EUR<br />

39 1,09 EUR 0,91 EUR<br />

40 1,13 EUR 0,94 EUR<br />

41 1,17 EUR 0,96 EUR<br />

42 1,21 EUR 0,99 EUR<br />

43 1,25 EUR 1,03 EUR<br />

44 1,30 EUR 1,06 EUR<br />

45 1,34 EUR 1,09 EUR<br />

46 1,39 EUR 1,13 EUR<br />

47 1,45 EUR 1,17 EUR<br />

48 1,50 EUR 1,21 EUR<br />

Eintritts Männer Frauen<br />

-alter EUR EUR<br />

49 1,56 EUR 1,26 EUR<br />

50 1,63 EUR 1,30 EUR<br />

51 1,69 EUR 1,35 EUR<br />

52 1,76 EUR 1,40 EUR<br />

53 1,84 EUR 1,46 EUR<br />

54 1,92 EUR 1,52 EUR<br />

55 2,00 EUR 1,58 EUR<br />

56 2,09 EUR 1,65 EUR<br />

57 2,18 EUR 1,72 EUR<br />

58 2,28 EUR 1,80 EUR<br />

59 2,39 EUR 1,88 EUR<br />

60 2,51 EUR 1,97 EUR<br />

61 2,63 EUR 2,07 EUR<br />

62 2,76 EUR 2,17 EUR<br />

63 2,91 EUR 2,29 EUR<br />

64 3,06 EUR 2,41 EUR<br />

65 3,23 EUR 2,55 EUR<br />

Eintritts Männer Frauen<br />

-alter EUR EUR<br />

66 3,42 EUR 2,70 EUR<br />

67 3,62 EUR 2,86 EUR<br />

68 3,84 EUR 3,05 EUR<br />

69 4,08 EUR 3,25 EUR<br />

70 4,35 EUR 3,48 EUR<br />

71 4,64 EUR 3,73 EUR<br />

72 4,97 EUR 4,02 EUR<br />

73 5,34 EUR 4,35 EUR<br />

74 5,75 EUR 4,73 EUR<br />

75 6,19 EUR 5,14 EUR<br />

76 6,75 EUR 5,66 EUR<br />

77 7,41 EUR 6,30 EUR<br />

78 8,22 EUR 7,09 EUR<br />

79 9,24 EUR 8,11 EUR<br />

80 10,61 EUR 9,49 EUR


Version G -01. <strong>2008</strong><br />

Beitrittserklärung bitte zurücksenden an:<br />

Bildungs- und Förderungswerk der <strong>GEW</strong> e.V., Postfach 90 04 09, 60444 Frankfurt<br />

Beitrittserklärung zur Gruppen-Sterbegeldversicherung<br />

(bis Alter 80) - Tarif VG9/<strong>2008</strong><br />

Zu versichernde Person<br />

Versicherungsumfang<br />

Einzugsauftrag<br />

(bitte in jedem Fall ausfüllen)<br />

Produktbeschreibung<br />

Unfalltod-<br />

Zusatzversicherung<br />

Beitragszahlung<br />

Name / Vorname<br />

Straße / Hausnummer<br />

Versicherungsbeginn<br />

Ich beantrage eine Versicherungssumme von: (bitte ankreuzen)<br />

PLZ / Wohnort<br />

Geburtsdatum<br />

Telefonnummer für Rückfragen<br />

Versicherungssumme in € Monatlicher Beitrag in €<br />

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die Beiträge für diese Gruppen-Sterbegeld-Versicherung bis auf schriftlichen Widerruf und der<br />

monatliche BFW-Mitgliedsbeitrag von € 0,05 im Lastschriftverfahren monatlich eingezogen werden.<br />

Konto-Nummer Bankleitzahl<br />

Y Y<br />

Bank / Sparkasse / Postbank Konto-Inhaber<br />

Y<br />

Ich wähle folgende Summe unter 12.500 Euro: Euro .....................<br />

Mindestsumme 500,-- Euro<br />

Die Versicherungsleistung wird beim Tod der versicherten Person fällig.<br />

Das Höchsteintrittsalter beträgt 80 Jahre. Der Versicherer verzichtet auf<br />

eine Gesundheitsprüfung; stattdessen gilt beim Tod der versicherten<br />

Person im 1. Versicherungsjahr folgende Staffelung der Versicherungssumme:<br />

Bei Tod im 1. Monat: Rückzahlung des eingezahlten Beitrages;<br />

bei Tod im 2. Monat: Zahlung von 1/12 der Versicherungssumme; bei Tod<br />

im 3. Monat Zahlung von 2/12 der Versicherungssumme usw.; allmonat-<br />

Eine Unfalltod-Zusatzversicherung ist stets eingeschlossen, außer bei<br />

den Eintrittsaltern ab 75 Jahren. Bei Tod infolge eines Unfalls vor dem<br />

Ende des Versicherungsjahres, in dem die versicherte Person ihr 75.<br />

Die Beiträge sind bis zum Ende des Monats zu entrichten, in dem die<br />

versicherte Person stirbt; längstens jedoch bis zum Ende des Ver-<br />

Überschussbeteiligung Die von der DBV-Winterthur Lebensversicherung AG laufend erwirtschafteten<br />

Überschüsse werden in Form von Grund- und Zinsüberschussanteilen<br />

weitergegeben. Die Grundüberschussanteile werden mit<br />

den von mir zu zahlenden Versicherungsbeiträgen verrechnet.<br />

Zuwendungserklärung Die während meiner Mitgliedschaft auf die Sterbegeldversicherung<br />

anfallenden Grundüberschussanteile werden mit<br />

den von mir zu zahlenden Versicherungsbeiträgen verrechnet.<br />

Bis auf meinen jederzeit möglichen Widerruf wende ich dem<br />

BFW der <strong>GEW</strong> laufend Beträge in Höhe der jeweils verrechneten<br />

Überschussanteile zu. Dadurch kommen diese Beträge wirt-<br />

Unterschriften<br />

Bildungs- und Förderungswerk<br />

der <strong>GEW</strong> im DGB e.V.<br />

Bevor Sie diese Beitrittserklärung unterschreiben, lesen Sie bitte auf der<br />

Rückseite die Einwilligungserklärung der zu versichernden Person. Die Einwilligungserklärung<br />

enthält u.a. die Klausel nach dem Bundesdaten-<br />

Ort / Datum Unterschrift der zu versichernden Person<br />

Y Y Y<br />

Bitte kreuzen Sie an:<br />

weiblich männlich<br />

lich um 1/12 der Versicherungssumme steigend bis zur vollen Versicherungssumme<br />

ab Beginn des 2. Versicherungsjahres. Stirbt die<br />

versicherte Person vor Ablauf des ersten Versicherungsjahres infolge<br />

eines im ersten Versicherungsjahr eingetretenen Unfalls, wird stets<br />

die volle Versicherungsleistung erbracht.<br />

Interne Angaben<br />

Gruppenvertragsnummer Personenkreis Versicherungsscheinnummer Versicherungssumme Versicherungsbeginn<br />

4 7 9 0 0 5 8 6 6 1 4 7 0 1 2 0 0 8<br />

Y<br />

3.000<br />

5.000<br />

7.000<br />

10.000<br />

12.500<br />

Ihr Servicetelefon<br />

069/78 97 32 05<br />

Bitte ankreuzen:<br />

Mitglied<br />

Familienangehörige/r<br />

zzgl. BFW-Mitgliedsbeitrag 0,05<br />

Lastschriftbetrag ................<br />

Lebensjahr vollendet hat, wird die volle Versicherungssumme zusätzlich<br />

zur Sterbegeldleistung gezahlt.<br />

sicherungsjahres, in dem die versicherte Person das rechnungsmäßige<br />

85. Lebensjahr vollendet.<br />

Die Zinsüberschussanteile werden verzinslich angesammelt<br />

und zusammen mit der Versicherungsleistung ausgezahlt.<br />

schaftlich nicht mir, sondern dem BFW der <strong>GEW</strong> zu 64 % für<br />

satzungsgemäße Aufgaben und zu 36 % zur Förderung der<br />

Sterbegeldeinrichtung (Kostendeckungsmittel) zugute. Über<br />

die Höhe der Zuwendungen gibt das BFW der <strong>GEW</strong> auf Anfrage<br />

jederzeit Auskunft. Bei Widerruf der Zuwendungserklärung<br />

beträgt der monatliche BFW-Mitgliedsbeitrag 2,50 €.<br />

schutzgesetz (BDSG) und Hinweise zum Widerspruchsrecht; sie ist<br />

wichtiger Bestandteil des Vertrages. Sie machen mit Ihrer Unterschrift<br />

die Einwilligungserklärung zum Inhalt dieser Beitrittserklärung.<br />

Unterschrift der Kontoinhaberin/des Kontoinhabers<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 39


Version G - 01.<strong>2008</strong><br />

Einwilligungserklärung Die Vereinigung und die zu versichernde Person geben die nachfolgend abgedruckten Einwilligungserklärungen zur Datenverarbeitung<br />

nach dem Bundesdatenschutzgesetz und zur Schweigepflichtentbindung ab.<br />

Widerrufssrecht<br />

Sie können Ihre Erklärung bis zum Ablauf von 30 Tagen<br />

nach Erhalt des Versicherungsscheins und der<br />

Bestimmungen und Informationen zum Vertrag (BIV) ohne<br />

Angabe von Gründen schriftlich widerrufen. Eine<br />

Erklärung in Textform (z.B. per Brief, Fax oder E-Mail) ist<br />

I. Bedeutung dieser Erklärung und Widerrufsmöglichkeit<br />

Ihre personenbezogenen Daten benötigen wir zur Verhinderung<br />

von Versicherungsmissbrauch, zur Überprüfung unserer<br />

Leistungspflicht, zu Ihrer Beratung und Information sowie allgemein<br />

zur Antrags-, Vertrags- und Leistungsabwicklung.<br />

Personenbezogene Daten dürfen nach geltendem Datenschutzrecht<br />

nur erhoben, verarbeitet oder genutzt werden<br />

(Datenverwendung), wenn dies ein Gesetz ausdrücklich<br />

erlaubt oder anordnet oder wenn eine wirksame Einwilligung<br />

des Betroffenen vorliegt.<br />

Nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist die Verwendung<br />

Ihrer allgemeinen personenbezogenen Daten<br />

(z.B. Alter oder Adresse) erlaubt, wenn es der Zweckbestimmung<br />

eines Vertragsverhältnisses oder vertragsähnlichen<br />

Vertrauensverhältnisses dient (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG).<br />

Das gleiche gilt, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen<br />

der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu<br />

der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des<br />

Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung<br />

überwiegt (§ 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG). Die Anwendung<br />

dieser Vorschriften erfordert in der Praxis oft eine umfangreiche<br />

und zeitintensive Einzelfallprüfung. Auf diese kann bei Vorliegen<br />

dieser Einwilligungserklärung verzichtet werden.<br />

Zudem ermöglicht diese Einwilligungserklärung eine Datenverwendung<br />

auch in den Fällen, die nicht von den Vorschriften<br />

des Bundesdatenschutzgesetzes erfasst werden<br />

(Vgl. dazu Ziffer II).<br />

Einen intensiveren Schutz genießen besondere Arten personenbezogener<br />

Daten (insbesondere Ihre Gesundheitsdaten).<br />

Diese dürfen wir im Regelfall nur verwenden, nachdem<br />

Sie hierin ausdrücklich eingewilligt haben (Vgl. dazu Ziffer III.).<br />

Mit den nachfolgenden Einwilligungen zu Ziffer II. und Ziffer<br />

III. ermöglichen Sie zudem eine Datenverwendung auch<br />

solcher Daten, die dem besonderen gesetzlichen Schutz von<br />

Privatgeheimnissen gemäß § 203 Strafgesetzbuch unterliegen.<br />

Diese Einwilligungen sind ab dem Zeitpunkt der Antragstellung<br />

wirksam. Sie wirken unabhängig davon, ob später<br />

der Versicherungsvertrag zustande kommt. Es steht Ihnen<br />

frei, diese Einwilligungserklärungen mit Wirkung für die<br />

Zukunft jederzeit ganz oder teilweise zu widerrufen. Dies<br />

lässt aber die gesetzlichen Datenverarbeitungsbefugnisse<br />

unberührt. Sollten die Einwilligungen ganz oder teilweise<br />

verweigert werden, kann das dazu führen, dass ein Versicherungsvertrag<br />

nicht zustandekommt.<br />

II. Erklärung zur Verwendung Ihrer allgemeinen personenbezogenen<br />

Daten<br />

Hiermit willige ich ein, dass meine personenbezogenen Daten<br />

unter Beachtung der Grundsätze der Datensparsamkeit und<br />

der Datenvermeidung verwendet werden<br />

1.a) zur Vertragsabwicklung und zur Prüfung der Leistungspflicht;<br />

b) zur Weitergabe an den/die für mich zuständigen Vermittler,<br />

soweit dies der ordnungsgemäßen Durchführung meiner<br />

Versicherungsangelegenheiten dient;<br />

Allgemeine Hinweise<br />

Mir ist bekannt, dass die Vereinigung Versicherungsnehmerin<br />

ist. Sie handelt in meinem Auftrag. Ich bevollmächtige die Vereinigung<br />

zur Vertretung bei der Abgabe und Entgegennahme<br />

aller das Versicherungsverhältnis betreffenden Willenserklärungen<br />

(einschließlich der Kündigung der Sterbegeldversicherung<br />

beim Ausscheiden des Mitglieds aus der Vereinigung);<br />

die Vertretungsbefugnis erstreckt sich jedoch nicht<br />

auf die Empfangnahme von Versicherungsleistungen und<br />

die Änderung des Bezugsrechts.<br />

Versicherungsträger<br />

DBV-Winterthur Lebensversicherung Aktiengesellschaft<br />

Sitz: Wiesbaden (AG Wiesbaden - HRB 7501-)<br />

Vorsitzender des Aufsichtsrats: Herbert Falk<br />

40 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

Widerrufsbelehrung auf Abschluss eines Versicherungsvertrages<br />

ausreichend. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die<br />

rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu<br />

richten an: DBV-Winterthur Lebensversicherung AG,<br />

Frankfurter Str. 50, 65170 Wiesbaden. Sofern der vorseitig<br />

genannte Versicherungsbeginn vor dem Ablauf der<br />

2. zur gemeinschaftlichen Führung von Datensammlungen<br />

der zur AXA Gruppe gehörenden Unternehmen (zu denen<br />

auch die DBV-Winterthur Gesellschaften zählen und die im<br />

Internet unter www.axa.de einsehbar sind oder mir auf<br />

Wunsch mitgeteilt werden), um die Anliegen im Rahmen der<br />

Antrags-,Vertrags- und Leistungsabwicklung schnell, effektiv<br />

und kostengünstig bearbeiten zu können (z.B. richtige<br />

Zuordnung Ihrer Post oder Beitragszahlungen). Diese Datensammlungen<br />

enthalten Daten wie Name,Adresse, Geburtsdatum,<br />

Kundennummer, Versicherungsnummer, Kontonummer,<br />

Bankleitzahl,Art der bestehenden Verträge, sonstige<br />

Kontaktdaten;<br />

3. durch andere Unternehmen/Personen (Dienstleister) innerhalb<br />

und außerhalb der AXA Gruppe, denen der Versicherer<br />

oder ein Rückversicherer Aufgaben ganz oder teilweise zur<br />

Erledigung überträgt. Diese Dienstleister werden eingeschaltet,<br />

um die Antrags-, Vertrags- und Leistungsabwicklung<br />

möglichst schnell, effektiv und kostengünstig zu<br />

gestalten. Eine Erweiterung der Zweckbestimmung der<br />

Datenverwendung ist damit nicht verbunden. Die Dienstleister<br />

sind im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung verpflichtet,<br />

ein angemessenes Datenschutzniveau sicher zu stellen,<br />

einen zweckgebundenen und rechtlich zulässigen Umgang<br />

mit den Daten zu gewährleisten sowie den Grundsatz der<br />

Verschwiegenheit zu beachten;<br />

4. zur Verhinderung des Versicherungsmissbrauchs und bei<br />

der Klärung von Ansprüchen aus dem Versicherungsverhältnis<br />

durch Nutzung konzerneigener Datenbestände sowie<br />

Nutzung eines Hinweis- und Informationssystems der Versicherungswirtschaft<br />

mit Daten, die der Gesamtverband<br />

der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) im Auftrag<br />

der Versicherer verschlüsselt.Auf Basis dieses Systems<br />

kann es zu einem auf den konkreten Anlass bezogenen<br />

Austausch personenbezogener Daten zwischen dem<br />

anfragenden und dem angefragten Versicherer kommen;<br />

5. zur Beratung und Information über Versicherungs- und<br />

sonstige Finanzdienstleistungen durch<br />

a) den Versicherer, andere Unternehmen der AXA Gruppe und<br />

den für mich zuständigen Vermittler;<br />

b) Kooperationspartner des Versicherers (die im Internet<br />

unter www.axa.de einsehbar sind oder mir auf Wunsch<br />

mitgeteilt werden); soweit aufgrund von Kooperationen mit<br />

Gewerkschaften/Vereinen Vorteilskonditionen gewährt<br />

werden, bin ich damit einverstanden, dass der Versicherer<br />

zwecks Prüfung, ob eine entsprechende Mitgliedschaft<br />

besteht, mit den Gewerkschaften/Vereinen einen Datenabgleich<br />

vornimmt;<br />

6. zur Antrags-,Vertrags- und Leistungsabwicklung, indem<br />

der Versicherer Informationen über mein allgemeines<br />

Zahlungsverhalten einholt. Dies kann auch erfolgen durch<br />

ein anderes Unternehmen der AXA Gruppe oder eine Auskunftei<br />

(z.B. Bürgel, Infoscore, Creditreform, SCHUFA);<br />

7. zur Antrags-,Vertrags- und Leistungsabwicklung, indem<br />

Bei höherem Eintrittsalter können die zu zahlenden<br />

Beiträge in ihrem Gesamtbetrag die versicherte<br />

Leistung unter Umständen übersteigen.<br />

Eine Durchschrift der Beitrittserklärung wird mir unverzüglich<br />

nach Unterzeichnung zugesandt.<br />

Auf diesen Vertrag findet das Recht der Bundesrepublik<br />

Deutschland Anwendung.<br />

Soweit Vorteilskonditionen gewährt werden, die vom<br />

Bestehen der Mitgliedschaft zu einer Gewerk-<br />

Vorstand: Dr. Frank Keuper (Vors.), Wolfgang Hanssmann,<br />

Ulrich C. Nießen, Anette Rosenzweig, Dr. Heinz-Peter Roß,<br />

Dr. Heinz-Jürgen Schwering, Dr. Patrick Dahmen (stv.)<br />

Widerrufsfrist liegt, bin ich damit einverstanden, dass der<br />

erste oder einmalige Beitrag (Einlösungsbeitrag) -<br />

abweichend von der gesetzlichen Regelung - vor Ablauf<br />

der Frist fällig d.h. unverzüglich zu zahlen ist.<br />

der Versicherer ein Unternehmen der AXA Gruppe oder<br />

eine Auskunftei eine auf der Grundlage mathematischstatistischer<br />

Verfahren erzeugte Einschätzung meiner<br />

Zahlungsfähigkeit bzw. der Kundenbeziehung (Scoring) einholt.<br />

III. Erklärungen zur Schweigepflichtentbindung und<br />

Verwendung von Gesundheitsdaten<br />

Schweigepflichtentbindung<br />

Zur Bewertung unserer Leistungspflicht kann es erforderlich<br />

werden, dass wir die Angaben prüfen, die zur Begründung<br />

von Ansprüchen gemacht werden oder die sich aus eingereichten<br />

Unterlagen (z.B. Rechnungen,Verordnungen, Gutachten)<br />

oder Mitteilungen beispielsweise eines Krankenhauses<br />

oder Arztes ergeben. Diese Überprüfung unter Einbeziehung<br />

von Gesundheitsdaten erfolgt nur, soweit hierzu<br />

ein Anlass besteht (z.B. Fragen zu Unfalltod oder Selbsttötung).<br />

Um diese Prüfung und Bewertung zu ermöglichen, geben<br />

Sie folgende Erklärung ab:<br />

a) Zum Zweck der Prüfung der Leistungspflicht befreie ich<br />

von ihrer Schweigepflicht Ärzte, Pflegepersonen und Bedienstete<br />

von Krankenhäusern, sonstigen Krankenanstallten,<br />

Pflegeheimen, Personenversicherern, gesetzlichen<br />

Krankenkassen sowie von Berufsgenossenschaften und<br />

Behörden, soweit ich dort in den letzten 10 Jahren vor<br />

Antragstellung untersucht, beraten oder behandelt worden<br />

bin bzw. versichert war oder einen Antrag auf Versicherung<br />

gestellt habe.<br />

b) Die Angehörigen des Versicherers und seiner Dienstleistungsgesellschaften<br />

befreie ich von ihrer Schweigepflicht<br />

insoweit, als Gesundheitsdaten an beratende Ärzte oder<br />

Gutachter weitergegeben werden. Wir werden Gesundheitsdaten<br />

nach den Absätzen a) und b) nur erheben zur Leistungspflichtprüfung.<br />

Datenverwendung<br />

Um die Datenverwendung zu ermöglichen, geben Sie<br />

folgende Erklärungen ab:<br />

a) Ich willige in die Verwendung der von den vorstehenden<br />

Schweigepflichtentbindungserklärungen erfassten Gesundheitsdaten<br />

zur Leistungsprüfung ein. Die Grundsätze der<br />

Datensparsamkeit und Datenvermeidung sind zu beachten.<br />

b) Ich willige ferner ein, dass die von den vorstehenden<br />

Schweigepflichtentbindungserklärungen erfassten Gesundheitsdaten<br />

unter Beachtung der Grundsätze der Datensparsamkeit<br />

und Datenvermeidung im Sinne der Ziffer II. Nr.<br />

1 (Vertragsabwicklung), Nr. 3 (Outsourcing an Dienstleister),<br />

Nr. 4 (Missbrauchsbekämpfung) und Nr. 5 (Beratung und<br />

Information) verwendet werden dürfen.<br />

Zur Missbrauchsbekämpfung im Rahmen einer besonderen<br />

Konzerndatenbank dürfen Gesundheitsdaten nur von<br />

Kranken-, Unfall- und Lebensversicherern eingesehen und<br />

verwendet werden (Ziffer II. 4).<br />

schaft/Vereinigung abhängig sind, erfolgt ein Datenabgleich<br />

mit dieser Organisation ohne Bekanntgabe der Versicherungsinhalte.<br />

Die für Ihre Versicherung zuständige Aufsichtsbehörde ist die<br />

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin),<br />

Postfach 1308, 53003 Bonn, Internet: www.bafin.de.<br />

Unser Unternehmen ist Mitglied im Verein Versicherungsombudsmann<br />

e.V., Postfach 080632, 10006 Berlin.<br />

Anschrift:<br />

Frankfurter Straße 50<br />

65170 Wiesbaden


Trau dich!<br />

Rechtsextreme Symbole im Klassenzimmer,<br />

kollektives Mobbing<br />

im Internet – solche Konflikte gefährden<br />

die demokratische Kultur<br />

unserer Gesellschaft. Aber es<br />

geht auch anders: Einzelne junge<br />

Menschen, Klassen oder Jugendgruppen<br />

halten dagegen und beweisen<br />

Zivilcourage. Oft schlägt<br />

sich dieses Engagement in ganz<br />

konkreten Projekten nieder – Initiativen,<br />

die es verdient haben,<br />

sie einer größeren Öffentlichkeit<br />

bekanntzumachen.<br />

Die <strong>GEW</strong> sucht solche Projekte<br />

engagierten Handelns und hat einen<br />

Wettbewerb ausgeschrieben. Gesucht sind Projekte, die gesellschaftliche<br />

Missstände anprangern und beenden, die die Aufarbeitung der jüngeren<br />

Vergangenheit thematisieren, die den Schwachen und Benachteiligten<br />

in unserer Gesellschaft helfen, die sich für mehr Demokratie im<br />

Alltag junger Menschen engagieren.<br />

Wer kann teilnehmen?<br />

An dem Wettbewerb, den das Bildungs- und Förderungswerk der <strong>GEW</strong><br />

(BFW) finanziert, können sich junge Menschen aus Bayern im Alter von<br />

zwölf bis 20 Jahren beteiligen. Das Engagement Einzelner, ob in Schule,<br />

Ausbildungsbetrieb oder Jugendzentrum, ist dabei ebenso willkommen<br />

wie die Beteiligung ganzer Klassen, Gruppen oder Kurse.<br />

Was gibt es zu gewinnen?<br />

Die Gewinner des Wettbewerbs haben die Chance, vom 25. bis 28. April<br />

2009 an einem Workshop der politischen Bildung teilzunehmen. Dazu<br />

werden jeweils zwei Team-Mitglieder, eine Lehrkraft oder ein Betreuer der<br />

sechs interessantesten Projekte nach Nürnberg eingeladen. Außerdem<br />

gibt es für jedes Gewinner-Team eine digitale Videokamera – damit die<br />

Projektarbeit in Zukunft noch besser dokumentiert werden kann.<br />

Die Preisverleihung findet auf dem Gewerkschaftstag der <strong>GEW</strong> am 27.<br />

April 2009 in Nürnberg statt. Dort können sich die Projekte zudem in einer<br />

Ausstellung präsentieren.<br />

Interessierte Jugendliche oder Gruppen bewerben sich mit dem<br />

Anmeldebogen und einer Projektbeschreibung (nicht mehr als eine DIN<br />

A4-Seite). Um die Initiative anschaulicher zu machen, können Fotos,<br />

Dokumente und Zeitungsartikel angehängt werden.<br />

Die Bewerbungen müssen bis zum 19. <strong>Dezember</strong> <strong>2008</strong> eingegangen sein<br />

bei:<br />

<strong>GEW</strong>-Hauptvorstand, Stichwort „Trau dich!“, Reifenberger Str. 21, 60489<br />

Frankfurt a.M.<br />

Den Flyer zum Wettbewerb gibt es im Internet unter: www.gew.de/<br />

Trau_dich.html<br />

Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten<br />

Am 1. September startete die 21. Ausschreibung des Geschichtswettbewerbs<br />

des Bundespräsidenten mit dem Thema „Helden: verehrt – verkannt<br />

– vergessen“. Der Wettbewerb richtet sich an alle Kinder und Jugendlichen<br />

zwischen acht und 21 Jahren. Teilnehmern winken Geld- und<br />

Sachpreise in Höhe von 250 000 Euro.<br />

Einsendeschluss ist der 28. Februar 2009.<br />

Ausrichter des Wettbewerbs ist seit 1973 die Körber-Stiftung in Hamburg,<br />

die 550 Preise für die besten Projekte auf Landes- und Bundesebene auslobt.<br />

Nähere Informationen unter: www.geschichtswettbewerb.de<br />

Foto: zplusz<br />

LesePeter<br />

MARKTPLATZ<br />

Der LesePeter ist eine monatliche Auszeichnung der Arbeitsgemeinschaft<br />

Jugendliteratur und Medien (AJuM) der <strong>GEW</strong> für ein herausragendes aktuelles<br />

Buch der Kinder- und Jugendliteratur.<br />

Im <strong>Dezember</strong> erhält den LesePeter das Buch von Lorenz Pauli und Kathrin<br />

Schärer „Ich mit dir, du mit mir“. Zum Inhalt: Das Bilderbuch für Kinder<br />

ab vier Jahren erzählt eine wunderbare Geschichte über die Freundschaft<br />

sehr ungleicher Tiere und Menschen.<br />

Lorenz Pauli, Kathrin Schärer: Ich mit dir, du mit mir, Zürich: Atlantis<br />

bei Orell Füssli <strong>2008</strong>, 32 Seiten, 13,90 Euro<br />

Im Januar 2009 wird das Kinderbuch von Andreas Steinhöfel „Rico, Oskar<br />

und die Tieferschatten“ mit dem LesePeter ausgezeichnet. Zum Inhalt:<br />

Rico nennt sich selbst „tiefbegabt“. Er versteht in der Schule nicht immer<br />

gleich alles, hat aber einen unerschöpflichen Optimismus. Zusammen<br />

mit dem hochbegabten Oskar bildet Rico ein unschlagbares Team.<br />

Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und die Tieferschatten, Hamburg: Carlsen<br />

<strong>2008</strong>, 220 Seiten, 12,90 Euro, ab zehn Jahren<br />

Ausführliche Rezensionen mit pädagogischen Hinweisen sind im Internet<br />

unter www.ajum.de oder www.ajum.de/lespeter.html abrufbar.<br />

„Abitur in der Diskussion“<br />

Die <strong>GEW</strong>-Broschüre „Abitur in der Diskussion. Analysen und Positionen<br />

zum Zentralabitur“, herausgegeben von den Bundesfachgruppenausschüssen<br />

Gymnasien und Gesamtschulen der <strong>GEW</strong>, enthält neben<br />

Artikeln zu aktuellen Diskussionen (z. B. „Zentralabitur – ein Auswuchs<br />

neuer Steuerung im Bildungsbereich?“) eine Übersicht über die bundesweiten<br />

Regelungen sowie <strong>GEW</strong>-Positionen zum Thema. Zu beziehen ist<br />

die Broschüre für 9,80 Euro plus 2,10 Euro Versandkosten über den nds-<br />

Verlag, www.nds-verlag.de.<br />

Noch einmal 68<br />

Als Nachklapp zum 68er-Schwerpunkt in E&W 7-8/<strong>2008</strong> weisen wir auf<br />

folgende Bücher hin:<br />

In „Seid realistisch, verlangt das Unmögliche“ erhellen Erziehungswissenschaftler<br />

(Micha Brumlik, Lothar Böhnisch) und Soziologen (Oskar<br />

Negt), wie die herrschaftskritische 68er-Debatte über den Umgang mit<br />

Autorität zu einer „Wende“ in der Pädagogik führte. Das Buch, herausgegeben<br />

von Meike Sophia Baader, ist im Beltz Verlag <strong>2008</strong> erschienen und<br />

zum Preis von 16,90 Euro erhältlich.<br />

„Winter a. D.“ ist ein neuer Roman von Ulrich Zimmermann, der die aktuelle<br />

Bildungsdiskussion und Rückbesinnung auf 68 zusammenführt. Der<br />

Schriftsteller und Lehrer Zimmermann, selbst ein Alt-68er, schildert einen<br />

Tag im Leben des Realschullehrers Winter. Zimmermann hält in seinem<br />

Roman weder alte Erziehungsideale hoch, noch regt er sich sonderlich<br />

über den Zustand des Bildungssystems auf. Er schildert die Schule als<br />

Teil der menschlichen Komödie und nimmt dabei auch seinen Helden<br />

nicht aus.<br />

Ulrich Zimmermann: Winter a. D., Lindemanns Bibliothek Band 51, 204<br />

Seiten, 12,80 Euro<br />

„Wer zu spät kommt...“ von Doro Mayer-Hauth ist ein Roman, im Principal<br />

Verlag Münster erschienen, der Einblicke in den Lebensalltag der<br />

APO-Generation gibt: Mit gemischten Gefühlen erwartet Arno seinen<br />

Ziehsohn aus Australien. Der 25-Jährige hat Fragen angekündigt, die seine<br />

Jugend überschattet haben und auf deren Beantwortung er nun unmissverständlich<br />

drängt. Welchen Grund hatte sein Vater, sich noch vor<br />

seiner Geburt angeblich in die DDR abzusetzen? Dabei lässt der Vater die<br />

Ereignisse um die 68er-Generation Revue passieren und hat Gewissensbisse,<br />

dass er sein Geheimnis lange gehütet hat.<br />

Doro Mayer-Hauth: Wer zu spät kommt..., Principal Verlag Münster<br />

<strong>2008</strong>, 438 Seiten, 14,80 Euro<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 41


MARKTPLATZ/<strong>GEW</strong>-INTERN<br />

„Wissen der Zukunft“<br />

Die Filmdokumentation „Wissen der Zukunft“ von Paul Schwarz zeigt,<br />

wie Naturwissenschaften erfolgreich unterrichtet werden können. Erfolgsmodelle<br />

aus fünf PISA-Ländern, u. a. Finnland, Japan, Kanada, Mexiko<br />

und Deutschland, werden präsentiert. Zunächst richtet Schwarz sein<br />

Augenmerk auf die „Sieger“ der PISA-Studie 2006: Finnland, Japan und<br />

Kanada. Er zeigt aber auch, wie in Mexiko unter sozioökonomisch<br />

schwierigen Bedingungen dank der Hilfe massiver Investitionen in die<br />

Bildung eine Aufbruchstimmung festzustellen ist.<br />

Wie wird in unterschiedlichen Schulformen mit der Heterogenität der<br />

Schüler umgegangen? Wie kann durch Alltagsbezug die Motivation zum<br />

Lernen gefördert werden? Der Film, der im Auftrag der OECD entstand,<br />

veranschaulicht, wie auch in bestehenden Strukturen erfolgreich gelernt<br />

werden kann.<br />

Paul Schwarz: Wissen der Zukunft. Wie Bildungsarbeit weltweit gelingt –<br />

Naturwissenschaften im internationalen Vergleich, DVD, Beltz Praxis<br />

<strong>2008</strong>, 19,90 Euro<br />

Heimat und Landschaft<br />

kjl&m, die von der Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien<br />

(AJuM) der <strong>GEW</strong> herausgegebene Zeitschrift, hat in Heft 4/<strong>2008</strong> den<br />

Schwerpunkt „Heimat: Landschaft in der Kinder- und Jugendliteratur“.<br />

Thema sind „literarische Kindheitsorte“. Die Schweizer Kinderliteratur<br />

wird dabei ebenso in den Blick genommen wie skandinavische Landschaften,<br />

wie sie z. B. Selma Lagerlöf geschaffen hat. Oder Exil-Orte, wie<br />

sie Lisa Tetzner in ihrer Kinder-Odysee „Die Kinder aus Nr. 67“ entworfen<br />

hat. Darüber hinaus informieren zahlreiche Rezensionen in jedem Heft<br />

über Aktuelles vom Kinder- und Jugendbuchmarkt sowie aus der AJuM.<br />

Bezug/Abonnement bei: kopaed, Pfälzer-Wald-Str. 64, 81539 München;<br />

info@kopaed.de<br />

Einzelpreis elf Euro; Jahresabo 35,- Euro (vier Ausgaben à 96 Seiten jährlich<br />

im Februar, Mai, August, November); ermäßigtes Abo 28,- Euro (jeweils<br />

zuzügl. Versandkosten: Inland vier Euro, Ausland sechs Euro). Probeabo<br />

(zwei Ausgaben inkl. Versand) zwölf Euro.<br />

Buchtipp „Den Schleier lüften“<br />

Die Journalistin und E&W-Autorin Helga Ballauf hat unter dem Titel<br />

„Den Schleier lüften“, erschienen im Books on Demand Verlag, Norderstedt,<br />

ein ungewöhnliches Buch geschrieben: Sie blickt von der Gegenwart<br />

zurück auf die Geschichte Spaniens und das maurische Erbe. Die<br />

Autorin hat in Andalusien ein Jahr Spurensuche betrieben und die wechselhafte<br />

Geschichte zwischen Mauren,<br />

Christen und Juden detailliert recherchiert.<br />

Es entstand ein politisch-historisches,<br />

sehr lesbares Feature, das vom<br />

Frauenleben in al-Andalus ebenso erzählt<br />

wie vom heutigen Umgang der<br />

spanischen Bevölkerung mit Zuwanderern<br />

aus der muslimischen Welt. Wer<br />

nicht nur an der bedeutenden Architektur<br />

Spaniens, sondern auch an den kulturgeschichtlichen<br />

Hintergründen und<br />

Zusammenhängen interessiert ist, dem<br />

sei das Buch zur Lektüre empfohlen.<br />

Helga Ballauf: Den Schleier lüften. Spanien<br />

und sein maurisches Erbe. Ein politisch-historisches<br />

Feature, Books on<br />

Demand Verlag, Norderstedt <strong>2008</strong>, 192<br />

Seiten, 12,90 Euro.<br />

42 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

BNE-Literaturliste<br />

Hermann Schnorbach, aufmerksamer und kenntnisreicher Leser hat<br />

E&W zum Thema „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) im<br />

Nachklapp zum Schwerpunkt (s. E&W 6/<strong>2008</strong>) eine differenzierte<br />

und facettenreiche Literaturliste zur Verfügung gestellt. Diese eignet<br />

sich für die Unterrichtspraxis, bedient aber auch das wissenschaftliche<br />

Interesse am Thema. Die Liste steht im Internet unter:<br />

www.gew.de/BNE_Link-_und_Literaturliste.html<br />

Demo in Straßburg<br />

Unter dem Motto „Vorrang für Arbeitnehmerrechte – Keine Verlängerung<br />

der Arbeitszeiten“ ruft der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB)<br />

am 16. <strong>Dezember</strong> <strong>2008</strong> zu einer Demonstration in Straßburg auf. Anlass:<br />

Das EU-Parlament wird am 17. <strong>Dezember</strong> über eine neue Arbeitsrichtlinie<br />

entscheiden, nach der künftig in Europa Wochenarbeitszeiten bis 65<br />

Stunden (!) erlaubt sein sollen. Die <strong>GEW</strong> unterstützt den Protest des<br />

EGB und ruft ihre Mitglieder auf, sich daran zu beteiligen.<br />

Nähere Informationen unter: www.gew.de/Europaeische_Demonstration_<br />

am_16.12._in_Strassburg.html<br />

Beitragsanpassung<br />

Hohe EU-Beamte informierten<br />

sich<br />

während des Seminars<br />

„Arbeit und Soziales“<br />

über die <strong>GEW</strong><br />

und deren Arbeitsschwerpunkte.<br />

Von<br />

links nach rechts: Ilse<br />

Schaad (<strong>GEW</strong>-Hauptvorstand),<br />

Andra<br />

Reinomägi (Finnland),<br />

Agnieszka<br />

Brynda (Polen), Burak<br />

C. Dog˘an (Türkei), Joachim<br />

Lange (Goethe-<br />

Institut), Donatas<br />

Kus˘lys (Litauen).<br />

Alle Mitglieder im Bereich TVöD Bund und Kommunen sind betroffen<br />

Im Januar 2009 erfolgt für die Angestellten im öffentlichen Dienst,<br />

deren Entgelt sich nach dem neuen Tarifvertrag des öffentlichen<br />

Dienstes (TVöD) Bund oder Kommunen berechnet, der nächste<br />

Schritt des in <strong>2008</strong> erzielten Tarifergebnisses: Die Gehälter steigen ab<br />

Januar 2009 um 2,8 Prozent, außerdem wird eine Einmalzahlung in<br />

Höhe von Euro 225 gezahlt.<br />

Beide Bestandteile des Tarifergebnisses sind beitragswirksam. Daher<br />

erhöht sich der Mitgliedsbeitrag für Angestellte nach TVöD um 2,8<br />

Prozent. Zudem werden bei diesen Mitgliedern für die Einmalzahlung<br />

0,7 Prozent von 225 Euro (das sind Euro 1,58) mit dem nächsten<br />

Beitragseinzug einmalig berechnet.<br />

Beitragspflicht<br />

Ordnungsgemäß bezahlte Beiträge sind unabdingbare Voraussetzung<br />

für die Stärke und Durchsetzungsfähigkeit einer Gewerkschaft. Alle<br />

Mitglieder sind daher zu einer korrekten Beitragszahlung verpflichtet.<br />

Für eventuell notwendige Änderungen des <strong>GEW</strong>-Beitrags reicht<br />

wie bisher die Meldung an die Mitgliederverwaltung des zuständigen<br />

Landesverbandes.<br />

Petra Grundmann, Leiterin des <strong>GEW</strong>-Arbeitsbereichs Finanzen<br />

Foto: Rödde


Erziehung<br />

und Wissenschaft<br />

Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft <strong>GEW</strong> 6/<strong>2008</strong><br />

STUNDENPLAN<br />

Bildung für nachhaltige Entwicklung<br />

Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag<br />

Globalisierung<br />

Globalisierung<br />

Globalisierung<br />

Globalisierung<br />

Globalisierung<br />

Migration<br />

Migration<br />

Klimaschutz<br />

Klimaschutz<br />

Klimaschutz<br />

Klimaschutz<br />

Klimaschutz<br />

Ökosystem<br />

Ökosystem<br />

Lieber schwarz-weiß<br />

(E&W 6/<strong>2008</strong>:<br />

Beilage der Firma CTS)<br />

Als ich das erste Mal die Beilage<br />

„<strong>GEW</strong> Reisen“ in der „Erziehung<br />

und Wissenschaft“ sah, war ich<br />

einfach nur fassungslos. In Zeiten,<br />

in denen überall bekannt ist, dass<br />

Fliegen der Klimakiller Nummer<br />

1 ist, empfiehlt eine angeblich kritische<br />

Gewerkschaft ihren Mitgliedern<br />

einen sechstägigen Bankok-<br />

Hong Kong-Urlaub. Auch die<br />

zweiwöchige Chinareise mit mehreren<br />

Inlandsflügen kann eigentlich<br />

kein auch nur etwas nachhaltig<br />

denkender Mensch antreten.<br />

Nun gut, ich schrieb damals noch<br />

keinen Leserbrief, da ich das<br />

Ganze für einen einmaligen Ausrutscher<br />

hielt. Doch dann flatterte<br />

die Juni-Ausgabe ins Haus, in welcher<br />

man sofort auf die 32-seitige<br />

Broschüre der Firma CTS im Mittelteil<br />

des Heftes stößt. Angeboten<br />

werden wieder einmal Reisen,<br />

bei denen geflogen wird, was „das<br />

Zeug hält“.<br />

Wenn Druckkosten, die es durch<br />

Werbung wieder reinzuholen gilt,<br />

das einzige Gegenargument sind,<br />

gebe ich mich gerne mit einer abgespeckteren<br />

Zeitschrift in<br />

schwarz-weiß zufrieden, als weiterhin<br />

wütend solche Beilagen<br />

herausreißen zu müssen.<br />

Philipp Seefelder, Augsburg<br />

Unwort<br />

(E&W 6/<strong>2008</strong>)<br />

Menschenrechte<br />

Menschenrechte<br />

Menschenrechte<br />

Menschenrechte<br />

Menschenrechte<br />

Armut<br />

Armut<br />

„Dialog“ – Zeitung für Seniorinnen und Senioren<br />

Rohstoffe<br />

Rohstoffe<br />

Rohstoffe<br />

Rohstoffe<br />

Rohstoffe<br />

Erneuerbare Energie<br />

Erneuerbare Energie<br />

Ernährung<br />

Ernährung<br />

Ernährung<br />

Ernährung<br />

Ernährung<br />

Konsum<br />

Konsum<br />

In der E&W 6/<strong>2008</strong> gibt es ein<br />

Unwort: Der Begriff „nachhaltig“<br />

erscheint bis zur Dialog-Seite<br />

60mal! In Wörterbüchern habe<br />

ich diesen Begriff nicht gefunden.*<br />

Waldemar Klemm, Berlin<br />

*Anm.d.Red.: Der Begriff Nachhaltigkeit<br />

stammt aus der Goethe-Zeit<br />

und wurde 1713 erstmals in Bezug<br />

auf Waldbewirtschaftung erwähnt.<br />

Nachhaltige Entwicklung ist die heute<br />

übliche Übersetzung des Begriffes<br />

sustainable development – sie bezeichnet<br />

eine Entwicklung, die den Bedürfnissen<br />

der jetzigen Generation entspricht,<br />

ohne die Möglichkeiten künftiger<br />

Generationen zu gefährden. (Definition<br />

nach dem Brundlandt-Bericht<br />

1987). Mit dem Erdgipfel 1992<br />

in Rio de Janeiro wurde Nachhaltigkeit<br />

als normatives internationales<br />

Leitprinzip der Staatengemeinschaft<br />

anerkannt und als Grundprinzip der<br />

Rio-Deklaration und der Agenda 21<br />

verankert.<br />

„Mehr Instinkt!“<br />

(E&W 7-8/<strong>2008</strong>, Seite 11:<br />

Anzeige)<br />

Ich möchte gerne wissen, weshalb<br />

ausgerechnet im Sommerheft der<br />

E&W die halbseitige Anzeige zur<br />

Lehrer-(Ab-)Werbung des Hessischen<br />

Kultusministers „Hauptrollen<br />

in Hessen gesucht“ abgedruckt<br />

wurde. Wir wussten doch<br />

bereits vor dem schönen Beitrag<br />

von Anja Dilk „Kampf um Köpfe“<br />

(E&W 9/<strong>2008</strong>) nebst treffender<br />

Karikatur, welche Problematik<br />

dahinter steckt. Ich erwarte künftig<br />

doch etwas mehr Instinkt von<br />

der „Anzeigenabteilung“.<br />

Karla Schmidt, Berlin<br />

Grafik verwundert<br />

(E&W 7-8/<strong>2008</strong>, Titelbild und Seite<br />

29: Campus-Maut abgeschafft)<br />

Als Student, der sich seit längerem<br />

gegen Studiengebühren engagiert,<br />

habe ich mich zunächst sehr<br />

über die Grafik zum Artikel von<br />

Felix Helbig gewundert. Rheinland-Pfalz<br />

ist gebührenfrei, entdeckte<br />

ich. Hat das Land neuerdings<br />

seine euphemistisch als Studienkonten<br />

bezeichneten Langzeitgebühren<br />

abgeschafft? Oder<br />

zählen diese heutzutage nicht<br />

mehr? Bei ihrer Einführung wurden<br />

sie zumindest heftig kritisiert:<br />

Wegen ihrer Türöffnerfunktion<br />

für allgemeine Studiengebühren<br />

und wegen der Stigmatisierung<br />

der „bösen“ Studierenden, die zu<br />

lange die Uni besuchen und damit<br />

nur allen auf der Tasche liegen.<br />

Frank Stutzmann (per E-Mail)<br />

„Einfach verleugnet“<br />

(E&W 10/<strong>2008</strong>, Seite 51:<br />

Leserbrief von Rudolf Teuffel)<br />

Ich arbeite an einer Lernhilfeschule<br />

und kann dem Kollegen Teuffel<br />

nur uneingeschränkt zustimmen.<br />

Für „normale“ (d. h. nicht bildungspolitisch<br />

informierte) Menschen<br />

sind „Sonderschüler“ heute<br />

veredelt: „Förderschüler“. Dass es<br />

auch noch Lernhilfeschüler unterhalb<br />

der Hauptschule gibt, ist<br />

weitgehend unbekannt.<br />

Die Schande beginnt dort, wo<br />

auch eine Bildungsgewerkschaft<br />

in ihren Publikationen die Lern-<br />

Erziehung<br />

und Wissenschaft<br />

Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft <strong>GEW</strong> 10/<strong>2008</strong><br />

Tarif- und Besoldungsrunde 2009: Start der Mitglieder-Kampagne „Auf einWort …“ – Seite 41<br />

hilfeschüler als Teil des in der Realität<br />

viergliedrigen Schulsystems<br />

einfach verleugnet – und sich<br />

„nur“ um die Hauptschüler sorgt.<br />

Zwischen Haupt- und Lernhilfeschule<br />

gibt es diagnostisch keine<br />

klare Abgrenzung, Merkmale sind<br />

eher der Zufall und/oder noch<br />

bildungsfernere Elternhäuser.<br />

Wer in der Lernhilfeschule landet,<br />

hat wirklich „verschissen“, ist Bildungsverlierer<br />

im Quadrat! Wenn<br />

man nur „unter sich ist“, bleibt jede<br />

Motivation auf der Strecke,<br />

daran können auch engagierte<br />

Lehrkräfte nicht wirklich etwas<br />

ändern. Das böse Erwachen<br />

kommt danach – auf dem Arbeitsmarkt,<br />

aber dann ist es für die<br />

meisten zu spät.<br />

Margrit Zeiser, Wetzlar<br />

Ungesunde Lernumwelt<br />

(E&W 10/<strong>2008</strong>, Seite 44: „Wenn<br />

Schule krank macht“)<br />

Mit Interesse habe ich das Interview<br />

mit Ludwig Bilz, TU Dresden,<br />

zur WHO-Studie „Gesund-<br />

LESERFORUM<br />

heit von Schülern“ gelesen. Im<br />

Fokus steht die psychische Entwicklung<br />

von Schülern. Hier<br />

greift die WHO-Studie wieder<br />

einmal zu kurz.<br />

Längst ist bekannt, dass zahllose<br />

Krankheiten von Schülern und<br />

auch Lehrern durch Schadstoffbelastungen<br />

an Schulen ausgelöst<br />

werden. Schüler können in diesen<br />

Schulen nicht lernen, Lehrer werden<br />

öfter und schneller krank<br />

(Burnout-Syndrom).<br />

Wolfgang Krug, Frankfurt a.M.<br />

„Stressfreie<br />

Urlaubstage“<br />

(E&W 10/<strong>2008</strong>, Beilage Urlaubsreisen)<br />

Allmonatlich erhalte ich die Mitgliederzeitschrift<br />

der <strong>GEW</strong>. Allmonatlich<br />

nehme ich die DDS-<br />

Beilage aus Bayern heraus, um<br />

diese zu lesen, da ich hier wertvolle<br />

Anregungen für meine tägliche<br />

Arbeit finde. Die bundesweite<br />

<strong>GEW</strong>-Zeitschrift E&W wandert<br />

jedoch meist ungelesen in den Papierkorb.<br />

Unter dem Titel „Wenn<br />

Schule krank macht“, der symbolisch<br />

für viele Kommentare von<br />

mehr oder weniger bedeutsamen<br />

Schreibern zur Lage unseres<br />

Schulwesens gelten kann, werden<br />

in der Regel Problemfelder wiedergekäut,<br />

denen wir als Lehrer<br />

ohnehin täglich ausgesetzt sind<br />

und die, von anderen bestätigt zu<br />

finden, eigentlich keinen vernünftigen<br />

Kollegen interessiert. Die<br />

andere Hälfte des Blattinhaltes besteht<br />

regelmäßig, sehr gutes Beispiel<br />

in Heft 10/<strong>2008</strong>, – kaum<br />

sind die Sommerferien vorbei –<br />

aus Informationen zu Urlaubsreisen<br />

für <strong>GEW</strong>-Mitglieder. Ich schäme<br />

mich, neue Mitglieder über eine<br />

Zeitschrift zu werben, die in ihrer<br />

Gesamtheit ein Bild von Lehrkräften<br />

vermittelt, welche, psychisch<br />

und physisch ausgelaugt,<br />

offenbar nur das Ziel kennen, an<br />

sämtlichen zur Verfügung stehenden<br />

Ferientagen stressfreie Urlaube<br />

zu verbringen.<br />

Claudia Eisinger-Schmidt,<br />

München<br />

„Beruf verfehlt“<br />

(SpartenzeitungSTARTinE&W<br />

10/<strong>2008</strong>,Seite3:„FitfürdieKlasse“)<br />

Im Artikel von Anja Dilk lese ich,<br />

dass der Seminarleiter eines Drei-<br />

12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 43


LESERFORUM<br />

Tage-Crash-Kurses Bioreferendarinnen<br />

rät, in einer Zoohandlung<br />

kleine Fische zu kaufen, diese<br />

dann von den Schülern „auseinandernehmen“<br />

zu lassen, um das<br />

Interesse der Schüler an Biologie<br />

zu erhöhen. Im Unterricht sollen<br />

also Tiere getötet werden? Wenn<br />

einem Lehrer nichts Besseres einfällt,<br />

um seinen Unterricht interessant<br />

zu gestalten, hat er seinen<br />

Beruf verfehlt.<br />

Rosanna Lucchi (per E-Mail)<br />

„Phänomenal“<br />

Der Vorschlag des Kollegen Ulrich<br />

Gospodar, Fische in der Biologiestunde<br />

auseinandernehmen zu<br />

lassen, ist „phänomenal“. Dürfen<br />

die in einer Zoohandlung gekauften<br />

Fische vorher an der Luft ersticken?<br />

Christine Bolten, Bielefeld<br />

„Widerwärtig“<br />

Widerwärtig der Chrash-Kurs-Rat<br />

Ulrich Gospodars: „Kleine Fische<br />

aus der Zoohandlung kaufen und<br />

in der ersten Stunde von den Kin-<br />

44 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

dern auseinandernehmen lassen.“<br />

Folgen danach Vögel, Katzen,<br />

Hunde,...Menschen?<br />

Herr Gospodar hätte in mir als<br />

Schülerin/Referendarin/Lehrerin<br />

eine nachhaltige Revolte ausgelöst.<br />

Roswitha Haala, Warmsen<br />

„Passendere<br />

Vorschläge“<br />

Vielen Dank für den im Ganzen<br />

tollen Artikel, der kurz und prägnant<br />

wesentliche Elemente der<br />

Klassenführung auf den Punkt<br />

bringt. Aber: Gibt es für Berufsanfänger<br />

nicht auch andere, passendere<br />

Vorschläge, wie man Schüler<br />

zum Staunen bringt? Schließlich<br />

kann es ja nicht im Unterricht<br />

darum gehen, um jeden Preis ein<br />

Highlight zu setzen.<br />

Adelheid Schelkle-Danneck,<br />

VS-Villingen<br />

Zu voreilig?<br />

In dem Artikel wird Nachwuchslehrkräften<br />

von Ulrich Gospodar<br />

geraten, „in einer Zoohandlung<br />

kleine Fische zu kaufen...“ Mit<br />

Verlaub: Nach fast 40 Jahren<br />

Lehrtätigkeit (Biologie und Französisch,<br />

Höheres Lehramt, Studiendirektor,<br />

<strong>GEW</strong>-Mitglied seit<br />

1973) wüsste ich gerne, wo in der<br />

Republik Wirbeltiere zu Unterrichtszwecken<br />

getötet werden dürfen<br />

– wie sinnvoll das auch immer<br />

sein mag. War da eine freie Journalistin<br />

zu voreilig? oder hat die<br />

Redaktion geschlafen?<br />

Wolfgang Heiss (per E-Mail)<br />

Literaturhinweise<br />

(E&W 11/<strong>2008</strong>, Seite 22: „Allein<br />

in die Fremde“)<br />

Der Artikel des Kollegen Tomas<br />

Unglaube erinnert erfreulicherweise<br />

an die Rettung von 1000 jüdischen<br />

Kindern durch Kindertransporte,<br />

die nicht nur nach England,<br />

sondern auch nach Schweden<br />

gingen. Es gibt Literatur zum<br />

Thema, die sich auch für junge<br />

Leserinnen und Leser eignet. Ein<br />

Hinweis auf zwei Buchtitel:<br />

Annika Thor: Eine Insel im Meer.<br />

Eine Bank am Seerosenteich. In<br />

der Tiefe des Meeres. Offenes<br />

Erziehung<br />

und Wissenschaft<br />

Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft <strong>GEW</strong> 11/<strong>2008</strong><br />

Tarif- und Besoldungsrunde 2009:<strong>GEW</strong>-Mitglieder-Kampagne „Auf einWort …“ – siehe Heftmitte<br />

Meer. Vier Bände. Aus dem Schwedischen<br />

von Angelika Kutsch.<br />

Anne C. Voorhoeve: Liverpoolstreet.<br />

Rezensionen dieser Bücher sind<br />

zu finden unter www.ajum.de in<br />

der Datenbank wie im Julim-Journal.<br />

Ute Wolters, AJuM Berlin<br />

E &W-Briefkasten<br />

Postanschrift der Redaktion:<br />

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft<br />

Postfach 900409, 60444 Frankfurt a. M.,<br />

E-Mail: renate.koerner@gew.de<br />

Die Anschlagtafel ist im Internet<br />

unter www.gew.de/ Anschlagtafel. html<br />

zu finden.


12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 45


46 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong>


12/<strong>2008</strong> Erziehung und Wissenschaft 47


Erziehung und Wissenschaft<br />

Diesmal<br />

48 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

Cartoon: Freimut Woessner

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