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E&W Dezember 2008 - GEW

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BERUFLICHE BILDUNG<br />

Klaus Hurrelmann,<br />

Uni Bielefeld:<br />

„Jugendliche<br />

wollen sich nicht<br />

festlegen, halten<br />

sich in Zeiten der<br />

Ungewissheit<br />

Optionen offen.<br />

Das ist eine kluge<br />

Strategie.“<br />

Michael Winkler,<br />

Uni Jena:<br />

„Es ist vorrangige<br />

Aufgabe von<br />

Schule, dafür zu<br />

sorgen, dass junge<br />

Menschen<br />

Selbstvertrauen<br />

entwickeln.“<br />

Tobias Dreher,<br />

Bundesagentur<br />

für Arbeit: „Den<br />

Schulen kommt<br />

heute mehr Bedeutung<br />

bei der<br />

Berufsorientierung<br />

zu.“<br />

Fotos: Christian von Polentz, transit<br />

Schule bildet nicht nur für<br />

die Wirtschaft aus<br />

Berufsorientierung in Schulen<br />

Wie Schulabgänger auf das Berufsleben<br />

vorbereitet werden, war Thema<br />

der Fachtagung „Zukunft in die Schule<br />

holen – Lebensplanung, Arbeitswelt<br />

und Berufsorientierung“, zu der die<br />

<strong>GEW</strong> Anfang November gemeinsam<br />

mit der Bundesagentur für Arbeit<br />

(BA) u.a. in das Berliner Abgeordnetenhaus<br />

eingeladen hatte.<br />

Bei der Frage nach der passenden<br />

Ausbildung für<br />

Schulabgänger reden viele<br />

mit: Die Eltern wollen für<br />

ihre Kinder einen Beruf,<br />

der soziales Prestige bringt<br />

und von dem sich später gut leben lässt.<br />

Die Schule gibt sich Mühe, Jugendlichen<br />

den Arbeitsmarkt zu erklären und<br />

sie für die Bewerbung fit zu machen.<br />

Die BA, laut Gesetz für die Berufsorientierung<br />

zuständig, schickt ihre Berater in<br />

die Schulen. Diese erläutern Bildungswege,<br />

Berufsbilder, Anforderungsprofile<br />

und Karrierechancen. Die Wirtschaft<br />

erwartet gut qualifizierten Nachwuchs.<br />

Junge Menschen mit Problemen und<br />

Benachteiligungen sind eher unerwünscht.<br />

Und die Heranwachsenden selbst? Sie<br />

tun sich schwer mit Entscheidungen.<br />

Sollen sie eine Ausbildung machen oder<br />

lieber studieren? Welcher Job kommt<br />

überhaupt in Frage? Welcher berufliche<br />

Weg bringt Spaß, Anerkennung und<br />

materielle Sicherheit? Lohnen schulische<br />

Anstrengungen überhaupt, wenn<br />

man am Ende doch keine Lehrstelle ergattert?<br />

Kluge Strategie<br />

„Das Verhalten der Jugendlichen ist völlig<br />

logisch“, stellte Prof. Dr. Klaus Hurrelmann<br />

von der Universität Bielefeld klar.<br />

„Sie wollen sich nicht festlegen, halten<br />

sich in Zeiten der Ungewissheit Optionen<br />

offen. Das ist eine kluge Strategie.“<br />

Denn die Berufswahl sei nicht mehr vergleichbar<br />

mit der vor 50 oder auch nur<br />

vor 20 Jahren. Heute lernt man nicht<br />

mehr einen Beruf für das ganze Leben.<br />

Außerdem verschiebt sich der Übergang<br />

30 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

ins Arbeitsleben immer weiter nach hinten.<br />

Erst mit Ende 20 bekämen viele die<br />

Chance, in den Arbeitsmarkt einzusteigen,<br />

betonte Hurrelmann. Das gilt nicht<br />

nur für Studierende. Einsteiger in das<br />

duale System sind heute im Schnitt 18<br />

bis 19 Jahre alt.<br />

Auch Birgit Reißig vom Deutschen Jugendinstitut<br />

(DJI) München hat diese<br />

Tendenz beobachtet. Sie untersuchte<br />

die Berufswahl von Hauptschulabsolventen.<br />

Dabei zeigte sich, dass diese immer<br />

seltener direkte Übergänge in die<br />

Berufsausbildung finden. Eine Alternative<br />

sahen viele in einem weiteren<br />

Schulbesuch.<br />

„Den Schulen kommt heute mehr Bedeutung<br />

bei der Berufsorientierung zu“,<br />

erklärte Tobias Dreher von der BA. Diese<br />

stünden gemeinsam mit den Berufsberatern<br />

in der Verantwortung, die Jugendlichen<br />

auf das berufliche Leben vorzubereiten.<br />

Seine Institution, die schon<br />

seit langem den Grundsatz „Eine Schule<br />

– ein Berater“ vertritt, möchte die Berufsorientierung<br />

weiter verbessern. „Wir<br />

wollen flexibler auf die einzelnen<br />

Schularten eingehen, enger mit den<br />

Schulen zusammenarbeiten. Außerdem<br />

will die BA zeitiger mit den Schülern in<br />

Kontakt treten, etwa ab Klasse 7.“<br />

Ob es richtig ist, die Berufsorientierung<br />

in den Unterricht einzubeziehen und zu<br />

zensieren, wird in den Schulen kritisch<br />

diskutiert. „Lebensorientierung ist nur<br />

möglich, wenn Vertrauen von und zu<br />

den Jugendlichen aufgebaut wird“, sagte<br />

ein langjähriger Arbeitslehre-Lehrer.<br />

„Die Schüler müssen Erfahrungen machen,<br />

was sie können und was nicht.<br />

Das schafft man nicht in einer Unterrichtsstunde<br />

mit der ganzen Klasse.“<br />

Besser sei es, Sozialpädagogen einzubeziehen.<br />

Aber daran werde vielerorts gespart.<br />

Mitunter fühlen sich Schulen mit diesen<br />

Problemen allein gelassen. „Es gibt<br />

kaum Netzwerke, nur gegenseitige<br />

Schuldzuweisungen“, beklagte sich ein<br />

Lehrer. „Die Schule schlägt auf die Eltern<br />

ein, die Wirtschaft auf die Schule.“<br />

Dabei sei es Aufgabe der gesamten Gesellschaft,<br />

der Jugend eine Perspektive<br />

zu geben. Das unterstrich auch <strong>GEW</strong>-<br />

Schulexpertin Marianne Demmer. Sie<br />

stellte aber klar, dass die Schule keineswegs<br />

dazu da ist, den Nachwuchs für die<br />

Wirtschaft heranzubilden. „Den Beschluss,<br />

den der <strong>GEW</strong>-Hauptvorstand<br />

im Jahr 2000 gefasst hat, haben wir jetzt<br />

noch einmal bekräftigt. Unsere Bezugspunkte<br />

sind die allgemeinen humanen<br />

und zivilisatorischen Werte. Und die<br />

dürfen nicht durch einen homo oeconomicus<br />

ersetzt werden.“<br />

Trotz der zunehmenden Instabilität des<br />

Arbeitsmarktes – oder sogar gerade deshalb<br />

–, ergänzte Prof. Michael Winkler,<br />

Uni Jena, sei es vorrangige Aufgabe von<br />

Schule, dafür zu sorgen, dass junge<br />

Menschen Selbstvertrauen entwickeln.<br />

Katja Fischer, Report Presseagentur<br />

Jugendliche tun sich bei der Berufswahl<br />

schwer. Sollen sie eine Ausbildung machen<br />

oder lieber studieren? Lohnen<br />

schulische Anstrengungen überhaupt,<br />

wenn am Ende doch keine Lehrstelle<br />

winkt?<br />

Foto: imago

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