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E&W Dezember 2008 - GEW

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TARIFPOLITIK<br />

*Das Realeinkommen<br />

ist der Betrag, der nach<br />

Abzug der Preissteigerung<br />

und der Inflation<br />

vom Einkommen übrig<br />

bleibt.<br />

Geld ist genug da, ...<br />

Zwischen 2000 und 2006 ist das<br />

Volkseinkommen in Deutschland um<br />

206 Milliarden Euro gestiegen. Die<br />

Arbeitnehmerentgelte wuchsen allerdings<br />

lediglich um 45 Milliarden<br />

Euro. Gut 161 Milliarden sind Gewinn-<br />

und Vermögenseinkommen.<br />

Die Beschäftigten, die diesen Anstieg<br />

durch höhere Produktivität – also<br />

mehr Leistung – ermöglichten, haben<br />

davon nichts gesehen.<br />

Im Gegenteil: Im gleichen Zeitraum<br />

stiegen die Preise um zehn<br />

Prozent. Real sind die Einkommen<br />

der abhängig Beschäftigten<br />

um zirka sechs Prozent gesunken.*<br />

Damit gehört Deutschland im europäischen<br />

Vergleich zu den Schlusslichtern<br />

in punkto Lohn- und Gehaltswachstum.<br />

Tarifliche Lohnforderungen haben das<br />

Ziel, die Beschäftigten an den von ihnen<br />

erwirtschafteten Gewinnen zu beteiligen.<br />

Die Mindestforderungen basieren<br />

auf einer einfachen Faustformel: Produktivitäts-<br />

plus Preissteigerung gleich<br />

„neutraler Verteilungsspielraum“. Neutral<br />

bedeutet in diesem Zusammenhang,<br />

dass die Verteilungsquote der Gewinne<br />

zwischen Beschäftigten und Unternehmen<br />

konstant bleibt.<br />

Verteilungsspielraum<br />

Seit den 1990er-Jahren gelingt es den<br />

Gewerkschaften nicht mehr, diesen<br />

Spielraum in den Tarifauseinandersetzungen<br />

auszuschöpfen. Das Ergebnis<br />

sind überproportional hohe Gewinne,<br />

die dem Wertschöpfungskreislauf unter<br />

den Bedingungen der globalisierten<br />

Wirtschaft entzogen worden sind.<br />

Während in der letzten Aufschwungphase<br />

1998 bis<br />

2000 der private Konsum<br />

u. a. durch bessere Tarifabschlüsse<br />

deutlich gestärkt<br />

worden ist, blieb<br />

dies in der aktuellen<br />

Aufschwungphase<br />

aus: Die Einkommen<br />

sind real gesunken.<br />

Die deutsche Konjunktur<br />

krankt am<br />

schwachen Binnenmarkt.<br />

Vier von fünf<br />

24 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

...es muss nur anders verteilt werden<br />

Arbeitsplätzen hängen in Deutschland<br />

vom Binnenmarkt ab. Die Steuer- und<br />

Finanzpolitik der letzten zehn Jahre ist<br />

dieser Entwicklung nicht wirksam begegnet,<br />

sondern hat sie noch durch die<br />

Umverteilung von unten nach oben begünstigende<br />

Rahmenbedingungen und<br />

Steuergeschenke beflügelt. Ohne eine<br />

tarifpolitische Offensive für den Binnenmarkt<br />

werden die konjunkturellen<br />

Folgen der Finanzkrise nicht nur nicht<br />

bewältigt, sie verschärfen diese noch.<br />

Dieser Entwicklung muss entgegengesteuert<br />

werden. Es ist nicht zu wenig<br />

Geld da, es ist jedoch falsch verteilt.<br />

Deshalb setzt sich die <strong>GEW</strong> dafür ein,<br />

dass der neutrale Verteilungsspielraum<br />

durch die Erhöhung der Einkommen<br />

der abhängig Beschäftigten ausgeschöpft<br />

wird. Motor dafür müssen starke<br />

und durchsetzungsfähige Gewerkschaften<br />

im öffentlichen Dienst sein,<br />

die den Beschäftigten z. B. einen hohen<br />

kollektivrechtlichen Schutz ihrer Einkommens-<br />

und Arbeitsbedingungen<br />

durch verlässliche Flächentarifverträge<br />

erkämpfen können.<br />

Problem Finanzkrise<br />

Die aktuelle Finanzkrise hat das Wirtschaftswachstum<br />

beeinträchtigt, die Immobilienblase<br />

in den USA ist geplatzt<br />

und hat das weltweite System undurchsichtiger<br />

Geschäfte zusammenbrechen<br />

lassen (s. Seite 26). Sie wird die kommende<br />

Tarifrunde massiv belasten –<br />

nicht nur objektiv. Die Arbeitgeber werden<br />

die Krise nutzen, um damit öffentlich<br />

für „moderate Tarifabschlüsse“ zu<br />

argumentieren. Tatsächlich nutzt dies<br />

aber nur denjenigen, die die falsche Verteilung<br />

seit Jahren mit wechselnden Argumenten<br />

zum Nachteil der abhängig<br />

Beschäftigten verteidigen.<br />

Dauerhafter Wohlstand für alle wird<br />

durch Arbeit, nicht durch Hedgefonds,<br />

Leerverkäufe oder Zweckgesellschaften<br />

in Steuerparadiesen geschaffen. Die Beschäftigten<br />

müssen die sozialen Errungenschaften<br />

in diesem Land verteidigen<br />

und dafür kämpfen, dass die Ergebnisse<br />

des wirtschaftlichen Erfolges bei denjenigen<br />

landen, die diesen schaffen: bei<br />

den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.<br />

Ilse Schaad, Leiterin des <strong>GEW</strong>-Arbeitsbereiches<br />

Angestellten- und Beamtenpolitik<br />

Eine unen<br />

Ohne gewerkschaftlichen Druck kei<br />

Hehre Ziele haben die Gewerkschaften<br />

mit der Neugestaltung des Tarifrechts<br />

für den öffentlichen Dienst verfolgt.<br />

Diskriminierungsfrei sollte es ein, die<br />

Beschäftigten sollten durch die Überleitung<br />

keine Verluste erleiden, die Wertebenen<br />

erhalten werden.<br />

Auch wenn man berücksichtigt,<br />

dass Tarifabschlüsse<br />

immer Kompromisscharakter<br />

haben,<br />

muss man kurz vor der im<br />

Januar und Februar 2009<br />

stattfindenden zweiten Verhandlungsphase<br />

für den Tarifvertrag der Länder<br />

(TV-L) feststellen, dass die Beschäftigten<br />

bisher den Kürzeren gezogen haben.<br />

Der Hauptgrund: Es ist bis jetzt nicht<br />

gelungen, eines der größten Probleme<br />

des neuen Tarifrechts anzugehen. Für alle<br />

Bereiche fehlen die Regelungen zur<br />

Entgeltordnung.<br />

Im Verlauf der Verhandlungen ist allen<br />

Beteiligten klar geworden: Die Materie<br />

ist so umfangreich, kompliziert und<br />

komplex, dass es nicht möglich ist, mit<br />

Inkrafttreten des neuen Tarifrechts auch<br />

eine neue Entgeltordnung zu tarifieren.<br />

Das hatte zur Folge, dass das bisherige<br />

Eingruppierungsrecht als ein entscheidendes<br />

Element des tariflichen Bezahlungssystems<br />

weiter gültig ist – und die<br />

neue Entgelttabelle damit nur unzureichend<br />

korrespondiert. Mit dieser Regelung<br />

geht einher, dass alle Neueingestellten<br />

und teilweise auch die vom<br />

Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) in<br />

den Tarifvertrag öffentlicher Dienst<br />

(TVöD)/TV-L übergeleiteten Beschäftigten<br />

ihre Aufstiegsgewinne verlieren.<br />

Die Termine, die für das Inkrafttreten

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