28.01.2013 Aufrufe

E&W Dezember 2008 - GEW

E&W Dezember 2008 - GEW

E&W Dezember 2008 - GEW

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

PISA-E<br />

Schulleiterin<br />

Petra Perplies-<br />

Voet: „PISA war<br />

ein heftiger<br />

Schock, aber<br />

dadurch entstand<br />

ganz viel Aufbruchstimmung.“<br />

intensiver mit Grundschulen zusammen.<br />

Das Ziel: ein möglichst „bruchloser<br />

Übergang“ für die Kinder.<br />

Schritt in richtige Richtung<br />

Dass Bremer Haupt- und Realschüler<br />

jetzt bis Ende der 8. Klasse gemeinsam<br />

lernen (sie heißen seitdem „Sekundarschüler“),<br />

ist für Perplies-Voet ein Schritt<br />

in die richtige Richtung – aber ein halbherziger.<br />

Denn die besonders leistungsstarken<br />

Kinder landen weiterhin auf<br />

dem Gymnasialzweig und fehlen im<br />

Sekundarschulbereich.<br />

Zum Glück hat das Olbers-Schulzentrum<br />

schon lange vor PISA eine enge interne<br />

Kooperation angeschoben: Zwei<br />

bis drei Klassen aus den verschiedenen<br />

Schulzweigen bilden jeweils kleine Gemeinschaften<br />

(„Häuser“) und bekommen<br />

möglichst benachbarte Räume.<br />

Zum Teil kooperieren sie zudem mit<br />

Sonderschulklassen eines „Förderzentrums“,<br />

das hier eine Art Außenstelle<br />

unterhält. Die Lehrkräfte eines „Hauses“<br />

arbeiten im Team. In Fächern wie<br />

Kunst, Sport oder Arbeitslehre lernen<br />

die Sekundarschüler und Gymnasiasten<br />

gemeinsam.<br />

Weiterhin separiert wird dagegen in den<br />

Leistungsfächern. Hier ist der Druck<br />

zum getrennten Unterrichten noch gestiegen,<br />

seitdem auch Bremen das Abitur<br />

nach zwölf Jahren eingeführt hat.<br />

Perplies-Voet hält die „heftige Verdichtung“<br />

des Stoffes für ein großes Problem<br />

12 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

– ausgerechnet in dem Alter, „in dem die<br />

Kinder im Wesentlichen aus Östrogen<br />

und Testosteron bestehen“. Seitdem<br />

stünden nicht nur die Gymnasiasten,<br />

sondern auch ihre Lehrkräfte „richtig<br />

unter Dampf“. Aber vielleicht sei das<br />

nur ein Übergangsproblem.<br />

Mit Übergängen haben auch manche<br />

Schüler ein Problem: Sie sind versetzungsgefährdet.<br />

Seit PISA wird ihnen in<br />

Bremen mit „Ostercamps“ geholfen: In<br />

den Ferien erhalten sie an ausgewählten<br />

Schulen Nachhilfe – so auch an der Olbers-Schule.<br />

„Ich finde das genial“, sagt<br />

die Direktorin.<br />

„Wir reparieren spät...“<br />

Überhaupt wird dank PISA besonders<br />

viel für leistungsschwache Schülerinnen<br />

und Schüler getan. So bietet die Olbers-<br />

Schule gleich in der 5. Klasse Lese-Intensivkurse<br />

an. Drei Lehrerinnen aus<br />

Russland, der Türkei und dem Iran unterrichten<br />

Deutsch für Migranten und<br />

zudem deren Muttersprache. „Das alte<br />

deutsche Problem“, sagt die Schulleiterin:<br />

„Wir reparieren spät, statt früh<br />

Prävention zu betreiben.“<br />

Zu reparieren gibt es aber noch genug.<br />

Mancher Abgänger hat das Wissen eines<br />

Viertklässlers. Deshalb bemüht sich die<br />

Schule um eine intensive Begleitung in<br />

die Berufswelt, etwa mit Praktika oder<br />

Beratungsangeboten.<br />

Neben dem Fördern kommt auch das<br />

Fordern nicht zu kurz. Perplies-Voet ou-<br />

tet sich als Anhängerin der nach PISA<br />

eingeführten zentralen Vergleichstests<br />

und Abschlussprüfungen: „Es muss verbindliche<br />

Standards geben. Wir müssen<br />

raus aus den Beliebigkeiten.“<br />

Dass in Bremen die Macht der Schulleitungen<br />

gestärkt wurde, hält die Direktorin<br />

für sinnvoll. Aber sie weiß auch:<br />

„Schulentwicklung ist nur gemeinsam<br />

mit dem Kollegium möglich.“<br />

Skeptisch äußert sich Perplies-Voet über<br />

das Vorhaben der neuen rot-grünen Koalition<br />

und der Lemke-Nachfolgerin Renate<br />

Jürgens-Pieper (SPD), das gerade erst<br />

reformierte Schulsystem schon wieder<br />

umzubauen. Neben den Gymnasien<br />

soll es dann anstelle von Gesamtschulen<br />

und Schulzentren nur noch „Oberschulen“<br />

geben. „Ich fürchte, damit wird die<br />

Zweigliedrigkeit festgeschrieben“, sagt<br />

Perplies-Voet. Sie wünscht sich langfristig<br />

„eine Schule für alle Kinder bis zur 9.<br />

Klasse“, weiß aber auch, dass die sich<br />

nicht so schnell realisieren lässt.<br />

Bereits jetzt klagen viele über zu häufige<br />

Umbrüche. Perplies-Voet: „Das ist für<br />

die Eltern und das Kollegium sehr verunsichernd.“<br />

Die Lehrkräfte hätten oft<br />

das Gefühl, bei Änderungen der Schulstruktur<br />

„mit ihren Erfahrungen nicht<br />

mit einbezogen zu werden“.<br />

Schon die bisherigen PISA-Maßnahmen<br />

haben allen Beteiligten viele zusätzliche<br />

Belastungen gebracht. Elke<br />

Baumann, eine der drei <strong>GEW</strong>-Landesvorstandssprecher/innen,<br />

die ebenfalls<br />

an der Olbers-Schule arbeitet, hat den<br />

Eindruck, dass der Leistungsdruck nicht<br />

nur für die Schülerinnen und Schüler,<br />

sondern auch für die Lehrkräfte wesentlich<br />

größer geworden ist – wegen der<br />

neuen Förderangebote und Vergleichsarbeiten,<br />

aber auch durch die zusätzlich<br />

vorgeschriebenen Präsenzzeiten an<br />

Nachmittagen und in den Ferien, die erweiterten<br />

Fortbildungspflichten, Evaluationen,<br />

Jahresplanungen. Auch<br />

durch mehr Bürokratie: So muss beispielsweise<br />

die Klassenkonferenz nach<br />

jeder „Vier minus“ eine Förderempfehlung<br />

formulieren. „Das alles wird einfach<br />

oben draufgepackt“, zusätzlich<br />

zum bereits früher erhöhten Stundensoll,<br />

kritisiert Baumann.<br />

Aber immerhin zeigen sich erste Erfolge.<br />

Perplies-Voet erzählt, dass die Olbers-Schule<br />

seit zwei Jahren stärkeren<br />

Zulauf von Gymnasiasten erlebt. Früher<br />

schickten bildungsnahe Eltern ihre Kinder<br />

lieber auf entferntere Gymnasien<br />

statt ins lokale Schulzentrum. „Inzwischen<br />

haben wir sie wohl überzeugt,<br />

dass es hier eine Schule gibt, in der die<br />

Kinder gut aufgehoben sind.“<br />

Eckhard Stengel, freier Journalist

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!