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E&W Dezember 2008 - GEW

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GASTKOMMENTAR<br />

Forscher, nur Mut!<br />

Seit mehr als acht Jahren überhäufen uns<br />

internationale und nationale Wissenschaftler<br />

mit Studien, Testergebnissen, Untersuchungen<br />

und Bildungsberichten: Auf PISA<br />

weltweit folgt PISA Deutschland, jetzt zum<br />

dritten Mal. Die empirische Bildungsforschung<br />

boomt. Bundesbildungsministerin<br />

Annette Schavan (CDU) schüttet ihr Füllhorn<br />

großzügig über dieser wissenschaftlichen<br />

Zunft aus und umgarnt sie mit zahllosen<br />

Beiräten, Kommissionen und Konsortien.<br />

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />

liefern Berichte und Gutachten<br />

über Gutachten, die oft genug<br />

in den Schubladen der<br />

Ministerien verschwinden,<br />

bis sie auf dem Schreibtisch<br />

des unermüdlichen Karl-<br />

Heinz Reith der Nachrichtenagentur<br />

dpa auftauchen<br />

und kurzfristig hektische<br />

mediale und politische<br />

Reaktionen auslösen. Aus<br />

dem Boom der Forschung<br />

folgt nichts, zumindest nicht<br />

das, was folgen sollte: eine<br />

wissenschaftlich fundierte,<br />

gesamtstaatliche Bildungs-<br />

planung.<br />

Und sie wird auch erklärter- Jutta Roitsch<br />

maßen nicht gewollt, wie<br />

der so genannte Dresdner Bildungsgipfel<br />

dokumentiert hat (s. E&W 11/<strong>2008</strong>, Seiten<br />

26-28). Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

(CDU) hat keine tatsächliche Durch- und<br />

Umsetzungsmacht in der Bildungspolitik,<br />

jeder der 16 Ministerpräsidenten verfolgt<br />

eine je eigene Linie, die mit Bildungspolitik<br />

wenig zu tun hat. Das ist der eigentliche<br />

Skandal in Deutschland. Dies ist eine Folge<br />

der ersten Föderalismusreform aus dem<br />

Jahr 2006, die Merkel und Vizekanzler<br />

Franz Müntefering (SPD) damals als einen<br />

machtvollen Durchbruch feierten, zu dem<br />

nur eine Große Koalition fähig sei.<br />

Der angebliche Durchbruch wandelte sich<br />

in einen Abbruch. Eine gesamtstaatliche<br />

Bildungsplanung, wie sie schlecht und<br />

recht, aber immerhin in der Bund-Länder-<br />

Kommission für Bildungsplanung (BLK)<br />

über drei Jahrzehnte eingeübt worden war,<br />

beendeten die Großkoalitionäre mit einem<br />

Federstrich. Die „wirksamen Steuerungsinstrumente“,<br />

die sich Bund und Länder<br />

ausdenken wollten, stehen als Ankündigung<br />

immer noch auf der Homepage des<br />

Bundesbildungsministeriums. Die Kultusminister<br />

sprechen neuerdings verschwiemelt<br />

von ländereinheitlichen oder länder-<br />

2 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />

übergreifenden Maßnahmen, so als gäbe<br />

es die Bundesrepublik nicht, sondern einen<br />

losen Staatenbund. Zu einer gesamtstaatlichen<br />

Verantwortung für die Bildung und<br />

Ausbildung der Kinder und Jugendlichen in<br />

Deutschland haben sich weder die Kultusminister<br />

noch die Ministerpräsidenten<br />

durchringen können. Sie leben den föderalen<br />

Wettbewerb aus und sind Darsteller in<br />

eigener Sache.<br />

Dies betrifft nicht nur die Bildungs-, sondern<br />

auch die Integrationspolitik, die in<br />

Berlin mit bombastischem Forschungs- und<br />

Kommissionsaufwand beschworen<br />

wird und dann in<br />

den Ländern versickert.<br />

Doch hier ereignete sich<br />

jetzt Erstaunliches: Sonst<br />

stets um das Wohlwollen<br />

der Regierenden bemühten<br />

Wissenschaftlern und noblen<br />

Stiftungen riss der Geduldsfaden.<br />

Mitte Oktober<br />

<strong>2008</strong> setzten acht deutsche<br />

Stiftungen einen unabhängigen,<br />

ehrenamtlich arbeitendenSachverständigenrat<br />

Integration und Migration<br />

nebst Geschäftsstelle<br />

ein. Der Rat soll das Themenfeld<br />

Integration systematisch,<br />

kontinuierlich und unabhängig<br />

kritisch begleiten. Dieser Schritt ist bisher<br />

einmalig und sagt viel über das Verhältnis<br />

von Wissenschaft und Politik aus. Er schafft<br />

neue Fakten, löst die Forscher aus der politischen<br />

Abhängigkeit wie Einbindung und<br />

gibt ihnen ein Stück (Bewegungs- und Meinungs-)Freiheit<br />

zurück. Großartig.<br />

Ein solcher Schritt ist auch für das gesellschaftspolitisch<br />

ebenso entscheidende<br />

Themenfeld Bildung fällig. Bildungsforscher,<br />

die sich nun acht Jahre die immer<br />

wiederkehrenden Reflexe und Ignoranzen<br />

der Politiker in Bund und Ländern zugemutet<br />

haben, sollten so entschlossen wie der<br />

Rat für Integration ihre Unabhängigkeit<br />

zurückerobern. Ein solches zweites Signal<br />

durch die Stiftungen könnte die Politik<br />

nachhaltig (ver-)stören. Nur Mut, Bildungsforscher<br />

und Stifter, die Kinder und Jugendlichen,<br />

die Jahr für Jahr im Bildungssystem<br />

scheitern und in der Ausbildung abgehängt<br />

werden, brauchen gewichtige Fürsprecher.<br />

Sonst passiert nichts.<br />

Foto: privat<br />

Jutta Roitsch, Bildungsjournalistin, ehem.<br />

Redakteurin der Frankfurter Rundschau<br />

Prämie<br />

des Monats<br />

Seite 5<br />

Engagement zahlt sich doppelt aus:<br />

Werben Sie im <strong>Dezember</strong> ein neues<br />

<strong>GEW</strong>-Mitglied und spenden Sie damit<br />

30 Euro für ein internationales<br />

Hilfsprojekt. Es danken Ihnen: die<br />

<strong>GEW</strong> und ein Mensch, der Unterstützung<br />

braucht!<br />

Impressum<br />

Erziehung und Wissenschaft<br />

Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung · 60. Jg.<br />

Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft<br />

im Deutschen Gewerkschaftsbund.<br />

Vorsitzender: Ulrich Thöne.<br />

Redaktion: Ulf Rödde (verantwortlich),<br />

Helga Haas-Rietschel.<br />

Redaktionsassistenz: Renate Körner.<br />

Postanschrift der Redaktion:<br />

Reifenberger Straße 21, 60489 Frankfurt a. M.,<br />

Telefon (0 69) 7 89 73-0, Telefax (0 69) 7 89 73-202.<br />

Internet: www.gew.de<br />

Redaktionsschluss ist der 10. eines jeden Monats.<br />

Erziehung und Wissenschaft erscheint elfmal jährlich, jeweils<br />

am 5. des Monats mit Ausnahme der Sommerferien.<br />

Gestaltung: Werbeagentur Zimmermann,<br />

Heddernheimer Landstraße 144, 60439 Frankfurt<br />

Druck: apm AG, Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt.<br />

Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag<br />

enthalten. Für Nichtmitglieder beträgt der Bezugspreis<br />

jährlich Euro 7,20 zuzüglich Euro 11,30 Zustellgebühr inkl.<br />

MwSt. Für die Mitglieder der Landesverbände Bayern,<br />

Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Rheinland-Pfalz, Saar, Sachsen, Schleswig-Holstein und<br />

Thüringen werden die jeweiligen Landeszeitungen der<br />

E&W beigelegt. Für unverlangt eingesandte Manuskripte<br />

und Rezensionsexemplare wird keine Verantwortung<br />

übernommen. Die mit dem Namen des Verfassers gekennzeichneten<br />

Beiträge stellen nicht unbedingt die<br />

Meinung der Redaktion oder des Herausgebers dar.<br />

Verlag mit Anzeigenabteilung: Stamm Verlag GmbH,<br />

Goldammerweg 16, 45134 Essen;<br />

Verantw. f. Anzeigen: Mathias Müller,<br />

Tel. (0201) 84300-0,Telefax (0201) 472590,<br />

anzeigen@stamm.de; www.stamm.de;<br />

zz. gültige Anzeigenpreisliste Nr. 36 vom 1. 1. 2007;<br />

Anzeigenschluss am 5. des Vormonats.<br />

E&W wird auf chlorfrei<br />

gebleichtem Papier gedruckt.<br />

ISSN 0342-0671

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