E&W Dezember 2008 - GEW
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PISA-E<br />
Marianne Demmer<br />
Foto: Christian v. Polentz / transit Berlin<br />
Testen – testen – testen . . .<br />
16 Erziehung und Wissenschaft 12/<strong>2008</strong><br />
... doch wer unterstützt Lehrkräfte und Schüler?<br />
In Deutschlands Lehrerzimmern<br />
wächst der Überdruss an einem<br />
Übermaß an Lernstandserhebungen<br />
und Leistungsvergleichen.<br />
Die teilweise albernen Rituale<br />
der Kultusminister, die<br />
Rankings und methodischen<br />
Probleme im Zusammenhang<br />
mit PISA-E,<br />
dem Bundesländervergleich,<br />
nähren die Überzeugung: Diese<br />
Vergleiche sind höchst entbehrlich. Sie<br />
werden parteipolitisch instrumentalisiert<br />
und dienen der Legitimierung von<br />
allen möglichen, ideologisch motivierten<br />
Schnellschüssen: Kopfnoten, Turbo-Abitur,<br />
ein Übermaß an Lernstandserhebungen<br />
und Vergleichsarbeiten.<br />
Solche Maßnahmen bereiten den Schulen<br />
nichts als Probleme, ohne dass Unterstützung<br />
und Hilfen folgen. Und immer<br />
noch haben die wenigsten Kultusminister<br />
kapiert, dass sie ihre Politik auf<br />
die Schülerinnen und Schüler mit den<br />
größten Lernproblemen konzentrieren,<br />
die Aussonderung in Sonderschulen beendet<br />
und der Hauptschulbildungsgang<br />
abgeschafft werden müssen. Vom Wiegen<br />
wird die Sau nur dann fetter, wenn<br />
sie anschließend in guter Umgebung<br />
richtig gefüttert wird.<br />
Im Nebel gestochert<br />
Wer Aufschluss über Effektivität und<br />
Effizienz politischer Handlungen erhalten<br />
will, braucht andere Untersuchungen<br />
als die recht groben Instrumente<br />
des PISA-Bundesländervergleichs. Diese<br />
sind Momentaufnahmen. Sie beschreiben,<br />
was ist und wie einzelne Faktoren<br />
zusammenhängen, sagen aber<br />
nichts über Ursachen von Leistungsmängeln<br />
und wie man Lernprobleme<br />
aussichtsreich bearbeiten könnte. In<br />
diesen zentralen Fragen wird weiterhin<br />
im Nebel gestochert.<br />
Am Beispiel des PISA-Ersten Sachsen<br />
ist das sehr deutlich geworden: Vergleichsweise<br />
hohe Ausgaben pro<br />
Schüler, kleinere Klassen, günstigere<br />
Schüler-Lehrer-Relation, traditionell<br />
hohe Wertschätzung der Naturwissenschaften,<br />
eine größere Anzahl von Unterrichtsstunden<br />
in diesem Bereich, das<br />
nachwirkende Gleichheitsideal aus<br />
DDR-Zeiten mit Fokus auf Leistungsschwächere,<br />
ein geringer Migrantenanteil,<br />
keine Hauptschulen, höhere Sonderschulquote<br />
– alles mögliche Gründe<br />
für den sächsischen Erfolg. Aber vielleicht<br />
hat man in den Schulen auch ein<br />
spezielles Testtraining veranstaltet. Wie<br />
die einzelnen Faktoren zusammenwirken<br />
und was letztlich den Ausschlag gab<br />
und Sachsen an die Spitze beförderte,<br />
weiß niemand.<br />
Problem: Beteiligungsquote<br />
Zudem darf eines nicht vergessen werden:<br />
Der Unterschied Sachsens zu Finnland<br />
beträgt in Naturwissenschaften<br />
und Mathematik 22 und 25, in der Lesekompetenz<br />
sogar 35 Punkte, das entspricht<br />
einem Rückstand von etwa einem<br />
Schuljahr. Sachsen und Finnland<br />
sind hinsichtlich der Bevölkerungsgröße,<br />
der sozioökonomischen Bedingungen<br />
und eines eher geringen Migrantenanteils<br />
gut miteinander zu vergleichen.<br />
Auch Sachsen hat bis zur Weltspitze<br />
noch einen weiten Weg.<br />
Besonders ärgerlich sind die Rankings,<br />
bei denen praktisch und statistisch völlig<br />
zu vernachlässigende Unterschiede<br />
von einem Punkt über den niedrigeren<br />
oder höheren Platz eines Bundeslandes<br />
entscheiden. Praktische Bedeutung bekommen<br />
Unterschiede erst ab einer Differenz<br />
von ungefähr zehn Punkten.<br />
Die üblichen Mittelwert-Rankings sind<br />
aber auch noch aus anderen Gesichtspunkten<br />
problematisch. In Baden-<br />
Württemberg, Bayern und Niedersachsen<br />
ist die Beteiligung an PISA freiwillig,<br />
was eine niedrige Beteiligungsquote zur<br />
Folge hat, die nur knapp über der international<br />
festgelegten Mindestquote von<br />
85 Prozent liegt. Die Beteiligungsquote<br />
in den übrigen Bundesländern liegt<br />
deutlich – teilweise um zehn Prozentpunkte<br />
– höher.<br />
Die PISA-Forscher haben nun berechnet,<br />
wie sich die Ergebnisse verändern<br />
würden, wenn für alle Bundesländer<br />
dieselbe niedrige Quote von nur 85,6<br />
Prozent (Baden-Württemberg) angenommen<br />
und davon ausgegangen wird,<br />
dass sich jeweils die Leistungsschwäch-