Ausgabe 1/2008 - Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
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BILDUNG & INTEGRATION<br />
Bildung <strong>und</strong> Integration<br />
eine Aufgabe für die Kommune<br />
von<br />
Wolfgang Uellenberg-vam<br />
Dawen, Vorsitzender der DGB-<br />
Region Köln-Leverkusen-Erft-<br />
Berg<br />
Süleyman Ates, DGB-Migrationsausschuss,<br />
Jörg Mährle, DGB-<strong>Gewerkschaft</strong>ssekretär<br />
Bildung ist der Schlüssel für<br />
Chancengleichheit. Schulabschlüsse<br />
entscheiden über den<br />
Einstieg in Ausbildung <strong>und</strong><br />
Arbeit. Doch nicht erst seit den<br />
PISA-Studien ist klar, dass Bildungserfolge<br />
in Deutschland nach<br />
wie vor stark von der sozialen<br />
Herkunft abhängen. Ein Blick auf<br />
die kommunalen Bildungsstatistiken<br />
der Stadt Köln verdeutlicht<br />
dies: Im Jahre 2005 lag der<br />
Ausländeranteil in Köln insgesamt<br />
bei 17 Prozent (0 bis 18 Jahre<br />
bei 16%, 18 bis 35 Jahre bei 35%,<br />
35 bis 60 Jahre bei 17%, über 60<br />
Jahre bei 11%). Junge Ausländer<br />
besuchen weit überdurchschnittlich<br />
Hauptschulen (42%), sind<br />
aber kaum an Gymnasien (11,9%)<br />
vertreten. Dieser schlechtere<br />
schulische Start setzt sich in der<br />
Arbeitswelt fort. Dort besetzen<br />
Ausländer zu einem großen Teil<br />
Arbeitsplätze, die eine an- oder<br />
ungelernte Tätigkeit verlangen<br />
– vor allem bei den Dienstleistungen<br />
wie der Gastronomie, dem<br />
Handel, der Logistik. Facharbeitertätigkeiten<br />
werden zu r<strong>und</strong><br />
40% von Ausländern ausgeführt.<br />
Ein guter Prozentsatz, der auf ihre<br />
hohe Beschäftigung in Industrie<br />
<strong>und</strong> Handwerk zurückzuführen<br />
ist. In den Tätigkeiten, die ei-<br />
nen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss<br />
verlangen, sind<br />
Ausländer mit 6% deutlich unterrepräsentiert.<br />
Diese soziale Schieflage<br />
in der Ausländerbeschäftigung<br />
korrespondiert mit der<br />
völlig unzureichenden Integration<br />
in die duale Ausbildung: Obwohl<br />
jeder 4 Ratsuchenden bei der Berufsberatung<br />
einen ausländischen<br />
Pass hat, beträgt ihr Anteil bei den<br />
Auszubildenden gerade einmal<br />
11 Prozent. Im Stadtgebiet Köln<br />
waren im Jahre 2005 von 18.291<br />
Auszubildenden gerade mal 1.702<br />
Ausländer, <strong>und</strong> dass bei einem<br />
Bevölkerungsanteil in den ausbildungsrelevanten<br />
Jahrgängen von<br />
35 Prozent. Der überwiegende<br />
Teil der eine Ausbildung suchenden<br />
jungen Ausländer landet so in<br />
einer Warteschleife oder in einer<br />
außerbetrieblichen Ausbildung.<br />
Die offiziellen Statistiken unterscheiden<br />
dabei aber nur nach<br />
Deutschen <strong>und</strong> Ausländern – also<br />
nach der Staatsangehörigkeit.<br />
Nicht berücksichtigt wird hingegen<br />
der Aspekt „Migrationshintergr<strong>und</strong>“,<br />
für den ähnliche Daten<br />
zu erwarten sind.<br />
Ein Blick zurück: Köln <strong>und</strong> die<br />
Region ist seit der Anwerbung<br />
ausländischer Arbeitnehmer/<br />
innen in den fünfziger <strong>und</strong><br />
sechziger Jahren ein klassisches<br />
Zuwanderungsgebiet. Die Automobilindustrie,<br />
besonders die<br />
Kölner Fordwerke, aber auch der<br />
Motorenbau <strong>und</strong> die chemische<br />
Industrie benötigten dringend<br />
körperlich belastbare Arbeitskräfte,<br />
nicht die Bildungseliten.<br />
Beide Seiten, die Anwerber wie<br />
die Angeworbenen, gingen vom<br />
SEITE 4<br />
Gastarbeiterstatus aus. Die soziale<br />
Betreuung wurde den Wohlfahrtsverbänden<br />
überlassen. DGB <strong>und</strong><br />
<strong>Gewerkschaft</strong>en setzten in der<br />
Folge die volle arbeits- <strong>und</strong> sozialrechtliche<br />
Gleichstellung durch<br />
- im Interesse der Angeworbenen,<br />
aber vor allem im Interesse der<br />
einheimischen Arbeitskräfte, um<br />
ein Subproletariat zu verhindern.<br />
Der Ford-Streik 1973 machte<br />
aber deutlich, dass diese Form<br />
der Gleichstellung nicht reichte.<br />
Die <strong>Gewerkschaft</strong>en mussten<br />
sich stärker um die Belange <strong>und</strong><br />
Interessen der angeworbenen Kolleginnen<br />
<strong>und</strong> Kollegen kümmern.<br />
„Ausländerarbeit“ wurde von da<br />
an zu einer Aufgabe des DGB <strong>und</strong><br />
der <strong>Gewerkschaft</strong>en, wobei sie<br />
als besondere Zielgruppenarbeit<br />
verstanden wurde <strong>und</strong> zum Teil<br />
auch noch wird. Spätestens in den<br />
siebziger Jahren – nach Verhängung<br />
des Anwerbestopps – zeichnete<br />
sich aber auch ab, dass die<br />
Mehrheit der angeworbenen Arbeitskräfte<br />
keine Rückkehr in die<br />
Heimatländer plante. Aus Angeworbenen<br />
wurden Eingewanderte<br />
mit einem Lebensmittelpunkt in<br />
Deutschland, in Köln. Seitdem<br />
steht Integration <strong>und</strong> Chancengleichheit<br />
auf der Tagesordnung<br />
der Politik, der Wirtschaft, der<br />
Gesellschaft, der <strong>Gewerkschaft</strong>en<br />
<strong>und</strong> der Migranten selbst. Von<br />
einer befriedigenden Erledigung<br />
der damit verb<strong>und</strong>enen Aufgaben<br />
kann aber noch nicht gesprochen<br />
werden. Im Gegenteil: Manche<br />
öffentliche Auseinandersetzung,<br />
zum Beispiel um den Bau einer<br />
Moschee, um Kopftücher, Jugendstrafrecht<br />
<strong>und</strong> Leitkultur, vermit-