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Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

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1. Einleitung<br />

Die politische Wende Ende der 1980er Jahre führte in der politischen <strong>Kult</strong>ur Polens<br />

zur offiziellen Rückbesinnung auf einen der umstrittensten polnischen Politiker des<br />

20. Jahrh<strong>und</strong>erts: Józef <strong>Piłsudski</strong>, Führer der polnischen Sozialisten, Freiheitskämpfer<br />

im Ersten Weltkrieg, Staatschef, Erster Marschall Polens, Kopf des autoritären Regimes<br />

der Sanacja in der Zweiten Republik (1926-1935). Ein historisches Tabu aus<br />

der Frühzeit der Volksrepublik war zunächst zum Symbol der neuen polnischen Oppositionspolitik<br />

in den 1980er Jahren, dann in Meinungsumfragen von 1987 <strong>und</strong> 1994<br />

zur beliebtesten polnischen Persönlichkeit des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts aufgestiegen. 1<br />

An die Tradition der Zweiten Republik anknüpfend, bedeutete dies zumindest in<br />

den Anfangsjahren 2 der sog. Dritten Republik auch, daß dieser überragenden Gestalt<br />

der Zwischenkriegszeit öffentlich gedacht wurde. Dabei erlagen viele Menschen aber<br />

oftmals dem historischen Mythos <strong>Piłsudski</strong>s, so daß die Verehrung häufig kultische<br />

Formen annahm. Marschall <strong>Piłsudski</strong> wurde zum Objekt zahlreicher Denkmalprojekte<br />

<strong>und</strong> Straßenbenennungen. Heute besitzen viele – wenn nicht fast alle – größeren Städte<br />

Polens ein nach <strong>Piłsudski</strong> benanntes Objekt oder eine <strong>Piłsudski</strong>-Straße. Noch immer<br />

gibt es Projekte für <strong>Piłsudski</strong>-Denkmäler, so z.B. in Stettin. Auch die Wiedereinführung<br />

des 11. November als Staatsfeiertag (zum Gedenken an das Erreichen der<br />

staatlichen Unabhängigkeit im Jahre 1918) steht im Zusammenhang mit der <strong>Piłsudski</strong>-Verehrung.<br />

In der historischen Literatur wie auch in der politischen Publizistik findet sich kein<br />

polnischer Staatsmann, der so kontrovers beurteilt wurde wie <strong>Piłsudski</strong>: Seine Anhänger<br />

verehrten ihn glühend, während <strong>seine</strong> zeitgenössischen politischen Gegner –<br />

insbesondere die Nationaldemokratie – <strong>und</strong> das kommunistische Regime nach 1945<br />

ihn so tief verachteten wie keine Persönlichkeit Polens zuvor. Die Wurzeln dieser un-<br />

1 In beiden Umfragen stand <strong>Piłsudski</strong> vor Karol Wojtyła (Papst Johannes Paul II.) <strong>und</strong> Władysław<br />

Sikorski. Dies verdeutlichen auch Umfragen bei der polnischen Inteligencja über<br />

die wichtigsten polnischen (historischen) Persönlichkeiten: <strong>Piłsudski</strong> stieg vom 11. Platz<br />

(1965) zum 5. (1977) auf <strong>und</strong> erreichte 1988 den ersten Platz. Vgl. dazu SZACKA/SAWISZ,<br />

S. 23, <strong>und</strong> Polityka vom 11.IV.1998, S. 9 (Art. vom M. Turski <strong>und</strong> A. Garlicki).<br />

2 Eine gewisse „Normalisierung“ läßt sich insofern feststellen, als bei einer Umfrage der<br />

Zeitschrift Polityka vom 11.IV.1998 nun Karol Wojtyła vor Maria Skłodowska-Curie <strong>und</strong><br />

<strong>Piłsudski</strong> lag.

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