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Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

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Verehrer verändern, sondern zugleich Entwicklungsstadien eines Personenkultes<br />

sind: Das erste ist die Personalisierung gesellschaftlicher Verhältnisse als Gr<strong>und</strong>lage<br />

für den <strong>Kult</strong> um eine Persönlichkeit. Dies führt zur Überhöhung dieser verehrten Persönlichkeit,<br />

da ihre historische Rolle überschätzt <strong>und</strong> überbewertet wird. 54 Das zweite<br />

Entwicklungstadium von Personenkulten besteht in der Monumentalisierung der Persönlichkeit.<br />

In dieser Phase wird die Konkurrenzlosigkeit der verehrten Person betont<br />

<strong>und</strong> diese als Genie verherrlicht. Schließlich folgt in einer dritten Stufe die völlige<br />

Mythisierung der Persönlichkeit. 55 Das menschliche <strong>Kult</strong>objekt wird also der Sphäre<br />

der alltäglichen Erfahrung entrückt <strong>und</strong> bleibt dennoch durch <strong>seine</strong> öffentlich verbreiteten<br />

Schriften <strong>und</strong> Reden sowie in Bildern <strong>und</strong> Statuen stets gegenwärtig. Durch die<br />

Mythisierung werden der Persönlichkeit Merkmale wie Unfehlbarkeit, Allwissenheit<br />

<strong>und</strong> Allgegenwart zugeschrieben. Das bedeutet umgekehrt, daß ihre Anhänger gleichsam<br />

sich selbst erniedrigen, da sie sich das vorherrschende politische System <strong>und</strong> damit<br />

ihre eigene soziale Existenz nicht mehr ohne Anwesenheit <strong>und</strong> Wirken des Führers<br />

vorstellen können. Daher attestieren sie ihm <strong>und</strong> <strong>seine</strong>n Ideen oftmals Unsterblichkeit.<br />

56<br />

Über Löhmanns Schema hinausgehend <strong>und</strong> unter Berücksichtigung der drei Komponenten<br />

von <strong>Kult</strong>en ist festzustellen, daß ein <strong>Kult</strong> im Laufe <strong>seine</strong>s stufenweisen<br />

Entwicklungsprozesses von der Überhöhung zur vollkommenen Mythisierung zunehmend<br />

symbolisiert <strong>und</strong> ritualisiert wird. So verläuft parallel zur fortschreitenden<br />

Mythisierung der verehrten Person ein Prozeß, in dem nicht nur besondere Rituale für<br />

die Verehrung entstehen <strong>und</strong> öffentlich zum Tragen kommen, sondern auch die mit<br />

dem <strong>Kult</strong>objekt verb<strong>und</strong>enen Symbole wirksam werden <strong>und</strong> das <strong>Kult</strong>objekt selbst zu<br />

einem Symbol wird.<br />

Während Mythen <strong>und</strong> Symbole innerhalb einer sozialen Gruppe anerkannt sein<br />

<strong>und</strong> deswegen ggf. propagiert werden müssen, weisen allein die Begriffe <strong>Kult</strong> <strong>und</strong> Ritual<br />

auf eine institutionalisierte Form der öffentlichen Verehrung bzw. Huldigung der<br />

verehrten Persönlichkeit hin. <strong>Kult</strong> <strong>und</strong> Ritual beinhalten im Gegensatz zur einfachen<br />

Verehrung nicht nur spontane Elemente, sondern deuten vor allem auf „von oben“<br />

verordnete Formen <strong>und</strong> zugeordnete, institutionalisierte Funktionen hin, obwohl ein<br />

<strong>Kult</strong> auch Vorläufer in Form einer Verehrung „von unten“ haben kann. Dies bedeutet,<br />

daß erst die <strong>Institut</strong>ionalisierung zu einer intensiven kultischen Verehrung führt. Insti-<br />

54<br />

Dies bedeutet auch, daß Leistungen anderer führender Persönlichkeiten zu Leistungen des<br />

<strong>Kult</strong>objektes werden, das wiederum zum eigentlichen Subjekt der Geschichte wird.<br />

55<br />

Diese vollkommene Mythisierung der verehrten Persönlichkeit entspricht der Divinisierung<br />

des Herrschers in den antiken Herrscherkulten.<br />

56<br />

Diese Unsterblichkeitsidee kann sich etwa in der Formulierung äußern, daß die Leistungen<br />

der verstorbenen Persönlichkeit weiterleben. Dies ergibt eine „unio mystica“ (LÖHMANN,<br />

S. 11) mit dem Kollektiv der Verehrer. Dies führt zur Tendenz einer Dynastiebildung, zu<br />

Vorstellungen über die Wiederauferstehung <strong>und</strong> kann sich schließlich im Glauben an eine<br />

Reinkarnation des <strong>Kult</strong>objektes äußern.<br />

13

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