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Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

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tische Leben vieler Religionen, weil die Gemeinschaft dabei durch Rituale das nachvollziehen<br />

<strong>und</strong> erneuern kann, was zu ihren höchsten Werten <strong>und</strong> zum Heiligen gehört.<br />

Diese stellen die treibenden Motive eines jeden <strong>Kult</strong>es dar. Die sinnstiftende<br />

Funktion liegt nach Emile Durkheim 9 im ständigen Erneuern <strong>und</strong> Veranschaulichen<br />

von sozialer Realität, da eine sittlich-moralische Erneuerung von Gemeinschaften in<br />

regelmäßigen Abständen notwendig ist <strong>und</strong> vorrangig durch Treffen <strong>und</strong> andere Versammlungen<br />

stattfindet. Darüber hinaus erzeugen Gemeinschaftskulte tiefgehende<br />

Emotionen von Kraft <strong>und</strong> Überlegenheit, die ein Individuum allein niemals gewinnen<br />

würde. Dagegen erkennen andere Autoren wie Geofrey Lienhardt 10 , Mircea Eliade 11 ,<br />

Victor Turner 12 oder Maurice Bloch 13 aus religionswissenschaftlicher, ethnologischer<br />

oder soziologischer Perspektive im <strong>Kult</strong> die vorrangige Aufgabe, das menschliche<br />

Bewußtsein durch Vermittlung <strong>und</strong> Einprägung von religiös-transzendentalen Inhalten<br />

zu manipulieren, ohne daß sie weitere Funktionen berücksichtigen. Andere 14 sehen<br />

im <strong>Kult</strong> allein einen Unterhaltungs- <strong>und</strong> Spielzweck. Letztlich bilden <strong>Kult</strong>e nach<br />

Mary Douglas 15 den sozialen Zustand von Gesellschaften in verdichteter, aber dennoch<br />

wirklichkeitsgetreuer Form ab.<br />

Politische <strong>Kult</strong>e bezeichnen die politisch motivierte säkulare, aber ritualisierte<br />

Verehrung weniger von Ereignissen oder <strong>Institut</strong>ionen als vorwiegend von Persönlichkeiten,<br />

wobei die konkreten Vermittlungs- <strong>und</strong> Ausdrucksformen phänomenologisch<br />

religiösen <strong>Kult</strong>en entsprechen, wie z.B. politische Feste den religiösen Ritualen,<br />

weltliche Ansprachen bzw. Laudationes den Predigten <strong>und</strong> Denkmäler den Tempeln.<br />

Dies ergibt sich daraus, daß politische <strong>Kult</strong>e durch ihre spezifische Wirkungsweise<br />

emotionale <strong>und</strong> soziale Gr<strong>und</strong>bedürfnisse einer Gesellschaft nach Orientierung <strong>und</strong><br />

Identität 16 befriedigen, so daß dabei ein (pseudo-)religiöses Vokabular gängig ist. Sie<br />

9<br />

Vgl. DURKHEIM.<br />

10<br />

Vgl. LIENHARDT.<br />

11<br />

Vgl. ELIADE, Religionen; DERS., Mythos.<br />

12<br />

Vgl. TURNER.<br />

13<br />

Vgl. BLOCH, Symbols; DERS., From Blessing.<br />

14<br />

Vgl. z.B. HEESTERMAN.<br />

15<br />

Vgl. DOUGLAS, Symbols.<br />

16<br />

Zur Bildung von Identität vgl. HERNEGGER, vor allem das Kapitel „Ersetzung fehlender Identität<br />

durch Identifizierung“, S. 54-57. <strong>Der</strong> Verf. unterscheidet zwischen personaler <strong>und</strong><br />

kollektiver Identität. Letztere sei die Voraussetzung für alle anderen Identitäten. Eine Gesellschaft<br />

brauche Identität, da sie ohne diese nicht lebensfähig sei. Dies bedeute, daß Präferenzen,<br />

Werte, Motive <strong>und</strong> moralische Urteile in einer imaginären mythischen Gestalt<br />

verankert werden. Dieses imaginäre oder bewußt entworfene Identifizierungsvorbild gebe<br />

dem gesellschaftlichen Kollektiv Orientierung. Vgl. ebenda, S. 74 ff.<br />

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