Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

Weil ein Symbol in der Öffentlichkeit gemeinschaftsbildend wirkt, ist es ein geeignetes
Instrument der politischen Propaganda aller politischen Herrschaftssysteme
bzw. -ideologien und gleichzeitig ein Identifikationsmittel nach innen und außen. So
dienen Symbole politischer Herrschaft oder Staaten wie Wappen, Flaggen oder Nationalhymnen
vorrangig der staatlichen Selbstdarstellung und sind rechtlich geschützt,
um ihrer Verunglimpfung und damit der Deklassierung der Herrschenden vorzubeugen.
Massenhaft gezeigte Symbole bezeugen dabei die Stärke und den Machtwillen
der herrschenden sozialen Gruppe. 47 Insbesondere haben es daher die totalitären Ideologien
und diktatorischen Herrschaftsformen des 20. Jahrhunderts verstanden, politische
Symbole als Lenkungsmittel der Massen zu benutzen, so daß vor allem in der
Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zahlreiche neue politische Symbole entstanden sind.
Rituale ergänzen als symbolische Handlung den Mythos und sind somit eine „Paraphrase
des Mythos“ 48 bzw. die „Übersetzung eines Mythos in eine Handlung“, der
gleichzeitig auch als eine „Erzählung verstanden werden [kann], die den Ritus erklärt“.
49 Rituale stellen einen sachlichen Zusammenhang stark konzentriert und interpretierend
in nonverbaler Form dar. Somit drücken sie den Wert einer Verhaltensnorm
symbolisch aus und erheben Anspruch auf deren Geltung. Schließlich bieten Rituale
eine Art von transzendentaler Ersatzhandlung für scheinbar ausweglose Situationen
an, denen der Mensch ohnmächtig gegenübersteht. Sie helfen daher, Angst zu
überwinden bzw. zu überlagern. Folglich konkretisieren Rituale Glaubensinhalte bzw.
Mythen und vergegenwärtigen das heilbringende, transzendentale bzw. existenzielle
(Ur-)Geschehen, das im Mythos mitgeteilt wird. Dieser wird wiederum durch das Ritual
nachahmend wiederholt. Sowohl in religiösen als auch in säkularen Kulten geschieht
daher stets eine Vereinigung von Ethos und Weltanschauung im Ritual. 50
Da Rituale auf nonverbale Art sinnlich wahrnehmbare Informationen übermitteln,
sind sie im Gegensatz zum Mythos grundsätzlich nicht wandelbar und können nicht
in Varianten auftreten, weil sie nur durch immer wiederkehrende identische Handlungen
zu einem zu vollziehenden kultischen Symbol werden. Jede Abwandlung würde
dessen Wirksamkeit verhindern oder zumindest vermindern. Umgekehrt bedeutet
dies, daß nur die feste Form von Ritualen den Ausführenden bzw. Organisatoren versichert,
daß sie die beabsichtigte Wirkung entfalten. 51
Gebrauch von Ritualen korreliert und diese zur Ausschmückung und Verstärkung von
Gruppenkulturen dienen, sind vor allem nicht diskursiv bestimmte Handlungslogiken auf
Symbole angewiesen. Vgl. dazu auch KORFF, Symbolgeschichte, S. 17 ff.
47
Vgl. ebenda, S. 17, 20 f.; DERS., Fahnen, S. 103-140; RABBOW, S. 7 f.; BEHRENBECK, Kult,
S. 58.
48
BLUMENBERG, S. 35, vgl. auch BEHRENBECK, Kult, S. 50 f.
49
Beide Zitate: ebenda, S. 52.
50
Vgl. ebenda, S. 50 f., siehe dazu auch TURNER, Ritual; DOUGLAS, Ritual.
51
Vgl. BEHRENBECK, Kult, S. 53.
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