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Heidi Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung ... - Herder-Institut

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gründete Ideologie.“ 32 Deswegen stellen sich Mythen für Ernst Cassirer, den Begründer<br />

der modernen Mythosforschung in der Philosophie, als Denkvorgänge im Bewußtsein<br />

des Menschen <strong>und</strong> eine besondere Art von geistigem Bezugsrahmen dar,<br />

weil mythisches Denken auf einem Raster apriorischer Prämissen beruht. 33 Nach Cassirer<br />

34 gehören alle politischen Mythen zu den „unechten Mythen“, die geschaffen<br />

werden, um sie für eigene Zwecke zu benutzen, denn Mythen kann man als „symbolisch<br />

aufgeladene Geschichten [ansehen], die erzählt werden, um gegenwärtige Zustände<br />

zu erklären oder zu rechtfertigen.“ 35 Daher haben sie legitimatorische Funktionen<br />

für die ganze soziale Gruppe, da sie die realen Gegensätze „mediatisieren“. 36<br />

Darüber hinaus sollen Mythen die herrschaftliche Autorität begründen, das soziale<br />

Selbstbewußtsein stärken, Integration, Gemeinschaft sowie Identität stiften <strong>und</strong> fördern<br />

<strong>und</strong> dadurch zu gemeinsamen Handlungen animieren. 37 Diese Funktion wirkt<br />

vor allem in Krisenzeiten, die die Gesellschaft bzw. das Individuum besonders stark<br />

verunsichern. 38<br />

Symbole sind „Bausteine des Mythos“ 39 <strong>und</strong> damit auch „Bausteine des <strong>Kult</strong>es“,<br />

da sie die emotionale Verstehensebene des Menschen ansprechen, zumal sie vor allem<br />

intuitiv erfaßt werden. 40 Definiert man Symbol als etwas, das bildhaft einen Sach-<br />

oder Handlungszusammenhang ersetzt, spielen Symbole als nonverbale Mittel zur<br />

zwischenmenschlichen Verständigung neben anderen verbalen <strong>und</strong> bildlichschriftlichen<br />

Kommunikationsmitteln eine erhebliche Rolle. Sie können materielle<br />

Zeichen, heilige Gegenstände oder immaterielle Laut- <strong>und</strong> Klangsymbole sein. 41<br />

Symbole stellen nämlich eine stark komprimierte Aussage über die Wirklichkeit dar<br />

32<br />

NOLTE, S. 36 ff.<br />

33<br />

Vgl. CASSIRER, Philosophie, S. 20, 65 f., 68 ff. <strong>und</strong> 81-91; zum Verhältnis zwischen Mythos<br />

<strong>und</strong> <strong>Kult</strong> vgl. ebenda, S. 270-285; VON SALDERN, S. 13 f.; zum Mythos-Begriff <strong>und</strong><br />

dessen Verhältnis zum Wissenschaftsbegriff Ernst Cassirers <strong>und</strong> <strong>seine</strong>s Kontrahenten <strong>und</strong><br />

Dialogpartners Kurt Hübner siehe TOMBERG, insbesondere S. 51-64; HERNEGGER, S. 171-<br />

176.<br />

34<br />

Vgl. CASSIRER, Mythos, vor allem das Kap. „Technik der modernen Mythen“, S. 360-388.<br />

35<br />

VON SALDERN, S. 15.<br />

36<br />

Vgl. ebenda, S. 15 f. Daher sind sie für die funktionalistisch orientierte Anthropologie ein<br />

Ausdruck der jeweiligen gesellschaftlichen Bedürfnisse, so daß BARTHES im Mythos eine<br />

Möglichkeit sieht, die realen Widersprüche zu einer Metasprache zu reduzieren, während<br />

Lévi-Strauss dabei eine Möglichkeit erkennt, die Realität zu vereinfachen, indem der Mythos<br />

Ereignisse aus dem realen Kontext löst, in anderer (übertriebener) Form darstellt <strong>und</strong><br />

Erklärungsdefizite behebt.<br />

37<br />

Vgl. BEHRENBECK, <strong>Kult</strong>, S. 45.<br />

38<br />

Vgl. VON SALDERN, S. 16.<br />

39<br />

DOUCET, S. 184 ff.<br />

40<br />

Durch diese Funktion unterscheiden sich Symbole von einfachen Zeichen.<br />

41<br />

Vgl. BEHERENBECK, S. 61.<br />

9

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