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12 1. Juli 2011 /Nr. 26 DieSparkassenZeitung<br />
doSSier: Social media<br />
Landesbausparkasse entwickelte eigene Strategie / Aktivitäten müssen sich nach User richten<br />
Prozess aktiv für eigenen Vorteil nutzen<br />
Das Leben ist das eine, und die Beschlüsse<br />
sind das andere. Doch immer,<br />
wenn man etwas beschließt, dann<br />
kommt man früher oder später im Leben<br />
an. Darum geht es auch beim Social<br />
Web. Egal, ob eine Firma oder eine<br />
Organisation sich denBlogs, Foren<br />
oder sozialen Netzwerken stellt, sie<br />
sind einfach da. Man kann sich <strong>als</strong>o<br />
nicht davorverstecken. Das Netz vergisst<br />
niemanden und nichts.<br />
Werner Schäfer<br />
Deshalb wäre esmüßig, darüber<br />
zu spekulieren, obdie Landesbausparkasse<br />
(LBS)-Gruppe sich<br />
des Themas annehmen muss. Das Netz<br />
hat sich der Landesbausparkasse angenommen.<br />
Wie wird über die Landesbausparkassen<br />
und ihre Produkte geschrieben?<br />
Wo unterhält sich unsere<br />
Zielgruppe über unsere Produkte? Wer<br />
sind die Meinungsführer außerhalb<br />
der Presse? Und warum und wie wird<br />
über die Wettbewerber gesprochen?<br />
Nur wer von Meinungen, Trends<br />
und gegebenenfalls von Problemen erfährt,<br />
kann reagieren und beeinflussen.<br />
Dabei ist die Web 2.0-Gemeinde unvorstellbar<br />
groß: Facebook hat über 500<br />
Millionen aktive Nutzer weltweit; Twitter<br />
verfügt über 15 Millionen aktive<br />
Schreiber; YouTubeverzeichnet täglich<br />
über eine Milliarde Zugriffe auf seine<br />
Videos. Soziale Netzwerke leiten mehr<br />
Traffic zu großen Port<strong>als</strong>eiten <strong>als</strong> Google,<br />
und 70 Prozent aller Blogger schreiben<br />
über Marken und Firmen.<br />
Die „manytomany“-Kommunikation<br />
des SocialWebs hat die Nachrichtenverbreitung<br />
im Internet beschleunigt<br />
und ihr vorallemeinendeutlich unmittelbaren<br />
und meinungsbildenden Charakter<br />
verliehen. Doch wie geht die LBS<br />
mit dieser Wirklichkeit um? Die Verbreitungswege<br />
vonMeinungen sind weniger<br />
beeinflussbar und kontrollierbar<br />
geworden. Umso wichtiger ist es daher,<br />
diesen Prozess aktiv zum eigenen Vorteil<br />
zu nutzen und nicht einfach auf<br />
sich einwirken zu lassen.<br />
Ob Facebook, Twitter oder YouTube –<br />
immer mehr Sparkassen verfügen<br />
über eine Präsenz im Social Web. Während<br />
im Mai 2010 lediglich36Sparkassen<br />
die neuen Medien <strong>als</strong> Teil ihres<br />
Kommunikationskonzepts einsetzten,<br />
so sind heute (Stand Mai 2011) bereits<br />
101 Sparkassen aktiv. Aber nicht nur<br />
die Anzahl der Sparkassen im Social<br />
Webhat sich verändert, sondern auch<br />
die Präferenzen bezüglich der genannten<br />
Dienste.<br />
ThomaS Scholl<br />
Lagen diese im vergangenen Jahr<br />
noch vorrangig beim Kurznachrichtendienst<br />
Twitter, haben sie<br />
sich heutedeutlichzugunsten des sozialen<br />
Netzwerks Facebook verschoben.<br />
71 Sparkassen betreiben eine Fanpage<br />
bei Facebook, 17 dieser Institute verbreiten<br />
zudem Kurzmeldungen über<br />
Twitter. Drei Sparkassen haben neben<br />
ihrer Facebook-Fanpage einen Videokanal<br />
bei YouTube, neun Sparkassen sind<br />
bei allen drei Diensten aktiv. 19Sparkassen<br />
haben ausschließlich einen<br />
Twitter-Kanal, elf stellen ausschließlich<br />
Videos über ihren eigenen You-<br />
Tube-Kanal zur Verfügung.<br />
Während die Zahl der Twitter-Sparkassen<br />
im Zeitraum Mai 2010 bis Mai<br />
2011 relativ konstant geblieben ist, hat<br />
sich die Zahl der YouTube-Sparkassen<br />
im gleichen Zeitraum verdoppelt. Die<br />
Zahl der Facebook-Sparkassen hat sich<br />
in diesem Zeitraumsogar verfünffacht.<br />
Zu erklären ist dieser sprunghafte<br />
Anstieg durch die steigenden Nutzerzahlen<br />
von Facebook in Deutschland<br />
und das damit verbundene wachsende<br />
Potenzial für Sparkassen, dieses Medium<br />
<strong>als</strong> zusätzlichen Kanal in ihrem<br />
Kommunikations-Mix einzusetzen.Fast<br />
jeder Vierte besitzt allein in Deutschland<br />
einen Zugang zu diesem Online-<br />
Netzwerk. Gut die Hälftedavon befindet<br />
sich in der Altersgruppe der 16 bis<br />
24-Jährigen, in der die Sparkassen oftm<strong>als</strong><br />
den Kontakt zum (potenziellen)<br />
Kunden verlieren oder gar nicht erst<br />
aufbauen können –oft zugunsten der<br />
Die ganze Welt ist vernetzt: Auch für die LBS gibt es nach Überzeugung des Vorsitzenden des Vorstands der LBS Ostdeutschen Bausparkasse<br />
AG nicht die Frage, ob man überhauptsoziale Netzwerkenutzen will. Es führekein Wegdaran vorbei. Foto dpa<br />
So entwickeltedie LBS eigeneStrategien<br />
und setzte sich mit der Strategie<br />
derSparkassen auseinander.Die unterschiedlichen<br />
Produktprofile und vielfältigen<br />
Kundenbeziehungen der Sparkassen<br />
waren für deren erste Aktivitäten<br />
sicher sehr vorteilhaft. Doch eine<br />
einfache Übernahme war nicht möglich.<br />
Denn dieProduktweltund dieKundenbeziehungen<br />
der Bausparkasse unterscheiden<br />
sich von denen der Sparkassen<br />
und verlangen nach anderen Lösungen.<br />
Ersteeigene Erfahrungen sammelte<br />
die LBS Anfang 2010 mit Social-Media-Aktivitäten<br />
im Netz. Die Werbekampagne<br />
um Bernd Häusel wurde mit Facebook<br />
und YouTube unterstützt. Auf<br />
Facebook wurde ein Fanprofil für Bernd<br />
Häusel eingerichtet, auf YouTube ein<br />
Video-Channel installiert.<br />
Parallel zu diesen bundesweiten<br />
Aktivitäten „zwitschert“ die LBS Hessen-Thüringen<br />
weltweit mit. Die verhaltenen<br />
Reaktionen der User auf unsere<br />
Aktivitäten haben dazu geführt, den<br />
Prozess vom Kopf auf die Füße zu stellen.<br />
Ein erstes Fazit machte deutlich,<br />
dass die eigenen Aktivitäten im Web<br />
sich nach den Usern richten müssen.<br />
Dies bedeutet für die Kommunikation<br />
ein vertieftes Wissen über deren Interessen,<br />
Vernetzungen und Verhalten. Es<br />
kommt darauf an, den User zu kennen.<br />
In seiner Lebendigkeit und nicht <strong>als</strong> statistische<br />
Größe. Im Netz treffen sich alle<br />
auf Augenhöhe. Ein einzelner kann<br />
in dieservirtuellen Welt viel bewegen.<br />
Darüber muss sich jedes Unternehmen<br />
bewusst sein, wenn es mit Aktivitäten<br />
startet. Es reicht nicht aus, das Medium<br />
zu verstehen, sondern die Themen der<br />
virtuellen Welt sind Prozesse der realen<br />
Welt. Deshalb setzen die eigenen Web-<br />
Aktivitäten die Bereitschaft voraus, sich<br />
in der realen Welt zu verändern.<br />
Fürdie LBS bedeutet dies, in einem<br />
längeren Lernprozess, der vom Zuhören,<br />
über Zuhören und Reagieren bis zu<br />
den aktiven Maßnahmen führt, zu einem<br />
kompetenten Partner im Social<br />
Web zuwerden. Die erste Phase „Zuhören“<br />
wurde im Juni mit einem sechsmonatigen<br />
Reputations-Monitoring gestartet.<br />
Dazuwurde vertraglich die Sparkassen-FinanzportalGmbH<br />
gebunden.<br />
Das Basis-Monitoring überwacht<br />
Regionaler Bezug unterscheidet auch im sozialen Netzwerk von bundesweit agierenden Mitbewerbern<br />
Sparkassen sind im Social Web angekommen<br />
Direktbanken, die die online-affine<br />
Kundschaft direkt im Internet anspricht.<br />
Trotz dieser eindeutigen Zahlen<br />
lassen viele Sparkassen das Thema<br />
Social Media nach wie vorunbehandelt.<br />
Fan-, Follower- oder Abonnenten-Zahlen<br />
der aktiven Sparkassen seien viel zu<br />
geringund würden ein Engagement des<br />
eigenen Instituts nicht rechtfertigen.<br />
Zudem seien die benötigten Personalressourcen<br />
oftm<strong>als</strong> ebenso wenig vorhanden<br />
wie die Bereitschaft, sich auch<br />
außerhalb der regulären Arbeitszeiten<br />
für das eigeneInstitut zu engagieren.<br />
Fanzahlen allein sind allerdings<br />
wenig aussagekräftig. Geht man davon<br />
aus, dass beispielsweise jeder Facebook-Fan<br />
im Durchschnitt etwa 130<br />
Freunde hat, potenziert sich der Empfängerkreis<br />
einer Mitteilung bei Interaktivität<br />
der eigenen Fans enorm.<br />
Befragt man die aktiven Sparkassen<br />
nach den benötigten Personalressourcen,<br />
wird schnell klar, dass der tatsächliche<br />
Aufwand für die Betreuung<br />
der Social-Media-Aktivitäten je nach<br />
Größe des Instituts und Anzahlder eingesetzten<br />
Dienste geringer ist, <strong>als</strong> man<br />
zunächst vermutet und im Durchschnitt<br />
bei etwa 0,5 MAK liegt. Dies soll<br />
nicht darüber hinwegtäuschen, dass<br />
Social Media Kosten verursachen.<br />
NiedrigereKostenbei<br />
höheren Responsequoten<br />
Im Vergleich zu klassischen Kommunikations-<br />
und Marketingmaßnahmenim<br />
Printbereich sind diese aber gering –<br />
und das bei teilweise wesentlich höheren<br />
Responsequoten. Voraussetzung<br />
hierfür ist es allerdings, Themen zu finden,<br />
die die (potenziellen) Kunden ansprechen<br />
und dazu anregen, mit der<br />
Sparkasse in einenDialog zu treten.<br />
„Sparkassen gehenimInternet auf<br />
Kundenfang“ titelte das Handelsblatt<br />
im August 2010 und beschrieb den mäßigen<br />
Erfolg vonSparkassen und Volksbanken<br />
im Social Web. Kundenreaktionen<br />
aufSparkassen-Fanpages waren so<br />
gutwie nicht vorhanden,und die ersten<br />
Gehversuche von Sparkassen wurden<br />
von der Zeitung eher belächelt und<br />
auch aufgrund der regionalenAusrichtung<br />
der Sparkassen mit wenig Aussicht<br />
aufErfolg abgeschrieben.<br />
Regionale Nähe schafft<br />
mehr Beteiligung<br />
Doch gerade der regionale Bezug und<br />
die damit verbundene Nähe zum (potenziellen)<br />
Kunden unterscheiden die<br />
Auftritte der aktiven Sparkassen auch<br />
im Social Web von ihren bundesweit<br />
agierenden Mitbewerbern. Während<br />
diese vorrangig Presseberichte, Reisetipps<br />
oder Sponsoring-Aktivitäten veröffentlichen,<br />
lassen Sparkassen ihre<br />
Fans beispielsweise bei der Vergabe von<br />
Fördergeldern mitentscheiden, bieten<br />
Vorteile und Vergünstigungen bei regionalenEvents<br />
und Partnern oder veröffentlichen<br />
lokale Immobilienangebote<br />
und Stellenangebote.<br />
Viele Sparkassen scheuen sich<br />
aber noch, auch klassische Finanzthemen<br />
in ihren Auftritt im Social Web zu<br />
integrieren. Dabei bieten sich beispielsweise<br />
Themen wie Kredit- und Finanzierungsberatung<br />
für Jugendliche (zum<br />
Beispiel Finanzierung des Studiums,<br />
Risiken beimAbschlussvon Mobilfunkverträgen<br />
oder Handy-Abonnements)<br />
oder Möglichkeiten der Altersvorsorge<br />
und der Absicherung von Lebensrisiken<br />
auch für diese Plattformen an.<br />
Ebenso denkbar wäre das Angebot eines<br />
nurüber diese Kanäle angebotenen<br />
Geldanlage-Produkts, das beispielsweise<br />
durch Verlinkung zum Online-Produktabschluss<br />
oder durch Vorlage eines<br />
ausdruckbaren Coupons direkt<br />
beim Berater in der Geschäftsstelle abgeschlossenwerden<br />
kann.<br />
Vorher rechtlichen Rahmen<br />
genau untersuchen<br />
Bevor man allerdings im Social Web<br />
durchstartet, sollte man sich mit den<br />
Die Marktentwicklung verändert sich im Bereich der sozialen Netzwerke zwar ständig,<br />
aber Marktführersind schon auszumachen. Grafik dpa<br />
Blogs, Foren und Microblogging-Dienste<br />
wie Twitter auf Nennungen der Landesbausparkassen<br />
oder verwandter Begriffe.<br />
Die entsprechenden Keywords<br />
wurden in einem gemeinsamen Workshop<br />
erarbeitet und werden laufend<br />
überprüft. Diese Überprüfung der Keywords<br />
ermöglicht es, eine niedrigschwellige<br />
Marktforschung zur Kommunikations-<br />
und Produktpolitik der<br />
LBS vorzunehmen.<br />
Bei besonders positiven oder negativen<br />
Nennungen mit Eskalationspotenzial<br />
informiert die Sparkassen-Finanzportal<br />
GmbH die Landesbausparkassen.Inder<br />
LBS-Gruppe istfür dieEskalation<br />
strukturell dafür gesorgt, dass<br />
die betroffenen Häuser schnell und unterstützend<br />
informiert werden.<br />
Probephase bringt<br />
wichtige Erfahrungen<br />
Die LBS Ostdeutsche Landesbausparkasse<br />
AG hat für die Probephase die<br />
Aufgabe übernommen, das täglicheReporting<br />
zu werten und entsprechend zu<br />
gewichten.Die ersten Wochenzeigen eine<br />
geringe Präsenz der LBS im Netz.<br />
Mehrheitlich sind eigeninitiierte Pressemitteilungen<br />
zu finden. Bisher kam<br />
es zu keinenkritischenReflexionen der<br />
User zur LBS oder ihren Produkten. Im<br />
weiteren Verlauf des halben Jahres<br />
werden die monatlichen regionalenReportings<br />
an die einzelnen Häuser versandt,<br />
so dass entsprechende Abläufe<br />
geübt werden können.<br />
Unabhängig vondiesen strukturellen<br />
Überlegungen steht dann vor der<br />
LBS-Gruppe die Aufgabe, sich mit dem<br />
Zielsystem (zum Beispiel Kundenbindung,<br />
Marktforschung, Customer-Relationship-Management,Personalgewinnung)<br />
von Social-Media-Aktivitäten<br />
auseinanderzusetzen. Dieser Beschluss<br />
wirddann das Leben der LBS ändern.<br />
Der Autor ist Vorsitzender des Vorstandes<br />
der LBS Ostdeutschen Landesbausparkasse<br />
AG.<br />
rechtlichen Rahmenbedingungen der<br />
Plattformen vertraut machen. Denn<br />
auch wer imSocial Web gegen die Impressumspflicht<br />
verstößt, riskiert eine<br />
Abmahnung oder ein Bußgeld. Bei Facebook<br />
bieten sich beispielsweise die integrierten<br />
Kommentar- und „Gefällt mir“-<br />
Funktionen für die Durchführung von<br />
Gewinnspielen geradezu an –wenn<br />
dies nicht in den Werberichtlinien von<br />
Facebook verboten wäre.<br />
Um hier sicher zu gehen, bieten<br />
Dienstleister wie der Deutsche Sparkassenverlag,<br />
das Sparkassen-Finanzportal<br />
oder die S-IMK GmbH innerhalb der<br />
Finanzgruppe spezielle Workshopsund<br />
die Entwicklung vonFacebook-Apps an,<br />
sofern das Know-how oder die Ressourcen<br />
hierfür in der Sparkasse selbst<br />
nicht vorhanden sind.<br />
Teil einer modernen<br />
Marketingkampagne<br />
Dass das Social Web <strong>als</strong> Teil einer modernen<br />
Marketingkampagne nicht<br />
mehr wegzudenken ist, zeigt auch die<br />
aktuelle „Giro sucht Hero“-Kampagne<br />
des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes.<br />
Ein erheblicher Betrag wurde<br />
hier ausdem klassischen TV-Budget<br />
zugunsten der Online-Kampagne transferiert.<br />
Über 100 000 Facebook-Fans in<br />
sieben Wochen zeigen, dass sich dieser<br />
Budget-Shift für die Sparkassen gelohnt<br />
hat.<br />
Social Media kostet Zeit und Geld,<br />
bietet kurzfristigen keinen Erfolg und<br />
öffnet den Kunden einen Kanal, öffentliche<br />
Kritikanihrem Institut zu äußern.<br />
Andererseits bietet das Social Web die<br />
Möglichkeit, in direkten Kontakt zu den<br />
(potenziellen) Kunden zutreten, frühzeitig<br />
auf Kritik reagieren zu können,<br />
langfristig die Kundenbindung zu steigern<br />
und einen Beitrag für ein modernes<br />
Imagedes eigenen Institutszuleisten.<br />
Mehr Informationen: thomasscholl.<br />
wordpress.com; www.twitter.com/<br />
thosch79.