Vector 2 - Kolleg Schöneberg
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Schein am Anfang des Leserbriefes mit der Idee der Schülerzeitung auseinandersetzt.<br />
Kritik, die konstruktiv und verwertbar wäre, findet sich in dem Leserbrief<br />
nicht. Vielmehr greift Karl diejenigen seiner <strong>Kolleg</strong>iaten an, die es gewagt<br />
haben, sich mit der Gründung des <strong>Vector</strong>s auf ein geistiges Niveau zu begeben,<br />
dem sie, möchte man seinen Worten Glauben schenken, nicht gewachsen sind.<br />
Karl belegt mit seinem Brief sehr anschaulich, dass er über einen relativ großen<br />
Wortschatz über die verschiedenen Sprachebenen hinaus verfügt. Geschickt verwendet<br />
er ein mathematisches Beispiel, das auf eine überaus eloquente und<br />
einfallsreiche Weise mit dem Namen der Zeitung verknüpft wird, zum einen<br />
um seine geistigen Fähigkeiten zu demonstrieren und zum Anderen um herablassend<br />
das Scheitern der Schülerzeitung zu prognostizieren. Dennoch zeigt die<br />
weitere Verwendung einer sehr rüden und beleidigenden Sprache auch deutlich<br />
auf, dass Karl persönlich betroffen ist. Er scheint sich erstmals von Konkurrenz<br />
bedroht zu fühlen und befürchtet unterbewusst eine gravierende Verschlechterung<br />
seiner gesellschaftlichen Situation. Durch das plötzliche Auftauchen dieser<br />
Konkurrenten und dem Einhergehen einer greifbaren Kommunikation in Form<br />
einer Schülerzeitung sieht er sich in der Gefahr, hinter diesen zu verschwinden<br />
und für die Augen des Mikrokosmos der <strong>Kolleg</strong>-Gesellschaft, die er einerseits<br />
verachtet, trotz alledem aber die Anerkennung dieser sucht, gänzlich unsichtbar<br />
zu werden. Zu guter Letzt sieht er sich als strahlenden Gewinner in der<br />
ersten Reihe der lachenden Spötter, die, ebenso wie er, schadenfroh mit dem<br />
Finger auf alle diejenigen zeigen können, die ihre Zeit und Energie, ihren Elan,<br />
ihr Herzblut und ihre Ideen einem nicht benoteten und vermeintlich sinnlosen<br />
Projekt widmeten. Einem Projekt, das von uns <strong>Kolleg</strong>iaten für euch <strong>Kolleg</strong>iaten<br />
in Angriff genommen wurde, um euch zu unterhalten, zu informieren und<br />
nicht zuletzt um eurer Zeit am <strong>Kolleg</strong> den Charakter zu verleihen, der ihrer<br />
würdig ist und sie für euch zu einem bedeutsamen und prägenden Lebensabschnitt<br />
macht. Und so üben diese spottenden, vermeintlichen Gewinner nicht<br />
zuletzt Kritik an denjenigen unter uns, deren Elan und Engagement frostige<br />
Worte bleiben und deren Karlsche Wut ihnen den Weg versperrt um selbst etwas<br />
von seiner persönlichen Essenz beizutragen, die schon so manche Projekte<br />
einzigartig machte – und degradiert sie so zu Verlierern.<br />
Sehen wir uns nun diese gesammelten Fakten und Theorien über Karl K. aus<br />
B. an, gelangen wir nicht, wie erwartet, zu einem abschließenden Urteil über<br />
das Verhalten einer einzelnen Person, sondern erkennen viel mehr ein in dem<br />
menschlichen Wesen verankertes Verhaltensmuster, das auf den Lebenserhaltungstrieb<br />
zurückgeht. Karl versucht seine fehlende Fähigkeit zu kommunizieren,<br />
seine Passivität und das damit verbundene fehlende Engagement zu kompensieren,<br />
in dem er sich bemüht, potentielle Konkurrenten, die über eben diese<br />
Fähigkeiten verfügen, einzuschüchtern und mit kompromittierenden Szenarien<br />
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