Ausgabe 05/2009 - Wagner-Joos Rechtsanwälte
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Prof. Dr. Jürgen Wessing Bundesgerichtshof droht Steuerfahndern<br />
Bundesgerichtshof droht Steuerfahndern<br />
Prof. Dr. Jürgen Wessing, Rechtsanwalt, Sozietät Wessing, Düsseldorf<br />
In jüngerer Zeit wird die in der Praxis oftmals verspätete<br />
oder unterlassene Unterrichtung der Staatsanwaltschaften<br />
durch die ermittelnden Finanzbehörden und die Nichtbeachtung<br />
der Anzeigepflicht des § 116 Abs. 1 AO durch Gerichte<br />
und Behörden verstärkt unter dem Blickwinkel der<br />
Strafvereitelung durch die beteiligten Amtsträger betrachtet.<br />
Dies dürfte – sobald es in der Praxis zur Kenntnis genommen<br />
wurde – zur vermehrten Befassung der Staatsanwaltschaften<br />
mit Steuerstrafverfahren führen.<br />
1. BGH-Beschluß vom 30.04.<strong>2009</strong><br />
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat kürzlich 1 darauf<br />
hingewiesen, daß eine verspätete Unterrichtung der<br />
Staatsanwaltschaft durch die ermittelnden Finanzbehörden<br />
nicht nur Auswirkungen auf die zu verhängende Strafe<br />
hat, sondern auch strafrechtliche Folgen für die beteiligten<br />
Amtsträger haben kann. Im Urteilsfall hatten die ermittelnden<br />
Finanzbehörden die Akten erstmals nach vier Jahren<br />
zur Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft vorgelegt.<br />
Die auf eine Kompensation wegen einer konventionswidrigen<br />
Verzögerung 2 gerichtete Revision wies der Senat<br />
zwar aus formalen Gründen zurück. 3 Er nutzte jedoch die<br />
Gelegenheit zu zwei grundsätzlichen Hinweisen. Führt eine<br />
verspätete Unterrichtung der Staatsanwaltschaft durch die<br />
Finanzbehörden zu einer Verfahrensverzögerung, so ist bei<br />
einer konventionswidrigen Verzögerung nach der in der<br />
neueren Rechtsprechung 4 vertretenen Vollstreckungslösung<br />
ein Teil der Strafe als verbüßt anzusehen. Zum Zweiten<br />
weist der Senat auf mögliche strafrechtliche Konsequenzen<br />
für die eine Verzögerung verursachenden Amtsträger der Finanzbehörden<br />
im Hinblick auf den Tatbestand der Strafvereitelung<br />
bzw. Strafvereitelung im Amt in Bezug auf Steuerstraftaten<br />
5 hin. 6<br />
2. Zuständigkeit von Finanzbehörde und<br />
Staatsanwaltschaft<br />
Bei Verdacht einer Steuerstraftat ermittelt die Finanzbehörde<br />
den Sachverhalt (§ 386 Abs. 1 S. 1 AO). Stellt die Tat<br />
ausschließlich eine Steuerstraftat dar, so führt die Finanzbehörde<br />
das Ermittlungsverfahren grundsätzlich selbständig<br />
durch (§ 386 Abs. 2 Nr. 1 AO) und nimmt die Rechte<br />
und Pflichten wahr, die der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren<br />
zustehen. Dies schließt die Beantragung<br />
eines Strafbefehls ein (§ 400 Hs. 1 AO). Zur Anklage-<br />
erhebung ist allerdings nur die Staatsanwaltschaft befugt<br />
steueranwaltsmagazin 5 /<strong>2009</strong><br />
� Beiträge<br />
(§ 400 Hs. 2 AO). Diese führt stets auch die Ermittlungen,<br />
sobald ein Haftbefehl oder Unterbringungsbefehl erlassen<br />
ist (386 Abs. 3 AO) oder wenn auch der Verdacht auf andere<br />
Straftaten, wie etwa Urkundenfälschung oder Untreue<br />
besteht.<br />
Die Finanzbehörde kann die Strafsache jederzeit an die<br />
Staatsanwaltschaft abgeben. Diese kann die Strafsache jederzeit<br />
an sich ziehen (§ 386 Abs. 4 S. 1 u. 2 AO). Der Senat<br />
hebt nun hervor, daß letzteres eine frühzeitige Unterrichtungspflicht<br />
der Finanzbehörden gegenüber der Staatsanwaltschaft<br />
erfordert. Es seien allerdings nicht sämtliche Ermittlungsverfahren<br />
mitzuteilen, jedoch über alle Verfahren<br />
frühzeitig zu unterrichten, bei denen „eine Evokation nicht<br />
fern liegt“.<br />
3. Anzeige von Steuerstraftaten durch Gerichte<br />
und Behörden<br />
In dieselbe Richtung weist ein neuerer Aufsatz von Bülte 7 ,<br />
welcher zu dem Schluß kommt, daß sich ein Amtsträger, welcher<br />
gegen die Anzeigepflicht aus § 116 Abs. 1 AO verstößt,<br />
wegen Strafvereitelung strafbar machen kann. Diese Vorschrift<br />
verpflichtet alle Behörden und Gerichte, Tatsachen,<br />
die sie dienstlich erfahren haben und die den Verdacht einer<br />
Steuerstraftat begründen, der Finanzbehörde mitzuteilen.<br />
Insbesondere vor den Zivilgerichten werden nicht selten<br />
Tatsachen mit steuerstrafrechtlicher Relevanz angesprochen.<br />
Die Vorschrift des § 116 Abs. 1 AO wird jedoch<br />
vielfach nicht beachtet. Dies dürfte sich jedenfalls dann ändern,<br />
wenn die – etwa durch den Prozeßgegner unterrichteten<br />
– Staatsanwaltschaften zukünftig tatsächlich unter dem<br />
Gesichtspunkt der Strafvereitelung ermitteln sollten.<br />
1 BGH, Beschluß vom 30.04.<strong>2009</strong> – 1 StR 90/09, NJW <strong>2009</strong> S. 2319 =<br />
WM <strong>2009</strong> S.1391 = PStR <strong>2009</strong> S. 176.<br />
2 Vgl. Art. 6 I S. 1 MRK, wonach das Recht auf ein faires Verfahren eine<br />
Verhandlung innerhalb angemessener Frist umfaßt.<br />
3 Die Revisionsbegründung entsprach nicht den Anforderungen des<br />
§ 344 II S. 2 StPO.<br />
4 BGH, Beschluß vom 17.01.2008 GSSt 1/07, NJW 2008, S. 860).<br />
5 Zum Finanzbeamten als Amtsträger im S. des § 258 a StGB: RG, RGSt<br />
58 S. 79; Fischer § 258 a StGB, RN 3.<br />
6 Der Senat spricht den Tatbestand nicht unmittelbar an, sondern verweist<br />
lediglich „zu weiteren Konsequenzen für Amtsträger“ auf ein<br />
früheres Urteil vom 21.12.1994 – 2 StR 455/94 (BGHR StGB § 258<br />
Abs. 1 Vollendung 1 (Verzögerung) = wistra 1995 S. 143), welches<br />
allerdings die Strafvereitelung durch einen Nicht-Amtsträger betrifft,<br />
so daß die Strafvereitelung im Amt nicht in den Blick kam.<br />
7 NStZ <strong>2009</strong> S. 57, so auch Bock, NJW 1992, S. 101 a.A. NK-Altenhain<br />
§ 258 RN 44; Rudolph, NStZ 1997, S. 601.<br />
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