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Debizz #87

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debizz<br />

POLITIK<br />

Mindestlohn<br />

Während Deutschland immer noch über einen allgemein<br />

gültigen Mindestlohn debattiert, ist dieser aus<br />

Rumänien nicht mehr heraus zu denken. Es gibt den<br />

Mindestlohn seit der Zeit vor der Wende und er betrug<br />

1989 bei dem damaligen amtlichen Wechselkurs 134<br />

US-Dollar. 2012 beträgt er 700 Lei (etwa 160 Euro)<br />

und soll - so die linksliberale Koalition USL die Wahlen<br />

gewinnt - bis 2016 auf 1.200 Lei steigen.<br />

Das bürgerliche Lager hat hier das Nachsehen. Die<br />

Koalition ARD verspricht, den Mindestlohn 2013 auf 850<br />

Lei festzulegen und im Januar 2015 auf nur 1.000 Lei.<br />

1.200 zu 1.000<br />

von Markus Kleininger<br />

Am 9. Dezember finden in Rumänien Parlamentswahlen statt. Was ideologisch nicht passt,<br />

wird passend gemacht und da finden sich zuweilen Politiker im gleichen Lager, die sonst nicht<br />

zueinander passen würden. Doch worum geht es eigentlich für den Wähler? Ein Vergleich<br />

ausgewählter Themen aus den Wahlprogrammen der beiden gegeneinander antretenden Bewerber.<br />

Flat Tax<br />

Was immer die ideologisch so verschiedenen Sozialdemokraten mit den Liberalen auch<br />

verbinden mag, eines ist es bestimmt nicht: die Flat Tax, der einheitliche Einkommens- und<br />

Gewinnsteuersatz. Der liberale Ex-Premierminister Călin Popescu Tăriceanu setzte die<br />

einheitliche Steuerquote von 16 Prozent im Eilverfahren 2004 durch. Seither wird sie immer<br />

als Argument bei der Standortwahl zugunsten Rumäniens ins Feld geführt - auch wenn<br />

mittlerweile Bulgarien mit 10 Prozent dem Land in Europa den Rang abläuft.<br />

Für den Alt-Sozialisten Ion Iliescu steht die Flat Tax für das " begrenzte Verständnis mancher<br />

Liberaler". In dieser Hinsicht scheint sich der Standpunkt der Sozialdemokraten durchgesetzt<br />

zu haben. Im Wahlprogramm der linksliberalen Koalition soll die Flat Tax in drei Stufen<br />

gesprengt werden. Dabei soll der Spitzensteuersatz bei 16 Prozent bleiben, für Geringverdienende<br />

sollen dann 12 beziehungsweise 8 Prozent Einkommenssteuer gelten.<br />

Die bürgerliche Allianz ARD will den Standortvorteil für Rumänien ausbauen und die Flat<br />

Tax von derzeit 16 auf 12 Prozent senken. So sollen mehr Investoren angelockt werden und<br />

einheimische Unternehmen mehr Geld für die eigene Entwicklung behalten können.<br />

Justiz<br />

Da der USL Korruption bekämpfende<br />

Instanzen wie DNA und<br />

Staatsanwaltschaften ein Dorn<br />

im Auge sind, sieht die linksliberale<br />

Koalition die "Entpolitisierung"<br />

als Allheilmittel<br />

Das sieht die ARD anders und<br />

fürchtet, dass so die Instrumente<br />

der Justiz umso stärker der<br />

Politik unterworfen werden.<br />

Davor gilt es, diese Instanzen<br />

zu schützen. Unter anderem<br />

sollen Straftaten zukünftig nicht<br />

mehr verjähren können, solange<br />

nicht über die Hintergründe<br />

geurteilt wurde. Denn eine<br />

gängige Praxis in Rumänien<br />

ist: Verhandlungen werden so<br />

lange hinausgezögert, bis die<br />

Straftaten verjährt sind.<br />

Foto: Thorben Wengert, Siegfried Fries, Jessica Lohmann, Uschi Dreiucker, Carlo Schrodt, : Eva-Maria Roßmann, Lutz Tillmanns, pixelio.de<br />

Landwirtschaft<br />

Hier ist Handschrift der mehrheitlich in ländlich geprägten Regionen<br />

gewählten Sozialdemokratischen Partei deutlich sichtbar.<br />

Die USL will vor allem die Bildung auf dem Land mit einer Art<br />

"All-inclusive"-Programm für Schüler fördern und nebenbei die<br />

Mehrwertsteuer bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen von 24<br />

auf 9 Prozent reduzieren.<br />

Dem hat das eher urban geprägte bürgerliche Lager ARD wenig<br />

entgegenzusetzen, außer Parolen: "Die Landwirtschaft bleibt<br />

einer der Wirtschaftszweige mit dem größten Wachstumspotenzial<br />

und ist einer der Sektoren, die ungerechterweise von<br />

allen linksgerichteten Regierungen vernachlässigt wurde", heißt<br />

es im Wahlprogramm.<br />

Gesundheit<br />

Im Zuge der Dezentralisierung aber auch der Sparmaßnahmen<br />

wurden Krankenhäuser den Kommunen übergeben. Denen aber fehlt<br />

das Geld vorn und hinten, so dass es in der jüngsten Vergangenheit<br />

zur Schließung von Krankenhäusern kam. Das will die USL nun mittels<br />

Bau neuer Krankenhäuser wieder gutmachen.<br />

Das bürgerliche Gegenlager hingegen plant eine Neuauflage der<br />

Gesundheitsreform, die es in der Zeit bis Mai 2012, als es noch die Regierung<br />

stellte, durchzusetzen versucht hatte. Das sah unter anderem<br />

eine Kürzung der kostenlosen Dienstleistungen vor. Außerdem soll<br />

die Schaffung einer einheitlichen Datenbank für alle einschlägigen<br />

Behörden vorangetrieben werden.<br />

48 DEZEMBER 2012-JANUAR 2013 www.debizz.ro www.debizz.ro<br />

DEZEMBER 2012-JANUAR 2013 49<br />

POLITIK<br />

debizz<br />

Infrastruktur<br />

Ein leidiges Thema in Rumänien, zumal der liberale Ex-Premier<br />

Tăriceanu (siehe Flat Tax) als Autoliebhaber auf diesem Gebiet<br />

kläglich versagt hat. Gerade vier Kilometer Autobahn sind in seiner<br />

Amtszeit gebaut worden. Das wollen seine Koalitionspartner nun<br />

ausbügeln: In vier USL-Regierungsjahren sollen zwei Autobahnen<br />

(Bukarest-Arad und Bukarest-Iaşi) fertig gestellt und zwei neue<br />

Projekte (Târgu-Mureş-Iaşi und Bukarest-Craiova) angestoßen<br />

werden.<br />

Das bürgerliche Lager will sich nicht so genau festlegen, womöglich<br />

weil es weiß, dass solche Versprechungen nicht einzuhalten sein<br />

werden. Stattdessen sollen die begonnen Investitionsprojekte fortgeführt<br />

werden. Deren Fortführung hat nämlich Premierminister<br />

Ponta durch eine Budgetkürzung erst einmal auf Eis gesetzt.<br />

Womit wir beim letzten Punkt der Gegenüberstellung<br />

wären: der IT.<br />

Hier geben sich beide Lager fortschrittlich. Die USL setzt, wie ein geflügeltes<br />

Wort lautet, alles auf eine Karte und schlägt neben dem alleinigen digitalen<br />

Behörden-Schalter für sämtliche Steuer- und Abgabenzahlungen eine<br />

einheitliche Identitätskarte vor, die gleichzeitig Krankenversichertenkarte,<br />

Führerschein und Verkehrsabo mit digitaler Unterschrift sein soll. Praktisch,<br />

denn sechs Prozent der Bevölkerung von Rumänien können nicht lesen und<br />

schreiben.<br />

Die ARD widmet dem Bereich ein eigenes Kapitel und statuiert, dass der<br />

Wirtschaftszweig, der bislang "punktuell" gefördert wurde, eine "kohärente<br />

Strategie" zur Unterstützung und Förderung des Unternehmertums bräuchte.

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