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Mekka für Spekulanten - zfd-online.net

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Umweltzerstörer Nummer eins sind unsere<br />

Fortbewegungs-Karossen. Die ungeheuren<br />

Mengen an Abgasen aus 40 Millionen<br />

zugelassenen Autos in der BRD haben sogar<br />

auch bei beschlipsten KonsumentInnen zur<br />

ungeliebt notwendigen Einsicht geführt: so<br />

geht es nicht weiter. Das Umdenken unserer<br />

Wirtschaftsmagnaten setzt immer erst ein,<br />

wenn der Umsatz stagniert, das Geld nicht so<br />

fließt, wie erhofft. Erste vorsichtige Einsicht<br />

zieht sogar in den Mercedes-Benz-Etagen<br />

ein, vor allem wegen fehlender Umsätze bei<br />

der S-Klasse: Heute tauchen in Zeitschriften<br />

Werbeanzeigen auf, in denen die Stuttgarter<br />

Automobilbauer ankündigen, „Das werden<br />

wir tun (Bild eines Kleinwagens Studie A) –<br />

Das werden wir nicht lassen (Bild eines S-<br />

Klasse Dinosauriers)“. Darin spiegelt sich<br />

immer noch ein schneckentempohaftes<br />

Umdenken arroganter, unzeitgemäßer Industriemanager<br />

– muß denn den Herren der<br />

Baum erst auf den Kopf fallen?<br />

Das Anrecht auf Rückständigkeit nimmt<br />

auch Darmstadts Oberbürgermeister Peter<br />

Benz (SPD) <strong>für</strong> sich in Anspruch: Am Samstag<br />

(7.5.) weihte er wieder einmal die chromglitzernde<br />

Automobilausstellung in der Wilhelminenstraße<br />

ein. („Wir wollen uns die<br />

Freude am Autofahren nicht vermiesen lassen“).<br />

Gläubigkeit war schon von jeher<br />

Hemmnis <strong>für</strong> alle Weiterentwicklung, weshalb<br />

Benz den verunsicherten Automobil-<br />

Enthusiasten predigt: „Das Auto ist nicht der<br />

Beelzebub“ – vergessen hat er dabei die<br />

kopflosen LenkerInnen.<br />

Tags zuvor hatte Benz eine Einladung der<br />

„Südhessische Gas und Wasser AG“ ausgeschlagen.<br />

Dort wurde eine bemerkenswerte<br />

Entwicklung vorgestellt: Das Automobil, das<br />

mit Erdgas angetrieben wird. Zwar gibt es<br />

schon lange Autos, die mit Flüssiggas fahren<br />

– jedoch bei uns nicht mit Erdgas. Während<br />

„Greenpeace“ noch auf das Auto mit einem<br />

Verbrauch von etwas weniger als drei Liter<br />

Benzin je 100 Kilometer setzt, um die gigantischen<br />

Mengen an Schadstoffen zu reduzieren,<br />

kommt ein erdgasbetriebenes Fortbewegungsmittel<br />

auf noch viel weniger Emissionen.<br />

Auch wenn Benz sich als rückständig<br />

erweist, liegt er mit seiner Haltung durchaus<br />

in einer Linie mit den Prognosen <strong>für</strong> die weitere<br />

Entwicklung im Straßenverkehr: Bis zum<br />

Jahr 2000 werden in der Bundesrepublik<br />

nach einer Studie der „Shell AG“ 52 Millionen<br />

Pkw rollen, mithin die Emissionen um<br />

weitere 25% zunehmen werden.<br />

Keine Serienfertigung<br />

Die Mitgesellschafterin der Südhessischen,<br />

die „Rhenag“ (wiederum eine RWE-Tochter),<br />

ist seit zwei Jahren dahinter her, das Erdgas-<br />

Auto zu etablieren. Erstaunlich daran: das<br />

geht heute schon mit entsprechend umgerüsteten<br />

Serien-Pkw; bei der Südhessischen<br />

sind zwei der nicht stinkenden, umweltfreundlichen,<br />

entsprechend umgebauten<br />

Volkswagen am 6.5. in Betrieb genommen<br />

worden. Die technische Änderung ist eine<br />

Kleinigkeit, lediglich <strong>für</strong> den sperrigen Tank<br />

muß Platz gefunden und geopfert werden.<br />

Noch ist das <strong>für</strong> den Normalverbraucher zu<br />

teuer: Für die Umrüstung sind je Auto 7.000<br />

bis 8.000 Mark zu berappen, „weil dies noch<br />

nicht in Serie, sondern per Hand erfolgt“,<br />

erklärt Jochen Günter, ein Sachbearbeiter der<br />

„Rhenag“. Er kündigt an, „geht der Umbau in<br />

Serie, sind etwa 2.000 bis 3.000 Mark Aufpreis<br />

zu zahlen“. Das Auto käme aber nur<br />

wenig teurer, denn die Kosten <strong>für</strong> einen Katalysator<br />

können eingespart werden.<br />

Teuer ist heute auch noch die Tankstelle,<br />

gleichzeitig der Clou: An die im Haus liegende<br />

Gasleitung (35% der Haushalte hängen<br />

am Gas<strong>net</strong>z) wird ein Kompressor angeschlossen.<br />

Eine Schnellkopplung an das<br />

Auto gehängt – das war’s, allerdings braucht<br />

die Haustanke drei bis fünf Stunden <strong>für</strong> das<br />

Füllen einer Gasflasche. Doch auch hier sind<br />

noch unrealistisch hohe Summen zu zahlen:<br />

Die Gas-Tankstelle im Eigenheim kostet<br />

6.000 Mark. Auch hier gilt, in Serie gefertigt,<br />

sinken die Kosten rapide – im Werkzeughandel<br />

gibt es heute Kompressoren bereits <strong>für</strong><br />

weniger als 1.000 Mark.<br />

„Noch sind diese Autos nichts <strong>für</strong> den Privatverbraucher“,<br />

resümiert Günter, „wir wenden<br />

uns an Großbetriebe wie die HEAG (ein<br />

interessierter Vertreter war da), an die Stadtverwaltungen,<br />

Taxi-Unternehmen, die Gütertransportunternehmen,<br />

UPS und andere<br />

Großverbraucher.“ Wäre irgendwann ein<br />

Tankstellen<strong>net</strong>z aufgebaut, dort dauert das<br />

Tanken aufgrund anderer Technik lediglich<br />

zwei bis fünf Minuten.<br />

Sicherheit: Kein Problem<br />

Ist so ein Auto sicher? Auch darauf weiß der<br />

„Rhenag“-Sachbearbeiter die Antworten:<br />

„Die bei den Technischen Überwachungsver-<br />

einen (TÜV) beschäftigten Ingenieure wissen<br />

doch vom Erdgas nur, daß es brennt“, seine<br />

Polemik entspringt dem Ärger mit den<br />

Behörden: Der Sicherheitsauflagen halber<br />

muß heute jedes umgebaute Fahrzeug extra<br />

vom TÜV abgenommen werden. Galt die<br />

TÜV-Abnahme bis vor kurzem gerade mal <strong>für</strong><br />

ein halbes Jahr, ist sie heute auf zwei Jahre<br />

verlängert – aber halt immer noch nur nach<br />

Einzelabnahme. Er weiß zu berichten, daß<br />

„erdgasbetriebene Fahrzeuge heute sicherer<br />

sind als Dieselautos“ und beschreibt technische<br />

Einzelheiten der Erdgastanks. Das Beispiel<br />

eines Großbrandes in Belgien, wo Diesel-<br />

und Erdgasautos in Flammen standen,<br />

zeigt: Die Erdgastanks waren trotz abgebrannter<br />

Wracks nicht explodiert.<br />

Steuerentlastungen?<br />

Obwohl Gas-Technik nicht neu ist und schon<br />

vor über 100 Jahren im Fahrzeug- und Motorenbau<br />

Einsatz fand, stellte sich die Automobilindustrie<br />

noch „vor eineinhalb Jahren“<br />

taub und „gab dem Erdgas-Auto keine Chance“.<br />

Doch da ist ein Umdenken in Sicht. Drei<br />

Hersteller – DB, VW und BMW – sollen die<br />

Serienfertigung zugesagt haben. Die Erdgas-<br />

Lieferanten wollen erreichen, daß Gas-Autos<br />

große Verbreitung finden. Deshalb hatte die<br />

Südhessische auch Staatssekretär Rainer<br />

Baake vom hessischen Umweltministerium<br />

eingeladen. An ihn richtete Heinz Kern, Vorstandsvorsitzender<br />

der Südhessischen, die<br />

Aufforderung als Bitte formuliert: „Wir hoffen,<br />

daß Sie sich <strong>für</strong> eine steuerliche Entlastung<br />

einsetzen“. Auf dem Erdgas liegt eine<br />

Steuer von 50%.<br />

Baake vermag zwar „keine Alternative <strong>für</strong><br />

eine Wende in der Verkehrspolitik durch das<br />

Erdgasauto“ zu erkennen, aber attestiert<br />

„daß deutlich weniger Schadstoffe emittiert<br />

werden“. Für die Erdgaslieferanten könnte<br />

ein Senken der Steuern zu wirtschaftlicher<br />

Wettbewerbsfähigkeit führen. In Anbetracht<br />

der massiven Umweltschäden durch benzinoder<br />

dieselbetriebene Fahrzeuge, könnten<br />

alternativ höhere Steuern auf Erdöl zu dem<br />

gleichen Effekt der Wirtschaftlichkeit führen.<br />

Die heutigen noch teuren Umbaukosten in<br />

Verbindung mit höheren Verbrauchskosten<br />

liegen bei einem Dieselfahrzeug zwischen 15<br />

bis 30% – allerdings gibt es Zuschüsse vom<br />

Umweltbundesamt (Berlin) in Höhe von 50%<br />

<strong>für</strong> die Investitionen.<br />

Gesperrte Innenstädte<br />

Kern prophezeit, ganz sicher zutreffend, daß<br />

die Innenstädte (als erster Schritt) wegen der<br />

ständig steigenden Schadstoffbelastung <strong>für</strong><br />

diesel- und benzingetriebene Fahrzeuge gesperrt<br />

werden müssen – die große Chance<br />

<strong>für</strong> die einfach und schnell umrüstbare Erdgastechnik.<br />

Einen weiteren entscheidenden Vorteil verbuchen<br />

die industriellen Protegés des Gasautos<br />

<strong>für</strong> sich: Die gigantischen Öl-Tanker<br />

mit ihren regelmäßig wiederkehrenden<br />

Umweltkatastrophen nach Unfällen gehörten<br />

ebenso der Vergangenheit an, wie die Raffinerien<br />

und die Lkw-Flotten, die den Sprit an<br />

die einzelnen Tankstellen anliefern. Ebenso<br />

wie einstmals die Ölheizungen dem Erdgas<br />

weichen mußten, könnte dies ein Trend sein,<br />

der unter heutigen technischen Bedingungen<br />

einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung<br />

der (Um-)welt beitragen könnte – viel<br />

schneller als es <strong>für</strong> die internationalen Erdölgesellschaften<br />

wünschenswert wäre.<br />

Weltweit sollen bereits 800.000 solch<br />

umgerüsteter Fahrzeuge laufen – in der Bundesrepublik<br />

noch nicht einmal 200, von denen<br />

allein die „Rhenag“ 40 im Einsatz hat.<br />

Hierzulande hält man zwar viel auf Technologie<br />

und Fortschritt, hinkt aber wieder einmal<br />

hinterher. „In den USA sorgte die Umweltschutzgesetzgebung<br />

(,clean air act‘) <strong>für</strong> ein<br />

Umdenken im Verkehrswesen“, weiß eine<br />

Arbeitsgemeinschaft der Erdgaslieferanten<br />

zu berichten, „die Gesetzgebung in den USA<br />

geht so weit, daß größere Städte verpflichtet<br />

werden, <strong>für</strong> öffentliche und gewerbliche<br />

Fuhrparks nur noch ,cleanfuel‘ Fahrzeuge anzuschaffen“<br />

– was soviel heißt wie Erdgas als<br />

Treibstoff.<br />

Übergangslösung<br />

Ein Manko hat das Gasauto noch: Die Motoren<br />

sind auf das Fahren mit Benzin oder Diesel<br />

optimiert, damit ist der Verbrauch an Erdgas<br />

höher als er sein müßte. Eine Tankfüllung<br />

reicht heute nur <strong>für</strong> 150 bis 250 Kilometer,<br />

je nach Wagentyp. Dies ist jedoch kein<br />

Hemmnis, denn durch einen einfachen Umschalter<br />

im Armaturenbrett kann zwischen<br />

Benzin- und Gas-Treibstoff gewählt werden.<br />

Damit ist diese Technik der Realisierung<br />

einen deutlichen Schritt weiter als die der<br />

Elektroautos. Ob die Automobil-Industrie ihre<br />

Zusage einhält und tatsächlich in den<br />

nächsten zwei Jahren erste Serienfahrzeuge<br />

auf den Markt bringt? Zu wünschen wäre es,<br />

Mercedes-Benz Werbung <strong>für</strong> die S-Klasse<br />

Nummer 69 · 13.5.1994 · Seite 5<br />

„Die Freude am Auto<br />

nicht vermiesen lassen“<br />

bevor die Städte noch stinkender und unwirtlicher<br />

werden und der Wald nur noch aus<br />

Baumgerippen besteht.<br />

Für uns Verbraucher heißt dies: Den Kauf<br />

eines neuen Autos möglichst lange herauszuschieben,<br />

bis energiesparende Fahrzeuge<br />

im Verbund mit Erdgastechnik die Umweltbelastung<br />

auf ein Minimum senken. Ein<br />

durch sparsame Motoren auf drei Liter Benzin<br />

gesenkter Verbrauch in Verbindung mit<br />

Erdgas als Treibstoff könnte die Schadstoffe<br />

radikal senken.<br />

Umweltbilanz<br />

Im Vergleich Diesel/Erdgas sinken nach<br />

Angaben der Erdgaslieferanten die Emissionen<br />

bei:<br />

• Kohlenmonoxiden (CO) um 58%<br />

• Stickoxiden (NOx) um 80%<br />

• reaktiven Kohlenwasserstoffen (NMHC) um<br />

80%<br />

• Schwefeldioxiden über 90% (derzeit sorgen<br />

bis zu 90 Millionen Tonnen pro Jahr <strong>für</strong><br />

den Treibhauseffekt)<br />

• Rußpartikeln über 90%<br />

• Kohlendioxid (CO2) bleibt unverändert.<br />

Im Vergleich Benzin-Erdgas ergibt sich noch<br />

eine<br />

• Senkung der Kohlendioxide um 20%.<br />

Der erdgasbetriebene Motor wird vom Wirkungsgrad<br />

her besehen zwischen dem Benziner<br />

und dem Diesel anzusiedeln sein, denn<br />

der Diesel „ist in seinem Wirkungsgrad unerreichbar“,<br />

beschreibt Ingenieur Ganser<br />

(„Rhenag“).<br />

Die weniger emittierten Stickoxide in Verbindung<br />

mit den deutlich weniger erzeugten<br />

reaktiven Kohlenwasserstoffen drängen die<br />

• bodennahe Ozonbildung um über 80 %<br />

zurück.<br />

Der höchste Wert von bodennaher Ozonkonzentration<br />

wurde in der Bundesrepublik 1992<br />

im Rhein-Main-Gebiet mit 383 Mikrogramm<br />

je Kubikmeter gemessen.<br />

Ein Manko allerdings bleibt: Die als Treibhausgase<br />

bezeich<strong>net</strong>en Schadstoffe (Kohlendioxid<br />

in Verbindung mit Methan u.a.)<br />

sinken nur um 13% im Vergleich mit dem<br />

Benzin-Motor; den Hauptteil, der auch durch<br />

Katalysatoren nicht weiter verringerbaren<br />

Treibhausgase, stellt das Kohlendioxid mit<br />

über 80%. Letzter Vorteil: Erdgas ist klopf-<br />

Zitat Oberbürgermeister Peter Benz anläßlich seiner Eröffnungsrede bei der Automobilausstellung in der Wilhelminenstraße<br />

Alle Jahre wieder: Protestiert haben BUND-Jugend und ein Teil der Grünen gegen die Automobilausstellung auf der Wilhelminenstraße am 7. Mai (Fotos: HS)<br />

Erdgas<br />

statt Benzin und Diesel<br />

fest, es werden demnach keine Additive<br />

gebraucht, weniger Blei, weniger Ölwechsel.<br />

Ende des Gestanks?<br />

Umso unverständlicher ist, daß wieder einmal<br />

nur die Großverbraucher angesprochen<br />

sind – warum versuchen die Erdgaslieferanten<br />

nicht, die umweltfreundliche Antriebsenergie<br />

<strong>für</strong> alle einzuführen? Auch <strong>für</strong> den Normalverbraucher<br />

ist Erdgas interessant. Wer<br />

hat sich nicht schon über seinen Diesel oder<br />

den unglaublich stinkenden Katalysator seines<br />

Vordermannes geärgert und im Stau vergebens<br />

nach frischer Luft geschnappt? Erdgas<br />

verbrennt nicht nur umweltfreundlicher,<br />

vollständiger, sondern auch geruchsfrei und<br />

die Motoren laufen erheblich viel leiser.<br />

Sicher würden viele zweimal überlegen, ob<br />

ein Verzicht auf Metallic-Lack oder sonstigen<br />

Schnickschnack nicht besser im Gasantrieb<br />

angelegt wäre. Wer den Wald im Auge hat,<br />

<strong>für</strong> sie oder ihn gäbe es ohnehin nur eine Entscheidung:<br />

<strong>für</strong> Erdgas. Und dies nicht erst in<br />

einigen Jahren, wenn die umweltfeindliche<br />

Automobilindustrie endlich die saubere<br />

Technologie anbieten wird, am liebsten<br />

schon vor Jahrzehnten…<br />

M. Grimm

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