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Trainer-B Breitensport Judo im Elementarbereich

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<strong>Trainer</strong>-B <strong>Breitensport</strong><br />

<strong>Judo</strong> <strong>im</strong> <strong>Elementarbereich</strong><br />

"Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes<br />

Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt."
<br />

(Karl Friedrich Schiller)<br />

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Jens Keidel<br />

2014<br />

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Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>Trainer</strong>-B <strong>Breitensport</strong> 1<br />

<strong>Judo</strong> <strong>im</strong> <strong>Elementarbereich</strong> 1<br />

Inhaltsverzeichnis 3<br />

1. Sport 5<br />

1.1. Definition Sport 6<br />

1.2. Funktionen des Sports 8<br />

2. Grundlagen der Bewegungserziehung 9<br />

2.1.1. Merkmale und Wichtigkeit des kindlichen Spiels 11<br />

2.1.2. Bedingungen zur Förderung des Spiels 13<br />

2.1.3. Spiele in verschiedenen Lebensaltern 16<br />

2.1.4. Spiele mit Wettkampfcharakter 17<br />

2.1.5. Spielen und <strong>Judo</strong>training 18<br />

2.2. Kindliche Entwicklung 19<br />

2.2.1. Entwicklungsschritte <strong>im</strong> Kindergarten- und Grundschulalter 20<br />

2.2.2. Wachstum 21<br />

2.2.3. Entwicklungsbesonderheiten 22<br />

2.2.4. Physiologische Entwicklung 23<br />

2.2.5 Motorische Entwicklung 27<br />

2.2.5.1. Entwicklung der grobmotorischen Fertigkeiten <strong>im</strong> Vorschulalter 30<br />

2.3. Konditionelle und koordinative Fähigkeiten/Fertigkeiten 37<br />

2.3.1. Kondition 37<br />

2.3.2. Koordination 37<br />

2.3.3. Bedeutung für die Bewegungserziehung 39<br />

2.4. Psychomotorik 41<br />

2.4.1. Wahrnehmung 43<br />

2.4.2. Sinneswahrnehmung 44<br />

2.4.3. Psychomotorische Übungsgeräte 46<br />

2.5. Ernährung und Bewegung 47<br />

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2.5.1. Umsetzung in der Bewegungserziehung 47<br />

3.1.1. Lernmodelle 51<br />

3.1.2. Methodische Rahmenbedingungen 53<br />

3.2. Planung und Aufbau einer Übungsstunde für Kinder 57<br />

3.2.1. Planungselemente einer Übungsstunde 58<br />

3.2.2. methodisch-didaktische Grundlagen der Bewegungserziehung 60<br />

3.3. Allgemeine Methodik einer Übungsstunde 61<br />

4. <strong>Judo</strong> spielend lernen 63<br />

4.1. Materialien zum „<strong>Judo</strong> spielend lernen“ 63<br />

4.2. Inhaltliches Programm 66<br />

4.3. Praktische Tipps für Übungsleiter/innen 69<br />

4.4. Beispiel für eine „Stickerplanung 70<br />

5. Auffälligkeiten 73<br />

5.1. Haltungs- und Bewegungsauffälligkeiten 73<br />

5.2. Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom 75<br />

5.2.1. Kernsymptome 75<br />

5.2.2. Konkrete Verhaltensauffälligkeiten 76<br />

5.2.3. Konsequenzen für die Bewegungsförderung 77<br />

5.3. Exkurs: Grenzen setzen 79<br />

6. Praxis 87<br />

6.1. Kleine Spiele 87<br />

6.2. Kreatives Spielen 88<br />

6.3. Musik und Bewegung 90<br />

6.4. Kennenlern- bzw. Eisbrecherspiele 90<br />

6.5. Spiele zur Sozialkompetenz und den <strong>Judo</strong>werten 92<br />

6.6. Bewegungsgeschichten 97<br />

6.6.1. <strong>Judo</strong> lernen durch Geschichten 98<br />

7. Aufsichtspflicht 101<br />

8. Anhang 103<br />

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1. Sport<br />

"Der Stellenwert des Sports <strong>im</strong> Kindesalter muss endlich erkannt werden: Er dient nicht nur<br />

zur Verbesserung der Motorik, sondern ist bedeutsam für die Entwicklung von kognitiven,<br />

sozialen und psychischen Kompetenzen und leistet nicht zuletzt einen nachhaltigen Beitrag<br />

zur Gesundheit. Sport ist durch nichts zu ersetzen. Jedes Kind, das sich gerne bewegt, soll dies<br />

auch dürfen, sei dies zu Hause, in der Schule oder auf öffentlichen Plätzen. Ich wünsche mir<br />

möglichst viele Erwachsene, die dieser Idee zum Durchbruch verhelfen."
<br />

(Dr. phil. nat. Lukas Zahner, Universität Basel)<br />

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Definition Sport<br />

lat.: desportare = sich vergnügen<br />

„Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich<br />

Sport zu einem umgangs-sprachlichen,<br />

weltweit gebrauchten Begriff entwickelt.<br />

Eine präzise oder gar eindeutige begriffliche<br />

Abgrenzung lässt sich deshalb nicht<br />

vornehmen. Was <strong>im</strong> allgemeinen unter<br />

Sport verstanden wird, ist weniger eine<br />

Frage wissenschaftlicher<br />

D<strong>im</strong>ensionsanalysen, sondern wird weit<br />

mehr vom alltagstheoretischen Gebrauch<br />

sowie von den historisch gewachsenen und<br />

tradierten Einbindungen in soziale,<br />

ökonomische, politische und rechtliche<br />

Gegebenheiten best<strong>im</strong>mt. Darüber hinaus<br />

verändert, erweitert und differenziert das<br />

faktische Geschehen des Sporttreibens selbst<br />

das Begriffverständnis von Sport."<br />

(Röthig/Prohl Hrsg.: Sportwissenschaftliches<br />

Lexikon, 6. Aufl., Schorndorf 2003)<br />

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!<br />

1.1. Definition Sport<br />

"Sport" - Vorschlag einer Definition<br />

"Sport" ist ein kulturelles Tätigkeitsfeld, in<br />

dem Menschen sich freiwillig in eine<br />

Beziehung zu anderen Menschen begeben<br />

mit der bewussten Absicht, ihre Fähigkeiten<br />

und Fertigkeiten insbesondere <strong>im</strong> Gebiet der<br />

Bewegungskunst zu entwickeln und sich mit<br />

diesen anderen Menschen auf Grundlage<br />

der gesellschaftlich akzeptierten ethischen<br />

Werte nach selbstgesetzten oder<br />

übernommenen Regeln zu vergleichen.<br />

(Prof. Dr. Claus Tiedemann (2013)<br />

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Zitate:<br />

„Der Sport ist eine Tätigkeitsform des Glücks. Und nicht<br />

zuletzt haben Mediziner und Psychologen festgestellt:<br />

Sport setzt Stoffe in unserem Körper frei, die wir als<br />

Glückshormone bezeichnen können. Wer Sport treibt, ist<br />

fröhlicher, opt<strong>im</strong>istischer als andere!“
<br />

Martin Kessel (1901-90), dt. Schriftsteller, 1954 Georg-Büchner-<br />

Preis<br />

!<br />

„Sport = Eine völkerverbindende Sache. Vor allem die<br />

Ärzte haben viel zu verbinden.“
<br />

Herbert Rosendorfer (*1937), dt. Schriftsteller<br />

!<br />

„Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine,<br />

Kürzt die öde Zeit,<br />

Und er schützt uns durch Vereine,<br />

Vor der Einsamkeit.“
<br />

Joach<strong>im</strong> Ringelnatz (1883-1934)<br />

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1.2. Funktionen des Sports<br />

!<br />

Biologisch:<br />

- Förderung der Gesundheit<br />

- Erhaltung der Gesundheit, körperliche Fitness<br />

Funktionen des<br />

Sports<br />

- Prävention, Rehabilitation<br />

!<br />

Sozial:<br />

- Kontakte knüpfen, Treffpunkt<br />

- Freizeitgestaltung<br />

- Integration<br />

- Aggressionsabbau<br />

- Erlernen von Fairness<br />

- Erlernen von Werten<br />

!<br />

Persönlich:<br />

- Persönlichkeitsentwicklung<br />

- Freude<br />

- Herausforderung, Erfahrung von individuellen Grenzen<br />

- Umgang mit Sieg und Niederlage<br />

- Leistungsgedanke<br />

- Suchtprävention<br />

!<br />

Politisch:<br />

- Völkerverständigung<br />

- nationale Identität<br />

!<br />

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2. Grundlagen der Bewegungserziehung<br />

"Das Spiel ist der Beruf jedes Kindes!“<br />

!<br />

!<br />

!<br />

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Bewegung und Sport gelten zu Recht als unverzichtbare Bestandteile der Erziehung des<br />

Kindes. Im Vorschulalter haben Bewegungserziehung, Turnen und Sport vor allem das Ziel,<br />

der natürlichen Lebensfreude des Kindes Raum zu geben und so das Wohlbefinden und die<br />

motorischen Fähigkeiten zu stärken und eine gesunde Entwicklung zu gewährleisten.<br />

Allerdings hat gerade in der frühen Kindheit die Förderung der motorischen Fertigkeiten eine<br />

Bedeutung, die weit über die körperliche Gesundheit hinausreicht und die Gesamtentwicklung<br />

des Kindes betrifft, und zwar Aspekte der emotionalen, geistigen und sozialen<br />

Entwicklung.<br />

Dr. Heinz Krombolz<br />

Zitate:<br />

!<br />

"Allzu oft wird Spiel als Zeitvertreib betrachtet, um Kinder<br />

ruhig zu halten bis sie erwachsen sind. Allzu oft wird Spiel<br />

auch als ein Bildungswerkzeug angesehen. Aber nur selten ist<br />

man sich der Tatsache bewusst, dass Kinder be<strong>im</strong> Spielen für<br />

das Leben lernen.“<br />

Jan van Gils, IPA Präsident 2005<br />

!<br />

!<br />

"Be<strong>im</strong> Spielen lernen Kinder den Umgang mit anderen; sie probieren sich aus, entwickeln<br />

körperliche Fähigkeiten und geistige Talente. Darum müssen Kinder spielen dürfen... Ich<br />

freue mich besonders, wenn Erwachsene den Lärm spielender Kinder als Zukunftsmusik<br />

empfinden.“<br />

Horst Köhler, Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland<br />

!<br />

!<br />

!10


2.1.1. Merkmale und Wichtigkeit des kindlichen Spiels<br />

!<br />

Ein Kind geht vollkommen <strong>im</strong> Spiel auf und kann sich stundenlang mit einem Spiel oder<br />

einer spielerischen Tätigkeit beschäftigen, wenn es den richtigen Gehalt zwischen<br />

Anforderung und Gewohntem beinhaltet, wenn best<strong>im</strong>mte Spielregeln eingehalten werden,<br />

die jedoch <strong>im</strong> freien Spiel durch das Kind selbst best<strong>im</strong>mt worden und nicht von außen<br />

vorgegeben sind.<br />

Das Kind definiert demnach seine Handlung selbst und das Spiel erfüllt in der kindlichen<br />

Entwicklung verschieden Zwecke, es ist also keineswegs willkürlich oder zufällig, auch wenn es<br />

Außenstehenden so vorkommen mag. Der kindliche Bewegungsdrang spielt <strong>im</strong> kindlichen<br />

Spiel eine wichtige Rolle und ist stets Teil dessen.<br />

!<br />

Spielen in der kindlichen Entwicklung gibt dem Kind die Möglichkeit:<br />

Oft sind<br />

Umwege<br />

schnellere<br />

Wege zum Ziel.<br />

!<br />

!<br />

• Erlebtes zu verarbeiten<br />

!<br />

!<br />

• eine elementare und (für das Kind) angemessene<br />

Ausdrucksform zu finden<br />

• Handlungsalternativen auszuprobieren<br />

!<br />

• Rollen- und Perspektivwechsel zu erproben<br />

• emotionale und soziale Bindung zu Personen und<br />

Umwelt herzustellen<br />

Spielen zeichnet sich als lustbetonte Bewegungsform aus und kann dementsprechend als<br />

Trainingsmittel eingesetzt werden, um eine lustbetonte, motivierende und kindgerechte<br />

Lernatmosphäre innerhalb des Trainings zu schaffen. Das spielende Kind versteht sich als<br />

autonom handelnde Person, das seine Umwelt und Bewegungshandeln aktiv gestaltet.<br />

!<br />

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Merkmale des kindlichen Spiels<br />

!<br />

• Freiwilligkeit und Variationen in den spielerischen Tätigkeiten<br />

!<br />

!<br />

• zweckentfremdetes und kreatives Handeln<br />

• neue und überraschende Situationen<br />

• Grenzen zu setzen und dies eventuell verschieben<br />

• soziale Aspekte <strong>im</strong> Als-ob-Spiel, Realitäts- und Fantasieabgleich<br />

• Freude<br />

• Freiwilligkeit<br />

• Selbstzweck, d.h. unabhängig vom äußerem Nutzen<br />

Grundlegende Spielformen sind:<br />

!<br />

• das Spiel mit<br />

• das Spiel als<br />

• das Spiel um etwas<br />

!<br />

!12


!<br />

2.1.2. Bedingungen zur Förderung des Spiels<br />

Wenn das Spiel des Kindes als eine grundlegende Haupttätigkeit seines Lebens gesehen<br />

und als solche auch eingestuft werden muss, dann ist es erforderlich, dass Kinder auch<br />

entsprechende Spielbedingungen benötigen, um entsprechende Entwicklungsprozesse auf- und<br />

auszubauen. Entsprechend der Beschaffenheit dieser Bedingungen wird das Spielverhalten<br />

von Kindern eher gefördert oder behindert - schl<strong>im</strong>mstenfalls unterbunden. Gleichzeitig<br />

ermöglichen oder verhindern die vorhandenen Spielbedingungen die vielfältigen<br />

Spielformen, die jede für sich ganz spezifische Lernerfahrungen initiiert und in einen weiteren<br />

Gestaltungsprozess führt. Grundsätzlich zählen zu den wesentlichen Spielbedingungen die<br />

Merkmale Zeit, Platz, Materialien, Mitspieler/innen, Entscheidungsfreiheit und Ruhe (vgl.<br />

Baer 1981, S. 39 ff.):<br />

!<br />

• Zeit<br />

Je jünger die Kinder sind, desto intensiver sind sie ganz in ihren Spielen vertieft.<br />

Beobachtungen haben ergeben, dass kleine Kinder bis zu neun Stunden am Tag spielen,<br />

wenn man ihnen die Möglichkeit dafür einräumt. Spielen ist die Zeit, die frei von äußeren<br />

Erwartungen oder Verpflichtungen ist, und sie ist für Kinder <strong>im</strong>mer ausgefüllt. Dabei spielt es<br />

keine Rolle, ob sie auch tatsächlich - von einer Außensicht betrachtet - <strong>im</strong>mer "aktiv" sind.<br />

Das Spielen ist durch Tätigkeiten und zurückgezogenes Beobachtungen, wildes Agieren und<br />

stummes Betrachten, Gespräche mit anderen und eine innere Zwiesprache mit sich selbst<br />

gekennzeichnet, in denen das Kind seinem subjektiven Spielerlebnis nachgeht.<br />

Unterbrechungen oder Zeitabbrüche stören diesen Ereignisprozess ganz erheblich.<br />

!<br />

• Platz<br />

Zunächst nutzen kleinere Kinder ihren unmittelbaren Lebensraum für ihre Spielaktivitäten.<br />

Solange sie noch <strong>im</strong> Kinderwagen oder <strong>im</strong> "Laufstall" sind und noch nicht den freien Gang<br />

beherrschen, fixieren sie sich auf ihre eigene, kleine Spielfläche. Mit zunehmendem Alter<br />

richten sie ihre ganze Aufmerksamkeit allerdings auch auf ihr gesamtes, weiteres Umfeld. So<br />

werden alle Räume der Wohnung, der eigene Garten und/ oder öffentliche Rasen- und<br />

Spielflächen, öffentliche Plätze, Wiesen und Wälder, die Wohnungen ihrer Spielkameraden<br />

und alle zur Verfügung stehenden Flächen zu ihrem Spielplatz, den sie nach eigenen<br />

Vorstellungen und Möglichkeiten (um-) gestalten und nutzen. Angesichts der Tatsache, dass<br />

alle Spielräume ihren eigenen Charakter und ihre eigenen Besonderheiten besitzen, ist es<br />

notwendig, dass Kinder diese unterschiedlichen Spielorte kennen lernen und nutzen, damit<br />

sie vielfältigste Erfahrungen in abwechslungsreicher Umgebung und großzügiger Vielfalt<br />

machen können. Es bleibt nicht aus, dass Kinder aufgrund eigener Spielvorstellungen andere<br />

Maßstäbe an Ordnung oder Sauberkeit anlegen als Erwachsene! Sie sollten daher darauf<br />

!13


achten, das Spiel der Kinder nicht durch einengende Regeln oder normativ geprägte<br />

Erwartungen einzuschränken, unattraktiv werden zu lassen oder gar zu unterbinden.<br />

!<br />

• Materialien<br />

So vielfältig die Spielformen und Ausdrucksmöglichkeiten der Kinder sind, so vielfältig sind<br />

ihre Spielmaterialien. Ob es der eigene Körper ist (m<strong>im</strong>isches Ausdrucksspiel) oder ob es die<br />

unterschiedlichsten Materialien zum Bauen und Werken sind, die zur Herstellung von<br />

Spielgegenständen benötigt werden, ob es Verkleidungsutensilien für das Rollenspiel oder<br />

Bäume und große Steine sind, die zu Kletter- und Fangspielen einladen, ob ein<br />

unübersichtliches Gelände zum Versteckspiel dient oder Zelte und Höhlen als Burgen<br />

umgedeutet werden, ausgediente Elektrogeräte zum Zerlegen als Fundus für<br />

Exper<strong>im</strong>entierspiele benötigt werden oder - selbst entwickelte - Musikinstrumente die<br />

Fantasie anregen, Stifte und Farben zum Malen oder zur endgültigen Gestaltung von<br />

Kulissen eingesetzt werden - <strong>im</strong>mer sind es vielfältigste und sehr unterschiedliche Dinge, die<br />

das Spiel reichhaltiger werden lassen. Bei allen Materialien geht es aber nicht in erster Linie<br />

um fertige Spielmittel - vielmehr müssen die Materialien auch <strong>im</strong>mer wieder entgegen ihrer<br />

funktionalen Best<strong>im</strong>mung zweckentfremdet werden können und veränderbar sein, Neugierde<br />

provozieren und die Fantasie des spielenden Kindes anregen (Anmerkung: Im klassischen<br />

Verständnis des Spiels sind daher "Spiele" mit dem Gameboy oder PC-"Spiele" Beschäftigungen<br />

und keine Spiele!).<br />

!<br />

• Mitspieler/innen<br />

Da das Spiel - je nach Spielform und Absicht des Kindes - sehr unterschiedliche Funktionen<br />

besitzt, ermöglicht es der spielenden Person, entweder mit sich alleine und dem Spiel zu<br />

kommunizieren oder mit sich, dem Spiel und anderen Menschen (Gleichaltrigen, älteren und<br />

jüngeren Kindern, Eltern, Großeltern, Nachbarschaftskindern oder Erzieher/innen) zu<br />

interagieren. So kann das Kind in diesen Spielsituationen Erlebnisse, Erfahrungen und<br />

(Sinnes-) Eindrücke verarbeiten, zukünftige, für das Kind bedeutsame Situationen kognitiv<br />

bzw. emotional ordnen oder "einfach nur" mit Freude eine Spielhandlung erleben. Doch bei<br />

allen Spielerlebnissen gibt es einen "roten Faden": Das Spiel unterstützt das Kind dabei, seine<br />

eigene Identität zu finden bzw. zu stabilisieren bzw. seine soziale Kompetenz zu erweitern.<br />

Und hierbei bekommt es Hilfe und Anregungen durch seine Mitspieler/innen. Sie sind es, die<br />

durch ihre Spiel<strong>im</strong>pulse neue Aspekte in ein Spiel hineintragen und so dafür sorgen, dass das<br />

spielende Kind zu neuen, inneren Auseinandersetzungen finden kann.<br />

!<br />

• Entscheidungsfreiheit<br />

Da jedes Spiel aus seiner "Zweckfreiheit" heraus lebt und durch sich selbst zum Umgang mit<br />

den Spielmaterialien bzw. Mitspieler/innen auffordert, gewinnt jedes Spiel für Kinder nur<br />

dadurch einen (An-) Reiz, wenn es für das Kind motivierende Merkmale enthält. So lebt das<br />

!14


Spiel in erster Linie aus der kindeigenen Freude heraus, sich auf die Spielhandlung selbst<br />

einlassen zu wollen. In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass <strong>im</strong>mer wieder zwischen<br />

"sinnvollen" (konstruktiven) und "sinnlosen" (destruktiven) Spielen unterschieden wird. Eine<br />

solche Differenzierung ist weder fachdidaktisch noch entwicklungspsychologisch haltbar, weil<br />

jedes Kinderspiel sinnvoll und damit entwicklungsbedeutsam ist. Gerade so genannte<br />

"didaktisierte Spiele" bieten kaum die Möglichkeit, eigenen Fantasien und kreativen<br />

Gestaltungsmöglichkeiten nachgehen zu können. Wo dann durch Erwachsene entsprechende<br />

Spielreglementierungen folgen oder gar disziplinierend auf Kinder eingewirkt werden soll, ist<br />

der Sinn eines Spiels <strong>im</strong> originären Sinne nicht mehr vorhanden.<br />

!<br />

• Ruhe<br />

Auch wenn es bei den unterschiedlichsten Spielformen häufig lebendig und laut zugeht,<br />

brauchen Kinder Ruhe, um sich weitestgehend ungestört in ihren Spielsituationen wohl<br />

fühlen zu können. Nahezu jedes Spiel ist durch einen Spielaufbau gekennzeichnet - so gibt es<br />

einen Einstieg, eine intensive Hauptphase und einen Abschluss. Störungen von außen würden<br />

dabei diese Struktur unterbrechen und für Kinder durcheinander bringen. Mögen manche<br />

"Ratschläge" der Erwachsenen auch noch so gut gemeint sein, ein Spiel so oder so zu<br />

gestalten, ändert dies nichts an der Tatsache, dass Spielabläufe dadurch eine andere Wendung<br />

als vom Kind beabsichtigt bekommen. Damit kann sich ein Kind aber nicht mehr in sein Spiel<br />

fallen lassen.
<br />

!15


2.1.3. Spiele in verschiedenen Lebensaltern<br />

Alter in Jahren dominierende Spielform Kennzeichen<br />

0 - 2 Funktionsspiele !•! spontanes Entdecken<br />

!•! Bewegungsvollzug wichtig<br />

!•! Spielzeug wenig berücksichtigt<br />

!•! „Funktionieren“ des Gegenstandes<br />

!•! Entdecken des eigenen Körpers <strong>im</strong> Mittelpunkt<br />

!•! zahlreiche Wiederholungen<br />

!•! Erwachsener darf Mitmachen<br />

Beispiele: Ball wegwerfen und holen lassen, Sand in Förmchen füllen<br />

2 - 4 u. später Konstruktionsspiele !•! sachgerechter Umgang mit dem Spielmaterial<br />

!•! kennenlernen von Objekteigenschaften<br />

!•! praktisches Problemlösen<br />

!•! kreatives Handeln<br />

Beispiele: Bau eines Turmes, Bewegungsbaustelle<br />

2 - 4 Fiktions-/Illusionsspiele • Gegenstände bekommen bewusst andere<br />

Bedeutung<br />

• Entwicklung des Vorstellungsvermögens<br />

• Ergebnis einer Handlung kann vorweggenommen<br />

werden (Vorübung für das Denken)<br />

Beispiele: Seil wird zur Schlange oder Angel, „Kuchen“ aus Sand „essen“<br />

4 - 6 Rollenspiele !•! Identifikation mit bekannter Person<br />

!•! Nachahmen<br />

➡ kann be<strong>im</strong> Bewegen umgesetzt und gefördert<br />

werden<br />

➡ kann zum Angst-, Aggressions- und<br />

Spannungsabbau genutzt werden<br />

Beispiele: Vater, Mutter, Baby, o.ä. spielen, Tiere <strong>im</strong>itieren, Fahrzeuge spielen<br />

ab 5/6 Regel-Wettspiele !•! verstärktes Miteinander<br />

!•! anfangs Wunsch nach strenger Einhaltung der<br />

Regeln<br />

!•! Konkurrenzverhalten - Vorsicht, nicht forcieren!<br />

Beispiele: Memory, Staffeln<br />

Tab.: Alter und vorherrschende Spielform (Z<strong>im</strong>mer 1993)<br />

!16


!<br />

2.1.4. Spiele mit Wettkampfcharakter<br />

Das Wetteifern ist bereits ab ca. 3 Jahren zu beobachten. Dieses Bedürfnis sich zu messen,<br />

wird als Leistungsmotivation bezeichnet. Der „Grad“ und Art der Leistungsmotivation wird<br />

in den ersten Lebensjahren gelegt.<br />

Es benötigt Einfühlungsvermögen von Seiten des <strong>Trainer</strong>s, um die Kinder darin zu<br />

unterstützen, ihr Selbstwertgefühl nicht durch Sieg und Niederlage aus dem Spiel mit<br />

anderen Kindern zu gewinnen, sondern dies aus ihrer eigenen Leistung zu ziehen. Die<br />

Tatsache, dass ein Kind die Übung heute besser als be<strong>im</strong> letzten Mal kann, soll Anreiz geben<br />

und zu weiterem Tun anregen und nicht ein Hinweis, dass ein anderes Kind die Übung<br />

besser ausführt. Im Sinne des pädagogischen Ansatzes sollte die soziale Entwicklung der<br />

Kinder in Spielsituationen gefördert werden, bei denen Rücksichtnahme und gemeinsame<br />

Problemlösung <strong>im</strong> Vordergrund stehen.<br />

(siehe „Persönlichkeit- und Teamentwicklung <strong>im</strong> <strong>Judo</strong>“ DSJ 2013)<br />

!<br />

• Nie Kinder ausscheiden lassen, sondern <strong>im</strong>mer mit Erlösen spielen bzw.<br />

alternative Aufgabenstellungen wählen<br />

• Fänger ablösen oder durch weitere Fänger unterstützen bevor<br />

Frusterlebnis einsetzt<br />

!<br />

Exkurs: Hoffen auf Erfolg oder Angst vor Misserfolg<br />

!<br />

Heckhausen (1989) konnte nachweisen, dass bereits Kinder <strong>im</strong> Alter zwischen zweieinhalb und<br />

drei Jahren bei ihren Spielen wetteifern und Erfolg oder Misserfolg erleben und zum<br />

Ausdruck bringen können. Er n<strong>im</strong>mt an, dass in der Entwicklung des Leistungsmotivs die<br />

frühe Kindheit eine prägende Wirkung hat. Im Alter von fünf Jahren konnten bereits<br />

unterschiedliche Wahl- und Konfliktstrategien bei Leistungsanforderungen nachgewiesen<br />

werden. Bei Zehnjährigen hat sich das Leistungsmotiv bereits so stark stabilisiert, dass<br />

Vorhersagen des Leistungsverhaltens <strong>im</strong> Erwachsenenalter möglich sind.<br />

!<br />

!17


!<br />

2.1.5. Spielen und <strong>Judo</strong>training<br />

Das Training muss demnach dem Kind entsprechen aufgebaut werden. Das schließt die<br />

Leistungsmotivation, die körperlichen und psychosozialen Voraussetzungen, wie auch das<br />

Gruppenverhalten mit ein. Entwicklungsbezogenheit <strong>im</strong> Zuge von pädagogischen<br />

Trainingsprinzipien sollten gewährleisten, dass sich Training und Trainingsbelastung am<br />

individuellen Entwicklungsstand, den jeweiligen Leistungsvoraussetzungen, der Belastbarkeit<br />

und den besonders günstigen Entwicklungsabschnitten der Kinder orientieren.<br />

!<br />

Durch spielen können die Kinder dort abgeholt werden wo sie sind. In der konkreten<br />

Umsetzung bedeutet das:<br />

• Dem kindlichen Bewegungs- und Spieldrang <strong>im</strong> Training Raum geben durch verschiedene<br />

abwechslungsreiche Angebote<br />

• Keine Überforderung durch zu lange Technikeinheiten, die die Aufmerksamkeitsspanne der<br />

Kinder überstrapaziert<br />

• Ein gutes Maß an bekannten und neuen Dingen liefern<br />

• <strong>Judo</strong>techniken durch gezielte Spiele vorbereiten, eventuell sogar Techniktraining durch<br />

Spielen ersetzen<br />

• Kreativität in der Stundenentwicklung, um verschiedenste Bewegungs- und Spielformen für<br />

die Übungsstunde zu sammeln<br />

• Den Kindern in der Umsetzung einen Handlungsspielraum lassen ➢ Nicht <strong>im</strong>mer konkrete<br />

Lösungsvorschläge liefern, damit die Kinder sich selbst (Bewegungs-) Lösungen ausdenken<br />

können.<br />

!<br />

!18


2.2. Kindliche Entwicklung<br />

Misserfolge verhindern die Motivation für weitere Versuche.<br />

!<br />

!19


!<br />

2.2.1. Entwicklungsschritte <strong>im</strong> Kindergarten- und<br />

Grundschulalter<br />

Kindergartenalter:<br />

!<br />

!<br />

!<br />

• Sprachentwicklung<br />

• Selbstständigkeit in Alltagsanforderungen und Situationen<br />

• verbesserte Selbstregulierung und Frustrationstoleranz<br />

• Soziale Integration in gleichaltrigen Gruppen<br />

• intensive Spieltätigkeit, Fantasie- und Rollenspiele<br />

• Normen und Werte erkennen und akzeptieren sowie<br />

Grundschulalter:<br />

!<br />

!<br />

Regelakzeptanz<br />

• Lesen und Schreiben lernen<br />

• Grundfertigkeiten und -funktionen des Rechnens lernen<br />

• angemessenes Schulverhalten zeigen<br />

• soziale Verhaltensregeln lernen und befolgen<br />

• Anschluss an Gleichaltrige und Aufbau von Freundschaften<br />

!20


2.2.2. Wachstum<br />

Kinder und Jugendliche unterscheiden sich sportbiologisch durch das Wachstum vom<br />

Erwachsenen. Dadurch ergeben sich viele physische, psychische und soziale Veränderung und<br />

Entwicklungsbesonderheiten. Diese sind bei der sportlichen und körperlichen Aktivität zu<br />

berücksichtigen.<br />

!<br />

Wachstumsproportionen<br />

Das Wachstum verläuft nicht linear, sondern in Schüben. Im 1.Lebensjahr ist die<br />

Größenzunahme des Körpers, die Gewichtszunahme und die Entwicklung der Organe am<br />

stärksten, fällt dann innerhalb des Kleinkindalters steil ab und erreicht <strong>im</strong> Vorschulalter<br />

relativ stabile Werte. Die Wachstumsintensität verschiedener Körperregionen ist sehr<br />

unterschiedlich. Es kommt zu Veränderungen der Körperproportionen und somit der<br />

Hebelverhältnisse. Die daraus resultierenden Disharmonien beeinflussen die sportliche<br />

Leistungsfähigkeit.<br />

!<br />

!21


!<br />

2.2.3. Entwicklungsbesonderheiten<br />

!<br />

Eine schematische Einteilung der Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen zeigt<br />

nachfolgendes Schema, wobei zu beachten ist, dass individuelle Unterschiede die<br />

Altersangabe und deren Merkmale relativieren.<br />

!<br />

• Akzeleration = beschleunigte Entwicklung<br />

• Retardierung = verlangsamte Entwicklung<br />

!<br />

Entwicklungsstufen kalendarisches Alter Besonderheiten<br />

Säuglingsalter 0 - 1 Phase der Reflexe<br />

(Reiz- Reaktions - Lernen)<br />

Kleinkindalter 1 - 3<br />

Vorschulalter 3 - 6/7 starker Spiel- und Bewegungsdrang<br />

geringe Konzentrationsfähigkeit<br />

frühes Schulkindalter 6/7 - 10 erster Gestaltwandel<br />

spätes Schulkindalter<br />

Pubeszenz<br />

Adolezenz<br />

10 -11/12 ♀<br />

10 - 12/13 ♂<br />

11/12 - 13/14 ♀<br />

12/13 - 14/15 ♂<br />

13/14 - 17/18 ♀<br />

14/15 - 18/19 ♂<br />

verbessertes Kraft-Last-Verhältnis<br />

zweiter Gestaltwandel<br />

Reharmonisierung; Kraftzuwachs<br />

Erwachsenenalter jenseits 17/18 bzw. 18/19<br />

!<br />

Tab.: Einteilung der Entwicklungsstufen nach dem kalendarischen Alter (Weineck 1990)<br />

!<br />

!22


2.2.4. Physiologische Entwicklung<br />

!<br />

Stütz- und Bewegungsapparat<br />

• physiologische Schwingungen der Wirbelsäule noch nicht ausgebildet<br />

• Muskulatur zum Teil noch schwach (vor allem bezüglich Haltearbeit)<br />

• Verminderte Druck- und Biegefestigkeit der Knochen (wegen geringerer<br />

Kalkeinlagerungen)<br />

!<br />

➢ Konsequenzen für Bewegungserziehung:<br />

• Statische Belastungen vermeiden<br />

• Vorwiegend dynamische Kräftigungsübungen (stürzen, klettern, springen, hüpfen, kriechen,<br />

hängen, schieben,…)<br />

• Keine Zusatzbelastungen, keine schweren Gegenstände (nur eigenes Körpergewicht)<br />

• Einseitige Belastungen meiden<br />

• Allgemeine Kräftigungs- und Dehnübungen<br />

!<br />

Herz- Kreislaufsystem<br />

Die Herzfrequenz des Kindes ist gegenüber der des Erwachsenen deutlich erhöht. Bei<br />

Belastung kommt es zu einer weiteren Erhöhung.<br />

!<br />

➢ Konsequenzen für Bewegungserziehung:<br />

Da Werte über 170 Schläge pro Minute unökonomisch für die Herzkreislauf Leistung sind, ist<br />

eine Dauerbelastung erst ratsam, wenn der Schlagvolumen vergrößert ist. Zunächst sollte<br />

dann in Intervallen mit langen Erholungspausen geübt werden.<br />

!<br />

!<br />

!23


Atmung<br />

Bei Kindern ist das Atemzugvolumen vermindert, die Atemfrequenz erhöht, d.h. sie atmen<br />

weniger tief ein und aus, dafür umso öfter. Das führt bei Belastung zu hechelnder Atmung.<br />

Mit zunehmender Kräftigung der Atemmuskulatur kommt es zur Erhöhung der<br />

Vitalkapazität der Lunge und damit zu einem höheren Angebot an Sauerstoff.<br />

!<br />

➢ Konsequenzen für Bewegungserziehung:<br />

Spielerisch kann dieser Prozess geübt und verbessert werden, z.B. durch Luftballonblasen,<br />

Singen, Partnermarathon, usw.<br />

!<br />

Sauerstoffaufnahme<br />

Die Energiebereitstellung bei Kindern kann nur kurzzeitig anaerob, d.h. ohne Zuhilfenahme<br />

von Sauerstoff erfolgen.<br />

!<br />

➢ Konsequenzen für Bewegungserziehung:<br />

Das bedeutet, dass nach einer kurzen Belastung genügend Pausenzeit eingeräumt werden<br />

muss.<br />

!<br />

Grundsätze physiologischer Belastung<br />

!<br />

Belastung definiert sich in einer gestellten Aufgabe, die körperliche Leistung fordert. Da jeder<br />

Mensch anders trainiert ist, ergeben sich unterschiedliche Beanspruchungen. Das bedeutet,<br />

dass dieselbe physiologische Belastung individuelle Beanspruchungen nach sich zieht. Wenn<br />

die Belastung zu Anpassungserscheinungen (das heißt physiologischen Veränderungen) führen<br />

soll, muss der Reiz überschwellig sein. Einfach ausgedrückt heißt das, dass der<br />

Schwierigkeitsgrad der gestellten Aufgabe für den Einzelnen so hoch sein muss, dass er über<br />

sein normales maß gefordert ist. Anderseits darf die Anforderung nicht zu groß sein.<br />

!<br />

Schultz-Arndtsche-Regel:<br />

• Zu geringe Reize haben keine Wirkung<br />

• Schwache Reize regen Lebenstätigkeit an<br />

• Mittlere bis starke Reize lösen Anpassungsvorgänge aus<br />

• Zu starke Reize können lähmend und schädigend wirken
<br />

!24


Belastung <strong>im</strong> <strong>Elementarbereich</strong><br />

!<br />

Im <strong>Elementarbereich</strong> steht die Adaption (Anpassung) der Morphologie (betrifft Herz- und<br />

Muskelzunahme und körperliche Gestalt) nicht <strong>im</strong> Vordergrund. Der<br />

trainingswissenschaftliche Aspekt spielt in der Bewegungserziehung nur eine untergeordnete<br />

Rolle. Positiver Einfluss auf das vegetative System (Herz, Kreislauf und Atmung) ist ein<br />

willkommener Effekt, der nicht in jedem Fall forciert wird. Gerade <strong>im</strong> Vorschulalter muss mit<br />

starken Reizen behutsam umgegangen werden, da hohe Belastungen durchaus schädigende<br />

Wirkung haben können (siehe Kapitel sportmotorische Entwicklung). Deshalb geht es nicht<br />

darum, gezielt am Schwellenwert zu arbeiten, sondern die Kinder mit Spaß zu Bewegung zu<br />

an<strong>im</strong>ieren. Wichtig ist, die Kinder nicht durch Unterforderung zu langweilen oder durch<br />

Überforderung zu entmutigen. Um individuell unterschiedliche Leistungsfähigkeit zu<br />

berücksichtigen, ist es ratsam, den Kindern situativ verschiedene Aufgabenstellungen<br />

anzubieten, die sie je nach Vermögen wählen können. Zum Beispiel werden für das<br />

überwinden einer Langbank mehrere Alternativen (vorwärts, rückwärts, seitwärts<br />

balancieren, in der Hocke gehen, mit geschlossenen Augen und Handfassung einer<br />

Hilfestellung,…) vorgeschlagen, die jedes Kind wahlweise ausprobieren kann.<br />

!<br />

!25


Bewegung und Sprache<br />

!<br />

In den ersten Lebensjahren dient die Bewegung als Ausdrucksmittel. Kinder kommunizieren<br />

über die Körpersprache („Winke-winke“, vor Freude in die Luft springen).<br />

Bewegungs- und Wahrnehmungserfahrungen sind wesentliche Voraussetzungen für den<br />

Erwerb der Sprache. Man konnte feststellen, dass sich Bewegungs- und Wahrnehmungsspiele,<br />

wie zum Beispiel Fingerspiele positiv auf die Sprachentwicklung auswirken. Für Kinder<br />

ergeben sich während alltäglicher Spielhandlungen Anlässe zum Sprechen, zu Erweitern und<br />

Differenzieren ihres Sprachvermögens und ihnen somit als komplexe Sprachlernsituationen.<br />

Solche Situationen können angeregt werden, in dem verschiedene Szenarien vorgegeben<br />

werden:<br />

• Straßenverkehr mit unterschiedlichen Fahrzeugen (Feuerwehr, Polizei, Traktor,…), die<br />

verschiedenen Geräusche von sich geben<br />

• Zoo, verschiedene Tiere werden nachgemacht<br />

Eine weitere Möglichkeit, das Sprachlernen zu fördern, ergibt sich durch den Einsatz von<br />

einfachen Kinderliedern und Tänzen.<br />

!<br />

!<br />

!26


2.2.5 Motorische Entwicklung<br />

!<br />

Bewegung gehört zu jedem Lebewesen: Auch be<strong>im</strong> Menschen ist Bewegung oder Motorik die<br />

Voraussetzung für Entwicklungsfortschritte auf allen Gebieten. Motorik oder Bewegung stellt<br />

die erste und wichtigste Möglichkeit des menschlichen Organismus dar, auf seine Umwelt zu<br />

reagieren und auf die Umwelt einzuwirken, also seine Umwelt zu verändern oder zu gestalten<br />

oder auch ungünstige Umwelten zu verlassen oder günstige aufzusuchen.<br />

Nur über die Motorik oder die Bewegung kann die Auseinandersetzung des Menschen mit<br />

seiner Umwelt stattfinden. Erst die Entwicklung seiner motorischen Fähigkeiten ermöglicht es<br />

dem Kind, Teile seiner Umwelt zu "begreifen" und zu "erfassen" (<strong>im</strong> wörtlichen und <strong>im</strong><br />

übertragenen Sinne), seinen Lebensraum beständig zu erweitern und zu erforschen, seine<br />

Unabhängigkeit zu steigern und neue Erfahrungen zu sammeln, die für seine weitere<br />

Entwicklung entscheidend sind. Nicht nur für die Entwicklung des einzelnen Menschen (die<br />

Ontogenese), sondern auch für die Entwicklung des Menschen als Gattung (Phylogenese) sind<br />

3 Leistungen von besonderer Bedeutung:<br />

• die Entwicklung des aufrechten Gangs, damit zusammenhängend<br />

• die Steigerung der Handgeschicklichkeit und schließlich<br />

• die Entwicklung der Sprache.<br />

Diese Entwicklungsschritte auf motorischem Gebiet sind grundlegend für die Entwicklung<br />

der kognitiven, geistigen Leistungen gewesen, auf die wir als Menschen so stolz sind, und sie<br />

sind somit letztlich Grundlage für die herausragende Stellung des Menschen in der Evolution.<br />

!<br />

Frühe Kindheit<br />

In der frühen Kindheit entwickeln sich - nach Abschluss der notwendigen Reifung des<br />

Nerven- und Muskelsystems - die elementaren motorischen Fertigkeiten, diese umfassen<br />

Sitzen, Krabbeln, Stehen und Laufen, aber auch das Greifen (Krombholz 1999). Diese<br />

Grundformen sind bei allen Kindern zu beobachten, wobei jedoch erhebliche<br />

interindividuelle Unterschiede <strong>im</strong> Zeitpunkt des Auftretens und in der gezeigten Güte dieser<br />

Bewegungsformen bestehen, d.h. verschiedene Kinder beherrschen diese Bewegungsformen<br />

in unterschiedlichem Alter. Altersangaben für das Auftreten dieser Bewegungsformen sind<br />

daher nicht unproblematisch. Allerdings ist die Reihenfolge, in der die elementaren<br />

Grundfertigkeiten normalerweise auftreten, für alle Kinder gleich, lediglich die<br />

Geschwindigkeit, in der die einzelnen Entwicklungsschritte stattfinden, variiert erheblich, und<br />

es können auch einzelne Fertigkeiten übersprungen werden (z.B. Krabbeln einige Kinder<br />

angeblich nie). Ferner ist zu beachten, dass die Entwicklung der elementaren motorischen<br />

Fertigkeiten offensichtlich populations- und zeitabhängig verläuft. Afrikanische Kinder zeigen<br />

einen Entwicklungsvorsprung gegenüber europäischen und nordamerikanischen Kindern und<br />

heutige amerikanische Kinder sind denen vor 40 Jahren in ihrer Entwicklung voraus.<br />

!27


!<br />

Vorschulalter<br />

Im Vorschulalter erfolgt eine zunehmende Vervollkommnung der Grundfertigkeiten,<br />

gleichzeitig werden diese Fertigkeiten modifiziert und es entwickeln sich neue Fertigkeiten.<br />

Die Fähigkeit zur selbständigen Fortbewegung verbessert sich rasch, die Bewegungen werden<br />

sicherer und geschmeidiger. Später zeigen sich die Grundformen der sportlichen Motorik wie<br />

Laufen oder Rennen, Klettern, Springen, Balancieren, Fangen und Werfen. Die sportlichen<br />

Grundformen werden weiter verfeinert, werden sicherer und flüssiger: Zudem werden sie bei<br />

Bewegungsspielen eingesetzt und verbessert, zu den Grundformen treten neue spezifische<br />

Fertigkeiten wie Rollschuhlaufen, Turn- und Geschicklichkeitsübungen, Schw<strong>im</strong>men,<br />

Radfahren (Krombholz 1985).<br />

!<br />

➢ Konsequenzen für Bewegungserziehung:<br />

<strong>im</strong> Kleinkindalter (1.-3.Jahre)<br />

Kinder unter drei Jahren brauchen weniger Anleitung als vielmehr Gelegenheit, vielseitige<br />

Lebenserfahrungen sammeln zu können. Dazu bedarf es entsprechender Bewegungsräume,<br />

Frei- und Spielflächen, Kletter, -Hangel- und Rutschmöglichkeiten, sowie geeignete<br />

Materialien, Bälle und andere Kleingeräte, die sie eigenständig nutzen können.<br />

Rhythmische Begleitung zu Musik und einfache Kindertanzformen können erlernt werden.<br />

<strong>im</strong> Vorschulalter (4.-6.Jahre)<br />

Auch in diesem Alter muss ausreichend Gelegenheit zu körperliche Betätigung gegeben sein.<br />

Dabei ist zwischendurch <strong>im</strong>mer wieder der Übungsleiter gefragt, um gezielt zu Spiel- und<br />

Bewegungsaktivität anzuregen. Besonders wichtig ist in diesem Alter die Förderung und<br />

Verbesserung der koordinativen Fähigkeiten (wie z.B. Gleichgewichtsfähigkeit) durch lustund<br />

freudbetonte Übungen.<br />

Dem ganzheitlichen Konzept ist gegenüber einer sportspezifischen Förderung motorischer<br />

Fertigkeiten Priorität einzuräumen. Bewegungsgeschichten eignen sich, die Begeisterung der<br />

Kinder zu wecken und deren Lernbereitschaft phantasieanregend zu schulen.<br />

Bewegungsaufgaben, die eigenständiges Lösen provozieren dienen der Erweiterung des<br />

Bewegungsschatzes und fördern motorische Kreativität sowie physische Selbsterfahrung. Bei<br />

allen Übungs- und Spielformen ist jedoch die zeitlich begrenzte Konzentrationsfähigkeit zu<br />

berücksichtigen.
<br />

!28


Die Entwicklung elementarer Bewegungen (Roth 1982, zitiert nach Z<strong>im</strong>mer 1998, S. 72)<br />

!<br />

!<br />

!<br />

!29


2.2.5.1. Entwicklung der grobmotorischen<br />

Fertigkeiten <strong>im</strong> Vorschulalter<br />

Merkmal 4.Lebensjahr 7.Lebensjahr<br />

40m Lauf 16,6s 9,8s<br />

Standweitsprung 47,8cm 116,7cm<br />

Weitwurf 3,79m 12,90m<br />

Weitwurf (qualitativ)<br />

Schlagwürfe <br />

-­‐ ohne Körpereinsatz <br />

-­‐ aus frontaler Stellung<br />

Schlagwürfe <br />

-­‐ mit Anlauf, Kreuzschritten <br />

oder Zwischenhopsern<br />

Fangen<br />

Fangen <br />

-­‐ ohne deutliche Antizipation <br />

-­‐ nur <strong>im</strong> brusthohen Bereich <br />

-­‐ bei genauem Zuspiel <br />

Kombination aus Fangen und <br />

Werfen gelingt noch nicht<br />

Fangen <br />

-­‐frei <strong>im</strong> kopf-­‐ bis hüfthohen <br />

Bereich <br />

-­‐ bei entsprechender <br />

Antizipation <br />

Kombination aus Fangen und <br />

Werfen gelingt<br />

Springen<br />

-­‐ Standweitsprung <br />

-­‐ Niedersprünge <br />

-­‐ Überspringen am Boden liegender <br />

Geräte <br />

-­‐Fortgesetzte Schrittsprünge <br />

-­‐Weit-­‐ und Hochsprünge mit <br />

Anlauf (h 50cm) <br />

-­‐ Dreierhop-­‐ und <br />

Mehrfachsprünge <br />

-­‐ Freizeitspiele <strong>im</strong> Springen <br />

!<br />

!<br />

!<br />

!30


Gehen<br />

Das Kind trippelt in kleinen Schritten, wenn es <strong>im</strong> 2. Lebensjahr laufen gelernt hat. Der Fuss<br />

wird be<strong>im</strong> Aufsetzen nicht abgerollt, sondern als Ganzes aufgesetzt. Die Beinstellung ist breit.<br />

Rumpf und Kopf werden dabei stramm gehalten und kaum bewegt. Die Arme werden in<br />

einer Henkelstellung seitlich hochgehalten. Sie werden be<strong>im</strong> Gehen kaum mitbewegt und<br />

dienen in erster Linie der Balance (Largo 2007).<br />

Scheid (1994) erwähnt, dass sich nach den ersten selbständigen Gehversuchen allgemein<br />

schnelle Fortschritte in der Gehentwicklung beobachten lassen. Unregelmässigkeiten in den<br />

räumlichen Ausmassen, <strong>im</strong> Gehtempo, in den seitlichen Schwankungen und in der<br />

Richtungskonstanz sind dafür charakteristisch. Ab Mitte des 2. Lebensjahres entwickeln<br />

Kleinkinder zahlreiche Varianten der aufrechten Fortbewegung. Dazu gehören:<br />

Seitwärtsgehen, Gehen auf den Zehenspitzen, Gehtempo variieren und Treppensteigen.<br />

Mit 3 bis 4 Jahren vergrössert das Kind laut Largo (2007) die Schrittlänge. Die Beinstellung<br />

wird schmaler. Der Fuss wird zuerst mit der Ferse aufgesetzt und dann nach vorne abgerollt.<br />

Der Körper macht be<strong>im</strong> Gehen <strong>im</strong>mer noch kaum mit. Die Arme werden nun hängen<br />

gelassen und schwingen ein wenig mit.<br />

Gehen<br />

!<br />

!<br />

Rennen<br />

!31


Rennen<br />

Largo (2007) betont, dass das Kind das Gehtempo anfänglich kaum variieren kann. Wenn es<br />

schneller werden will, kann es lediglich die Zahl der Schritte erhöhen, ohne dass sich die<br />

Schrittlänge selbst vergrössert. Rumpf und Arme tragen kaum zur Vorwärtsbewegung bei.<br />

Mit 4 bis 5 Jahren sind die wesentlichen Elemente des Rennens vorhanden. Das Schwungbein<br />

wird kräftig nach vorne geschleudert. Nach jedem Abstossen hebt das ganze Kind für einen<br />

Augenblick vom Boden ab. Be<strong>im</strong> Aufsetzen wird der Fuss von der Ferse über den Vorfuss<br />

kräftig abgerollt. Die Vorwärtsbewegung wird durch leichte Rotationsbewegungen des<br />

Rumpfes und durch Mitbewegungen der Arme zusätzlich unterstützt.<br />

Scheid (1994) spricht von Rennen, wenn eine Flugphase zu sehen ist. Das heisst, wenn beide<br />

Füsse in der Luft sind. Die ersten Rennbewegungen lassen sich zwischen dem 2. und dem 3.<br />

Lebensjahr beobachten. Scheid und Largo widersprechen sich somit mit dem Beginn der<br />

ersten Rennbewegungen. Scheid erwähnt zusätzlich, dass Kinder aus der Rennbewegung<br />

neue Fähigkeiten entwickeln wie z.B. plötzlich anhalten, schnell starten, Kurven rennen und<br />

die Renngeschwindigkeit variieren.<br />

!<br />

• 4. Lebensjahr: 30% der Kinder eine gute Koordination der Arm- und Beinbewegung<br />

(unregelmäßige, kurze und stampfende Beinbewegung; räumlich kleine, abgespreizte und<br />

unregelmäßig-balancierende Armbewegungen)<br />

• 5. Lebensjahr: 70-75% der Kinder gute Arm- & Beinkoordination<br />

• 6. Lebensjahr: 90% Zunahme der Schrittlänge, verstärkte Abstoß<strong>im</strong>pulse und erheblich<br />

zunehmende Hubhöhe des Oberschenkels<br />

!<br />

Springen und Hüpfen<br />

Scheid (1994) stellt fest, dass bei einem Kind die ersten Sprungversuche zwischen dem 2.<br />

und 3. Lebensjahr beobachtet werden können. Dies geschieht in etwa zeitgleich mit den<br />

ersten Rennversuchen. Das Kind kann mit 2 1/2 Jahren von geringer Höhe herunter<br />

springen, dies bestätigt auch Kasten (2005). Die Landung ist meistens noch wenig elastisch<br />

und das Kind landet in Schrittstellung auf dem Boden. Gegen Ende des 3. Lebensjahres<br />

gelingt es dem Kind ein Hindernis zu überspringen. In diesem Alter lernt es auch zu hüpfen.<br />

Scheid teilt das Hüpfen in drei Formen ein: einbeiniges Hüpfen auf der Stelle, rhythmisches<br />

Hüpfen mit Fusswechsel und einbeiniges Hüpfen über eine best<strong>im</strong>mte Distanz. Mit ungefähr<br />

3 1/2 Jahren kann das Kind einbeinig auf der Stelle drei bis fünf Mal hüpfen. Das<br />

rhythmische Hüpfen wird meistens nicht vor dem 5. Lebensjahr erlernt. Im 4. Lebensjahr<br />

lernt ein Kind laut Kasten (2005) einbeinig über eine Distanz von zwei Metern zu hüpfen.<br />

Die Kinder können ab dem 5. Lebensjahr <strong>im</strong>mer weitere Distanzen auf einem oder beiden<br />

Beinen hüpfen.<br />

• ohne Schulung erfolgt die Weiterentwicklung langsam und formenarm<br />

!32


• mit Schulung vor allem bei 5/6-Jährigen schnelle Fortschritte:<br />

!<br />

!<br />

– Schlussweitsprung<br />

– Weit- und Hochsprung<br />

– Stützsprünge<br />

– Sprungfolgen an Kästen, Bänken etc.<br />

Werfen und Fangen<br />

Scheid (1994) betont, dass die Entwicklung der Bewegungsformen Werfen und Fangen stark<br />

von der Förderung der sozialen Umwelt abhängig sind. 2 bis 3-Jährige zeigen bei der<br />

Wurfbewegung zunächst eine einfache Rück- Vorbewegung des Körpers und der Arme. Dies<br />

geschieht noch ohne Gewichtsverlagerung und Rotationen. Darauf folgen Wurfbewegungen<br />

mit Körperrotationen. Der Fuss wird zuerst noch nicht vorgestellt, nach einiger Zeit macht<br />

das Kind aber einen Auslaufschritt, um besser zu werfen. Die Entwicklung der<br />

Wurfbewegung hält bis ins Schulalter an. Largo (2007) beschreibt eine ähnliche<br />

Entwicklungsabfolge bei der Wurfbewegung. Mit 2 bis 3 Jahren wirft das Kind einen Ball mit<br />

einer kurzen Bewegung des Unterarmes, welche auf das Ellbogengelenk beschränkt bleibt.<br />

Der Körper wird kaum mitbewegt.<br />

Mit 3 bis 4 Jahren macht das Kind einen Schritt nach vorn und holt mit dem Wurfarm nach<br />

hinten aus. Die Wurfbewegung kommt nun aus dem Schultergelenk und wird durch eine<br />

leichte Rotation und Vorwärtsbewegung des Körpers unterstützt. Auch Kasten (2005)<br />

erwähnt, dass die meisten Kinder zu Beginn des 4. Lebensjahres be<strong>im</strong> Werfen eines Balles nur<br />

den Unterarm bewegen, nicht aber Bein und Körper. Im Laufe des Jahres wird die<br />

Wurfbewegung deutlich kräftiger. Der Oberkörper wird dabei vermehrt zum Wurfarm hin<br />

gedreht.<br />

Die eigentliche Ausholbewegung des gesamten Wurfarmes beherrschen die meisten Kinder<br />

<strong>im</strong> 5. Lebensjahr jedoch noch nicht vollständig.<br />

Be<strong>im</strong> Fangen lassen sich ebenfalls typische Entwicklungsschritte nachweisen. Die Kinder<br />

verbleiben bis ungefähr <strong>im</strong> 4. Lebensjahr be<strong>im</strong> Fangen eines Gegenstandes in einer passiven<br />

Körperhaltung. Sie strecken nur ihre Arme dem Objekt entgegen und schliessen sie, sobald<br />

sie den Gegenstand halten können. Das verlangt aber, dass das Objekt exakt in die Arme des<br />

Kindes geworfen wird (Scheid 1994).<br />

Largo (2007) erwähnt, dass sich das Kind in diesem Alter noch nicht auf den<br />

entgegenfliegenden Ball einstellen kann. Mit 3 bis 4 Jahren fangen die Kinder an, die<br />

Flugbahn, die Geschwindigkeit und die Grösse des Balls zu antizipieren. Die Voraussetzungen<br />

zum Fangen eines Balles sind laut Kasten (2005 ) die Koordination von Hand und Auge sowie<br />

das Voraussehens der Flugbahn des Balles. Diese Voraussetzungen sind <strong>im</strong> 4. Lebensjahr<br />

noch nicht vollständig ausgebildet. Die Kinder haben in diesem Alter noch Mühe einen Ball<br />

!33


zu fangen. Einen mittelgrossen Ball können sie fast nur festhalten, wenn ihnen dieser genau<br />

auf die waagrecht ausgestreckten Arme geworfen wird. Im 5.Lebensjahr zeigen Kinder<br />

bereits Fortschritte <strong>im</strong> Fangen. Jedoch bereitet ihnen das Fangen eines selbst hochgeworfenen<br />

Balles noch Schwierigkeiten. Scheid (1994) fügt hinzu, dass das Kind erst <strong>im</strong> 6. Lebensjahr<br />

die Arme dem ankommenden Ball entgegen führt und ihm die Antizipation der Flugphase<br />

des Balls zunehmend gelingt. Eine Studie von Vogt (1978), zitiert nach Scheid (1994), hat<br />

gezeigt, dass nur wenigen 4-jährigen Kindern eine flüssige Verbindung von Fangen und<br />

Werfen gelingt. Mit 5 Jahren können bereits dreissig Prozent der Kinder diese Aufgabe lösen.<br />

Ball fangen<br />

!<br />

Ball werfen<br />

• 4-jährige: Schlagwurf, einhändiger Schockwurf von unten, beidhändiger Schwungwurf<br />

von der Hüfte aus, beidhändiger Einwurf über Kopf<br />

– es fehlt der zweckmäßige Rumpfeinsatz, fließende Verbindung von Aushol- und<br />

Abwurfbewegung<br />

• 5-7-jährige: Jungen: werfen mit Rumpfeinsatz, gekreuzter Koordination oder zwischen<br />

Hopser; fließende Verbindung von Anlauf und Wurf gelingt nur vereinzelt (Mädchen<br />

bleiben häufig auf dieser Entwicklungsstufe stehen)<br />

!<br />

!<br />

!34


Klettern und Steigen<br />

Das Klettern erfolgt zunächst aus der Krabbelposition. Normalerweise gelingt einem Kind<br />

das Aufwärtsklettern von Höhen bis zu dreissig Zent<strong>im</strong>eter gegen Ende des 1. Lebensjahres,<br />

das Abwärtsklettern folgt bald danach. Die Klettergeschwindigkeit n<strong>im</strong>mt <strong>im</strong> Verlauf des 2.<br />

und 3. Lebensjahres zu, ebenfalls kann das Kind über hüfthohe Hindernisse auf- und<br />

abwärtsklettern.<br />

Be<strong>im</strong> Steigen ist ebenfalls das Aufwärtssteigen vor dem Abwärtssteigen zu beobachten. Etwa<br />

Mitte des 3. Lebensjahres kann das Kind <strong>im</strong> Wechselschritt frei Aufwärtssteigen, wobei es zu<br />

diesem Zeitpunkt noch mit Festhalten oder <strong>im</strong> Nachstellschritt abwärts steigt (Scheid 1994).<br />

Kasten (2005) erwähnt ebenfalls, dass das Kind <strong>im</strong> 3. Lebensjahr Treppen steigen lernt. Be<strong>im</strong><br />

Aufwärts- und später auch be<strong>im</strong> Abwärtssteigen setzt das Kind zuerst beide Füsse auf eine<br />

Stufe, bevor es die nächste in Angriff n<strong>im</strong>mt. Im 4. Lebensjahr kann ein Kind <strong>im</strong><br />

Wechselschritt eine Treppe hinuntersteigen. In diesem Alter macht es auch <strong>im</strong> Klettern<br />

Fortschritte und klettert auf Spielgeräte und kleine Bäume.<br />

!<br />

• wird sehr gerne ausgeübt (demonstriert wachsendes Selbstvertrauen und Können)<br />

• 3/4 –jährige: bauchhohe Hindernisse noch relativ langsam mit Sichtkontrolle<br />

• 5/6-jährige: brusthohe Hindernisse werden schnell überwunden (z.T. angesprungen);<br />

Klettertau kann z.T. 2-4m aufwärts und abwärts geklettert werden<br />

!<br />

!35


!<br />

!36


2.3. Konditionelle und koordinative Fähigkeiten/<br />

Fertigkeiten<br />

!<br />

2.3.1. Kondition<br />

!<br />

Definition Kondition:<br />

= Überbegriff der vier Faktoren von Leistungsfähigkeit: Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit,<br />

Beweglichkeit<br />

!<br />

Konditionelle Fähigkeiten<br />

Für eine opt<strong>im</strong>ale Entwicklung ist das Schulen und verbessern alle vier Fähigkeiten relevant.<br />

Sie sind die Grundlage für spätere sportspezifische Spezialisierung.<br />

!<br />

2.3.2. Koordination<br />

!<br />

Entwicklungsbedingt ist bei Kindern die Koordination unterschiedlich ausgeprägt und<br />

deshalb das Erkennen von Koordinationsschwächen sehr schwierig. Zur Überprüfung gibt es<br />

verschiedene Tests (siehe Buch „<strong>Judo</strong> spielend lernen“, oder Körperkoordinationstest für<br />

Kinder (KTK)), bei denen die Kinder in verschiedenen Bewegungssituationen beobachtet<br />

werden. Frühzeitiges erkennen von Auffälligkeiten ist jedoch wichtig, um nicht wertvolle<br />

Förderzeit zu verlieren und anhaltende Schwächen zu provozieren.<br />

!<br />

Definition Koordination:<br />

= harmonisches Zusammenwirken von Zentralnervensystem und Skelettmuskulatur<br />

innerhalb eines gezielten Bewegungsablaufes. Man unterscheidet inter- und intramuskuläre<br />

Koordination:<br />

!<br />

• intermuskulär: Zusammenspiel verschiedener Muskeln<br />

• intramuskulär: Zusammenspiel mehrere Muskelfasern innerhalb eines Muskels<br />

Koordinative Fähigkeiten:<br />

Koordinative Fähigkeiten sind nicht angeboren, sondern müssen durch entsprechende Reize<br />

erlernt, gefestigt und weiterentwickelt werden. Als sensible Phase innerhalb der Entwicklung<br />

gilt das Alter vom sechsten bis zum zwölften Lebensjahr. Hier lässt sich opt<strong>im</strong>al<br />

Koordinationsschulung betreiben. Die hier erworbenen Fähigkeiten sind für eine sichere und<br />

zielgerichtet Bewegungshandlung <strong>im</strong> späteren Leben von entscheidender Bedeutung. Je<br />

!37


umfangreicher und fundierter die Bewegungserfahrungen aus den ersten Lebensjahren sind,<br />

desto besser sind Bewegungssicherheit und -ökonomie <strong>im</strong> Erwachsenenalter.<br />

Allgemein gilt, dass die Bedeutung koordinativer Fähigkeiten umso größer wird, je komplexer<br />

beziehungsweise komplizierter eine Bewegung oder Bewegungsabfolge abläuft. Eine<br />

Verbesserung der Koordination wirkt sich positiv auf die sportliche Leistungsfähigkeit aus, vor<br />

allem bezüglich:<br />

!<br />

• Präzision, Ökonomisierung und Effektivierung sportliche Bewegungsabläufe<br />

• Opt<strong>im</strong>ierung des Bewegungsflusses<br />

• Unfall- und Verletzungsprophylaxe<br />

• Leichteres erlernen neuer und schwieriger Bewegungen<br />

Koordination <strong>im</strong> <strong>Elementarbereich</strong><br />

Bei der Gestaltung der Unterrichtsstunde müssen Alter beziehungsweise individueller<br />

Entwicklungsstand berücksichtigt werden, um die Kinder weder zu über- noch zu<br />

unterfordern. Bei 3 bis 6-jährigen sollten vor allem Übungsanregungen <strong>im</strong><br />

Wahrnehmungsbereich und <strong>im</strong> emotional-sozialen Bereich angewendet werden, denn in<br />

diesem Alter werden Alltagsbewegungen gefestigt und die reifungsbedingte<br />

Bewegungsentwicklung kommt zum Abschluss. Dazu eignen sich zum Beispiel<br />

Bewegungskombinationen, die aus Gehen und Laufen bestehen und mit Werfen, Fangen,<br />

Klettern und Balancieren verbunden werden.<br />

Zur Schulung der Koordination eignen sich vor allem Alltagsmaterialien, da diese einen<br />

hohen Aufwandscharakter für Kinder besitzen und dadurch zu spontanen<br />

Bewegungsaktivitäten verleiten. Dazu gehören zum Beispiel Zeitung, Joghurtbecher,<br />

Bierdeckel, Wäscheklammern, Karton und so weiter.<br />

Aber auch Geräte und Materialien aus der Psychomotorik bieten sich an, beispielsweise<br />

Pedalos, Sportkreisel, Rollbretter, Fallschirm, Teppichfliese und so weiter.<br />

!<br />

Klassifizierung koordinativer Fähigkeiten<br />

Bei der Klassifizierung koordinativer Fähigkeiten findet man in der Literatur unterschiedliche<br />

Einteilungen. Folgende Systematisierung ist für den <strong>Elementarbereich</strong> relevant:<br />

• Orientierungsfähigkeit<br />

• Reaktionsfähigkeit<br />

• Gleichgewichtsfähigkeit<br />

• Rhythmusfähigkeit<br />

• Differenzierungsfähigkeit<br />

Untersuchungen von Unfällen ergaben, dass koordinative Fähigkeiten erheblich zu<br />

Vermeidung von Stürzen beitragen, wobei vor allem die Gleichgewichtsfähigkeit eine<br />

!38


entscheidende Rolle spielt. Das bedeutet, dass das balanciergeübte Kind <strong>im</strong> alltäglichen<br />

Leben weniger gefährdet ist.<br />

!<br />

Definition Koordinationsschwäche:<br />

= qualitative Mängel in der Bewegungsausführung<br />

Die Geschicklichkeit und Gewandtheit unserer Kinder in der Bewegungsausführung<br />

verschlechtert sich zunehmend. Viele können nicht rückwärtsgehen, nicht balancieren, habe<br />

Schwierigkeiten auf einem Bein zu stehen und können sich nach einem Sturz nicht richtig<br />

abfangen. (siehe WIAD-Studie; www.sportprogesundheit.de)<br />

Bewegungskoordination basiert <strong>im</strong> Wesentlichen auf der Informationsaufnahme und -<br />

verarbeitung über das Zentralnervensystem und die Sinnesorgane. Daher sind folgende fünf<br />

Bereiche (Analysatoren) besonders wichtig:<br />

• akustischer Sinnesbereich (Hören)<br />

• kinästhetischer oder propriozeptiver Sinnesbereich (Körpergefühl)<br />

• optischer Sinnesbereich (Sehen)<br />

• taktiler Sinnesbereich (Fühlen)<br />

• vestibulärer Sinnesbereich (Gleichgewicht)<br />

!<br />

2.3.3. Bedeutung für die Bewegungserziehung<br />

!<br />

Koordinative Fähigkeiten bilden neben den konditionellen die Grundlage für die Entwicklung<br />

motorischer Fertigkeiten. Deshalb sollten bei der Förderung koordinativer Fähigkeiten <strong>im</strong><br />

Grundschulalter Schwerpunkte gesetzt werden auf die Schulung:<br />

!<br />

• der Wahrnehmung, speziell der Körpererfahrung und der Raumorientierung<br />

• der Reaktion, insbesondere auf optische und akustische Signale<br />

• des Gleichgewichtes<br />

• rhythmischer Fähigkeiten<br />

Insgesamt kommt <strong>im</strong> Rahmen der Verbesserung der koordinativen Fähigkeiten dem Aspekt<br />

der Motivation große Bedeutung zu. Motivation erhöht die Aufmerksamkeit und<br />

Lernbereitschaft und beschleunigt somit den Lernprozess. Deshalb ist positive Verstärkung <strong>im</strong><br />

Sinne von Lob und Anerkennung durch die Übungsleitern sehr wichtig.<br />

!<br />

!<br />

!<br />

!<br />

!39


• genügend Zeit zum Erproben und Üben einräumen<br />

• abwechslungsreiche Situationen anbieten<br />

• unbekanntes Material zur Verfügung stellen, da dieses noch nicht mit negativen<br />

Erfahrungen behaftet ist<br />

• keine Reizüberflutung<br />

• komplexe Bewegungen provozieren (keine isolierten Aktionen)<br />

• möglichst alle Sinne berücksichtigen<br />

• Übungen wiederholen und variieren<br />

!<br />

!<br />

!40


2.4. Psychomotorik<br />

Der Begriff Psychomotorik ist ein Hinweis auf die enge Verbindung von Psyche und Motorik.<br />

Die Verbindung von seelischen und körperlichen Vorgängen wird <strong>im</strong> folgenden an einigen<br />

Beispiel verdeutlicht.<br />

Bei Kindern wird die wechselseitigen Beeinflussung von Psyche und Motorik deutlich<br />

sichtbar. Freut sich ein Kind über ein Ereignis, kann es vor Freude hüpfen, Lachen, hin- und<br />

herrennen die Arme in die Höhe werfen u.ä.m. Ist es zornig oder ärgerlich, kann man das<br />

ebenfalls an seine Motorik (Körpersprache) ablesen, z.B. herabhängende Mundwinkel<br />

(M<strong>im</strong>ik), eingezogenen und verspannten Schultern oder daran, dass es auf den Boden stampft<br />

oder sogar Fusstritte austeilt.<br />

Umgekehrt üben motorische Aktivitäten einen Einfluss auf das Gefühlsleben, Emotionen,<br />

aus. Zum Beispiel können Kinder, deren Bewegungsfreude und -aktivitäten wie Klettern,<br />

Balancieren, Rennen, Springen oder Schaukeln durch ständiges Reglementieren - „Lass das<br />

sein! Du fällt's best<strong>im</strong>mt runter! Das kannst du noch nicht! Das ist zu gefährlich!“ - von Eltern<br />

oder anderen Bezugspersonen aus Überängstlichkeit oder Bequemlichkeit eingeschränkt<br />

werden, nur schwer Freude an Ihren motorischen Aktionen und Fähigkeiten entwickeln.<br />

Gefühle von Angst, Unlust und Gehemmtheit begleiten ihre motorisches Tun und verhindern<br />

in den meisten Fällen ein befriedigendes Bewegungsverhalten und Gefühlsleben.<br />

!41


Eine emotionale Komponente enthält auch die Entwicklung des Selbstkonzepts eines Kindes.<br />

Dazu gehören die Begriffe Selbstbild und Selbstwertgefühl. Das Selbstbild bezieht sich eher<br />

auf beschreibbare Merkmal der Persönlichkeit, z.B. die Haarfarbe, die Größe oder<br />

Fähigkeiten: „Ich bin gut <strong>im</strong> Klettern, noch nicht so gut <strong>im</strong> Pedalofahren.“ Hingegen spielt<br />

das Selbstwertgefühl das Maß der Zufriedenheit mit den wahrgenommenen Merkmale sowie<br />

die Bewertung der eigenen Person wieder, z.B. „Auf den kleinen Kletterturm kann ich ganz<br />

alleine rauf klettern, dann schaff ich es auf den großen Kletterturm!“<br />

Erfolgreich gemeisterte Aktivitäten tragen zum Aufbau eines positiven Selbstwertgefühls bei.<br />

Zu erkennen ist dies beispielsweise daran, dass das Kind nun auch schwierige und neuartige<br />

Anforderungen in „Angriff“ n<strong>im</strong>mt. Ein gutes „Selbst-Wert-Gefühl“ mit dem Wissen um die<br />

eigenen Fähigkeiten beflügelt Entwicklung und Lernen.<br />

Jedoch bergen häufige Misserfolgserlebnisse z.B. aufgrund zu hoher Anforderungen die<br />

Gefahr, dass sich ein negatives Selbstbild entwickelt.<br />

!<br />

Vor allem <strong>im</strong> frühen Kindesalter ist die Motorik eng verknüpft mit Wahrnehmung,<br />

Vorstellung, Denken, Erkenntnis und Sprache, also dem kognitiven Bereich. Viele<br />

Bewegungen oder Handlungen umfassen mehr als nur das Entwickeln und Üben von<br />

motorischen Fähigkeiten. Die unterschiedlichsten Erkenntnisse über Vorgänge und<br />

Zusammenhänge in unserer Umwelt, aber auch eigene körperliche Merkmale und<br />

Fähigkeiten werden in Bewegung und bei motorischen Aktionen vom Kind erfahren und<br />

begriffen.<br />

Auch zwischen der Bewegung und dem Sozialverhalten besteht eine enge Verbindung, denn<br />

gerade Kinder knüpfen soziale Kontakte oft über motorische Aktivitäten. Auch die soziale<br />

Anerkennung unter Kindern hängt eng mit ihren motorischen Fähigkeiten, ihren Spielideen,<br />

ihrem Mut, Riskantes zu wagen, ihrer Neugier und ihrem Forscherdrang zusammen.<br />

Während für Erwachsene häufig ein großes Auto, viel Geld oder ähnliche Dinge Mittel sind<br />

um soziale Anerkennung zu erhalten, hängen bei kleinen Kindern materielle Besitztümer und<br />

soziale Anerkennung noch nicht so eng zusammen. Anerkennung und Bewunderung durch<br />

die Kindergruppe erfahren häufig jene Kinder die gewandt sind, gut klettern können, schnell<br />

rennen oder rasant Fahrrad fahren. Mit zunehmendem Alter der Kinder kommt<br />

wertschätzend die Fähigkeit, Kompromisse einzugehen oder Konflikte konstruktiv austragen<br />

zu können, hinzu.<br />

!<br />

!<br />

!42


!<br />

2.4.1. Wahrnehmung<br />

Unter Wahrnehmung versteht man das Aufnehmen und Verarbeiten von äußeren und<br />

inneren Reizen über die verschiedenen Sinnessysteme. Dies ist ein aktiver Prozess, bei dem es<br />

darum geht, Sinnesreize und Umwelteindrücke zu differenzieren, indem sie erkannt,<br />

interpretiert und zugeordnet werden. Die Sinnesorgane leiten die Informationen an das<br />

Zentralnervensystem weiter, von wo aus dann gegebenenfalls der Befehl für eine motorische<br />

Handlung folgt. Die Fähigkeit zur Wahrnehmung muss durch vielfältige Anregungen und<br />

Situationen geübt werden. Bewegungsaktivitäten fördern das Zusammenspiel der Sinne. In<br />

den Prozess der Wahrnehmung fließen individuellen Erfahrungen, Erlebnisse und subjektive<br />

Bewertung ein.<br />

Je jünger ein Kind ist, umso ausschließlicher erfolgen seine Entwicklungs- und Lernprozesse,<br />

die unmittelbaren Erfahrungen, das „Begreifen“ der Welt über seine körperlichen und<br />

sinnlichen Aktivitäten. Wahrnehmung ist somit nicht nur die Grundlage der Lern- und<br />

Erkenntnisprozesse sondern auch die Basis für Kontakt und Interaktion sowie die<br />

Voraussetzung für „innere“ und „äußere“ Bewegung (emotionale Wahrnehmung).<br />

Das kleine Kind muss die Dinge anfassen, drehen, biegen,klopfen, schmecken, riechen,<br />

schütteln, also be-handeln, um sie zu begreifen. Wenn Erzieherinnen Kleinkinder<br />

beobachten, sehen sie sie ständig in Aktion.<br />

In den ersten sechs Lebensjahren liegen die so genannten „sensiblen Phasen“, in<br />

denen der Mensch die Fähigkeit der Entwicklung seiner Sinnesfunktionen entfaltet. Wenn<br />

das Kind in dieser Zeit erhebliche Einschränkungen durch körperliche, psychische oder<br />

gesellschaftlich bedingte Beeinträchtigungen erfährt, hat das gravierende Auswirkungen auf<br />

seine Entwicklung.<br />

!<br />

!43


!<br />

2.4.2. Sinneswahrnehmung<br />

Auch wenn die Sinnesleistungen hier einzeln beschrieben werden, wirken sie nicht isoliert,<br />

sondern als sensorisches System. Die Integration, das Zusammenwirken aller Sinne <strong>im</strong><br />

Wahrnehmungsprozess, ist eine notwendige Voraussetzung für alle weiteren Lernprozesse.<br />

Deshalb gilt es, diese Fähigkeit zu schulen, indem vielseitige Sinnesreize bewusst angeboten<br />

werden ohne dabei Reizüberflutung zu provozieren.<br />

Durch gezielte Wahrnehmungsförderung kann den Kindern zu differenzierter Wahrnehmung<br />

verholfen werden, indem spezifische Reize und Möglichkeiten zum sammeln von<br />

Erfahrungen angeboten werden.<br />

Für die Schulung eines Sinnes ist es ratsam, die anderen Sinne auszuschalten, z.B. bei der<br />

Sensibilisierung des Hörens (auditive Wahrnehmung) können die Übungsformen mit<br />

geschlossenen Augen durchgeführt werden.<br />

auditiv:<br />

Die Wahrnehmung über das Ohr (hören) ist die Grundlage für die Entwicklung der Sprache<br />

und Kommunikation. (Sinnesorgan - Ohr)<br />

kinästhetisch:<br />

Diese Wahrnehmung betrifft den Bewegungssinn. Über Propriozeptoren (Meldeorgane der<br />

Muskeln, Sehnen und Gelenke) werden dem Gehirn Informationen über die<br />

Muskelspannung und Stellung der Gelenke zum Körper vermittelt. (Sinnesorgan -<br />

Propriozeptoren)<br />

taktil:<br />

Das taktile System ist das erste sensorische System, das schon <strong>im</strong> Mutterleib entwickelt und<br />

bereits funktionsfähig ist (z.B. Temperaturwahrnehmung über die Haut). Es ist vorteilhaft, das<br />

Sehen auszuschließen, indem Gegenstände in einem Karton oder unter einem Tuch getastet<br />

werden. (Sinnesorgan - Haut)<br />

vestibulär:<br />

Die Gleichgewichtsregulation erfolgt über vestibuläre Wahrnehmung. Es handelt sich über<br />

einen komplexen Vorgang, der hauptsächlich über das Innenohr gesteuert wird, jedoch mit<br />

anderen Sinnen in Wechselwirkung steht. So gerät das Gleichgewicht beispielsweise ins<br />

Wanken, wenn man die Augen schließt. (Sinnesorgan - Innenohr)<br />

visuell:<br />

Das Auge ist das wichtigste menschliche Sinnesorgan, denn es liefert die meisten<br />

Informationen über die Umwelt. Im Alltag ist es starker Reizüberflutung ausgesetzt. Ein<br />

wichtiger Aspekt bei der Schulung der optischen Wahrnehmung ist die Auge-Hand-<br />

Koordination. In der Psychomotorik steht <strong>im</strong> Bereich der visuellen Wahrnehmung die Farbund<br />

Formdifferenzierung <strong>im</strong> Vordergrund.<br />

!44


Die Förderung der optischen Fähigkeiten erfolgt oft in Zusammenhang mit<br />

Reaktionsschnelligkeit. (Sinnesorgan - Auge)<br />

gustatorisch:<br />

Geschmacksinn (Sinnesorgan - Zunge)<br />

olfaktorisch:<br />

Geruchssinn (Sinnesorgan - Nase)<br />

!<br />

• bewusste Schulung der einzelnen Wahrnehmungsbereiche<br />

• Aufmerksamkeitszuwendung und Motivation sind wichtige Voraussetzungen für<br />

erfolgreiche Wahrnehmungsschulung<br />

• da Wahrnehmungsschulung hohe Konzentration fordert, sollten Übungs- und Spielformen<br />

nicht zu lang durchgeführt werden und von großräumigen Bewegungen unterbrochen<br />

werden<br />

• Wahrnehmungsaufgaben können in fast alle Bewegungssituationen eingebaut werden<br />

• grundsätzliche Prinzipien der Methodik sollten beherzigt werden:<br />

!<br />

!<br />

von Bewegungen mit geöffneten Augen zu Raumorientierung mit geschlossenen<br />

Augen<br />

von einer Reizquelle zu mehreren<br />

vom „mit sich selbst“ zu gemeinsamen Spielen<br />

!<br />

!45


!<br />

2.4.3. Psychomotorische Übungsgeräte<br />

In der Psychomotorik finden vor allem diejenigen Geräte und Materialien Verwendung, die<br />

hohen Aufforderungscharakter besitzen. Die Kinder sollen zu selbsttätiger Bewegung<br />

motiviert und zu kreativen Handeln und Miteinander spielen an<strong>im</strong>iert werden. Dabei sollen<br />

Bewegungssituationen provoziert werden, die vorwiegend der Schulung von Gleichgewicht,<br />

Wahrnehmung, Geschicklichkeit und Koordination dienen.<br />

Beispiele für Geräte:<br />

• Rollbretter<br />

• Pedalos<br />

• Therapiekreisel<br />

• Schwungtuch<br />

• Sandsäckchen<br />

• Luftballons<br />

• verschiedene Bälle<br />

Beispiele für Alltagsmaterialien:<br />

!<br />

• Teppichfliesen<br />

• Bettlaken,Wolldecken<br />

• Autoreifen, Fahrradschläuche<br />

• Wäscheklammern<br />

• Pappkartons<br />

• Bierdeckel<br />

• Zeitungspapier<br />

• Joghurtbecher<br />

!<br />

• Motivation der Kinder zur Teilnahme<br />

• freundliche, vertrauensvolle Atmosphäre<br />

! Vorsicht: keine Reizüberflutung !<br />

• selbstständiges, exper<strong>im</strong>entelles Lernen ermöglichen (induktiv!)<br />

• Einzel-, Partner- und Gruppenaufgaben <strong>im</strong> Wechsel!<br />

• positive Verstärkung, kein Leistungsdruck<br />

• ausreichende Übungszeit<br />

• Anforderungen entsprechend dem Niveau der Kinder (vers. Schwierigkeitsgrade anbieten)
<br />

!46


!<br />

2.5. Ernährung und Bewegung<br />

Für Kinder besteht die bedarfsgerechte Ernährung aus einer abwechslungsreichen Mischkost,<br />

die sich aus tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln zusammensetzt und sowohl roh als<br />

auch verarbeitet (gekocht oder gedünstet) verzehrt werden sollte. Anteilsmäßig sollte die<br />

Nahrung hauptsächlich aus langkettigen Kohlenhydraten (Quellen: Vollkornprodukte,<br />

Gemüse, Obst) bestehen, daneben aus Eiweißen (wie Milch, Käse, mageres Fleisch, Fisch)<br />

und zu einem geringen Teil aus Fetten (vorzugsweise pflanzlich). Die für den Körper<br />

wichtigen Vitamine und Mineralien liefern Obst und Gemüse.<br />

Eine Versorgung mit Nahrungsergänzungsmitteln ist bei gesunden Kindern überflüssig und<br />

schädlich.<br />

Ernährungspyramide<br />

Dazu kommt Wasser in regelmäßigen Abständen.<br />

!<br />

Ernährungsempfehlungen <strong>im</strong> Vergleich<br />

Klassische Empfehlungen <br />

Neue Ansätze<br />

Fett 30% 30-­‐50%<br />

Eiweiß 10-­‐15% 20-­‐30%<br />

Kohlenhydrate 50-­‐55% 20-­‐40% <br />

Zielgruppe Alle Übergewichtige mit Stoffwechselstörung<br />

!<br />

!47


!<br />

2.5.1. Umsetzung in der Bewegungserziehung<br />

Das Bewusstsein und die Kenntnis über die Bedeutung von Ernährung und Bewegung muss<br />

vorrangig den Eltern bewusst gemacht werden. Als Erziehungsberechtigte stellen Sie den<br />

Speiseplan der Kinder zusammen und haben somit die Nahrungsaufnahme in der Hand. Sie<br />

sind dafür verantwortlich, was auf den Tellern der Kinder liegt. Gleichzeitig müssen auch die<br />

Kleinen lernen, welche Lebensmittel ihre Gesundheit zuträglich sind. In der<br />

Bewegungserziehung kann man dieses Thema spielerisch aufgreifen und die Kinder über den<br />

Zusammenhang einer gesunden Ernährung verbunden mit freudvoller Bewegung aufklären.<br />

Mit etwas Fantasie können bekannte Spiel- und Übungsformen so abgewandelt werden, dass<br />

die Kinder nebenbei Ernährungswissen erwerben.<br />

Hierbei ist auch die Vorbildfunktion des Übungsleiters bei Freizeiten von <strong>im</strong>menser<br />

Bedeutung.<br />

!<br />

!48


3. Methodik und Didaktik<br />

3.1. Lernverhalten von Kindern<br />

Eine Definition von Lernen, die Margaret Carr, Professorin für Frühpädagogik in Neuseeland<br />

ihrem Curriculums der „learning stories“ (Lerngeschichten) zugrunde gelegt hat, passt gut<br />

zum Konzept des ganzheitlichen Lernens durch Bewegung und Wahrnehmung. Ganz<br />

allgemein bedeutet für sie Lernen (vgl. Deutsches Jugendinstitut 2005):<br />

!<br />

• interessiert sein<br />

• neue Dinge entdecken<br />

• Vertrautes praktizieren<br />

• mit Veränderungen und Differenzen klar kommen<br />

• Beziehungen zu Erwachsenen aufbauen<br />

• Beziehungen zu Gleichaltrigen aufbauen<br />

• gemeinsam Verantwortung zu übernehmen<br />

• Schwierigkeiten angehen<br />

• Orte und Erfahrungen miteinander in Verbindung bringen<br />

Kinder wie auch Erwachsene haben am meisten Lust zu lernen, wenn die Motivation dafür<br />

aus ihm selbst herauskommt (intrinsische Motivation), wenn sie sich also für Neues begeistern<br />

können. Nur die handelnde Person selbst kann genau wissen, was gerade von Interesse ist und<br />

welchen neuen Lernerfahrungen am besten an das bisher Erlernte anknüpft.<br />

Hirnforscher beschreiben Lernvorgänge knapp zusammengefasst so:<br />

Setzt man sich mit etwas Neuen auseinander, entsteht eine gewisse Erregungen <strong>im</strong> Gehirn, da<br />

die bestehende Ordnung durcheinander gebracht wird. Können dann die neuen Erkenntnisse<br />

in bereits bestehende Strukturen eingebettet werden, löst sich das Chaos auf und es entsteht<br />

durch die Freisetzung von Botenstoffen des Gehirns ein Gefühl der Zufriedenheit und des<br />

Wohlbehagens. Dieses Gefühl ist so stark, dass es als Ansporn zu weiterem Lernen gesehen<br />

werden kann. Dieses Interesse am Lernen wird eigentlich nur unterbrochen durch<br />

Erschöpfung des Kindes und einer folgenden Ruhe- oder Schlafphase. In den wichtigen<br />

Tiefschlafphasen wird das neu Erlernte nochmals durchlebt, verarbeitet und somit <strong>im</strong> Gehirn<br />

verfestigt. Allerdings beeinträchtigt jede Art von Verunsicherung, Angst oder Druck Kinder in<br />

ihrem Explorationsverhalten. Ständige psycho-emotionale Belastung führen zu Defiziten in<br />

der Hirnentwicklung und machen dieses Kinder besonders anfällig, Verhaltensauffälligkeiten<br />

jeglicher Art auszubilden.<br />

!<br />

Kinder <strong>im</strong> Vorschulalter lernen vor allem durch beiläufiges (inzidentelles) und <strong>im</strong>plizites<br />

Lernen. (etwa 80% unseres Alltagswissens haben wir beiläufig gelernt)<br />

!49



<br />

Unter <strong>im</strong>plizitem Lernen versteht man in der Psychologie die häufig unbewusste oder<br />

spielerische Aneignung von Fertigkeiten und Wissen be<strong>im</strong> Ausüben einer Tätigkeit. Kinder<br />

erlernen so beispielsweise eine Sprache oder soziales Verhalten. Im fortgeschrittenen Alter<br />

sind es vor allem motorische Fertigkeiten wie Radfahren oder prozedurale Fertigkeiten wie<br />

das Führen von Kundengesprächen, die <strong>im</strong>plizit erlernt bzw. antrainiert werden.<br />

Allgemein kann man sagen, dass Fertigkeiten meist <strong>im</strong>plizit und Fakten meist explizit erlernt<br />

werden.<br />

!50


Reiz-Reaktions-Lernen / Signallernen:<br />

3.1.1. Lernmodelle<br />

Durch Verstärkung werden unwillkürliche Reaktionen (z.B. Freude, Abneigung, Angst) erlebt<br />

und gelernt, dies führt vor allem zum Erwerb von Fertigkeiten.<br />

• Positive Verstärkung, wie z.B. Lob, Anerkennung, Auszeichnung (äußere Verstärkung)<br />

sowie Erfolg, Freude (innere Verstärkung)<br />

• Negative Verstärkung, wie z.B. Strafe sowie Misserfolg<br />

Entsprechend wirkt sich die gemachte Erfahrung auf das weitere Vorgehen und Handeln aus.<br />

Folglich wird beispielsweise die Einstellung zum Sport bereits in frühen Jahren <strong>im</strong> Rahmen<br />

des Reiz-Reaktions-Lernens geprägt. Wenn ein Kind angenehme Erinnerungen mit den<br />

ersten Bewegungs- oder Sportstunden verbindet beziehungsweise durch die Eltern von<br />

Anfang an eine positive Einstellung zum Sport vermittelt wurde, wird es selbst körperlicher<br />

Aktivität aufgeschlossen gegenüber stehen.<br />

Lernen durch Beobachtung / Lernen am Modell:<br />

Schon sehr früh lernen Kinder durch Nachahmung. Sie orientieren sich an Anderen, Älteren,<br />

Lehrern, Übungsleitern, Eltern usw. indem sie deren Verhaltensweisen oder Handlungen<br />

übernehmen und <strong>im</strong>itieren. Der Übungsleitern kann sich dies zu Nutze machen, indem er<br />

Bewegungsabläufe demonstriert.<br />

Jedoch werden auf diese Weise auch andere Verhaltensmuster oder Einstellungen <strong>im</strong>itierend<br />

übernommen!<br />

Beispiel:<br />

In der Übungsstunde ist ein Kind besonders aggressiv. Durch dieses Verhalten erreicht es die<br />

Aufmerksamkeit des Übungsleiters und kann seinen Willen durchsetzen. Die anderen Kinder<br />

registrieren das und verhalten sich zunehmend aggressiv, um dieselbe Anerkennung zu<br />

erlangen.<br />

Lernen durch Einsicht / Entdeckendes Lernen:<br />

Ein Problem ist neu und dessen Lösung bisher unbekannt. Durch Strukturieren des Problems<br />

werden mehrere Handlungen nacheinander geschaltet, die zum Ziel führen. Die Lösung tritt<br />

plötzlich ein, es erfolgt ein so genanntes „aha Erlebnis“.<br />

!<br />

In der Praxis treten diese Lernarten nie getrennt auf, meistens erfolgt lernen in einer<br />

Kombination der aufgeführten Modelle. Als Übungsleiter sollte man sich derer bewusst sein,<br />

um lernfreudige Bedingungen zu schaffen. Eine Gefahr besteht beispielsweise darin, dass man<br />

den Kindern nicht genügend Zeit lässt, Dinge selbst auszuprobieren. Dabei n<strong>im</strong>mt man<br />

ihnen die Möglichkeit, durch Einsicht selbst Problemlösungen zu finden. Vorsicht ist auch<br />

geboten bei Tadel und anderer negativer Verstärkung. Dadurch kann ein Kind entmutigt und<br />

<strong>im</strong> Sinne des Reiz-Reaktions-Lernens Freude genommen werden. Andererseits kann<br />

!51


permanentes Lob auch dazu führen, dass ein Kind <strong>im</strong>mer nur den Kommentar eines<br />

Erwachsenen sucht und nicht mehr die Tätigkeit an sich als belohnend erfährt.
<br />

!52


3.1.2. Methodische Rahmenbedingungen<br />

aus Persönlichkeits- & Teamentwicklung - Förderung psychosozialer Ressourcen <strong>im</strong> <strong>Judo</strong><br />

!<br />

Angstfreies Lernkl<strong>im</strong>a! <br />

!<br />

Lernen in Gruppen verlangt nach Möglichkeiten Fehler zu machen, Fragen zu stellen, sich in<br />

den Trainingsprozess des Teams einzubringen und mit seiner Leistungsfähigkeit zu<br />

präsentieren, ohne ausgelacht oder isoliert zu werden, ohne Angst zu haben, dass<br />

vermeintliche Schwächen unmittelbar zu Nachteilen führen. Wir nennen das „angstfreies<br />

Lernkl<strong>im</strong>a“, in dem jeder weiß, dass er von seinen Mitsportlern/-innen und <strong>Trainer</strong>n/-innen<br />

in seiner Leistungsfähigkeit und in seiner sozialen Position akzeptiert wird.<br />

Zu einem angstfreien Lernkl<strong>im</strong>a können <strong>Trainer</strong>/-innen beitragen, indem sie ein<br />

vertrauensvolles Verhältnis zur gesamten Trainings-/Wettkampfgruppe aufbauen. Dazu<br />

gehört es, Vertrauen vorzuleben, eigene Entscheidungen (z.B. Nominierungen) transparent zu<br />

machen.<br />

Darüber hinaus ist es notwendig, Lern- und Leistungssituationen zu trennen. Lernsituationen<br />

sind so zu gestalten, dass Fehler als produktive Bestandteile des Lernprozesses angesehen<br />

werden. Von <strong>Trainer</strong>n/-innen verlangt das, geduldig mit Fehlern umzugehen. „Fehler sind die<br />

Bordsteinkanten auf der Straße des Erfolges“, heißt es. <strong>Trainer</strong>/-innen sollten<br />

Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen und nicht negativ sanktionieren.<br />

Konkurrenzorientierte Leistungssituationen schaffen dagegen ein Kl<strong>im</strong>a, das angstfreies<br />

Lernen erschwert. Da zum <strong>Judo</strong> Leistungssituationen (z.B. Wettkampf, Gürtelprüfung oder<br />

Kata-Demonstration) unbedingt dazu gehören, sollte jedoch keineswegs darauf verzichtet<br />

werden. Wichtiger ist es, Phasen der reinen Lernorientierung mindestens gleichwertig neben<br />

Phasen der Leistungsorientierung zu stellen.<br />

!53


Grundhaltung: <strong>Trainer</strong>/-innen sind sportliche Begleiter/-innen <br />

!<br />

„Man kann einen Menschen nicht trainieren, man kann ihm nur helfen, es selbst zu<br />

tun“ (Barth & Baartz, 2004, S. 12). In diesem Sinne schaffen sportliche Begleiter/-innen<br />

Rahmenbedingungen, Anregungen und Trainingssituationen, die <strong>Judo</strong>ka zu selbstständigem<br />

Handeln sowie zur Bewältigung von Anforderungen und Belastungen befähigen. Eine solche<br />

Grundhaltung ist mit folgenden Prinzipien verknüpft.<br />

Sportliche Begleiter/-innen<br />

!<br />

!<br />

• gehen von einem Sportverständnis aus, in dem sowohl motorische als auch psychosoziale<br />

Aspekte ihren Platz haben;<br />

• verstehen sich als fachlich-partnerschaftliche Berater/-innen und als Vorbilder (s.u.);<br />

• pflegen einen vertrauensvollen Umgang, der durch Miteinander, Verlässlichkeit,<br />

Glaubwürdigkeit und Offenheit auch für außersportliche Probleme geprägt ist;<br />

• stellen in der Gruppe Bedingungen sozialen Wohlbefindens und angstfreien Lernens her<br />

(s.u.);<br />

• stellen weniger kurzfristige Ziele (z.B. Siege, Platzierungen) als vielmehr die langfristige<br />

motorische und psychosoziale Entwicklung in den Vordergrund.<br />

• erkennen, akzeptieren und berücksichtigen entwicklungsbedingte Lernfortschritte und -<br />

rückschritte, Leistungsstagnation und -defizite;<br />

• üben kalkulierten Leistungsdruck aus, der dem Prinzip folgt: "Fördern und fordern -<br />

nicht überfordern!“<br />

<strong>Trainer</strong>/<strong>Trainer</strong>innen sind Vorbilder! <br />

Sportliches und psychosoziales Lernen findet unter anderem über Modelle (Vorbilder) statt.<br />

Im Verein übernehmen <strong>Trainer</strong>/-innen wichtige Vorbildfunktionen für Kinder und<br />

Jugendliche. Dies macht eine bewusste Wahrnehmung und gezielte Gestaltung der<br />

Vorbildrolle notwendig. Bedingung dafür ist es, die erwünschten (psychosozialen) Lernziele<br />

mit dem eigenen Handeln als <strong>Trainer</strong>/-in in Übereinst<strong>im</strong>mung zu bringen, also als Person<br />

authentisch zu sein .<br />

Mit anderen Worten: Wer seinen <strong>Judo</strong>ka <strong>im</strong> Verein motorisches, technisches und taktisches<br />

Können vermitteln will, sollte auch ein gewisses Maß an Eigenrealisation vorleben.<br />

Das Gleiche gilt für den psychosozialen Bereich<br />

• Wer z.B. Selbstbewusstsein fördern will, sollte ein gefestigtes Selbstbild haben und dieses<br />

auch zeigen (Sportliches Selbstbewusstsein)! Dazu gehört auch die Akzeptanz eigener<br />

Schwächen.<br />

• Wer z.B. gegenseitige Unterstützung fördern will, muss selbst Hilfsbereitschaft zeigen<br />

und Hilfe annehmen können (Kooperationsfähigkeit und Aufgabenzusammenhalt)!<br />

!54


• Wer z.B. die Identifikation des Einzelnen mit den <strong>Judo</strong>-Prinzipien und <strong>Judo</strong>-Werten<br />

stärken will, muss diese selbst vorleben (AZ)!<br />

<strong>Judo</strong>-Prinzipien und <strong>Judo</strong>-Werte können bei der Ausgestaltung der individuellen <strong>Trainer</strong>rolle<br />

eine Orientierung bieten (Orientierungsfunktion). Dabei sollte die für die Ausgestaltung der<br />

<strong>Trainer</strong>rolle notwendige Selbstreflexion eigener <strong>Trainer</strong>handlungen (Was mache ich wie und<br />

warum? Welche Folgen hat mein Verhalten auf das Verhalten der Athleten?) auch vor dem<br />

Hintergrund der <strong>Judo</strong>-Prinzipien und <strong>Judo</strong>-Werte erfolgen.<br />

Bringt man das eigene Verhalten in Übereinst<strong>im</strong>mung mit den <strong>Judo</strong>-Prinzipien und <strong>Judo</strong>-<br />

Werten, so kann dies einen Beitrag zur Förderung psychosozialer Ressourcen bedeuten<br />

(Unterstützungsfunktion), denn die <strong>Judo</strong>-Prinzipien und <strong>Judo</strong>-Werte weisen eine deutliche<br />

Nähe zu den Kernzielen auf (z.B. <strong>Judo</strong>-Wert Mut und Kernziel sportliches Selbstbewusstsein).<br />

!<br />

Der <strong>Trainer</strong> oder die <strong>Trainer</strong>in in seiner/ihrer Grundhaltung als sportliche Begleiter/-innen<br />

und seiner/ihrer Vorbildrolle sowie ein angstfreies Lernkl<strong>im</strong>a und soziales Wohlbefinden in<br />

der Gruppe sind wichtige Rahmenbedingungen für die Entwicklung psychosozialer<br />

Ressourcen.<br />

Daraus erschließen sich methodische Prinzipien:<br />

• <strong>Trainer</strong>/-innen leben ein vertrauensvolles Miteinander, Verlässlichkeit und Offenheit vor.<br />

• <strong>Trainer</strong>/-innen gehen offen und produktiv mit Stärken und Schwächen der <strong>Judo</strong>ka um.<br />

• <strong>Trainer</strong>/-innen trennen zwischen Lern- und Leistungssituationen.<br />

• <strong>Trainer</strong>/-innen sind authentisch, d.h. sie bringen ihr eigenes Handeln mit den<br />

psychosozialen Kernzielen sowie den <strong>Judo</strong>-Prinzipien und <strong>Judo</strong>-Werten (Exkurs) in<br />

Einklang.<br />

• <strong>Trainer</strong>/-innen stellen die langfristige motorische und psychosoziale Entwicklung ihrer<br />

<strong>Judo</strong>ka in den Vordergrund.
<br />

!55


!<br />

!56


!<br />

3.2. Planung und Aufbau einer Übungsstunde für<br />

Kinder<br />

Bei der Planung und Vorbereitung einer Übungsstunde müssen die vorhanden<br />

Lernbedingungen berücksichtigt werden. Oftmals ergeben sich kurzfristige Änderungen, die<br />

zu spontanen Umdisponieren zwingen und flexibles Reagieren des Übungsleiters erfordern.<br />

!<br />

Innere Lernbedingungen<br />

betreffen die personenabhängigen Bedingungen:<br />

a) der Gruppe<br />

• Psychische und physische Anlagen<br />

• Motorische Lernfähigkeit<br />

• Leistungsvoraussetzungen<br />

• Sozialverhalten<br />

b) des Übungsleiters<br />

!<br />

• Fachliche Kompetenz<br />

• Unterrichtsvorbereitung<br />

• Unterrichtsstil<br />

• Pädagogische Einstellung<br />

Äußere Lernbedingungen<br />

betreffen die personenunabhängigen Bedingungen:<br />

!<br />

• Anzahl der Teilnehmer<br />

• Anzahl der Übungsstunden<br />

• Übungszeit<br />

• Räumliche Gegebenheiten<br />

• Witterung<br />

• Geräte<br />

• Methodisches Verfahren<br />

Trotz aller Planungen <strong>im</strong> Vorfeld dürfen die Ideen und Anregungen, die die Kinder während<br />

der Stunde einbringen nicht übergangen werden. Offenheit gegenüber den Wünschen der<br />

Kinder bedeutet nicht Planlosigkeit, sondern kann in die Umsetzung der Lernziele eingebaut<br />

werden.<br />

!57


Beispiel:<br />

Der Übungsleitern macht best<strong>im</strong>mte Gerätevorgaben, indem er mit den Kindern einen<br />

Geräteparcour aufbaut. Die Kinder dürfen Vorschläge, Problemlösungen und<br />

Bewegungsideen einbringen, wie die Hindernisse zu überwinden sind. Dabei steht das<br />

Erproben und selbstständige Auseinandersetzen der Kinder mit einem gemeinsamen<br />

vorgefundenen Spielarrangement <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Vordergrund und nicht das Erlernen einer<br />

speziellen Fertigkeit oder Übung.<br />

Das Ziel der Bewegungserziehung <strong>im</strong> <strong>Elementarbereich</strong> ist die Förderung der<br />

Selbstständigkeit. Deshalb sollte sich der Übungsleitern <strong>im</strong>mer situativ auf die Kinder<br />

einstellen und deren Fähigkeiten und Bedürfnisse berücksichtigen. Grundsätzlich muss sich<br />

die Gestaltung der Stunde <strong>im</strong>mer am schwächstem Kind orientieren während gleichzeitig für<br />

die besseren Kinder schwierige Ausführungsvarianten überlegt und angeboten werden sollten.<br />

!<br />

3.2.1. Planungselemente einer Übungsstunde<br />

!<br />

Lernziele:<br />

Der Übungsleitern macht sich in der Vorbereitung auf seine Übungsstunde Gedanken, was er<br />

erreichen möchte, ob seine beabsichtigten Lernziele <strong>im</strong> motorischen, kognitiven, affektiven<br />

oder sozialen Bereich liegen. Wenngleich meist alle Bereiche tangiert werden, so kann<br />

dennoch ein Schwerpunkt <strong>im</strong> Vordergrund stehen. Innerhalb dessen ist zu überlegen, ob es<br />

um Erlernen, Schulen oder Verbessern geht.<br />

Inhalte:<br />

• Koordinationsschulung, Konditionsschulung, Technik, Spiel,…<br />

• Methoden / Medieneinsatz<br />

• Geräteeinsatz<br />

• Zeitrahmen<br />

• Organisationsformen<br />

• Sicherheitsaspekt<br />

!<br />

Aufbau einer Übungsstunde<br />

Der Aufbau einer Übungsstunde (45-60 Minuten) richtet sich nach der Zielsetzung. Je nach<br />

Inhalten wird sie in einen (klassischer Aufbau) oder mehrere (variabler Aufbau) Schwerpunkte<br />

beziehungsweise Hauptteile untergliedert.<br />

klassische Dreiteilung<br />

1. Einleitungs- oder Vorbereitungsteil (ca. 5-10 Minuten)<br />

• Einst<strong>im</strong>mung (evtl. festes Ritual zu Beginn)<br />

!58


!<br />

• Vorbereitende Übungen für den Hauptteil<br />

2. Hauptteil (ca. 30-40 Minuten)<br />

• Erarbeiten eines Lernziels, einer Spiel-/Bewegungsidee etc.<br />

3. Schluss oder Ausklang (10 Minuten)<br />

• richtet sich nach Hauptteil<br />

• freudvoller Abschluss, z.B. Spiel, Bewegungsgeschichte/Entspannungsgeschichte<br />

Auswertung einer Übungsstunde<br />

Um für künftige Übungsstunden zu profitieren, ist es wichtig, abgehalten Stunde rückwirkend<br />

zu betrachten bezüglich:<br />

• Lernziel, Spiel- und Bewegungsidee etc. erreicht?<br />

• Probleme?<br />

• Gefahrensituationen?<br />

• Kinder zufrieden?<br />

• Spaß?<br />

Daraus leitet sich die Planung der folgenden Stunden ab:<br />

!<br />

• Konsequenzen, Verbesserungsmöglichkeiten<br />

• Künftige Lernziele, Spiel- und Bewegungsideen etc.<br />

Um der Forderung nach Ganzheitlichkeit und kindgemäßem Handeln gerecht zu werden,<br />

sollte der Übungsleiter folgende Aspekte berücksichtigen:<br />

!<br />

• schaffen einer angenehmen Gruppenatmosphäre<br />

• zum Mitspielen anregen und zur Mitentscheidung herausfordern<br />

• zum selbstmachen ermutigen und Möglichkeiten zum Selbstgestalten geben<br />

• Chancen zur Selbstentscheidung einräumen<br />

• Hilfe zum Mitgestalten leisten<br />

• Vertrauen zum Selbstorganisieren geben<br />

• Bei Kindern bieten sich grundsätzlich vor allem Spiel- und Bewegungslandschaften an,<br />

die mit Bewegungsgeschichten untermauert werden.<br />

!<br />

!59


!<br />

!<br />

3.2.2. methodisch-didaktische Grundlagen der<br />

Bewegungserziehung<br />

Bewegungserziehung soll hier als betreute Übungsstunde verstanden werden, bei der<br />

sportliche Aktivität <strong>im</strong> Vordergrund steht. Die Gestaltung der Stunde als angeleitete Übungsoder<br />

Spieltrieb beziehungsweise offenes Bewegungsangebot ergibt sich aus der Zielsetzung,<br />

die den didaktischen Überlegungen zu Grunde liegt.<br />

Stundengestaltung<br />

Wegen der geringen Konzentrations- und Belastungsfähigkeit von Kindern sollte die Dauer<br />

einer Sport-, Spiel- oder Bewegungsstunde max<strong>im</strong>al 60 Minuten betragen. Für Kinder <strong>im</strong><br />

Alter von circa 3 Jahren entsprechend weniger. Opt<strong>im</strong>al wäre ein zwe<strong>im</strong>al wöchentlich<br />

stattfindendes Bewegungsangebot von je 45 bzw. 60 Minuten.<br />

Für die Umsetzung müssen folgende didaktische Prinzipien beachtet werden:<br />

• Kindgemäßheit, Altersangemessenheit<br />

• Offenheit<br />

• Freiwilligkeit<br />

• Erlebnisorientiertheit<br />

• Entscheidungsmöglichkeit<br />

• Selbsttätigkeit<br />

• Freude<br />

Da es unterschiedliche Lerntypen gibt, sollte Lernen mit allen Sinnen ermöglicht werden. Der<br />

Sport kann sich diese Tatsache zunutze machen, indem eine Verknüpfung von Bewegung mit<br />

kognitiven Inhalten angestrebt wird.<br />

!<br />

!<br />

!60


!<br />

3.3. Allgemeine Methodik einer Übungsstunde<br />

Grundsätze des Übens<br />

Unabhängig von der Zielsetzung der Übungsstunde müssen be<strong>im</strong> Erlernen motorischer<br />

Fähigkeiten und Fertigkeiten folgende didaktische Grundsätze <strong>im</strong>mer beachtet werden:<br />

• vom Bekannten zum Unbekannten<br />

• vom Leichten zum Schweren<br />

• vom Einfachen zum Komplexen<br />

Wenn es um die Verbesserung bereits erlernter motorischer Fähigkeiten und Fertigkeiten geht,<br />

sollte das verändernde Bedingungen stufenweise vorgenommen werden:<br />

unter<br />

!<br />

vereinfachten<br />

normalen<br />

Methodische Maßnahmen<br />

veränderten<br />

erschwerten<br />

Bedingungen<br />

Jeder Mensch lernt anders. Manche bevorzugen das beobachten, um nachzumachen; andere<br />

benötigen verbale Erklärungen oder wollen selbst ausprobieren, um die Zielform zu<br />

erreichen. Durch die Methodik kann der Übungsleiter das Lernen steuern und den<br />

Teilnehmer erleichtern. Sinnvoll ist es, möglichst viele Kanäle anzusprechen, um jeden<br />

Lerntyp anzusprechen.<br />

• Vormachen und Vorzeigen<br />

• Einsatz visueller Hilfsmittel wie Bilder, Plakate, Video<br />

• Beschreiben und Erklären<br />

• Bewegungsaufgabe (induktiv)<br />

• Bewegungsanweisung(deduktiv)<br />

• Bewegungshilfe<br />

• Bewegungskorrektur (auch individuell)<br />

• Unterrichtsgespräch<br />

!<br />

!61


!<br />

!62


!<br />

4. <strong>Judo</strong> spielend lernen<br />

Der Deutsche <strong>Judo</strong>-Bund möchte mit seinem Programm „<strong>Judo</strong> spielend lernen“<br />

!<br />

• die kindliche Bewegungsfreude altersangemessen fördern und damit einen Beitrag zur<br />

Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung von Kindern leisten,<br />

• die motorische und koordinative Leistungsfähigkeit von Kindern gezielt aufbauen helfen<br />

und damit einen Beitrag zur Verhütung von Unfällen <strong>im</strong> täglichen Leben leisten,<br />

• Kinder dazu anregen, sich mit ihren eigenen Bewegen und ihrem Körper auseinander<br />

zu setzen, dessen Leistungsfähigkeit zu erfahren und dadurch mehr Selbstwertgefühl und<br />

eine positive Körpereinstellung zu erlangen und<br />

• soziale Kompetenzen durch das Eingehen auf einen Partner und Übungsgruppe<br />

(Kooperation) und die Auseinandersetzung mit einem Partner und der Übungsgruppe<br />

(Konfrontation) fördern.<br />

<strong>Judo</strong> ist eine technisch komplexe Sportart, die zielgerichtet erst ab etwa dem 6. Lebensjahr<br />

erlernt werden kann. Vorrangiges Ziel des vorliegenden Programms für 5-7 Jährige ist es<br />

deshalb, zum <strong>Judo</strong>sport hinzuführen und nicht komplexe <strong>Judo</strong>techniken zu vermitteln.<br />

Die motorischen Förderschwerpunkte dieses Programms liegen in<br />

!<br />

• den Grundfertigkeiten Laufen, Springen und Rollen,<br />

• der Kräftigung der Rumpf- und Stützmuskulatur ,<br />

• der Gleichgewichtsschulung und der Raum-Lage-Orientierung,<br />

• der Rhythmusfähigkeit und<br />

• in der Entwicklung des Bewegungsempfinden<br />

!<br />

4.1. Materialien zum „<strong>Judo</strong> spielend lernen“<br />

Der DJB hat für das Programm „<strong>Judo</strong> spielend lernen“ folgende Materialien erstellt:<br />

!<br />

!<br />

• Kinderpass (mit Stickern)<br />

• Aufnäher für den <strong>Judo</strong>anzug<br />

• Übungsleiter-Materialienband<br />

!63


Kinderpass und Stickerbogen<br />

• Der Kinderpass ist der offizielle Mitgliedsausweis für Kinder von 5 bis 7 Jahre, in den<br />

Beitragsmarken geklebt werden.<br />

• Je nach Unterrichtsschwerpunkt oder Können erhalten die Kinder z.B. einmal <strong>im</strong><br />

Monat einen Sticker in ihren Kinderpass geklebt.<br />

• Die Sticker dienen der Motivation und Rückmeldung. Der Kinderpass funktioniert wie<br />

eine Prüfungskarte.<br />

• Der Kinderpass enthält wichtige Informationen für die Eltern.<br />

• Sticker für motorisches Können, <strong>Judo</strong>technik und Verhalten in der Gruppe (<strong>Judo</strong>werte)<br />

sind gleichberechtigt.<br />

• Zunächst sollten die allgemeinen Sticker geklebt werden, erst zum Ende der Ausbildung<br />

hin die Techniksticker.<br />

• Nach jeweils 8 Stickern bekommt ein Kind den nächsten Aufnäher (8/16/24)<br />

!<br />

!<br />

!<br />

!<br />

!<br />

!64


Aufnäher für den <strong>Judo</strong>anzug<br />

• Idee: Sichtbarer Erfolg auch gegenüber Dritten<br />

• Für je 8 Sticker wird ein Aufnäher verliehen, der sichtbar auf dem <strong>Judo</strong>anzug<br />

angebracht werden kann.<br />

• Die Verleihung sollte zum Ende eines Abschnittes erfolgen und schön gestaltet werden.<br />

!<br />

!<br />

!65


4.2. Inhaltliches Programm<br />

• <strong>Judo</strong>-Werte<br />

• Allgemeine motorische Ausbildung<br />

– Bewegen ohne Partner<br />

– Bewegen mit kooperativem Partner oder Partnern<br />

– Kämpfen zu zweit oder in der Gruppe<br />

• <strong>Judo</strong>-Technik: Programm für den 8. Kyu<br />

!<br />

Alle drei Bereiche sind gleichwertig!!<br />

Alle drei Bereiche werden durch Sticker <strong>im</strong> Kinderpass dokumentiert.<br />

!<br />

<strong>Judo</strong>werte<br />

!<br />

!<br />

!<br />

!<br />

!<br />

!66


Allgemeiner motorischer Bereich<br />

!<br />

!<br />

!<br />

Kategorie<br />

Bewegen ohne einen Partner<br />

Kooperierendes Bewegen mit<br />

Partner(n)<br />

Kämpfen zu zweit und in der<br />

Gruppe<br />

<strong>Judo</strong>-Technik<br />

Bewegungsfelder<br />

• Rollen (alle Achsen)<br />

• Krabbeln (Bauch oben/unten) und Klettern<br />

• Hüpfen (beidbeinig/einbeinig, Gleichgewicht)<br />

• Laufen (alle Richtungen) und Balancieren<br />

• Gemeinsames Rollen und Kullern<br />

• Gemeinsam <strong>im</strong> Stand bewegen<br />

• Gemeinsam <strong>im</strong> Rhythmus bewegen<br />

• Sich gemeinsam in verschiedenen 
<br />

Raumlagen bewegen<br />

• Kämpfen um einen Gegenstand<br />

• Zieh- und Schiebekämpfe<br />

• Kämpfen um eine Körperposition<br />

• Kämpfen um das Gleichgewicht<br />

!67


Auch wenn der Anteil der <strong>Judo</strong>technik ein zeitlich eher geringen Anteil innerhalb dieser<br />

Ausbildung in Anspruch n<strong>im</strong>mt, ist es jedoch von zentraler Bedeutung.<br />

Dem Kind werden entwicklungs- und altersgerechte Bewegungsfertigkeiten vermittelt, welche<br />

der späteren <strong>Judo</strong>zieltechnik schon sehr nahe kommen. Grundlegende Elemente, wie zum<br />

Beispiel: der sichere Stand auf beiden Beinen, aufrechte Körperkontaktflächen, Kontrolle<br />

über den Partner und sichern des Partners spielen das ganze <strong>Judo</strong>leben lang eine wichtige<br />

Rolle.<br />

Bei der Vermittlung dieser ersten Wurf-, Fall-, Halte- und Befreiungstechniken sollten einige<br />

methodisch-didaktische Grundsätze beachtet werden:<br />

• Beidseitigkeit<br />

• Werfen und Fallen als Einheit unterrichten<br />

• Fallhöhe langsam steigern<br />

• Verantwortung übernehmen<br />

• Halten und Befreien als Einheit Unterricht<br />

• Widerstände dosieren<br />

• Kreativität fördern<br />

• Partnerverhalten einbeziehen<br />

• Spiel und Spaß<br />

• Loben, Loben, loben<br />

!<br />

!<br />

!68



<br />

!<br />

4.3. Praktische Tipps für Übungsleiter/innen<br />

• Der Kinderpass gehört in die Hände der Kinder.<br />

• Hefte die Stickerbögen hinter deine Gruppenliste in einem Ringordner ab. – So hast du<br />

durch die eingeklebten Sticker eine Kontrolle, was noch erarbeitet werden sollte.<br />

• Vereinbare einen regelmäßigen Termin mit den Kindern, an dem der Kinderpass<br />

mitgebracht wird. (oder sie haben sie <strong>im</strong>mer dabei in einer Klarsichthülle)<br />

• Vergib die Sticker nach Unterrichtsschwerpunkten der zurückliegenden Zeit (Plane<br />

deinen Unterricht!) und nach besonderen Leistungen einzelner Kinder (Beobachte den<br />

allgemeinen Bewegungsfortschritt und das Verhalten der Kinder!)<br />

• Sprich dich mit den anderen Übungsleitern deines Vereins ab, damit Kinder, die vor<br />

Abschluss des Programms die Gruppe verlassen/wechseln, auch dort weiter ihre Sticker<br />

und Aufnäher erarbeiten können.<br />

• Das Programm lässt sich auch mit älteren Kindern umsetzen. Scheue nicht, einzelne<br />

Übungen zu variieren. Behalte aber den Aufbau der Bewegungsfelder als Hinführung<br />

zum <strong>Judo</strong> bei. Je älter/fortgeschrittener die Kinder sind, desto mehr <strong>Judo</strong>technik-<br />

Anteile darf es in einer Stunde geben.<br />

• Bei einer homogenen Gruppe füllst du zum Ende der Ausbildungszeit eine Prüfungsliste<br />

deines Landesverbandes aus und bestellst dort die Prüfungsmarken. Die Graduierung<br />

wird <strong>im</strong> Kinderpass gemäß den Richtlinien deines Landesverbandes dokumentiert.<br />

• Bei einer gemischten Gruppe trägst du die Kinder bei Abschluss des Programms auf<br />

der nächsten Prüfungsliste deines Vereins nach.<br />

• Du bist noch gar nicht prüfungsberechtigt? Macht nichts! Du hast dich intensiv zwei<br />

Jahre lang mit deinen Kindern beschäftigt und weißt besser als jeder andere, was sie<br />

können. Sprich deinen Prüfungsbeauftragten an. Mit ihm zusammen wird sich ein Weg<br />

finden, der deine geleistete Arbeit zu einem guten Ende bringt.<br />

!69


4.4. Beispiel für eine „Stickerplanung<br />

Krabbeln und Klettern<br />

Krabbengang,<br />

Vierfüßlergänge,<br />

Spinnengang,<br />

Hindernisse einbauen<br />

Rollen und Kullern<br />

Baumstammrollen alleine<br />

und zu zweit,<br />

mit Ball am Bauch rollen<br />

Höflichkeit<br />

Verneigen vor dem<br />

Partner, Danke sagen,<br />

mit Verneigen Partner<br />

auffordern<br />

Respekt<br />

Verneigen vor dem Dojo<br />

bzw. Kamisa,<br />

Start- & Endritual verfolgen<br />

Hüpfen<br />

In weiche Gegenstände<br />

reinhüpfen, von etwas<br />

runter hüpfen<br />

(ein- & zweibeinig),<br />

H<strong>im</strong>mel und Hölle<br />

Ernsthaftigkeit<br />

Gürtel binden,<br />

Fuß- und Fingernägel<br />

geschnitten<br />

sauberer <strong>Judo</strong>anzug<br />

Laufen und Balancieren<br />

Koordinationsleiter,<br />

Rhythmuslauf ,<br />

auf Seile & Gegenstände,<br />

Spinnennetz / Packman<br />

Hilfsbereitschaft<br />

Schiffe versenken,<br />

Roboter,<br />

Versteinern,<br />

Heißer Draht,<br />

Zange für Handstand<br />

! 1. Aufnäher (Orange)<br />

Kämpfen um Gegenstände<br />

Kampf ums goldene Ei,<br />

Gürtel klauen,<br />

Wäscheklammern<br />

transportieren<br />

Fallen Rückwärts<br />

Rückwärts schaukeln, auf<br />

Weichbodenmatte,<br />

Schwebesitz<br />

Verschiedene Raumlagen<br />

Rodeo,<br />

Esel und Muli Transport,<br />

Handstand<br />

Mune-gatame<br />

Mausefalle,<br />

Schildkröten wenden<br />

! 2. Aufnäher (Gelb)<br />

Gemeinsam <strong>im</strong> Stand<br />

Magnetspiel,<br />

Füße begrüßen,<br />

Ball zwischen den Körper<br />

Selbstbeherrschung<br />

einfrieren – schmelzen,<br />

Becher auf Körper stapeln,<br />

Schlafmütze, Schlange<br />

Mut<br />

Kämpfe gegen große<br />

Kinder, Herkulesspiel,<br />

aus dem Rückwärtslaufen<br />

Rückwärtsfallschule,<br />

bzw. mit geschlossenen<br />

Augen auf Weichbodenmatte<br />

Kämpfen um Positionen<br />

Spinne und Fliege,<br />

Kesa-gatame wackeln,<br />

Hackelkämpfe,<br />

Fallschirmspringer<br />

!70


Seitwärtsfallschule<br />

Klopfer,<br />

Marionette,<br />

Fußball Torschuss,<br />

fallen am Partner<br />

oder am Seil<br />

Kesa-gatame<br />

Wackelkampf,<br />

Wichtelkampf am See,<br />

Gutenachtgeschichte<br />

Gleichgewichtskämpfe<br />

Standkämpfe,<br />

Schwebesitzkampf,<br />

S-Gürtelkampf,<br />

Hahnenkampf<br />

Osoto-otoshi<br />

aus Kniestand,<br />

Ritter,<br />

Blinken - Auto kann überholen<br />

! 3. Aufnäher (Grau)<br />

Bodenrandori<br />

Wichtelkampf,<br />

Alle Bodenkämpfe vorher<br />

Ehrlichkeit<br />

Wer hat gewonnen,<br />

Zählspiele<br />

Gemeinsam <strong>im</strong> Rhythmus<br />

Schattenlauf,<br />

Blindenlauf,<br />

Musik, Zeitungspapier<br />

gemeinsam<br />

vorwärts bewegen,<br />

mit großen Bälle rhythmisch<br />

Zieh- und Schiebekämpfe<br />

Seilziehen,<br />

Indianer Jones,<br />

Sumo,<br />

Gullydeckel<br />

Uke zieht<br />

Übungsformen um<br />

das ziehen,<br />

Uke wichtige Rolle<br />

Rollen alle Achsen<br />

Tunnelrolle, Affenrolle,<br />

Turnerrolle, Rolle Rückwärts,<br />

Speedrolle,<br />

Rollen mit dem Ball,<br />

Zahlenspiel mit Rolle<br />

O-goshi / Uki-goshi<br />

Superman,<br />

Kniestand,<br />

Charminbär<br />

Freundschaft<br />

Bild malen von<br />

meinem <strong>Judo</strong>freund<br />

Wertschätzung<br />

nach Randori die Hand<br />

geben,<br />

Supertalent<br />

Uke drückt<br />

Schiebekampf,<br />

Uke wichtige Rolle<br />

2 Handlungsketten<br />

werfen mit Festhalter<br />

-> Prüfung,<br />

Abschluss<br />

Bescheidenheit<br />

Übergabe zu<br />

weiß-gelben Gürtel<br />

! Übergabe weiß-gelber Gürtel<br />

!71


!<br />

!72


!<br />

5. Auffälligkeiten<br />

5.1. Haltungs- und Bewegungsauffälligkeiten<br />

Die aufrechte Haltung <strong>im</strong> Stand ist ein hoch komplexer Vorgang, der auf dem<br />

Zusammenspiel von Zentralnervensystem und Skelettmuskeln basiert. Dabei wird der Körper<br />

in einem labilen Gleichgewichtszustand gehalten. Die Wirbelsäule entspricht in ihrer<br />

physiologischen Struktur einer Doppel-S-Form.<br />

Verschiedene Ursachen beeinflussen die Haltung:<br />

• anatomische<br />

• physiologische<br />

• psychische und geistige<br />

• soziale<br />

und können zu Haltungsschwächen oder -schäden führen. Deshalb kann die Haltung auch als<br />

Spiegelbild des Menschen betrachtet werden. Besonders Kinder äußern ihre St<strong>im</strong>mung sehr<br />

unmittelbar, daher kann oft die Haltung als Ausdruck ihres jeweiligen Befindens<br />

herangezogen werden. Beispielsweise hüpfen und tanzen Kinder häufig spontan, wenn sie<br />

sich freuen und halten sich gebückt, wenn sie traurig sind.<br />

Die Gestalt der Wirbelsäule entwickelt sich erst allmählich zu Doppel-S-Form.<br />

!<br />

Während des Wachstums vom Neugeborenen bis zum Schulkind bildet sich zunächst die<br />

Halslordose, später die Brustkyphose und schließlich die Ausprägung der Fußgewölbe. Dazu<br />

ist ein intakter aktiver (Muskeln) und passiver (Knochen, Knorpel, Sehnen, Bänder)<br />

Bewegungsapparat notwendig, der sich durch viel Bewegung ausbildet und verfestigt.<br />

Bewegungsmangel wirkt sich sehr negativ auf die Haltung aus. Durch langes Sitzen und<br />

geringe Entwicklungsreize für den aktiven Bewegungsapparat degeneriert die Muskulatur und<br />

kann ihre Funktion nicht mehr gerecht werden. Auch für die Bandscheiben ist viel Bewegung<br />

wichtig, dass durch ständiges Be- und Entlasten ernährt werden.<br />

Untersuchungen an Schulkindern ergaben einen Zusammenhang zwischen beginnendem<br />

Schulalltag und dem Verfall der Körperhaltung aufgrund des Sitzzwanges.<br />

!73


Selbst leistungsgeschwächte Füße sind verantwortlich für viele Haltungs- und<br />

Bewegungsprobleme, da sie die gesamte Statik des Menschen beeinträchtigen. Wenn<br />

beispielsweise das Fußlängsgewölbe schwach ist, muss in Sprung-, Knie-, Hüft- und<br />

Schultergelenk ausgeglichen werden, um dieses Defizit zu kompensieren.<br />

Allerdings muss bedacht werden, dass sich bei Kindern bedingt durch das Wachstum<br />

zwischenzeitlich Haltungsvarianten ergeben können, die nicht als pathologisch zu betrachten<br />

sind.<br />

Um opt<strong>im</strong>ale Voraussetzungen für eine stabile Wirbelsäule zu schaffen, sollten folgende<br />

Aspekte berücksichtigt werden:<br />

• Kräftigen der schwachen und dehnen der verkürzten Muskulatur<br />

• Beuger und Strecker gleichermaßen beanspruchen, um muskuläre Dysbalancen zu<br />

vermeiden<br />

• Koordinationsschulung<br />

• Trainieren der Füße durch barfuß gehen und speziellen Übungen zum stützen, halten,<br />

tasten, greifen und federn<br />

• Indoor: gutes Schuhwerk zur Vermeidung von Fehlbelastungen der Füße<br />

Outdoor: Pr<strong>im</strong>är barfuß laufen empfohlen<br />

• Gesunde Ernährung, um die Entwicklung des Muskel- und Knochenaufbaus zu fördern<br />

!<br />

Anzeichen für auffällige Wahrnehmungs- und Bewegungssignale<br />

(nach Balster,1999)<br />

• Unzureichende Wahrnehmungsreaktionen wie…<br />

reagiert zu wenig, zu viel, über-/unterempfindlich auf akustische, visuelle, taktile,<br />

kinästhetische und vestibuläre Reize; meidet Objekte oder lehnt sie ab.<br />

• Unzureichende Lernkompetenz / Handlungserfahrungen wie…<br />

bricht häufig Tätigkeiten ab, wechselt stets Aufgaben, sucht ständig Neues; lernt nicht aus<br />

dem Handeln, macht ähnliche Fehler; nichtselbstständig, keine Neugier, erforscht wenig,<br />

erlernt etwas nur mühsam.<br />

• Unangemessene Bewegungsausführungen wie…<br />

zu schnelle, zu langsame, zu heftige, zu sparsame, ungenaue, ungeschickte, nicht flüssige,<br />

kraftlose, unangepasste Bewegungsäußerungen.<br />

• Unangemessener Umgang mit dem eigenen Körper / Körperteilen wie…<br />

zu schlafe, verkrampfte Muskelspannung; kein Muskelspannungsaufbau; keine Isolierung<br />

einzelner Körperteile.<br />

• Unangemessene Verhaltensweisen wie…<br />

schnell mutlos; rastet schnell aus; ängstlich; stets lustlos.<br />

!74


!<br />

Begriffserklärung<br />

5.2. Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom<br />

Der Begriff Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom steht für die international anerkannte Diagnose<br />

von Aufmerksamkeitsstörung mit (ADHS) und ohne (ADS) Hyperaktivität. Die Kinder leiden<br />

unter Konzentrationsmangel und Bewegungsunruhe. Das Phänomen existiert schon lange,<br />

obgleich es in den letzten Jahren zunehmend thematisiert wird. Schon 1845 beschrieb der<br />

Frankfurter Nervenarzt Heinrich Hoffmann in „Zappelphilipp“, „Hans guck in die Luft“ und<br />

„Struwwelpeter“ die Probleme aufmerksamkeitsgestörter Kinder.<br />

Hyperaktivitäts- und Aufmerksamskeitsstörungen sind neben aggressiven Verhalten die<br />

häufigsten Verhaltensbeeinträchtigungen <strong>im</strong> Kindesalter. Jungs sind wesentlich häufiger<br />

betroffen als Mädchen. Meistens machen sich die Symptome vor dem sechsten Lebensjahr<br />

bemerkbar.<br />

Eine genaue Abgrenzung zwischen Normalität und Auffälligkeit ist schwierig. Vor allem die<br />

Abgrenzung zu anderen auffälligen Verhaltensweisen, zum Beispiel Aggressivität bereitet<br />

Probleme. Es gibt derzeit keinen Test, der ADS mit Sicherheit feststellen oder ausschließen<br />

kann. Die Diagnose beruht auf der Beobachtung des Verhaltens betroffener Kinder, das sich<br />

in verschiedenen Ausprägungen zeigen kann. Anderseits darf nicht jedes Kind, dass<br />

beispielsweise einen temperamentvollen Charakter an den Tag legt, als ADS krank eingestuft<br />

werden.<br />

!<br />

!<br />

5.2.1. Kernsymptome<br />

!<br />

Aufmerksamkeitsstörung<br />

!<br />

Die Aufmerksamkeitsspanne ist kurz, d.h. diese Kinder verlieren sehr schnell das Interesse<br />

an einer Sache. Sie können Anweisungen nur schwer folgen, sind leicht ablenkbar und<br />

können Wesentliches nicht von Unwesentlichem trennen. Anderseits nehmen Sie dadurch<br />

auch Details war, die anderen Kindern verborgen bleiben.<br />

Hyperaktivität<br />

!<br />

!<br />

Diese Kinder fallen durch übermäßige, motorische Bewegungen auf. Sie können nicht still<br />

sitzen, stehen ständig unter Strom und alles erweckt ihre Neugier. Die Bewegungen sind<br />

dabei unkontrolliert, hektisch und überschießend, so dass sie viel zerstören oder sich und<br />

andere in Gefahr bringen.<br />

!75


Störung der Impulskontrolle<br />

!<br />

!<br />

!<br />

In emotionalen, sozialen und kognitiven Situationen reagieren sie unbedacht und<br />

vorschnell. Es gelingt Ihnen nicht, abzuwarten oder eine Handlung <strong>im</strong> Voraus zu<br />

überlegen. Sie spielen sich gerne in den Mittelpunkt und reagiere häufig mit<br />

Wutausbrüchen. Dadurch leidet ihre Gruppenfähigkeit und sie machen sich unbeliebt.<br />

Feinmotorik<br />

!<br />

5.2.2. Konkrete Verhaltensauffälligkeiten<br />

Oft kommt es zu Fehleinschätzungen bezüglich des Abstandes von Gegenständen. Das hat<br />

häufig ein Umwerfen, Ausschütten, Runterwerfen und so weiter zur Folge und bedingt<br />

schlechtes Ballgefühl. Auch die statische und dynamische Balance ist beeinträchtigt. Be<strong>im</strong><br />

Schneiden, Malen und Schreiben äußert sich die Ungeschicklichkeit in verkrampfter<br />

Stifthaltung und festem Aufdrücken bis hin zum Abbrechen der Stiftspitze.<br />

M<strong>im</strong>ik<br />

Der Gesichtsausdruck ist oft gespannt, starr und zeigt häufig ein Grinsen. Insgesamt tritt<br />

die M<strong>im</strong>ik nicht situationsangepasst auf, sondern zeitverzögert. Das wirkt sich auf das<br />

soziale Zusammenleben aus, da die Mitmenschen durch den Gesichtsausdruck nicht die<br />

richtigen Rückschlüsse auf den tatsächlichen emotionalen Zustand schließen können. Ein<br />

Kind, dass die sch<strong>im</strong>pfenden Eltern angrinst (obgleich ihm gar nicht zum Lächeln zumute<br />

ist), provoziert diese noch mehr. Umgekehrt gelingt es diesen Kindern auch nicht, die<br />

M<strong>im</strong>ik anderer richtig wahrzunehmen und zu deuten.<br />

!<br />

Körpersprache<br />

Die Kontrolle der Bewegungssteuerung funktioniert schlechter, langsamer und häufig<br />

verzögert. Der Mensch macht sich von seinen Mitmenschen aufgrund von Kopf und<br />

Körperhaltung unbewusst ein Bild. Das bedeutet, dass die Beurteilung einer Person von<br />

seiner Gesamterscheinung abhängig ist. Aufgrund ihrer Erscheinung werden Kinder mit<br />

ADS-Syndrom eher negativ, weniger attraktiv und intelligent, aber aggressiver<br />

eingeschätzt.<br />

!<br />

Spiel- und Sportverhalten<br />

Spielregeln können kaum eingehalten werden, auch wenn sich die Kinder dessen bewusst<br />

sind. Ihre Neugier motiviert sie zwar, vieles auszuprobieren, selten bleiben sie jedoch<br />

dabei. Wegen der geringen Sozialkompetenz üben diese Kinder selten Teamsportarten<br />

!76


!<br />

aus, sondern eher Individualsportarten beziehungsweise Sportarten mit nur einem Partner<br />

(zum Beispiel <strong>Judo</strong>). Sie bevorzugen Vereinigungen mit sehr stark strukturierten und<br />

geführten Gruppenaktivitäten wie zum Beispiel Pfadfinder.<br />

Sprache<br />

!<br />

Manche Kinder leiden unter Sprachentwicklungs- und Sprechstörungen andere beginnen<br />

auffallend frühzeitig mit hervorragender Wortwahl zu sprechen. Oft passt jedoch das<br />

Gesagte nicht zum aktuellen Thema und ist akustisch schlecht zu verstehen. Auch st<strong>im</strong>men<br />

Tonfall und St<strong>im</strong>mlage häufig nicht mit dem emotionalen Inhalt überein. Sie können nicht<br />

abwägen, welchem Adressaten sie was erzählen und machen sich dadurch oft unbeliebt<br />

oder schaden sich selbst.<br />

!<br />

5.2.3. Konsequenzen für die Bewegungsförderung<br />

Zur Förderung von Körperwahrnehmung und Körperkoordination haben sich<br />

erlebnispädagogische Maßnahmen und Psychomotorik bewährt, vor allem in Form der<br />

bewegungsorientierten sozialen Gruppenarbeit. Die motorische Zielsetzung sollte darin<br />

liegen, den Bewegungshunger der Kinder zu stillen (z.B. Fangspiel zu Stundenbeginn) und<br />

motorische Basisfertigkeiten zu schulen. Bei den Übungsstunden sollten Spaß und Freude <strong>im</strong><br />

Vordergrund stehen und den Kindern Erfolgserlebnisse ermöglicht werden. Gerade für<br />

Kinder mit ADS-Syndrom ist ein gestärktes Selbstvertrauen wichtig, da sie viel Misserfolg,<br />

Ablehnung und Ausgrenzung erfahren. Der Kontakt zu Gleichaltrigen muss hergestellt und<br />

der Umgang geschult werden. Die Gruppen sollten klein sein (4-10 Kinder), damit die Kinder<br />

soziales Verhalten lernen und üben können und <strong>im</strong> Idealfall später in eine reguläre Gruppe<br />

<strong>im</strong> Sportverein integriert werden können. Parallel dazu sollte den Eltern Hilfestellung und<br />

Anregung zur Freizeitgestaltung gegeben werden, damit gemeinsame Familienerlebnisse<br />

möglich werden.<br />

!<br />

• Fähigkeiten betroffener Kinder beachten und herausstellen<br />

• Liebevolles, aber energisches Auftreten<br />

• Geduld und Verständnis aufbringen<br />

• Klare Strukturen und überschaubare Regeln aufstellen<br />

• Grenzen und Konsequenzen aufzeigen<br />

• Körperkontakt suchen<br />

• Regelmäßigkeit in Alltagsabläufen<br />

• Zu viel Selbstständigkeit und Eigeninitiative überfordert!<br />

• Strenger, <strong>im</strong> positiver Sinn „autoritärer Erziehungsstil“!
<br />

!77


!<br />

!78


5.3. Exkurs: Grenzen setzen<br />

!<br />

(Quelle: Jan-Uwe Rogge, „Kinder brauchen Grenzen" und „Eltern setzen Grenzen“)
<br />

1. Die Bedeutung von Grenzen<br />

Def. Grenze: "die Linie, an der die Gebiete verschiedener Staaten oder sonstiger<br />

„Hoheitsbereiche“ aneinander stoßen" (allg. Lexikon")<br />

Im zwischenmenschlichen Bereich bedeutet dies, dass die 'Hoheitsbereiche' zweier<br />

Menschen aufeinander treffen.<br />

Das Kind und der Erwachsene (Erzieher, Übungsleiter etc.) stehen sich mit ihren jeweiligen<br />

- Wünschen<br />

- Bedürfnissen<br />

- Meinungen und<br />

- Erfahrungen<br />

gegenüber. Diese Persönlichkeitsmerkmale sind individuell und als solche nur erlebbar,<br />

wenn sie von Merkmalen anderer klar unterschieden, und somit abgegrenzt werden dürfen.<br />

• Grenzen haben eine Schutzfunktion<br />

Grenzen schützen die ureigensten Bedürfnisse des Einzelnen und verhindern so eine<br />

Überforderung auf beiden Seiten.<br />

Grenzen sind sowohl Ausdruck als auch Voraussetzung für gegenseitige Achtung und gute<br />

Zusammenarbeit.<br />

• Grenzen haben eine Orientierungsfunktion und schaffen Freiräume<br />

Klare Grenzen sorgen für einen klaren Rahmen, innerhalb dessen sich Kinder und<br />

Jugendliche frei und selbstsicher bewegen können und altersgerecht ihre<br />

Handlungsmöglichkeiten erproben können. Grenzen müssen mit dem Alter und der<br />

Entwicklung von Kindern „mitwachsen" und angepasst werden.<br />

Grenzen geben somit Sicherheit und Orientierung.<br />

• Grenzen fördern die Selbstkontrolle<br />

Wenn Grenzen abgesteckt und klar mitgeteilt sind, können Kinder lernen, die Grenzen von<br />

selbst zu achten. Nur wenn Kinder und Jugendliche wissen, wie weit sie gehen können (und<br />

wann ihr Verhalten für andere unannehmbar ist), können sie sich danach richten.<br />

• Grenzen sind Ausdruck gegenseitiger Achtung und schaffen eine notwendige Distanz<br />

Wer einen anderen achtet, wird versuchen, dessen Grenzen zu respektieren.<br />

Wer sich selbst achtet, sich selbst ernst n<strong>im</strong>mt und für sich sorgt, wer seine Grenzen schützt<br />

(und auch verteidigt), wird erreichen, dass ihm Achtung und Wertschätzung entgegen<br />

gebracht werden.<br />

!79


!<br />

2. Beziehungsgestaltung:<br />

• Abstecken eines klaren Rahmens<br />

Innerhalb einer pädagogischen Beziehung ist es die Aufgabe des Erwachsenen, dem Kind<br />

oder dem Jugendlichen offen, ehrlich und unmissverständlich mitzuteilen, welche<br />

Verhaltensweisen er akzeptiert und welche er nicht tolerieren wird.<br />

Der Erwachsene muss sich dasselbe auch vom Kind sagen lassen und so in eine<br />

partnerschaftliche, fruchtbare Auseinandersetzung gehen.<br />

• Überforderung oder Unterforderung vermeiden<br />

Überforderung, sei es in psychischer oder physischer Hinsicht, entmutigt Kinder und<br />

Jugendliche. Die Frage, will das Kind etwas nicht oder kann es etwas nicht, gilt es zu<br />

klären. Manche Kinder können best<strong>im</strong>mte Aufgaben nicht erledigen und überschreiten<br />

deshalb Grenzen.<br />

Unterforderung führt recht schnell zu Langeweile. Und Langeweile führt ganz schnell zu<br />

Unsinn! Unterforderte Kinder fühlen sich nicht ernst genommen und rütteln gerne an<br />

den zu engen Grenzen.<br />

• Kontakt aufnehmen<br />

Kinder wollen angesprochen werden und sich angesprochen fühlen. Folgende Reihenfolge<br />

erweist sich als günstig:<br />

Kontaktaufnahme mit den Augen, (evtl.) Körperkontakt, dann eine eindeutige Sprache.<br />

• Eindeutige Kommunikation<br />

- Senden von „Ich-Botschaften ":<br />

Vorwürfe und verallgemeinernde Anklagen helfen Heranwachsenden nicht. Ich-<br />

Botschaften benennen den Sachverhalt, geben Auskünfte über Gefühle und sprechen<br />

(falls erforderlich) Konsequenzen an, die sich aus nicht eingehaltenen Absprachen<br />

ergeben können.<br />

- Körpersprache:<br />

Es kommt nicht nur darauf an, was ich sage, sondern wie es gesagt wird.<br />

Körperhaltung, M<strong>im</strong>ik und Gestik müssen zum Gesagten passen. Gerade be<strong>im</strong><br />

Grenzen setzen ist Blickkontakt, Festigkeit der St<strong>im</strong>me und eine sichere Körperhaltung<br />

wichtig.<br />

- Eindeutige, klare Botschaften:<br />

Fragen setzen keine Grenzen. („würdest du bitte...?") Auch Erwachsene die sich „den<br />

Mund fusselig reden", laufen ins Leere. Kinder akzeptieren erst Grenzen, wenn sie klar<br />

artikuliert werden.<br />

!<br />

!80


Einschub aus der Kommunikationspsychologie:<br />

55 % der Kommunikation läuft über Körpersprache<br />

38 % über den St<strong>im</strong>mklang und die Art des Sprechens<br />

7 % vermittelt sich Kindern über den Inhalt und Sinn der Worte.<br />

!<br />

• Achtung, Wertschätzung und Anerkennung des Kindes<br />

Unabhängig von seinem Verhalten und seinen Fähigkeiten sollen Achtung und<br />

Wertschätzung <strong>im</strong>mer gewährleistet und für das Kind spürbar sein. Diese emotionale<br />

D<strong>im</strong>ension ist nicht mit einer Zust<strong>im</strong>mung für alle Verhaltensweisen zu verwechseln.<br />

Vielmehr ist die Annahme des Kindes als Gesamtpersönlichkeit mit all seinen (auch<br />

negativen) Anteilen gemeint.<br />

!<br />

• Einfühlendes Verstehen<br />

Einfühlendes Verstehen ist der Versuch, sich in die Erlebniswert des Anderen einzufühlen<br />

und die Reaktionen und Handlungsweisen aus dessen Sicht wahrzunehmen und zu<br />

verstehen. Kinder/Jugendliche brauchen gute Zuhörer, die ihre Gefühle und Reaktionen<br />

nicht gleich bewerten und/oder Ratschläge erteilen. Einfühlendes Verstehen meint auch<br />

einen Ausstieg aus der Stigmatisierung - „der ewige Störer", „der Auffällige" - und der<br />

damit einhergehenden Verhaltenszuschreibungen und der Bestätigung dieser<br />

Zuschreibungen. Interessante Fragen könnten sein: Was hat das Kind von seinem<br />

Verhalten? Was drückt der Jugendliche durch seine Haltung aus?<br />

!<br />

• Das Kind / den Jugendlichen ernst nehmen<br />

Gefühle, Bedürfnisse, Anliegen, die ein Kind hat (und sind sie aus der Sicht des<br />

Erwachsenen noch so unangebracht), sind Realität für das Kind. Wenn Erwachsene<br />

Kindern ihre Gefühle absprechen -„das ist doch nicht schl<strong>im</strong>m... da brauchst du doch<br />

nicht weinen!" - fühlt sich das Kind nicht ernst genommen. Kinder und Jugendliche<br />

haben ein enormes Gespür dafür, ob man sie ernst n<strong>im</strong>mt oder nicht und werden<br />

dementsprechend kooperieren oder sich auch verweigern.<br />

• Kongruenz: Echtheit und Aufrichtigkeit<br />

Kinder/Jugendliche wollen wissen, wie der Erwachsene wirklich ist. Sie wollen keine -<br />

<strong>im</strong>mer freundliche - Fassade. Sie müssen sich reiben, und dazu brauchen sie ein ehrliches<br />

Gegenüber mit Ecken und Kanten.<br />

Kongruenz meint die Übereinst<strong>im</strong>mung von Äußerungen, Maßnahmen, Gestik und<br />

M<strong>im</strong>ik mit dem inneren Erleben, dem Fühlen und Denken. Echtheit setzt voraus, sich der<br />

eigenen Gefühle soweit wie möglich bewusst zu sein und sich zu diesen auch zu bekennen.<br />

Echtheit <strong>im</strong> Verhalten beinhaltet damit auch Offenheit und Transparenz.<br />

!81


Alles Unechte oder einen Mangel an Unaufrichtigkeit spüren Kinder und Jugendliche<br />

sofort und versuchen um so mehr an der Fassade des Erwachsenen zu kratzen (z.B. durch<br />

Grenzüberschreitungen) um sein „wahres Gesicht" zu erleben.<br />

!<br />

• Ermutigung<br />

Kinder müssen mutig sein! Denn schließlich lernen sie erst noch, mit vielen neuen<br />

Anforderungen und Situationen zurechtzukommen. Sie können vieles NOCH nicht. Um<br />

nicht zu verzagen und an sich - trotz Misserfolge und Rückschläge - zu glauben, müssen<br />

Kinder ermutigt werden. Eine positive Haltung und der Glauben an das Kind stärken<br />

dessen Selbstbewusstsein.<br />

!<br />

• Aufmerksamkeit und Liebe<br />

Grundlage für eine positive Beziehung sind Aufmerksamkeit und eine liebevolle<br />

Zuwendung.<br />

!<br />

3. Kinder und Jugendliche in ihren Grenzüberschreitungen verstehen lernen -<br />

Möglichkeiten und Grenzen pädagogischen Handelns<br />

(Quelle: Michael Wendler und Tilo Irmischer, Motologisches Institut Marburg)<br />

Erhebung:<br />

• Gewaltphänomene:<br />

- Nötigung, Erpressung, Bedrohung, Körperverletzung, Diebstahl und Sexualvergehen<br />

werden bei <strong>im</strong>mer jüngeren Kindern, in stetig größer werdenden Zahl und mit einer<br />

Steigerung der Gewaltqualität beobachtet.<br />

- Pädagogen beklagen das nachlassende Unrechtsbewusstsein bzw. die Unfähigkeit zu<br />

Schuldgefühlen und eine <strong>im</strong>mer niedriger werdende Hemmschwellen für<br />

Aggressionen.<br />

- Kinder gewöhnen sich an Gewalt als Kommunikationsmittel, so dass auch die<br />

sprachliche Verrohung <strong>im</strong>mer mehr zun<strong>im</strong>mt.<br />

• Grenzüberschreitungen:<br />

- <strong>im</strong> Umgang mit Sachen<br />

- <strong>im</strong> Umgang mit Menschen oder<br />

- <strong>im</strong> Umgang mit sich selbst<br />

sind eine Antwort auf:<br />

Langeweile<br />

Fehlende Anerkennung<br />

Perspektivenarmut<br />

Vernachlässigung<br />

Mangelnde Sinnerfüllung<br />

Bindungsdefizite<br />

!82


Was können wir tun, wenn Kinder und Jugendliche Grenzen überschreiten?<br />

Handlungsmöglichkeiten:<br />

- versuchen Kinder zu verstehen<br />

- trotz Betroffenheit Verständnis zeigen<br />

- versuchen sich nicht selbst als Ziel der Handlung zu sehen<br />

- einsichtige und konsequente Reaktionen zeigen<br />

Das bedeutet...<br />

...Kinder und Jugendliche verstehen, weil sie<br />

!<br />

- hilflos sind<br />

- keine Alternative finden<br />

- ein Problem haben, dass sie nicht anders vermitteln können<br />

- die gezeigten Verhaltensweisen so und nicht anders gelernt haben<br />

...es nicht auf sich selbst beziehen<br />

...trotz Betroffenheit Verständnis zeigen<br />

!<br />

- denn das Gefühl, versagt zu haben, kennen viele Kinder und Jugendliche<br />

- Moralpredigten nützen Kindern nichts<br />

- kongruentes Verhalten ruft am ehesten positive Veränderung in den Kindern hervor<br />

...einsichtige und konsequente Reaktionen zeigen<br />

!<br />

- Kinder kennen oft nur spontane, ambivalente Reaktionen, die für sie nicht kalkulierbar<br />

sind<br />

- deshalb: Regeln sollten klar formuliert und Konsequenzen be<strong>im</strong> Nicht-Einhalten der<br />

Regel vereinbart werden. An diese Abmachungen sollte sich konsequent gehalten<br />

werden.<br />

• Präventive Maßnahmen verhindern unerwünschtes Verhaltens<br />

- Blickkontakt aufnehmen<br />

- m<strong>im</strong>isch Aufmerksamkeit suchen<br />

- räumliche Nähe aufsuchen<br />

- evtl. körperlichen Kontakt aufnehmen<br />

- sprachlichen Kontakt aufnehmen<br />

- auf das gewünschte Verhalten hinweisen<br />

- mahnen, erinnern, Konsequenzen ankündigen<br />

!83


!<br />

• gewünschtes Verhalten unterstützen<br />

- gewünschtes Verhalten positiv bekräftigen<br />

- gelungene Problemlösung wiederholen<br />

- gelungene Problemlösung abermals durchspielen<br />

- gewünschtes Verhalten nennen<br />

- positive Lösungsansätze<br />

!<br />

!<br />

!<br />

• Akute Maßnahmen<br />

Verhindern unerwünschten Verhaltens<br />

- verbal intervenieren<br />

d.h. verbal Verhalten stoppen auf<br />

Absprachen hinweisen, Konsequenzen<br />

aufzeigen<br />

- körperlich intervenieren<br />

d.h. beruhigend anfassen<br />

Kinder <strong>im</strong> Konflikt trennen<br />

Kinder behutsam aber intensiv halten<br />

!<br />

!<br />

• Maßnahmen nach Konflikten<br />

!<br />

!<br />

gewünschtes Verhalten unterstützen<br />

- positive Ansätze bekräftigen<br />

- gewünschtes Verhalten auch bei anderen<br />

bekräftigen<br />

- an Einsicht appellieren<br />

!<br />

!<br />

!<br />

!<br />

!<br />

- Konfliktsituationen räumlich verlassen (neutralen Raum suchen)<br />

- Konfliktsituation emotional entflechten (beruhigen)<br />

4.Gefühle des Kindes beschreiben und interpretieren (als Frage formulieren: „könnte<br />

es sein dass du... ?")<br />

- Zeit geben, Druck herausnehmen<br />

- In der Nähe des Kindes / des Jugendlichen bleiben<br />

- Konfliktsituation durchsprechen<br />

- Verhalten und Konsequenzen des Pädagogen / der Pädagogin einsichtig werden<br />

lassen<br />

!<br />

!84


UND:<br />

- abgesprochene Regeln (Folgen der Regelverletzungen) einhalten<br />

- positive Ansätze betonen<br />

- alternative Verhaltensweisen erfragen, vorstellen, durchspielen<br />

!<br />

- Schritte dorthin festlegen und Jugendlichen auf dem Weg dorthin unterstützen
<br />

!85


!<br />

!86


6. Praxis<br />

6.1. Kleine Spiele<br />

Kriterien<br />

Am deutlichsten wird die Begriffsbest<strong>im</strong>mung Kleiner Spiele durch die Abgrenzung von<br />

Großen Spielen. Diese haben ein festgelegten Spielablauf, allgemein gültige<br />

Wettkampfbest<strong>im</strong>mungen und internationale Spielregeln. Im Unterschied dazu gelten für<br />

Kleine Spiele individuelle Kriterien.<br />

!<br />

• einfacher Spielgedanke<br />

• leicht erlernbar<br />

• unkomplizierter Spielverlauf<br />

• veränderbare Spielregeln<br />

• individuell auf Gruppe, Spielleiter und Gegebenheiten abst<strong>im</strong>mbar<br />

• keine Wettkampfbest<strong>im</strong>mungen<br />

Lernziele<br />

Affektiver Bereich<br />

• freudvolle, auflockernde Stundengestaltung<br />

• Motivation<br />

Soziale Bereich<br />

• miteinander<br />

• Rücksichtnahme, erlernen des FairPlay<br />

Motorischer Bereich<br />

!<br />

• Förderung motorischer Hauptbeanspruchungsformen (Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer,<br />

Geschicklichkeit, Beweglichkeit)<br />

Einsatzmöglichkeiten<br />

!<br />

• Stundenbeginn<br />

• Vorbereitung auf die großen Sportspiele<br />

• Festigung des angestrebten Lernziels<br />

• Vereins- und Spielfeste<br />

• Förderung von Sozialkompetenz<br />

!87


Spiele anleiten und variieren<br />

6.2. Kreatives Spielen<br />

Spiele leben von und mit ihrer Anleitung. Es müssen nicht zwangsläufig Spiele gespielt<br />

werden, die jeder kennt, sobald der Name genannt wird. Reizvoll sind auch solche Spiele, die<br />

bisher unbekannt sind.<br />

In jedem Fall sollte eine Überfütterung der Kinder vermieden werden, denn das geht zulasten<br />

des speziellen Ziels und schadet der Konzentration. Deshalb ist es durchaus angebracht,<br />

Spiele zu wiederholen. Gerade kleine Kinder brauchen Zeit, den Sinn des Spiels zu erfassen<br />

und die geforderte Spielfähigkeit zu erlernen. Erst das gekonnte Spiel macht Freude. Je<br />

kleiner die Kinder sind, desto wichtiger ist es, einfach strukturierte Spiele anzuwenden.<br />

Oftmals handelt es sich um spielerische Übungsformen, die keines Regelwerkes bedürfen.<br />

Dabei können durchaus Ideen und Bewegungsanregungen der Kinder aufgegriffen werden.<br />

Grundsätzlich sollte der Spielleiter Spiele vorstellen und anmoderieren, sich dann aber weit<br />

gehend heraus halten oder selbst zum Mitspieler werden. Das bedeutet, dass auftauchende<br />

Probleme möglichst von oder <strong>im</strong> Einverständnis mit den Kindern gelöst werden.<br />

Wichtig ist, dass alle Kinder <strong>im</strong> Spielgeschehen integriert sind und niemand aussetzen muss.<br />

Deshalb sind Ausscheidungsspiele ungeeignet. Anstelle des Ausscheidens sollten Alternativen<br />

überlegt werden, zum Beispiel Befreien oder Erlösen des Kindes ist möglich.<br />

!<br />

Planung des Spiels<br />

Folgende Vorüberlegungen müssen bei Auswahl und Durchführung eines Spieles angestellt<br />

werden:<br />

!<br />

• Alter beziehungsweise Entwicklungsstand der Mitspieler<br />

• Anzahl der Mitspieler<br />

• Beabsichtigte Belastungsintensität<br />

• Verfügbare Räumlichkeit<br />

• Materialbedarf<br />

• Zeit<br />

Ansage und Moderation<br />

Der Spielleiter erklärt das Spiel, d.h. das Ziel bzw. die Idee, Rahmenbedingungen (Spielfeld,<br />

Material, Mitspieler, Zeit) und die Regeln. Diese Erläuterungen sollten möglichst kurz und<br />

prägnant, aber vollständig sein. Bei kleinen Kindern ist es empfehlenswert, jedes Spiel in eine<br />

Geschichte zu verpacken, um so Fantasie und Kreativität der Kinder anzuregen. Für manche<br />

Spiele ist unabhängig vom Alter das Einbetten in eine Erzählung unabdingbar. Beispielsweise<br />

erscheint es nur dann sinnvoll, einen Geräteaufbau zu überwinden, wenn außen herum<br />

„wilde Tiere“ drohen oder ein „reißende Fluss“ fließt. Wenn für ein Spiel Gruppen oder<br />

!88


Teams benötigt werden, ist bei der Einteilung der Mannschaften Vorsicht geboten. Es gibt<br />

zahlreiche lustige oder unauffällige Möglichkeiten, Gruppen zusammenzustellen.<br />

!<br />

Sicherheit<br />

Besonders wichtig ist, dass der Spielleiter während des Spieles die Sicherheit <strong>im</strong> Auge hat.<br />

Schon zu Beginn muss er sich vergewissern, das Spielfeld, Material und so weiter kein Risiko<br />

bergen. Besteht irgendwo Verletzungsgefahr, muss diese entweder beseitigt oder - falls dies<br />

nicht möglich ist - drauf aufmerksam gemacht werden.<br />

Sobald der Spielleiter erkennt, dass das Spiel langweilig wird, die Kinder über- oder<br />

unterfordert, nicht alle Kinder einbezogen sind o.ä., muss er flexibel reagieren. Er hat<br />

mehrere Möglichkeiten, das Spielgeschehen zu beeinflussen, indem er Bedingungen<br />

modifiziert.<br />

!<br />

Spiele modifizieren<br />

!<br />

• verändern des Spielfeldes<br />

• verändern der Gruppengröße<br />

• verändern des Materials<br />

• verändern der Regeln<br />

• sonstige Variationen (mit der ungeübten Hand werfen, etc.)<br />

Spielverlauf<br />

Der Spielleiter fungiert als „Polizist“. Er legt vorher Regeln fest und bespricht mit den<br />

Kindern eventuelle Variationen. Bei Verstößen gegen die Regeln oder Begehung von Fehlern<br />

zeigt der Spielleiter diese auf und spricht die Konsequenzen aus, die vorher mit den Kindern<br />

überlegt wurden. Im günstigsten Fall, übernehmen die Kinder diese Rolle selbst und einigen<br />

sich ohne erwachsenen Schiedsrichter.<br />

!<br />

!<br />

!89


!<br />

6.3. Musik und Bewegung<br />

Kinder reagieren unmittelbar auf Rhythmik, zum Geräusch einer Rassel, Tönen einer<br />

Trommel oder Musik. Das damit verbundene Bedürfnis körperlicher Betätigung wird in<br />

Bewegungsliedern aufgegriffen. Ein Bewegungslied verknüpft Musik, Bewegung und Sprache<br />

und vermittelt dadurch Anregungen für eine bewegungsorientierte Spielidee. Folgende<br />

Aspekte werden <strong>im</strong> Bewegungslied geschult:<br />

• Freude an der Aktivität<br />

• Aufmerksamkeit<br />

• Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper<br />

• Ansprechen unterschiedlicher Sinne<br />

• Konzentration<br />

• Koordination<br />

• Raumorientierung<br />

• Kreativität<br />

• Miteinander<br />

Mit Musik lassen sich sehr viele Bewegungen einfacher ausführen. Der Rhythmus eines<br />

Liedes kann das Erlernen einer Bewegung erleichtern, die Melodie kann die Ausführung der<br />

Bewegung best<strong>im</strong>men, der Text kann zur Art der Bewegung an<strong>im</strong>ieren und gemeinsames<br />

Singen oder Summen das Miteinander fördern.<br />

!<br />

6.4. Kennenlern- bzw. Eisbrecherspiele<br />

!<br />

Kennenlern- bzw. Eisbrecherspiele sind sehr nützlich, um Kinder in eine bestehende Gruppe<br />

zu integrieren oder die Mitglieder einer neu entstandenen Gruppe miteinander bekannt zu<br />

machen. Sie erleichtern und fördern die Kontaktaufnahme und regen die Kommunikation<br />

zwischen den Kindern an.<br />

Banksortieren<br />

Alle Kinder stellen sich auf eine Turnbank. Dort erhalten sie<br />

Anweisungen, wie sie sich auf der Bank sortieren sollen. Eine<br />

Möglichkeit ist eine Aufreihung der Kinder nach ihrer Größe.<br />

Weitere Möglichkeiten sind zum Beispiel, sich nach dem<br />

Geburtsdatum oder dem Alphabet zu sortieren. Damit das<br />

Spiel eine Herausforderung wird, sollen die Kinder<br />

währenddessen nicht den Boden berühren.<br />

!90


!<br />

Kommissar<br />

Spielidee: alle laufen zu Musik durch die Halle. Bei Musikstop, kauern sich alle auf den<br />

Boden. Der Übungsleitern wirft eine Decke, Handtuch über ein Kind ruft „Augen auf!“. Wer<br />

von den anderen weiß, welches Kind verdeckt ist? Welche Kleidung hatte das Kind an?<br />

Material: Musik, Decke oder großes Handtuch<br />

Variationen:<br />

!<br />

• Zwei Kinder unter einer Decke<br />

• Mit zwei Decken zwei Kinder verstecken<br />

Gleich und Gleich<br />

Spielidee: die Kinder bewegen sich freien Raum. Auf Ansage durch den Übungsleiter suchen<br />

sie sich nacheinander mindestens ein anderes Kind, das:<br />

• die gleiche Haarfarbe hat<br />

• die gleiche Augenfarbe hat<br />

• <strong>im</strong> gleichen Monat Geburtstag hat<br />

• einen Vornamen hat, der mit dem gleichen Buchstaben beginnt wie der Eigene<br />

Das Spiel kann durch Musik begleitet werden. Solange die Musik spielt, gehen die<br />

Gruppenmitglieder, die sich gefunden haben, zusammen und sprechen miteinander. Immer<br />

wenn die Musik stoppt, wird eine neue Anweisung gegeben und es finden sich neue Paare, die<br />

dann eine Weile zusammen herumgehen.<br />

Material: Musik<br />

!<br />

Internationale Konferenz<br />

Spielidee: Die Kinder laufen durcheinander und versuchen möglichst viele andere<br />

kennenzulernen. Dabei begrüßen sich jeweils auf eine andere Art.<br />

!<br />

• Japanisch begrüßen (Be<strong>im</strong> Begegnen verbeugen und „Konnichi wa. Watashi no namae wa __<br />

desu“ sagen)<br />

• Chinesisch begrüßen (Sing-sang-Sprache „Hallo mein Name ist ....“ und dabei mit<br />

betenden Händen verbeugen)<br />

• Orientalisch mit „Salam“ (die rechte Hand streicht von der Stirn zum Nabel)<br />

• Wie in Frankreich, ein Küsschen links und rechts neben die Wange.<br />

• Kosakisch begrüßen (Arme vor Brust verschränken und dabei Kosakentanz machen)<br />

• Begrüßen wie in Amerika („Hi“, Give me Five!)<br />

!91


!<br />

6.5. Spiele zur Sozialkompetenz und den <strong>Judo</strong>werten<br />

!<br />

Verletztentransport<br />

Spielidee: Die Kinder gehen in<br />

Dreiergruppen zusammen, um<br />

anschließend als „Verletztentransport” einen<br />

Parcours zu durchlaufen. Hierzu stehen sich<br />

zwei Kinder gegenüber und fassen sich<br />

jeweils mit der rechten Hand an ihr eigenes<br />

linkes Handgelenk. Danach ergreifen sie mit<br />

ihrer freien linken Hand das rechte<br />

Handgelenk des anderen Kindes und bilden<br />

auf diese Art einen Sitz. Auf diesem Sitz<br />

n<strong>im</strong>mt nun das dritte Kind Platz und kann<br />

von den beiden ins „Krankenhaus”getragen<br />

werden.<br />

Material: Matten. Kästen, etc.<br />

!<br />

Virus-Spiel<br />

Hilfsbereitschaft<br />

Spielidee: Ein Bereich der <strong>Judo</strong>matte wird als Krankenhaus deklariert. Ein Teilnehmer ist der<br />

Fänger, das Virus. Jeder der gefangen wird legt sich auf den Boden und streckt die Arme und<br />

Beine von sich, sodass niemand gegen den Kopf der Liegenden rennen kann. Ziel des Spiels<br />

ist es möglichst viele „Kranke“ in das Krankenhaus zu transportieren. Dazu müssen <strong>im</strong>mer<br />

zwei Spieler gemeinsamen den Kranken an den Armen/Ärmeln fassen und ins Krankenhaus<br />

ziehen. Bei größeren Kindern und Jugendlichen können auch die Beine und Arme gefasst<br />

werden und der Kranke wird ins Krankenhaus getragen.<br />

Die Helfer, hier Sanitäter bezeichnet, sind sobald sie helfen gegen das Virus <strong>im</strong>mun und<br />

können während des Transports nicht gefangen werden.<br />

Variation:<br />

ÜL ruft „Hochwasser“ und zählt von 5 rückwärts. In der Zeit müssen alle ins Krankenhaus,<br />

das heißt alle müssen zusammen helfen, damit auch alle Kranken <strong>im</strong> Krankenhaus sind. Jedes<br />

Kind, dass es nicht geschafft hat, muss dann auf dem Bauch liegend ins Krankenhaus robben<br />

(schw<strong>im</strong>men). Die anderen Kinder müssen währenddessen für jedes dieser Kinder einen<br />

Hampelmann machen.
<br />

!92


Wertschätzung<br />

Jeder kann etwas<br />

Spielidee: Jedes Kind kann etwas besonderes oder hat etwas, dass alle anderen so nicht haben.<br />

Mit folgenden Wettbewerben findet die Gruppe dieses Besonderheit heraus:<br />

Wer kann am lustigsten mit den Ohren wackeln?<br />

Wer hat die blauesten Augen?<br />

Wer kann am lautesten Pfeifen?<br />

Wer kann am längsten auf einem Bein stehen?<br />

Wer kann einen Handstand?<br />

Bei den Wettkämpfen darf es lustig und auch ein bisschen albern zu gehen. Wichtig ist, die<br />

Wettbewerbe so auszuwählen, dass alle Kinder wenigsten einmal gewinnen. Sind die jeweils<br />

Besten gefunden, werden sie gebührend beklatscht und gefeiert.<br />

!<br />

Rettung aus dem Brunnen<br />

Spielidee: Die Gruppe sitzt <strong>im</strong> Kreis. Ein Kind steht in der Mitte. Es lässt sich plötzlich fallen<br />

und sagt: „Ich bin in den Brunnen gefallen.“ Die übrigen Kinder fragen Chor: „Wer soll dich<br />

retten?“ Das Kind <strong>im</strong> Brunnen nennt irgendeine positive soziale Verhaltensweisen.<br />

„Das Kind,<br />

• das am freundlichsten lachen kann.<br />

• dass mir das schönste Kompl<strong>im</strong>ent macht.<br />

• das mir den nettesten Spitznamen gibt.“<br />

Die Kinder <strong>im</strong> Kreis versuchen, diese Verhaltensweisen so überzeugend wie möglich<br />

auszuführen. Das Kind <strong>im</strong> Brunnen entscheidet, wer es am besten macht, lässt sich von<br />

diesem Kind retten, d.h. aufhelfen und tauscht mit ihm die Rolle.<br />

!<br />

!<br />

!93


Mut<br />

Herkuleskampf<br />

Spielidee: Die Herkulesaufgabe: Herkules hatte zwölf Aufgaben zu bewältigen. Eine davon<br />

war es einen Riesen zu besiegen dessen Mutter die Erde, Gaia, war. Herkules konnte den<br />

Riesen nur besiegen indem er ihn von der Erde hochgehoben hat.<br />

Die Teilnehmer greifen sich jeweils <strong>im</strong> O-goshigriff, eine Hand über dem Arm, eine Hand<br />

unter dem Arm. Ziel ist es jetzt für beide Kontrahenten den Partner auszuheben, sodass er<br />

den Boden nicht mehr berührt. Der Sieger wird zum Herkules, der Verlierer zum Riesen. Die<br />

Riesen gehen auf eine Seite die Herkulese auf die andere. Dort suchen sie sich wieder einen<br />

Gegner. Es entstehet so ein reger Wechsel und fast jeder wird einmal auf die Seite des<br />

Herkules wechseln.<br />

Im Anschluss werden Reflexionsfragen gestellt:<br />

!<br />

!<br />

!<br />

• Habt Ihr Euch an größeren Gegnern versucht?<br />

• Hattet Ihr den Mut auch Stärkere herauszufordern?<br />

Ehrlichkeit<br />

Es werden mind. drei Teams gebildet die in etwa gleich stark sind. Am Mattenende liegt für<br />

jedes Team ein Würfel. Jedes Team bekommt eine Teamanweisung. Es gibt ein<br />

Falschspielerteam. Diesem wird erklärt:<br />

Er seid eine Falschspielergruppe. Euer Ziel ist es durch betrügen, z.B. höheren Würfen oder<br />

weniger Ausführungen zu gewinnen.<br />

Die anderen bekommen folgende Anweisungen:<br />

Gebt Euer Bestes und strengt Euch richtig an. Mögen die Besten gewinnen!<br />

Es findet nun ein Staffelwettbewerb statt bei dem jede Gruppe mind. die Zahl 30 erreichen<br />

muss. Jeder Gruppenteilnehmer läuft nacheinander auf die andere Seite und würfelt. Er muss<br />

jetzt genauso viele Liegestützen/Drehungen um den Würfel/Sit-up etc. machen wie die<br />

Augenzahl anzeigt. Danach läuft er zurück und der Nächste ist dran. Die Gruppe hat<br />

gewonnen wenn sie mehr als 30 Wiederholung geschafft hat.<br />

Im Anschluss werden Reflexionsfragen gestellt:<br />

!<br />

• Kam es zu einem Streit? Warum kam es zu einem Streit?<br />

• Wie fühlt Ihr Euch als Sieger? (an die Falschspieler)<br />

• Was bedeutet Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit für Euch?<br />

!<br />

!94


Selbstbeherrschung<br />

Einfrieren und Schmelzen<br />

Spielidee: Die Teilnehmer laufen durcheinander. Auf Kommando oder Musikstop, sollen sie<br />

in der Bewegung einfrieren. Nun zählt der <strong>Trainer</strong> in verschiedenen Tempi von 5 auf 0. In<br />

diesem Tempo sollen die Teilnehmer zu Boden schmelzen und am Ende ohne<br />

Körperspannung auf dem Boden liegen, wie eine Wasserlache. Der Übungsleiter kann hier in<br />

einer Zeitspanne von 3 – 60 Sekunden von 5 auf 0 zählen. Wenn die Teilnehmer am Boden<br />

liegen sollen sie sich entspannen. Dies kann auch wieder zwischen 3 – 120 Sekunden sein.<br />

!<br />

Lachen ist gesund<br />

Lachen schafft eine positive Atmosphäre und ist ein guter Indikator für ein freundliches<br />

Gruppenkl<strong>im</strong>a. Dem Lachen sollte deshalb bewusst Raum gegeben werden.<br />

Spielidee: Die Gruppe steht oder sitzt <strong>im</strong> Kreis. Ein Kind geht in die Mitte und fordert mit<br />

einem Lächeln, schmeichelnden Worten und Gesten reihum die anderen auf: „Scheck mir ein<br />

Lächeln.“ Die angesprochenen müssen versuchen, ernst zu bleiben. Wer sich dennoch das<br />

Lachen nicht verkneifen kann und zu Lächeln beginnt, muss nun selbst in die Mitte und<br />

versuchen, andere ebenfalls zum Lachen zu bringen.<br />

!<br />

!<br />

!95


Freundschaft<br />

Ich mache eine Reise<br />

Spielidee: Die Basisidee basiert auf dem Spiel „Ich packe meinen Koffer“. Diese wird<br />

abgewandelt zu einem Bewegungsspiel. Jedes Kind soll die vorherigen Urlaubsaktionen<br />

zusammen mit dem Namen wiederholen.<br />

„Ich fahre in den Urlaub und dort mache ich <strong>Judo</strong>.“ - <strong>Judo</strong>bewegung<br />

„Ich fahre in den Urlaub und dort mache ich mit XY <strong>Judo</strong>“ - <strong>Judo</strong>bewegung - „und spiele …“<br />

Die ganze Gruppe soll <strong>im</strong>mer alles mitmachen und notfalls weiterhelfen.<br />

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Menschmaschine<br />

Spielidee: Die Gruppe erfindet aus allen Mitgliedern eine „Maschine“. D.h., alle Kinder<br />

werden so in Beziehung zueinander gebracht, dass sie einander berühren, an den Händen,<br />

den Armen, den Füßen, den Hüften und so weiter und in Bewegung geraten, sobald ein Kind<br />

sich bewegt. Bei großen Gruppen sollte das konstruieren einer „Menschmaschine“ zunächst<br />

in Kleingruppen ausprobiert und nach und nach erweitert werden. Wer möchte, kann die<br />

„Menschmaschine“ auch zum klingen bringen typische Maschinengeräusche machen lassen.<br />

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Heinzeln<br />

Spielidee: Die Bilder aller Kinder werden einzeln auf Zettel gedruckt. Diese werden<br />

gesammelt und gut gemischt. Jedes Kind zieht ein Bild eines anderen. In der nächsten Zeit<br />

soll es für dieses nun das Heinzelmännchen sein: d.h. es bemüht sich darum, es unauffällig zu<br />

unterstützen, ihm gegenüber besonders aufmerksam und freundlich zu sein oder ihm auf<br />

irgend einer Art und Weise etwas Gutes zu tun. Je nach Gruppensituation und Alter der<br />

Kinder kann das Heinzeln ganz unterschiedlich ausfallen. Immer sollte sich dabei um die<br />

ideelle Unterstützung handeln. Bei kleinen Kindern kann das Mitspielen-lassen, Nachgeben,<br />

Teilen von Spielmaterialien, trösten, oder Ähnliches sein.<br />

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Im Gespensterschloss<br />

Material: Luftballons<br />

6.6. Bewegungsgeschichten<br />

Max hat von nichts, wirklich vor nichts Angst. Um das zu beweisen hat er sich vorgenommen,<br />

den Gespenstern in Schloss Gruselstein ein Besuch abzustatten. Seit langem weiß er, dass alle<br />

Gespenster tagsüber tief und fest schlafen, und deshalb machte sich am frühen Morgen auf<br />

den Weg zum nahe gelegenen Schloss. Mutig öffnet er die schwere Holztür zur großen<br />

Eingangshalle und findet tatsächlich eine große Scharr Gespenster dort vor. Sie liegen überall<br />

auf dem Boden herum und schlafen so tief und fest wie nur Gespenster schlafen können.<br />

Aber bei allem Mut, so ganz geheuer ist Max die Sache nun doch nicht. Deshalb nähert er<br />

sich den Gespenstern ganz, ganz langsam, schleicht zuerst einmal vorsichtig um alle herum<br />

oder steigt über sie hinweg. Er achtet sehr sorgfältig darauf, keines der schlafenden Wesen zu<br />

berühren oder auf das Ende eines Gewandes zu treten. Aber es passiert nichts, kein einziger<br />

Geist wird wach. Deshalb rennt er jetzt, so schnell er kann, durch das<br />

Gespensterschlafz<strong>im</strong>mer.<br />

„He, ihr Schlafmützen“,<br />

ruft er, „nun wacht mal auf und bewegt euch ein bisschen!“ Nacheinander tippte er alle<br />

Gespenster an, kneift sie in die Nase, streicht Ihnen über den runden Kopf und kitzeln sie am<br />

Kinn. Je fester er kitzelt, umso mehr bewegen sich die Langschläfer hin und her.<br />

Aber aufwachen, nein, aufwachen tut wirklich keines. Ob ich sie mit der Fußspitze ein wenig<br />

schubse? Was kann mir schon passieren, ich probiere es einfach mal aus, denkt Max und freut<br />

sich darüber, wie lustig die schlafenden Gespenster durcheinander kullern.<br />

Super, das hat wirklich Spaß gemacht, freut sich Max. Aber jetzt will ich einmal ausprobieren,<br />

ob die Gespenster auch hüpfen können. Er n<strong>im</strong>mt einen Poltergeist nach dem anderen hoch<br />

und lässt ihn auf den Boden aufprellen. Hm, Hüpfen können sie ja ganz gut, aber leider<br />

liegen sie nach kurzer Zeit wieder unbeweglich am Boden. Nun, dann will ich doch einmal<br />

testen, ob es mir nicht gelingt, alle Geister am hopsen zu halten! Jetzt muss sich Max ganz<br />

schön sputen, muss alle aufmerksam beobachten, damit ja kein Gespenst zur Ruhe kommt.<br />

Immer wieder schlägt er leicht auf die Gespensterköpfe. Naja, manchmal prellte er sie auch<br />

ein wenig fester, damit die Geister etwas höher vom Boden weg kommen und nicht so schnell<br />

wieder herunterfahren…..<br />

(Auszug aus Bewegungsgeschichten; von Gisela Stein)<br />

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Wichtel<br />

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Wichtelkampf am See<br />

6.6.1. <strong>Judo</strong> lernen durch Geschichten<br />

Lernziel: Vorform von O-goshi<br />

Zwei Wichtel treffen sich an einem See. Sie knien an den gegenüberliegenden Seiten, und<br />

waschen sich zunächst die Hände <strong>im</strong> See. Dann gehen sie auf eine Seite des Sees und legen<br />

sich freundschaftlich den Arm auf den Rücken. Wichtel sind kleine Wesen und wollen <strong>im</strong>mer<br />

gerne groß sein, daher machen sie sich so groß wie möglich (<strong>im</strong> Kniestand). Sie sind beide ein<br />

wenig wasserscheu, doch um dem anderen zu helfen, versuchen sich nun gegenseitig in den<br />

See zu kippen.<br />

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Fliegerwichtel<br />

Lernziel: Fallschule seitwärts und Körperspannung<br />

Der Pilot-Wichtel legt sich auf den Rücken, Beine und Arme in die Luft. Der Flieger-Wichtel<br />

kniet vor den Beinen. Die Füße werden an die Oberschenkel (Leiste) des Flieger-Wichtel<br />

gesetzt, dieser lehnt sich ganz nach vorne über den Pilot-Wichtel bis Kopf über Kopf ist<br />

(Blickkontakt), gleichzeitig sind die Hände des Piloten-Wichtels an den Schultern des Flieger-<br />

Wichtels. Wenn der Flieger-Wichtel nicht mehr fliegen will, klappt er einen Flügel (Arm) ein<br />

und der Pilot-Wichtel legt ihn dann auf diese Seite ab, so dass er seitlich abrollt und<br />

Seitwärts-Fallschule machen kann.<br />

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Mich juckt´s am Rücken!<br />

Lernziel: Angriff aus der Unterlage, Festhaltetechnik und Höflichkeit<br />

Ein Wichtel ist in der Rückenlage, der andere Wichtel zwischen den Beinen. Wichtel 1 kommt<br />

hoch und sagt: „Mich juckt`s am Rücken“. Wichtel 2 greift ihm diagonal über die Schulter<br />

zum Kratzen, Wichtel 1 umarmt dabei Wichtel 2 und legt sich zurück, schunkelt, damit<br />

Wichtel 2 gut kratzen kann und dreht sich dann mit Wichtel 2 über dessen blockierten Arm<br />

und sagt „Danke“ zu Wichtel 2 und umarmt in weiterhin fest. (Tate-shio-gatame)<br />

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Superman<br />

Supermann-Strecksprung<br />

Lernziel: Kraft und Ausdauer<br />

Ein kleiner Wettbewerb, bei dem es darum geht,<br />

innerhalb einer Minute die meisten Sprünge zu<br />

absolvieren: Für einen Supermann-Strecksprung gehen<br />

die Kinder auf einer Weichbodenmatte soweit in die<br />

Hocke, dass sie mit einem möglichst geraden Rücken<br />

mit beiden Handflächen die Matte berühren. Aus dieser<br />

Position springen sie so hoch wie sie können und landen<br />

anschließend wieder in der Ausgangsposition, aus der<br />

sie erneut abspringen können. Auf jeder der vier Ecken<br />

der Matte kann ein Kind springen. Außerhalb der Matte steht ein weiteres Kind und zählt die<br />

Sprünge.<br />

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Supermans Tunnelflug<br />

Lernziel: Rolle vorwärts und Körperspannung<br />

Ein Kind macht einen Tunnel (hohe Bankposition). Der Superman/girl, fliegt oben auf dem<br />

Berg (liegt quer in Supermanposition auf dem Partner). Plötzlich kommt es zu einer<br />

Katastrophe <strong>im</strong> Tunnel und Superman muss so schnell wie möglich durch den Tunnel fliegen<br />

um alle zu retten. (Der ÜL gibt ein Signal, auf das die Kinder eine Rolle unter die Bank<br />

machen und schnell durchkriechen)<br />

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Supermans erster Flug<br />

Lernziel: O-goshi und Partnerkontrolle<br />

Superman hat ein Problem, er kann bisher wie be<strong>im</strong> Strecksprung nur geradeaus fliegen,<br />

doch er hat einen guten Freund der ihm helfen kann eine Kurve zu fliegen. Damit aber keiner<br />

davon erfährt sind beide so leise wie möglich. Zunächst stellt sich Superman in seine Flugpose<br />

- breitbeinig, ein Arm nach oben gestreckt, der andere in der Hüfte mit einer Faust<br />

abgestützt. Sein Freund legt <strong>im</strong> durch den aufgestützten Arm seinen Arm auf den Rücken.<br />

Nun lehnt sich Superman nach vorne gegen seinen Freund, dieser n<strong>im</strong>mt Supermans freien<br />

Arm und lässt in langsam und leise eine Kurve über seinen Rücken zu Boden fliegen.<br />

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Superman <strong>im</strong> Angriffsflug<br />

Lernziel: O-goshi aus der Bewegung, Mut<br />

Superman und sein Freund, J<strong>im</strong>my, müssen gegen einen mächtigen Feind kämpfen. Um<br />

diesen zu überraschen, muss Superman in einem schnellen Bogenflug angreifen. Dazu stellen<br />

sich die beiden Freunde nebeneinander und Superman hat schon seine Flugpose<br />

eingenommen. J<strong>im</strong>my hat die Hand wie bei allen Flügen um Supermans Hüfte gelegt und die<br />

andere an seinem Arm. Nun laufen beide so schnell sie gemeinsam können zum Kampfplatz<br />

(Weichbodenmatte), kurz davor bringt J<strong>im</strong>my die Hüfte vor Superman um ihm richtig<br />

Schwung zu geben und ihn schnell auf den Kampfplatz zu katapultieren.<br />

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Trolle und andere Fabelwesen<br />

Wer andern eine Grube gräbt<br />

Lernziel: O-soto-otoshi aus der Situation Uke zieht<br />

Ihr kennt doch alle das Sprichwort wer andern eine Grube gräbt fällt selbst hinein? Es gab<br />

einmal einen bösartigen Troll, der gerne alle in eine Schlammgrube ziehen wollte. Dazu<br />

stellte er sich mit dem Rücken zum Schlamm an den Rand seiner Grube, so dass ein Bein vor<br />

der Grube und eines daneben war. Nun schnappte er sich einen unschuldigen Menschen und<br />

versuchte ihn zu sich zu ziehen. Doch heute erwischte er den Falschen, er nahm sich nämlich<br />

einen <strong>Judo</strong>ka. Dieser zog zunächst dagegen, gab aber dann dem Zug nach und stellte nur ein<br />

Bein hinter den Troll und ließ ihn so selbst mit dem Rücken in die Schlammgrube fallen. Um<br />

dem Troll aber nicht weh zu tun hielt er dessen Arm fest. Dieser klatschte mit der freien<br />

Hand mächtig in den Schlamm und machte ein verdutztes Gesicht, freute sich aber als der<br />

<strong>Judo</strong>ka ihm gleich wieder aus dem Schlamm half, was dank der helfenden Hand sehr einfach<br />

ging. Beide sahen sich lächelnd an, denn sie hatten bei dieser „Schlammschlacht“ viel Spaß<br />

gehabt. „Komm lass und das öfter machen“ sagte der <strong>Judo</strong>ka und der Troll erwiderte:<br />

„Gerne!“ Und gleich darauf sah man die beiden wie sie sich voller Freude <strong>im</strong>mer wieder<br />

zogen, in den Schlamm warfen und wieder heraus halfen.<br />

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7. Aufsichtspflicht<br />

Allgemeine Begriffserklärung <strong>im</strong> Haftungsrecht:<br />

Kind 0 - 6 Jahre:<br />

Kind 7 - 10 Jahre:<br />

Kind 7 - 17 Jahre:<br />

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Haftung:<br />

Zivilrecht:<br />

Strafrecht:<br />

Vorsatz:<br />

keine Haftung des Kindes (hohe Aufsichtspflicht)<br />

keine Haftung des Kindes <strong>im</strong> Straßenverkehr (hohe Aufsichtspflicht)<br />

Haftung des Kindes je nach Einsichtsfähigkeit (außerhalb<br />

Straßenverkehr)<br />

Einstehen für einen best<strong>im</strong>mten Schaden<br />

ist durch das BGB geregelt; gegen viele zivilrechtliche Ansprüche kann<br />

man sich versichern<br />

regelt alles was strafbar ist und damit eine Ermittlung der<br />

Staatsanwaltschaft nach sich zieht; man kann sich dagegen nicht<br />

versichern<br />

Wissen und Wollen (bzw. in Kauf nehmen) der Tatumstände<br />

Grobe Fahrlässigkeit: außer Acht lassen grundlegender Verhaltensregeln<br />

Einf. Fahrlässigkeit:<br />

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Bedeutung der Aufsichtspflicht<br />

außer Acht lassen der notwendigen Sorgfalt, dagegen ist man als<br />

Jugendleiter <strong>im</strong> Sportverein gewöhnlich versichert<br />

Jeder junge Mensch untersteht, solange er minderjährig ist, der Personensorge eines<br />

Erziehungsberechtigten. Die Personensorge, umfasst nach §1631 BGB die Sorge für die<br />

Person des Kindes und das Recht und die Pflicht, das Kind zu erziehen, zu beaufsichtigen<br />

und seinen Aufenthalt zu best<strong>im</strong>men. Daher ist die zentrale und wichtigste Pflicht eines<br />

Betreuers oder Übungsleiters, Kinder/Jugendliche so zu beaufsichtigen, dass sie<br />

• selbst keinen Schaden erleiden (körperlicher, gesundheitlicher, sittlicher, geistiger oder<br />

seelischer Art, sowie Sachschäden durch Dritte)<br />

• keinem anderen Schaden zufügen.<br />

Die Aufsichtspflicht beginnt mit dem Erscheinen des ersten und endet mit dem Gehen des<br />

letzten Kindes.<br />

Das Maß der gebotenen Aufsicht richtet sich unter anderem nach Alter, Reife und Können<br />

des Minderjährigen (0-17 Jahre), den Fähigkeiten des Betreuers, der Art der Tätigkeit, den<br />

Grad der Voraussehbarkeit der Gefahr und nach der Zumutbarkeit für die Betreuer.<br />

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Maßnahmen zur Erfüllung der Aufsichtspflicht:<br />

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• Belehren und Warnen - Hinweis auf mögliche Gefahren.<br />

• Ge- & Verbote aussprechen: Aufstellen klarer und eindeutiger Regeln, die für die<br />

betreffende Altersklasse verständlich und nachvollziehbar sein müssen.<br />

• Überwachen: regelmäßiges Kontrollieren und Überprüfen, ob Regeln und Belehrungen<br />

verstanden wurden.<br />

• Eingreifen: Bei Verstoß gegen Verbote muss eingegriffen werden, wobei die Art und<br />

Weise von Pädagogik und Führungsstil abhängig ist.<br />

!Züchtigung ist tabu! Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung!<br />

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Aufsichtspflicht des Übungsleiters<br />

Kinder <strong>im</strong> Vorschulalter (bis circa sechs Jahre) sind <strong>im</strong> Normalfall durchgehen zu<br />

beaufsichtigen, bei bis zu 12-Jährigen sollte der Übungsleiter die Halle möglichst nie verlassen<br />

beziehungsweise die Kinder nicht alleine lassen. D.h. nicht, dass sich der Betreuer <strong>im</strong>mer <strong>im</strong><br />

„Griffweite“ der Kinder aufhalten muss, es reicht ein ständiger Blickkontakt und damit die<br />

Möglichkeit zum sofortigen Eingreifen in kritischen Situationen. Nur sofern nach objektiver<br />

Betrachtung keine Gefährdung der Teilnehmer oder Dritter besteht und eine jederzeitige<br />

Einwirkung gewährleistet ist, ist ein kurzzeitiges „aus den Augen lassen“ möglich, z. B. wenn<br />

sich der Betreuer kurzfristig um ein anderes Kind besonders kümmern muss.<br />

Im Allgemeinen genügend vernünftiges Denken und Handeln verbunden mit Sachkunde und<br />

Erfahrung, um seiner Aufsichtspflicht gerecht zu werden.<br />

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Verletzung der Aufsichtspflicht<br />

Wenn der Aufsichtspflichtige vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, liegt eine<br />

Aufsichtspflichtverletzung vor.<br />

Vorsatz heißt, dass der Betreuer eine Situation zumindest billigend in Kauf genommen hat.<br />

Fahrlässig bedeutet, dass die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde. Um das zu<br />

vermeiden, sollte man sich als Betreuer <strong>im</strong>mer überlegen, ob man auch alles unternommen<br />

hat, was bei normalerweise zu erwartendem Verlauf einer Situation dazu führt, dass kein<br />

Schaden eintritt. Die Grenzen zu haftungsrechtlichen relevanten groben Fahrlässigkeit sind<br />

überschritten, sobald der Betreuer ein Risiko erkennt und meint „es wird schon nichts<br />

passieren“. Bedingter Vorsatz liegt vorbei: „Hoffentlich geht's gut.“<br />

Vorsatz und Fahrlässigkeit sind sowohl <strong>im</strong> Zivilrecht als <strong>im</strong> Strafrecht relevant.<br />

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Verwendete und zitierte Literatur<br />

8. Anhang<br />

BARDEN, G.: Sport und Bewegungserziehung für sozialpädagogische Berufe, 2009<br />

Bayerische Sportjugend: Übungsleiter - B - <strong>Breitensport</strong> „Sport <strong>im</strong> <strong>Elementarbereich</strong>“, 2009<br />

Deutscher <strong>Judo</strong>bund: <strong>Judo</strong> spielend lernen, 2006<br />

Deutsche Sportjugend: Persönlichkeits- und Teamentwicklung Förderung psychosozialer<br />

Ressourcen <strong>im</strong> <strong>Judo</strong>, 2013<br />

Deutsche Sportjugend: Sport und Gewalt, 2001<br />

FRIEDRICH, W.: Opt<strong>im</strong>ales Sportwissen, 2009<br />

HERM, S.: Psychomotorische Spiele, 2007<br />

LOHAUS, A.; VIERHAUS, M.;MAASS, A.: Entwicklungspsychologie des Kindes- und<br />

Jugendalters für Bachelor, 2010<br />

MARTIN, D.; NICOLAUS, J.; OSTROWSKI, C.; ROST, K.: Handbuch Kinder- und<br />

Jugendtraining, 1999<br />

PORTMANN, R.: Die 50 besten Spiele für mehr Sozialkompetenz, 2009<br />

ROGGE, J.: Kinder brauchen Grenzen, Eltern setzen Grenzen, 2000<br />

RÖSNER, M.; KÜSGEN, B.:Rasende Retter, flotte Flitzer, 2013<br />

STEIN, G.: Bewegungsgeschichten, 2003<br />

WIERZ, J.: Kinder werden eine Gruppe, 2011<br />

ZIMMER, R.: Kreative Bewegungsspiele, 2009<br />

!<br />

Verwendete Artikel<br />

BECHSTEIN, M.: Motorische Entwicklungsförderung<br />

Deutsche Sportjugend: Bewegungskalendar 2012, 2011<br />

FISCHER, B.: Sprachentwicklung und Motorikentwicklung in den ersten 6 Lebensjahren<br />

Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik, Zürich: Psychomotorische Angebote für 2 bis<br />

4-jährige Kinder zur Förderung der Grob- und Feinmotorik - Bachelorarbeit, Mirella Corsini<br />

& Eliane Jauch, 2009<br />

KRENZ, A.: Das Spiel ist der Beruf des Kindes: das kindliche Spiel als Grundlage der<br />

Persönlichkeits- und Lernentwicklung von Kindern <strong>im</strong> Kindergartenalter<br />

OERTER, R.: Wie denken und lernen 3- bis 6 jährige? Entwicklungspsychologische<br />

Erkenntnisse und Aufgaben für Kinder <strong>im</strong> Alter von 3-6 Jahren<br />

<strong>Trainer</strong>akademie Köln: Motivation und Volition: Eine Einführung, Dr. Denise Beckmann<br />

<strong>Trainer</strong>akademie Köln: Aktuelles zum Lernen, Klaus Ortmanns, 2010<br />

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