Trainer-B Breitensport Judo im Elementarbereich
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<strong>Trainer</strong>-B <strong>Breitensport</strong><br />
<strong>Judo</strong> <strong>im</strong> <strong>Elementarbereich</strong><br />
"Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes<br />
Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." <br />
(Karl Friedrich Schiller)<br />
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Jens Keidel<br />
2014<br />
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Inhaltsverzeichnis<br />
<strong>Trainer</strong>-B <strong>Breitensport</strong> 1<br />
<strong>Judo</strong> <strong>im</strong> <strong>Elementarbereich</strong> 1<br />
Inhaltsverzeichnis 3<br />
1. Sport 5<br />
1.1. Definition Sport 6<br />
1.2. Funktionen des Sports 8<br />
2. Grundlagen der Bewegungserziehung 9<br />
2.1.1. Merkmale und Wichtigkeit des kindlichen Spiels 11<br />
2.1.2. Bedingungen zur Förderung des Spiels 13<br />
2.1.3. Spiele in verschiedenen Lebensaltern 16<br />
2.1.4. Spiele mit Wettkampfcharakter 17<br />
2.1.5. Spielen und <strong>Judo</strong>training 18<br />
2.2. Kindliche Entwicklung 19<br />
2.2.1. Entwicklungsschritte <strong>im</strong> Kindergarten- und Grundschulalter 20<br />
2.2.2. Wachstum 21<br />
2.2.3. Entwicklungsbesonderheiten 22<br />
2.2.4. Physiologische Entwicklung 23<br />
2.2.5 Motorische Entwicklung 27<br />
2.2.5.1. Entwicklung der grobmotorischen Fertigkeiten <strong>im</strong> Vorschulalter 30<br />
2.3. Konditionelle und koordinative Fähigkeiten/Fertigkeiten 37<br />
2.3.1. Kondition 37<br />
2.3.2. Koordination 37<br />
2.3.3. Bedeutung für die Bewegungserziehung 39<br />
2.4. Psychomotorik 41<br />
2.4.1. Wahrnehmung 43<br />
2.4.2. Sinneswahrnehmung 44<br />
2.4.3. Psychomotorische Übungsgeräte 46<br />
2.5. Ernährung und Bewegung 47<br />
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2.5.1. Umsetzung in der Bewegungserziehung 47<br />
3.1.1. Lernmodelle 51<br />
3.1.2. Methodische Rahmenbedingungen 53<br />
3.2. Planung und Aufbau einer Übungsstunde für Kinder 57<br />
3.2.1. Planungselemente einer Übungsstunde 58<br />
3.2.2. methodisch-didaktische Grundlagen der Bewegungserziehung 60<br />
3.3. Allgemeine Methodik einer Übungsstunde 61<br />
4. <strong>Judo</strong> spielend lernen 63<br />
4.1. Materialien zum „<strong>Judo</strong> spielend lernen“ 63<br />
4.2. Inhaltliches Programm 66<br />
4.3. Praktische Tipps für Übungsleiter/innen 69<br />
4.4. Beispiel für eine „Stickerplanung 70<br />
5. Auffälligkeiten 73<br />
5.1. Haltungs- und Bewegungsauffälligkeiten 73<br />
5.2. Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom 75<br />
5.2.1. Kernsymptome 75<br />
5.2.2. Konkrete Verhaltensauffälligkeiten 76<br />
5.2.3. Konsequenzen für die Bewegungsförderung 77<br />
5.3. Exkurs: Grenzen setzen 79<br />
6. Praxis 87<br />
6.1. Kleine Spiele 87<br />
6.2. Kreatives Spielen 88<br />
6.3. Musik und Bewegung 90<br />
6.4. Kennenlern- bzw. Eisbrecherspiele 90<br />
6.5. Spiele zur Sozialkompetenz und den <strong>Judo</strong>werten 92<br />
6.6. Bewegungsgeschichten 97<br />
6.6.1. <strong>Judo</strong> lernen durch Geschichten 98<br />
7. Aufsichtspflicht 101<br />
8. Anhang 103<br />
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1. Sport<br />
"Der Stellenwert des Sports <strong>im</strong> Kindesalter muss endlich erkannt werden: Er dient nicht nur<br />
zur Verbesserung der Motorik, sondern ist bedeutsam für die Entwicklung von kognitiven,<br />
sozialen und psychischen Kompetenzen und leistet nicht zuletzt einen nachhaltigen Beitrag<br />
zur Gesundheit. Sport ist durch nichts zu ersetzen. Jedes Kind, das sich gerne bewegt, soll dies<br />
auch dürfen, sei dies zu Hause, in der Schule oder auf öffentlichen Plätzen. Ich wünsche mir<br />
möglichst viele Erwachsene, die dieser Idee zum Durchbruch verhelfen." <br />
(Dr. phil. nat. Lukas Zahner, Universität Basel)<br />
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Definition Sport<br />
lat.: desportare = sich vergnügen<br />
„Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich<br />
Sport zu einem umgangs-sprachlichen,<br />
weltweit gebrauchten Begriff entwickelt.<br />
Eine präzise oder gar eindeutige begriffliche<br />
Abgrenzung lässt sich deshalb nicht<br />
vornehmen. Was <strong>im</strong> allgemeinen unter<br />
Sport verstanden wird, ist weniger eine<br />
Frage wissenschaftlicher<br />
D<strong>im</strong>ensionsanalysen, sondern wird weit<br />
mehr vom alltagstheoretischen Gebrauch<br />
sowie von den historisch gewachsenen und<br />
tradierten Einbindungen in soziale,<br />
ökonomische, politische und rechtliche<br />
Gegebenheiten best<strong>im</strong>mt. Darüber hinaus<br />
verändert, erweitert und differenziert das<br />
faktische Geschehen des Sporttreibens selbst<br />
das Begriffverständnis von Sport."<br />
(Röthig/Prohl Hrsg.: Sportwissenschaftliches<br />
Lexikon, 6. Aufl., Schorndorf 2003)<br />
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1.1. Definition Sport<br />
"Sport" - Vorschlag einer Definition<br />
"Sport" ist ein kulturelles Tätigkeitsfeld, in<br />
dem Menschen sich freiwillig in eine<br />
Beziehung zu anderen Menschen begeben<br />
mit der bewussten Absicht, ihre Fähigkeiten<br />
und Fertigkeiten insbesondere <strong>im</strong> Gebiet der<br />
Bewegungskunst zu entwickeln und sich mit<br />
diesen anderen Menschen auf Grundlage<br />
der gesellschaftlich akzeptierten ethischen<br />
Werte nach selbstgesetzten oder<br />
übernommenen Regeln zu vergleichen.<br />
(Prof. Dr. Claus Tiedemann (2013)<br />
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Zitate:<br />
„Der Sport ist eine Tätigkeitsform des Glücks. Und nicht<br />
zuletzt haben Mediziner und Psychologen festgestellt:<br />
Sport setzt Stoffe in unserem Körper frei, die wir als<br />
Glückshormone bezeichnen können. Wer Sport treibt, ist<br />
fröhlicher, opt<strong>im</strong>istischer als andere!“ <br />
Martin Kessel (1901-90), dt. Schriftsteller, 1954 Georg-Büchner-<br />
Preis<br />
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„Sport = Eine völkerverbindende Sache. Vor allem die<br />
Ärzte haben viel zu verbinden.“ <br />
Herbert Rosendorfer (*1937), dt. Schriftsteller<br />
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„Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine,<br />
Kürzt die öde Zeit,<br />
Und er schützt uns durch Vereine,<br />
Vor der Einsamkeit.“ <br />
Joach<strong>im</strong> Ringelnatz (1883-1934)<br />
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1.2. Funktionen des Sports<br />
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Biologisch:<br />
- Förderung der Gesundheit<br />
- Erhaltung der Gesundheit, körperliche Fitness<br />
Funktionen des<br />
Sports<br />
- Prävention, Rehabilitation<br />
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Sozial:<br />
- Kontakte knüpfen, Treffpunkt<br />
- Freizeitgestaltung<br />
- Integration<br />
- Aggressionsabbau<br />
- Erlernen von Fairness<br />
- Erlernen von Werten<br />
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Persönlich:<br />
- Persönlichkeitsentwicklung<br />
- Freude<br />
- Herausforderung, Erfahrung von individuellen Grenzen<br />
- Umgang mit Sieg und Niederlage<br />
- Leistungsgedanke<br />
- Suchtprävention<br />
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Politisch:<br />
- Völkerverständigung<br />
- nationale Identität<br />
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2. Grundlagen der Bewegungserziehung<br />
"Das Spiel ist der Beruf jedes Kindes!“<br />
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Bewegung und Sport gelten zu Recht als unverzichtbare Bestandteile der Erziehung des<br />
Kindes. Im Vorschulalter haben Bewegungserziehung, Turnen und Sport vor allem das Ziel,<br />
der natürlichen Lebensfreude des Kindes Raum zu geben und so das Wohlbefinden und die<br />
motorischen Fähigkeiten zu stärken und eine gesunde Entwicklung zu gewährleisten.<br />
Allerdings hat gerade in der frühen Kindheit die Förderung der motorischen Fertigkeiten eine<br />
Bedeutung, die weit über die körperliche Gesundheit hinausreicht und die Gesamtentwicklung<br />
des Kindes betrifft, und zwar Aspekte der emotionalen, geistigen und sozialen<br />
Entwicklung.<br />
Dr. Heinz Krombolz<br />
Zitate:<br />
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"Allzu oft wird Spiel als Zeitvertreib betrachtet, um Kinder<br />
ruhig zu halten bis sie erwachsen sind. Allzu oft wird Spiel<br />
auch als ein Bildungswerkzeug angesehen. Aber nur selten ist<br />
man sich der Tatsache bewusst, dass Kinder be<strong>im</strong> Spielen für<br />
das Leben lernen.“<br />
Jan van Gils, IPA Präsident 2005<br />
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"Be<strong>im</strong> Spielen lernen Kinder den Umgang mit anderen; sie probieren sich aus, entwickeln<br />
körperliche Fähigkeiten und geistige Talente. Darum müssen Kinder spielen dürfen... Ich<br />
freue mich besonders, wenn Erwachsene den Lärm spielender Kinder als Zukunftsmusik<br />
empfinden.“<br />
Horst Köhler, Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland<br />
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2.1.1. Merkmale und Wichtigkeit des kindlichen Spiels<br />
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Ein Kind geht vollkommen <strong>im</strong> Spiel auf und kann sich stundenlang mit einem Spiel oder<br />
einer spielerischen Tätigkeit beschäftigen, wenn es den richtigen Gehalt zwischen<br />
Anforderung und Gewohntem beinhaltet, wenn best<strong>im</strong>mte Spielregeln eingehalten werden,<br />
die jedoch <strong>im</strong> freien Spiel durch das Kind selbst best<strong>im</strong>mt worden und nicht von außen<br />
vorgegeben sind.<br />
Das Kind definiert demnach seine Handlung selbst und das Spiel erfüllt in der kindlichen<br />
Entwicklung verschieden Zwecke, es ist also keineswegs willkürlich oder zufällig, auch wenn es<br />
Außenstehenden so vorkommen mag. Der kindliche Bewegungsdrang spielt <strong>im</strong> kindlichen<br />
Spiel eine wichtige Rolle und ist stets Teil dessen.<br />
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Spielen in der kindlichen Entwicklung gibt dem Kind die Möglichkeit:<br />
Oft sind<br />
Umwege<br />
schnellere<br />
Wege zum Ziel.<br />
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• Erlebtes zu verarbeiten<br />
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• eine elementare und (für das Kind) angemessene<br />
Ausdrucksform zu finden<br />
• Handlungsalternativen auszuprobieren<br />
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• Rollen- und Perspektivwechsel zu erproben<br />
• emotionale und soziale Bindung zu Personen und<br />
Umwelt herzustellen<br />
Spielen zeichnet sich als lustbetonte Bewegungsform aus und kann dementsprechend als<br />
Trainingsmittel eingesetzt werden, um eine lustbetonte, motivierende und kindgerechte<br />
Lernatmosphäre innerhalb des Trainings zu schaffen. Das spielende Kind versteht sich als<br />
autonom handelnde Person, das seine Umwelt und Bewegungshandeln aktiv gestaltet.<br />
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Merkmale des kindlichen Spiels<br />
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• Freiwilligkeit und Variationen in den spielerischen Tätigkeiten<br />
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• zweckentfremdetes und kreatives Handeln<br />
• neue und überraschende Situationen<br />
• Grenzen zu setzen und dies eventuell verschieben<br />
• soziale Aspekte <strong>im</strong> Als-ob-Spiel, Realitäts- und Fantasieabgleich<br />
• Freude<br />
• Freiwilligkeit<br />
• Selbstzweck, d.h. unabhängig vom äußerem Nutzen<br />
Grundlegende Spielformen sind:<br />
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• das Spiel mit<br />
• das Spiel als<br />
• das Spiel um etwas<br />
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2.1.2. Bedingungen zur Förderung des Spiels<br />
Wenn das Spiel des Kindes als eine grundlegende Haupttätigkeit seines Lebens gesehen<br />
und als solche auch eingestuft werden muss, dann ist es erforderlich, dass Kinder auch<br />
entsprechende Spielbedingungen benötigen, um entsprechende Entwicklungsprozesse auf- und<br />
auszubauen. Entsprechend der Beschaffenheit dieser Bedingungen wird das Spielverhalten<br />
von Kindern eher gefördert oder behindert - schl<strong>im</strong>mstenfalls unterbunden. Gleichzeitig<br />
ermöglichen oder verhindern die vorhandenen Spielbedingungen die vielfältigen<br />
Spielformen, die jede für sich ganz spezifische Lernerfahrungen initiiert und in einen weiteren<br />
Gestaltungsprozess führt. Grundsätzlich zählen zu den wesentlichen Spielbedingungen die<br />
Merkmale Zeit, Platz, Materialien, Mitspieler/innen, Entscheidungsfreiheit und Ruhe (vgl.<br />
Baer 1981, S. 39 ff.):<br />
!<br />
• Zeit<br />
Je jünger die Kinder sind, desto intensiver sind sie ganz in ihren Spielen vertieft.<br />
Beobachtungen haben ergeben, dass kleine Kinder bis zu neun Stunden am Tag spielen,<br />
wenn man ihnen die Möglichkeit dafür einräumt. Spielen ist die Zeit, die frei von äußeren<br />
Erwartungen oder Verpflichtungen ist, und sie ist für Kinder <strong>im</strong>mer ausgefüllt. Dabei spielt es<br />
keine Rolle, ob sie auch tatsächlich - von einer Außensicht betrachtet - <strong>im</strong>mer "aktiv" sind.<br />
Das Spielen ist durch Tätigkeiten und zurückgezogenes Beobachtungen, wildes Agieren und<br />
stummes Betrachten, Gespräche mit anderen und eine innere Zwiesprache mit sich selbst<br />
gekennzeichnet, in denen das Kind seinem subjektiven Spielerlebnis nachgeht.<br />
Unterbrechungen oder Zeitabbrüche stören diesen Ereignisprozess ganz erheblich.<br />
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• Platz<br />
Zunächst nutzen kleinere Kinder ihren unmittelbaren Lebensraum für ihre Spielaktivitäten.<br />
Solange sie noch <strong>im</strong> Kinderwagen oder <strong>im</strong> "Laufstall" sind und noch nicht den freien Gang<br />
beherrschen, fixieren sie sich auf ihre eigene, kleine Spielfläche. Mit zunehmendem Alter<br />
richten sie ihre ganze Aufmerksamkeit allerdings auch auf ihr gesamtes, weiteres Umfeld. So<br />
werden alle Räume der Wohnung, der eigene Garten und/ oder öffentliche Rasen- und<br />
Spielflächen, öffentliche Plätze, Wiesen und Wälder, die Wohnungen ihrer Spielkameraden<br />
und alle zur Verfügung stehenden Flächen zu ihrem Spielplatz, den sie nach eigenen<br />
Vorstellungen und Möglichkeiten (um-) gestalten und nutzen. Angesichts der Tatsache, dass<br />
alle Spielräume ihren eigenen Charakter und ihre eigenen Besonderheiten besitzen, ist es<br />
notwendig, dass Kinder diese unterschiedlichen Spielorte kennen lernen und nutzen, damit<br />
sie vielfältigste Erfahrungen in abwechslungsreicher Umgebung und großzügiger Vielfalt<br />
machen können. Es bleibt nicht aus, dass Kinder aufgrund eigener Spielvorstellungen andere<br />
Maßstäbe an Ordnung oder Sauberkeit anlegen als Erwachsene! Sie sollten daher darauf<br />
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achten, das Spiel der Kinder nicht durch einengende Regeln oder normativ geprägte<br />
Erwartungen einzuschränken, unattraktiv werden zu lassen oder gar zu unterbinden.<br />
!<br />
• Materialien<br />
So vielfältig die Spielformen und Ausdrucksmöglichkeiten der Kinder sind, so vielfältig sind<br />
ihre Spielmaterialien. Ob es der eigene Körper ist (m<strong>im</strong>isches Ausdrucksspiel) oder ob es die<br />
unterschiedlichsten Materialien zum Bauen und Werken sind, die zur Herstellung von<br />
Spielgegenständen benötigt werden, ob es Verkleidungsutensilien für das Rollenspiel oder<br />
Bäume und große Steine sind, die zu Kletter- und Fangspielen einladen, ob ein<br />
unübersichtliches Gelände zum Versteckspiel dient oder Zelte und Höhlen als Burgen<br />
umgedeutet werden, ausgediente Elektrogeräte zum Zerlegen als Fundus für<br />
Exper<strong>im</strong>entierspiele benötigt werden oder - selbst entwickelte - Musikinstrumente die<br />
Fantasie anregen, Stifte und Farben zum Malen oder zur endgültigen Gestaltung von<br />
Kulissen eingesetzt werden - <strong>im</strong>mer sind es vielfältigste und sehr unterschiedliche Dinge, die<br />
das Spiel reichhaltiger werden lassen. Bei allen Materialien geht es aber nicht in erster Linie<br />
um fertige Spielmittel - vielmehr müssen die Materialien auch <strong>im</strong>mer wieder entgegen ihrer<br />
funktionalen Best<strong>im</strong>mung zweckentfremdet werden können und veränderbar sein, Neugierde<br />
provozieren und die Fantasie des spielenden Kindes anregen (Anmerkung: Im klassischen<br />
Verständnis des Spiels sind daher "Spiele" mit dem Gameboy oder PC-"Spiele" Beschäftigungen<br />
und keine Spiele!).<br />
!<br />
• Mitspieler/innen<br />
Da das Spiel - je nach Spielform und Absicht des Kindes - sehr unterschiedliche Funktionen<br />
besitzt, ermöglicht es der spielenden Person, entweder mit sich alleine und dem Spiel zu<br />
kommunizieren oder mit sich, dem Spiel und anderen Menschen (Gleichaltrigen, älteren und<br />
jüngeren Kindern, Eltern, Großeltern, Nachbarschaftskindern oder Erzieher/innen) zu<br />
interagieren. So kann das Kind in diesen Spielsituationen Erlebnisse, Erfahrungen und<br />
(Sinnes-) Eindrücke verarbeiten, zukünftige, für das Kind bedeutsame Situationen kognitiv<br />
bzw. emotional ordnen oder "einfach nur" mit Freude eine Spielhandlung erleben. Doch bei<br />
allen Spielerlebnissen gibt es einen "roten Faden": Das Spiel unterstützt das Kind dabei, seine<br />
eigene Identität zu finden bzw. zu stabilisieren bzw. seine soziale Kompetenz zu erweitern.<br />
Und hierbei bekommt es Hilfe und Anregungen durch seine Mitspieler/innen. Sie sind es, die<br />
durch ihre Spiel<strong>im</strong>pulse neue Aspekte in ein Spiel hineintragen und so dafür sorgen, dass das<br />
spielende Kind zu neuen, inneren Auseinandersetzungen finden kann.<br />
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• Entscheidungsfreiheit<br />
Da jedes Spiel aus seiner "Zweckfreiheit" heraus lebt und durch sich selbst zum Umgang mit<br />
den Spielmaterialien bzw. Mitspieler/innen auffordert, gewinnt jedes Spiel für Kinder nur<br />
dadurch einen (An-) Reiz, wenn es für das Kind motivierende Merkmale enthält. So lebt das<br />
!14
Spiel in erster Linie aus der kindeigenen Freude heraus, sich auf die Spielhandlung selbst<br />
einlassen zu wollen. In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass <strong>im</strong>mer wieder zwischen<br />
"sinnvollen" (konstruktiven) und "sinnlosen" (destruktiven) Spielen unterschieden wird. Eine<br />
solche Differenzierung ist weder fachdidaktisch noch entwicklungspsychologisch haltbar, weil<br />
jedes Kinderspiel sinnvoll und damit entwicklungsbedeutsam ist. Gerade so genannte<br />
"didaktisierte Spiele" bieten kaum die Möglichkeit, eigenen Fantasien und kreativen<br />
Gestaltungsmöglichkeiten nachgehen zu können. Wo dann durch Erwachsene entsprechende<br />
Spielreglementierungen folgen oder gar disziplinierend auf Kinder eingewirkt werden soll, ist<br />
der Sinn eines Spiels <strong>im</strong> originären Sinne nicht mehr vorhanden.<br />
!<br />
• Ruhe<br />
Auch wenn es bei den unterschiedlichsten Spielformen häufig lebendig und laut zugeht,<br />
brauchen Kinder Ruhe, um sich weitestgehend ungestört in ihren Spielsituationen wohl<br />
fühlen zu können. Nahezu jedes Spiel ist durch einen Spielaufbau gekennzeichnet - so gibt es<br />
einen Einstieg, eine intensive Hauptphase und einen Abschluss. Störungen von außen würden<br />
dabei diese Struktur unterbrechen und für Kinder durcheinander bringen. Mögen manche<br />
"Ratschläge" der Erwachsenen auch noch so gut gemeint sein, ein Spiel so oder so zu<br />
gestalten, ändert dies nichts an der Tatsache, dass Spielabläufe dadurch eine andere Wendung<br />
als vom Kind beabsichtigt bekommen. Damit kann sich ein Kind aber nicht mehr in sein Spiel<br />
fallen lassen. <br />
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2.1.3. Spiele in verschiedenen Lebensaltern<br />
Alter in Jahren dominierende Spielform Kennzeichen<br />
0 - 2 Funktionsspiele !•! spontanes Entdecken<br />
!•! Bewegungsvollzug wichtig<br />
!•! Spielzeug wenig berücksichtigt<br />
!•! „Funktionieren“ des Gegenstandes<br />
!•! Entdecken des eigenen Körpers <strong>im</strong> Mittelpunkt<br />
!•! zahlreiche Wiederholungen<br />
!•! Erwachsener darf Mitmachen<br />
Beispiele: Ball wegwerfen und holen lassen, Sand in Förmchen füllen<br />
2 - 4 u. später Konstruktionsspiele !•! sachgerechter Umgang mit dem Spielmaterial<br />
!•! kennenlernen von Objekteigenschaften<br />
!•! praktisches Problemlösen<br />
!•! kreatives Handeln<br />
Beispiele: Bau eines Turmes, Bewegungsbaustelle<br />
2 - 4 Fiktions-/Illusionsspiele • Gegenstände bekommen bewusst andere<br />
Bedeutung<br />
• Entwicklung des Vorstellungsvermögens<br />
• Ergebnis einer Handlung kann vorweggenommen<br />
werden (Vorübung für das Denken)<br />
Beispiele: Seil wird zur Schlange oder Angel, „Kuchen“ aus Sand „essen“<br />
4 - 6 Rollenspiele !•! Identifikation mit bekannter Person<br />
!•! Nachahmen<br />
➡ kann be<strong>im</strong> Bewegen umgesetzt und gefördert<br />
werden<br />
➡ kann zum Angst-, Aggressions- und<br />
Spannungsabbau genutzt werden<br />
Beispiele: Vater, Mutter, Baby, o.ä. spielen, Tiere <strong>im</strong>itieren, Fahrzeuge spielen<br />
ab 5/6 Regel-Wettspiele !•! verstärktes Miteinander<br />
!•! anfangs Wunsch nach strenger Einhaltung der<br />
Regeln<br />
!•! Konkurrenzverhalten - Vorsicht, nicht forcieren!<br />
Beispiele: Memory, Staffeln<br />
Tab.: Alter und vorherrschende Spielform (Z<strong>im</strong>mer 1993)<br />
!16
!<br />
2.1.4. Spiele mit Wettkampfcharakter<br />
Das Wetteifern ist bereits ab ca. 3 Jahren zu beobachten. Dieses Bedürfnis sich zu messen,<br />
wird als Leistungsmotivation bezeichnet. Der „Grad“ und Art der Leistungsmotivation wird<br />
in den ersten Lebensjahren gelegt.<br />
Es benötigt Einfühlungsvermögen von Seiten des <strong>Trainer</strong>s, um die Kinder darin zu<br />
unterstützen, ihr Selbstwertgefühl nicht durch Sieg und Niederlage aus dem Spiel mit<br />
anderen Kindern zu gewinnen, sondern dies aus ihrer eigenen Leistung zu ziehen. Die<br />
Tatsache, dass ein Kind die Übung heute besser als be<strong>im</strong> letzten Mal kann, soll Anreiz geben<br />
und zu weiterem Tun anregen und nicht ein Hinweis, dass ein anderes Kind die Übung<br />
besser ausführt. Im Sinne des pädagogischen Ansatzes sollte die soziale Entwicklung der<br />
Kinder in Spielsituationen gefördert werden, bei denen Rücksichtnahme und gemeinsame<br />
Problemlösung <strong>im</strong> Vordergrund stehen.<br />
(siehe „Persönlichkeit- und Teamentwicklung <strong>im</strong> <strong>Judo</strong>“ DSJ 2013)<br />
!<br />
• Nie Kinder ausscheiden lassen, sondern <strong>im</strong>mer mit Erlösen spielen bzw.<br />
alternative Aufgabenstellungen wählen<br />
• Fänger ablösen oder durch weitere Fänger unterstützen bevor<br />
Frusterlebnis einsetzt<br />
!<br />
Exkurs: Hoffen auf Erfolg oder Angst vor Misserfolg<br />
!<br />
Heckhausen (1989) konnte nachweisen, dass bereits Kinder <strong>im</strong> Alter zwischen zweieinhalb und<br />
drei Jahren bei ihren Spielen wetteifern und Erfolg oder Misserfolg erleben und zum<br />
Ausdruck bringen können. Er n<strong>im</strong>mt an, dass in der Entwicklung des Leistungsmotivs die<br />
frühe Kindheit eine prägende Wirkung hat. Im Alter von fünf Jahren konnten bereits<br />
unterschiedliche Wahl- und Konfliktstrategien bei Leistungsanforderungen nachgewiesen<br />
werden. Bei Zehnjährigen hat sich das Leistungsmotiv bereits so stark stabilisiert, dass<br />
Vorhersagen des Leistungsverhaltens <strong>im</strong> Erwachsenenalter möglich sind.<br />
!<br />
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!<br />
2.1.5. Spielen und <strong>Judo</strong>training<br />
Das Training muss demnach dem Kind entsprechen aufgebaut werden. Das schließt die<br />
Leistungsmotivation, die körperlichen und psychosozialen Voraussetzungen, wie auch das<br />
Gruppenverhalten mit ein. Entwicklungsbezogenheit <strong>im</strong> Zuge von pädagogischen<br />
Trainingsprinzipien sollten gewährleisten, dass sich Training und Trainingsbelastung am<br />
individuellen Entwicklungsstand, den jeweiligen Leistungsvoraussetzungen, der Belastbarkeit<br />
und den besonders günstigen Entwicklungsabschnitten der Kinder orientieren.<br />
!<br />
Durch spielen können die Kinder dort abgeholt werden wo sie sind. In der konkreten<br />
Umsetzung bedeutet das:<br />
• Dem kindlichen Bewegungs- und Spieldrang <strong>im</strong> Training Raum geben durch verschiedene<br />
abwechslungsreiche Angebote<br />
• Keine Überforderung durch zu lange Technikeinheiten, die die Aufmerksamkeitsspanne der<br />
Kinder überstrapaziert<br />
• Ein gutes Maß an bekannten und neuen Dingen liefern<br />
• <strong>Judo</strong>techniken durch gezielte Spiele vorbereiten, eventuell sogar Techniktraining durch<br />
Spielen ersetzen<br />
• Kreativität in der Stundenentwicklung, um verschiedenste Bewegungs- und Spielformen für<br />
die Übungsstunde zu sammeln<br />
• Den Kindern in der Umsetzung einen Handlungsspielraum lassen ➢ Nicht <strong>im</strong>mer konkrete<br />
Lösungsvorschläge liefern, damit die Kinder sich selbst (Bewegungs-) Lösungen ausdenken<br />
können.<br />
!<br />
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2.2. Kindliche Entwicklung<br />
Misserfolge verhindern die Motivation für weitere Versuche.<br />
!<br />
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2.2.1. Entwicklungsschritte <strong>im</strong> Kindergarten- und<br />
Grundschulalter<br />
Kindergartenalter:<br />
!<br />
!<br />
!<br />
• Sprachentwicklung<br />
• Selbstständigkeit in Alltagsanforderungen und Situationen<br />
• verbesserte Selbstregulierung und Frustrationstoleranz<br />
• Soziale Integration in gleichaltrigen Gruppen<br />
• intensive Spieltätigkeit, Fantasie- und Rollenspiele<br />
• Normen und Werte erkennen und akzeptieren sowie<br />
Grundschulalter:<br />
!<br />
!<br />
Regelakzeptanz<br />
• Lesen und Schreiben lernen<br />
• Grundfertigkeiten und -funktionen des Rechnens lernen<br />
• angemessenes Schulverhalten zeigen<br />
• soziale Verhaltensregeln lernen und befolgen<br />
• Anschluss an Gleichaltrige und Aufbau von Freundschaften<br />
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2.2.2. Wachstum<br />
Kinder und Jugendliche unterscheiden sich sportbiologisch durch das Wachstum vom<br />
Erwachsenen. Dadurch ergeben sich viele physische, psychische und soziale Veränderung und<br />
Entwicklungsbesonderheiten. Diese sind bei der sportlichen und körperlichen Aktivität zu<br />
berücksichtigen.<br />
!<br />
Wachstumsproportionen<br />
Das Wachstum verläuft nicht linear, sondern in Schüben. Im 1.Lebensjahr ist die<br />
Größenzunahme des Körpers, die Gewichtszunahme und die Entwicklung der Organe am<br />
stärksten, fällt dann innerhalb des Kleinkindalters steil ab und erreicht <strong>im</strong> Vorschulalter<br />
relativ stabile Werte. Die Wachstumsintensität verschiedener Körperregionen ist sehr<br />
unterschiedlich. Es kommt zu Veränderungen der Körperproportionen und somit der<br />
Hebelverhältnisse. Die daraus resultierenden Disharmonien beeinflussen die sportliche<br />
Leistungsfähigkeit.<br />
!<br />
!21
!<br />
2.2.3. Entwicklungsbesonderheiten<br />
!<br />
Eine schematische Einteilung der Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen zeigt<br />
nachfolgendes Schema, wobei zu beachten ist, dass individuelle Unterschiede die<br />
Altersangabe und deren Merkmale relativieren.<br />
!<br />
• Akzeleration = beschleunigte Entwicklung<br />
• Retardierung = verlangsamte Entwicklung<br />
!<br />
Entwicklungsstufen kalendarisches Alter Besonderheiten<br />
Säuglingsalter 0 - 1 Phase der Reflexe<br />
(Reiz- Reaktions - Lernen)<br />
Kleinkindalter 1 - 3<br />
Vorschulalter 3 - 6/7 starker Spiel- und Bewegungsdrang<br />
geringe Konzentrationsfähigkeit<br />
frühes Schulkindalter 6/7 - 10 erster Gestaltwandel<br />
spätes Schulkindalter<br />
Pubeszenz<br />
Adolezenz<br />
10 -11/12 ♀<br />
10 - 12/13 ♂<br />
11/12 - 13/14 ♀<br />
12/13 - 14/15 ♂<br />
13/14 - 17/18 ♀<br />
14/15 - 18/19 ♂<br />
verbessertes Kraft-Last-Verhältnis<br />
zweiter Gestaltwandel<br />
Reharmonisierung; Kraftzuwachs<br />
Erwachsenenalter jenseits 17/18 bzw. 18/19<br />
!<br />
Tab.: Einteilung der Entwicklungsstufen nach dem kalendarischen Alter (Weineck 1990)<br />
!<br />
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2.2.4. Physiologische Entwicklung<br />
!<br />
Stütz- und Bewegungsapparat<br />
• physiologische Schwingungen der Wirbelsäule noch nicht ausgebildet<br />
• Muskulatur zum Teil noch schwach (vor allem bezüglich Haltearbeit)<br />
• Verminderte Druck- und Biegefestigkeit der Knochen (wegen geringerer<br />
Kalkeinlagerungen)<br />
!<br />
➢ Konsequenzen für Bewegungserziehung:<br />
• Statische Belastungen vermeiden<br />
• Vorwiegend dynamische Kräftigungsübungen (stürzen, klettern, springen, hüpfen, kriechen,<br />
hängen, schieben,…)<br />
• Keine Zusatzbelastungen, keine schweren Gegenstände (nur eigenes Körpergewicht)<br />
• Einseitige Belastungen meiden<br />
• Allgemeine Kräftigungs- und Dehnübungen<br />
!<br />
Herz- Kreislaufsystem<br />
Die Herzfrequenz des Kindes ist gegenüber der des Erwachsenen deutlich erhöht. Bei<br />
Belastung kommt es zu einer weiteren Erhöhung.<br />
!<br />
➢ Konsequenzen für Bewegungserziehung:<br />
Da Werte über 170 Schläge pro Minute unökonomisch für die Herzkreislauf Leistung sind, ist<br />
eine Dauerbelastung erst ratsam, wenn der Schlagvolumen vergrößert ist. Zunächst sollte<br />
dann in Intervallen mit langen Erholungspausen geübt werden.<br />
!<br />
!<br />
!23
Atmung<br />
Bei Kindern ist das Atemzugvolumen vermindert, die Atemfrequenz erhöht, d.h. sie atmen<br />
weniger tief ein und aus, dafür umso öfter. Das führt bei Belastung zu hechelnder Atmung.<br />
Mit zunehmender Kräftigung der Atemmuskulatur kommt es zur Erhöhung der<br />
Vitalkapazität der Lunge und damit zu einem höheren Angebot an Sauerstoff.<br />
!<br />
➢ Konsequenzen für Bewegungserziehung:<br />
Spielerisch kann dieser Prozess geübt und verbessert werden, z.B. durch Luftballonblasen,<br />
Singen, Partnermarathon, usw.<br />
!<br />
Sauerstoffaufnahme<br />
Die Energiebereitstellung bei Kindern kann nur kurzzeitig anaerob, d.h. ohne Zuhilfenahme<br />
von Sauerstoff erfolgen.<br />
!<br />
➢ Konsequenzen für Bewegungserziehung:<br />
Das bedeutet, dass nach einer kurzen Belastung genügend Pausenzeit eingeräumt werden<br />
muss.<br />
!<br />
Grundsätze physiologischer Belastung<br />
!<br />
Belastung definiert sich in einer gestellten Aufgabe, die körperliche Leistung fordert. Da jeder<br />
Mensch anders trainiert ist, ergeben sich unterschiedliche Beanspruchungen. Das bedeutet,<br />
dass dieselbe physiologische Belastung individuelle Beanspruchungen nach sich zieht. Wenn<br />
die Belastung zu Anpassungserscheinungen (das heißt physiologischen Veränderungen) führen<br />
soll, muss der Reiz überschwellig sein. Einfach ausgedrückt heißt das, dass der<br />
Schwierigkeitsgrad der gestellten Aufgabe für den Einzelnen so hoch sein muss, dass er über<br />
sein normales maß gefordert ist. Anderseits darf die Anforderung nicht zu groß sein.<br />
!<br />
Schultz-Arndtsche-Regel:<br />
• Zu geringe Reize haben keine Wirkung<br />
• Schwache Reize regen Lebenstätigkeit an<br />
• Mittlere bis starke Reize lösen Anpassungsvorgänge aus<br />
• Zu starke Reize können lähmend und schädigend wirken <br />
!24
Belastung <strong>im</strong> <strong>Elementarbereich</strong><br />
!<br />
Im <strong>Elementarbereich</strong> steht die Adaption (Anpassung) der Morphologie (betrifft Herz- und<br />
Muskelzunahme und körperliche Gestalt) nicht <strong>im</strong> Vordergrund. Der<br />
trainingswissenschaftliche Aspekt spielt in der Bewegungserziehung nur eine untergeordnete<br />
Rolle. Positiver Einfluss auf das vegetative System (Herz, Kreislauf und Atmung) ist ein<br />
willkommener Effekt, der nicht in jedem Fall forciert wird. Gerade <strong>im</strong> Vorschulalter muss mit<br />
starken Reizen behutsam umgegangen werden, da hohe Belastungen durchaus schädigende<br />
Wirkung haben können (siehe Kapitel sportmotorische Entwicklung). Deshalb geht es nicht<br />
darum, gezielt am Schwellenwert zu arbeiten, sondern die Kinder mit Spaß zu Bewegung zu<br />
an<strong>im</strong>ieren. Wichtig ist, die Kinder nicht durch Unterforderung zu langweilen oder durch<br />
Überforderung zu entmutigen. Um individuell unterschiedliche Leistungsfähigkeit zu<br />
berücksichtigen, ist es ratsam, den Kindern situativ verschiedene Aufgabenstellungen<br />
anzubieten, die sie je nach Vermögen wählen können. Zum Beispiel werden für das<br />
überwinden einer Langbank mehrere Alternativen (vorwärts, rückwärts, seitwärts<br />
balancieren, in der Hocke gehen, mit geschlossenen Augen und Handfassung einer<br />
Hilfestellung,…) vorgeschlagen, die jedes Kind wahlweise ausprobieren kann.<br />
!<br />
!25
Bewegung und Sprache<br />
!<br />
In den ersten Lebensjahren dient die Bewegung als Ausdrucksmittel. Kinder kommunizieren<br />
über die Körpersprache („Winke-winke“, vor Freude in die Luft springen).<br />
Bewegungs- und Wahrnehmungserfahrungen sind wesentliche Voraussetzungen für den<br />
Erwerb der Sprache. Man konnte feststellen, dass sich Bewegungs- und Wahrnehmungsspiele,<br />
wie zum Beispiel Fingerspiele positiv auf die Sprachentwicklung auswirken. Für Kinder<br />
ergeben sich während alltäglicher Spielhandlungen Anlässe zum Sprechen, zu Erweitern und<br />
Differenzieren ihres Sprachvermögens und ihnen somit als komplexe Sprachlernsituationen.<br />
Solche Situationen können angeregt werden, in dem verschiedene Szenarien vorgegeben<br />
werden:<br />
• Straßenverkehr mit unterschiedlichen Fahrzeugen (Feuerwehr, Polizei, Traktor,…), die<br />
verschiedenen Geräusche von sich geben<br />
• Zoo, verschiedene Tiere werden nachgemacht<br />
Eine weitere Möglichkeit, das Sprachlernen zu fördern, ergibt sich durch den Einsatz von<br />
einfachen Kinderliedern und Tänzen.<br />
!<br />
!<br />
!26
2.2.5 Motorische Entwicklung<br />
!<br />
Bewegung gehört zu jedem Lebewesen: Auch be<strong>im</strong> Menschen ist Bewegung oder Motorik die<br />
Voraussetzung für Entwicklungsfortschritte auf allen Gebieten. Motorik oder Bewegung stellt<br />
die erste und wichtigste Möglichkeit des menschlichen Organismus dar, auf seine Umwelt zu<br />
reagieren und auf die Umwelt einzuwirken, also seine Umwelt zu verändern oder zu gestalten<br />
oder auch ungünstige Umwelten zu verlassen oder günstige aufzusuchen.<br />
Nur über die Motorik oder die Bewegung kann die Auseinandersetzung des Menschen mit<br />
seiner Umwelt stattfinden. Erst die Entwicklung seiner motorischen Fähigkeiten ermöglicht es<br />
dem Kind, Teile seiner Umwelt zu "begreifen" und zu "erfassen" (<strong>im</strong> wörtlichen und <strong>im</strong><br />
übertragenen Sinne), seinen Lebensraum beständig zu erweitern und zu erforschen, seine<br />
Unabhängigkeit zu steigern und neue Erfahrungen zu sammeln, die für seine weitere<br />
Entwicklung entscheidend sind. Nicht nur für die Entwicklung des einzelnen Menschen (die<br />
Ontogenese), sondern auch für die Entwicklung des Menschen als Gattung (Phylogenese) sind<br />
3 Leistungen von besonderer Bedeutung:<br />
• die Entwicklung des aufrechten Gangs, damit zusammenhängend<br />
• die Steigerung der Handgeschicklichkeit und schließlich<br />
• die Entwicklung der Sprache.<br />
Diese Entwicklungsschritte auf motorischem Gebiet sind grundlegend für die Entwicklung<br />
der kognitiven, geistigen Leistungen gewesen, auf die wir als Menschen so stolz sind, und sie<br />
sind somit letztlich Grundlage für die herausragende Stellung des Menschen in der Evolution.<br />
!<br />
Frühe Kindheit<br />
In der frühen Kindheit entwickeln sich - nach Abschluss der notwendigen Reifung des<br />
Nerven- und Muskelsystems - die elementaren motorischen Fertigkeiten, diese umfassen<br />
Sitzen, Krabbeln, Stehen und Laufen, aber auch das Greifen (Krombholz 1999). Diese<br />
Grundformen sind bei allen Kindern zu beobachten, wobei jedoch erhebliche<br />
interindividuelle Unterschiede <strong>im</strong> Zeitpunkt des Auftretens und in der gezeigten Güte dieser<br />
Bewegungsformen bestehen, d.h. verschiedene Kinder beherrschen diese Bewegungsformen<br />
in unterschiedlichem Alter. Altersangaben für das Auftreten dieser Bewegungsformen sind<br />
daher nicht unproblematisch. Allerdings ist die Reihenfolge, in der die elementaren<br />
Grundfertigkeiten normalerweise auftreten, für alle Kinder gleich, lediglich die<br />
Geschwindigkeit, in der die einzelnen Entwicklungsschritte stattfinden, variiert erheblich, und<br />
es können auch einzelne Fertigkeiten übersprungen werden (z.B. Krabbeln einige Kinder<br />
angeblich nie). Ferner ist zu beachten, dass die Entwicklung der elementaren motorischen<br />
Fertigkeiten offensichtlich populations- und zeitabhängig verläuft. Afrikanische Kinder zeigen<br />
einen Entwicklungsvorsprung gegenüber europäischen und nordamerikanischen Kindern und<br />
heutige amerikanische Kinder sind denen vor 40 Jahren in ihrer Entwicklung voraus.<br />
!27
!<br />
Vorschulalter<br />
Im Vorschulalter erfolgt eine zunehmende Vervollkommnung der Grundfertigkeiten,<br />
gleichzeitig werden diese Fertigkeiten modifiziert und es entwickeln sich neue Fertigkeiten.<br />
Die Fähigkeit zur selbständigen Fortbewegung verbessert sich rasch, die Bewegungen werden<br />
sicherer und geschmeidiger. Später zeigen sich die Grundformen der sportlichen Motorik wie<br />
Laufen oder Rennen, Klettern, Springen, Balancieren, Fangen und Werfen. Die sportlichen<br />
Grundformen werden weiter verfeinert, werden sicherer und flüssiger: Zudem werden sie bei<br />
Bewegungsspielen eingesetzt und verbessert, zu den Grundformen treten neue spezifische<br />
Fertigkeiten wie Rollschuhlaufen, Turn- und Geschicklichkeitsübungen, Schw<strong>im</strong>men,<br />
Radfahren (Krombholz 1985).<br />
!<br />
➢ Konsequenzen für Bewegungserziehung:<br />
<strong>im</strong> Kleinkindalter (1.-3.Jahre)<br />
Kinder unter drei Jahren brauchen weniger Anleitung als vielmehr Gelegenheit, vielseitige<br />
Lebenserfahrungen sammeln zu können. Dazu bedarf es entsprechender Bewegungsräume,<br />
Frei- und Spielflächen, Kletter, -Hangel- und Rutschmöglichkeiten, sowie geeignete<br />
Materialien, Bälle und andere Kleingeräte, die sie eigenständig nutzen können.<br />
Rhythmische Begleitung zu Musik und einfache Kindertanzformen können erlernt werden.<br />
<strong>im</strong> Vorschulalter (4.-6.Jahre)<br />
Auch in diesem Alter muss ausreichend Gelegenheit zu körperliche Betätigung gegeben sein.<br />
Dabei ist zwischendurch <strong>im</strong>mer wieder der Übungsleiter gefragt, um gezielt zu Spiel- und<br />
Bewegungsaktivität anzuregen. Besonders wichtig ist in diesem Alter die Förderung und<br />
Verbesserung der koordinativen Fähigkeiten (wie z.B. Gleichgewichtsfähigkeit) durch lustund<br />
freudbetonte Übungen.<br />
Dem ganzheitlichen Konzept ist gegenüber einer sportspezifischen Förderung motorischer<br />
Fertigkeiten Priorität einzuräumen. Bewegungsgeschichten eignen sich, die Begeisterung der<br />
Kinder zu wecken und deren Lernbereitschaft phantasieanregend zu schulen.<br />
Bewegungsaufgaben, die eigenständiges Lösen provozieren dienen der Erweiterung des<br />
Bewegungsschatzes und fördern motorische Kreativität sowie physische Selbsterfahrung. Bei<br />
allen Übungs- und Spielformen ist jedoch die zeitlich begrenzte Konzentrationsfähigkeit zu<br />
berücksichtigen. <br />
!28
Die Entwicklung elementarer Bewegungen (Roth 1982, zitiert nach Z<strong>im</strong>mer 1998, S. 72)<br />
!<br />
!<br />
!<br />
!29
2.2.5.1. Entwicklung der grobmotorischen<br />
Fertigkeiten <strong>im</strong> Vorschulalter<br />
Merkmal 4.Lebensjahr 7.Lebensjahr<br />
40m Lauf 16,6s 9,8s<br />
Standweitsprung 47,8cm 116,7cm<br />
Weitwurf 3,79m 12,90m<br />
Weitwurf (qualitativ)<br />
Schlagwürfe <br />
-‐ ohne Körpereinsatz <br />
-‐ aus frontaler Stellung<br />
Schlagwürfe <br />
-‐ mit Anlauf, Kreuzschritten <br />
oder Zwischenhopsern<br />
Fangen<br />
Fangen <br />
-‐ ohne deutliche Antizipation <br />
-‐ nur <strong>im</strong> brusthohen Bereich <br />
-‐ bei genauem Zuspiel <br />
Kombination aus Fangen und <br />
Werfen gelingt noch nicht<br />
Fangen <br />
-‐frei <strong>im</strong> kopf-‐ bis hüfthohen <br />
Bereich <br />
-‐ bei entsprechender <br />
Antizipation <br />
Kombination aus Fangen und <br />
Werfen gelingt<br />
Springen<br />
-‐ Standweitsprung <br />
-‐ Niedersprünge <br />
-‐ Überspringen am Boden liegender <br />
Geräte <br />
-‐Fortgesetzte Schrittsprünge <br />
-‐Weit-‐ und Hochsprünge mit <br />
Anlauf (h 50cm) <br />
-‐ Dreierhop-‐ und <br />
Mehrfachsprünge <br />
-‐ Freizeitspiele <strong>im</strong> Springen <br />
!<br />
!<br />
!<br />
!30
Gehen<br />
Das Kind trippelt in kleinen Schritten, wenn es <strong>im</strong> 2. Lebensjahr laufen gelernt hat. Der Fuss<br />
wird be<strong>im</strong> Aufsetzen nicht abgerollt, sondern als Ganzes aufgesetzt. Die Beinstellung ist breit.<br />
Rumpf und Kopf werden dabei stramm gehalten und kaum bewegt. Die Arme werden in<br />
einer Henkelstellung seitlich hochgehalten. Sie werden be<strong>im</strong> Gehen kaum mitbewegt und<br />
dienen in erster Linie der Balance (Largo 2007).<br />
Scheid (1994) erwähnt, dass sich nach den ersten selbständigen Gehversuchen allgemein<br />
schnelle Fortschritte in der Gehentwicklung beobachten lassen. Unregelmässigkeiten in den<br />
räumlichen Ausmassen, <strong>im</strong> Gehtempo, in den seitlichen Schwankungen und in der<br />
Richtungskonstanz sind dafür charakteristisch. Ab Mitte des 2. Lebensjahres entwickeln<br />
Kleinkinder zahlreiche Varianten der aufrechten Fortbewegung. Dazu gehören:<br />
Seitwärtsgehen, Gehen auf den Zehenspitzen, Gehtempo variieren und Treppensteigen.<br />
Mit 3 bis 4 Jahren vergrössert das Kind laut Largo (2007) die Schrittlänge. Die Beinstellung<br />
wird schmaler. Der Fuss wird zuerst mit der Ferse aufgesetzt und dann nach vorne abgerollt.<br />
Der Körper macht be<strong>im</strong> Gehen <strong>im</strong>mer noch kaum mit. Die Arme werden nun hängen<br />
gelassen und schwingen ein wenig mit.<br />
Gehen<br />
!<br />
!<br />
Rennen<br />
!31
Rennen<br />
Largo (2007) betont, dass das Kind das Gehtempo anfänglich kaum variieren kann. Wenn es<br />
schneller werden will, kann es lediglich die Zahl der Schritte erhöhen, ohne dass sich die<br />
Schrittlänge selbst vergrössert. Rumpf und Arme tragen kaum zur Vorwärtsbewegung bei.<br />
Mit 4 bis 5 Jahren sind die wesentlichen Elemente des Rennens vorhanden. Das Schwungbein<br />
wird kräftig nach vorne geschleudert. Nach jedem Abstossen hebt das ganze Kind für einen<br />
Augenblick vom Boden ab. Be<strong>im</strong> Aufsetzen wird der Fuss von der Ferse über den Vorfuss<br />
kräftig abgerollt. Die Vorwärtsbewegung wird durch leichte Rotationsbewegungen des<br />
Rumpfes und durch Mitbewegungen der Arme zusätzlich unterstützt.<br />
Scheid (1994) spricht von Rennen, wenn eine Flugphase zu sehen ist. Das heisst, wenn beide<br />
Füsse in der Luft sind. Die ersten Rennbewegungen lassen sich zwischen dem 2. und dem 3.<br />
Lebensjahr beobachten. Scheid und Largo widersprechen sich somit mit dem Beginn der<br />
ersten Rennbewegungen. Scheid erwähnt zusätzlich, dass Kinder aus der Rennbewegung<br />
neue Fähigkeiten entwickeln wie z.B. plötzlich anhalten, schnell starten, Kurven rennen und<br />
die Renngeschwindigkeit variieren.<br />
!<br />
• 4. Lebensjahr: 30% der Kinder eine gute Koordination der Arm- und Beinbewegung<br />
(unregelmäßige, kurze und stampfende Beinbewegung; räumlich kleine, abgespreizte und<br />
unregelmäßig-balancierende Armbewegungen)<br />
• 5. Lebensjahr: 70-75% der Kinder gute Arm- & Beinkoordination<br />
• 6. Lebensjahr: 90% Zunahme der Schrittlänge, verstärkte Abstoß<strong>im</strong>pulse und erheblich<br />
zunehmende Hubhöhe des Oberschenkels<br />
!<br />
Springen und Hüpfen<br />
Scheid (1994) stellt fest, dass bei einem Kind die ersten Sprungversuche zwischen dem 2.<br />
und 3. Lebensjahr beobachtet werden können. Dies geschieht in etwa zeitgleich mit den<br />
ersten Rennversuchen. Das Kind kann mit 2 1/2 Jahren von geringer Höhe herunter<br />
springen, dies bestätigt auch Kasten (2005). Die Landung ist meistens noch wenig elastisch<br />
und das Kind landet in Schrittstellung auf dem Boden. Gegen Ende des 3. Lebensjahres<br />
gelingt es dem Kind ein Hindernis zu überspringen. In diesem Alter lernt es auch zu hüpfen.<br />
Scheid teilt das Hüpfen in drei Formen ein: einbeiniges Hüpfen auf der Stelle, rhythmisches<br />
Hüpfen mit Fusswechsel und einbeiniges Hüpfen über eine best<strong>im</strong>mte Distanz. Mit ungefähr<br />
3 1/2 Jahren kann das Kind einbeinig auf der Stelle drei bis fünf Mal hüpfen. Das<br />
rhythmische Hüpfen wird meistens nicht vor dem 5. Lebensjahr erlernt. Im 4. Lebensjahr<br />
lernt ein Kind laut Kasten (2005) einbeinig über eine Distanz von zwei Metern zu hüpfen.<br />
Die Kinder können ab dem 5. Lebensjahr <strong>im</strong>mer weitere Distanzen auf einem oder beiden<br />
Beinen hüpfen.<br />
• ohne Schulung erfolgt die Weiterentwicklung langsam und formenarm<br />
!32
• mit Schulung vor allem bei 5/6-Jährigen schnelle Fortschritte:<br />
!<br />
!<br />
– Schlussweitsprung<br />
– Weit- und Hochsprung<br />
– Stützsprünge<br />
– Sprungfolgen an Kästen, Bänken etc.<br />
Werfen und Fangen<br />
Scheid (1994) betont, dass die Entwicklung der Bewegungsformen Werfen und Fangen stark<br />
von der Förderung der sozialen Umwelt abhängig sind. 2 bis 3-Jährige zeigen bei der<br />
Wurfbewegung zunächst eine einfache Rück- Vorbewegung des Körpers und der Arme. Dies<br />
geschieht noch ohne Gewichtsverlagerung und Rotationen. Darauf folgen Wurfbewegungen<br />
mit Körperrotationen. Der Fuss wird zuerst noch nicht vorgestellt, nach einiger Zeit macht<br />
das Kind aber einen Auslaufschritt, um besser zu werfen. Die Entwicklung der<br />
Wurfbewegung hält bis ins Schulalter an. Largo (2007) beschreibt eine ähnliche<br />
Entwicklungsabfolge bei der Wurfbewegung. Mit 2 bis 3 Jahren wirft das Kind einen Ball mit<br />
einer kurzen Bewegung des Unterarmes, welche auf das Ellbogengelenk beschränkt bleibt.<br />
Der Körper wird kaum mitbewegt.<br />
Mit 3 bis 4 Jahren macht das Kind einen Schritt nach vorn und holt mit dem Wurfarm nach<br />
hinten aus. Die Wurfbewegung kommt nun aus dem Schultergelenk und wird durch eine<br />
leichte Rotation und Vorwärtsbewegung des Körpers unterstützt. Auch Kasten (2005)<br />
erwähnt, dass die meisten Kinder zu Beginn des 4. Lebensjahres be<strong>im</strong> Werfen eines Balles nur<br />
den Unterarm bewegen, nicht aber Bein und Körper. Im Laufe des Jahres wird die<br />
Wurfbewegung deutlich kräftiger. Der Oberkörper wird dabei vermehrt zum Wurfarm hin<br />
gedreht.<br />
Die eigentliche Ausholbewegung des gesamten Wurfarmes beherrschen die meisten Kinder<br />
<strong>im</strong> 5. Lebensjahr jedoch noch nicht vollständig.<br />
Be<strong>im</strong> Fangen lassen sich ebenfalls typische Entwicklungsschritte nachweisen. Die Kinder<br />
verbleiben bis ungefähr <strong>im</strong> 4. Lebensjahr be<strong>im</strong> Fangen eines Gegenstandes in einer passiven<br />
Körperhaltung. Sie strecken nur ihre Arme dem Objekt entgegen und schliessen sie, sobald<br />
sie den Gegenstand halten können. Das verlangt aber, dass das Objekt exakt in die Arme des<br />
Kindes geworfen wird (Scheid 1994).<br />
Largo (2007) erwähnt, dass sich das Kind in diesem Alter noch nicht auf den<br />
entgegenfliegenden Ball einstellen kann. Mit 3 bis 4 Jahren fangen die Kinder an, die<br />
Flugbahn, die Geschwindigkeit und die Grösse des Balls zu antizipieren. Die Voraussetzungen<br />
zum Fangen eines Balles sind laut Kasten (2005 ) die Koordination von Hand und Auge sowie<br />
das Voraussehens der Flugbahn des Balles. Diese Voraussetzungen sind <strong>im</strong> 4. Lebensjahr<br />
noch nicht vollständig ausgebildet. Die Kinder haben in diesem Alter noch Mühe einen Ball<br />
!33
zu fangen. Einen mittelgrossen Ball können sie fast nur festhalten, wenn ihnen dieser genau<br />
auf die waagrecht ausgestreckten Arme geworfen wird. Im 5.Lebensjahr zeigen Kinder<br />
bereits Fortschritte <strong>im</strong> Fangen. Jedoch bereitet ihnen das Fangen eines selbst hochgeworfenen<br />
Balles noch Schwierigkeiten. Scheid (1994) fügt hinzu, dass das Kind erst <strong>im</strong> 6. Lebensjahr<br />
die Arme dem ankommenden Ball entgegen führt und ihm die Antizipation der Flugphase<br />
des Balls zunehmend gelingt. Eine Studie von Vogt (1978), zitiert nach Scheid (1994), hat<br />
gezeigt, dass nur wenigen 4-jährigen Kindern eine flüssige Verbindung von Fangen und<br />
Werfen gelingt. Mit 5 Jahren können bereits dreissig Prozent der Kinder diese Aufgabe lösen.<br />
Ball fangen<br />
!<br />
Ball werfen<br />
• 4-jährige: Schlagwurf, einhändiger Schockwurf von unten, beidhändiger Schwungwurf<br />
von der Hüfte aus, beidhändiger Einwurf über Kopf<br />
– es fehlt der zweckmäßige Rumpfeinsatz, fließende Verbindung von Aushol- und<br />
Abwurfbewegung<br />
• 5-7-jährige: Jungen: werfen mit Rumpfeinsatz, gekreuzter Koordination oder zwischen<br />
Hopser; fließende Verbindung von Anlauf und Wurf gelingt nur vereinzelt (Mädchen<br />
bleiben häufig auf dieser Entwicklungsstufe stehen)<br />
!<br />
!<br />
!34
Klettern und Steigen<br />
Das Klettern erfolgt zunächst aus der Krabbelposition. Normalerweise gelingt einem Kind<br />
das Aufwärtsklettern von Höhen bis zu dreissig Zent<strong>im</strong>eter gegen Ende des 1. Lebensjahres,<br />
das Abwärtsklettern folgt bald danach. Die Klettergeschwindigkeit n<strong>im</strong>mt <strong>im</strong> Verlauf des 2.<br />
und 3. Lebensjahres zu, ebenfalls kann das Kind über hüfthohe Hindernisse auf- und<br />
abwärtsklettern.<br />
Be<strong>im</strong> Steigen ist ebenfalls das Aufwärtssteigen vor dem Abwärtssteigen zu beobachten. Etwa<br />
Mitte des 3. Lebensjahres kann das Kind <strong>im</strong> Wechselschritt frei Aufwärtssteigen, wobei es zu<br />
diesem Zeitpunkt noch mit Festhalten oder <strong>im</strong> Nachstellschritt abwärts steigt (Scheid 1994).<br />
Kasten (2005) erwähnt ebenfalls, dass das Kind <strong>im</strong> 3. Lebensjahr Treppen steigen lernt. Be<strong>im</strong><br />
Aufwärts- und später auch be<strong>im</strong> Abwärtssteigen setzt das Kind zuerst beide Füsse auf eine<br />
Stufe, bevor es die nächste in Angriff n<strong>im</strong>mt. Im 4. Lebensjahr kann ein Kind <strong>im</strong><br />
Wechselschritt eine Treppe hinuntersteigen. In diesem Alter macht es auch <strong>im</strong> Klettern<br />
Fortschritte und klettert auf Spielgeräte und kleine Bäume.<br />
!<br />
• wird sehr gerne ausgeübt (demonstriert wachsendes Selbstvertrauen und Können)<br />
• 3/4 –jährige: bauchhohe Hindernisse noch relativ langsam mit Sichtkontrolle<br />
• 5/6-jährige: brusthohe Hindernisse werden schnell überwunden (z.T. angesprungen);<br />
Klettertau kann z.T. 2-4m aufwärts und abwärts geklettert werden<br />
!<br />
!35
!<br />
!36
2.3. Konditionelle und koordinative Fähigkeiten/<br />
Fertigkeiten<br />
!<br />
2.3.1. Kondition<br />
!<br />
Definition Kondition:<br />
= Überbegriff der vier Faktoren von Leistungsfähigkeit: Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit,<br />
Beweglichkeit<br />
!<br />
Konditionelle Fähigkeiten<br />
Für eine opt<strong>im</strong>ale Entwicklung ist das Schulen und verbessern alle vier Fähigkeiten relevant.<br />
Sie sind die Grundlage für spätere sportspezifische Spezialisierung.<br />
!<br />
2.3.2. Koordination<br />
!<br />
Entwicklungsbedingt ist bei Kindern die Koordination unterschiedlich ausgeprägt und<br />
deshalb das Erkennen von Koordinationsschwächen sehr schwierig. Zur Überprüfung gibt es<br />
verschiedene Tests (siehe Buch „<strong>Judo</strong> spielend lernen“, oder Körperkoordinationstest für<br />
Kinder (KTK)), bei denen die Kinder in verschiedenen Bewegungssituationen beobachtet<br />
werden. Frühzeitiges erkennen von Auffälligkeiten ist jedoch wichtig, um nicht wertvolle<br />
Förderzeit zu verlieren und anhaltende Schwächen zu provozieren.<br />
!<br />
Definition Koordination:<br />
= harmonisches Zusammenwirken von Zentralnervensystem und Skelettmuskulatur<br />
innerhalb eines gezielten Bewegungsablaufes. Man unterscheidet inter- und intramuskuläre<br />
Koordination:<br />
!<br />
• intermuskulär: Zusammenspiel verschiedener Muskeln<br />
• intramuskulär: Zusammenspiel mehrere Muskelfasern innerhalb eines Muskels<br />
Koordinative Fähigkeiten:<br />
Koordinative Fähigkeiten sind nicht angeboren, sondern müssen durch entsprechende Reize<br />
erlernt, gefestigt und weiterentwickelt werden. Als sensible Phase innerhalb der Entwicklung<br />
gilt das Alter vom sechsten bis zum zwölften Lebensjahr. Hier lässt sich opt<strong>im</strong>al<br />
Koordinationsschulung betreiben. Die hier erworbenen Fähigkeiten sind für eine sichere und<br />
zielgerichtet Bewegungshandlung <strong>im</strong> späteren Leben von entscheidender Bedeutung. Je<br />
!37
umfangreicher und fundierter die Bewegungserfahrungen aus den ersten Lebensjahren sind,<br />
desto besser sind Bewegungssicherheit und -ökonomie <strong>im</strong> Erwachsenenalter.<br />
Allgemein gilt, dass die Bedeutung koordinativer Fähigkeiten umso größer wird, je komplexer<br />
beziehungsweise komplizierter eine Bewegung oder Bewegungsabfolge abläuft. Eine<br />
Verbesserung der Koordination wirkt sich positiv auf die sportliche Leistungsfähigkeit aus, vor<br />
allem bezüglich:<br />
!<br />
• Präzision, Ökonomisierung und Effektivierung sportliche Bewegungsabläufe<br />
• Opt<strong>im</strong>ierung des Bewegungsflusses<br />
• Unfall- und Verletzungsprophylaxe<br />
• Leichteres erlernen neuer und schwieriger Bewegungen<br />
Koordination <strong>im</strong> <strong>Elementarbereich</strong><br />
Bei der Gestaltung der Unterrichtsstunde müssen Alter beziehungsweise individueller<br />
Entwicklungsstand berücksichtigt werden, um die Kinder weder zu über- noch zu<br />
unterfordern. Bei 3 bis 6-jährigen sollten vor allem Übungsanregungen <strong>im</strong><br />
Wahrnehmungsbereich und <strong>im</strong> emotional-sozialen Bereich angewendet werden, denn in<br />
diesem Alter werden Alltagsbewegungen gefestigt und die reifungsbedingte<br />
Bewegungsentwicklung kommt zum Abschluss. Dazu eignen sich zum Beispiel<br />
Bewegungskombinationen, die aus Gehen und Laufen bestehen und mit Werfen, Fangen,<br />
Klettern und Balancieren verbunden werden.<br />
Zur Schulung der Koordination eignen sich vor allem Alltagsmaterialien, da diese einen<br />
hohen Aufwandscharakter für Kinder besitzen und dadurch zu spontanen<br />
Bewegungsaktivitäten verleiten. Dazu gehören zum Beispiel Zeitung, Joghurtbecher,<br />
Bierdeckel, Wäscheklammern, Karton und so weiter.<br />
Aber auch Geräte und Materialien aus der Psychomotorik bieten sich an, beispielsweise<br />
Pedalos, Sportkreisel, Rollbretter, Fallschirm, Teppichfliese und so weiter.<br />
!<br />
Klassifizierung koordinativer Fähigkeiten<br />
Bei der Klassifizierung koordinativer Fähigkeiten findet man in der Literatur unterschiedliche<br />
Einteilungen. Folgende Systematisierung ist für den <strong>Elementarbereich</strong> relevant:<br />
• Orientierungsfähigkeit<br />
• Reaktionsfähigkeit<br />
• Gleichgewichtsfähigkeit<br />
• Rhythmusfähigkeit<br />
• Differenzierungsfähigkeit<br />
Untersuchungen von Unfällen ergaben, dass koordinative Fähigkeiten erheblich zu<br />
Vermeidung von Stürzen beitragen, wobei vor allem die Gleichgewichtsfähigkeit eine<br />
!38
entscheidende Rolle spielt. Das bedeutet, dass das balanciergeübte Kind <strong>im</strong> alltäglichen<br />
Leben weniger gefährdet ist.<br />
!<br />
Definition Koordinationsschwäche:<br />
= qualitative Mängel in der Bewegungsausführung<br />
Die Geschicklichkeit und Gewandtheit unserer Kinder in der Bewegungsausführung<br />
verschlechtert sich zunehmend. Viele können nicht rückwärtsgehen, nicht balancieren, habe<br />
Schwierigkeiten auf einem Bein zu stehen und können sich nach einem Sturz nicht richtig<br />
abfangen. (siehe WIAD-Studie; www.sportprogesundheit.de)<br />
Bewegungskoordination basiert <strong>im</strong> Wesentlichen auf der Informationsaufnahme und -<br />
verarbeitung über das Zentralnervensystem und die Sinnesorgane. Daher sind folgende fünf<br />
Bereiche (Analysatoren) besonders wichtig:<br />
• akustischer Sinnesbereich (Hören)<br />
• kinästhetischer oder propriozeptiver Sinnesbereich (Körpergefühl)<br />
• optischer Sinnesbereich (Sehen)<br />
• taktiler Sinnesbereich (Fühlen)<br />
• vestibulärer Sinnesbereich (Gleichgewicht)<br />
!<br />
2.3.3. Bedeutung für die Bewegungserziehung<br />
!<br />
Koordinative Fähigkeiten bilden neben den konditionellen die Grundlage für die Entwicklung<br />
motorischer Fertigkeiten. Deshalb sollten bei der Förderung koordinativer Fähigkeiten <strong>im</strong><br />
Grundschulalter Schwerpunkte gesetzt werden auf die Schulung:<br />
!<br />
• der Wahrnehmung, speziell der Körpererfahrung und der Raumorientierung<br />
• der Reaktion, insbesondere auf optische und akustische Signale<br />
• des Gleichgewichtes<br />
• rhythmischer Fähigkeiten<br />
Insgesamt kommt <strong>im</strong> Rahmen der Verbesserung der koordinativen Fähigkeiten dem Aspekt<br />
der Motivation große Bedeutung zu. Motivation erhöht die Aufmerksamkeit und<br />
Lernbereitschaft und beschleunigt somit den Lernprozess. Deshalb ist positive Verstärkung <strong>im</strong><br />
Sinne von Lob und Anerkennung durch die Übungsleitern sehr wichtig.<br />
!<br />
!<br />
!<br />
!<br />
!39
• genügend Zeit zum Erproben und Üben einräumen<br />
• abwechslungsreiche Situationen anbieten<br />
• unbekanntes Material zur Verfügung stellen, da dieses noch nicht mit negativen<br />
Erfahrungen behaftet ist<br />
• keine Reizüberflutung<br />
• komplexe Bewegungen provozieren (keine isolierten Aktionen)<br />
• möglichst alle Sinne berücksichtigen<br />
• Übungen wiederholen und variieren<br />
!<br />
!<br />
!40
2.4. Psychomotorik<br />
Der Begriff Psychomotorik ist ein Hinweis auf die enge Verbindung von Psyche und Motorik.<br />
Die Verbindung von seelischen und körperlichen Vorgängen wird <strong>im</strong> folgenden an einigen<br />
Beispiel verdeutlicht.<br />
Bei Kindern wird die wechselseitigen Beeinflussung von Psyche und Motorik deutlich<br />
sichtbar. Freut sich ein Kind über ein Ereignis, kann es vor Freude hüpfen, Lachen, hin- und<br />
herrennen die Arme in die Höhe werfen u.ä.m. Ist es zornig oder ärgerlich, kann man das<br />
ebenfalls an seine Motorik (Körpersprache) ablesen, z.B. herabhängende Mundwinkel<br />
(M<strong>im</strong>ik), eingezogenen und verspannten Schultern oder daran, dass es auf den Boden stampft<br />
oder sogar Fusstritte austeilt.<br />
Umgekehrt üben motorische Aktivitäten einen Einfluss auf das Gefühlsleben, Emotionen,<br />
aus. Zum Beispiel können Kinder, deren Bewegungsfreude und -aktivitäten wie Klettern,<br />
Balancieren, Rennen, Springen oder Schaukeln durch ständiges Reglementieren - „Lass das<br />
sein! Du fällt's best<strong>im</strong>mt runter! Das kannst du noch nicht! Das ist zu gefährlich!“ - von Eltern<br />
oder anderen Bezugspersonen aus Überängstlichkeit oder Bequemlichkeit eingeschränkt<br />
werden, nur schwer Freude an Ihren motorischen Aktionen und Fähigkeiten entwickeln.<br />
Gefühle von Angst, Unlust und Gehemmtheit begleiten ihre motorisches Tun und verhindern<br />
in den meisten Fällen ein befriedigendes Bewegungsverhalten und Gefühlsleben.<br />
!41
Eine emotionale Komponente enthält auch die Entwicklung des Selbstkonzepts eines Kindes.<br />
Dazu gehören die Begriffe Selbstbild und Selbstwertgefühl. Das Selbstbild bezieht sich eher<br />
auf beschreibbare Merkmal der Persönlichkeit, z.B. die Haarfarbe, die Größe oder<br />
Fähigkeiten: „Ich bin gut <strong>im</strong> Klettern, noch nicht so gut <strong>im</strong> Pedalofahren.“ Hingegen spielt<br />
das Selbstwertgefühl das Maß der Zufriedenheit mit den wahrgenommenen Merkmale sowie<br />
die Bewertung der eigenen Person wieder, z.B. „Auf den kleinen Kletterturm kann ich ganz<br />
alleine rauf klettern, dann schaff ich es auf den großen Kletterturm!“<br />
Erfolgreich gemeisterte Aktivitäten tragen zum Aufbau eines positiven Selbstwertgefühls bei.<br />
Zu erkennen ist dies beispielsweise daran, dass das Kind nun auch schwierige und neuartige<br />
Anforderungen in „Angriff“ n<strong>im</strong>mt. Ein gutes „Selbst-Wert-Gefühl“ mit dem Wissen um die<br />
eigenen Fähigkeiten beflügelt Entwicklung und Lernen.<br />
Jedoch bergen häufige Misserfolgserlebnisse z.B. aufgrund zu hoher Anforderungen die<br />
Gefahr, dass sich ein negatives Selbstbild entwickelt.<br />
!<br />
Vor allem <strong>im</strong> frühen Kindesalter ist die Motorik eng verknüpft mit Wahrnehmung,<br />
Vorstellung, Denken, Erkenntnis und Sprache, also dem kognitiven Bereich. Viele<br />
Bewegungen oder Handlungen umfassen mehr als nur das Entwickeln und Üben von<br />
motorischen Fähigkeiten. Die unterschiedlichsten Erkenntnisse über Vorgänge und<br />
Zusammenhänge in unserer Umwelt, aber auch eigene körperliche Merkmale und<br />
Fähigkeiten werden in Bewegung und bei motorischen Aktionen vom Kind erfahren und<br />
begriffen.<br />
Auch zwischen der Bewegung und dem Sozialverhalten besteht eine enge Verbindung, denn<br />
gerade Kinder knüpfen soziale Kontakte oft über motorische Aktivitäten. Auch die soziale<br />
Anerkennung unter Kindern hängt eng mit ihren motorischen Fähigkeiten, ihren Spielideen,<br />
ihrem Mut, Riskantes zu wagen, ihrer Neugier und ihrem Forscherdrang zusammen.<br />
Während für Erwachsene häufig ein großes Auto, viel Geld oder ähnliche Dinge Mittel sind<br />
um soziale Anerkennung zu erhalten, hängen bei kleinen Kindern materielle Besitztümer und<br />
soziale Anerkennung noch nicht so eng zusammen. Anerkennung und Bewunderung durch<br />
die Kindergruppe erfahren häufig jene Kinder die gewandt sind, gut klettern können, schnell<br />
rennen oder rasant Fahrrad fahren. Mit zunehmendem Alter der Kinder kommt<br />
wertschätzend die Fähigkeit, Kompromisse einzugehen oder Konflikte konstruktiv austragen<br />
zu können, hinzu.<br />
!<br />
!<br />
!42
!<br />
2.4.1. Wahrnehmung<br />
Unter Wahrnehmung versteht man das Aufnehmen und Verarbeiten von äußeren und<br />
inneren Reizen über die verschiedenen Sinnessysteme. Dies ist ein aktiver Prozess, bei dem es<br />
darum geht, Sinnesreize und Umwelteindrücke zu differenzieren, indem sie erkannt,<br />
interpretiert und zugeordnet werden. Die Sinnesorgane leiten die Informationen an das<br />
Zentralnervensystem weiter, von wo aus dann gegebenenfalls der Befehl für eine motorische<br />
Handlung folgt. Die Fähigkeit zur Wahrnehmung muss durch vielfältige Anregungen und<br />
Situationen geübt werden. Bewegungsaktivitäten fördern das Zusammenspiel der Sinne. In<br />
den Prozess der Wahrnehmung fließen individuellen Erfahrungen, Erlebnisse und subjektive<br />
Bewertung ein.<br />
Je jünger ein Kind ist, umso ausschließlicher erfolgen seine Entwicklungs- und Lernprozesse,<br />
die unmittelbaren Erfahrungen, das „Begreifen“ der Welt über seine körperlichen und<br />
sinnlichen Aktivitäten. Wahrnehmung ist somit nicht nur die Grundlage der Lern- und<br />
Erkenntnisprozesse sondern auch die Basis für Kontakt und Interaktion sowie die<br />
Voraussetzung für „innere“ und „äußere“ Bewegung (emotionale Wahrnehmung).<br />
Das kleine Kind muss die Dinge anfassen, drehen, biegen,klopfen, schmecken, riechen,<br />
schütteln, also be-handeln, um sie zu begreifen. Wenn Erzieherinnen Kleinkinder<br />
beobachten, sehen sie sie ständig in Aktion.<br />
In den ersten sechs Lebensjahren liegen die so genannten „sensiblen Phasen“, in<br />
denen der Mensch die Fähigkeit der Entwicklung seiner Sinnesfunktionen entfaltet. Wenn<br />
das Kind in dieser Zeit erhebliche Einschränkungen durch körperliche, psychische oder<br />
gesellschaftlich bedingte Beeinträchtigungen erfährt, hat das gravierende Auswirkungen auf<br />
seine Entwicklung.<br />
!<br />
!43
!<br />
2.4.2. Sinneswahrnehmung<br />
Auch wenn die Sinnesleistungen hier einzeln beschrieben werden, wirken sie nicht isoliert,<br />
sondern als sensorisches System. Die Integration, das Zusammenwirken aller Sinne <strong>im</strong><br />
Wahrnehmungsprozess, ist eine notwendige Voraussetzung für alle weiteren Lernprozesse.<br />
Deshalb gilt es, diese Fähigkeit zu schulen, indem vielseitige Sinnesreize bewusst angeboten<br />
werden ohne dabei Reizüberflutung zu provozieren.<br />
Durch gezielte Wahrnehmungsförderung kann den Kindern zu differenzierter Wahrnehmung<br />
verholfen werden, indem spezifische Reize und Möglichkeiten zum sammeln von<br />
Erfahrungen angeboten werden.<br />
Für die Schulung eines Sinnes ist es ratsam, die anderen Sinne auszuschalten, z.B. bei der<br />
Sensibilisierung des Hörens (auditive Wahrnehmung) können die Übungsformen mit<br />
geschlossenen Augen durchgeführt werden.<br />
auditiv:<br />
Die Wahrnehmung über das Ohr (hören) ist die Grundlage für die Entwicklung der Sprache<br />
und Kommunikation. (Sinnesorgan - Ohr)<br />
kinästhetisch:<br />
Diese Wahrnehmung betrifft den Bewegungssinn. Über Propriozeptoren (Meldeorgane der<br />
Muskeln, Sehnen und Gelenke) werden dem Gehirn Informationen über die<br />
Muskelspannung und Stellung der Gelenke zum Körper vermittelt. (Sinnesorgan -<br />
Propriozeptoren)<br />
taktil:<br />
Das taktile System ist das erste sensorische System, das schon <strong>im</strong> Mutterleib entwickelt und<br />
bereits funktionsfähig ist (z.B. Temperaturwahrnehmung über die Haut). Es ist vorteilhaft, das<br />
Sehen auszuschließen, indem Gegenstände in einem Karton oder unter einem Tuch getastet<br />
werden. (Sinnesorgan - Haut)<br />
vestibulär:<br />
Die Gleichgewichtsregulation erfolgt über vestibuläre Wahrnehmung. Es handelt sich über<br />
einen komplexen Vorgang, der hauptsächlich über das Innenohr gesteuert wird, jedoch mit<br />
anderen Sinnen in Wechselwirkung steht. So gerät das Gleichgewicht beispielsweise ins<br />
Wanken, wenn man die Augen schließt. (Sinnesorgan - Innenohr)<br />
visuell:<br />
Das Auge ist das wichtigste menschliche Sinnesorgan, denn es liefert die meisten<br />
Informationen über die Umwelt. Im Alltag ist es starker Reizüberflutung ausgesetzt. Ein<br />
wichtiger Aspekt bei der Schulung der optischen Wahrnehmung ist die Auge-Hand-<br />
Koordination. In der Psychomotorik steht <strong>im</strong> Bereich der visuellen Wahrnehmung die Farbund<br />
Formdifferenzierung <strong>im</strong> Vordergrund.<br />
!44
Die Förderung der optischen Fähigkeiten erfolgt oft in Zusammenhang mit<br />
Reaktionsschnelligkeit. (Sinnesorgan - Auge)<br />
gustatorisch:<br />
Geschmacksinn (Sinnesorgan - Zunge)<br />
olfaktorisch:<br />
Geruchssinn (Sinnesorgan - Nase)<br />
!<br />
• bewusste Schulung der einzelnen Wahrnehmungsbereiche<br />
• Aufmerksamkeitszuwendung und Motivation sind wichtige Voraussetzungen für<br />
erfolgreiche Wahrnehmungsschulung<br />
• da Wahrnehmungsschulung hohe Konzentration fordert, sollten Übungs- und Spielformen<br />
nicht zu lang durchgeführt werden und von großräumigen Bewegungen unterbrochen<br />
werden<br />
• Wahrnehmungsaufgaben können in fast alle Bewegungssituationen eingebaut werden<br />
• grundsätzliche Prinzipien der Methodik sollten beherzigt werden:<br />
!<br />
!<br />
von Bewegungen mit geöffneten Augen zu Raumorientierung mit geschlossenen<br />
Augen<br />
von einer Reizquelle zu mehreren<br />
vom „mit sich selbst“ zu gemeinsamen Spielen<br />
!<br />
!45
!<br />
2.4.3. Psychomotorische Übungsgeräte<br />
In der Psychomotorik finden vor allem diejenigen Geräte und Materialien Verwendung, die<br />
hohen Aufforderungscharakter besitzen. Die Kinder sollen zu selbsttätiger Bewegung<br />
motiviert und zu kreativen Handeln und Miteinander spielen an<strong>im</strong>iert werden. Dabei sollen<br />
Bewegungssituationen provoziert werden, die vorwiegend der Schulung von Gleichgewicht,<br />
Wahrnehmung, Geschicklichkeit und Koordination dienen.<br />
Beispiele für Geräte:<br />
• Rollbretter<br />
• Pedalos<br />
• Therapiekreisel<br />
• Schwungtuch<br />
• Sandsäckchen<br />
• Luftballons<br />
• verschiedene Bälle<br />
Beispiele für Alltagsmaterialien:<br />
!<br />
• Teppichfliesen<br />
• Bettlaken,Wolldecken<br />
• Autoreifen, Fahrradschläuche<br />
• Wäscheklammern<br />
• Pappkartons<br />
• Bierdeckel<br />
• Zeitungspapier<br />
• Joghurtbecher<br />
!<br />
• Motivation der Kinder zur Teilnahme<br />
• freundliche, vertrauensvolle Atmosphäre<br />
! Vorsicht: keine Reizüberflutung !<br />
• selbstständiges, exper<strong>im</strong>entelles Lernen ermöglichen (induktiv!)<br />
• Einzel-, Partner- und Gruppenaufgaben <strong>im</strong> Wechsel!<br />
• positive Verstärkung, kein Leistungsdruck<br />
• ausreichende Übungszeit<br />
• Anforderungen entsprechend dem Niveau der Kinder (vers. Schwierigkeitsgrade anbieten) <br />
!46
!<br />
2.5. Ernährung und Bewegung<br />
Für Kinder besteht die bedarfsgerechte Ernährung aus einer abwechslungsreichen Mischkost,<br />
die sich aus tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln zusammensetzt und sowohl roh als<br />
auch verarbeitet (gekocht oder gedünstet) verzehrt werden sollte. Anteilsmäßig sollte die<br />
Nahrung hauptsächlich aus langkettigen Kohlenhydraten (Quellen: Vollkornprodukte,<br />
Gemüse, Obst) bestehen, daneben aus Eiweißen (wie Milch, Käse, mageres Fleisch, Fisch)<br />
und zu einem geringen Teil aus Fetten (vorzugsweise pflanzlich). Die für den Körper<br />
wichtigen Vitamine und Mineralien liefern Obst und Gemüse.<br />
Eine Versorgung mit Nahrungsergänzungsmitteln ist bei gesunden Kindern überflüssig und<br />
schädlich.<br />
Ernährungspyramide<br />
Dazu kommt Wasser in regelmäßigen Abständen.<br />
!<br />
Ernährungsempfehlungen <strong>im</strong> Vergleich<br />
Klassische Empfehlungen <br />
Neue Ansätze<br />
Fett 30% 30-‐50%<br />
Eiweiß 10-‐15% 20-‐30%<br />
Kohlenhydrate 50-‐55% 20-‐40% <br />
Zielgruppe Alle Übergewichtige mit Stoffwechselstörung<br />
!<br />
!47
!<br />
2.5.1. Umsetzung in der Bewegungserziehung<br />
Das Bewusstsein und die Kenntnis über die Bedeutung von Ernährung und Bewegung muss<br />
vorrangig den Eltern bewusst gemacht werden. Als Erziehungsberechtigte stellen Sie den<br />
Speiseplan der Kinder zusammen und haben somit die Nahrungsaufnahme in der Hand. Sie<br />
sind dafür verantwortlich, was auf den Tellern der Kinder liegt. Gleichzeitig müssen auch die<br />
Kleinen lernen, welche Lebensmittel ihre Gesundheit zuträglich sind. In der<br />
Bewegungserziehung kann man dieses Thema spielerisch aufgreifen und die Kinder über den<br />
Zusammenhang einer gesunden Ernährung verbunden mit freudvoller Bewegung aufklären.<br />
Mit etwas Fantasie können bekannte Spiel- und Übungsformen so abgewandelt werden, dass<br />
die Kinder nebenbei Ernährungswissen erwerben.<br />
Hierbei ist auch die Vorbildfunktion des Übungsleiters bei Freizeiten von <strong>im</strong>menser<br />
Bedeutung.<br />
!<br />
!48
3. Methodik und Didaktik<br />
3.1. Lernverhalten von Kindern<br />
Eine Definition von Lernen, die Margaret Carr, Professorin für Frühpädagogik in Neuseeland<br />
ihrem Curriculums der „learning stories“ (Lerngeschichten) zugrunde gelegt hat, passt gut<br />
zum Konzept des ganzheitlichen Lernens durch Bewegung und Wahrnehmung. Ganz<br />
allgemein bedeutet für sie Lernen (vgl. Deutsches Jugendinstitut 2005):<br />
!<br />
• interessiert sein<br />
• neue Dinge entdecken<br />
• Vertrautes praktizieren<br />
• mit Veränderungen und Differenzen klar kommen<br />
• Beziehungen zu Erwachsenen aufbauen<br />
• Beziehungen zu Gleichaltrigen aufbauen<br />
• gemeinsam Verantwortung zu übernehmen<br />
• Schwierigkeiten angehen<br />
• Orte und Erfahrungen miteinander in Verbindung bringen<br />
Kinder wie auch Erwachsene haben am meisten Lust zu lernen, wenn die Motivation dafür<br />
aus ihm selbst herauskommt (intrinsische Motivation), wenn sie sich also für Neues begeistern<br />
können. Nur die handelnde Person selbst kann genau wissen, was gerade von Interesse ist und<br />
welchen neuen Lernerfahrungen am besten an das bisher Erlernte anknüpft.<br />
Hirnforscher beschreiben Lernvorgänge knapp zusammengefasst so:<br />
Setzt man sich mit etwas Neuen auseinander, entsteht eine gewisse Erregungen <strong>im</strong> Gehirn, da<br />
die bestehende Ordnung durcheinander gebracht wird. Können dann die neuen Erkenntnisse<br />
in bereits bestehende Strukturen eingebettet werden, löst sich das Chaos auf und es entsteht<br />
durch die Freisetzung von Botenstoffen des Gehirns ein Gefühl der Zufriedenheit und des<br />
Wohlbehagens. Dieses Gefühl ist so stark, dass es als Ansporn zu weiterem Lernen gesehen<br />
werden kann. Dieses Interesse am Lernen wird eigentlich nur unterbrochen durch<br />
Erschöpfung des Kindes und einer folgenden Ruhe- oder Schlafphase. In den wichtigen<br />
Tiefschlafphasen wird das neu Erlernte nochmals durchlebt, verarbeitet und somit <strong>im</strong> Gehirn<br />
verfestigt. Allerdings beeinträchtigt jede Art von Verunsicherung, Angst oder Druck Kinder in<br />
ihrem Explorationsverhalten. Ständige psycho-emotionale Belastung führen zu Defiziten in<br />
der Hirnentwicklung und machen dieses Kinder besonders anfällig, Verhaltensauffälligkeiten<br />
jeglicher Art auszubilden.<br />
!<br />
Kinder <strong>im</strong> Vorschulalter lernen vor allem durch beiläufiges (inzidentelles) und <strong>im</strong>plizites<br />
Lernen. (etwa 80% unseres Alltagswissens haben wir beiläufig gelernt)<br />
!49
<br />
Unter <strong>im</strong>plizitem Lernen versteht man in der Psychologie die häufig unbewusste oder<br />
spielerische Aneignung von Fertigkeiten und Wissen be<strong>im</strong> Ausüben einer Tätigkeit. Kinder<br />
erlernen so beispielsweise eine Sprache oder soziales Verhalten. Im fortgeschrittenen Alter<br />
sind es vor allem motorische Fertigkeiten wie Radfahren oder prozedurale Fertigkeiten wie<br />
das Führen von Kundengesprächen, die <strong>im</strong>plizit erlernt bzw. antrainiert werden.<br />
Allgemein kann man sagen, dass Fertigkeiten meist <strong>im</strong>plizit und Fakten meist explizit erlernt<br />
werden.<br />
!50
Reiz-Reaktions-Lernen / Signallernen:<br />
3.1.1. Lernmodelle<br />
Durch Verstärkung werden unwillkürliche Reaktionen (z.B. Freude, Abneigung, Angst) erlebt<br />
und gelernt, dies führt vor allem zum Erwerb von Fertigkeiten.<br />
• Positive Verstärkung, wie z.B. Lob, Anerkennung, Auszeichnung (äußere Verstärkung)<br />
sowie Erfolg, Freude (innere Verstärkung)<br />
• Negative Verstärkung, wie z.B. Strafe sowie Misserfolg<br />
Entsprechend wirkt sich die gemachte Erfahrung auf das weitere Vorgehen und Handeln aus.<br />
Folglich wird beispielsweise die Einstellung zum Sport bereits in frühen Jahren <strong>im</strong> Rahmen<br />
des Reiz-Reaktions-Lernens geprägt. Wenn ein Kind angenehme Erinnerungen mit den<br />
ersten Bewegungs- oder Sportstunden verbindet beziehungsweise durch die Eltern von<br />
Anfang an eine positive Einstellung zum Sport vermittelt wurde, wird es selbst körperlicher<br />
Aktivität aufgeschlossen gegenüber stehen.<br />
Lernen durch Beobachtung / Lernen am Modell:<br />
Schon sehr früh lernen Kinder durch Nachahmung. Sie orientieren sich an Anderen, Älteren,<br />
Lehrern, Übungsleitern, Eltern usw. indem sie deren Verhaltensweisen oder Handlungen<br />
übernehmen und <strong>im</strong>itieren. Der Übungsleitern kann sich dies zu Nutze machen, indem er<br />
Bewegungsabläufe demonstriert.<br />
Jedoch werden auf diese Weise auch andere Verhaltensmuster oder Einstellungen <strong>im</strong>itierend<br />
übernommen!<br />
Beispiel:<br />
In der Übungsstunde ist ein Kind besonders aggressiv. Durch dieses Verhalten erreicht es die<br />
Aufmerksamkeit des Übungsleiters und kann seinen Willen durchsetzen. Die anderen Kinder<br />
registrieren das und verhalten sich zunehmend aggressiv, um dieselbe Anerkennung zu<br />
erlangen.<br />
Lernen durch Einsicht / Entdeckendes Lernen:<br />
Ein Problem ist neu und dessen Lösung bisher unbekannt. Durch Strukturieren des Problems<br />
werden mehrere Handlungen nacheinander geschaltet, die zum Ziel führen. Die Lösung tritt<br />
plötzlich ein, es erfolgt ein so genanntes „aha Erlebnis“.<br />
!<br />
In der Praxis treten diese Lernarten nie getrennt auf, meistens erfolgt lernen in einer<br />
Kombination der aufgeführten Modelle. Als Übungsleiter sollte man sich derer bewusst sein,<br />
um lernfreudige Bedingungen zu schaffen. Eine Gefahr besteht beispielsweise darin, dass man<br />
den Kindern nicht genügend Zeit lässt, Dinge selbst auszuprobieren. Dabei n<strong>im</strong>mt man<br />
ihnen die Möglichkeit, durch Einsicht selbst Problemlösungen zu finden. Vorsicht ist auch<br />
geboten bei Tadel und anderer negativer Verstärkung. Dadurch kann ein Kind entmutigt und<br />
<strong>im</strong> Sinne des Reiz-Reaktions-Lernens Freude genommen werden. Andererseits kann<br />
!51
permanentes Lob auch dazu führen, dass ein Kind <strong>im</strong>mer nur den Kommentar eines<br />
Erwachsenen sucht und nicht mehr die Tätigkeit an sich als belohnend erfährt. <br />
!52
3.1.2. Methodische Rahmenbedingungen<br />
aus Persönlichkeits- & Teamentwicklung - Förderung psychosozialer Ressourcen <strong>im</strong> <strong>Judo</strong><br />
!<br />
Angstfreies Lernkl<strong>im</strong>a! <br />
!<br />
Lernen in Gruppen verlangt nach Möglichkeiten Fehler zu machen, Fragen zu stellen, sich in<br />
den Trainingsprozess des Teams einzubringen und mit seiner Leistungsfähigkeit zu<br />
präsentieren, ohne ausgelacht oder isoliert zu werden, ohne Angst zu haben, dass<br />
vermeintliche Schwächen unmittelbar zu Nachteilen führen. Wir nennen das „angstfreies<br />
Lernkl<strong>im</strong>a“, in dem jeder weiß, dass er von seinen Mitsportlern/-innen und <strong>Trainer</strong>n/-innen<br />
in seiner Leistungsfähigkeit und in seiner sozialen Position akzeptiert wird.<br />
Zu einem angstfreien Lernkl<strong>im</strong>a können <strong>Trainer</strong>/-innen beitragen, indem sie ein<br />
vertrauensvolles Verhältnis zur gesamten Trainings-/Wettkampfgruppe aufbauen. Dazu<br />
gehört es, Vertrauen vorzuleben, eigene Entscheidungen (z.B. Nominierungen) transparent zu<br />
machen.<br />
Darüber hinaus ist es notwendig, Lern- und Leistungssituationen zu trennen. Lernsituationen<br />
sind so zu gestalten, dass Fehler als produktive Bestandteile des Lernprozesses angesehen<br />
werden. Von <strong>Trainer</strong>n/-innen verlangt das, geduldig mit Fehlern umzugehen. „Fehler sind die<br />
Bordsteinkanten auf der Straße des Erfolges“, heißt es. <strong>Trainer</strong>/-innen sollten<br />
Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen und nicht negativ sanktionieren.<br />
Konkurrenzorientierte Leistungssituationen schaffen dagegen ein Kl<strong>im</strong>a, das angstfreies<br />
Lernen erschwert. Da zum <strong>Judo</strong> Leistungssituationen (z.B. Wettkampf, Gürtelprüfung oder<br />
Kata-Demonstration) unbedingt dazu gehören, sollte jedoch keineswegs darauf verzichtet<br />
werden. Wichtiger ist es, Phasen der reinen Lernorientierung mindestens gleichwertig neben<br />
Phasen der Leistungsorientierung zu stellen.<br />
!53
Grundhaltung: <strong>Trainer</strong>/-innen sind sportliche Begleiter/-innen <br />
!<br />
„Man kann einen Menschen nicht trainieren, man kann ihm nur helfen, es selbst zu<br />
tun“ (Barth & Baartz, 2004, S. 12). In diesem Sinne schaffen sportliche Begleiter/-innen<br />
Rahmenbedingungen, Anregungen und Trainingssituationen, die <strong>Judo</strong>ka zu selbstständigem<br />
Handeln sowie zur Bewältigung von Anforderungen und Belastungen befähigen. Eine solche<br />
Grundhaltung ist mit folgenden Prinzipien verknüpft.<br />
Sportliche Begleiter/-innen<br />
!<br />
!<br />
• gehen von einem Sportverständnis aus, in dem sowohl motorische als auch psychosoziale<br />
Aspekte ihren Platz haben;<br />
• verstehen sich als fachlich-partnerschaftliche Berater/-innen und als Vorbilder (s.u.);<br />
• pflegen einen vertrauensvollen Umgang, der durch Miteinander, Verlässlichkeit,<br />
Glaubwürdigkeit und Offenheit auch für außersportliche Probleme geprägt ist;<br />
• stellen in der Gruppe Bedingungen sozialen Wohlbefindens und angstfreien Lernens her<br />
(s.u.);<br />
• stellen weniger kurzfristige Ziele (z.B. Siege, Platzierungen) als vielmehr die langfristige<br />
motorische und psychosoziale Entwicklung in den Vordergrund.<br />
• erkennen, akzeptieren und berücksichtigen entwicklungsbedingte Lernfortschritte und -<br />
rückschritte, Leistungsstagnation und -defizite;<br />
• üben kalkulierten Leistungsdruck aus, der dem Prinzip folgt: "Fördern und fordern -<br />
nicht überfordern!“<br />
<strong>Trainer</strong>/<strong>Trainer</strong>innen sind Vorbilder! <br />
Sportliches und psychosoziales Lernen findet unter anderem über Modelle (Vorbilder) statt.<br />
Im Verein übernehmen <strong>Trainer</strong>/-innen wichtige Vorbildfunktionen für Kinder und<br />
Jugendliche. Dies macht eine bewusste Wahrnehmung und gezielte Gestaltung der<br />
Vorbildrolle notwendig. Bedingung dafür ist es, die erwünschten (psychosozialen) Lernziele<br />
mit dem eigenen Handeln als <strong>Trainer</strong>/-in in Übereinst<strong>im</strong>mung zu bringen, also als Person<br />
authentisch zu sein .<br />
Mit anderen Worten: Wer seinen <strong>Judo</strong>ka <strong>im</strong> Verein motorisches, technisches und taktisches<br />
Können vermitteln will, sollte auch ein gewisses Maß an Eigenrealisation vorleben.<br />
Das Gleiche gilt für den psychosozialen Bereich<br />
• Wer z.B. Selbstbewusstsein fördern will, sollte ein gefestigtes Selbstbild haben und dieses<br />
auch zeigen (Sportliches Selbstbewusstsein)! Dazu gehört auch die Akzeptanz eigener<br />
Schwächen.<br />
• Wer z.B. gegenseitige Unterstützung fördern will, muss selbst Hilfsbereitschaft zeigen<br />
und Hilfe annehmen können (Kooperationsfähigkeit und Aufgabenzusammenhalt)!<br />
!54
• Wer z.B. die Identifikation des Einzelnen mit den <strong>Judo</strong>-Prinzipien und <strong>Judo</strong>-Werten<br />
stärken will, muss diese selbst vorleben (AZ)!<br />
<strong>Judo</strong>-Prinzipien und <strong>Judo</strong>-Werte können bei der Ausgestaltung der individuellen <strong>Trainer</strong>rolle<br />
eine Orientierung bieten (Orientierungsfunktion). Dabei sollte die für die Ausgestaltung der<br />
<strong>Trainer</strong>rolle notwendige Selbstreflexion eigener <strong>Trainer</strong>handlungen (Was mache ich wie und<br />
warum? Welche Folgen hat mein Verhalten auf das Verhalten der Athleten?) auch vor dem<br />
Hintergrund der <strong>Judo</strong>-Prinzipien und <strong>Judo</strong>-Werte erfolgen.<br />
Bringt man das eigene Verhalten in Übereinst<strong>im</strong>mung mit den <strong>Judo</strong>-Prinzipien und <strong>Judo</strong>-<br />
Werten, so kann dies einen Beitrag zur Förderung psychosozialer Ressourcen bedeuten<br />
(Unterstützungsfunktion), denn die <strong>Judo</strong>-Prinzipien und <strong>Judo</strong>-Werte weisen eine deutliche<br />
Nähe zu den Kernzielen auf (z.B. <strong>Judo</strong>-Wert Mut und Kernziel sportliches Selbstbewusstsein).<br />
!<br />
Der <strong>Trainer</strong> oder die <strong>Trainer</strong>in in seiner/ihrer Grundhaltung als sportliche Begleiter/-innen<br />
und seiner/ihrer Vorbildrolle sowie ein angstfreies Lernkl<strong>im</strong>a und soziales Wohlbefinden in<br />
der Gruppe sind wichtige Rahmenbedingungen für die Entwicklung psychosozialer<br />
Ressourcen.<br />
Daraus erschließen sich methodische Prinzipien:<br />
• <strong>Trainer</strong>/-innen leben ein vertrauensvolles Miteinander, Verlässlichkeit und Offenheit vor.<br />
• <strong>Trainer</strong>/-innen gehen offen und produktiv mit Stärken und Schwächen der <strong>Judo</strong>ka um.<br />
• <strong>Trainer</strong>/-innen trennen zwischen Lern- und Leistungssituationen.<br />
• <strong>Trainer</strong>/-innen sind authentisch, d.h. sie bringen ihr eigenes Handeln mit den<br />
psychosozialen Kernzielen sowie den <strong>Judo</strong>-Prinzipien und <strong>Judo</strong>-Werten (Exkurs) in<br />
Einklang.<br />
• <strong>Trainer</strong>/-innen stellen die langfristige motorische und psychosoziale Entwicklung ihrer<br />
<strong>Judo</strong>ka in den Vordergrund. <br />
!55
!<br />
!56
!<br />
3.2. Planung und Aufbau einer Übungsstunde für<br />
Kinder<br />
Bei der Planung und Vorbereitung einer Übungsstunde müssen die vorhanden<br />
Lernbedingungen berücksichtigt werden. Oftmals ergeben sich kurzfristige Änderungen, die<br />
zu spontanen Umdisponieren zwingen und flexibles Reagieren des Übungsleiters erfordern.<br />
!<br />
Innere Lernbedingungen<br />
betreffen die personenabhängigen Bedingungen:<br />
a) der Gruppe<br />
• Psychische und physische Anlagen<br />
• Motorische Lernfähigkeit<br />
• Leistungsvoraussetzungen<br />
• Sozialverhalten<br />
b) des Übungsleiters<br />
!<br />
• Fachliche Kompetenz<br />
• Unterrichtsvorbereitung<br />
• Unterrichtsstil<br />
• Pädagogische Einstellung<br />
Äußere Lernbedingungen<br />
betreffen die personenunabhängigen Bedingungen:<br />
!<br />
• Anzahl der Teilnehmer<br />
• Anzahl der Übungsstunden<br />
• Übungszeit<br />
• Räumliche Gegebenheiten<br />
• Witterung<br />
• Geräte<br />
• Methodisches Verfahren<br />
Trotz aller Planungen <strong>im</strong> Vorfeld dürfen die Ideen und Anregungen, die die Kinder während<br />
der Stunde einbringen nicht übergangen werden. Offenheit gegenüber den Wünschen der<br />
Kinder bedeutet nicht Planlosigkeit, sondern kann in die Umsetzung der Lernziele eingebaut<br />
werden.<br />
!57
Beispiel:<br />
Der Übungsleitern macht best<strong>im</strong>mte Gerätevorgaben, indem er mit den Kindern einen<br />
Geräteparcour aufbaut. Die Kinder dürfen Vorschläge, Problemlösungen und<br />
Bewegungsideen einbringen, wie die Hindernisse zu überwinden sind. Dabei steht das<br />
Erproben und selbstständige Auseinandersetzen der Kinder mit einem gemeinsamen<br />
vorgefundenen Spielarrangement <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Vordergrund und nicht das Erlernen einer<br />
speziellen Fertigkeit oder Übung.<br />
Das Ziel der Bewegungserziehung <strong>im</strong> <strong>Elementarbereich</strong> ist die Förderung der<br />
Selbstständigkeit. Deshalb sollte sich der Übungsleitern <strong>im</strong>mer situativ auf die Kinder<br />
einstellen und deren Fähigkeiten und Bedürfnisse berücksichtigen. Grundsätzlich muss sich<br />
die Gestaltung der Stunde <strong>im</strong>mer am schwächstem Kind orientieren während gleichzeitig für<br />
die besseren Kinder schwierige Ausführungsvarianten überlegt und angeboten werden sollten.<br />
!<br />
3.2.1. Planungselemente einer Übungsstunde<br />
!<br />
Lernziele:<br />
Der Übungsleitern macht sich in der Vorbereitung auf seine Übungsstunde Gedanken, was er<br />
erreichen möchte, ob seine beabsichtigten Lernziele <strong>im</strong> motorischen, kognitiven, affektiven<br />
oder sozialen Bereich liegen. Wenngleich meist alle Bereiche tangiert werden, so kann<br />
dennoch ein Schwerpunkt <strong>im</strong> Vordergrund stehen. Innerhalb dessen ist zu überlegen, ob es<br />
um Erlernen, Schulen oder Verbessern geht.<br />
Inhalte:<br />
• Koordinationsschulung, Konditionsschulung, Technik, Spiel,…<br />
• Methoden / Medieneinsatz<br />
• Geräteeinsatz<br />
• Zeitrahmen<br />
• Organisationsformen<br />
• Sicherheitsaspekt<br />
!<br />
Aufbau einer Übungsstunde<br />
Der Aufbau einer Übungsstunde (45-60 Minuten) richtet sich nach der Zielsetzung. Je nach<br />
Inhalten wird sie in einen (klassischer Aufbau) oder mehrere (variabler Aufbau) Schwerpunkte<br />
beziehungsweise Hauptteile untergliedert.<br />
klassische Dreiteilung<br />
1. Einleitungs- oder Vorbereitungsteil (ca. 5-10 Minuten)<br />
• Einst<strong>im</strong>mung (evtl. festes Ritual zu Beginn)<br />
!58
!<br />
• Vorbereitende Übungen für den Hauptteil<br />
2. Hauptteil (ca. 30-40 Minuten)<br />
• Erarbeiten eines Lernziels, einer Spiel-/Bewegungsidee etc.<br />
3. Schluss oder Ausklang (10 Minuten)<br />
• richtet sich nach Hauptteil<br />
• freudvoller Abschluss, z.B. Spiel, Bewegungsgeschichte/Entspannungsgeschichte<br />
Auswertung einer Übungsstunde<br />
Um für künftige Übungsstunden zu profitieren, ist es wichtig, abgehalten Stunde rückwirkend<br />
zu betrachten bezüglich:<br />
• Lernziel, Spiel- und Bewegungsidee etc. erreicht?<br />
• Probleme?<br />
• Gefahrensituationen?<br />
• Kinder zufrieden?<br />
• Spaß?<br />
Daraus leitet sich die Planung der folgenden Stunden ab:<br />
!<br />
• Konsequenzen, Verbesserungsmöglichkeiten<br />
• Künftige Lernziele, Spiel- und Bewegungsideen etc.<br />
Um der Forderung nach Ganzheitlichkeit und kindgemäßem Handeln gerecht zu werden,<br />
sollte der Übungsleiter folgende Aspekte berücksichtigen:<br />
!<br />
• schaffen einer angenehmen Gruppenatmosphäre<br />
• zum Mitspielen anregen und zur Mitentscheidung herausfordern<br />
• zum selbstmachen ermutigen und Möglichkeiten zum Selbstgestalten geben<br />
• Chancen zur Selbstentscheidung einräumen<br />
• Hilfe zum Mitgestalten leisten<br />
• Vertrauen zum Selbstorganisieren geben<br />
• Bei Kindern bieten sich grundsätzlich vor allem Spiel- und Bewegungslandschaften an,<br />
die mit Bewegungsgeschichten untermauert werden.<br />
!<br />
!59
!<br />
!<br />
3.2.2. methodisch-didaktische Grundlagen der<br />
Bewegungserziehung<br />
Bewegungserziehung soll hier als betreute Übungsstunde verstanden werden, bei der<br />
sportliche Aktivität <strong>im</strong> Vordergrund steht. Die Gestaltung der Stunde als angeleitete Übungsoder<br />
Spieltrieb beziehungsweise offenes Bewegungsangebot ergibt sich aus der Zielsetzung,<br />
die den didaktischen Überlegungen zu Grunde liegt.<br />
Stundengestaltung<br />
Wegen der geringen Konzentrations- und Belastungsfähigkeit von Kindern sollte die Dauer<br />
einer Sport-, Spiel- oder Bewegungsstunde max<strong>im</strong>al 60 Minuten betragen. Für Kinder <strong>im</strong><br />
Alter von circa 3 Jahren entsprechend weniger. Opt<strong>im</strong>al wäre ein zwe<strong>im</strong>al wöchentlich<br />
stattfindendes Bewegungsangebot von je 45 bzw. 60 Minuten.<br />
Für die Umsetzung müssen folgende didaktische Prinzipien beachtet werden:<br />
• Kindgemäßheit, Altersangemessenheit<br />
• Offenheit<br />
• Freiwilligkeit<br />
• Erlebnisorientiertheit<br />
• Entscheidungsmöglichkeit<br />
• Selbsttätigkeit<br />
• Freude<br />
Da es unterschiedliche Lerntypen gibt, sollte Lernen mit allen Sinnen ermöglicht werden. Der<br />
Sport kann sich diese Tatsache zunutze machen, indem eine Verknüpfung von Bewegung mit<br />
kognitiven Inhalten angestrebt wird.<br />
!<br />
!<br />
!60
!<br />
3.3. Allgemeine Methodik einer Übungsstunde<br />
Grundsätze des Übens<br />
Unabhängig von der Zielsetzung der Übungsstunde müssen be<strong>im</strong> Erlernen motorischer<br />
Fähigkeiten und Fertigkeiten folgende didaktische Grundsätze <strong>im</strong>mer beachtet werden:<br />
• vom Bekannten zum Unbekannten<br />
• vom Leichten zum Schweren<br />
• vom Einfachen zum Komplexen<br />
Wenn es um die Verbesserung bereits erlernter motorischer Fähigkeiten und Fertigkeiten geht,<br />
sollte das verändernde Bedingungen stufenweise vorgenommen werden:<br />
unter<br />
!<br />
vereinfachten<br />
normalen<br />
Methodische Maßnahmen<br />
veränderten<br />
erschwerten<br />
Bedingungen<br />
Jeder Mensch lernt anders. Manche bevorzugen das beobachten, um nachzumachen; andere<br />
benötigen verbale Erklärungen oder wollen selbst ausprobieren, um die Zielform zu<br />
erreichen. Durch die Methodik kann der Übungsleiter das Lernen steuern und den<br />
Teilnehmer erleichtern. Sinnvoll ist es, möglichst viele Kanäle anzusprechen, um jeden<br />
Lerntyp anzusprechen.<br />
• Vormachen und Vorzeigen<br />
• Einsatz visueller Hilfsmittel wie Bilder, Plakate, Video<br />
• Beschreiben und Erklären<br />
• Bewegungsaufgabe (induktiv)<br />
• Bewegungsanweisung(deduktiv)<br />
• Bewegungshilfe<br />
• Bewegungskorrektur (auch individuell)<br />
• Unterrichtsgespräch<br />
!<br />
!61
!<br />
!62
!<br />
4. <strong>Judo</strong> spielend lernen<br />
Der Deutsche <strong>Judo</strong>-Bund möchte mit seinem Programm „<strong>Judo</strong> spielend lernen“<br />
!<br />
• die kindliche Bewegungsfreude altersangemessen fördern und damit einen Beitrag zur<br />
Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung von Kindern leisten,<br />
• die motorische und koordinative Leistungsfähigkeit von Kindern gezielt aufbauen helfen<br />
und damit einen Beitrag zur Verhütung von Unfällen <strong>im</strong> täglichen Leben leisten,<br />
• Kinder dazu anregen, sich mit ihren eigenen Bewegen und ihrem Körper auseinander<br />
zu setzen, dessen Leistungsfähigkeit zu erfahren und dadurch mehr Selbstwertgefühl und<br />
eine positive Körpereinstellung zu erlangen und<br />
• soziale Kompetenzen durch das Eingehen auf einen Partner und Übungsgruppe<br />
(Kooperation) und die Auseinandersetzung mit einem Partner und der Übungsgruppe<br />
(Konfrontation) fördern.<br />
<strong>Judo</strong> ist eine technisch komplexe Sportart, die zielgerichtet erst ab etwa dem 6. Lebensjahr<br />
erlernt werden kann. Vorrangiges Ziel des vorliegenden Programms für 5-7 Jährige ist es<br />
deshalb, zum <strong>Judo</strong>sport hinzuführen und nicht komplexe <strong>Judo</strong>techniken zu vermitteln.<br />
Die motorischen Förderschwerpunkte dieses Programms liegen in<br />
!<br />
• den Grundfertigkeiten Laufen, Springen und Rollen,<br />
• der Kräftigung der Rumpf- und Stützmuskulatur ,<br />
• der Gleichgewichtsschulung und der Raum-Lage-Orientierung,<br />
• der Rhythmusfähigkeit und<br />
• in der Entwicklung des Bewegungsempfinden<br />
!<br />
4.1. Materialien zum „<strong>Judo</strong> spielend lernen“<br />
Der DJB hat für das Programm „<strong>Judo</strong> spielend lernen“ folgende Materialien erstellt:<br />
!<br />
!<br />
• Kinderpass (mit Stickern)<br />
• Aufnäher für den <strong>Judo</strong>anzug<br />
• Übungsleiter-Materialienband<br />
!63
Kinderpass und Stickerbogen<br />
• Der Kinderpass ist der offizielle Mitgliedsausweis für Kinder von 5 bis 7 Jahre, in den<br />
Beitragsmarken geklebt werden.<br />
• Je nach Unterrichtsschwerpunkt oder Können erhalten die Kinder z.B. einmal <strong>im</strong><br />
Monat einen Sticker in ihren Kinderpass geklebt.<br />
• Die Sticker dienen der Motivation und Rückmeldung. Der Kinderpass funktioniert wie<br />
eine Prüfungskarte.<br />
• Der Kinderpass enthält wichtige Informationen für die Eltern.<br />
• Sticker für motorisches Können, <strong>Judo</strong>technik und Verhalten in der Gruppe (<strong>Judo</strong>werte)<br />
sind gleichberechtigt.<br />
• Zunächst sollten die allgemeinen Sticker geklebt werden, erst zum Ende der Ausbildung<br />
hin die Techniksticker.<br />
• Nach jeweils 8 Stickern bekommt ein Kind den nächsten Aufnäher (8/16/24)<br />
!<br />
!<br />
!<br />
!<br />
!<br />
!64
Aufnäher für den <strong>Judo</strong>anzug<br />
• Idee: Sichtbarer Erfolg auch gegenüber Dritten<br />
• Für je 8 Sticker wird ein Aufnäher verliehen, der sichtbar auf dem <strong>Judo</strong>anzug<br />
angebracht werden kann.<br />
• Die Verleihung sollte zum Ende eines Abschnittes erfolgen und schön gestaltet werden.<br />
!<br />
!<br />
!65
4.2. Inhaltliches Programm<br />
• <strong>Judo</strong>-Werte<br />
• Allgemeine motorische Ausbildung<br />
– Bewegen ohne Partner<br />
– Bewegen mit kooperativem Partner oder Partnern<br />
– Kämpfen zu zweit oder in der Gruppe<br />
• <strong>Judo</strong>-Technik: Programm für den 8. Kyu<br />
!<br />
Alle drei Bereiche sind gleichwertig!!<br />
Alle drei Bereiche werden durch Sticker <strong>im</strong> Kinderpass dokumentiert.<br />
!<br />
<strong>Judo</strong>werte<br />
!<br />
!<br />
!<br />
!<br />
!<br />
!66
Allgemeiner motorischer Bereich<br />
!<br />
!<br />
!<br />
Kategorie<br />
Bewegen ohne einen Partner<br />
Kooperierendes Bewegen mit<br />
Partner(n)<br />
Kämpfen zu zweit und in der<br />
Gruppe<br />
<strong>Judo</strong>-Technik<br />
Bewegungsfelder<br />
• Rollen (alle Achsen)<br />
• Krabbeln (Bauch oben/unten) und Klettern<br />
• Hüpfen (beidbeinig/einbeinig, Gleichgewicht)<br />
• Laufen (alle Richtungen) und Balancieren<br />
• Gemeinsames Rollen und Kullern<br />
• Gemeinsam <strong>im</strong> Stand bewegen<br />
• Gemeinsam <strong>im</strong> Rhythmus bewegen<br />
• Sich gemeinsam in verschiedenen <br />
Raumlagen bewegen<br />
• Kämpfen um einen Gegenstand<br />
• Zieh- und Schiebekämpfe<br />
• Kämpfen um eine Körperposition<br />
• Kämpfen um das Gleichgewicht<br />
!67
Auch wenn der Anteil der <strong>Judo</strong>technik ein zeitlich eher geringen Anteil innerhalb dieser<br />
Ausbildung in Anspruch n<strong>im</strong>mt, ist es jedoch von zentraler Bedeutung.<br />
Dem Kind werden entwicklungs- und altersgerechte Bewegungsfertigkeiten vermittelt, welche<br />
der späteren <strong>Judo</strong>zieltechnik schon sehr nahe kommen. Grundlegende Elemente, wie zum<br />
Beispiel: der sichere Stand auf beiden Beinen, aufrechte Körperkontaktflächen, Kontrolle<br />
über den Partner und sichern des Partners spielen das ganze <strong>Judo</strong>leben lang eine wichtige<br />
Rolle.<br />
Bei der Vermittlung dieser ersten Wurf-, Fall-, Halte- und Befreiungstechniken sollten einige<br />
methodisch-didaktische Grundsätze beachtet werden:<br />
• Beidseitigkeit<br />
• Werfen und Fallen als Einheit unterrichten<br />
• Fallhöhe langsam steigern<br />
• Verantwortung übernehmen<br />
• Halten und Befreien als Einheit Unterricht<br />
• Widerstände dosieren<br />
• Kreativität fördern<br />
• Partnerverhalten einbeziehen<br />
• Spiel und Spaß<br />
• Loben, Loben, loben<br />
!<br />
!<br />
!68
<br />
!<br />
4.3. Praktische Tipps für Übungsleiter/innen<br />
• Der Kinderpass gehört in die Hände der Kinder.<br />
• Hefte die Stickerbögen hinter deine Gruppenliste in einem Ringordner ab. – So hast du<br />
durch die eingeklebten Sticker eine Kontrolle, was noch erarbeitet werden sollte.<br />
• Vereinbare einen regelmäßigen Termin mit den Kindern, an dem der Kinderpass<br />
mitgebracht wird. (oder sie haben sie <strong>im</strong>mer dabei in einer Klarsichthülle)<br />
• Vergib die Sticker nach Unterrichtsschwerpunkten der zurückliegenden Zeit (Plane<br />
deinen Unterricht!) und nach besonderen Leistungen einzelner Kinder (Beobachte den<br />
allgemeinen Bewegungsfortschritt und das Verhalten der Kinder!)<br />
• Sprich dich mit den anderen Übungsleitern deines Vereins ab, damit Kinder, die vor<br />
Abschluss des Programms die Gruppe verlassen/wechseln, auch dort weiter ihre Sticker<br />
und Aufnäher erarbeiten können.<br />
• Das Programm lässt sich auch mit älteren Kindern umsetzen. Scheue nicht, einzelne<br />
Übungen zu variieren. Behalte aber den Aufbau der Bewegungsfelder als Hinführung<br />
zum <strong>Judo</strong> bei. Je älter/fortgeschrittener die Kinder sind, desto mehr <strong>Judo</strong>technik-<br />
Anteile darf es in einer Stunde geben.<br />
• Bei einer homogenen Gruppe füllst du zum Ende der Ausbildungszeit eine Prüfungsliste<br />
deines Landesverbandes aus und bestellst dort die Prüfungsmarken. Die Graduierung<br />
wird <strong>im</strong> Kinderpass gemäß den Richtlinien deines Landesverbandes dokumentiert.<br />
• Bei einer gemischten Gruppe trägst du die Kinder bei Abschluss des Programms auf<br />
der nächsten Prüfungsliste deines Vereins nach.<br />
• Du bist noch gar nicht prüfungsberechtigt? Macht nichts! Du hast dich intensiv zwei<br />
Jahre lang mit deinen Kindern beschäftigt und weißt besser als jeder andere, was sie<br />
können. Sprich deinen Prüfungsbeauftragten an. Mit ihm zusammen wird sich ein Weg<br />
finden, der deine geleistete Arbeit zu einem guten Ende bringt.<br />
!69
4.4. Beispiel für eine „Stickerplanung<br />
Krabbeln und Klettern<br />
Krabbengang,<br />
Vierfüßlergänge,<br />
Spinnengang,<br />
Hindernisse einbauen<br />
Rollen und Kullern<br />
Baumstammrollen alleine<br />
und zu zweit,<br />
mit Ball am Bauch rollen<br />
Höflichkeit<br />
Verneigen vor dem<br />
Partner, Danke sagen,<br />
mit Verneigen Partner<br />
auffordern<br />
Respekt<br />
Verneigen vor dem Dojo<br />
bzw. Kamisa,<br />
Start- & Endritual verfolgen<br />
Hüpfen<br />
In weiche Gegenstände<br />
reinhüpfen, von etwas<br />
runter hüpfen<br />
(ein- & zweibeinig),<br />
H<strong>im</strong>mel und Hölle<br />
Ernsthaftigkeit<br />
Gürtel binden,<br />
Fuß- und Fingernägel<br />
geschnitten<br />
sauberer <strong>Judo</strong>anzug<br />
Laufen und Balancieren<br />
Koordinationsleiter,<br />
Rhythmuslauf ,<br />
auf Seile & Gegenstände,<br />
Spinnennetz / Packman<br />
Hilfsbereitschaft<br />
Schiffe versenken,<br />
Roboter,<br />
Versteinern,<br />
Heißer Draht,<br />
Zange für Handstand<br />
! 1. Aufnäher (Orange)<br />
Kämpfen um Gegenstände<br />
Kampf ums goldene Ei,<br />
Gürtel klauen,<br />
Wäscheklammern<br />
transportieren<br />
Fallen Rückwärts<br />
Rückwärts schaukeln, auf<br />
Weichbodenmatte,<br />
Schwebesitz<br />
Verschiedene Raumlagen<br />
Rodeo,<br />
Esel und Muli Transport,<br />
Handstand<br />
Mune-gatame<br />
Mausefalle,<br />
Schildkröten wenden<br />
! 2. Aufnäher (Gelb)<br />
Gemeinsam <strong>im</strong> Stand<br />
Magnetspiel,<br />
Füße begrüßen,<br />
Ball zwischen den Körper<br />
Selbstbeherrschung<br />
einfrieren – schmelzen,<br />
Becher auf Körper stapeln,<br />
Schlafmütze, Schlange<br />
Mut<br />
Kämpfe gegen große<br />
Kinder, Herkulesspiel,<br />
aus dem Rückwärtslaufen<br />
Rückwärtsfallschule,<br />
bzw. mit geschlossenen<br />
Augen auf Weichbodenmatte<br />
Kämpfen um Positionen<br />
Spinne und Fliege,<br />
Kesa-gatame wackeln,<br />
Hackelkämpfe,<br />
Fallschirmspringer<br />
!70
Seitwärtsfallschule<br />
Klopfer,<br />
Marionette,<br />
Fußball Torschuss,<br />
fallen am Partner<br />
oder am Seil<br />
Kesa-gatame<br />
Wackelkampf,<br />
Wichtelkampf am See,<br />
Gutenachtgeschichte<br />
Gleichgewichtskämpfe<br />
Standkämpfe,<br />
Schwebesitzkampf,<br />
S-Gürtelkampf,<br />
Hahnenkampf<br />
Osoto-otoshi<br />
aus Kniestand,<br />
Ritter,<br />
Blinken - Auto kann überholen<br />
! 3. Aufnäher (Grau)<br />
Bodenrandori<br />
Wichtelkampf,<br />
Alle Bodenkämpfe vorher<br />
Ehrlichkeit<br />
Wer hat gewonnen,<br />
Zählspiele<br />
Gemeinsam <strong>im</strong> Rhythmus<br />
Schattenlauf,<br />
Blindenlauf,<br />
Musik, Zeitungspapier<br />
gemeinsam<br />
vorwärts bewegen,<br />
mit großen Bälle rhythmisch<br />
Zieh- und Schiebekämpfe<br />
Seilziehen,<br />
Indianer Jones,<br />
Sumo,<br />
Gullydeckel<br />
Uke zieht<br />
Übungsformen um<br />
das ziehen,<br />
Uke wichtige Rolle<br />
Rollen alle Achsen<br />
Tunnelrolle, Affenrolle,<br />
Turnerrolle, Rolle Rückwärts,<br />
Speedrolle,<br />
Rollen mit dem Ball,<br />
Zahlenspiel mit Rolle<br />
O-goshi / Uki-goshi<br />
Superman,<br />
Kniestand,<br />
Charminbär<br />
Freundschaft<br />
Bild malen von<br />
meinem <strong>Judo</strong>freund<br />
Wertschätzung<br />
nach Randori die Hand<br />
geben,<br />
Supertalent<br />
Uke drückt<br />
Schiebekampf,<br />
Uke wichtige Rolle<br />
2 Handlungsketten<br />
werfen mit Festhalter<br />
-> Prüfung,<br />
Abschluss<br />
Bescheidenheit<br />
Übergabe zu<br />
weiß-gelben Gürtel<br />
! Übergabe weiß-gelber Gürtel<br />
!71
!<br />
!72
!<br />
5. Auffälligkeiten<br />
5.1. Haltungs- und Bewegungsauffälligkeiten<br />
Die aufrechte Haltung <strong>im</strong> Stand ist ein hoch komplexer Vorgang, der auf dem<br />
Zusammenspiel von Zentralnervensystem und Skelettmuskeln basiert. Dabei wird der Körper<br />
in einem labilen Gleichgewichtszustand gehalten. Die Wirbelsäule entspricht in ihrer<br />
physiologischen Struktur einer Doppel-S-Form.<br />
Verschiedene Ursachen beeinflussen die Haltung:<br />
• anatomische<br />
• physiologische<br />
• psychische und geistige<br />
• soziale<br />
und können zu Haltungsschwächen oder -schäden führen. Deshalb kann die Haltung auch als<br />
Spiegelbild des Menschen betrachtet werden. Besonders Kinder äußern ihre St<strong>im</strong>mung sehr<br />
unmittelbar, daher kann oft die Haltung als Ausdruck ihres jeweiligen Befindens<br />
herangezogen werden. Beispielsweise hüpfen und tanzen Kinder häufig spontan, wenn sie<br />
sich freuen und halten sich gebückt, wenn sie traurig sind.<br />
Die Gestalt der Wirbelsäule entwickelt sich erst allmählich zu Doppel-S-Form.<br />
!<br />
Während des Wachstums vom Neugeborenen bis zum Schulkind bildet sich zunächst die<br />
Halslordose, später die Brustkyphose und schließlich die Ausprägung der Fußgewölbe. Dazu<br />
ist ein intakter aktiver (Muskeln) und passiver (Knochen, Knorpel, Sehnen, Bänder)<br />
Bewegungsapparat notwendig, der sich durch viel Bewegung ausbildet und verfestigt.<br />
Bewegungsmangel wirkt sich sehr negativ auf die Haltung aus. Durch langes Sitzen und<br />
geringe Entwicklungsreize für den aktiven Bewegungsapparat degeneriert die Muskulatur und<br />
kann ihre Funktion nicht mehr gerecht werden. Auch für die Bandscheiben ist viel Bewegung<br />
wichtig, dass durch ständiges Be- und Entlasten ernährt werden.<br />
Untersuchungen an Schulkindern ergaben einen Zusammenhang zwischen beginnendem<br />
Schulalltag und dem Verfall der Körperhaltung aufgrund des Sitzzwanges.<br />
!73
Selbst leistungsgeschwächte Füße sind verantwortlich für viele Haltungs- und<br />
Bewegungsprobleme, da sie die gesamte Statik des Menschen beeinträchtigen. Wenn<br />
beispielsweise das Fußlängsgewölbe schwach ist, muss in Sprung-, Knie-, Hüft- und<br />
Schultergelenk ausgeglichen werden, um dieses Defizit zu kompensieren.<br />
Allerdings muss bedacht werden, dass sich bei Kindern bedingt durch das Wachstum<br />
zwischenzeitlich Haltungsvarianten ergeben können, die nicht als pathologisch zu betrachten<br />
sind.<br />
Um opt<strong>im</strong>ale Voraussetzungen für eine stabile Wirbelsäule zu schaffen, sollten folgende<br />
Aspekte berücksichtigt werden:<br />
• Kräftigen der schwachen und dehnen der verkürzten Muskulatur<br />
• Beuger und Strecker gleichermaßen beanspruchen, um muskuläre Dysbalancen zu<br />
vermeiden<br />
• Koordinationsschulung<br />
• Trainieren der Füße durch barfuß gehen und speziellen Übungen zum stützen, halten,<br />
tasten, greifen und federn<br />
• Indoor: gutes Schuhwerk zur Vermeidung von Fehlbelastungen der Füße<br />
Outdoor: Pr<strong>im</strong>är barfuß laufen empfohlen<br />
• Gesunde Ernährung, um die Entwicklung des Muskel- und Knochenaufbaus zu fördern<br />
!<br />
Anzeichen für auffällige Wahrnehmungs- und Bewegungssignale<br />
(nach Balster,1999)<br />
• Unzureichende Wahrnehmungsreaktionen wie…<br />
reagiert zu wenig, zu viel, über-/unterempfindlich auf akustische, visuelle, taktile,<br />
kinästhetische und vestibuläre Reize; meidet Objekte oder lehnt sie ab.<br />
• Unzureichende Lernkompetenz / Handlungserfahrungen wie…<br />
bricht häufig Tätigkeiten ab, wechselt stets Aufgaben, sucht ständig Neues; lernt nicht aus<br />
dem Handeln, macht ähnliche Fehler; nichtselbstständig, keine Neugier, erforscht wenig,<br />
erlernt etwas nur mühsam.<br />
• Unangemessene Bewegungsausführungen wie…<br />
zu schnelle, zu langsame, zu heftige, zu sparsame, ungenaue, ungeschickte, nicht flüssige,<br />
kraftlose, unangepasste Bewegungsäußerungen.<br />
• Unangemessener Umgang mit dem eigenen Körper / Körperteilen wie…<br />
zu schlafe, verkrampfte Muskelspannung; kein Muskelspannungsaufbau; keine Isolierung<br />
einzelner Körperteile.<br />
• Unangemessene Verhaltensweisen wie…<br />
schnell mutlos; rastet schnell aus; ängstlich; stets lustlos.<br />
!74
!<br />
Begriffserklärung<br />
5.2. Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom<br />
Der Begriff Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom steht für die international anerkannte Diagnose<br />
von Aufmerksamkeitsstörung mit (ADHS) und ohne (ADS) Hyperaktivität. Die Kinder leiden<br />
unter Konzentrationsmangel und Bewegungsunruhe. Das Phänomen existiert schon lange,<br />
obgleich es in den letzten Jahren zunehmend thematisiert wird. Schon 1845 beschrieb der<br />
Frankfurter Nervenarzt Heinrich Hoffmann in „Zappelphilipp“, „Hans guck in die Luft“ und<br />
„Struwwelpeter“ die Probleme aufmerksamkeitsgestörter Kinder.<br />
Hyperaktivitäts- und Aufmerksamskeitsstörungen sind neben aggressiven Verhalten die<br />
häufigsten Verhaltensbeeinträchtigungen <strong>im</strong> Kindesalter. Jungs sind wesentlich häufiger<br />
betroffen als Mädchen. Meistens machen sich die Symptome vor dem sechsten Lebensjahr<br />
bemerkbar.<br />
Eine genaue Abgrenzung zwischen Normalität und Auffälligkeit ist schwierig. Vor allem die<br />
Abgrenzung zu anderen auffälligen Verhaltensweisen, zum Beispiel Aggressivität bereitet<br />
Probleme. Es gibt derzeit keinen Test, der ADS mit Sicherheit feststellen oder ausschließen<br />
kann. Die Diagnose beruht auf der Beobachtung des Verhaltens betroffener Kinder, das sich<br />
in verschiedenen Ausprägungen zeigen kann. Anderseits darf nicht jedes Kind, dass<br />
beispielsweise einen temperamentvollen Charakter an den Tag legt, als ADS krank eingestuft<br />
werden.<br />
!<br />
!<br />
5.2.1. Kernsymptome<br />
!<br />
Aufmerksamkeitsstörung<br />
!<br />
Die Aufmerksamkeitsspanne ist kurz, d.h. diese Kinder verlieren sehr schnell das Interesse<br />
an einer Sache. Sie können Anweisungen nur schwer folgen, sind leicht ablenkbar und<br />
können Wesentliches nicht von Unwesentlichem trennen. Anderseits nehmen Sie dadurch<br />
auch Details war, die anderen Kindern verborgen bleiben.<br />
Hyperaktivität<br />
!<br />
!<br />
Diese Kinder fallen durch übermäßige, motorische Bewegungen auf. Sie können nicht still<br />
sitzen, stehen ständig unter Strom und alles erweckt ihre Neugier. Die Bewegungen sind<br />
dabei unkontrolliert, hektisch und überschießend, so dass sie viel zerstören oder sich und<br />
andere in Gefahr bringen.<br />
!75
Störung der Impulskontrolle<br />
!<br />
!<br />
!<br />
In emotionalen, sozialen und kognitiven Situationen reagieren sie unbedacht und<br />
vorschnell. Es gelingt Ihnen nicht, abzuwarten oder eine Handlung <strong>im</strong> Voraus zu<br />
überlegen. Sie spielen sich gerne in den Mittelpunkt und reagiere häufig mit<br />
Wutausbrüchen. Dadurch leidet ihre Gruppenfähigkeit und sie machen sich unbeliebt.<br />
Feinmotorik<br />
!<br />
5.2.2. Konkrete Verhaltensauffälligkeiten<br />
Oft kommt es zu Fehleinschätzungen bezüglich des Abstandes von Gegenständen. Das hat<br />
häufig ein Umwerfen, Ausschütten, Runterwerfen und so weiter zur Folge und bedingt<br />
schlechtes Ballgefühl. Auch die statische und dynamische Balance ist beeinträchtigt. Be<strong>im</strong><br />
Schneiden, Malen und Schreiben äußert sich die Ungeschicklichkeit in verkrampfter<br />
Stifthaltung und festem Aufdrücken bis hin zum Abbrechen der Stiftspitze.<br />
M<strong>im</strong>ik<br />
Der Gesichtsausdruck ist oft gespannt, starr und zeigt häufig ein Grinsen. Insgesamt tritt<br />
die M<strong>im</strong>ik nicht situationsangepasst auf, sondern zeitverzögert. Das wirkt sich auf das<br />
soziale Zusammenleben aus, da die Mitmenschen durch den Gesichtsausdruck nicht die<br />
richtigen Rückschlüsse auf den tatsächlichen emotionalen Zustand schließen können. Ein<br />
Kind, dass die sch<strong>im</strong>pfenden Eltern angrinst (obgleich ihm gar nicht zum Lächeln zumute<br />
ist), provoziert diese noch mehr. Umgekehrt gelingt es diesen Kindern auch nicht, die<br />
M<strong>im</strong>ik anderer richtig wahrzunehmen und zu deuten.<br />
!<br />
Körpersprache<br />
Die Kontrolle der Bewegungssteuerung funktioniert schlechter, langsamer und häufig<br />
verzögert. Der Mensch macht sich von seinen Mitmenschen aufgrund von Kopf und<br />
Körperhaltung unbewusst ein Bild. Das bedeutet, dass die Beurteilung einer Person von<br />
seiner Gesamterscheinung abhängig ist. Aufgrund ihrer Erscheinung werden Kinder mit<br />
ADS-Syndrom eher negativ, weniger attraktiv und intelligent, aber aggressiver<br />
eingeschätzt.<br />
!<br />
Spiel- und Sportverhalten<br />
Spielregeln können kaum eingehalten werden, auch wenn sich die Kinder dessen bewusst<br />
sind. Ihre Neugier motiviert sie zwar, vieles auszuprobieren, selten bleiben sie jedoch<br />
dabei. Wegen der geringen Sozialkompetenz üben diese Kinder selten Teamsportarten<br />
!76
!<br />
aus, sondern eher Individualsportarten beziehungsweise Sportarten mit nur einem Partner<br />
(zum Beispiel <strong>Judo</strong>). Sie bevorzugen Vereinigungen mit sehr stark strukturierten und<br />
geführten Gruppenaktivitäten wie zum Beispiel Pfadfinder.<br />
Sprache<br />
!<br />
Manche Kinder leiden unter Sprachentwicklungs- und Sprechstörungen andere beginnen<br />
auffallend frühzeitig mit hervorragender Wortwahl zu sprechen. Oft passt jedoch das<br />
Gesagte nicht zum aktuellen Thema und ist akustisch schlecht zu verstehen. Auch st<strong>im</strong>men<br />
Tonfall und St<strong>im</strong>mlage häufig nicht mit dem emotionalen Inhalt überein. Sie können nicht<br />
abwägen, welchem Adressaten sie was erzählen und machen sich dadurch oft unbeliebt<br />
oder schaden sich selbst.<br />
!<br />
5.2.3. Konsequenzen für die Bewegungsförderung<br />
Zur Förderung von Körperwahrnehmung und Körperkoordination haben sich<br />
erlebnispädagogische Maßnahmen und Psychomotorik bewährt, vor allem in Form der<br />
bewegungsorientierten sozialen Gruppenarbeit. Die motorische Zielsetzung sollte darin<br />
liegen, den Bewegungshunger der Kinder zu stillen (z.B. Fangspiel zu Stundenbeginn) und<br />
motorische Basisfertigkeiten zu schulen. Bei den Übungsstunden sollten Spaß und Freude <strong>im</strong><br />
Vordergrund stehen und den Kindern Erfolgserlebnisse ermöglicht werden. Gerade für<br />
Kinder mit ADS-Syndrom ist ein gestärktes Selbstvertrauen wichtig, da sie viel Misserfolg,<br />
Ablehnung und Ausgrenzung erfahren. Der Kontakt zu Gleichaltrigen muss hergestellt und<br />
der Umgang geschult werden. Die Gruppen sollten klein sein (4-10 Kinder), damit die Kinder<br />
soziales Verhalten lernen und üben können und <strong>im</strong> Idealfall später in eine reguläre Gruppe<br />
<strong>im</strong> Sportverein integriert werden können. Parallel dazu sollte den Eltern Hilfestellung und<br />
Anregung zur Freizeitgestaltung gegeben werden, damit gemeinsame Familienerlebnisse<br />
möglich werden.<br />
!<br />
• Fähigkeiten betroffener Kinder beachten und herausstellen<br />
• Liebevolles, aber energisches Auftreten<br />
• Geduld und Verständnis aufbringen<br />
• Klare Strukturen und überschaubare Regeln aufstellen<br />
• Grenzen und Konsequenzen aufzeigen<br />
• Körperkontakt suchen<br />
• Regelmäßigkeit in Alltagsabläufen<br />
• Zu viel Selbstständigkeit und Eigeninitiative überfordert!<br />
• Strenger, <strong>im</strong> positiver Sinn „autoritärer Erziehungsstil“! <br />
!77
!<br />
!78
5.3. Exkurs: Grenzen setzen<br />
!<br />
(Quelle: Jan-Uwe Rogge, „Kinder brauchen Grenzen" und „Eltern setzen Grenzen“) <br />
1. Die Bedeutung von Grenzen<br />
Def. Grenze: "die Linie, an der die Gebiete verschiedener Staaten oder sonstiger<br />
„Hoheitsbereiche“ aneinander stoßen" (allg. Lexikon")<br />
Im zwischenmenschlichen Bereich bedeutet dies, dass die 'Hoheitsbereiche' zweier<br />
Menschen aufeinander treffen.<br />
Das Kind und der Erwachsene (Erzieher, Übungsleiter etc.) stehen sich mit ihren jeweiligen<br />
- Wünschen<br />
- Bedürfnissen<br />
- Meinungen und<br />
- Erfahrungen<br />
gegenüber. Diese Persönlichkeitsmerkmale sind individuell und als solche nur erlebbar,<br />
wenn sie von Merkmalen anderer klar unterschieden, und somit abgegrenzt werden dürfen.<br />
• Grenzen haben eine Schutzfunktion<br />
Grenzen schützen die ureigensten Bedürfnisse des Einzelnen und verhindern so eine<br />
Überforderung auf beiden Seiten.<br />
Grenzen sind sowohl Ausdruck als auch Voraussetzung für gegenseitige Achtung und gute<br />
Zusammenarbeit.<br />
• Grenzen haben eine Orientierungsfunktion und schaffen Freiräume<br />
Klare Grenzen sorgen für einen klaren Rahmen, innerhalb dessen sich Kinder und<br />
Jugendliche frei und selbstsicher bewegen können und altersgerecht ihre<br />
Handlungsmöglichkeiten erproben können. Grenzen müssen mit dem Alter und der<br />
Entwicklung von Kindern „mitwachsen" und angepasst werden.<br />
Grenzen geben somit Sicherheit und Orientierung.<br />
• Grenzen fördern die Selbstkontrolle<br />
Wenn Grenzen abgesteckt und klar mitgeteilt sind, können Kinder lernen, die Grenzen von<br />
selbst zu achten. Nur wenn Kinder und Jugendliche wissen, wie weit sie gehen können (und<br />
wann ihr Verhalten für andere unannehmbar ist), können sie sich danach richten.<br />
• Grenzen sind Ausdruck gegenseitiger Achtung und schaffen eine notwendige Distanz<br />
Wer einen anderen achtet, wird versuchen, dessen Grenzen zu respektieren.<br />
Wer sich selbst achtet, sich selbst ernst n<strong>im</strong>mt und für sich sorgt, wer seine Grenzen schützt<br />
(und auch verteidigt), wird erreichen, dass ihm Achtung und Wertschätzung entgegen<br />
gebracht werden.<br />
!79
!<br />
2. Beziehungsgestaltung:<br />
• Abstecken eines klaren Rahmens<br />
Innerhalb einer pädagogischen Beziehung ist es die Aufgabe des Erwachsenen, dem Kind<br />
oder dem Jugendlichen offen, ehrlich und unmissverständlich mitzuteilen, welche<br />
Verhaltensweisen er akzeptiert und welche er nicht tolerieren wird.<br />
Der Erwachsene muss sich dasselbe auch vom Kind sagen lassen und so in eine<br />
partnerschaftliche, fruchtbare Auseinandersetzung gehen.<br />
• Überforderung oder Unterforderung vermeiden<br />
Überforderung, sei es in psychischer oder physischer Hinsicht, entmutigt Kinder und<br />
Jugendliche. Die Frage, will das Kind etwas nicht oder kann es etwas nicht, gilt es zu<br />
klären. Manche Kinder können best<strong>im</strong>mte Aufgaben nicht erledigen und überschreiten<br />
deshalb Grenzen.<br />
Unterforderung führt recht schnell zu Langeweile. Und Langeweile führt ganz schnell zu<br />
Unsinn! Unterforderte Kinder fühlen sich nicht ernst genommen und rütteln gerne an<br />
den zu engen Grenzen.<br />
• Kontakt aufnehmen<br />
Kinder wollen angesprochen werden und sich angesprochen fühlen. Folgende Reihenfolge<br />
erweist sich als günstig:<br />
Kontaktaufnahme mit den Augen, (evtl.) Körperkontakt, dann eine eindeutige Sprache.<br />
• Eindeutige Kommunikation<br />
- Senden von „Ich-Botschaften ":<br />
Vorwürfe und verallgemeinernde Anklagen helfen Heranwachsenden nicht. Ich-<br />
Botschaften benennen den Sachverhalt, geben Auskünfte über Gefühle und sprechen<br />
(falls erforderlich) Konsequenzen an, die sich aus nicht eingehaltenen Absprachen<br />
ergeben können.<br />
- Körpersprache:<br />
Es kommt nicht nur darauf an, was ich sage, sondern wie es gesagt wird.<br />
Körperhaltung, M<strong>im</strong>ik und Gestik müssen zum Gesagten passen. Gerade be<strong>im</strong><br />
Grenzen setzen ist Blickkontakt, Festigkeit der St<strong>im</strong>me und eine sichere Körperhaltung<br />
wichtig.<br />
- Eindeutige, klare Botschaften:<br />
Fragen setzen keine Grenzen. („würdest du bitte...?") Auch Erwachsene die sich „den<br />
Mund fusselig reden", laufen ins Leere. Kinder akzeptieren erst Grenzen, wenn sie klar<br />
artikuliert werden.<br />
!<br />
!80
Einschub aus der Kommunikationspsychologie:<br />
55 % der Kommunikation läuft über Körpersprache<br />
38 % über den St<strong>im</strong>mklang und die Art des Sprechens<br />
7 % vermittelt sich Kindern über den Inhalt und Sinn der Worte.<br />
!<br />
• Achtung, Wertschätzung und Anerkennung des Kindes<br />
Unabhängig von seinem Verhalten und seinen Fähigkeiten sollen Achtung und<br />
Wertschätzung <strong>im</strong>mer gewährleistet und für das Kind spürbar sein. Diese emotionale<br />
D<strong>im</strong>ension ist nicht mit einer Zust<strong>im</strong>mung für alle Verhaltensweisen zu verwechseln.<br />
Vielmehr ist die Annahme des Kindes als Gesamtpersönlichkeit mit all seinen (auch<br />
negativen) Anteilen gemeint.<br />
!<br />
• Einfühlendes Verstehen<br />
Einfühlendes Verstehen ist der Versuch, sich in die Erlebniswert des Anderen einzufühlen<br />
und die Reaktionen und Handlungsweisen aus dessen Sicht wahrzunehmen und zu<br />
verstehen. Kinder/Jugendliche brauchen gute Zuhörer, die ihre Gefühle und Reaktionen<br />
nicht gleich bewerten und/oder Ratschläge erteilen. Einfühlendes Verstehen meint auch<br />
einen Ausstieg aus der Stigmatisierung - „der ewige Störer", „der Auffällige" - und der<br />
damit einhergehenden Verhaltenszuschreibungen und der Bestätigung dieser<br />
Zuschreibungen. Interessante Fragen könnten sein: Was hat das Kind von seinem<br />
Verhalten? Was drückt der Jugendliche durch seine Haltung aus?<br />
!<br />
• Das Kind / den Jugendlichen ernst nehmen<br />
Gefühle, Bedürfnisse, Anliegen, die ein Kind hat (und sind sie aus der Sicht des<br />
Erwachsenen noch so unangebracht), sind Realität für das Kind. Wenn Erwachsene<br />
Kindern ihre Gefühle absprechen -„das ist doch nicht schl<strong>im</strong>m... da brauchst du doch<br />
nicht weinen!" - fühlt sich das Kind nicht ernst genommen. Kinder und Jugendliche<br />
haben ein enormes Gespür dafür, ob man sie ernst n<strong>im</strong>mt oder nicht und werden<br />
dementsprechend kooperieren oder sich auch verweigern.<br />
• Kongruenz: Echtheit und Aufrichtigkeit<br />
Kinder/Jugendliche wollen wissen, wie der Erwachsene wirklich ist. Sie wollen keine -<br />
<strong>im</strong>mer freundliche - Fassade. Sie müssen sich reiben, und dazu brauchen sie ein ehrliches<br />
Gegenüber mit Ecken und Kanten.<br />
Kongruenz meint die Übereinst<strong>im</strong>mung von Äußerungen, Maßnahmen, Gestik und<br />
M<strong>im</strong>ik mit dem inneren Erleben, dem Fühlen und Denken. Echtheit setzt voraus, sich der<br />
eigenen Gefühle soweit wie möglich bewusst zu sein und sich zu diesen auch zu bekennen.<br />
Echtheit <strong>im</strong> Verhalten beinhaltet damit auch Offenheit und Transparenz.<br />
!81
Alles Unechte oder einen Mangel an Unaufrichtigkeit spüren Kinder und Jugendliche<br />
sofort und versuchen um so mehr an der Fassade des Erwachsenen zu kratzen (z.B. durch<br />
Grenzüberschreitungen) um sein „wahres Gesicht" zu erleben.<br />
!<br />
• Ermutigung<br />
Kinder müssen mutig sein! Denn schließlich lernen sie erst noch, mit vielen neuen<br />
Anforderungen und Situationen zurechtzukommen. Sie können vieles NOCH nicht. Um<br />
nicht zu verzagen und an sich - trotz Misserfolge und Rückschläge - zu glauben, müssen<br />
Kinder ermutigt werden. Eine positive Haltung und der Glauben an das Kind stärken<br />
dessen Selbstbewusstsein.<br />
!<br />
• Aufmerksamkeit und Liebe<br />
Grundlage für eine positive Beziehung sind Aufmerksamkeit und eine liebevolle<br />
Zuwendung.<br />
!<br />
3. Kinder und Jugendliche in ihren Grenzüberschreitungen verstehen lernen -<br />
Möglichkeiten und Grenzen pädagogischen Handelns<br />
(Quelle: Michael Wendler und Tilo Irmischer, Motologisches Institut Marburg)<br />
Erhebung:<br />
• Gewaltphänomene:<br />
- Nötigung, Erpressung, Bedrohung, Körperverletzung, Diebstahl und Sexualvergehen<br />
werden bei <strong>im</strong>mer jüngeren Kindern, in stetig größer werdenden Zahl und mit einer<br />
Steigerung der Gewaltqualität beobachtet.<br />
- Pädagogen beklagen das nachlassende Unrechtsbewusstsein bzw. die Unfähigkeit zu<br />
Schuldgefühlen und eine <strong>im</strong>mer niedriger werdende Hemmschwellen für<br />
Aggressionen.<br />
- Kinder gewöhnen sich an Gewalt als Kommunikationsmittel, so dass auch die<br />
sprachliche Verrohung <strong>im</strong>mer mehr zun<strong>im</strong>mt.<br />
• Grenzüberschreitungen:<br />
- <strong>im</strong> Umgang mit Sachen<br />
- <strong>im</strong> Umgang mit Menschen oder<br />
- <strong>im</strong> Umgang mit sich selbst<br />
sind eine Antwort auf:<br />
Langeweile<br />
Fehlende Anerkennung<br />
Perspektivenarmut<br />
Vernachlässigung<br />
Mangelnde Sinnerfüllung<br />
Bindungsdefizite<br />
!82
Was können wir tun, wenn Kinder und Jugendliche Grenzen überschreiten?<br />
Handlungsmöglichkeiten:<br />
- versuchen Kinder zu verstehen<br />
- trotz Betroffenheit Verständnis zeigen<br />
- versuchen sich nicht selbst als Ziel der Handlung zu sehen<br />
- einsichtige und konsequente Reaktionen zeigen<br />
Das bedeutet...<br />
...Kinder und Jugendliche verstehen, weil sie<br />
!<br />
- hilflos sind<br />
- keine Alternative finden<br />
- ein Problem haben, dass sie nicht anders vermitteln können<br />
- die gezeigten Verhaltensweisen so und nicht anders gelernt haben<br />
...es nicht auf sich selbst beziehen<br />
...trotz Betroffenheit Verständnis zeigen<br />
!<br />
- denn das Gefühl, versagt zu haben, kennen viele Kinder und Jugendliche<br />
- Moralpredigten nützen Kindern nichts<br />
- kongruentes Verhalten ruft am ehesten positive Veränderung in den Kindern hervor<br />
...einsichtige und konsequente Reaktionen zeigen<br />
!<br />
- Kinder kennen oft nur spontane, ambivalente Reaktionen, die für sie nicht kalkulierbar<br />
sind<br />
- deshalb: Regeln sollten klar formuliert und Konsequenzen be<strong>im</strong> Nicht-Einhalten der<br />
Regel vereinbart werden. An diese Abmachungen sollte sich konsequent gehalten<br />
werden.<br />
• Präventive Maßnahmen verhindern unerwünschtes Verhaltens<br />
- Blickkontakt aufnehmen<br />
- m<strong>im</strong>isch Aufmerksamkeit suchen<br />
- räumliche Nähe aufsuchen<br />
- evtl. körperlichen Kontakt aufnehmen<br />
- sprachlichen Kontakt aufnehmen<br />
- auf das gewünschte Verhalten hinweisen<br />
- mahnen, erinnern, Konsequenzen ankündigen<br />
!83
!<br />
• gewünschtes Verhalten unterstützen<br />
- gewünschtes Verhalten positiv bekräftigen<br />
- gelungene Problemlösung wiederholen<br />
- gelungene Problemlösung abermals durchspielen<br />
- gewünschtes Verhalten nennen<br />
- positive Lösungsansätze<br />
!<br />
!<br />
!<br />
• Akute Maßnahmen<br />
Verhindern unerwünschten Verhaltens<br />
- verbal intervenieren<br />
d.h. verbal Verhalten stoppen auf<br />
Absprachen hinweisen, Konsequenzen<br />
aufzeigen<br />
- körperlich intervenieren<br />
d.h. beruhigend anfassen<br />
Kinder <strong>im</strong> Konflikt trennen<br />
Kinder behutsam aber intensiv halten<br />
!<br />
!<br />
• Maßnahmen nach Konflikten<br />
!<br />
!<br />
gewünschtes Verhalten unterstützen<br />
- positive Ansätze bekräftigen<br />
- gewünschtes Verhalten auch bei anderen<br />
bekräftigen<br />
- an Einsicht appellieren<br />
!<br />
!<br />
!<br />
!<br />
!<br />
- Konfliktsituationen räumlich verlassen (neutralen Raum suchen)<br />
- Konfliktsituation emotional entflechten (beruhigen)<br />
4.Gefühle des Kindes beschreiben und interpretieren (als Frage formulieren: „könnte<br />
es sein dass du... ?")<br />
- Zeit geben, Druck herausnehmen<br />
- In der Nähe des Kindes / des Jugendlichen bleiben<br />
- Konfliktsituation durchsprechen<br />
- Verhalten und Konsequenzen des Pädagogen / der Pädagogin einsichtig werden<br />
lassen<br />
!<br />
!84
UND:<br />
- abgesprochene Regeln (Folgen der Regelverletzungen) einhalten<br />
- positive Ansätze betonen<br />
- alternative Verhaltensweisen erfragen, vorstellen, durchspielen<br />
!<br />
- Schritte dorthin festlegen und Jugendlichen auf dem Weg dorthin unterstützen <br />
!85
!<br />
!86
6. Praxis<br />
6.1. Kleine Spiele<br />
Kriterien<br />
Am deutlichsten wird die Begriffsbest<strong>im</strong>mung Kleiner Spiele durch die Abgrenzung von<br />
Großen Spielen. Diese haben ein festgelegten Spielablauf, allgemein gültige<br />
Wettkampfbest<strong>im</strong>mungen und internationale Spielregeln. Im Unterschied dazu gelten für<br />
Kleine Spiele individuelle Kriterien.<br />
!<br />
• einfacher Spielgedanke<br />
• leicht erlernbar<br />
• unkomplizierter Spielverlauf<br />
• veränderbare Spielregeln<br />
• individuell auf Gruppe, Spielleiter und Gegebenheiten abst<strong>im</strong>mbar<br />
• keine Wettkampfbest<strong>im</strong>mungen<br />
Lernziele<br />
Affektiver Bereich<br />
• freudvolle, auflockernde Stundengestaltung<br />
• Motivation<br />
Soziale Bereich<br />
• miteinander<br />
• Rücksichtnahme, erlernen des FairPlay<br />
Motorischer Bereich<br />
!<br />
• Förderung motorischer Hauptbeanspruchungsformen (Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer,<br />
Geschicklichkeit, Beweglichkeit)<br />
Einsatzmöglichkeiten<br />
!<br />
• Stundenbeginn<br />
• Vorbereitung auf die großen Sportspiele<br />
• Festigung des angestrebten Lernziels<br />
• Vereins- und Spielfeste<br />
• Förderung von Sozialkompetenz<br />
!87
Spiele anleiten und variieren<br />
6.2. Kreatives Spielen<br />
Spiele leben von und mit ihrer Anleitung. Es müssen nicht zwangsläufig Spiele gespielt<br />
werden, die jeder kennt, sobald der Name genannt wird. Reizvoll sind auch solche Spiele, die<br />
bisher unbekannt sind.<br />
In jedem Fall sollte eine Überfütterung der Kinder vermieden werden, denn das geht zulasten<br />
des speziellen Ziels und schadet der Konzentration. Deshalb ist es durchaus angebracht,<br />
Spiele zu wiederholen. Gerade kleine Kinder brauchen Zeit, den Sinn des Spiels zu erfassen<br />
und die geforderte Spielfähigkeit zu erlernen. Erst das gekonnte Spiel macht Freude. Je<br />
kleiner die Kinder sind, desto wichtiger ist es, einfach strukturierte Spiele anzuwenden.<br />
Oftmals handelt es sich um spielerische Übungsformen, die keines Regelwerkes bedürfen.<br />
Dabei können durchaus Ideen und Bewegungsanregungen der Kinder aufgegriffen werden.<br />
Grundsätzlich sollte der Spielleiter Spiele vorstellen und anmoderieren, sich dann aber weit<br />
gehend heraus halten oder selbst zum Mitspieler werden. Das bedeutet, dass auftauchende<br />
Probleme möglichst von oder <strong>im</strong> Einverständnis mit den Kindern gelöst werden.<br />
Wichtig ist, dass alle Kinder <strong>im</strong> Spielgeschehen integriert sind und niemand aussetzen muss.<br />
Deshalb sind Ausscheidungsspiele ungeeignet. Anstelle des Ausscheidens sollten Alternativen<br />
überlegt werden, zum Beispiel Befreien oder Erlösen des Kindes ist möglich.<br />
!<br />
Planung des Spiels<br />
Folgende Vorüberlegungen müssen bei Auswahl und Durchführung eines Spieles angestellt<br />
werden:<br />
!<br />
• Alter beziehungsweise Entwicklungsstand der Mitspieler<br />
• Anzahl der Mitspieler<br />
• Beabsichtigte Belastungsintensität<br />
• Verfügbare Räumlichkeit<br />
• Materialbedarf<br />
• Zeit<br />
Ansage und Moderation<br />
Der Spielleiter erklärt das Spiel, d.h. das Ziel bzw. die Idee, Rahmenbedingungen (Spielfeld,<br />
Material, Mitspieler, Zeit) und die Regeln. Diese Erläuterungen sollten möglichst kurz und<br />
prägnant, aber vollständig sein. Bei kleinen Kindern ist es empfehlenswert, jedes Spiel in eine<br />
Geschichte zu verpacken, um so Fantasie und Kreativität der Kinder anzuregen. Für manche<br />
Spiele ist unabhängig vom Alter das Einbetten in eine Erzählung unabdingbar. Beispielsweise<br />
erscheint es nur dann sinnvoll, einen Geräteaufbau zu überwinden, wenn außen herum<br />
„wilde Tiere“ drohen oder ein „reißende Fluss“ fließt. Wenn für ein Spiel Gruppen oder<br />
!88
Teams benötigt werden, ist bei der Einteilung der Mannschaften Vorsicht geboten. Es gibt<br />
zahlreiche lustige oder unauffällige Möglichkeiten, Gruppen zusammenzustellen.<br />
!<br />
Sicherheit<br />
Besonders wichtig ist, dass der Spielleiter während des Spieles die Sicherheit <strong>im</strong> Auge hat.<br />
Schon zu Beginn muss er sich vergewissern, das Spielfeld, Material und so weiter kein Risiko<br />
bergen. Besteht irgendwo Verletzungsgefahr, muss diese entweder beseitigt oder - falls dies<br />
nicht möglich ist - drauf aufmerksam gemacht werden.<br />
Sobald der Spielleiter erkennt, dass das Spiel langweilig wird, die Kinder über- oder<br />
unterfordert, nicht alle Kinder einbezogen sind o.ä., muss er flexibel reagieren. Er hat<br />
mehrere Möglichkeiten, das Spielgeschehen zu beeinflussen, indem er Bedingungen<br />
modifiziert.<br />
!<br />
Spiele modifizieren<br />
!<br />
• verändern des Spielfeldes<br />
• verändern der Gruppengröße<br />
• verändern des Materials<br />
• verändern der Regeln<br />
• sonstige Variationen (mit der ungeübten Hand werfen, etc.)<br />
Spielverlauf<br />
Der Spielleiter fungiert als „Polizist“. Er legt vorher Regeln fest und bespricht mit den<br />
Kindern eventuelle Variationen. Bei Verstößen gegen die Regeln oder Begehung von Fehlern<br />
zeigt der Spielleiter diese auf und spricht die Konsequenzen aus, die vorher mit den Kindern<br />
überlegt wurden. Im günstigsten Fall, übernehmen die Kinder diese Rolle selbst und einigen<br />
sich ohne erwachsenen Schiedsrichter.<br />
!<br />
!<br />
!89
!<br />
6.3. Musik und Bewegung<br />
Kinder reagieren unmittelbar auf Rhythmik, zum Geräusch einer Rassel, Tönen einer<br />
Trommel oder Musik. Das damit verbundene Bedürfnis körperlicher Betätigung wird in<br />
Bewegungsliedern aufgegriffen. Ein Bewegungslied verknüpft Musik, Bewegung und Sprache<br />
und vermittelt dadurch Anregungen für eine bewegungsorientierte Spielidee. Folgende<br />
Aspekte werden <strong>im</strong> Bewegungslied geschult:<br />
• Freude an der Aktivität<br />
• Aufmerksamkeit<br />
• Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper<br />
• Ansprechen unterschiedlicher Sinne<br />
• Konzentration<br />
• Koordination<br />
• Raumorientierung<br />
• Kreativität<br />
• Miteinander<br />
Mit Musik lassen sich sehr viele Bewegungen einfacher ausführen. Der Rhythmus eines<br />
Liedes kann das Erlernen einer Bewegung erleichtern, die Melodie kann die Ausführung der<br />
Bewegung best<strong>im</strong>men, der Text kann zur Art der Bewegung an<strong>im</strong>ieren und gemeinsames<br />
Singen oder Summen das Miteinander fördern.<br />
!<br />
6.4. Kennenlern- bzw. Eisbrecherspiele<br />
!<br />
Kennenlern- bzw. Eisbrecherspiele sind sehr nützlich, um Kinder in eine bestehende Gruppe<br />
zu integrieren oder die Mitglieder einer neu entstandenen Gruppe miteinander bekannt zu<br />
machen. Sie erleichtern und fördern die Kontaktaufnahme und regen die Kommunikation<br />
zwischen den Kindern an.<br />
Banksortieren<br />
Alle Kinder stellen sich auf eine Turnbank. Dort erhalten sie<br />
Anweisungen, wie sie sich auf der Bank sortieren sollen. Eine<br />
Möglichkeit ist eine Aufreihung der Kinder nach ihrer Größe.<br />
Weitere Möglichkeiten sind zum Beispiel, sich nach dem<br />
Geburtsdatum oder dem Alphabet zu sortieren. Damit das<br />
Spiel eine Herausforderung wird, sollen die Kinder<br />
währenddessen nicht den Boden berühren.<br />
!90
!<br />
Kommissar<br />
Spielidee: alle laufen zu Musik durch die Halle. Bei Musikstop, kauern sich alle auf den<br />
Boden. Der Übungsleitern wirft eine Decke, Handtuch über ein Kind ruft „Augen auf!“. Wer<br />
von den anderen weiß, welches Kind verdeckt ist? Welche Kleidung hatte das Kind an?<br />
Material: Musik, Decke oder großes Handtuch<br />
Variationen:<br />
!<br />
• Zwei Kinder unter einer Decke<br />
• Mit zwei Decken zwei Kinder verstecken<br />
Gleich und Gleich<br />
Spielidee: die Kinder bewegen sich freien Raum. Auf Ansage durch den Übungsleiter suchen<br />
sie sich nacheinander mindestens ein anderes Kind, das:<br />
• die gleiche Haarfarbe hat<br />
• die gleiche Augenfarbe hat<br />
• <strong>im</strong> gleichen Monat Geburtstag hat<br />
• einen Vornamen hat, der mit dem gleichen Buchstaben beginnt wie der Eigene<br />
Das Spiel kann durch Musik begleitet werden. Solange die Musik spielt, gehen die<br />
Gruppenmitglieder, die sich gefunden haben, zusammen und sprechen miteinander. Immer<br />
wenn die Musik stoppt, wird eine neue Anweisung gegeben und es finden sich neue Paare, die<br />
dann eine Weile zusammen herumgehen.<br />
Material: Musik<br />
!<br />
Internationale Konferenz<br />
Spielidee: Die Kinder laufen durcheinander und versuchen möglichst viele andere<br />
kennenzulernen. Dabei begrüßen sich jeweils auf eine andere Art.<br />
!<br />
• Japanisch begrüßen (Be<strong>im</strong> Begegnen verbeugen und „Konnichi wa. Watashi no namae wa __<br />
desu“ sagen)<br />
• Chinesisch begrüßen (Sing-sang-Sprache „Hallo mein Name ist ....“ und dabei mit<br />
betenden Händen verbeugen)<br />
• Orientalisch mit „Salam“ (die rechte Hand streicht von der Stirn zum Nabel)<br />
• Wie in Frankreich, ein Küsschen links und rechts neben die Wange.<br />
• Kosakisch begrüßen (Arme vor Brust verschränken und dabei Kosakentanz machen)<br />
• Begrüßen wie in Amerika („Hi“, Give me Five!)<br />
!91
!<br />
6.5. Spiele zur Sozialkompetenz und den <strong>Judo</strong>werten<br />
!<br />
Verletztentransport<br />
Spielidee: Die Kinder gehen in<br />
Dreiergruppen zusammen, um<br />
anschließend als „Verletztentransport” einen<br />
Parcours zu durchlaufen. Hierzu stehen sich<br />
zwei Kinder gegenüber und fassen sich<br />
jeweils mit der rechten Hand an ihr eigenes<br />
linkes Handgelenk. Danach ergreifen sie mit<br />
ihrer freien linken Hand das rechte<br />
Handgelenk des anderen Kindes und bilden<br />
auf diese Art einen Sitz. Auf diesem Sitz<br />
n<strong>im</strong>mt nun das dritte Kind Platz und kann<br />
von den beiden ins „Krankenhaus”getragen<br />
werden.<br />
Material: Matten. Kästen, etc.<br />
!<br />
Virus-Spiel<br />
Hilfsbereitschaft<br />
Spielidee: Ein Bereich der <strong>Judo</strong>matte wird als Krankenhaus deklariert. Ein Teilnehmer ist der<br />
Fänger, das Virus. Jeder der gefangen wird legt sich auf den Boden und streckt die Arme und<br />
Beine von sich, sodass niemand gegen den Kopf der Liegenden rennen kann. Ziel des Spiels<br />
ist es möglichst viele „Kranke“ in das Krankenhaus zu transportieren. Dazu müssen <strong>im</strong>mer<br />
zwei Spieler gemeinsamen den Kranken an den Armen/Ärmeln fassen und ins Krankenhaus<br />
ziehen. Bei größeren Kindern und Jugendlichen können auch die Beine und Arme gefasst<br />
werden und der Kranke wird ins Krankenhaus getragen.<br />
Die Helfer, hier Sanitäter bezeichnet, sind sobald sie helfen gegen das Virus <strong>im</strong>mun und<br />
können während des Transports nicht gefangen werden.<br />
Variation:<br />
ÜL ruft „Hochwasser“ und zählt von 5 rückwärts. In der Zeit müssen alle ins Krankenhaus,<br />
das heißt alle müssen zusammen helfen, damit auch alle Kranken <strong>im</strong> Krankenhaus sind. Jedes<br />
Kind, dass es nicht geschafft hat, muss dann auf dem Bauch liegend ins Krankenhaus robben<br />
(schw<strong>im</strong>men). Die anderen Kinder müssen währenddessen für jedes dieser Kinder einen<br />
Hampelmann machen. <br />
!92
Wertschätzung<br />
Jeder kann etwas<br />
Spielidee: Jedes Kind kann etwas besonderes oder hat etwas, dass alle anderen so nicht haben.<br />
Mit folgenden Wettbewerben findet die Gruppe dieses Besonderheit heraus:<br />
Wer kann am lustigsten mit den Ohren wackeln?<br />
Wer hat die blauesten Augen?<br />
Wer kann am lautesten Pfeifen?<br />
Wer kann am längsten auf einem Bein stehen?<br />
Wer kann einen Handstand?<br />
Bei den Wettkämpfen darf es lustig und auch ein bisschen albern zu gehen. Wichtig ist, die<br />
Wettbewerbe so auszuwählen, dass alle Kinder wenigsten einmal gewinnen. Sind die jeweils<br />
Besten gefunden, werden sie gebührend beklatscht und gefeiert.<br />
!<br />
Rettung aus dem Brunnen<br />
Spielidee: Die Gruppe sitzt <strong>im</strong> Kreis. Ein Kind steht in der Mitte. Es lässt sich plötzlich fallen<br />
und sagt: „Ich bin in den Brunnen gefallen.“ Die übrigen Kinder fragen Chor: „Wer soll dich<br />
retten?“ Das Kind <strong>im</strong> Brunnen nennt irgendeine positive soziale Verhaltensweisen.<br />
„Das Kind,<br />
• das am freundlichsten lachen kann.<br />
• dass mir das schönste Kompl<strong>im</strong>ent macht.<br />
• das mir den nettesten Spitznamen gibt.“<br />
Die Kinder <strong>im</strong> Kreis versuchen, diese Verhaltensweisen so überzeugend wie möglich<br />
auszuführen. Das Kind <strong>im</strong> Brunnen entscheidet, wer es am besten macht, lässt sich von<br />
diesem Kind retten, d.h. aufhelfen und tauscht mit ihm die Rolle.<br />
!<br />
!<br />
!93
Mut<br />
Herkuleskampf<br />
Spielidee: Die Herkulesaufgabe: Herkules hatte zwölf Aufgaben zu bewältigen. Eine davon<br />
war es einen Riesen zu besiegen dessen Mutter die Erde, Gaia, war. Herkules konnte den<br />
Riesen nur besiegen indem er ihn von der Erde hochgehoben hat.<br />
Die Teilnehmer greifen sich jeweils <strong>im</strong> O-goshigriff, eine Hand über dem Arm, eine Hand<br />
unter dem Arm. Ziel ist es jetzt für beide Kontrahenten den Partner auszuheben, sodass er<br />
den Boden nicht mehr berührt. Der Sieger wird zum Herkules, der Verlierer zum Riesen. Die<br />
Riesen gehen auf eine Seite die Herkulese auf die andere. Dort suchen sie sich wieder einen<br />
Gegner. Es entstehet so ein reger Wechsel und fast jeder wird einmal auf die Seite des<br />
Herkules wechseln.<br />
Im Anschluss werden Reflexionsfragen gestellt:<br />
!<br />
!<br />
!<br />
• Habt Ihr Euch an größeren Gegnern versucht?<br />
• Hattet Ihr den Mut auch Stärkere herauszufordern?<br />
Ehrlichkeit<br />
Es werden mind. drei Teams gebildet die in etwa gleich stark sind. Am Mattenende liegt für<br />
jedes Team ein Würfel. Jedes Team bekommt eine Teamanweisung. Es gibt ein<br />
Falschspielerteam. Diesem wird erklärt:<br />
Er seid eine Falschspielergruppe. Euer Ziel ist es durch betrügen, z.B. höheren Würfen oder<br />
weniger Ausführungen zu gewinnen.<br />
Die anderen bekommen folgende Anweisungen:<br />
Gebt Euer Bestes und strengt Euch richtig an. Mögen die Besten gewinnen!<br />
Es findet nun ein Staffelwettbewerb statt bei dem jede Gruppe mind. die Zahl 30 erreichen<br />
muss. Jeder Gruppenteilnehmer läuft nacheinander auf die andere Seite und würfelt. Er muss<br />
jetzt genauso viele Liegestützen/Drehungen um den Würfel/Sit-up etc. machen wie die<br />
Augenzahl anzeigt. Danach läuft er zurück und der Nächste ist dran. Die Gruppe hat<br />
gewonnen wenn sie mehr als 30 Wiederholung geschafft hat.<br />
Im Anschluss werden Reflexionsfragen gestellt:<br />
!<br />
• Kam es zu einem Streit? Warum kam es zu einem Streit?<br />
• Wie fühlt Ihr Euch als Sieger? (an die Falschspieler)<br />
• Was bedeutet Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit für Euch?<br />
!<br />
!94
Selbstbeherrschung<br />
Einfrieren und Schmelzen<br />
Spielidee: Die Teilnehmer laufen durcheinander. Auf Kommando oder Musikstop, sollen sie<br />
in der Bewegung einfrieren. Nun zählt der <strong>Trainer</strong> in verschiedenen Tempi von 5 auf 0. In<br />
diesem Tempo sollen die Teilnehmer zu Boden schmelzen und am Ende ohne<br />
Körperspannung auf dem Boden liegen, wie eine Wasserlache. Der Übungsleiter kann hier in<br />
einer Zeitspanne von 3 – 60 Sekunden von 5 auf 0 zählen. Wenn die Teilnehmer am Boden<br />
liegen sollen sie sich entspannen. Dies kann auch wieder zwischen 3 – 120 Sekunden sein.<br />
!<br />
Lachen ist gesund<br />
Lachen schafft eine positive Atmosphäre und ist ein guter Indikator für ein freundliches<br />
Gruppenkl<strong>im</strong>a. Dem Lachen sollte deshalb bewusst Raum gegeben werden.<br />
Spielidee: Die Gruppe steht oder sitzt <strong>im</strong> Kreis. Ein Kind geht in die Mitte und fordert mit<br />
einem Lächeln, schmeichelnden Worten und Gesten reihum die anderen auf: „Scheck mir ein<br />
Lächeln.“ Die angesprochenen müssen versuchen, ernst zu bleiben. Wer sich dennoch das<br />
Lachen nicht verkneifen kann und zu Lächeln beginnt, muss nun selbst in die Mitte und<br />
versuchen, andere ebenfalls zum Lachen zu bringen.<br />
!<br />
!<br />
!95
Freundschaft<br />
Ich mache eine Reise<br />
Spielidee: Die Basisidee basiert auf dem Spiel „Ich packe meinen Koffer“. Diese wird<br />
abgewandelt zu einem Bewegungsspiel. Jedes Kind soll die vorherigen Urlaubsaktionen<br />
zusammen mit dem Namen wiederholen.<br />
„Ich fahre in den Urlaub und dort mache ich <strong>Judo</strong>.“ - <strong>Judo</strong>bewegung<br />
„Ich fahre in den Urlaub und dort mache ich mit XY <strong>Judo</strong>“ - <strong>Judo</strong>bewegung - „und spiele …“<br />
Die ganze Gruppe soll <strong>im</strong>mer alles mitmachen und notfalls weiterhelfen.<br />
!<br />
Menschmaschine<br />
Spielidee: Die Gruppe erfindet aus allen Mitgliedern eine „Maschine“. D.h., alle Kinder<br />
werden so in Beziehung zueinander gebracht, dass sie einander berühren, an den Händen,<br />
den Armen, den Füßen, den Hüften und so weiter und in Bewegung geraten, sobald ein Kind<br />
sich bewegt. Bei großen Gruppen sollte das konstruieren einer „Menschmaschine“ zunächst<br />
in Kleingruppen ausprobiert und nach und nach erweitert werden. Wer möchte, kann die<br />
„Menschmaschine“ auch zum klingen bringen typische Maschinengeräusche machen lassen.<br />
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Heinzeln<br />
Spielidee: Die Bilder aller Kinder werden einzeln auf Zettel gedruckt. Diese werden<br />
gesammelt und gut gemischt. Jedes Kind zieht ein Bild eines anderen. In der nächsten Zeit<br />
soll es für dieses nun das Heinzelmännchen sein: d.h. es bemüht sich darum, es unauffällig zu<br />
unterstützen, ihm gegenüber besonders aufmerksam und freundlich zu sein oder ihm auf<br />
irgend einer Art und Weise etwas Gutes zu tun. Je nach Gruppensituation und Alter der<br />
Kinder kann das Heinzeln ganz unterschiedlich ausfallen. Immer sollte sich dabei um die<br />
ideelle Unterstützung handeln. Bei kleinen Kindern kann das Mitspielen-lassen, Nachgeben,<br />
Teilen von Spielmaterialien, trösten, oder Ähnliches sein.<br />
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Im Gespensterschloss<br />
Material: Luftballons<br />
6.6. Bewegungsgeschichten<br />
Max hat von nichts, wirklich vor nichts Angst. Um das zu beweisen hat er sich vorgenommen,<br />
den Gespenstern in Schloss Gruselstein ein Besuch abzustatten. Seit langem weiß er, dass alle<br />
Gespenster tagsüber tief und fest schlafen, und deshalb machte sich am frühen Morgen auf<br />
den Weg zum nahe gelegenen Schloss. Mutig öffnet er die schwere Holztür zur großen<br />
Eingangshalle und findet tatsächlich eine große Scharr Gespenster dort vor. Sie liegen überall<br />
auf dem Boden herum und schlafen so tief und fest wie nur Gespenster schlafen können.<br />
Aber bei allem Mut, so ganz geheuer ist Max die Sache nun doch nicht. Deshalb nähert er<br />
sich den Gespenstern ganz, ganz langsam, schleicht zuerst einmal vorsichtig um alle herum<br />
oder steigt über sie hinweg. Er achtet sehr sorgfältig darauf, keines der schlafenden Wesen zu<br />
berühren oder auf das Ende eines Gewandes zu treten. Aber es passiert nichts, kein einziger<br />
Geist wird wach. Deshalb rennt er jetzt, so schnell er kann, durch das<br />
Gespensterschlafz<strong>im</strong>mer.<br />
„He, ihr Schlafmützen“,<br />
ruft er, „nun wacht mal auf und bewegt euch ein bisschen!“ Nacheinander tippte er alle<br />
Gespenster an, kneift sie in die Nase, streicht Ihnen über den runden Kopf und kitzeln sie am<br />
Kinn. Je fester er kitzelt, umso mehr bewegen sich die Langschläfer hin und her.<br />
Aber aufwachen, nein, aufwachen tut wirklich keines. Ob ich sie mit der Fußspitze ein wenig<br />
schubse? Was kann mir schon passieren, ich probiere es einfach mal aus, denkt Max und freut<br />
sich darüber, wie lustig die schlafenden Gespenster durcheinander kullern.<br />
Super, das hat wirklich Spaß gemacht, freut sich Max. Aber jetzt will ich einmal ausprobieren,<br />
ob die Gespenster auch hüpfen können. Er n<strong>im</strong>mt einen Poltergeist nach dem anderen hoch<br />
und lässt ihn auf den Boden aufprellen. Hm, Hüpfen können sie ja ganz gut, aber leider<br />
liegen sie nach kurzer Zeit wieder unbeweglich am Boden. Nun, dann will ich doch einmal<br />
testen, ob es mir nicht gelingt, alle Geister am hopsen zu halten! Jetzt muss sich Max ganz<br />
schön sputen, muss alle aufmerksam beobachten, damit ja kein Gespenst zur Ruhe kommt.<br />
Immer wieder schlägt er leicht auf die Gespensterköpfe. Naja, manchmal prellte er sie auch<br />
ein wenig fester, damit die Geister etwas höher vom Boden weg kommen und nicht so schnell<br />
wieder herunterfahren…..<br />
(Auszug aus Bewegungsgeschichten; von Gisela Stein)<br />
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Wichtel<br />
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Wichtelkampf am See<br />
6.6.1. <strong>Judo</strong> lernen durch Geschichten<br />
Lernziel: Vorform von O-goshi<br />
Zwei Wichtel treffen sich an einem See. Sie knien an den gegenüberliegenden Seiten, und<br />
waschen sich zunächst die Hände <strong>im</strong> See. Dann gehen sie auf eine Seite des Sees und legen<br />
sich freundschaftlich den Arm auf den Rücken. Wichtel sind kleine Wesen und wollen <strong>im</strong>mer<br />
gerne groß sein, daher machen sie sich so groß wie möglich (<strong>im</strong> Kniestand). Sie sind beide ein<br />
wenig wasserscheu, doch um dem anderen zu helfen, versuchen sich nun gegenseitig in den<br />
See zu kippen.<br />
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Fliegerwichtel<br />
Lernziel: Fallschule seitwärts und Körperspannung<br />
Der Pilot-Wichtel legt sich auf den Rücken, Beine und Arme in die Luft. Der Flieger-Wichtel<br />
kniet vor den Beinen. Die Füße werden an die Oberschenkel (Leiste) des Flieger-Wichtel<br />
gesetzt, dieser lehnt sich ganz nach vorne über den Pilot-Wichtel bis Kopf über Kopf ist<br />
(Blickkontakt), gleichzeitig sind die Hände des Piloten-Wichtels an den Schultern des Flieger-<br />
Wichtels. Wenn der Flieger-Wichtel nicht mehr fliegen will, klappt er einen Flügel (Arm) ein<br />
und der Pilot-Wichtel legt ihn dann auf diese Seite ab, so dass er seitlich abrollt und<br />
Seitwärts-Fallschule machen kann.<br />
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Mich juckt´s am Rücken!<br />
Lernziel: Angriff aus der Unterlage, Festhaltetechnik und Höflichkeit<br />
Ein Wichtel ist in der Rückenlage, der andere Wichtel zwischen den Beinen. Wichtel 1 kommt<br />
hoch und sagt: „Mich juckt`s am Rücken“. Wichtel 2 greift ihm diagonal über die Schulter<br />
zum Kratzen, Wichtel 1 umarmt dabei Wichtel 2 und legt sich zurück, schunkelt, damit<br />
Wichtel 2 gut kratzen kann und dreht sich dann mit Wichtel 2 über dessen blockierten Arm<br />
und sagt „Danke“ zu Wichtel 2 und umarmt in weiterhin fest. (Tate-shio-gatame)<br />
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Superman<br />
Supermann-Strecksprung<br />
Lernziel: Kraft und Ausdauer<br />
Ein kleiner Wettbewerb, bei dem es darum geht,<br />
innerhalb einer Minute die meisten Sprünge zu<br />
absolvieren: Für einen Supermann-Strecksprung gehen<br />
die Kinder auf einer Weichbodenmatte soweit in die<br />
Hocke, dass sie mit einem möglichst geraden Rücken<br />
mit beiden Handflächen die Matte berühren. Aus dieser<br />
Position springen sie so hoch wie sie können und landen<br />
anschließend wieder in der Ausgangsposition, aus der<br />
sie erneut abspringen können. Auf jeder der vier Ecken<br />
der Matte kann ein Kind springen. Außerhalb der Matte steht ein weiteres Kind und zählt die<br />
Sprünge.<br />
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Supermans Tunnelflug<br />
Lernziel: Rolle vorwärts und Körperspannung<br />
Ein Kind macht einen Tunnel (hohe Bankposition). Der Superman/girl, fliegt oben auf dem<br />
Berg (liegt quer in Supermanposition auf dem Partner). Plötzlich kommt es zu einer<br />
Katastrophe <strong>im</strong> Tunnel und Superman muss so schnell wie möglich durch den Tunnel fliegen<br />
um alle zu retten. (Der ÜL gibt ein Signal, auf das die Kinder eine Rolle unter die Bank<br />
machen und schnell durchkriechen)<br />
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Supermans erster Flug<br />
Lernziel: O-goshi und Partnerkontrolle<br />
Superman hat ein Problem, er kann bisher wie be<strong>im</strong> Strecksprung nur geradeaus fliegen,<br />
doch er hat einen guten Freund der ihm helfen kann eine Kurve zu fliegen. Damit aber keiner<br />
davon erfährt sind beide so leise wie möglich. Zunächst stellt sich Superman in seine Flugpose<br />
- breitbeinig, ein Arm nach oben gestreckt, der andere in der Hüfte mit einer Faust<br />
abgestützt. Sein Freund legt <strong>im</strong> durch den aufgestützten Arm seinen Arm auf den Rücken.<br />
Nun lehnt sich Superman nach vorne gegen seinen Freund, dieser n<strong>im</strong>mt Supermans freien<br />
Arm und lässt in langsam und leise eine Kurve über seinen Rücken zu Boden fliegen.<br />
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Superman <strong>im</strong> Angriffsflug<br />
Lernziel: O-goshi aus der Bewegung, Mut<br />
Superman und sein Freund, J<strong>im</strong>my, müssen gegen einen mächtigen Feind kämpfen. Um<br />
diesen zu überraschen, muss Superman in einem schnellen Bogenflug angreifen. Dazu stellen<br />
sich die beiden Freunde nebeneinander und Superman hat schon seine Flugpose<br />
eingenommen. J<strong>im</strong>my hat die Hand wie bei allen Flügen um Supermans Hüfte gelegt und die<br />
andere an seinem Arm. Nun laufen beide so schnell sie gemeinsam können zum Kampfplatz<br />
(Weichbodenmatte), kurz davor bringt J<strong>im</strong>my die Hüfte vor Superman um ihm richtig<br />
Schwung zu geben und ihn schnell auf den Kampfplatz zu katapultieren.<br />
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Trolle und andere Fabelwesen<br />
Wer andern eine Grube gräbt<br />
Lernziel: O-soto-otoshi aus der Situation Uke zieht<br />
Ihr kennt doch alle das Sprichwort wer andern eine Grube gräbt fällt selbst hinein? Es gab<br />
einmal einen bösartigen Troll, der gerne alle in eine Schlammgrube ziehen wollte. Dazu<br />
stellte er sich mit dem Rücken zum Schlamm an den Rand seiner Grube, so dass ein Bein vor<br />
der Grube und eines daneben war. Nun schnappte er sich einen unschuldigen Menschen und<br />
versuchte ihn zu sich zu ziehen. Doch heute erwischte er den Falschen, er nahm sich nämlich<br />
einen <strong>Judo</strong>ka. Dieser zog zunächst dagegen, gab aber dann dem Zug nach und stellte nur ein<br />
Bein hinter den Troll und ließ ihn so selbst mit dem Rücken in die Schlammgrube fallen. Um<br />
dem Troll aber nicht weh zu tun hielt er dessen Arm fest. Dieser klatschte mit der freien<br />
Hand mächtig in den Schlamm und machte ein verdutztes Gesicht, freute sich aber als der<br />
<strong>Judo</strong>ka ihm gleich wieder aus dem Schlamm half, was dank der helfenden Hand sehr einfach<br />
ging. Beide sahen sich lächelnd an, denn sie hatten bei dieser „Schlammschlacht“ viel Spaß<br />
gehabt. „Komm lass und das öfter machen“ sagte der <strong>Judo</strong>ka und der Troll erwiderte:<br />
„Gerne!“ Und gleich darauf sah man die beiden wie sie sich voller Freude <strong>im</strong>mer wieder<br />
zogen, in den Schlamm warfen und wieder heraus halfen.<br />
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7. Aufsichtspflicht<br />
Allgemeine Begriffserklärung <strong>im</strong> Haftungsrecht:<br />
Kind 0 - 6 Jahre:<br />
Kind 7 - 10 Jahre:<br />
Kind 7 - 17 Jahre:<br />
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Haftung:<br />
Zivilrecht:<br />
Strafrecht:<br />
Vorsatz:<br />
keine Haftung des Kindes (hohe Aufsichtspflicht)<br />
keine Haftung des Kindes <strong>im</strong> Straßenverkehr (hohe Aufsichtspflicht)<br />
Haftung des Kindes je nach Einsichtsfähigkeit (außerhalb<br />
Straßenverkehr)<br />
Einstehen für einen best<strong>im</strong>mten Schaden<br />
ist durch das BGB geregelt; gegen viele zivilrechtliche Ansprüche kann<br />
man sich versichern<br />
regelt alles was strafbar ist und damit eine Ermittlung der<br />
Staatsanwaltschaft nach sich zieht; man kann sich dagegen nicht<br />
versichern<br />
Wissen und Wollen (bzw. in Kauf nehmen) der Tatumstände<br />
Grobe Fahrlässigkeit: außer Acht lassen grundlegender Verhaltensregeln<br />
Einf. Fahrlässigkeit:<br />
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Bedeutung der Aufsichtspflicht<br />
außer Acht lassen der notwendigen Sorgfalt, dagegen ist man als<br />
Jugendleiter <strong>im</strong> Sportverein gewöhnlich versichert<br />
Jeder junge Mensch untersteht, solange er minderjährig ist, der Personensorge eines<br />
Erziehungsberechtigten. Die Personensorge, umfasst nach §1631 BGB die Sorge für die<br />
Person des Kindes und das Recht und die Pflicht, das Kind zu erziehen, zu beaufsichtigen<br />
und seinen Aufenthalt zu best<strong>im</strong>men. Daher ist die zentrale und wichtigste Pflicht eines<br />
Betreuers oder Übungsleiters, Kinder/Jugendliche so zu beaufsichtigen, dass sie<br />
• selbst keinen Schaden erleiden (körperlicher, gesundheitlicher, sittlicher, geistiger oder<br />
seelischer Art, sowie Sachschäden durch Dritte)<br />
• keinem anderen Schaden zufügen.<br />
Die Aufsichtspflicht beginnt mit dem Erscheinen des ersten und endet mit dem Gehen des<br />
letzten Kindes.<br />
Das Maß der gebotenen Aufsicht richtet sich unter anderem nach Alter, Reife und Können<br />
des Minderjährigen (0-17 Jahre), den Fähigkeiten des Betreuers, der Art der Tätigkeit, den<br />
Grad der Voraussehbarkeit der Gefahr und nach der Zumutbarkeit für die Betreuer.<br />
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!101
Maßnahmen zur Erfüllung der Aufsichtspflicht:<br />
!<br />
• Belehren und Warnen - Hinweis auf mögliche Gefahren.<br />
• Ge- & Verbote aussprechen: Aufstellen klarer und eindeutiger Regeln, die für die<br />
betreffende Altersklasse verständlich und nachvollziehbar sein müssen.<br />
• Überwachen: regelmäßiges Kontrollieren und Überprüfen, ob Regeln und Belehrungen<br />
verstanden wurden.<br />
• Eingreifen: Bei Verstoß gegen Verbote muss eingegriffen werden, wobei die Art und<br />
Weise von Pädagogik und Führungsstil abhängig ist.<br />
!Züchtigung ist tabu! Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung!<br />
!<br />
Aufsichtspflicht des Übungsleiters<br />
Kinder <strong>im</strong> Vorschulalter (bis circa sechs Jahre) sind <strong>im</strong> Normalfall durchgehen zu<br />
beaufsichtigen, bei bis zu 12-Jährigen sollte der Übungsleiter die Halle möglichst nie verlassen<br />
beziehungsweise die Kinder nicht alleine lassen. D.h. nicht, dass sich der Betreuer <strong>im</strong>mer <strong>im</strong><br />
„Griffweite“ der Kinder aufhalten muss, es reicht ein ständiger Blickkontakt und damit die<br />
Möglichkeit zum sofortigen Eingreifen in kritischen Situationen. Nur sofern nach objektiver<br />
Betrachtung keine Gefährdung der Teilnehmer oder Dritter besteht und eine jederzeitige<br />
Einwirkung gewährleistet ist, ist ein kurzzeitiges „aus den Augen lassen“ möglich, z. B. wenn<br />
sich der Betreuer kurzfristig um ein anderes Kind besonders kümmern muss.<br />
Im Allgemeinen genügend vernünftiges Denken und Handeln verbunden mit Sachkunde und<br />
Erfahrung, um seiner Aufsichtspflicht gerecht zu werden.<br />
!<br />
Verletzung der Aufsichtspflicht<br />
Wenn der Aufsichtspflichtige vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, liegt eine<br />
Aufsichtspflichtverletzung vor.<br />
Vorsatz heißt, dass der Betreuer eine Situation zumindest billigend in Kauf genommen hat.<br />
Fahrlässig bedeutet, dass die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde. Um das zu<br />
vermeiden, sollte man sich als Betreuer <strong>im</strong>mer überlegen, ob man auch alles unternommen<br />
hat, was bei normalerweise zu erwartendem Verlauf einer Situation dazu führt, dass kein<br />
Schaden eintritt. Die Grenzen zu haftungsrechtlichen relevanten groben Fahrlässigkeit sind<br />
überschritten, sobald der Betreuer ein Risiko erkennt und meint „es wird schon nichts<br />
passieren“. Bedingter Vorsatz liegt vorbei: „Hoffentlich geht's gut.“<br />
Vorsatz und Fahrlässigkeit sind sowohl <strong>im</strong> Zivilrecht als <strong>im</strong> Strafrecht relevant.<br />
!<br />
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!102
!<br />
Verwendete und zitierte Literatur<br />
8. Anhang<br />
BARDEN, G.: Sport und Bewegungserziehung für sozialpädagogische Berufe, 2009<br />
Bayerische Sportjugend: Übungsleiter - B - <strong>Breitensport</strong> „Sport <strong>im</strong> <strong>Elementarbereich</strong>“, 2009<br />
Deutscher <strong>Judo</strong>bund: <strong>Judo</strong> spielend lernen, 2006<br />
Deutsche Sportjugend: Persönlichkeits- und Teamentwicklung Förderung psychosozialer<br />
Ressourcen <strong>im</strong> <strong>Judo</strong>, 2013<br />
Deutsche Sportjugend: Sport und Gewalt, 2001<br />
FRIEDRICH, W.: Opt<strong>im</strong>ales Sportwissen, 2009<br />
HERM, S.: Psychomotorische Spiele, 2007<br />
LOHAUS, A.; VIERHAUS, M.;MAASS, A.: Entwicklungspsychologie des Kindes- und<br />
Jugendalters für Bachelor, 2010<br />
MARTIN, D.; NICOLAUS, J.; OSTROWSKI, C.; ROST, K.: Handbuch Kinder- und<br />
Jugendtraining, 1999<br />
PORTMANN, R.: Die 50 besten Spiele für mehr Sozialkompetenz, 2009<br />
ROGGE, J.: Kinder brauchen Grenzen, Eltern setzen Grenzen, 2000<br />
RÖSNER, M.; KÜSGEN, B.:Rasende Retter, flotte Flitzer, 2013<br />
STEIN, G.: Bewegungsgeschichten, 2003<br />
WIERZ, J.: Kinder werden eine Gruppe, 2011<br />
ZIMMER, R.: Kreative Bewegungsspiele, 2009<br />
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Verwendete Artikel<br />
BECHSTEIN, M.: Motorische Entwicklungsförderung<br />
Deutsche Sportjugend: Bewegungskalendar 2012, 2011<br />
FISCHER, B.: Sprachentwicklung und Motorikentwicklung in den ersten 6 Lebensjahren<br />
Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik, Zürich: Psychomotorische Angebote für 2 bis<br />
4-jährige Kinder zur Förderung der Grob- und Feinmotorik - Bachelorarbeit, Mirella Corsini<br />
& Eliane Jauch, 2009<br />
KRENZ, A.: Das Spiel ist der Beruf des Kindes: das kindliche Spiel als Grundlage der<br />
Persönlichkeits- und Lernentwicklung von Kindern <strong>im</strong> Kindergartenalter<br />
OERTER, R.: Wie denken und lernen 3- bis 6 jährige? Entwicklungspsychologische<br />
Erkenntnisse und Aufgaben für Kinder <strong>im</strong> Alter von 3-6 Jahren<br />
<strong>Trainer</strong>akademie Köln: Motivation und Volition: Eine Einführung, Dr. Denise Beckmann<br />
<strong>Trainer</strong>akademie Köln: Aktuelles zum Lernen, Klaus Ortmanns, 2010<br />
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