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Jochen Gerz<br />
Ich habe meinen kurzen Vortrag „Spurlose Kunst?" genannt. Mit diesem Titel möchte ich<br />
darauf hinweisen, dass Künstler, die mit Video gearbeitet haben, nicht Ende der 6oer<br />
Jahre und auch nicht später, in den 70er Jahren - dem Problem der Haltbarkeit von Video<br />
gleichgültig begegnet wären. Andererseits sieht es jedoch so aus, als ob eine gewisse<br />
Qualität der bewußten und gesuchten Auseinandersetzung mit der Dauerhaftigkeit umgeschlagen<br />
wäre in einen etwas freudlosen Umgang der Museen und Institutionen mit<br />
diesen undankbaren Objekten. Einige Museen wurden Anfang der 70er Jahre durch die<br />
Auseinandersetzung mit diesem Medium, so überraschend es klingt, von einem fast jugendlichen<br />
Elan ergriffen - es gab damals noch kaum hardware, es gab noch nicht viele<br />
Apparate, aber es gab schon Symposien, die aus heutiger Sicht einen klassischen, fast<br />
zeitlosen Charakter haben. Wie heute fragt man sich (wenn auch aus einem anderem<br />
Grund), wozu sie dienen: gab oder gibt es eine Dringlichkeit für die Probleme, die das<br />
Medium Video stellt? War es zu früh und ist es zu spät heute, oder ist es heute immer<br />
noch zu früh? Was ist der Grund für diese Veranstaltungen auf denen man sich Fragen<br />
stellt, um sie nicht zu beantworten? - Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Medium<br />
setzte sich vor 30 Jahren wie auch heute mit der scheinbar technischen Frage der<br />
Haltbarkeit auseinander. Und heute wie damals scheint es ein ungeschriebenes Gesetz<br />
der Innung Kunst, dass gute Kunst von Dauer ist.<br />
Die technische Bedingung des Mediums führte zur Kritik dieser „Wahrheit" und wie<br />
viele Wahrheiten, die damals befragt wurden, hat auch sie ihre Befragung überlebt. Zu<br />
erwähnen ist aber, dass die Kritik überlebte und dass seither beide, Wahrheit und Kritik<br />
der Wahrheit, koexistieren. Zudem ist das Video unterdessen abgelöst worden von digitalen<br />
Bild- und Tonträgern (CD, DVD etc.), die haltbarer sind. So dass inzwischen auch die<br />
Emphase, mit der theoretische Fragen oft einherkommen, nicht mehr angesagt ist.<br />
Was bedeutet es, ein Video anzusehen im Vergleich zur Betrachtung einer Skulptur<br />
von Lehmbruck? Was ist-das Gemeinsame bei der Betrachtung unterschiedlicher Kunstwerke?<br />
Wahrscheinlich/der Faktor ZeitJHier ist die Zeitder Betrachtung meine eigene Sache,<br />
dort ist sie objel^^-aiTTncTTvon etwas sprechenTdäs ich nicht gesehen habe? Im<br />
Durchschnitt verbrachten Museumsbesucher in den frühen 90er Jahren in den USA zwei<br />
Sekunden vor einem Bild. Letztendlich ist das neue Medium ein, vor allem unkommerzielles<br />
Mittel Kunst zu machen, auszustellen und zu betrachten. So gesehen, ist Video<br />
fast ein Rückschritt hinter die Zeit der Renaissance, in Zeiten, als Kunst etwas vollkommen<br />
anderes bedeutete als heute.<br />
Eigenartig aber ist, dass seither in Bezug auf die Rezeptionsgeschichte von Videokunst<br />
nichts passiert ist. Es gibt eine Toleranz. Diese überträgt sich manchmal in Kuratorenposten.<br />
Es gibt ein Dulden (es ist, wie es ist), aber man kann nicht sagen, dass in<br />
irgendeiner Form - ästhethisch, rezeptorisch oder theoretisch - etwas geschehen sei. Sie,<br />
die Videokunst gehört eben dazu, und ich glaube, in diesem Zusammenhang ist auch das<br />
hier im Symposium vorgestellte Beispiel des Vereins „Video Les Beaux Jours" interessant.<br />
Die Aktivität dieses Vereins gründet sich darauf, dass ein oder mehrere Museen „out-<br />
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