12.07.2015 Views

CHANDOS

CHANDOS

CHANDOS

SHOW MORE
SHOW LESS
  • No tags were found...

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

CHAN 3119 BOOK.qxd 20/9/06 12:00 pm Page 26Wie Wagner den Fliegenden Holländer entdeckteIm Dezember 1842 berichtete die Zeitung fürdie elegante Welt aus Dresden von derVorbereitung einer Neuinszenierung amKöniglich Sächsischen Hoftheater: “Von demso mit einem Schlage berühmt gewordenenKomponisten des Rienzi, Richard Wagner,wird bereits mit eifriger Eile die zweite Opereinstudirt … Ihr Name ist Der fliegendeHolländer, und Wagner hat auch hier theilsnach Heine's phantastischer Sage, theils nachder englischen Erzählung und mit eigenerZuthat den Text selber zusammen gesetzt.”Mit der “phantastischen Sage” ist dieGeschichte Aus den Memoiren des Herren vonSchnabelewopski (1834) gemeint, in derHeinrich Heines reiselustiger Held den Stoffals Schauspiel in einem Amsterdamer Theatererlebt: “Die Fabel von dem fliegendenHolländer ist Euch gewiss bekannt. Es ist dieGeschichte von dem verwünschten Schiffe, dasnie in den Hafen gelangen kann, und jetztschon seit undenklicher Zeit auf dem Meereherumfährt … jenes grauenhafte Schiff führtseinen Namen von seinem Kapitän, einemHolländer, der einst bei allen Teufelngeschworen, dass er irgendein Vorgebirge,dessen Name mir entfallen, trotz des heftigstenSturms, der eben wehte, umschiffen wolle,und sollte er auch bis zum jüngsten Tagesegeln müssen.”Wenn die Geschichte vom fliegendenHolländer eine historische Grundlage habensollte, so dürfte sie wohl in den kriegerischenHandelsrivalitäten zwischen Holland undEngland während des 17. und 18.Jahrhunderts zu suchen sein, in jener Zeit also,als holländische Schiffe regelmäßig das Kapder guten Hoffnung umrundeten. (In einemDokumentarfilm des niederländischenFernsehens wurde unlängst sogar dieÜberlegung angestellt, dass der Begriff“Vliegende Hollaender” eine Verballhornungvon “Vergulde Vlamingh” sein könnte, dennunter diesem Spitznamen – “Der vergoldeterFlame” – war ein hartgesottener holländischerSeekapitän jener Zeit bekannt.) Kurz vor derWende zum 19. Jahrhundert verbreiteten sichdann in der angloamerikanischen Literatur dieverschiedensten Dichtungen und Erzählungenüber einen fluchbeladenen Seefahrer aufendloser Reise. Samuel Coleridge TaylorsRhyme of the Ancient Mariner, Sir WalterScotts Rokeby, James Fenimore Coopers TheRed Rover und Edgar Alan Poes The Narrativeof Arthur Gordon Pym sind vielleicht diegelungensten Beispiele für das, was derDresdner Korrespondent kurz und knapp die“englische Erzählung” der Geschichte nannte.Zunächst hat es den Anschein, als ob dasvon Heines Herrn Schnabelewopski erlebteSchauspiel die Geschichte nur nacherzählt,doch dann öffnet sich ein Weg zur Erlösungdes Holländers: “Der Teufel hat ihn beimWort gefasst, er muss bis zum jüngsten Tageauf dem Meere herumirren, es sei denn, dasser durch die Treue eines Weibes erlöst werde.Der Teufel, dumm wie er ist, glaubt nicht anWeibertreue, und erlaubte daher demverwünschten Kapitän alle sieben Jahre einmalan Land zu steigen, und zu heuraten, und beidieser Gelegenheit seine Erlösung zubetreiben.” Schnabelewopski berichtet sogar,wie “Frau Fliegende Holländer” sich von einerFelsenklippe ins Meer stürzt, um ihren Mannzu retten: “… nun ist auch die Verwünschungdes fliegenden Holländers zuende … und wirsehen, wie das gespenstische Schiff in denAbgrund des Meeres versinkt.”Mit dieser Schlusswendung wollte Heineder nach seinem Empfinden sentimentalenund romantisierten Schauergeschichte ironischdie Krone aufsetzen. Sein Fazit: “Die Moraldes Stückes ist für die Frauen, dass sie sich inacht nehmen müssen, keinen fliegendenHolländer zu heuraten, und wir Männerersehen aus diesem Stücke, wie wir durch dieWeiber, im günstigsten Falle, zu Grundegehn.” Aber Wagner nahm den Gedanken,dass der Holländer sein Heil finden könnte,sehr viel ernster und bemerkte 1843 in seinerAutobiographischen Skizze: “Die von Heineerfundene, echt dramatische Behandlung derErlösung dieses Ahasverus des Ozeans gab miralles an die Hand, diese Sage zu einemOpernsujet zu benutzen. Ich verständigte michdarüber mit Heine selbst…”Wagner hatte Heine in Paris, wo derDichter bereits im Exil lebte, persönlichkennengelernt. Die kurze Bekanntschaft fiel injene Jahre, als es dem mittellosenKomponisten selbst mit einemEmpfehlungsschreiben von seinemeinflussreichen Vorbild Meyerbeer einfachnicht gelang, in der französischen Hauptstadtzu reüssieren. Der Schriftsteller undTheaterdirektor Heinrich Laube war bei demIdeenaustausch zwischen Heine und Wagnerzugegen und bemerkte anschließend über denKomponisten: “Aus einer solchen mit unsrerheutigen Bildung erfüllten Persönlichkeit26 27

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!