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Wohnen & Flüchtlinge

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THEMAMigranten als GenossenschafterDort lebt sie auch heute noch. Dass dem soist, betrachtet die Familie als grosses Glück.Nicht nur, weil sie gerne hier lebt, wie Rojinibetont: «Wir haben freundliche Nachbarn.Und es ist eine gute Gegend. Schule, Bibliothek,Läden, öffentliche Verkehrsmittel, derRhein – alles ist in der Nähe. Uns gefällt eshier!» Ein Glücksfall ist auch, dass die Liegenschaft,die letzten Spätherbst zum Verkaufausgeschrieben wurde, im April von derGenossenschaft Mietshäuser Syndikat übernommenwerden konnte. Die acht günstigenZwei- und Dreieinhalbzimmerwohnungenbleiben damit den bisherigen, teils langjährigenMieterinnen und Mietern erhalten – allesamtMenschen mit Migrationshintergrund,die aus Sri Lanka, Serbien, Kroatien,Portugal, Italien und Deutschland stammen.Hervorgegangen ist die Genossenschaftaus einer lose organisierten Initiativgruppeengagierter Quartierbewohner und Gewerbetreibender,wie Daniel Gelzer und FabianSchär vom Vorstand erzählen. Beide verfügenüber Genossenschaftserfahrung, sindwohnpolitisch aktiv und gut vernetzt. DieGruppe will günstigen Wohnraum erhaltenund wehrt sich bereits seit längerem gegendie «Aufwertung» des Quartiers, mit der Luxussanierungenund der Ersatz älterer Gebäudedurch teure Neubauten drohen. Deshalbwar man schon eine Weile auf Ausschaunach geeigneten Liegenschaften, die mankaufen und so der Spekulation entziehenkonnte. Da kam das über 100-jährige Hausmit Nettowohnungsmieten unter 900 Franken,einem Lebensmittelgeschäft und einerDruckerei wie gerufen.Günstige GelegenheitAls Fabian Schär via Druckerei vom geplantenHausverkauf erfuhr, war schnelles Handelngefragt. Man trat in Verhandlung mitder Liegenschaftenbesitzerin, gründete imDezember die Genossenschaft, kümmertesich um die Finanzierung, führte erste Gesprächemit den verunsicherten Mietern. Dieeben gegründete Genossenschaft erhieltschliesslich den Zuschlag, weil sie garantierte,alle Bewohner zu behalten und die Mietzinsegünstig zu belassen. Daniel Gelzer:«Die Eigentümerin war von der Idee überzeugt.Sie verlangte deshalb auch keinenspekulativen Preis. Mit 2,35 Millionen Frankenbezahlten wir aber eine durchausmarktübliche Summe.»Das nötige Eigenkapital von 600 000Franken konnte dank viel Goodwill gesichertwerden; die Pensionskasse Stiftung Abendrot,befreundete Genossenschaften und einigePrivatpersonen halfen mit überwiegendzinslosen Darlehen aus. Nicht alle Mieterwaren aber in der Lage, selber für die Anteilscheineaufzukommen, die sie mit dem Beitrittzur Genossenschaft erwerben mussten.«Wir fanden, das darf kein Hinderungsgrundsein. Denn gerade Leute mit besonders bescheidenenfinanziellen Mitteln sind dringendauf billigen Wohnraum angewiesen»,sagt Daniel Gelzer. Deshalb gewährte die Genossenschaftden Betroffenen Darlehen fürdie Anteilscheine, was zu kleinen monatlichenMietzinszuschlägen führt.«Am Anfang brauchte esviel Vertrauensarbeit.»Mitbestimmung will gelernt seinEbenfalls nicht ganz einfach war es, denpraktisch aus heiterem Himmel zu Genossenschafternund Hausmitbesitzern gewordenenMietern nahe zu bringen, was Genossenschaftenüberhaupt sind. Zumal solche,die sich Selbstverwaltung und Mitbestimmunggross auf die Fahne schreiben. AmAnfang, erinnert sich Fabian Schär, begegneteman den Gründern mit Skepsis: «Als wirals ‹Externe› vor einem halben Jahr in Kontaktmit den Leuten traten, mussten wir ersteinmal viel Vertrauensarbeit leisten. Esbrauchte einige Gespräche, um zu erklären,was wir beabsichtigen und wie eine Genossenschaftfunktioniert.»Auch Rojini und weitere Jugendlichenahmen an den Haussitzungen teil, als Dolmetscher.Die Bewohner hätten grosse Angstvor einem Rauswurf oder Mietzinserhöhungengehabt und nicht gewusst, was die Übernahmedurch eine Genossenschaft bedeutet.Diese Befürchtungen konnten aber zerstreutwerden, und sie seien schon sehr glücklich,wie sich das Ganze entwickelt, erzählt Rojini.Schön findet sie vor allem, dass die Altbauwohnungenunverändert bleiben. Undihr gefällt auch, dass nun alle die Geschickedes Hauses mitgestalten können. Beispielsweisegab es bereits eine Entrümpelungsaktiondes Estrichs, wo sich über die Jahre inverwaisten Abteilen viele herrenlose Gegenständeangehäuft hatten. Und im Mai feiertendie Hausbewohner zum ersten Mal überhauptzusammen ein Fest auf der Terrasse:«Alle Nachbarn beisammen – das gab es vorhernoch nie!», sagt sie. Toll sei das gewesen.Kleine SchritteSolche kleinen Dinge sind es, die den Alltagverändern. An Mieterversammlungen werdenProbleme und Anliegen diskutiert. Istman mit etwas unzufrieden ist, kann manselber Lösungen einbringen. So wurde etwadem Hauswart gekündigt und sein Amt jemandemintern anvertraut, und auch dasüberteuerte Waschsystem gehört der Vergangenheitan. «Die Leute merken allmählich,dass sie sich selber organisieren können –und dürfen!», stellt Fabian Schär fest. Allerdingsgebe es auch Grenzen. Man sei nochmitten in einem Prozess; die Begleitung seiaufwändig, manchmal auch schwierig, ergänztDaniel Gelzer. Eine echte Selbstverwaltungdurch die Bewohner, die auch komplexereFragen wie Finanzflüsse oder Renovationsplanungenbeinhaltet, ist unter dengegebenen Umständen kaum zu erwarten.Wichtiger als eine ideal funktionierendeSiedlung ist den Initianten aber letztlich,dass hier Menschen eine Chance erhalten,die es besonders schwer haben, in Genossenschaftenunterzukommen. Das Modell sollSchule machen – «wir wollen wachsen», hältDaniel Gelzer fest. Durch das Klybeckhausaufmerksam geworden, ist kürzlich bereitseine kleine Hausgemeinschaft an der Mattenstrasseauf den Vorstand zugekommen,da deren Haus verkauft werden soll. Wäreschön, wenn sich das Modell weiterzieht undweitere Erfolgsgeschichten wie die der FamilieSivanesan ermöglicht.www.viavia.ch/syndikat/Vorstandsmitglieder Daniel Gelzer undFabian Schär gründeten die GenossenschaftMietshäuser Syndikat mit.Juli/August 2015 –extra13

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