OWI09_komplett.pdf
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Praxis<br />
Erbschaftsteuer<br />
Familienunternehmen<br />
realistisch bewerten<br />
I Bei Steuern geht es immer auch um<br />
Gerechtigkeit. Bei der Erbschaftsteuer<br />
noch mehr als bei anderen Steuern. Das<br />
betrifft natürlich auch die Übertragungen<br />
von Betriebsvermögen. Was oft<br />
vergessen wird: Gerade bei Familienunternehmen,<br />
die das Rückgrat der deutschen<br />
Wirtschaft bilden, ist schon die<br />
Bewertung des Unternehmens ein ungelöstes<br />
Problem. Auch der aktuelle<br />
Kabinettsentwurf zur Reform der Erbschaftsteuer<br />
bietet hier keine Verbesserung.<br />
Im Gegenteil: Er erhöht sogar die<br />
Steuerbelastung für Familienunternehmen<br />
deutlich.<br />
Verkehrswert wird ermittelt<br />
Mit der Erbschaftsteuer-Reform 2009<br />
wurde auch das Gesetz zur Bewertung<br />
von Betriebsvermögen geändert. Seitdem<br />
erfolgt die Bewertung der betrieblichen<br />
Vermögen – also die Grundlage<br />
für die Berechnung der Erbschaftsteuer<br />
– nach sogenannten Verkehrswerten.<br />
Damit sind Werte gemeint, die sich aktuell<br />
durch einen Verkauf am Markt erzielen<br />
ließen. Die Grundidee ist nachvollziehbar,<br />
denn besteuert werden soll ja<br />
ein möglichst realistischer, aktueller Wert<br />
des Betriebes.<br />
Das Problem besteht aber darin, dass<br />
gerade für Familienunternehmen solche<br />
Verkehrswerte nicht vorliegen. Warum<br />
ist das so? Familienunternehmen oder<br />
Anteile an Familienunternehmen unterliegen<br />
in der Regel einer Reihe von Auflagen,<br />
wie Zustimmungsvorbehalte,<br />
Veräußerungsverbote oder Entnahmebeschränkungen.<br />
Bei Familienunternehmen<br />
ist es daher nicht ohne weiteres<br />
möglich, Anteile des Betriebs einfach zu<br />
veräußern. Kapitalabflüsse bei einem<br />
Gesellschafteraustritt werden so vermieden.<br />
Es geht den Familienunternehmen<br />
um den langfristigen, nachhaltigen Erfolg<br />
ihrer Unternehmen. Das Bewertungsgesetz<br />
blendet die klassischen Instrumente<br />
der mittelständischen Unternehmen<br />
zur Bestandssicherung und<br />
Finanzierung aus. Aufgrund der genannten<br />
Bindungen werden diese Betriebe<br />
beziehungsweise deren Anteile nicht frei<br />
am Markt gehandelt. Die Bewertung<br />
kann also nicht so einfach aus einem<br />
aktuellen „Marktpreis“ abgeleitet werden.<br />
Es müssen aufwendige, standardisierte<br />
Verfahren angewendet werden,<br />
wie das IDW-S1-Gutachten. Weil solche<br />
Gutachten auch teuer sind, hat der Gesetzgeber<br />
die Möglichkeit des „Vereinfachten<br />
Ertragswertverfahrens“ geschaffen.<br />
Kapitalisierungsfaktor steigt<br />
Bei diesem Verfahren wird der durchschnittliche<br />
Ertrag der vorangegangenen<br />
drei Jahre eines Unternehmens<br />
mit einem Kapitalisierungsfaktor multipliziert.<br />
Abgezogen werden vom Jahresertrag<br />
ein adäquater Unternehmerlohn<br />
und pauschal 30 Prozent für Ertragsteuerzahlungen.<br />
Der Kapitalisierungsfaktor<br />
wird aus dem Basiszinssatz der Deutschen<br />
Bundesbank (aktuell in Höhe von<br />
0,99) und einem gesetzlich vorgeschriebenen<br />
Risikozuschlag (in Höhe von 4,5<br />
Prozent) ermittelt. Dabei gilt: Je niedriger<br />
der Basiszinssatz ist, desto höher ist der<br />
Kapitalisierungsfaktor und damit der<br />
„Wert“ des Unternehmens.<br />
Bewertung nicht sachgerecht<br />
Zwischen 2008 und 2011 bewegte sich<br />
der Faktor in einer engen Bandbreite von<br />
11 bis 12,6. Seitdem steigt er kräftig an,<br />
im Jahr 2014 auf 14,1 und zu Beginn<br />
dieses Jahres schnellte er sogar auf 18,2.<br />
Das entspricht Wertsteigerungen der<br />
Betriebe quasi über Nacht um 30 Prozent,<br />
ohne dass sich Grundlegendes an<br />
der Marktposition des Betriebs geändert<br />
hätte. Mit einer sachgerechten Bewertung<br />
von Betrieben hat das nichts mehr<br />
zu tun.<br />
Ein typisches Beispiel aus dem Unternehmeralltag:<br />
Max Mustermann hat über<br />
30 Jahre einen gut gehenden Einzelhandel<br />
auf dem Land mit einem Umsatz von<br />
500.000 Euro im Jahr aufgebaut. Nun<br />
möchte er seine Firma an seine Tochter<br />
übertragen. Während der Nachfolgeplanung<br />
wird auch die Erbschaft- und<br />
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68 Oldenburgische Wirtschaft September 2015