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Jobjournal_H15
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Boreout 15<br />
gestresst zu sein – so ist man «wichtig» und sonst nicht. Unterforderung<br />
hingegen ist weder von den Betroffenen selbst noch<br />
von deren Arbeitgeber erwünscht, denn somit würde ja auch<br />
ihr Unternehmen als nicht wirklich wichtig gelten. Ein weiterer<br />
Grund ist, dass für das Auftreten des Phänomens ein Alternativangebot<br />
am Arbeitsplatz vorhanden sein muss, also meist ein<br />
Computer mit Internetverbindung. Erst so kann man Arbeit<br />
glaubwürdig vortäuschen, denn von aussen wird nicht klar, ob<br />
man im Outlook oder Word arbeitet, oder ob man gerade Ferien<br />
bucht, eine neue Polstergruppe ersteigert oder sich in einem<br />
Forum über Autos austauscht. Diese Infrastruktur war vor fünfzehn<br />
Jahren noch nicht überall Standard.<br />
Warum sind Boreouts seit einiger Zeit so aktuell?<br />
Wir kratzen an einem Tabu. Jeder ist besonders wichtig und<br />
muss unglaublich viel können – scheinbar. Ein Beispiel dafür<br />
sind Stellenausschreibungen: Da hat man oft den Eindruck, dass<br />
jeder Projektassistent beinahe ein Nobelpreisträger sein müsse.<br />
Viele Leute, die ihre eigentliche Beschäftigung als viel wichtiger<br />
verkaufen, als sie eigentlich ist, sind dann auch peinlich berührt,<br />
wenn man fragt, was genau sie denn den ganzen Tag tun würden.<br />
Es gibt viel leeres und übertriebenes Gerede und Wichtigtuerei,<br />
darauf wollen wir hinweisen. Ich möchte natürlich aber auch<br />
erwähnen, dass ich einen grossen Respekt vor Leuten habe, die<br />
tatsächlich viel arbeiten und zum Weiterkommen der Menschheit<br />
beitragen.<br />
Ist der Boreout besonders in Europa verbreitet, oder findet<br />
sich das Phänomen weltweit? Gibt es regionale Unterschiede?<br />
Die Übersetzung und Herausgabe unserer Bücher in viele Sprachen,<br />
darunter auch Mandarin, Japanisch und Koreanisch ist<br />
ein Indikator dafür, dass das Thema Boreout auch dort aktuell<br />
ist. Eine unterschiedliche Verbreitung kann aber durchaus mit<br />
kulturellen sowie geographisch-ökonomischen Faktoren erklärt<br />
werden: Eine hohe Arbeitslosigkeit in einem Gebiet führt dazu,<br />
dass die Leute ihre Unterforderung stärker verstecken, weil sie<br />
fürchten müssen, keine andere Stelle zu finden. Deshalb werden<br />
die Boreout-Betroffenen dort kaum signalisieren, dass sie an<br />
ihrem Arbeitsplatz nichts zu tun haben und ihre Stelle sogar<br />
wegrationalisiert werden könnte. Es wäre also ein Trugschluss zu<br />
glauben, in solchen Regionen würde zwingendermassen effizienter<br />
gearbeitet.<br />
Oft wird kritisiert, dass die «Diagnose Burnout» inflationär<br />
und unkorrekt verwendet würde. Sehen Sie diese Gefahr<br />
auch für den Boreout?<br />
Herauszufinden, ob jemand an einem Boreout leidet, ist relativ<br />
simpel (vgl. Selbsttest S. 11), deshalb sehe ich diese Gefahr eher<br />
nicht. Im Gegenteil: Viele Betroffene merken gar nicht, dass sie<br />
von einem Boreout betroffen sind oder wollen es nicht wahrhaben.<br />
Was ist Ihr Rat an Betroffene und deren Umfeld? Wie soll<br />
man potentiell gefährdete Personen ansprechen?<br />
Entscheidend ist hier, wie gut Sie diese Person kennen. Die<br />
Bandbreite der Aktionen kann von direkt ansprechen bis hin zu<br />
nichts sagen gehen. Entscheidend ist immer das genaue Analysieren<br />
der Situation, da es für die Betroffenen ein sehr heikles<br />
Thema ist.<br />
Peter Werder (1974), Dr. phil., leitet die Kommunikation<br />
eines Schweizer Konzerns im Gesundheitswesen und ist<br />
Dozent an diversen Hochschulen. Studium der Publizistik,<br />
Philosophie und Musikwissenschaften an der Universität<br />
Zürich, Executive MBA in General Management an der<br />
Universität St. Gallen (HSG). Er war als Journalist, Musiklehrer<br />
und PR Berater tätig. Peter Werder hat diverse Artikel<br />
und Bücher publiziert.<br />
Co-Autor Philippe Rothlin (1974) arbeitet in der Finanzindustrie<br />
bei einem international tätigen Bankenkonzern.<br />
Er studierte Rechtswissenschaften sowie Betriebswirtschaftslehre<br />
an der Universität St.Gallen (HSG) und absolvierte<br />
einen Master of Business Administration (MBA) an der<br />
ESADE Business School in Barcelona. Er war bei verschiedenen<br />
Unternehmen im Bankensektor tätig. Er ist Mitbegründer<br />
einer Werbeagentur, für welche er auch verschiedene<br />
Kundenprojekte umsetzte. Er war überdies im Finanz- sowie<br />
im Industriesektor als Strategieberater tätig.<br />
©<br />
Redline Verlag<br />
Philipp Rothlin und<br />
Peter Werder:<br />
Unterfordert. Diagnose<br />
Boreout – Wenn Langeweile<br />
krank macht.<br />
Redline Verlag<br />
München 2014,<br />
176 Seiten.<br />
www.boreout.com