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Boreout 9<br />

S. 15). «Menschen […] täuschen Stress vor […] und machen den<br />

Anschein, vor lauter Arbeit bald zusammenzubrechen», obwohl<br />

sie eigentlich massiv unterfordert sind. Einige geben sogar vor,<br />

zusätzliche Arbeit mit nach Hause zu nehmen, indem sie, gut<br />

sichtbar für alle Anwesenden, ihre Aktentasche unter lautem<br />

Klagen mit einem Stapel von (eigentlich leeren) Blättern füllen.<br />

Die Betroffenen wenden diese manipulativen Verhaltensweisen<br />

an, weil sie befürchten, ansonsten ihre Stelle und damit ihr Einkommen<br />

zu verlieren – aufgrund von scheinbarer Faulheit oder<br />

der Furcht, dass die Stelle aus Effizienzgründen wegrationalisiert<br />

wird. Wer unverzichtbar ist für das Unternehmen, wird nicht<br />

entlassen, auch wenn man eigentlich massiv gelangweilt ist.<br />

Eine Verbesserung der Situation tritt so natürlich nicht ein, im<br />

Gegenteil: Der Boreout verstärkt sich dadurch nur selbst und die<br />

Leidtragenden langweilen sich weiterhin.<br />

Bürojobs sind besonders betroffen<br />

Sich nur ab und zu etwas zu langweilen bedeutet aber nicht automatisch,<br />

auch an einem Boreout zu leiden. Konkret Betroffene<br />

fühlen sich ausgelaugt und müde beim Gedanken, den ganzen<br />

Tag im Büro kaum etwas zu tun und trotzdem möglichst ausgelastet<br />

zu wirken. Wichtig ist anzumerken, dass Boreout-Patienten<br />

aber nicht einfach faul sind, sondern gerade darunter leiden,<br />

dass sie nicht arbeiten können. Damit ein Boreout überhaupt<br />

entstehen kann, müssen eine Alternativbeschäftigung, in der<br />

Regel ein Computer, sowie (zu wenige) selbständig einzuteilende<br />

Pendenzen vorhanden sein. Diese Umstände treffen vor allem<br />

Leute mit Büroberufen an, sie sind deshalb besonders gefährdet.<br />

Hinter einem Computerbildschirm kann sich jeder gut verstecken:<br />

Es werden einige scheinbar wichtige Texte und Tabellen<br />

geöffnet, worin dann irgendetwas getippt und anschliessend<br />

wieder gelöscht wird. Zudem ist man so für den Fall gewappnet,<br />

dass plötzlich jemand hinter einem stehen sollte und über<br />

die Schulter blickt. In anderen Berufen hingegen ist es schlicht<br />

nicht oder nicht so einfach möglich, eine Tätigkeit vorzugeben:<br />

«Ein Bankangestellter am Schalter kann und muss keine Beschäftigung<br />

vortäuschen, während er auf Kundschaft wartet»,<br />

so Werder. Deshalb kann an solch einer Arbeitsstelle auch kein<br />

Boreout auftreten. Gleiches gilt für Berufe, bei denen am Ende<br />

ein konkretes, physisches Produkt oder Resultat hergestellt wird<br />

– im handwerklichen Bereich oder in der Produktion beispielsweise.<br />

Ein Schreiner kann nicht nur so tun, als würde er einen<br />

Tisch reparieren und eine Bäckerin kann nicht nur vorgeben, ein<br />

Brot zu backen, ohne dass es auffallen würde.<br />

Unzufrieden auch nach Feierabend<br />

Die chronische Unterforderung im Beruf bedeutet für die Betroffenen<br />

auch mangelnde Wertschätzung und führt in der Regel<br />

dazu, dass diese Unzufriedenheit auch ins private Leben übertragen<br />

wird. Wer den ganzen Arbeitstag als verloren erlebt, den<br />

tröstet auch die Aussicht auf den sowieso viel zu kurzen Feierabend<br />

nicht – besonders mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass<br />

sich dasselbe am nächsten Tag wiederholen wird. Ein Ende dieser<br />

Situation, oder wenigstens etwas Abwechslung, ist nicht in Sicht.<br />

Deshalb sind Leute mit einem Boreout oft gereizt und mürrisch,<br />

was nach der Arbeitszeit nicht einfach ausgeblendet werden<br />

kann. Die Nichtstun-Strategien können zudem unbewusst auch<br />

vom beruflichen auf das private Leben übertragen werden – eine<br />

Lustlosigkeit setzt ein und verstärkt, zusammen mit einem ausgelaugten<br />

und matten Zustand, die generelle Unzufriedenheit.<br />

Grundsätzlich wären viele Boreout-Patienten sehr gerne bereit,<br />

sich mehr im Job zu engagieren; das würde auch daheim zu mehr<br />

Wohlbehagen führen. Die falsche Stellenwahl, eine mangelhafte<br />

Unternehmenskultur oder auch falsche Teamstrukturen verhindern<br />

aber genau dies.<br />

Boreout und Burnout – zwei Brüder<br />

Der Begriff des Boreouts beruht auf seinem bekannteren Gegenpart,<br />

dem Burnout. Die Schöpfer des Ausdrucks, Peter Werder<br />

und Philippe Rothlin, sprechen von einer brüderlichen Verwandtschaft<br />

der zwei Phänomene: «Wie bei der Beziehung zweier<br />

Brüder gibt es neben den Unterschieden auch viele Gemeinsamkeiten»,<br />

schreiben die Autoren. Folgende Faktoren teilen sich der<br />

Boreout und der Burnout:<br />

• Betroffene beider Syndrome leiden langfristig unter einem<br />

Erschöpfungszustand, der eine Leistungsminderung und eine<br />

kritische Distanz zur Arbeit mit sich bringt.<br />

• Bore- und Burnouts schaden auch den Unternehmen, in<br />

denen die Betroffenen angestellt sind.<br />

• Körperliche Beschwerden, Zynismus und Gereiztheit als<br />

Folge der Erkrankungen können auch im privaten Leben<br />

vorkommen.<br />

Wie bereits erwähnt, gibt es auch Unterschiede zwischen den<br />

beiden «Brüdern»:<br />

• Unterforderung, Desinteresse und Langeweile am Arbeitsplatz<br />

sind die Kernelemente des Boreouts, während beim Burnout<br />

Überforderung, Übermotivation und eine zu grosse Arbeitslast<br />

die Ursache sind.<br />

• Ein Burnout ist für das Umfeld eher sichtbar und in der<br />

Gesellschaft anerkannt. Boreout-Betroffene hingegen fallen<br />

wegen den Vertuschungsstrategien oft kaum auf. Zudem ist<br />

chronische Unterforderung sozial oft nicht akzeptiert und<br />

kaum bekannt.

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