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FRISCH GESCHLIFFEN Die elsässische Kristall-Manufaktur Lalique in neuem Glanz
FRISCH GESCHLIFFEN
Die elsässische Kristall-Manufaktur Lalique in neuem Glanz
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KÜCHENWEIN<br />
MUSS SEIN!<br />
ALFRED BIOLEK <strong>UND</strong> DIE REZEPTE SEINES LEBENS<br />
Niemand hat in Deutschland mehr Kochbücher verkauft, keiner lustvoller das gemeinsame Kochen<br />
zelebriert als der legendäre Fernsehunterhalter. Mit den vierhundertneunundfünfzig Folgen seiner<br />
von 1994 bis 2007 ausgestrahlten Kochsendung »alfredissimo!« prägte er die Essgewohnheiten<br />
einer ganzen Generation – dabei hatte »Bio« noch nicht einmal eine Kochlehre absolviert. Die<br />
auf wändige Neuausgabe seiner gesammelten Rezepte würdigt nun sein kulinarisches Vermächtnis.<br />
Von STEFAN PEGATZKY<br />
Fotos MAYK AZZATO<br />
Ein großer Koch war er wahrlich nicht. Kein Handgriff war gelernt, die Bewegungen schienen ungelenk, die<br />
Abläufe improvisiert. Immer wieder ging etwas daneben. Als Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth zu Gast<br />
war, ruinierte er ihr die Bergischen Pfannkuchen. Eindruck machte er dennoch. Während Rita Süssmuth in<br />
Zeitlupe Kartoffeln in Stifte schnitt und er dabei über die Wichtigkeit scharfer Messer dozierte, entfuhr es<br />
ihr: »Sie sind ja ein richtig professioneller Kocher!« Daraufhin Biolek: »Nee – überhaupt nicht. Ich habe<br />
nur ein paar gute Sachen und eine Küche, die Spaß macht.«<br />
Spaß gemacht hat es wohl fast allen Gästen bei Alfred Biolek. Das<br />
sprach sich rum, und so stellte sich nach Rita Süssmuth, immerhin<br />
die Inhaberin des zweithöchsten Staatsamtes der Bundesrepublik,<br />
selbst die scheue Kanzlergattin Hannelore Kohl zu ihm in<br />
die Fernsehküche. In »alfredissimo!« bewegte sich die Bandbreite der<br />
Gäste zwischen den Wildecker Herzbuben und Campino, zwischen Ingrid<br />
Steeger und Christoph Schlingensief. Und doch war die Sendung<br />
keine bloße Personality-Show. Fünfzehn Millionen verkaufte Kochbücher<br />
bezeugen, dass Alfred Biolek, von Hause aus promo vierter Jurist,<br />
nicht nur ein enorm erfolgreiches Fernsehformat geschaffen hatte, sondern<br />
auch einen kulinarischen Nerv getroffen haben musste. Was aber<br />
war sein Geheimnis?<br />
Tatsächlich verbarg sich hinter dem jovialen TV-Unterhalter ein<br />
echter Medienprofi. Noch vor dem eigentlichen Sendebeginn war der<br />
frischgebackene Doktor der Rechtswissenschaften im Frühjahr 1963<br />
in die Rechtsabteilung des gerade erst gegründeten ZDF eingetreten.<br />
Nach nur wenigen Monaten wechselte er den Job: Ihn zog es aus der<br />
Verwaltung in die Produktion. Es war die Gründerzeit des deutschen<br />
Fernsehens, die Berufsbilder waren noch unklar. Alfred Biolek hatte<br />
während des Studiums ein Studenten-Kabarett gegründet: Als Jurist<br />
mit Bühnenerfahrung war er fürs Fernsehen kaum weniger qualifiziert<br />
als ein Autor oder Dramaturg.<br />
Fortan arbeitete Biolek als Redakteur im Vorabendprogramm, nicht<br />
mehr in Mainz, sondern in »Telesibirsk«, wie die Kollegen die ersten<br />
Produktionsbaracken des ZDF in Eschborn nannten. Nach einigen Jahren<br />
in der Ratgeber-Redaktion wechselte er zur Unterhaltung. Hier war<br />
er für die neue Abendshow »Nightclub« verantwortlich. Bald erwies<br />
sich, dass Alfred Biolek ein ausgesprochenes Händchen für Stars hatte:<br />
Dem Moderator Dietmar Schönherr stellte er Legenden wie Josephine<br />
Baker und Juliette Gréco an die Seite. Er merkte schnell, dass die Welt<br />
des Showbiz und die Mainzer ZDF-Bürokratie nicht füreinander gemacht<br />
waren. 1969 zog er die Reißleine und wechselte zur Filmproduktionsgesellschaft<br />
Bavaria nach München.<br />
Über diesen Umweg begann die eigentliche Karriere von Alfred<br />
Biolek. Nach vier Jahren des Experimentierens mit neuen Sende formaten<br />
fing er 1974 beim WDR an. Mit der von ihm produzierten Show »Das<br />
laufende Band« mit Rudi Carrell landete er sofort einen Riesenhit. Nun<br />
hatte Biolek genügend Selbstvertrauen, selbst als Entertainer vor die<br />
Kamera zu gehen: Nach zwei Probeläufen erhielt er 1978 die große<br />
Musikshow »Bio’s Bahnhof« im Ersten. »Bio« war jetzt eine Marke,<br />
und sie sollte die kommenden fünfundzwanzig Jahre die Unterhaltungskultur<br />
des deutschen Fernsehens prägen. Die Krönung war die Talkshow<br />
»Boulevard Bio«, die zwischen 1991 und 2003 wöchentlich ausgestrahlt<br />
wurde. Hier führte er keine journalistischen Interviews, sondern<br />
Gespräche, die unterhalten sollten, und er inszenierte sie wie in privatem<br />
Rahmen, nicht als öffentliches Tribunal. Dadurch gelang es ihm,<br />
eine Form von Intimität entstehen zu lassen, in der seine Gäste mehr<br />
als üblich von sich preisgaben. Dieses »Menschelnde« wurde ihm oft<br />
zum Vorwurf gemacht, aber der hochintelligente Biolek – das juristische<br />
Staatsexamen hatte er als einer der Besten des Landes absolviert –<br />
hielt es lieber mit der Maxime von Hugo von Hofmannsthal: die Tiefe<br />
an der Oberfläche verstecken.<br />
In einer frühen Selbstreflexion hatte Biolek einmal festgehalten, dass<br />
auch der Produzent von Fernsehunterhaltung nie vergessen darf, dass<br />
er »am televisionären Prozess der Bewusstseins- und Geschmacksbildung<br />
beteiligt ist«. Das war noch ganz im öffentlich-rechtlichen<br />
Sinn formuliert. Zugleich wusste er ganz genau, dass jede spürbare<br />
Belehrung des Zuschauers die Unterhaltung tötet. Dennoch war nicht<br />
die zynische Parole vom Wurm, der dem Fisch schmecken muss und<br />
nicht dem Angler, seine Richtschnur. Biolek war und ist davon überzeugt,<br />
dass Film und Fernsehen ihren Ursprung im Jahrmarkt und in der<br />
Zirkus arena haben, in der Verheißung von »Menschen, Tieren, Sensationen«.<br />
Wenn das Fernsehen nicht das Ewiggleiche wiederkäut, sondern<br />
Neues und Ungewohntes präsentiert, bleibt es selbst bei der glitzernden<br />
Unterhaltungsshow seinem Bildungsauftrag treu.<br />
Als Alfred Biolek 1984 in Wiesbaden dem jungen Ralf Frenzel begegnete,<br />
war nicht abzusehen, dass der von ihm verantwortete »televisionäre<br />
Prozess der Bewusstseins- und Geschmacksbildung« sich auch<br />
ganz buchstäblich auf die deutsche Küche erstrecken sollte. Der einundzwanzigjährige<br />
als Koch und Kellner ausgebildete Ralf Frenzel war seit<br />
einem Jahr Sommelier in der »Ente vom Lehel«, damals ein Hot Spot<br />
des jungen deutschen Küchenwunders. Die beiden waren ein ander sympathisch,<br />
man blieb in Kontakt. Während Biolek über einige Umwege<br />
»Boulevard Bio« entwickelte, wurde Ralf Frenzel der Darling der weltweiten<br />
Weinszene. Den damals vor allem aus Frankreich importierten<br />
An »ein paar guten Sachen« hat’s nie gemangelt: Dr. jur. Alfred<br />
Biolek, nun im gesetzten Alter am Küchentisch seinen Erinnerungen<br />
aus einem ereignisreichen Leben nachhängend. Seine<br />
Prominenz und Popularität als kulinarischer TV-Entertainer<br />
konnten ihn, darin ganz Alte Schule, nie dazu verleiten, sich<br />
selbst wichtiger zu nehmen als seine Gäste.<br />
Qualitätsanspruch übertrug er auf deutsches Essen und Getränke. Als<br />
unermüdliches Kommunikationstalent leistete Ralf Frenzel in diesen<br />
Jahren insbesondere für den trocknen deutschen Wein unschätzbare<br />
Hebammendienste. Nach einigen Jahren im Weinhandel setzte ihn<br />
Willi Leibbrand, eine Legende des Lebensmitteleinzelhandels, 1991 als<br />
Geschäftsführer seiner Gruppe ein, wo er unter anderem Restaurantkonzepte<br />
mit starkem Weinschwerpunkt entwickelte.<br />
1993 starb Willi Leibbrand, und Ralf Frenzels Zukunft war unsicher.<br />
Ein Jahr bereiste er die ganze Welt auf der Suche nach neuen Ideen.<br />
Und er traf sich erneut mehrmals mit Alfred Biolek, den er nicht nur<br />
als Medienprofi, sondern auch als passionierten Hobbykoch kennengelernt<br />
hatte. Ralf Frenzel fungierte nun für Biolek als Coach fürs Essen<br />
und Trinken, und gemeinsam mit dem Team um Produzent Andreas<br />
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